Hochwasservorsorge im Römischen Reich: Praktiken und Paradigmen 9783515132664, 9783515132701, 351513266X

Gab es in der Antike ein aktives Handeln gegenüber Naturrisiken? Jasmin Hettinger widmet sich den Vorsorgepraktiken, die

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Hochwasservorsorge im Römischen Reich: Praktiken und Paradigmen
 9783515132664, 9783515132701, 351513266X

Table of contents :
Zum Geleit
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
I.1 Hochwasser oder Überschwemmung? Flusshochwasser in der althistorischen Forschung
I.2 Konzeption und Methode
I.2.1 Environmental Coherence
I.2.2 Risiko, Prävention, Management und Vorsorge
I.2.3 Perspektivwechsel: Von der Deutung zum Vorsorgehandeln
I.3 Zur Quellenlage
I.3.1 Literarische Quellen zu geographischen Sachverhalten
I.3.2 Antike Fachschriften
I.3.3 Epigraphische Quellen
I.3.4 Archäologisches Material und geowissenschaftliche Studien
I.3.5 Allgemeine Bemerkungen zum Quellenmaterial
I.4 Charakteristika von Flusshochwassern im antiken Mittelmeerraum
I.5 Beeinträchtigung der Fluss- und Ufernutzung durch Hochwasser
II. Römische Diskurse um Flusshochwasser
II.1 Lateinische Bezeichnungen für das Ausufern von Flüssen
II.2 Ausufernde Flüsse: Deutung und Religiöser Umgang
II.3 Antikes Wissen zur Entstehung von Flusshochwasser
II.3.1 Nilfluttheorien
II.3.2 Wissen zu Flutursachen an anderen Flüssen
II.3.3 Naturkundliche Topoi aus Sintflutmythen
II.3.4 Generelle Bemerkungen zum antiken Hochwasserwissen
III. Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser
III.1 Rechtliche Regelungen
III.1.1 Juristische Flussbreiten und die Vernachlässigung des Pegels
III.1.2 Flussverlagerungen und Anschwemmungen in römischen Rechtspraktiken
III.1.3 Deltavorbau in der Rechtspraxis
III.2 Ingenieurstechnische Maßnahmen
III.2.1 Von der Drainage zum Management
III.2.2 Begehrtes Land: Von Flussregulierungen und Seeabsenkungen
III.2.3 Tunnel, Talsperren, Dämme und Kanäle
III.3 Sicherung der Kommunikation und Versorgung
III.3.1 Flutanfällige Straßen
III.3.2 Zwischen Flut und Trockenzeit: Brücken und schwankende Pegel
III.3.3 Flussaufsicht und Pflege der Infrastruktur
III.4 Städtische Siedlungsmuster und Bauformen am Fluss
III.4.1 Zwischen Nähe und Distanz: Zur Anlage von Siedlungen am Fluss
III.4.2 Drainage, Substruktion, Aufschüttung: Vorbereitung des Baugrunds
III.4.3 Wasserwelten: Zwischen Fluttoleranz, Anpassung und Siedlungsaufgabe
IV. Synthese: Betrachtungen zur Environmental Coherence
IV.1 Äußerungen des Risikobewusstseins
IV.1.1 Semantik und Diskurswandel um Wasserbauten
IV.1.2 Lokales Wissen, fehlendes Erfahrungswissen und Wissen aus Mythen
IV.1.3 Manifestationen kalkulierten Risikos und Technologietransfer
IV.2 Umgangsformen mit der natürlichen Dynamik von Flusslandschaften
IV.2.1 Flussdynamik bei Juristen, Feldmessern und Wasserbauern
IV.2.2 Saisonalität als Grundlage für Hochwasservorsorge
IV.2.3 Zur antiken Wertschöpfung aus amphibischen Landschaften
IV.3 Rivalitäten
IV.3.1 Konkurrierende Interessen an Fluss und Ufer
IV.3.2 Technikfolgen: Von der schnellen Lösung zum Langzeiteffekt
IV.3.3 Flutereignisse zwischen transzendenter Deutung und aktiver Vorsorge
V. Römische Hochwasservorsorge zwischen Management und Prävention: Ein Fazit
Literaturverzeichnis
Geographisches Register
Personenregister
Sachregister

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Jasmin Hettinger

Hochwasservorsorge im Römischen Reich Praktiken und Paradigmen

Alte Geschichte Franz Steiner Verlag

Geographica Historica | 44

Geographica Historica Begründet von ernst kirsten Fortgeführt von eckart olshausen und vera sauer Band 44

Hochwasservorsorge im Römischen Reich Praktiken und Paradigmen Jasmin Hettinger

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung der Dissertation „Praktiken und Paradigmen antiker Hochwasservorsorge. Flusshochwasser im Römischen Reich aus technik-, kultur- und umweltgeschichtlicher Perspektive mit Fokus auf den Mittelmeerraum“, die von Jasmin Hettinger (Stuttgart) an der Universität Duisburg-Essen der Fakultät für Geisteswissenschaften zum Erwerb des Grades Dr. phil. vorgelegt und am 11. April 2018 verteidigt wurde. Gutachter waren Prof. Dr. Wolfgang Blösel, Prof. Dr. Michael Rathmann und Prof. Dr. Rudolf Juchelka.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2022 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13266-4 (Print) ISBN 978-3-515-13270-1 (E-Book)

Zum Geleit Zumal in Regionen, in denen die Pegelstände der Flüsse saisonal stark schwanken, unterliegen Flußlandschaften einer erheblichen Dynamik. Die Nutzung ufernaher Bereiche bindet die mehr oder minder regelmäßigen Hochwasser gleichsam in den Alltag ein. Jasmin Hettinger kommt bei ihrer Untersuchung des Umgangs mit der natürlichen Dynamik von Flußlandschaften im kaiserzeitlichen Römischen Reich zu dem Ergebnis, daß man sich des Risikos dieser Nutzung sehr wohl bewußt war und daß man ihm in viel höherem Maße vorsorgend zu begegnen suchte als dies bislang allgemein gesehen wurde. Technische Vorkehrungen, städtebauliche Anpassungen, administrative Verfahrensweisen und rechtliche Regelungen zeigen, daß man neben präventiven Maßnahmen insbesondere Praktiken des Überflutungsmanagements entwickelt hat. Wir freuen uns darüber, eine Studie in die Geographica Historica aufnehmen zu können, die diesen besonderen Aspekt der Wechselwirkungen zwischen Mensch bzw. Kultur und Umwelt beleuchtet: den vorausschauenden Umgang mit Naturrisiken. Eckart Olshausen und Vera Sauer

Vorwort Im Jahr 1864 veröffentlichte George Perkins Marsh sein monumentales Werk „Man and Nature“. Darin argumentiert er ausführlich, wie seinen Beobachtungen zufolge gerade „zivilisierte Länder“ besonders anfällig für Überschwemmungen würden, indem sie mittels hochentwickelter Technologien, etwa in der Landwirtschaft, erosiven Prozessen und starkem Oberflächenabfluss Vorschub leisteten. Ein Blick in die Vergangenheit wie in die Gegenwart scheint ihm Recht zu geben. Die Bearbeitungszeit dieser Studie, die sich mit Hochwasservorsorge im Römischen Reich beschäftigt, hat mit der Elbeflut von 2013 und der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 eine denkwürdige Rahmung erhalten. Die Studie selbst ist eine überarbeitete Version meiner Dissertation, die an der Universität Duisburg-Essen im DFGGraduiertenkolleg „Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“ entstanden ist. Der Weg von der ersten Forschungsidee bis zum fertigen Manuskript war ein mäandrierender, begleitet von vielen Unterstützern, Gesprächspartnern und helfenden Händen, denen ich an dieser Stelle aufrichtig danken möchte. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Wolfgang Blösel für seine fachliche Unterstützung, seine hilfreichen praktischen Ratschläge und vor allem für seine Bereitschaft, sich mit so viel Geduld und zugleich mit so großem Interesse auf mein Forschungsprojekt einzulassen. Sein unermüdlicher Einsatz und seine Fürsprache haben ganz entscheidend zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Dafür sei ihm von Herzen gedankt. Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Zweitgutachter Michael Rathmann sowie bei Ute Schneider als meiner Zweitbetreuerin am Graduiertenkolleg, die mir beide ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite standen. Ganz herzlich danke ich außerdem meinem akademischen Lehrer an der TU Dresden, Martin Jehne, der mich mit seinen klugen Nachfragen und lehrreichen Hinweisen besonders in der Entstehungsphase des Dissertationskonzepts tatkräftig unterstützt hat. Ohne meine zusätzliche Förderung im Rahmen verschiedener Forschungsnetzwerke und Stipendien wäre der Abschluss meiner Dissertation in der vorliegenden Form nicht möglich gewesen. Insbesondere die Unterstützung, die ich über viele Jahre hinweg durch das Toletum-Netzwerk zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike erfahren habe, war prägend für die Konzeption und Feinplanung meines Forschungsvorhabens: Sabine Panzram bin ich daher zu tiefstem Dank verpflichtet, ebenso Markus Trunk. Die

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Vorwort

Förderung durch die Elise und Annemarie Jacobi Stiftung und die Gerda Henkel Stiftung für einen Forschungsaufenthalt in der Bibliothek der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik in München war für mich ebenfalls von großem Wert; ich danke in diesem Rahmen vor allem den beiden Direktoren Christof Schuler und Rudolf Haensch für den freundlichen Empfang in ihren Räumlichkeiten. Die Deutsche Wasserhistorische Gesellschaft hat mir die ingenieurswissenschaftliche Perspektive auf mein Forschungsthema eröffnet; hier möchte ich vor allem Kai Wellbrock für die Unterstützung bei der Beschaffung diverser Bildmaterialien und -rechte danken. Von großer Hilfe waren für mich außerdem die zahlreichen Doktorandenworkshops und Tagungen, die vom Deutschen Archäologischen Institut organisiert, finanziert und ausgerichtet wurden, was ich hier nicht unerwähnt lassen möchte. Die Überarbeitung des Manuskripts zur Veröffentlichung in Buchform, der ich mich erst nach Abschluss meines wissenschaftlichen Volontariats am Deutschen Schifffahrtsmuseum / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte vollständig gewidmet habe, hat sich aufgrund von Einschränkungen infolge der Corona-Krise (geschlossene Bibliotheken usw.) weiter verzögert. Umso mehr freut es mich, dass meine Arbeit nun in die Reihe Geographica Historica aufgenommen wurde, wofür ich mich bei Eckart Olshausen und Vera Sauer ganz herzlich bedanken möchte. Der Druck wurde von der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften sowie vom oben genannten Graduiertenkolleg finanziell unterstützt, sodass mein Dank auch diesen beiden Institutionen gilt. Mit Katharina Stüdemann hatte ich dankenswerterweise eine sehr kompetente und engagierte Ansprechpartnerin beim Franz Steiner Verlag, die mir bei der Publikationsvorbereitung jederzeit zur Seite stand. Für die vielen lehrreichen, scharfsinnigen und bisweilen erheiternden Gespräche über meine Forschungen möchte ich mich bei all meinen Freunden, Kollegen und Mitstreitern bedanken, die vor allem an den Universitäten in Dresden und Essen, am Deutschen Schifffahrtsmuseum sowie bei diversen Netzwerktreffen die Entstehung und Entwicklung dieser Arbeit begleitet haben. Zu guter Letzt möchte ich meinem Ludwig für all die Liebe und Unterstützung danken, die ich während der gesamten Promotionsphase von ihm erfahren habe – als Vermessungsingenieur hatte er immer ein Herz, ein offenes Ohr und noch mehr Verständnis für die bisweilen doch recht arkanen Ausführungen der römischen Feldmesser. Und schließlich sollten ihm auch die Leser dieses Buches zu Dank verpflichtet sein, denn ohne seine helfende Hand bei der Anwendung von QGIS wäre das von mir erstellte Kartenmaterial sicherlich weitaus weniger ansehnlich geworden. Gewidmet sei dieses Buch meinen lieben Eltern, die mich bei all meinen Unternehmungen von Anfang an uneingeschränkt unterstützt haben, und die ihre Begeisterung für die Archäologie und Geschichte der alten Kulturen letztlich an mich weitergegeben haben. Ihnen danke ich von ganzem Herzen! Jasmin Hettinger, Leipzig im Dezember 2021

Inhaltsverzeichnis I. I.1

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hochwasser oder Überschwemmung? Flusshochwasser in der althistorischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeption und Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2.1 Environmental Coherence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2.2 Risiko, Prävention, Management und Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2.3 Perspektivwechsel: Von der Deutung zum Vorsorgehandeln . . . . . . . . . . . . . Zur Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3.1 Literarische Quellen zu geographischen Sachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3.2 Antike Fachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3.3 Epigraphische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3.4 Archäologisches Material und geowissenschaftliche Studien . . . . . . . . . . . . . I.3.5 Allgemeine Bemerkungen zum Quellenmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Charakteristika von Flusshochwassern im antiken Mittelmeerraum . . . . . . . . Beeinträchtigung der Fluss- und Ufernutzung durch Hochwasser . . . . . . . . . .

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Römische Diskurse um Flusshochwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lateinische Bezeichnungen für das Ausufern von Flüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausufernde Flüsse: Deutung und Religiöser Umgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antikes Wissen zur Entstehung von Flusshochwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3.1 Nilfluttheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3.2 Wissen zu Flutursachen an anderen Flüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3.3 Naturkundliche Topoi aus Sintflutmythen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3.4 Generelle Bemerkungen zum antiken Hochwasserwissen . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser . . . . . . . . . III.1 Rechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.1.1 Juristische Flussbreiten und die Vernachlässigung des Pegels . . . . . . . . . . . . a. Die Begrenzung des Ana in Augusta Emerita und das Kataster von Lacimurga . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I.4 I.5 II. II.1 II.2 II.3

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Inhaltsverzeichnis

b. Flussbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c. Flusspegel und die juristische Definition von Wasserläufen . . . . . . . 167 III.1.2 Flussverlagerungen und Anschwemmungen in römischen Rechtspraktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a. Die Mäander-Klage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b. Die actiones de alluvione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III.1.3 Deltavorbau in der Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a. Das Vorschieben des Mäander-Deltas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b. Die Verlandung des Lacus Ligustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 III.2 Ingenieurstechnische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III.2.1 Von der Drainage zum Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a. Der Lacus Velinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b. Die cura riparum et alvei Tiberis und das Kanalnetz in Ostia und Portus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c. Paradigmenwechsel im Umgang mit Tiberhochwassern . . . . . . . . . . 239 III.2.2 Begehrtes Land: Von Flussregulierungen und Seeabsenkungen . . . . . . . . . . 241 a. Das Kopaïsbecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b. Der Lacus Fucinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 c. Allgemeine Bemerkungen zur Seedrainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III.2.3 Tunnel, Talsperren, Dämme und Kanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a. Hochwasserableitung in Seleukeia Pieria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b. Hafen- und Schifffahrtskanäle an Tiber, Po, Mäander und Kaystros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 c. Wasserbauten von Antiocheia in Syrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 d. Römische Dammbauten (Dara, Wadi Megenin und andere) . . . . . . 290 e. Abschließende Bemerkungen zu römischen Flutschutzbauten . . . . 295 III.3 Sicherung der Kommunikation und Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 III.3.1 Flutanfällige Straßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a. Die Via Nova in Nordafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 b. Straßen durch Gebirgsgegenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 c. Straßen durch Feuchtgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 III.3.2 Zwischen Flut und Trockenzeit: Brücken und schwankende Pegel . . . . . . . 316 a. Störung der Kommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b. Überdimensionierte Römerbrücken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 c. Die technologische Trias des römischen Brückenbaus. . . . . . . . . . . . 325 d. Holz-, Schiffsbrücken und die Brücken Justinians über den Sangarios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 III.3.3 Flussaufsicht und Pflege der Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 a. Die Ausbaggerung von Fahrrinnen und Hafenbecken . . . . . . . . . . . . 335 b. Die öffentliche Flussverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Inhaltsverzeichnis

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c. Die Unterhaltung privater Ufergrundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 d. Resümierende Bemerkungen zur Instandhaltung hydraulischer Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 III.4 Städtische Siedlungsmuster und Bauformen am Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 III.4.1 Zwischen Nähe und Distanz: Zur Anlage von Siedlungen am Fluss. . . . . . 349 III.4.2 Drainage, Substruktion, Aufschüttung: Vorbereitung des Baugrunds. . . . . 352 III.4.3 Wasserwelten: Zwischen Fluttoleranz, Anpassung und Siedlungsaufgabe 359 IV. Synthese: Betrachtungen zur Environmental Coherence . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV.1 Äußerungen des Risikobewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV.1.1 Semantik und Diskurswandel um Wasserbauten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV.1.2 Lokales Wissen, fehlendes Erfahrungswissen und Wissen aus Mythen . . . . 384 IV.1.3 Manifestationen kalkulierten Risikos und Technologietransfer . . . . . . . . . . 389 IV.2 Umgangsformen mit der natürlichen Dynamik von Flusslandschaften . . . . . . 393 IV.2.1 Flussdynamik bei Juristen, Feldmessern und Wasserbauern . . . . . . . . . . . . . 393 IV.2.2 Saisonalität als Grundlage für Hochwasservorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 IV.2.3 Zur antiken Wertschöpfung aus amphibischen Landschaften . . . . . . . . . . . 400 IV.3 Rivalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 IV.3.1 Konkurrierende Interessen an Fluss und Ufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 IV.3.2 Technikfolgen: Von der schnellen Lösung zum Langzeiteffekt . . . . . . . . . . . 406 IV.3.3 Flutereignisse zwischen transzendenter Deutung und aktiver Vorsorge . . . 409 V.

Römische Hochwasservorsorge zwischen Management und Prävention: Ein Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Geographisches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487

I. Einleitung I.1 Hochwasser oder Überschwemmung? Flusshochwasser in der althistorischen Forschung Tiberis infestiore quam priore impetu illatus urbi duos pontis, aedificia multa, maxime circa Flumentanam portam, evertit. Saxum ingens, sive imbribus seu motu terrae leniore, quam ut alioqui sentiretur, labefactatum in vicum Iugarium ex Capitolio procidit et multos oppressit. In agris passim inundatis pecua ablata, villarum strages facta est. Der Tiber drang mit noch größerer Gewalt als im Vorjahr in die Stadt ein und zerstörte zwei Brücken und viele Gebäude, vor allem um die Porta Flumentana herum. Ein gewaltiger Felsbrocken löste sich – entweder durch Regen oder durch ein Erdbeben, das zu leicht war, als daß man es anderswo bemerkt hätte –, fiel vom Capitol auf den Vicus Jugarius und erschlug viele. Auf dem Land, das überall überflutet war, wurde viel Vieh weggerissen, und es kam zum Einsturz von Landhäusern.1

Antike Berichte dieser Art, die von verheerenden Flutkatastrophen in Rom und seinem Umland handeln, sind vielfach auf uns gekommen.2 Da die römische Geschichtsschreibung voll von solcherlei Berichten ist, scheinen Tiberhochwasser gleichsam die Geschichte des antiken Rom von den Anfängen bis zu ihrem Ende zu begleiten. Schon für die Gründung der Stadt am Tiber spielte gemäß dem Mythos eine Flut die tragende Rolle im Wortsinne: Sie soll den Korb mit den darin ausgesetzten Zwillingen Romulus und Remus an eine seichte Stelle am Ufer getragen haben, die durch Flutwasser angestaut war.3 Die Zwillinge überlebten, wurden gerettet und gründeten später am

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Liv. 35,21,5–6. Übersetzung: Hans Jürgen Hillen (Hillen 1998). Eine Zusammenstellung antiker Berichte zu Tiberhochwassern in Rom, die den Zeitraum von 414 v. Chr. bis 398 n. Chr. umfasst, findet sich bei Aldrete 2007: 13–33, eine entsprechende Liste zur Übersicht auch ebd.: 14; zudem leicht davon abweichende Listen bereits bei Le Gall 1953: 29; Champeaux 2003: 42. Liv. 1,4,4–5; Plut. Rom. 3,4; Aldrete 2007: 11; Hillen 2003: 76.

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Einleitung

Ort ihrer Errettung eine Stadt.4 So hat Rom seine Existenz in gewisser Weise einer Tiberflut zu verdanken.5 Vom Gründungsmythos einmal abgesehen, überwiegen in der römischen Geschichtsschreibung freilich die Berichte über negative Auswirkungen der regelmäßig wiederkehrenden Tiberhochwasser: Rom erstreckte sich zwischen Hügelland inmitten einer sumpfigen Ebene,6 um deren Entwässerung über die Cloaca Maxima sich schon die Könige aus der Frühzeit Roms sorgten.7 Jedenfalls war die Stadt aufgrund ihrer Topographie flutanfällig, und dass eine beachtliche Anzahl an antiken Flutberichten vorliegt, überrascht wenig. Vor diesem Hintergrund ist es ebenso wenig verwunderlich, dass das Phänomen Hochwasser für Rom und sein Umland, aber auch für die antike Welt im Allgemeinen, von althistorischer Seite bisher vor allem aus der Perspektive der historischen Katastrophenforschung in den Blick genommen worden ist.8 Diese hat sich seit Anfang der 1980er Jahre zunehmend in den Geschichtswissenschaften etabliert.9 Dabei wurden Flutkatastrophen oft im Verbund mit anderen Katastrophengattungen behandelt, die summarisch als „Katastrophe“ bzw. „Desaster“ – bei natürlich induzierten Ereignissen auch als „Naturkatastrophe“ oder „Umweltkatastrophe“ bezeichnet10 – zusammengefasst

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Liv. 1,4–7; Liv. 1,6,3; Plut. Rom. 3–10; Ov. fast. 2,381–425; Varro ling. 5,54. Bei Cic. rep. 2,5–11 sowie Liv. 5,54,4 wird als Kriterium für die Ortswahl stattdessen auf die Vorzüge der geographischen Lage hingewiesen; vgl. Hillen 2003: 78 und 172 zu Fn. 16. Campbell 2012: 13; zur literarischen Verknüpfung der Topographie Roms mit dem römischen Gründungsmythos und der römischen Frühgeschichte s. Schmitzer 2016: 37–54. Zur Genese des Gründungsmythos allgemein s. Hillen 2003; mit besonderem Bezug auf Tiberhochwasser s. Aldrete 2007: 10–13. Um Rom fließt der Tiber mit äußerst geringer Neigung, sodass er auf dem dortigen Schwemmland weitläufige Flussschleifen ausbildete, vgl. Le Gall 1953: 6; Campbell 2012: 13; Allinne 2007: 71; s. auch Aldrete 2007: 39–50 für kartographische Rekonstruktionen verschieden ausgeprägter Hochwasser im augusteischen Rom. Sie zeigen, welche Areale der Stadt je nach Ausmaß des Hochwassers jeweils unter Wasser standen. Plin. nat. 36,104–108 (Tarquinius Priscus); Liv. 1,38,6; Liv. 1,56,2; Dion. Hal. 3,67,5; 4,44,1 (Tarquinius Superbus). Zur Forschungsgeschichte sowie zu neuesten Untersuchungen der Cloaca Maxima s. Bianchi 2020; Antognoli/Bianchi 2009. Eine Ausnahme bildet die Nilflut als Mittel zur Bewässerung (dazu einschlägig Bonneau 1993; auch Hughes 2005: 213–215; Hughes 2014: 35–42; vgl. Hughes 1994: 35–43) sowie als Gegenstand intellektueller Beschäftigung mit Fluttheorien in der antiken Literatur (dazu umfassend Bonneau 1964; Capelle 1914). Des Weiteren wurden auch für Mesopotamien die Flusshochwasser von Euphrat und Tigris primär unter dem Aspekt der Wassernutzung für die Landwirtschaft untersucht (dazu Rost 2011; Hughes 2014: 31–35; vgl. Hughes 1994: 32–34). Groh et al. 2003a: 11–14; Borsch/Carrara 2016b: 6; Willer 2018: 1–3; Borsch 2018: 6; zu Entwicklungen und Tendenzen in der historischen Katastrophenforschung innerhalb der Alten Geschichte ebd.: 14–19; Lübken 2014: 18–22 insbesondere mit Blick auf die geschichtswissenschaftliche Erforschung von Überschwemmungen. Beispielhaft können hier die entsprechenden Stichworte aus den Werktiteln von Sonnabend 2013 („Katastrophen“) und Toner 2013 (engl. „disasters“) genannt werden, die beide auch nicht-natürlich induzierte Katastrophen wie etwa militärische Niederlagen oder individuelle Schicksalsschläge gesellschaftlicher Natur untersuchen; außerdem Sonnabend 1999 und Ols-

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wurden, um daraus generelle Bewältigungs- und Umgangsformen mit Katastrophen in der Vergangenheit ableiten zu können.11 Insbesondere Erdbeben haben sich als prominenter Untersuchungsgegenstand für die althistorische Erforschung von Naturphänomenen extremer Ausformung etabliert.12 Angestoßen wurden diese Forschungen wohl nicht zuletzt durch den richtungsweisenden Aufsatz von Arno Borst, der seine Studie zu einem alpinen Erdbe-

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hausen/Sonnabend 1998 („Naturkatastrophen“); des Weiteren die Arbeit von Deeg 2019 („Umweltkatastrophen“). Sonnabend 1999 etwa behandelt in seinem mit „Naturkatastrophen in der Antike“ betitelten Buch nicht nur Überschwemmungen, sondern auch Erdbeben, Vulkanausbrüche oder meerseitige Flutwellen; ähnlich der von ihm und Eckart Olshausen herausgegebene Konferenzband „Naturkatastrophen in der Antiken Welt“ (Olshausen/Sonnabend 1998), der aus dem 6. Internationalen Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums an der Universität Stuttgart im Mai 1996 hervorgegangen ist. Ebenso werden im vielzitierten Band von Dieter Groh, Michael Kempe und Franz Mauelshagen (Groh et al. 2003b) ähnlich weitgefasste Gattungen von Naturkatastrophen zusammengefasst und in Einzelbeiträgen unter verschiedensten Blickwinkeln meist separat abgehandelt, wobei die Beiträge diachron von der klassischen Antike bis ins 20. Jahrhundert reichen. Eine ähnliche Herangehensweise findet sich in den Sammelbänden von Schenk 2009; Janku et al. 2012; Frie/Meier 2014a. Dezidiert kritisch und mit dem Wunsch nach einer stärkeren Differenzierung bei der summarischen Erforschung von (engl.) „catastrophes“ oder „disasters“ äußert sich hingegen Schenk 2007: 11, da seiner Meinung nach die Unterschiedlichkeit der einzelnen Naturphänomene stärker zu berücksichtigen sei. Im Werk von Mischa Meier (Meier 2003a) zur Regierungszeit Justinians werden Naturkatastrophen wie Seuchen, Hungersnöte oder Überschwemmungen vor allem mentalitätsgeschichtlich betrachtet. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der mentalen Verarbeitung des Katastrophenerlebens im Kollektiv als Mittel zur Kontingenzbewältigung. Philipp Deeg (Deeg 2019) schließlich nimmt in seiner Dissertation unter dem Label „Umweltkatastrophe“ (ebd.: 18 f. in Anlehnung an den englischen Begriff „environmental disaster“) neben Überschwemmungen ähnlich wie Meier 2003b noch eine ganze Reihe anderer „Naturerscheinungen“ (ebd.: 45) in seine Studie auf, darunter kosmische Phänomene wie beispielsweise Sonnen- und Mondfinsternisse oder Kometenerscheinungen, deren Gemeinsamkeit – neben der natürlichen Bedingtheit – ihr „Ereignischarakter“ sein soll (Deeg 2019: 19–21; zur Ereignishaftigkeit als gemeinsames Kriterium s. ebd.: 21). Vgl. Borsch 2018: 11 mit Fn. 36 für eine Aufstellung entsprechender Arbeiten, konzentriert auf die religions- und deutungsgeschichtliche Ebene. Die Auswahlkriterien für Erdbebenereignisse als Forschungsgegenstand in der Alten Geschichte sind übersichtlich zusammengefasst bei Borsch/ Carrara 2016b: 1–5; s. dazu auch Borsch 2018: 3–23. Aus der recht großen Zahl diesbezüglicher Publikationen sei insbesondere die Arbeit von Waldherr 1997 genannt mit dem Fokus auf der literarischen Überlieferung vom 4. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr.; neuerdings Borsch 2021; sonst auch der Sammelband von Borsch/Carrara 2016a; der Sammelband von Waldherr/Smolka 2007; im Konferenzband von Olshausen/Sonnabend 1998 die jeweils unterschiedlichen Aspekten gewidmeten Beiträge zu Erdbeben; Meier 2003b; Meier 2009a (zum Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr. mit Verweisen auf das Erdbeben in Kampanien von 62 n. Chr.); Meier 2009b; Sonnabend 2003: 39–41; Jones 2014A; Borsch 2018. Auch in diesen Arbeiten haben am Rande immer wieder Überschwemmungen ihren Platz gefunden, zumal gerade im erdbebenanfälligen Mittelmeerraum beide Phänomene bisweilen gemeinsam auftreten können und demnach auch in den Quellen häufig zusammen erwähnt werden; vgl. Waldherr 1997: 195. Freilich ist dabei zu beachten, dass antike Katastrophenberichte der „Faktentreue“ im modernen Sinne nicht verpflichtet waren und daher die gemeinsame Erwähnung von Erdbeben und Überschwemmung nicht zwangsläufig den realen Vorgängen entspricht; s. dazu ebd.: 197, 241 und 247; vgl. Burck 1992: 126.

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benereignis im 14. Jahrhundert programmatisch als „Beitrag zur historischen Katastrophenforschung“ betitelte.13 Über das Studium des kollektiven Schockerlebens sowie der unmittelbar darauf eingeleiteten Bewältigungsmaßnahmen sollten – durchaus auch epochenübergreifend – die jeweils zugrundeliegenden gesellschaftlichen Strukturen, Weltanschauungen und politischen Mechanismen offengelegt und zueinander in Beziehung gesetzt werden.14 Wegen der Konzentration auf konkrete Katastrophenereignisse standen in den genannten Studien vor allem die direkten Reaktionen und Hilfsmaßnahmen im Vordergrund.15 Daneben wurde sowohl die unmittelbare mentale und religiöse als auch die spätere literarische Verarbeitung näher untersucht.16 Maßnahmen zum Katastrophenschutz und zur Vorsorge spielten darin hingegen kaum eine Rolle und so steht eine systematische Auseinandersetzung mit dem Thema in größerem Rahmen noch 13 14

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Borst 1981. Vgl. Borst 1981: 568, der seinerzeit noch beklagte, dass die Verquickung von politischen und natürlichen sowie technischen Störfällen in historischen Studien nicht untersucht werde; Groh et al. 2003a: 13 f.; Borsch/Carrara 2016b: 1. Eine Forschungsübersicht über vergleichende Desasterforschung gibt Schenk 2007: 18 f. Recht allgemein für Griechenland und Rom etwa Hughes 2013. Dabei wurde in der althistorischen Forschung die Frage nach staatlichen Hilfsmaßahmen insbesondere für die römische Kaiserzeit und Spätantike in einer Reihe von Arbeiten aufgegriffen und breit erörtert. Vor allem stand die Frage im Mittelpunkt, inwieweit es eine Verpflichtung des römischen Staates in der Person des Prinzeps gab, im Katastrophenfall (pro-)aktiv zu helfen und wie sich die Hilfsmaßnahmen konkret gestalteten (zum aktuellen Stand der Diskussion s. Deeg 2019: 12 f. und 227 jeweils mit weiterführender Literatur). Für eine formalrechtlich zwar nicht vorgeschriebene, aber dennoch für die Herrschaftslegitimation der Kaiser geradezu notwendige Hilfspflicht sprechen sich grundsätzlich Winter 1996: 94–108; Waldherr 1997: 184 f. und 244 f.; Sonnabend 1999: 215–230, dort v. a. 217 f.; Conti 2008; Storchi Marino 2009; Meier 2012; Sonnabend 2013: 18 f.; und Deeg 2019: 227–239 und 245–248 aus. Kritisch steht dem insbesondere Jones 2014A gegenüber, sonst auch Toner 2013: 50 und 55; differenzierter Horster 2001: 223, die zwar prinzipiell verschiedene Hilfsmaßnahmen der römischen Kaiser in den Quellen dokumentiert findet, jedoch wegen der nicht festgelegten Qualität und Quantität derselben eine kaiserliche „Garantie“ für Katastrophenhilfen nicht gegeben sieht. Hilfsmaßnahmen im Katastrophenfall, die vom Kaiser ausgingen, werden zudem als Möglichkeit für die Herrschenden zur Profilierung und Legitimierung ihrer Herrschaft verstanden; so etwa Waldherr 1997: 169; Deeg 2016 (zum politischen Selbstverständnis der Herrschenden); Deeg 2019: 226–239; umgekehrt gehört es zum Topos des guten Herrschers, im Katastrophenfall zu helfen; s. Horster 2001: 210 f.; Winter 1998: 155; vgl. Winter 1996: 94–108. Mentalitätsgeschichtliche Ansätze mit Fokus auf den kollektiven Bewältigungsmaßnahmen in Form von Sühneritualen und Bittprozessionen im kultisch-religiösen Bereich finden sich vor allem bei Meier 2001; Meier 2003a und Meier 2003b. Waldherr 1997 stellt die literarische Rezeption von Erdbeben in den Vordergrund seiner Arbeit und erörtert in dem Rahmen neben dem bereits Genannten die dramaturgische Funktion der Katastrophenschilderungen innerhalb des jeweiligen Werks; zur Wahrnehmung und literarischen Verarbeitung von Naturkatastrophen s. auch Sonnabend 2003; Waldherr 2016; zur antiken Deutung natürlich induzierter Ereignisse als prodigia in der römischen Republik s. MacBain 1982; auch Rosenbeger 1998; Engels 2007; zur religiösen Deutung in der Phase der Christianisierung zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert s. Alonso Venero 2012; speziell zu Tiberüberschwemmungen in augusteischer Zeit in ihrer Funktion als prodigium s. Becher 1985.

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immer aus.17 Erste Ansätze von althistorischer Seite liefern diesbezüglich etwa die Arbeiten von Philipp Deeg, Holger Sonnabend, Joël Le Gall und insbesondere Gregory S. Aldrete. Bei Deeg werden Präventionsmaßnahmen gegenüber verschiedenen Naturkatastrophen eher am Rande behandelt, eingebettet in eine weiter gefasste Studie zum kaiserlichen Umgang mit Katastrophenereignissen. Immerhin widmet der Autor der Thematik aber ein eigenständiges Kapitel, in welchem er auch mehrere Maßnahmen zur Hochwasservorsorge erörtert.18 Ebenfalls in einem eigenen Kapitel sind bei Sonnabend verschiedene Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge zusammengefasst.19 Ähnlich wie Deeg thematisiert Sonnabend den Vorsorgeaspekt im Hinblick auf Überschwemmungen innerhalb eines weiter gefassten Kontextes, das heißt gemeinsam mit verschiedenen anderen Naturkatastrophengattungen. Le Gall und Aldrete stellen den Tiber in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Bei Le Gall sind Maßnahmen zum baulichen Hochwasserschutz sowie zur Überwachung des Flusses samt seiner Uferbereiche Teil einer Arbeit zur Geschichte des Tibers und seiner Einbindung in Kultur und Alltagsleben der Römer in der Antike.20 Aldrete hat mit seinem 2007 erschienenen Buch „Floods of the Tiber in Ancient Rome“ sicherlich die bisher umfangreichste Vorarbeit hinsichtlich des römischen Umgangs mit Hochwasser aus althistorischer Perspektive vorgelegt, in welcher er neben der Wahrnehmung und den Auswirkungen von Flutereignissen auch bauliche und administrative Maßnahmen zum praktischen Flutschutz diskutiert.21 Des Weiteren sind noch die Arbeiten von Santiago Montero Herrero und Brian Campbell zu 17

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Vgl. Deeg 2019: 203 mit Fn. 52. Dies lässt sich schon an den jeweiligen Untertiteln der bisher zitierten Forschungsarbeiten, insbesondere der Sammelbände, feststellen, in denen ein Verweis auf Vorsorge und Prävention fehlt; so etwa bei Borsch/Carrara 2016a: „Deutungen – Folgen – Repräsentationen“; Groh et al. 2003b mit Verweis auf „Deutungen, Wahrnehmung und Darstellung in Text und Bild“; Borsch 2018: „Soziale Bewältigung“. Außerdem Sonnabend 1999: „Wahrnehmung – Deutung – Management“, wobei „Management“ dort vor allem auf das Schadensereignis, also beispielsweise auf die Überschwemmung, und weniger auf das gesamte Phänomen Hochwasser bezogen ist (ebd.; Kapitel V) mit der Ausnahme der Nilschwelle (ebd.: 241) sowie der Tiberhochwasser zu Beginn des 1. nachchristlichen Jahrhunderts, welche allerdings auch nur anhand eines isolierten Fallbeispiels kurz erörtert werden. Alle anderen dort aufgeführten Negativbeispiele stammen zwar aus dem Wasserbau, nicht aber konkret aus dem Hochwasserschutz (ebd.: 236–238; zur Diskussion rund um das Fallbeispiel des Tiberhochwassers von 15 n. Chr. ausführlich in Kapitel III.2.1). Die „Fokussierung der historischen Arbeit auf Perzeption und Deutung von Naturkatastrophen“ wird bereits von Lübken 2004: 100 kritisiert zugunsten einer breiter angelegten historischen Katastrophenforschung. Deeg 2019: 204–206 unter Einbeziehen religiöser Rituale mit klarem Zukunftsbezug, was ihren präventiven Charakter deutlich genug herausstelle (ebd.: 205 f.). Sonnabend 1999: 236–244. Das Kapitel ist betitelt mit „Vor der Katastrophe“. Le Gall 1953: 113–134 (bauliche Maßnahmen) und 135–185 (Tiberaufsicht). Zu letzterem Thema liegt zudem die Studie von Lonardi 2013 vor, die anhand von literarischen und insbesondere epigraphischen Quellen zur cura riparum et alvei Tiberis Geschichte und Genese dieses Amtes detailliert aufarbeitet. Aldrete 2007; daneben seien auch die beiden Artikel von Helmuth Schneider erwähnt, die sich mit Flutereignissen in der Stadt Rom sowie im Vorderen Orient des 6. Jahrhunderts n. Chr.

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erwähnen, die in umfangreicheren Studien zu Flüssen im Römischen Reich auch den Umgang mit dem Phänomen Hochwasser aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, wozu nicht zuletzt ingenieurstechnische, juristische und geodätisch-administrative Maßnahmen zählen.22 Schließlich dürfen hier die Forschungsarbeiten von Philippe Leveau und Ella Hermon nicht unerwähnt bleiben, die sich in zahlreichen Artikeln und Konferenzbänden insbesondere mit Fragen der römischen Wasserwirtschaft und mit hydrologischen Risiken in antiken Siedlungsräumen beschäftigen.23 Die Gründe für die bisherige Vernachlässigung antiker Vorsorgemaßnahmen oder allgemeiner des antiken Umgangs mit Naturrisiken (anstelle von Naturkatastrophen als Ereignis) in der althistorischen Forschung sind sicherlich vielschichtig. So ist in der historischen Katastrophenforschung generell erst in den letzten Jahren eine verstärkte Hinwendung zur Erforschung präventiver Maßnahmen zur Reduktion von Risiken zu beobachten.24 Zugleich ist, teils in immer klarerer Abgrenzung zur Präventionsforschung, eine Hinwendung zur Erforschung der Resilienz von historischen Gesellschaften auszumachen, in der vor allem der produktive, alltägliche Umgang mit Unsicherheiten im Mittelpunkt steht.25 Eine nicht unbedeutende Rolle dürfte aber auch die in den Kultur- und Sozialwissenschaften lange Zeit vorherrschende Prämisse gespielt haben, dass Kontingenz in den pauschal unter der Bezeichnung „Vormoderne“ zusammengefassten Epochen passiv erlitten worden sei und eine aktive Einflussnahme auf zu erwartende Schadensereignisse somit kaum Relevanz besessen habe.26 Weiter wurde postuliert, dass Prävention im Wesentlichen ein Phänomen der westlichen Mo-

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befassen und – programmatisch schon im Titel enthalten – auch auf Maßnahmen zum Hochwasserschutz eingehen; Schneider 2001; Schneider 2003. Montero Herrero 2012; zu Tiberüberschwemmungen in Rom unter Augustus s. auch Montero Herrero 2007; Campbell 2012; zu Teilaspekten römischer Hochwasservorsorge im Bereich der Landvermessung und der entsprechenden Rechtsgrundlage s. auch Campbell 2010. Neben zahlreichen anderen Artikeln sind für die vorliegende Arbeit vor allem Leveau 2008; Leveau 1993; Leveau 2012 relevant sowie die von Hermon herausgegebenen Konferenzbände (Hermon 2008), von denen zwei unter dem Titel „Riparia“ erschienen sind (Hermon 2010; Hermon/Watelet 2014). Diese meist auf die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts fokussierte Forschung ist insbesondere auf die sogenannte „Planungseuphorie“ (Laak 2010, mit einem Forschungsüberblick und weiterführender Literatur) der Moderne ausgerichtet. Die zurzeit umfassendste und aktuellste Arbeit zu dem Thema ist das Werk von Nicolai Hannig mit dem Titel „Kalkulierte Gefahren: Naturkatastrophen und Vorsorge seit 1800“ (Hannig 2019). Zur Geschichte der Planung s. etwa auch den Sammelband von Koch et al. 2015a des DFG-Graduiertenkollegs 1479 „Automatismen – Kulturtechniken zur Reduzierung von Komplexität“ an der Universität Paderborn (2008–2017); zum Forschungsprogramm des Kollegs s. Koch et al. 2015b. Dazu, mit Verweis auf verschiedene aktuelle Forschungsarbeiten zum Thema, s. etwa Willer 2018: 27, der pointiert formuliert, dass in der historischen Katastrophenforschung zurzeit eine „Umstellung vom Zukunftsparadigma der Prävention auf das der Resilienz, also von der Verhinderung unerwünschter Zukünfte zur Verwaltung von Unsicherheiten“ zu beobachten sei. In diesem Sinne Bröckling 2008: 40; Böhme 2014: 76 f.; vorsichtig als Forschungsfrage formuliert bei Willer 2018: 23 f. Zu den in letzter Zeit vermehrt aufkommenden kritischen Stimmen gegenüber diesem Narrativ speziell aus der Geschichtswissenschaft mehr in Kapitel I.2.

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derne sei, das sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse, Statistiken und Berechnungen stütze.27 Diesem Postulat lag offenkundig die Vorannahme zugrunde, dass präventives Handeln nur auf der Basis von Erkenntnissen möglich sei, die nach modernen wissenschaftlichen Standards gewonnen wurden.28 Zwar trifft es sicherlich zu, dass insbesondere im technologischen Bereich die modernen Möglichkeiten zur Vorausberechnung und Modellierung antizipierter Schadensereignisse zu keinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte präziser und leistungsstärker waren als in heutiger Zeit. Dennoch bleibt zu fragen, ob ein genuin präventives Handeln, das über den bloßen Schutz zur Schadensbegrenzung hinausging, nicht auch ohne jene modernen Technologien und errechneten Erkenntnisse grundsätzlich möglich gewesen sein sollte. In Bezug auf natürliche Flusshochwasser, deren Auftreten – etwa im Gegensatz zu seismischen Aktivitäten – aufgrund ihrer saisonalen Bedingtheit und ihrer topographisch vorgegebenen Begrenztheit bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar ist,29 dürften sich mit der Zeit auch in der Antike präventive Handlungsmuster herausgebildet haben, die allein auf der Grundlage von Erfahrungs- und Beobachtungswissen entstehen konnten.30 Hinzu kommt, dass Flüsse und Seen, von denen die Flutereignisse schließlich ausgingen, das ganze Jahr über die Landschaft prägten und daher zum alltäglichen Lebensumfeld der Menschen gehörten. Selbst ein trockengefallenes Flussbett, wie es im mediterranen Sommer häufig vorzufinden ist, bleibt an

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Bröckling 2008: 40; besonders markant und ausführlich in den Arbeiten von Michael Makropoulos: Makropoulos 1990; Makropoulos 2001. Zur Definition des Präventionsbegriffes und dessen Charakteristika für die Moderne s. Hannig 2015: 64; Hannig 2019: 16 f. Zur Definition des Präventionsbegriffes s. auch Kapitel I.2.2. Seit 2013 beschäftigen sich fortlaufend Dissertations- und Postdoc-Projekte im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs 1919 „Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage: Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“ an der Universität Duisburg-Essen epochenübergreifend mit diesem Narrativ und setzen sich dezidiert kritisch mit der Prämisse der Prävention als modernem Phänomen auseinander; dazu s. einführend Scheller 2016 mit einem Überblick über die Forschungsdiskussion und weiterführender Literatur. Im Rahmen dieses Kollegs ist auch die vorliegende Studie entstanden; ausführlicher zur Einbettung dieser Arbeit in die Präventions- und Risikoforschung im folgenden Kapitel. In ähnlicher Weise setzt sich der DFG-Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“ an der Universität Tübingen seit 2011 ebenfalls epochenübergreifend mit dem gesellschaftlichen Umgang mit ungewissen, bedrohlichen Zukünften auseinander; zum Forschungsprogramm des SFB s. Frie/Meier 2014b. Vgl. Rohr 2003: 37 zur ungenügenden Vergleichbarkeit von Flusshochwassern mit Erdbeben als Naturkatastrophen; ähnlich, aber ausführlicher zu Überschwemmungen als Gegenstand der historischen Katastrophenforschung Rohr 2007: v. a. 66 f. (Punkt 1.d zu Hochwasser als Alltag und Ausnahmezustand) und 68–71 (Punkte 2.a–e zu Überschwemmungstypen). Gerade in der Resilienzforschung wird dem sogenannten Erfahrungswissen und lokalem Wissen wieder mehr Einfluss auf die Ausbildung resilienter Lebensweisen zugestanden, wobei – wie Hannig 2019: 31 f. zu Recht anmerkt – das Forschungsdesign der entsprechenden Studien, die sich weitestgehend mit Alltagswissen auseinandersetzen und staatliche Maßnahmen ausklammern, diesbezüglich freilich eine gewisse Einseitigkeit aufweist. Gleichwohl scheint das Einbeziehen solcher Wissensbestände den Weg für neue erkenntnisreiche Studien zur Resilienzausbildung zu eröffnen.

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Ort und Stelle.31 Insofern müssen Hochwasser führende Flüsse in noch viel höherem Maße das „außergewöhnliche Normale“ dargestellt haben als die Erdbeben im antiken Mittelmeerraum, auf die sich Waldherr mit dieser Bezeichnung seinerzeit bezog.32 Daraus folgt, dass bei der Konzentration auf ein vorsorgendes Handeln eine kategorische Unterscheidung zwischen regulären Hochwassern und schwereren Überschwemmungen heuristisch kaum sinnvoll, wenn überhaupt möglich ist.33 Schon angesichts der positiven Eigenschaften der Nilschwelle für die Bewässerung der umliegenden Äcker, die bei einer zu stark ausgeprägten Flut dennoch Schaden nehmen konnten,34 bietet sich eine periskopische, vor allem praxeologisch orientierte Herangehensweise an die römische Flussnutzung und an mögliche, darin enthaltene Hochwasserpräventionsmaßnahmen an35 – zumal Flutwasser nicht ausschließlich am Nil zu Bewässerungs- und

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So spiegelt das Siedeln am Fluss seit jeher ein Abwägen von Vor- und Nachteilen wider, wobei zugunsten der vielfältigen Vorteile des direkten Zugangs zum Wasser meist das erhöhte Flutrisiko in Kauf genommen wurde; vgl. Schmidt 2000: 15; Lübken 2014: 34, auch 23–25; Rohr 2003. Waldherr 1997: 10; grundsätzlich ist Waldherrs Ausführungen zur gleichsam bewussten Normalität von extremen Naturphänomenen für die antiken Gesellschaften ohne Zweifel zuzustimmen; vgl. dazu auch Borst 1981: 531, der bemerkt, dass Erdbeben – im Gegensatz zur westlichen modernen Welt – in der heutigen Lebenswelt Japans und Chinas viel präsenter seien und daher auch das entsprechende Wissen und der Umgang damit dort selbstverständlich zum Alltag gehörten, insbesondere auch die Rückbesinnung auf vergangene Erdbebenereignisse; mit einem ebensolchen Fokus auf mentale Unterschiede zwischen der Antike und heute s. auch Borsch 2018: 336, der im Fazit seiner Studie zur sozialen Bewältigung von Erdbeben in der klassischen Antike zu dem Schluss kommt, dass bebenbedingte „Unglücksfälle“ wohl als Ereignisse angesehen wurden, die „notwendigerweise in regelmäßigen Abständen auftreten musste[n]“. Allgemein zur unterschiedlichen Wahrnehmung von Naturkatastrophen in sogenannten „risk cultures“ oder „cultures of disaster“, deren Lebensalltag vielfach von verschiedenen extremen Naturereignissen geprägt ist, s. Bankoff 2003b; zur Begrifflichkeit der „cultures of disaser“ ebd.: 152–177; Bankoff 2003a; Bankoff 2007; Hinrichsen et al. 2014: 65–67. Deeg 2019: 209 bezeichnet die römische Kultur des Prinzipats ebenfalls als „culture of disaster“, da er in Anlehnung an Waldherr 2001 davon ausgeht, dass im Katastrophenfall auf die kaiserliche Hilfe ohnehin Verlass gewesen sei. Die in der vorliegenden Arbeit vertretene Ansicht folgt in ihren Grundzügen denen von Günther 1998: 105. Vgl. Günther 1998: 108: „Wo aber sollen wir die Grenze ziehen zwischen ‚gewöhnlichen‘ Hochwasserkrisen und ‚ungewöhnlichen‘ Flutkatastrohen?“ bezüglich eines Hochwassers in Helenopolis im 6. Jh. n. Chr. (Prok. aed. 5,2,1–14) mit Verweis auf entsprechende geographische Literatur; ähnlich auch Lübken 2014: 30 f., wo er festhält: „Fluten am Ohio sind, wie an fast allen anderen Flüssen auch, sowohl Ausnahmeerscheinungen wie Alltagsphänomene“ (ebd.: 30); dazu s. auch Rohr 2007: 66 f. Neben den Feldfrüchten konnten auch Bewässerungskanäle und andere zugehörige Strukturen arg in Mitleidenschaft gezogen werden; Hughes 2014: 36 f.; vgl. Hughes 1994: 36. Was J. Donald Hughes für die pharaonische Zeit ausführt, traf ebenso auf die griechische und schließlich römische Kultivierung der Felder entlang des Nils zu; Amm. 22,15,13; Plin. nat. 5,58; dazu s. Kleibl 2003: 39; Sonnabend 1999: 241. Vgl. auch Bonneau 1993: 121–174 für entsprechende vorsorgende Instandhaltungsmaßnahmen an den Bewässerungsanlagen in Erwartung der Flut. Ähnlich Lübken 2014: 35 über die Vorteile eines risikogeschichtlichen Ansatzes in der historischen Erforschung des Umgangs mit Hochwasser im Gegensatz zu einer „Gefahrengeschichte“. Näheres zum hier verfolgten methodischen Ansatz in Kapitel I.2.2.

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anderen Zwecken genutzt wurde36 und Flüsse ohnehin stark in alltägliche Aktivitäten der römischen Gesellschaft eingebunden waren.37 Während es also durchaus sinnvoll erscheint, für die Erforschung der Katastrophenhilfe verschiedene Gattungen von Naturkatastrophen wie Brände, Erdbeben, Seuchen oder Überschwemmungen gebündelt zu betrachten, da die Schäden und Bedürfnisse unmittelbar nach dem Ereignis sich in der Regel stark ähnelten,38 sollte für die Erforschung der Vorsorgemaßnahmen viel strikter zwischen den Katastrophengattungen unterschieden werden.39 Je nach Katastrophengattung gestaltet sich die Quellenlage unterschiedlich. So hat schon Linda-Marie Günther die Vermutung geäußert, dass gerade die jährlich wiederkehrenden Hochwasser40 in der antiken Historiographie wohl wegen ihrer Normalität über das lokale Interesse hinaus kaum ein Echo gefunden hätten.41 Und in der Tat lässt sich an der von Deeg erstellten Aufstellung der Naturkatastrophen

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Neben vielen anderen Textstellen beispielsweise Plin. nat. 3,16; Strab. 3,2,3 C 142; Pomp. Trog. 44,1; Colum. 3,11,8 für die Vorteile in der Landwirtschaft einschließlich der sekundären Auswirkungen von Hochwasser wie etwa Erosion; dazu auch Kamash 2010: 37–42 speziell für den römischen Vorderen Orient; Plin. nat. 3,5,3 mit Verweis auf die verbesserte Schifffahrt (dazu s. Campbell 2012: 204); Philostr. imag. 1,5,12 zu den Vorteilen der jährlichen Hochwasser für Flussschifffahrt und Ackerbau am Nil. Dazu einschlägig Campbell 2012: v. a. Kapitel 5 bis 9 über den militärischen und wirtschaftlichen Nutzen von Wasserwegen, die Nutzung der Wasserkraft, den Gebrauch von Quell- und Flusswasser als Ressource sowie über eine Reihe anderer Nutzungsarten von Flüssen in der römischen Antike. In den Kapiteln 2 bis 4 sowie 10 wird der Fokus hingegen eher auf kultisch-religiöse, juristisch-geodätische, ideologische, künstlerische und ästhetische Aspekte von Flüssen innerhalb der römischen Kultur gelegt. Aus den Arbeiten von Sonnabend 1999: 182–236 (für die Antike allgemein) sowie Winter 1998; Horster 2001: v. a. 199–221 und Deeg 2019: 201–203 (für die römische Kaiserzeit, freilich mit jeweils unterschiedlicher zeitlicher Begrenzung) wird ersichtlich, dass Hilfsmaßnahmen im Wesentlichen darauf ausgelegt waren, Schäden an Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen zu beheben bzw. deren Behebung finanziell zu unterstützen und gegebenenfalls das dafür erforderliche Fachpersonal zu stellen oder zu organisieren. Ebenso waren in dem Zuge Aufräumarbeiten zu realisieren und Entsühnungsrituale zu veranlassen; vgl. Borsch 2021. Ähnlichen Überlegungen folgend hält schon Schenk 2007: 11, allerdings mit Fokus auf die Erforschung der Katastrophe (engl. „catastrophe/disaster“) fest: „After all, despite the natural way in which disaster research was mentioned above, we cannot with a clear scholarly conscience agree that it should cover such differing phenomena as earthquakes, storm floods, inundations, city fires, plagues of locusts, famines, wars, accidents at nuclear power plants and epidemics. We would first find out what could make these disparate phenomena into a uniform research object that can be analysed in a specific way. A study of the history of the word, concept and research field of ‚catastrophe/disaster‘ could further help us to trace the historical changeability and dynamics of the ideas relating to events that we today generally label ‚disasters‘.“ Vgl. Günther 1998: 107–111 speziell zum jahreszeitlich wie zwischenjährlich äußerst wechselhaften Hochwasserregime in Anatolien. Günther 1998: 105: „Allem Anschein nach gehörten in antiken Städten, sofern sie in entsprechenden Risikogebieten lagen, mehr oder weniger extreme Hochwassersituationen zu einem guten Teil zum Alltag – ebenso wie etwa Stadtbrände. Schlimme Ereignisse, ja ‚Katastrophen‘, waren daher von primär lokalem oder regionalem Interesse, also kein Stoff für die Geschichtsschreibung.“; vgl. Aldrete 2007: 6; Champeaux 2003: 27.

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Einleitung

im Prinzipat42 ablesen, dass bis auf wenige Ausnahmen43 nahezu alle hochwasserbezogenen Katastrophen, die in irgendeiner Form vom Prinzeps betreut wurden, Tiberüberschwemmungen in der Stadt Rom waren.44 An der Aufstellung lässt sich auch erkennen, dass im Gegensatz dazu der Prinzeps selbst an entfernten und immer wieder wechselnden Orten, besonders im Osten des Reichs, wiederholt Hilfe im Kontext von Erdbebenereignissen leistete. Diese Beobachtung mag einen weiteren Grund dafür offenlegen, warum bisherige Studien zu antiken Naturkatastrophen Vorsorgemaßnahmen eher am Rande behandelt haben: Möglicherweise sind die Quellen, in denen über Katastrophenereignisse berichtet wird – also hauptsächlich die Historiographie, enkomiastische Literatur sowie stark an der kaiserlichen Herrschaftsrepräsentation orientierte Münzprägungen, Bau- und Ehreninschriften –, nicht zwingend mit denjenigen identisch, aus denen sich etwas über den präventiven Umgang mit Naturkatastrophen erfahren lässt. Wohl gerade weil in den oben genannten Vorarbeiten jedoch vor allem auf solcherlei Quellen zurückgegriffen wurde (eben weil dort der Fokus eher auf der Katastrophenhilfe lag), konnte sich auf deren Grundlage das Urteil etablieren, dass Katastrophenvorsorge, auch was Hochwasser in der Antike anbelangt, weitaus weniger relevant gewesen sei als die Katastrophenhilfe.45 Für manch andere Art von Naturereignis mag dies im We42 43

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Deeg 2019: 261–277 (Anhang 2). Er stützt sich im Wesentlichen auf historiographische Quellen unter Berücksichtigung epigraphischen und numismatischen Materials und in wenigen Fällen auch archäologischer Befunde, wie aus der letzten Spalte „Quellen“ ersichtlich wird. Bei den Ausnahmen handelt es sich um eine vermeintliche Überschwemmung in Antiocheia am Orontes (Nr. 39), zwei Überschwemmungen des Lacus Fucinus bei Alba Fucens (Nr. 112 und 118) und eine Sturzflut in den Alpen (Nr. 139). Allerdings lässt sich die Quellenstelle zum Fall von Antiocheia nicht direkt auf ein Flutereignis beziehen, sondern belegt eher die generelle Flutgefährdung der Stadt (Ioh. Mal. 10,9); dazu Deeg 2019: 57 f. Zudem war der Prinzeps gerade persönlich vor Ort, ansonsten wäre in der Historiographie wohl kaum über die Flutgefährdung Antiocheias berichtet worden. Zu den genannten vier Ausnahmen ließen sich noch mehrere vermutete meerseitige Überschwemmungen (Tsunamis) im Zuge von Bebenereignissen (Nr. 74, 83, 85, 115) hinzuzählen, die allerdings wegen ihrer marinen Natur und insbesondere wegen ihres direkten Zusammenhangs mit Erd- bzw. Seebeben in der vorliegenden Arbeit nicht weiter von Belang sind. Gemeint sind hier die Nr. 1, 5, 7, 23, 25, 77, 96, 106, 122, 125, 138, 144 und 147 in der Tabelle (Deeg 2019: 261–277), unter denen bisweilen mehrere Flutereignisse, die sich innerhalb eines Jahres am Tiber ereigneten, zusammengefasst sind; ähnlich auch die Aufstellung von Winter 1996: 338–359, in welcher die inschriftlich belegten, öffentlichen Baumaßnahmen in Kleinasien tabellarisch aufgeführt sind, an denen römische Kaiser beteiligt waren. Dort stellen, was natürlich induzierte Ursachen für die Baumaßnahmen angeht, Erdbeben zumindest laut den Inschriften die bei Weitem größte Gruppe dar, wohingegen Brände lediglich zweimal genannt werden und an nur zwei Stellen jeweils auf Reparaturarbeiten an Hafeninstallationen rekurriert wird (Nr. 90, unter Hadrian, in Ephesos am Fluss Manthites und Nr. 120, unter Antoninus Pius, ebenfalls Ephesos). Bei letzteren beiden Fällen lässt sich zwar nicht ausschließen, dass die Wiederinstandsetzung jeweils mit vorherigen Flutereignissen einherging, doch werden sie nicht eigens in den Inschriftentexten erwähnt. So könnte es sich ebenso gut um Alterungsschäden gehandelt haben, die ohne Einwirkung eines Extremereignisses nach und nach auftraten. Deeg 2019: 209 f. und 245; Sonnabend 1999: 242–244. Für Überlegungen, warum präventive Maßnahmen im römischen Prinzipat anscheinend nur mäßig ausgeprägt gewesen seien s. Deeg

Hochwasser oder Überschwemmung? Flusshochwasser in der althistorischen Forschung

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sentlichen durchaus zutreffen, sodass diese Schlussfolgerung hier gar nicht grundsätzlich infrage gestellt werden soll. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass gerade Hochwasser in diesem Zusammenhang eine Ausnahme bilden. Wie sonst könnte erklärt werden, dass Flutereignisse in den römischen Provinzen zumindest den historiographischen Quellen nach zu urteilen46 so selten Auslöser für kaiserliche Katastrophenhilfe gewesen sind? War Überschwemmungen auch auf lokaler oder regionaler Ebene mit mehr oder weniger alltäglichen Mitteln beizukommen und könnte dies vielleicht daran gelegen haben, dass die Auswirkungen von Flusshochwassern in aller Regel absehbarer und daher weniger verheerend waren? Gab es in manchen Fällen gar präventive Maßnahmen, die selbst bei stärker ausgeprägten Hochwassern noch griffen? Wie sahen die zu befürchtenden Auswirkungen sowie mögliche präventive Maßnahmen aus und in welchen Quellen ließe sich diesbezüglich etwas erfahren? All dies sind Fragen, mit denen sich die vorliegende Untersuchung beschäftigt: Die Frage nach möglichen Quellen wird im Rahmen weiterer konzeptioneller und methodischer Überlegungen direkt im Folgenden erörtert, während die weiterführenden Fragen im Hauptteil anhand von konkreten Fallbeispielen untersucht und in der Synthese nochmals aufgegriffen werden. Darüber hinaus ist zu klären, inwieweit der in Teilen bereits recht gut erforschte Umgang mit Tiberüberschwemmungen in Rom, der vor allem in der Historiographie überliefert ist, überhaupt repräsentativ für das gesamte Reich sein kann. Immerhin handelte es sich beim Tiber nicht um irgendeinen Fluss, sondern um einen in hohem Maße mit (staats-)politischen und kultischen Bedeutungen aufgeladenen Wasserlauf, dem sowohl in der politischen Kommunikation zwischen Senat und Volk von Rom als auch in der römischen Herrschaftsrepräsentation eine gewichtige Rolle zuerkannt wurde.47 Antike Berichterstattungen, die den Tiber betreffen, sind ohne das Wissen um diese Bedeutung nicht zu verstehen.

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2019: 207–210; Sonnabend 1999: 244. Ähnlich kommt auch Aldrete 2007: 232–239 unabhängig von einem Rückbezug auf die Relevanz der Katastrophenhilfe zu dem Schluss, dass es zwar Maßnahmen zur Hochwasservorsorge speziell am Tiber gegeben habe, diese aber aus unterschiedlichen Gründen völlig unzureichend gewesen seien. Vgl. insbesondere die bereits genannten Aufstellungen von Deeg 2019: 261–277 (Anhang 2) und Winter 1996: 338–359. Vgl. Campbell 2012: 140: „Among the watery divinities of Italy, the Tiber was supreme and had a special place in Roman affections, combining three important elements in Roman life by serving as a divinity, a legend, and a national symbol. There was a truly Roman cult present from early times in which the river itself was the object of worship.“ Daneben existieren viele andere erschöpfende Arbeiten, so etwa von Montero Herrero 2012: 253–318 zur politischen und kultischen Rolle der Tiberhochwasser für die Regierungszeit einzelner Kaiser; Aldrete 2007: 10–13 und 217–221 zur identitätsstiftenden Bedeutung, zu kultischen Belangen und zur religiösen Wahrnehmung des Tibers; die Dissertationsschrift von Le Gall, Recherches sur le culte du Tibre, Paris 1953 (Presses Universitaires de France) zur kultischen Bedeutung; Murphy 2004: 138 f. zum Tiber als Symbol für die imperiale Herrschaft; zur Bedeutung des Tibers für prodigia s. Champeaux 2003; Becher

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Einleitung

Die Ziele der vorliegenden Studie sind – von den eben genannten Überlegungen ausgehend – auf zwei unterschiedlichen Ebenen angesiedelt: Zum einen soll ein Beitrag zur althistorischen Erforschung des Umgangs mit dem Naturphänomen Flusshochwasser geleistet werden. Dies soll dezidiert außerhalb einer eng gefassten, auf punktuelle Extremereignisse fixierten Katastrophenforschung erfolgen.48 Vielmehr soll durch ein Betrachten des alltäglichen, außerhalb des Katastrophenfalls stattfindenden Umgangs mit Flüssen und variierenden Pegeln ein vorsorgendes, möglicherweise gar präventives Handeln in Antizipation kommender Pegelanstiege aufgespürt werden. Vielleicht hat, so die These, eine zu starke Konzentration auf bereits eingetretene Schadensereignisse den Blick auf effektiv vorhandene Präventionsmaßnahmen verstellt, durch die es schließlich gar nicht erst zum Katastrophenfall kommen sollte.49 Zum anderen soll durch eben diesen Perspektivwechsel auf übergeordneter Ebene untersucht werden, inwieweit die oben vorgestellte Prämisse, dass Prävention ein Phänomen der Moderne sei, zutrifft oder gegebenenfalls modifiziert werden muss. Eben darin liegt das Potential des Phänomens Flusshochwasser als Untersuchungsgegenstand in der althistorischen Forschung. I.2 Konzeption und Methode I.2.1 Environmental Coherence Flusshochwasser müssen sich in unterschiedlicher Ausprägung in jeder Region des Römischen Reichs und zudem regelmäßig ereignet haben. Es ist außerdem anzunehmen, dass es auch immer wieder zu Überflutungen ufernaher Bereiche kam, die nicht bei jedem Hochwasser unter Wasser gesetzt wurden, sondern nur bei besonders ausgeprägten Flutereignissen.50 Dennoch scheint selbst letzterer Fall von den Betroffenen

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1985 (unter Augustus); s. auch Warner 1917 für eine kurze Erläuterung der Epitheta des Tibers in der antiken Dichtung. Es wird aus den genannten Gründen also gerade nicht der „Ereignischarakter“ (vgl. Deeg 2019: 21) in den Mittelpunkt gerückt. Nicht konkrete Hochwasserereignisse, sondern das Phänomen Hochwasser mit seinen potentiell negativen Implikationen wird hier Untersuchungsgegenstand sein. Trotz allem ist der Fokus hier anders gelegt als in der Habilitationsschrift von Waldherr 1997, der sich zwar ebenfalls dem antiken Umgang mit einem natürlichen Phänomen widmet (dazu vgl. Borsch 2018: 10: „Waldherr interessiert sich […] vor allen Dingen für die antike Auseinandersetzung mit dem Phänomen Erdbeben.“; Hervorhebung im Original), sich dabei jedoch auf literarisch-mentalitätsgeschichtliche Aspekte konzentriert. In der vorliegenden Arbeit werden hingegen insbesondere die Manifestationen eines Risikobewusstseins gegenüber Hochwasser in alltagspraktischen Belangen römischen Lebens und Wirtschaftens im Mittelpunkt stehen. Ähnlich schon Lübken 2004: 99 in Distanzierung zu den damaligen Tendenzen in der epochenübergreifenden historischen Katastrophenforschung. Derlei Aussagen über das Hochwassergeschehen auf dem Gebiet des Römischen Reichs lassen sich auch ohne konkreten Bezug auf bestimmte Quellenstellen treffen; in diesem Sinne schon Al-

Konzeption und Methode

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kaum jemals als derart verheerend oder problematisch empfunden worden zu sein, dass Hilfe aus Rom erbeten worden wäre.51 Insofern ist zu fragen, inwieweit Flusshochwasser überhaupt als zu behandelndes Problem angesehen wurde oder, präziser formuliert, in welcher Hinsicht ein Hochwasser nach antiken Maßstäben als potentiell schädlich wahrgenommen wurde.52 Denn nur dort, wo die historischen Akteure selbst etwas als Gefährdung wahrnahmen, ist es adäquat und nicht etwa anachronistisch, nach einem möglicherweise präventiven Handeln oder gar einem bewussten Verzicht darauf zu fragen.53 Daher scheint es methodisch sinnvoll, das Phänomen Hochwasser möglichst umfassend zu betrachten und es als Bestandteil der antiken Lebenswelt zu begreifen. Damit folgt diese Arbeit in ihren Grundzügen dem analytischen Konzept der Environmental Coherence wie es von Matthias Heymann zur historisch vergleichenden Erforschung der Kultur-Umwelt-Beziehung entwickelt wurde.54 Das Konzept geht von der Grundüberlegung aus, dass historische Gesellschaften einerseits von den Gegebenheiten ihrer naturräumlichen Umgebung geprägt waren,

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drete 2007: 92: „When dealing with a physical phenomenon like floods, just because something is not explicitly mentioned by an ancient author does not mean that one is left uncertain whether it occurred. One of the advantages of writing the history of a physical phenomenon such as floods is that it is possible to make many definite statements about the behavior and effects of these inundations despite the scarcity of information derived from primary sources. The physical laws of nature, such as the behavior of water under the influence of gravity, can be precisely described through mathematical equations, and the resulting description of the movement of floodwater is as valid for ancient Rome as it is today. To my mind, it would be irresponsible to pretend to offer a meaningful analysis of the topic of floods that failed to address important effects of flooding just because someone like Cicero did not happen to mention them.“ Vgl. Günther 1998: 105; s. auch Hughes 2005: 43 für mögliche Flutereignisse am Tiber ohne entsprechende Schriftquellen; generell dazu auch im vorigen Kapitel. Da die römische Gesellschaft zu jedem Zeitpunkt ihrer Geschichte eine vorindustrielle, agrarisch geprägte Gesellschaft war, wird ihre Wahrnehmung von Flusshochwasser eine ganz andere gewesen sein als für den heutigen Betrachter aus der stark urbanisierten westlichen Welt; vgl. Lübken 2014: 35 f.; Hannig 2019: 28. Dazu s. insbesondere Rohr 2007: v. a. 66 f. (Hochwassers als Alltags- und Ausnahmezustand); auch Rohr 2003: 37; s. zudem Dan 2018: 25 f. für die gezielte Erforschung des kulturellen und historischen Kontextes bei der Beschäftigung mit Flüssen in der Antike, um Anachronismen und zu starke Dichotomien, etwa zwischen Moderne und Vormoderne, zu vermeiden. Zugunsten eines teilweise bewussten Verzichts auf Vorsorgemaßnahmen äußern sich beispielsweise Aldrete 2007: 225–231 und Sonnabend 1999: 242 (Vorsorge als „politisch nicht erwünscht“) sowie zusammenfassend ebd.: 244; ähnlich auch die Einschätzung von Borsch 2018: 327, der einen „fehlenden Willen“ zu Anpassungsmaßnahmen gegenüber Erdbeben auszumachen glaubt („Für flächendeckende strukturelle Anpassungsmaßnahmen fehlte vielmehr offenbar der Wille.“), wobei die Möglichkeiten einer Erdbebenvorsorge freilich weitaus begrenzter sind als die einer Hochwasservorsorge, was für die Antike umso mehr gelten muss; vorsichtig eine gewisse römische Zurückhaltung hinsichtlich präventiver Maßnahmen im Prinzipat konstatierend auch Deeg 2019: 208–210, jedoch in entschiedener Abgrenzung zu Sonnabend 1999: 242 und 244 ob der Pauschalität der dort getroffenen Aussage (dazu vgl. auch Deeg 2019: 204.). Zum Begriff der „Prävention“ ausführlich im folgenden Kapitel I.2.2. Grundlegend zu Konzeption und Nutzen des environmental coherence-Konzepts Heymann 2019; Heymann 2014; Heymann 2009.

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Einleitung

sie aber andererseits den Naturraum durch kulturelle Praktiken auch ihren Bedürfnissen entsprechend umgestalteten:55 So nimmt etwa die natürliche Dynamik eines Flusses Einfluss auf die Genese der an ihm siedelnden Gesellschaft und formt deren kulturelle Sichtweise auf die Flusslandschaft ebenso wie – umgekehrt – der Fluss durch die Menschen genutzt und dadurch verändert wird. Diese beiderseitige Dynamik könnte auch als „Koevolution“ bezeichnet werden.56 Deshalb bedient sich das Environmental Coherence-Konzept einer interdisziplinären Herangehensweise: Nicht nur in technik-, wirtschafts- und wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht wird die Beziehung zwischen Umwelt und Gesellschaft betrachtet, sondern ebenso mittels kulturwissenschaftlicher, soziologischer und anthropologischer Methoden sowie Konzepten aus der (historischen) Geographie.57 Der Stand der Technik, politische und gesellschaftliche Institutionen, lokales Wissen, Expertenwissen, aber auch Traditionen und Ideologien werden dabei ebenso in den Blick genommen wie die ökologische Genese des Naturraums.58 Bei den zu betrachtenden Naturräumen handelt es sich folglich um eine „kulturell geformte Umwelt“ und nicht um unberührte Natur.59 Die kulturelle Einbettung eines bestimmten Naturphänomens oder Naturraums wird dezidiert holistisch erforscht.60 Das Environmental Coherence-Konzept zielt somit darauf ab, die Kultur-Umwelt-Beziehung einer bestimmten Gesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt auf mikrohistorischer Ebene möglichst facettenreich erfassen und analysieren zu können.61 Auf diese Weise wird es möglich, den historischen Umgang mit Naturphänomenen epochenwie kulturübergreifend miteinander zu vergleichen, ohne dabei bestimmten Normen und Wertevorstellungen – beispielsweise etwa modernen Standards im Umgang mit

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Heymann 2019: 138; Heymann 2014: 64 f. Vgl. Lübken 2014: 35; Winiwarter 2011: 35. Heymann 2014: 65; Heymann 2019: 139; bezüglich der Nutzung von Konzepten aus den Geound Naturwissenschaften v. a. 140–142. Ein entsprechender Versuch, die Hamburger Sturmflut von 1962 aus verschiedensten Perspektiven zu beleuchten, findet sich im Sammelband von Hessler/ Kehrt 2014a, in dem auch der Beitrag von Heymann enthalten ist. Heymann 2019: 139; Heymann 2014: 65; ähnlich Lübken 2014: 34. Heymann 2014: 65. Ähnliches sieht das Modell des „sozio-naturalen Schauplatzes“ von Verena Winiwarter und Martin Schmid vor (Winiwarter 2011: 35 f.; Winiwarter/Schmid 2008), indem es einerseits die vom Menschen genutzte Umwelt (Arrangements) systemisch analysiert, andererseits kulturelle Praktiken darin akteurszentriert in den Blick nimmt und beides als Faktoren definiert, die letztlich eine historische Landschaft formen. Die Dynamik eines vom Menschen genutzten Naturraums rührt demnach sowohl von natürlich als auch von gesellschaftlich induzierten Aktivitäten her; vgl. etwa auch Lübken 2014: 35, der Flüsse in Anlehnung an Winiwarter/Schmid 2008 als „sozionaturale Schauplätze“ definiert. Winiwarter und Schmid nutzen beide Schreibweisen (mit und ohne Bindestrich) gleichermaßen. Heymann 2014: 65: „Environmental coherence ist ein qualitatives, deskriptives und nicht-normatives Konzept, das auf mikrohistorische Analysen mit einem starken Fokus auf Wissen, lokale Praktiken, Traditionen und Institutionen gründet. Es dient dazu, ein gleichzeitig breites und detailliertes historisches Verständnis des Mensch-Umwelt (oder besser: Kultur-Umwelt) Verhältnisses zu ermöglichen.“

Konzeption und Methode

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Naturrisiken – den Vorzug zu geben.62 Angewendet auf die Antike verliert damit die Vormoderne ihre Rolle als bloße „Projektionsfolie“ zur Kontrastierung mit heutigen Werten und Normen.63 Vielmehr erhält sie einen eigenen Analysewert für die vergleichende Umweltgeschichte.64 Gerade die Eignung dieses Konzepts für komparatistische Studien macht es für die vorliegende Arbeit interessant: Selbst innerhalb der römischen Antike können Beispiele für den Umgang mit Hochwasser im Vergleich analysiert werden – diachron und aus verschiedenen Regionen des Römischen Reichs. Da allein im Mittelmeerraum und erst recht in den nicht-mediterranen Regionen unterschiedliche Hochwasserregime vorherrschen, haben sich ebenso differierende Vorsorgemaßnahmen entwickelt, bisweilen basierend auf lokalem Wissen. So wird im Hauptteil der Arbeit im Rahmen von Fallbeispielen untersucht, an welchen Gewässern mittels welcher Kulturtechniken mit Hochwasser umgegangen wurde. Diese mikrohistorischen Studien geben einen besonders detaillierten Einblick in das Alltagsleben am Fluss in Erwartung einer Flut. Anschließend werden diese Einzelfallstudien in der Synthese systematisch analysiert. Darin werden unterschiedliche Aspekte beleuchtet wie etwa die Langzeitfolgen von technischen Flutschutzmaßnahmen oder die Veränderung der Diskurse um Hochwasserschutzbauten. Das Environmental Coherence-Konzept ist aber noch aus einem weiteren Grund attraktiv für die vorliegende Studie: Durch die interdisziplinär orientierte Themen- und Methodenvielfalt eröffnet sich die Perspektive auf Vorarbeiten aus anderen Fachwissenschaften. Vor allem Forschungsergebnisse aus den archäologischen Fächern sind hilfreich.65 Hinzu kommen immer mehr Studien aus der sogenannten Geoarchäologie: 62 63

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Heymann 2014: 65 f. Vgl. Heinemeyer 2015: 20 (in Bezug auf das Mittelalter): „Im Zusammenhang mit der Periodisierung der Geschichte durch die Gegenüberstellung von Vormoderne und Moderne wurde das Mittelalter […] zur Projektionsfläche der Andersartigkeit, vor der die Moderne umso deutlicher akzentuiert werden konnte.“ In diesem Sinne stellt schon Heinemeyer 2015: 30 mit Blick auf die geschichtswissenschaftliche Erforschung des Phänomens der „Planung“ fest, dass nur eine kulturinterne Interpretation planenden Handelns überhaupt zur Identifikation desselben beitragen kann, da andernfalls zeitgenössische Wertevorstellungen und Interessen möglicherweise unentdeckt bleiben oder aus heutiger Sicht schlicht missverstanden werden. So hat etwa Adam Rogers für das römische Britannien siedlungsarchäologische Untersuchungen zusammengestellt und ausgewertet, die sich mit der Aneignung von Fluss- und Küstenlandschaften beschäftigen und einen Eindruck davon vermitteln, wie Gewässer in das antike Stadtbild eingebunden und genutzt wurden; Rogers 2013; kompakter auch Rogers 2012 und Rogers 2020 jeweils mit Verweis auf andere wasserreiche Siedlungsräume im Nordwesten des Römischen Reichs. In der Studie von Cécile Allinne wird ebenfalls aus siedlungsarchäologischer Sicht untersucht, ob und auf welche konkrete Weise die römischen Siedlungen an Mittel- und Unterlauf der Rhône vor potentiellen Überschwemmungen geschützt wurden; dazu Allinne 2005 sowie die Veröffentlichung von Teilstudien daraus in Allinne 2007 und Allinne et al. 2012; für den Umgang mit Flussverlagerungen am Portus Pisanus s. auch Allinne et al. 2016. Zena Kamash nimmt in ihrer Arbeit zum römischen Nahen Osten umfassend die Nutzung der Wasserressour-

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Einleitung

Sie stützt sich im Wesentlichen auf geowissenschaftliche Methoden und Daten, die zusätzlich mit Befunden aus der klassischen Archäologie sowie mit Quellenaussagen aus antiken Texten in Beziehung gesetzt werden.66 Diese Kombination ermöglicht es, die frühere Beschaffenheit antiker Siedlungsplätze und Landschaften samt ihren Veränderungen zu modellieren. Generell lässt sich in den Altertumswissenschaften seit den 2000er Jahren eine verstärkte Aufmerksamkeit gegenüber ökologischen Themen beobachten, auf deren Forschungsergebnisse hier zurückgegriffen wird.67 Vor allem zur Klimageschichte wurden aber auch von Seiten der althistorischen Forschung unter Bezugnahme auf geo- und naturwissenschaftliche Daten bereits diverse Studien realisiert. Zu erwähnen sind in dem Zusammenhang besonders die Dissertationen von Anja Heide und Jochen Haas sowie die bereits aus dem Jahr 1987 stammen-

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cen in den Blick, bei der nicht zuletzt der Rückhalt von Flutwasser eine wichtige Rolle spielte; Kamash 2010; speziell zur ambivalenten Wahrnehmung von Wasser als lebenspendendes und zerstörerisches Element s. auch Kamash 2008. Daneben sollen die Studien aus der Altphilologie bezüglich der literarischen und mythologischen Verarbeitung von Flüssen und Überschwemmungen freilich nicht vernachlässigt werden; dazu s. insbesondere die Monographien von Jones 2005; Caduff 1986. Dazu s. einführend Pollard 1999 mit weiterführender Literatur zu älteren Vorarbeiten; speziell zur Landschaftsgenese in der Antike s. auch Brückner/Vött 2008. Allgemeiner zur wachsenden Rolle natur- und geowissenschaftlicher Methoden für die altertumswissenschaftliche Forschung, die mit der Hinwendung zu Umweltthemen einhergeht, s. in der Magazinreihe „Archäologie Weltweit“ des Deutschen Archäologischen Instituts die Ausgabe 2/2016 mit dem Titelthema „Die Vermessung des Altertums: Naturwissenschaften in der Archäologie“, online abrufbar unter https:// www.dainst.org/documents/10180/2485964/Arch%C3%A4ologie+Weltweit+2-2016/b8c0e2dce263-4bd2-a4bf-e1fe69e8a0b6 (zuletzt aufgerufen am 14.12.2021) sowie die Ausgabe 1/2019 mit dem Titelthema „Klimawandel: Wie der Mensch seine Umwelt verändert“, online abrufbar unter https:// www.dainst.org/documents/10180/4447889/Arch%C3%A4ologie+Weltweit+1-2019.pdf/ 895bbbe2-bf33-bd80-8066-fdb0360d4e09 (zuletzt aufgerufen am 14.12.2021). Dazu s. Wilson 2013: 259. Vor allem den Kulturlandschaften des Mittelmeerraums wird in letzter Zeit wieder vermehrt Aufmerksamkeit gewidmet; dazu s. beispielsweise der Sammelband von William Harris, der interdisziplinäre Studien zur mediterranen Landschaft in der Antike enthält (Harris 2013), die Sammelbände von Orietta Dora Cordovana und Gian Franco Chiai (Cordovana/Chiai 2017) sowie von Christopher Schliephake, Natascha Sojc und Gregor Weber (Schliephake et al. 2020b) oder den Tagungsband von Mercuri et al. 2014, der ebenfalls fächerübergreifend die Raumerschließung und Besiedlung der antiken Mittelmeerküste systematisch zu erschließen sucht. Antike und moderne Häfen stehen dabei oftmals im Vordergrund wie beispielsweise im „PortusLimen Project – Rome’s Mediterranean Ports (ERCRoMP)“ oder im abgeschlossenen DFG-Schwerpunktprogramm 1630 „Häfen von der römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter – Zur Archäologie und Geschichte regionaler und überregionaler Verkehrssysteme“. Im Forschungs-Cluster 6 „Connecting Cultures“ des DAI setzt sich insbesondere die Arbeitsgruppe 5 unter dem Forschungsschwerpunkt „Hafenorte“ mit der Wechselwirkung zwischen historischen Gesellschaften und natürlichen Veränderungen von Küstenlandschaften auseinander. Von Seiten der althistorischen Umweltgeschichte s. Hughes 2005 zur Genese des Mittelmeerraums von der Ur- und Frühgeschichte bis heute; außerdem bereits Hughes 1994 sowie der in Teilen stark überarbeitete und erweiterte Neudruck (Hughes 2014) zu „Umweltproblemen“ (engl. „environmental problems“) in der griechischen und römischen Epoche; außerdem Thommen 2009 mit einer Einführung in die Umweltgeschichte der klassischen Antike.

Konzeption und Methode

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de Studie von Regula Frei-Stolba.68 Frei-Stolba widmet sich den aus antiken Schriftquellen erschließbaren Klimadaten aus der Zeit der römischen Republik, während Heide unter Zuhilfenahme meteorologischer Daten das Klima des westlichen Mittelmeerraums zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem 4. Jahrhundert n. Chr. untersucht. Haas betrachtet seinerseits die ökologischen Veränderungen im 3. nachchristlichen Jahrhundert für den Nordwesten des Römischen Reichs, die sich in diversen Schriftquellen greifen lassen, und kombiniert die Quellenaussagen schließlich mit archäologischen und naturwissenschaftlichen Studien. Aktueller und noch immer grundlegend ist in dem Zusammenhang die Studie von Michael McCormick, die gemeinsam mit anderen Fachwissenschaftlern entstanden ist und von Proxydaten ausgehend das Klima der römischen Antike sowie der unmittelbar folgenden Zeit zu rekonstruieren sucht.69 Besonders in Bezug auf Wasserinfrastrukturen und Wasserrecht sind die antiken Kulturen in den letzten Jahren immer mehr in das Gesichtsfeld der epochenübergreifenden Geschichtsforschung gerückt.70 Und auch innerhalb der Altertumswissenschaften wird Themen der Wasserinfrastruktur, der Rechtsgeschichte und der Raumerfassung zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt.71 Dies drückt sich darin aus, dass etwa antike Techniken der Landvermessung, Aspekte der Raumerschließung und der Orientierung im Raum oder auch bodenrechtliche Angelegenheiten in der Forschung wieder vermehrt diskutiert werden.72 Konkret zu technischen Aspekten des antiken 68 69

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Heide 1997; Haas 2006; Frei-Stolba 1987. McCormick et al. 2012. Neuere Studien dieser Art liegen inzwischen vor allem für bestimmte Regionen oder Epochen innerhalb der Antike vor, sodass hier stellvertretend lediglich auf den Sammelband von Adam Izdebski und Michael Mulryan verwiesen werden soll, in dem speziell für die „lange Spätantike“ neben anderen ökologischen Entwicklungen auch klimatische Phänomene und Veränderungen interdisziplinär untersucht werden (Izdebski/Mulryan 2018). Dazu s. etwa die Sammelbände von Birte Förster und Martin Bauch (Förster/Bauch 2015b) oder von Christian Wieland und Sitta von Reden (Reden/Wieland 2015a). Die neueste erwähnenswerte Publikation zu diesem Themenbereich aus der Alten Geschichte stellt sicherlich die Dissertation von Anna Willi dar, in der das Thema der landwirtschaftlichen Bewässerung erstmals umfassend untersucht wird (Willi 2021). Dazu etwa die Sammelbände von Anne Kolb (Kolb 2006; Kolb 2014b) oder verschiedene Publikationen aus dem ehemaligen Exzellenz-Cluster „TOPOI – The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations“ an der Humboldt-Universität und der Freien Universität in Berlin (2007–2019); so z. B. der Sammelband von Klaus Geus und Michael Rathmann (Geus/Rathmann 2013) zur Vermessung und Raumwahrnehmung oder der Sammelband von Eberhard Knobloch und Cosima Möller (Knobloch/Möller 2013) zu den römischen Feldmessern; zu Letzterem auch Lindermann et al. 2018. Für neuere Studien zum antiken Vermessungswesen s. etwa auch Campbell 2000; Conso et al. 2006. Für unterschiedliche Aspekte des Wasserrechts und des antiken Umgangs mit Flusslandschaften s. auch die beiden Tagungsbände „Riparia“, herausgegeben von Ella Hermon (Hermon 2010; Hermon/Watelet 2014). An dieser Stelle sei noch auf die Studie des Industriearchäologen M. J. T. Lewis verwiesen, der sich, teils experimentalarchäologisch, mit der Funktionsweise griechischer und römischer Vermessungsinstrumente auseinandergesetzt sowie die entsprechenden antiken Texte mit einem technischen Kommentar versehen in seiner Monographie zusammengestellt hat (Lewis 2001).

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Wasserbaus im Allgemeinen und des Hochwasserschutzes im Besonderen liegt außerdem eine ganze Reihe ingenieurswissenschaftlicher Studien überwiegend älteren Datums vor, die noch immer ihrer Rezeption in der althistorischen Forschung im engeren Sinne harren.73 Wichtige Beiträge zur antiken Ingenieurstechnik liefern neben anderen74 insbesondere die zahlreichen Studien von Günther Garbrecht, Klaus Grewe und Jost Knauss. Während Garbrecht sich vor allem den antiken Techniken des Damm- und Talsperrenbaus gewidmet hat,75 trieb Grewe die Erforschung des antiken Kanal- und Tunnelbaus sowie des Vermessungswesens voran.76 Knauss hat sich hauptsächlich mit Flussregulierungs- und Meliorationsarbeiten im antiken Griechenland mit einem besonderen Schwerpunkt auf der mykenischen Zeit beschäftigt.77 Daneben existieren weitere Arbeiten zur historischen Hydrotechnik und zum historischen Wasserbau, in denen neben jüngeren Beispielen auch antike Technologien behandelt werden.78 Doch obwohl in diesen Publikationen technischer Hochwasserschutz in den antiken Kulturen allgegenwärtig ist, haben sie selbst in den umfassenderen Studien zum Umgang mit Naturkatastrophen aus der Alten Geschichte,

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Neben den im Folgenden genannten Publikationen sei hier allgemein auf die historischen Schriftenreihen und Veröffentlichungen der Deutschen Wasserhistorischen Gesellschaft e. V. („Cura Aquarum in …“), der FRONTINUS-Gesellschaft e. V. („Geschichte der Wasserversorgung“), der Technischen Universität München („Wasserbau und Wasserwirtschaft“ und andere), der Technischen Universität Darmstadt („Mitteilungen“, ehemals „Wasserbau-Mitteilungen“) sowie des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau der Technischen Universität Braunschweig („Mitteilungen“) verwiesen. Darunter ist zum einen Henning Fahlbusch zu nennen, der ähnlich wie die im Folgenden Genannten an einer Vielzahl an Forschungsprojekten zur historischen Hydrotechnik beteiligt war; darunter s. Fahlbusch 2017 zum Techniktransfer der Wasserbautechnologie aus der Antike in die Neuzeit; Fahlbusch 2005 mit einem historischen Überblick über Techniken der Wassernutzung oder auch Fahlbusch 2004 zum antiken Kanal-, Deich- und Dammbau in Ägypten und im Alten Orient. Ingenieurswissenschaftlich hat zudem Mathias Döring neben anderen Studien zum Wasserbau im Altertum auch Forschungsarbeiten zu antiken Stauanlagen für den Hochwasserschutz aus dem östlichen Mittelmeerraum verfasst; dazu s. Döring 2011; Döring 2015 und Döring 2020: v. a. 196–223. Außerdem liegen aus internationalen Kontexten verschiedene Sammelbände zur antiken Hydrotechnik unter maßgeblicher Mitwirkung von Wasserbauingenieuren vor, so z. B. von Larry W. Mays (Mays 2010). Er war Herausgeber der beiden einschlägigen Bände „Historische Talsperren“ (Band 1: Garbrecht 1987 und Band 2: Garbrecht 1991a) sowie zahlreicher Publikationen zur antiken Hydrotechnik, darunter z. B. Garbrecht 1995. Zum Tunnelbau s. umfassend Grewe 1998; auch Grewe 2008 und Grewe 2004; zur Trassierung z. B. Grewe 2013 und Grewe 1999. Dazu neben vielen anderen Schriften z. B. Knauss 1984 (Flussregulierung); Knauss 1985, Knauss 1987b und Knauss 1990 (Melioration); Knauss 1987a und Knauss 2009 (für Versuche zur geographischen Verortung der griechischen Sintflutmythen und mythischer Flussmotive). Wasserversorgungsanlagen: Hodge 1992; Staumauern und Dämme: Schnitter 1994; speziell zu römischen Talsperren auch Schnitter 1978; Brückenbau: O’Connor 1993; Barow 2012; Tönsmann 2006; Artru/Prell 2011 und nicht zu vergessen die Forschungen von Vittorio Galliazzo (v. a. I ponti romani, Treviso 1994/1995, in 2 Bänden); Galliazzo 2004.

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die auch Überschwemmungen einschließen, so gut wie keine Erwähnung gefunden.79 Ebenso wenig werden darin Arbeiten zum antiken Wasserrecht, zur Bodenordnung oder allgemeiner zur antiken Technik80 herangezogen.81 Angesichts der Quellenlage ist dieser Sachverhalt jedoch wenig verwunderlich: Bereits im vorigen Kapitel ist die Vermutung geäußert worden, dass die Quellen, die über Katastrophen berichten, möglicherweise nicht mit denjenigen identisch sind, die Aufschluss über präventive Maßnahmen geben. Nun stützen sich die ingenieurstechnischen Arbeiten auf bauliche Befunde, die in den literarischen Quellen kaum oder in einigen konkreten Fällen gar keine Erwähnung fanden und auch nicht zwingend mit Bauinschriften in Verbindung zu bringen sind.82 Ähnlich behandeln die geoarchäologischen Studien Maßnahmen und Vorgänge wie beispielsweise die anthropogene Umgestaltung des Tibereinzugsgebietes, des Tiberdeltas oder der Mündungsgebiete des Mäanders und des Kaystros, die sich bestenfalls punktuell in den antiken Schriftquellen niedergeschlagen haben.83 Was die Forschungen zur römischen Raumerschließung 79

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So fehlen entsprechende Verweise auf die genannten ingenieurswissenschaftlichen Studien oder auf vergleichbare Veröffentlichungen etwa in den Arbeiten von Sonnabend 1999; Sonnabend 2013; Toner 2013; Winter 1998; Winter 1996: 94–108; Meier 2012; Horster 2001: 223; Storchi Marino 2009; Alonso Venero 2012; Mateo Donet 2014. Deeg 2019: 204 f. hingegen verweist zwar vereinzelt auf bauliche Maßnahmen im archäologischen Befund, doch fallen diese bei seinen Schlussfolgerungen zur römischen Prävention kaum ins Gewicht (vgl. dazu die Rezension von Waldherr 2020: 773). Dabei ist fairerweise zur Kenntnis zu nehmen, dass Deeg (ähnlich wie die anderen hier zitierten Forschenden) die kaiserlichen Hilfsmaßnahmen nach Eintritt der Schadensereignisse in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt und präventive Maßnahmen konsequenterweise nur am Rande erwähnt (ebd.: 203–210). Grundlegend zur antiken technischen Fachliteratur s. Meissner 1999; einen kompakten Überblick über die antike Technikgeschichte aus althistorischer Sicht liefern zudem etwa Cech 2011; Schneider 2012. Vgl. die in der vorigen Fußnote (Fn. 79) genannten Werke. Selbst bei Aldrete 2007 sind etwa die Rechtsdiskussionen der römischen Juristen bezüglich der Ufernutzung an öffentlichen Flüssen nur ungenügend in seine umfangreiche Studie einbezogen (ebd.: 191). Bei der Monographie Aldretes ist der Fall insgesamt gesehen jedoch etwas anders gelagert, da er sich auf den Tiber beschränkt und zudem nur den stark urbanisierten Stadtkern Roms als Untersuchungsraum in den Blick nimmt. Der Großteil der bodenrechtlich-administrativen Regelungen im Hinblick auf den Umgang mit Hochwassern konzentriert sich hingegen im Wesentlichen auf die agrarisch genutzten Flächen außerhalb der Stadtzentren (dazu s. etwa Campbell 2012: 83–117). So bleibt hier allenfalls darauf hinzuweisen, dass die umfassenden Erkenntnisse Aldretes wohl kaum pauschal auf ländlichere Gegenden, oder auf Gegenden, in denen andere Hochwasserregime vorherrschten, übertragbar sind. Dazu s. weiter unten in Kapitel I.3.3 (epigraphische Quellen). Beispielhaft seien hier nur die römischen Tunnelarbeiten in Petra erwähnt, die Flutwasser von der Stadt fernhalten sollten und ausschließlich archäologisch überliefert sind (u. a. Grewe 1998: 122–124), sowie der flavische Flussumleitungstunnel mit Talsperre von Seleukeia Pieria, der neben den archäologischen Befunden (u. a. Grewe 1998: 108–118; Garbrecht 1991b; Garbrecht 1995) nur aus einer Reihe von Inschriften bekannt ist (CIL III 6702 = IGLS 3/2, 1131; ILS 9115 = IGLS 3/2, 1135 = AE 1903, 252; Le Bas/Waddington 1968: Nr. 2714); zu beiden Beispielen ausführlich in Kapitel III.2.3. Für Drainagearbeiten im Einzugsgebiet des Tibers s. insbesondere Camerieri et al. 2009; auch Coccia/Mattingly 1992; Coccia et al. 1995; Alvino/Leggio 1997; dazu in Kapitel III.2.1. Zu den Hafenkanälen an der Tibermündung s. insbesondere Salomon et al. 2014a; Salomon et al.

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und Bodenordnung angeht, werden darin mithin als wichtigste Quelle die Schriften der römischen Feldmesser herangezogen,84 die in einigen der umfassendsten Forschungsarbeiten zum praktischen Umgang mit Naturkatastrophen wiederum nicht diskutiert werden.85 Um zu ermitteln, in welchen Quellen am ehesten etwas über den praktischen, möglicherweise präventiven Umgang mit Überschwemmungsrisiken zu erfahren sein könnte, muss zunächst geklärt werden, was unter „Prävention“ und „Risiko“ im Einzelnen zu verstehen ist. Erst auf dieser Grundlage wird es sich zeigen, in welcher Art von Quellen sich Spuren und Hinweise auf Vorsorgemaßnahmen niedergeschlagen haben. Davon ausgehend werden dann auch Elemente eines präventiven Handelns und eines aktiven Umgangs mit Risiko in den Quellen greifbar. I.2.2 Risiko, Prävention, Management und Vorsorge Gemäß der Definition von Niklas Luhmann unterscheidet sich „Risiko“ von „Gefahr“ prinzipiell durch die Art der Zuschreibung:86 Während eine Gefahr als extern generiert wahrgenommen werde, könne man Risiken durch eigenes Entscheiden grundsätzlich aktiv beeinflussen.87 Bringt man diese Definition mit der Prämisse zusammen, dass Prävention ein modernes Phänomen sei,88 ergibt sich daraus die Schlussfolgerung, dass man sich in der Vormoderne unausweichlichen Gefahren ausgesetzt gesehen haben müsse, während erst in der Moderne Gefahren aktiv in Risiken hätten umgewandelt werden können.89 Und tatsächlich folgt die sogenannte Meistererzählung der Moderne eben diesem teleologischen Narrativ, das von einem zunehmend

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2014b und Salomon et al. 2016a; Salomon et al. 2020; zur Kaystrosmündung s. etwa Brückner et al. 2013; Brückner 2020; zur Mäandermündung s. Müllenhoff 2005; zu den letzten drei Fallbeispielen in Kapitel III.2.3. Für die lateinischen Texte s. immer noch grundlegend die Edition von Lachmann et al. 1848 (Band 1); kommentiert in Blume et al. 1852 (Band 2). Ausführlicher zum Corpus Agrimensorum Romanorum mit Hinweisen auf jüngere Textausgaben, Übersetzungen und Kommentare weiter unten in Kapitel I.3.2. Sonnabend 1999; Sonnabend 2013; Toner 2013; Deeg 2019; Aldrete 2007. Vgl. Bröckling 2008: 40; Scheller 2017: 306. Luhmann 1991: 30 f.; vgl. Hahn 1998: 49. Das Wort „Risiko“ selbst lässt sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen, wo es in lateinischen Vertragstexten aus dem Kontext des mediterranen Seehandels als resicum, auch risicum, erstmals nachzuweisen ist; dazu Scheller 2017: 307 f. mit entsprechenden Quellenangaben. In den Verträgen bezeichnete der Begriff ein Schadensereignis, das möglicherweise, aber nicht notwendigerweise in absehbarer Zukunft beim Seetransport eintreten könnte (ebd.: 309). Die Etymologie des Wortes bleibt jedoch unklar und wird kontrovers diskutiert; zu dieser Forschungsdiskussion mit Hinweisen auf weitere Literatur s. ebd.: 308–310; auch Luhmann 1991: 17–19. Makropoulos 1990; Makropoulos 2001; Bröckling 2008:40; Hannig 2015: 64; vgl. Kapitel I.1. So etwa Hahn 1998: 51; ähnlich Dietrich 2012: 104, der den Risikobegriff als für die Antike ungeeignet ansieht.

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selbstbestimmten Handeln des vernunftgeleiteten, mündigen Menschen in der Moderne ausgeht.90 Inzwischen ist dieser starre Schematismus in diversen historischen Arbeiten freilich in Zweifel gezogen worden, weil er einer quellenbasierten Empirie in seiner Pauschalität nicht standzuhalten vermag.91 Gleichwohl haben die Prämissen jenes Narratives eine solche Wirkmacht entfaltet, dass sie manche Forschungslinien in bestimmten Belangen bis heute prägen, wie im folgenden Kapitel noch gezeigt wird. Trotz aller Kritik an Luhmanns epochenabhängiger Zuordnung von „Gefahr“ und „Risiko“ lassen sich seine Definitionen grundsätzlich gewinnbringend für die vorliegende Arbeit nutzen. Sein Risikobegriff definiert sich wie gesehen allein über die Zuschreibung des Betrachters: Wird ein antizipiertes unerwünschtes Ereignis als grundsätzlich durch eigenes Handeln beeinflussbar wahrgenommen, ist in jedem Fall von einem Risiko die Rede. Dabei unterscheidet Luhmann die Akteure je nach der Möglichkeit, „am Risiko als Entscheider oder als von riskanten Entscheidungen Betroffener beteiligt“ zu sein.92 Die Unterteilung in Entscheidende und Betroffene lässt sich freilich zunächst ganz generell auch für die antiken Gesellschaften vornehmen. So lassen sich für das Römische Reich etwa leicht Akteursgruppen identifizieren, denen politische Handlungsmacht und damit Entscheidungsgewalt zukam. Dass diese politischen Eliten zumindest im Prinzipat über genügend finanzielle und personelle Mittel verfügen konnten, um weitreichende Entscheidungen auch in die Tat umzusetzen, zeigt sich schon in ihrer potenten Katastrophenhilfe, etwa nach Naturkatastrophen.93 Ob jedoch Überschwemmungen von der politischen Führung auch als Risiken wahrgenommen wurden, denen prinzipiell schon vor ihrem Eintritt aktiv beizukommen war, lässt sich anhand ihrer Hilfe im Katastrophenfall nicht ablesen: Die Unterstützung nach dem Erleiden einer Flut enthält an sich noch keine Elemente eines präventiven Handelns. So ist es nun an der Zeit, auch das Konzept der „Prävention“ näher zu betrachten. Daraus ließen sich dann Charakteristika und einzelne Aspekte präventiven Handelns definieren, die sich in den Quellen möglicherweise auch für den römischen Umgang mit Hochwasser identifizieren lassen. Nikolai Hannig definiert den Begriff der Prävention speziell bezogen auf die westliche Moderne seit dem 19. Jahrhundert wie folgt:

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Zu den Grundzügen des Modernenarratives (in kritischer Auseinandersetzung damit) s. beispielsweise Scheller 2017: v. a. 306 mit weiterführender Literatur. Kritisch äußern sich beispielsweise Zwierlein 2011: 22 f.; Scheller 2017; neuerdings auch Hannig 2019: 14 f. mit Verweisen auf entsprechende Arbeiten. In Bezug auf diese Prämisse stellt Hannig 2015: 38–42 daher für seine eigene Studie klar, dass nicht die aktive Haltung gegenüber der Zukunft allgemein als Unterscheidungsmerkmal zwischen Vormoderne und Moderne fungieren könne, sondern exklusiv gegenüber Zukunftsentwürfen, „die man bloß für möglich hielt“ (ebd.: 38), aber in der Form selbst nie erlebt hat. Luhmann 1991: 11; vgl. Hahn 1998: 51 f. Dazu jetzt maßgeblich Deeg 2019; auch Storchi Marino 2009; Waldherr 2001; Winter 1998.

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Analytisch ließe sich Prävention im Kontext von Naturgefahren […] als eine Form von vorbeugender Kontingenzbewältigung erfassen, als Einschränkung des Risikos also, unerwünschte Naturereignisse zu erleben. Seine Eingriffe stützte präventives Handeln zumeist auf wissenschaftlich generierte Gewissheiten, wodurch es sich von anderen individuellen Vorsorgepraktiken unterschied.94

Als Grundlage für präventives Handeln setzt er das „Wissen um ein ‚Auch-anders-seinKönnen‘, das sich zugleich als realistische und erreichbare Perspektive offenbaren“ muss, voraus.95 Es geht also um das (staatlich) koordinierte Denken in Alternativen, die in der Praxis mit vorhandenen oder noch zu schaffenden Mitteln umsetzbar sein müssen. Dies setzt wiederum voraus, dass die Entscheider der Überzeugung sein müssen, eine als bedrohlich empfundene Situation in der Zukunft prinzipiell durch eigenes Handeln abwenden zu können. Demzufolge kann Prävention als eine aktive und zudem recht selbstbewusste Form des Umgangs mit Risiko verstanden werden.96 Im Bereich des Schutzes vor Naturgefahren ziele Prävention zudem, so Hannig, durch „proaktive Interventionen“ häufig und direkt auf eine „Transformation des Natürlichen“.97 Als Beispiele hierfür nennt er den Bau von Talsperren und Staudämmen oder auch Flussregulierungen. Allerdings wird hier zugleich deutlich, dass dem Konzept der Prävention etwas grundsätzlich Konservatives anhaftet, liegt ihm doch als Ausgangspunkt der jeweilige Ist-Zustand zugrunde, den es auf Basis des bereits Vorhandenen zu erhalten gilt.98 Beispielsweise zielen Flusskorrektionen nicht zuletzt darauf ab, den Wasserlauf sowohl am Übertreten als auch am Verlagern seines Bettes zu hindern, damit Uferflächen dauerhaft mit Strukturen bebaut werden oder bebaut bleiben können, die planmäßig nicht mit Flutwasser in Berührung kommen sollten.99 Statt eines Miteinanders wird dadurch ein Ausschluss der natürlichen Dynamik des Flusses aus dem Alltagsleben erreicht. Im Kern ist Prävention also eine Form der „Risikovermeidung“.100 Daneben existiert gemäß dem Soziologen Ulrich Bröckling noch eine weitere „Strategie“ im aktiven Umgang mit Risiken, nämlich die des „Risikomanagement[s]“:

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Hannig 2015: 40 f. Hannig 2015: 41. Vgl. Bröckling 2008: 40; Luhmann 1991: 38. Hannig 2015: 41. Vgl. Bröckling 2008: 45: „Indem ihr notwendig das Wissen, die Werturteile und damit die Machtkonstellationen der Gegenwart eingeschrieben sind, projiziert Prävention die Gegenwart normativ auf die Zukunft. Sie ist konservativ, selbst wenn sie das Leben von Individuen, Gruppen oder ganzen Populationen nachhaltig verändert.“ Letzteres ist freilich nicht von der Hand zu weisen und so können Anstrengungen, die im Wesentlichen den Ist-Zustand erhalten wollen, gerade grundlegende Neuerungen zur Erreichung dieses Ziels nötig machen; dazu s. auch Hannig 2019: 17. 99 Im Kontext solcher Präventionsmaßnahmen ergäben sich wiederum Interessenskonflikte, etwa zwischen Anliegern und Bauherren, sodass die Geschichte der Prävention immer auch als „Konfliktgeschichte“ zu verstehen sei, so Hannig 2015: 42. 100 So Bröckling 2008: 41 (Hervorhebung im Originaltext).

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Zwei grundsätzliche Strategien des Umgangs mit Risiken beziehungsweise der Kontingenzkontrolle lassen sich unterscheiden: Kontingenz kann zum einen bewältigt, der Bereich des Möglichen also durch vorbeugende Reglementierungen eingeschränkt werden. Das Ideal ist hier Risikovermeidung. Kontingenz kann zum anderen „bewirtschaftet“, der Möglichkeitshorizont also genutzt und erweitert, seine bedrohlichen Seiten aber durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen aufgefangen werden. Das Ideal ist hier Risikomanagement […].101

Statt die kontingente Situation komplett zu vermeiden, werde ihr Eintritt in dem Fall akzeptiert, da vorab für eine Kompensierung des zu erwartenden Schadens gesorgt worden sei, so Bröckling weiter. Beide Strategien veränderten den Möglichkeitshorizont, indem sie ihn verringern (Prävention) oder erweitern (Management). Zudem könnten beide Strategien als grundsätzlich komplementär angesehen und somit gar miteinander kombiniert werden.102 Angesichts der letzteren Feststellung wäre es vielleicht korrekter, statt von Strategien eher von Modi des Umgangs mit Risiken zu reden, da es ja durchaus als Strategie gelten kann, beide Modi miteinander zu verbinden. Zum Beispiel wäre es denkbar, im Einzugsgebiet eines Flusses Regulierungsarbeiten vorzunehmen, während flussabwärts manche Uferbereiche als temporäre Überflutungsflächen ausgewiesen werden. Insgesamt wirkt es aber schlüssig, auch auf sprachlicher Ebene – ausgehend von ihrer Etymologie – die Konzepte Management und Prävention voneinander zu unterscheiden: Der Begriff Prävention geht auf das lateinische Verb praevenire, „zuvorkommen“, zurück. Demnach soll dem Eintritt eines potentiell schädlichen Ereignisses durch Verhinderung zuvorgekommen werden,103 während ein Management („Unterhalten“) sich mit dem Eintritt des Ereignisses zu arrangieren sucht.104 Bisher konnten also prinzipiell zwei Modi für den aktiven Umgang mit kontingenten Situationen identifiziert werden: zum einen die Prävention im Sinne eines Verhinderns von Risiko, zum anderen das Management im Sinne eines Sich-Arrangierens mit dem Risiko unter Inkaufnahme des Schadenseintritts. Beide Modi setzen voraus, dass im Vorfeld bereits ein Risikokalkül stattgefunden hat. Prävention und Management stellen somit das Ergebnis eines antizipativen Entscheidungsprozesses dar, in welchem Alternativen erwogen wurden. In diesem Sinne stellt Uwe Lübken heraus, dass jeder Umgang mit Überschwemmungen bereits auf eine implizite oder explizite Kos101 102 103

Bröckling 2008: 41 (Hervorhebung ebenfalls im Originaltext). Bröckling 2008: 41. Vgl. Bröckling 2008: 38 f. zum Begriff der Prävention, hier jedoch noch ohne direkten Verweis auf Management als alternative Umgangsform mit Risiken; vgl. Hannig 2019: 16. 104 Ähnlich unterscheidet Hannig 2019: 16 f. zwischen Prävention und Vorsorge. Da er den Begriff des Managements nicht benutzt, bezeichnet der Vorsorgebegriff in seiner Studie zugleich den Versuch des „Vorsorgende[n], sich in der Gegenwart auf das Kommende einzustellen“ (ebd.: 17), was in der vorliegenden Arbeit spezifischer unter Management gefasst wird.

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ten-Nutzen-Abwägung zurückzuführen sei – vor allem darüber, inwieweit die Vorteile des Lebens am Fluss dessen Beeinträchtigung durch die natürliche Flussdynamik aufwiegen.105 In konkreten Einzelfällen muss diese Abwägung dementsprechend an den jeweils vorherrschenden Bedürfnissen und Gegebenheiten orientiert sein, ebenso wie am aktuell verfügbaren naturkundlichen106 und technologischen Wissen. Darin äußert sich die Environmental Coherence. Bei der Entscheidung für ein präventives Vorgehen sollte es sich bei den genutzten Wissensbeständen zudem um überprüfbar gesichertes Wissen handeln, nicht zuletzt also um Expertenwissen und normatives Wissen.107 Bezogen auf Gewässer nennt Hannig speziell die systematische Erfassung von Wasserständen, Flusstiefen und Fließgeschwindigkeiten.108 Allgemeiner formuliert geht es also um messbare Daten und daraus abzuleitende Regularien. Unter Management wird in dieser Arbeit hingegen jede Form der Interaktion mit Hochwasser gefasst, die darauf ausgelegt ist, Nutzen aus einem potentiellen Flutereignis ziehen zu können und die negative Beeinträchtigung entsprechend niedrig zu halten.109 Beide Modi dieser aktiven Risikobewältigung sollen hier unter dem Oberbegriff der Vorsorge zusammengefasst werden.110 Denn Vorsorge suggeriert eine grundsätzlich aktive Auseinandersetzung mit Risiken, ohne jedoch auf einen spezifischen Bewältigungsmodus zu verweisen.111 105

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Lübken 2014: 34. Freilich könnte diese Abwägung prinzipiell auch auf eine Duldung der Überschwemmung im Sinne eines passiven Erleidens hinauslaufen. Doch der Definition Luhmanns folgend wäre selbst die Inkaufnahme eines antizipierten Schadensereignisses schon Teil einer aktiven Entscheidung zugunsten des Risikos; vgl. Luhmann 1991: 32 f. In der vorliegenden Studie wird „naturkundlich“ als universeller, epochenübergreifender Begriff genutzt zur Bezeichnung von Wissen über Naturphänomene, sei es nun kanonisch oder erfahrungsbasiert. Im Gegensatz dazu steht das enger gefasste „naturwissenschaftliche“ Wissen ausschließlich für das nach modernen Standards generierte Forschungswissen in den Naturwissenschaften nach deren Etablierung als Studienfächer an den neuzeitlichen Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen; vgl. French 1994: x–xiii, außerdem xxi, Fn. 6–8; dagegen allerdings dezidiert Healy 1999: 100–105. Für Überlegungen zur Wissenschaftlichkeit der griechischen gelehrten Schriftwerke aus klassischer und hellenistischer Zeit nach heutigem Verständnis s. Russo 2005: 26–32. Hannig 2015: 41 fasst darunter konkret „systematische Datenerhebungen, Ursachenforschung, Prognostik oder Steuerungsprogramme“; vgl. Bröckling 2008: 40. Hannig 2019: 17. Vgl. Bröckling 2008: 41 mit einer Definition von Management als vorsorgende Schadenskompensierung. Der moderne Fachbegriff des „Hochwassermanagements“ ist hier hingegen nicht gemeint, da er zu Anachronismen führen würde. An dieser Stelle ist Verena Winiwarter zu danken, die mich zu einer derart weitgefassten Definition des Managementbegriffs für die Antike ermuntert hat. Ähnlich Hannig 2019: 17, wo auch er Vorsorge als „Überbegriff “ bezeichnet, während er Prävention als „dessen Spezifikation“ begreift. Auch Hannig 2015: 34 sieht in der Vorsorge eine bestimmte Haltung gegenüber der Zukunft repräsentiert, „die man nicht mehr passiv auf sich zukommen ließ, sondern aktiv zu bearbeiten versuchte.“ Vorsorge und Prävention gelten ihm beide als „Variationen“ jener aktiven Haltung; s. auch Hannig 2019: 16. Bröckling 2008: 40 hingegen stellt Vorsorge- und Präventionspraktiken in eine absolute zeitliche Abfolge, indem er vorsorgende Maßnahmen grundsätzlich auch vormoder-

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I.2.3 Perspektivwechsel: Von der Deutung zum Vorsorgehandeln Das Präventionspostulat des Modernenarratives hat die historische Erforschung des Umgangs mit Naturkatastrophen speziell in der Antike offenbar besonders nachhaltig geprägt. In der soziologischen und kulturwissenschaftlichen Forschung wurde den vormodernen Kulturen tendenziell die Disposition zum aktiven Umgang mit Risiko abgesprochen. Diese Grundannahme speiste sich aus der Tatsache, dass besagte Kulturen von spezifischen Transzendenzvorstellungen geprägt waren und religiöse Rituale oftmals eine konstitutive Rolle für die jeweilige Gesellschaft spielten.112 Die Auseinandersetzung mit einer ungewissen Zukunft habe sich deshalb hauptsächlich auf die religiöse Sphäre konzentriert und sei etwa in Form von Divinationspraktiken oder Bittritualen praktiziert worden.113 Und ein Blick in die antike Literatur, in der zum Beispiel von verheerenden Tiberüberschwemmungen berichtet wird, scheint dieses Bild für die römische Antike zunächst zu bestätigen.114 Inzwischen kann diese Forschungsmeinung in den Geschichtswissenschaften zwar als überholt gelten,115 doch scheint sie innerhalb der althistorischen Forschung zu Naturkatastrophen zumindest für eine nachhaltige Konzentration auf mentale Bewälti-

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nen Gesellschaften zugesteht, präventive Maßnahmen jedoch als Spezifika einer kalkulierenden Moderne auffasst. Davon ausgehend wurde angenommen, dass der Glaube an göttliche Wesen, die die Macht besäßen, das Schicksal der Menschen entscheidend zu beeinflussen, es unmöglich habe erscheinen lassen, durch eigenes proaktives Handeln Gefahren abzuwenden. Kritisch gegenüber dieser lang vorherrschenden Annahme äußert sich jetzt v. a. Hannig 2019: 14 f.; ähnlich bereits Hannig 2015: 39 f. Bröckling 2008: 40; Luhmann 1991: 16 f. In diesem Rahmen wurde für die Antike vereinzelt sogar eine absolute Risikoaversion postuliert, da sie jedwede Auseinandersetzung mit Gefahren zu vermeiden gesucht habe. Besonders prägnant formuliert dies Dietrich 2012: 104: „Die Kulturen der Alten Welt sind jedoch risikoavers; sie nehmen ihrem Selbstverständnis nach kein wie auch immer kalkulierbares Risiko in Kauf, sondern wollen jedes Risiko vermeiden und handeln sicherheitsorientiert angesichts von Gefahren und Gefährdungen.“ Als Begründung für seine Schlussfolgerung führt Dietrich an, dass ein Entscheidungsprozess angesichts einer Gefahr in den alten Kulturen nicht auf der Grundlage einer Evaluierung von Alternativen habe stattfinden können, sodass der Risikobegriff sich nur sehr bedingt auf die Antike anwenden lasse; ähnlich auch Luhmann 1991: 17, der für die christliche und nichtchristliche Antike gleichermaßen postuliert, dass sie noch nicht über ein „vollentwickeltes Entscheidungsbewußtsein“ verfügt habe. Zum Zeichencharakter der Tiberhochwasser s. Aldrete 2007: 219–221; Becher 1985; eher kritisch gegenüber dieser aus ihrer Sicht „modernen“ Zuschreibung äußert sich Champeax 2003; dazu ausführlich in Kapitel II.2. Zur kultisch-religiösen Bedeutung des Tibers allgemein s. etwa Montero Herrero 2012: 253–256; Campbell 2012: 140–143. Dies stellt nun insbesondere Hannig 2019: 14 heraus mit Verweis auf entsprechende Arbeiten. Bezogen auf die althistorische Forschung formuliert auch Deeg 2019: 207 seine grundlegenden Zweifel an dieser Forschungsmeinung. Außerdem verweist er zu Recht auf den dezidiert präventiven Charakter bestimmter religiöser Rituale (ebd.: 205 f.), schöpft das Erkenntnispotenzial, das sich daraus ergibt, jedoch nicht aus, wie sein Rezensent Gerhard Waldherr (Waldherr 2020: 773) kritisch anmerkt.

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gungsmuster und religiöse Deutungen von Naturerscheinungen gesorgt zu haben.116 Zudem lässt sich in einigen älteren epochenübergreifenden Sammelbänden zu Naturkatastrophen beobachten, dass die Beiträge zur antiken Geschichte dort in besonderem Maße um eben jene Arten der Bewältigung kreisen,117 obwohl aus derselben Zeit durchaus auch Studien zur praktischen Katastrophenhilfe vorliegen, darunter insbesondere zur römischen Kaiserzeit.118 Um diesem Missverhältnis substantiell etwas entgegensetzen zu können, muss der Fokus von den kulturellen Praktiken der Deutung weggelenkt und nunmehr auf die Praktiken aus dem Verwaltungs- und Planungskontext gerichtet werden.119 Für die historische Erforschung der antiken Hochwasservorsorge ist dies angesichts der weiter oben erwähnten Vorarbeiten, die teils aus Nachbardisziplinen, teils aber auch aus anderen Fachwissenschaften stammen, gut realisierbar.120 Zusammen mit den Arbeitsdefinitionen von Prävention und Management, die in diesem Kapitel vorgestellt wurden, können die Quellenbestände zur Bearbeitung der vorliegenden Fragestellung im nächsten Kapitel genauer benannt werden. Der Untersuchungszeitraum dieser Studie erstreckt sich im Kern von der Regierungszeit des Augustus bis zu Caracalla, da hierfür durchweg Quellen vorliegen, die eine relativ dichte Beschreibung römischer Aktivitäten auf dem Gebiet des Wasserbaus und der wirtschaftlichen Nutzung von Flusslandschaften erlauben.121 Ausgehend vom verfügbaren Quellenmaterial werden in dieser Studie zudem die öffentlichen – 116

Diese Konzentration mag freilich dadurch bedingt sein, dass gerade Erdbeben besonders intensiv erforscht wurden und religiöse Deutungsansätze gerade auch in der Zeit der Christianisierung weite Verbreitung fanden; dazu s. insbesondere Meier 2003a; Meier 2003b; Meier 2001 und Meier 2009b; Alonso Venero 2012; Mateo Donet 2014; auch Waldherr 1997; Sonnabend 2003: v. a. 39–41 sowie die Sammelbände von Borsch/Carrara 2016a und Waldherr/ Smolka 2007. 117 Vgl. Lübken 2004: 92. Beide der in Groh et al. 2003b enthaltenen Beiträge zur Alten Geschichte behandeln die literarische Verarbeitung und die mentale Bewältigung, nicht jedoch die Katastrophenhilfe (Sonnabend 2003; Meier 2003b); ähnlich die beiden althistorischen Beiträge in Schenk 2009 (Meier 2009a; Meier 2009b). 118 Dazu bereits in Kapitel I.1. 119 Ein vergleichbarer Ansatz wird in dem kürzlich erschienenen Sammelband von Christopher Schliephake, Natascha Sojc und Gregor Weber (Schliephake et al. 2020b) verfolgt, der Arbeiten aus der Alten Geschichte, der Archäologie und der Klassischen Philologie unter dem modernen Begriff der „Nachhaltigkeit“ in sich vereint; zur Konzeption und Methode s. in der Einleitung (Schliephake et al. 2020a: 10): „Die Schriftquellen beschreiben zwar häufig Umweltverhalten oder reflektieren negative Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die ‚Natur‘, tatsächliche antike Praktiken erschließen sich dagegen häufig erst durch die archäologische Untersuchung materieller Hinterlassenschaften.“ 120 Vgl. die Aufstellung weiter oben in Kapitel I.2.1. 121 Gerade was epigraphische und archäologische Zeugnisse angeht, liegen aus republikanischer Zeit deutlich weniger Materialien vor als aus der Zeit des Prinzipats oder der Spätantike. Das liegt nicht allein daran, dass viele republikanische Bauten und Inschriften nach und nach neuen Monumenten weichen mussten. Auch das in der augusteischen Epoche aufkommende „epigraphic habit“ trug seinen Teil dazu bei; dazu s. MacMullen 1982 und in Kapitel I.3.3.

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und darunter vor allem die von Rom koordinierten – Praktiken der Hochwasservorsorge im Zentrum stehen. Wo inhaltlich eine Skizzierung der vorangegangenen oder folgenden Entwicklungsstränge sinnvoll erscheint und entsprechende Quellen vorliegen, wird der Blick auf die republikanische Zeit respektive auf die Zeit nach Caracalla und gegebenenfalls bis in die Spätantike hinein erweitert. I.3 Zur Quellenlage Auf der Grundlage der soeben angestellten konzeptionellen und methodischen Überlegungen werden für die Bearbeitung der vorliegenden Fragestellung sowohl Schriftquellen als auch archäologische Zeugnisse und geowissenschaftliche Studien zu Rate gezogen. Bedingt durch ihre unterschiedlichen Entstehungs- und Überlieferungskontexte sowie ihre unterschiedlichen Funktionen, geben diese breit gefächerten Quellenmaterialien Aufschluss über vielfältige Aspekte des Umgangs mit Hochwasser im Römischen Reich sowie über dessen Entwicklung. Nicht nur der praktische Umgang mit Flusshochwasser, sondern auch die ihm zugrundeliegenden Denkmuster und Paradigmen lassen sich zumindest in Teilen daraus erschließen. Die Vielfalt der Quellenarten liefert also auch eine Vielfalt an Perspektiven auf das Tätigkeitsfeld Fluss und Flusshochwasser, was die Voraussetzung für die Anwendung des hier verfolgten Environmental Coherence-Konzeptes ist. Freilich bringt die Heterogenität des Quellenmaterials auch Schwierigkeiten mit sich, auf die am Ende des Kapitels kurz einzugehen ist. Generell scheint die Benutzung eines solch breiten Quellenspektrums mit Blick auf den Forschungsansatz jedoch angebracht: Der hier propagierte Perspektivwechsel soll vom einzelnen Katastrophenereignis wegführen; es wird eine ganzheitlichere Betrachtung des Naturphänomens Hochwasser in der römischen Kultur angestrebt. Wie bereits festgehalten, ist ein aktives Handeln in Antizipation eines Schadensereignisses, das auf Messungen, Berechnungen oder der Einschätzung einer erfahrenen Fachkraft basiert, ein wesentlicher Bestandteil von Vorsorge im Allgemeinen und Prävention im Besonderen. Darüber geben die Historiographie oder andere Quellen, die bisher hauptsächlich zur Erforschung des antiken Umgangs mit Naturkatastrophen herangezogen wurden, jedoch kaum umfassend Auskunft. Deshalb ist es umso wichtiger, zusätzlich Quellen aus dem Planungskontext und der Administration heranzuziehen, in denen die Verwaltung von Flüssen und der Bau von Wasserinfrastrukturen thematisiert werden, oder die sich anderweitig mit der alltäglichen Nutzung von Flüssen, Seen und Uferstreifen beschäftigen. Konkret ist dabei zum einen an antike Fachschriften unterschiedlicher Thematik zu denken wie etwa zu Architektur, Landbau oder Rechtsfragen, zum anderen an epigraphische Zeugnisse, die von der Umsetzung konkreter Vorsorgemaßnahmen zeugen. Darüber hinaus stellen archäologische Funde und Befunde eine wichtige Ergänzung der Schriftquellen dar, so wie geowissenschaftliche Studien Auskunft über

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Beschaffenheit und Aussehen antiker Landschaften geben.122 Für die letztgenannten Aspekte lassen sich zusätzlich literarische Quellen heranziehen wie eben die Historiographie oder geographisch orientierte Werke. I.3.1 Literarische Quellen zu geographischen Sachverhalten Informationen meteorologischer und geographischer Art sind in den unterschiedlichsten literarischen Werken der Antike enthalten. Neben Schriften, die explizit der Geographie oder naturkundlichen Betrachtungen gewidmet sind, finden sich auch in historiographischen Werken, Lobreden, satirischen Texten oder Epen häufig Verweise auf derlei Themen und bisweilen sogar ausführliche Darstellungen. Dies macht es allgemein schwierig, die antike Geographie als eigenständige Schriftengattung zu fassen, geschweige denn konkrete Autorennamen und Werktitel zu nennen und eine klare Abgrenzung zu anderen Autoren festzulegen.123 Aufgrund dessen differiert der Aussagewert der Quellen erheblich, ist er doch stark abhängig von den Intentionen des jeweiligen Autors ebenso wie von der Textgattung und der Gesamtkomposition des Werks, von dessen Zweck und dessen historischem Entstehungskontext. Hinzu kommt, dass selbst in der literarischen Verarbeitung mythischer Stoffe oft natürliche Phänomene beschrieben und erörtert werden, wobei eine Unterscheidung zwischen rationalen naturkundlichen Erklärungsansätzen und mythologischen Aitiologien in unserem heutigen Sinne darin freilich nicht stattfindet.124 Dennoch bilden gerade Mythen – gleichsam als Bewahrer von „Erinnerungen an geographische Situationen vorheriger Generationen“ – eine wichtige Informationsquelle für Forschungen zur antiken Geographie.125 Insbesondere verschiedene Varianten ein und desselben Mythos rund um eine Landschaft, einen Ort oder eine Naturerscheinung können dabei 122

Wie Hannig 2019: 18 bemerkt, können Vorsorge und Prävention auch auf Landschaften gerichtet sein, die er –nach ihrer entsprechenden Umformung – als „Verteidigungslandschaften“ bezeichnet. Wo diesbezügliche Unterlagen aus der Antike fehlen, können bestenfalls bauliche Reste oder Bodenbefunde Zeugnis über einstige anthropogene Eingriffe und Veränderungen ablegen. Zum Erkenntniswert des archäologischen Materials und darunter insbesondere der naturwissenschaftlichen Daten in Ergänzung der Schriftquellen zur Erforschung umweltgeschichtlicher Fragestellungen für die Antike äußert sich bereits Hughes 1994: 6 f. 123 Schon die Inexistenz einer klaren Definition für den Terminus Geographie in der Antike selbst erschwert eine eindeutige Kategorisierung antiker Werke als geographische Schrift; s. Hübner 2000a: 9 f.; vgl. Nicolet 1988: 19; Dueck 2013: 8. Daniela Dueck gibt in ihrem Buch eine allgemeine Einführung in die Charakteristika der Geographie in der griechisch-römischen Antike. Allgemein lässt sich die antike Fachschriftstellerei, zu der die speziell geographischen Sachverhalten gewidmeten Schriften dazuzuzählen sind, nicht als homogene literarische Gattung fassen; dazu s. weiter unten in Kapitel I.3.2, Fn. 147. 124 Russo 2005: 158. 125 So Dueck 2013: 29. Ausführlicher zur Verbindung von Mythos und Geographie, verarbeitet vor allem in Epos und Dichtung, s. ebd.: 29–45; außerdem z. B. Hübner 2000b; mit speziellem Fokus

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aufschlussreich sein.126 Ähnlich können in poetischen Werken aller Art geographische Aspekte beschrieben sein, beispielsweise im Epos.127 Daneben existieren Lehrgedichte, die sich gezielt mit geographischen und naturkundlichen Themen auseinandersetzen und explizit zu diesem Zweck verfasst wurden.128 Sie sind deshalb von anderen poetischen Texten abzugrenzen.129 Inspiriert durch die römische Expansion sollte in diesen Gedichten das Ausmaß des imperialen Einflussgebiets veranschaulicht werden, was die Werke vor allem zu Zeugnissen des jeweiligen Zeitgeists und der jeweils aktuellen militärischen Entwicklungen macht.130 Ausführliche geographische Exkurse sind zudem in historiographische Werke eingebunden, deren fester Bestandteil sie sind.131 Im Gegensatz etwa zum konkreten Flutschutz werden Landschaften und ihre Naturerscheinungen recht detailliert in den antiken Geschichtswerken beschrieben. Vor allem die Expansionsbewegung des Römischen Reichs und die Eingliederung neuer Gebiete als Provinzen trugen zu einer intensiven Beschäftigung mit geographischen Fragestellungen in der Literatur bei.132 Das Hauptinteresse der römischen Autoren lag dabei in der praktischen Anwendung

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auf der mythischen Frühzeit Roms; historiographisch verknüpft mit der Topographie der Stadt s. Schmitzer 2016: 37–54. Dueck 2013: 37. Zur Verarbeitung geowissenschaftlicher Phänomene im antiken Mythos s. auch Sonnabend 1999: 91–94. Bisweilen fallen die modernen Erklärungsansätze für Mythen in der heutigen Forschung recht spekulativ aus, doch können sie durchaus anregend für die Forschungsdebatte sein; dazu s. Hübner 2000b: 26. Als Beispiel führt er die Vermutung Bickels und Schachermeyrs an, dass das dem „Erderschütterer“ Poseidon geweihte Trojanische Pferd ein Verweis auf die Zerstörung Trojas durch ein Erdbebenereignis sein könne (E. Bickel, Das Verbrechen des Laokoon: Die Geschichte vom hölzernen Pferd und Poseidon theriomorph als Zerstörer von Trojas Mauer, RhM 91/1, 1942, 19–27; F. Schachermeyr, Poseidon und die Entstehung des griechischen Götterglaubens, Salzburg 1950: v. a. 189–203), was auf den archäologischen Befund für Troja VIb tatsächlich zutrifft. Dennoch bleibt bei derlei Spekulationen eine gewisse Beliebigkeit der Interpretationen kaum aus; vgl. Hübner 2000b: 27. So galt in der Antike Homer als eigentlicher Begründer der Geographie (Strab. 1,1,2); dazu s. Dueck 2013: 30. Allerdings galt Homer vielen Fachwissenschaften und Literaturgattungen als Vorbild; vgl. Schindler 2000: 163. Zum uneinheitlichen Charakter von Lehrgedichten naturkundlichen und naturphilosophischen Inhalts s. insbesondere Volk 2005, die überzeugend herausarbeitet, dass die literarische Auseinandersetzung mit der Natur und natürlichen Phänomenen ein besonders hohes Ansehen genoss und entsprechend elaborierte Lehrgedichte nicht zuletzt von den Autoren selbst als gesonderte Gattung angesehen wurden, was sich u. a. in der intertextuellen Auseinandersetzung mit den jeweiligen Vorgängerwerken äußert; ebd.: v. a. 163 f., 166 f. und 171. Trotz allem orientieren sie sich grundsätzlich an den gattungsspezifischen Vorgaben der Dichtung, sodass sie auch in Abgrenzung zur geographischen Prosa gesehen werden müssen; zu den Spezifika geographischer Lehrgedichte im Gegensatz zu anderer Poesie s. Dueck 2013: 37–40; zur Gattung der geographischen Lehrgedichte s. auch die entsprechenden Beiträge im Band von Horster/Reitz 2005; Hübner 2000a: 14; außerdem Schindler 2000 v. a. zu den hellenistischen Ursprüngen und den Werken in griechischer Sprache. Dueck 2013: 43. Geographische Exkurse und Erläuterungen gehörten seit Herodot zur Historiographie; Hübner 2000a: 10; Dueck 2013: 45–63. Dueck 2013: 9.

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landeskundlicher Erkenntnisse zugunsten ihrer eigenen Herrschaftsausübung. Daher entwickelte sich die römische Geographie im engeren Sinne weg von der theoretisierend-mathematischen Geographie der Griechen hin zu einer eher pragmatischen Literatur in deskriptivem Stil, die auf umfangreichen Kompilationen beruhte.133 Diese Orientierung an praktischen Belangen erklärt auch, warum zur Zeit der größten Ausdehnung des Römischen Reichs die römische Technik der Landvermessung ihre Hochzeit erlebte, was sich schließlich in einer gesteigerten Produktion anwendungsorientierter geodätischer Texte niederschlug.134 Auf sie wird im Rahmen der Fachschriftstellerei im folgenden Kapitel zurückzukommen sein. Nicht nur Lehrgedichte, sondern auch die geographisch-naturkundliche Prosaliteratur erfüllte oft den Zweck, das Ausmaß des imperialen Herrschaftsgebiets zu demonstrieren und den eigenen Machtanspruch selbst über entlegene Gebiete zu legitimieren. So können vermeintlich „unkritische“ Beschreibungen von Naturphänomenen oder Landschaften durchaus ideologisch eingefärbt sein, was bei deren Auswertung zu berücksichtigen ist. Zu denken ist hier insbesondere an die insgesamt siebenunddreißig Bücher umfassende Enzyklopädie Naturalis historia von Plinius dem Älteren (23/24– 79 n. Chr.), die komplett erhalten ist.135 Plinius’ Werk, das im Wesentlichen kompilatorischer Art ist, spiegelt den Wissensstand und zugleich die Herrschaftsideologie seiner Zeit wider, sodass trotz der vielen detailreichen Ausführungen doch niemals die politische Programmatik des Werks vernachlässigt werden darf.136 Vor allem der Rekurs auf große, weit entfernte Flüsse dient in besonderer Weise zur Veranschaulichung der Größe und Macht des Römischen Reichs.137 Allerdings kommt gerade diese politische Ideologie, die in den Texten über Flüsse zu Tage tritt, wiederum dem holistischen An133

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Zur Praxisorientierung der römischen Geographie v. a. Hübner 2000a: 10 f. Dueck 2013: 10 stellt den praktischen Alltagsbezug als allgemeines Charakteristikum antiker Geographie heraus. Zu Recht bewerten König/Whitmarsh 2007: 3–8 die extensive Aktivität römischer Autoren, allseits Wissen zu sammeln und zu kompilieren, als Merkmal der römischen Reichsbildung und Herrschaftsfestigung und betonen zugleich, dass der kompilatorischen Tätigkeit in antiken Zeiten aus eben diesem Grund weitaus mehr Respekt gezollt und Bedeutung beigemessen wurde als in heutiger Zeit (ebd.: 3). Hübner 2000a: 14; Hermon 2017: 73. Das Vermessungswesen war zunächst vor allem für die Anlage von Militärlagern und Marschwegen unabdingbar; s. Dueck 2013: 131. Für das Leben des Plinius maior s. Syme 1969; s. auch Murphy 2004: 2–4; Healy 1999: 1–30; zu den Quellen und zur Kompilationstätigkeit des Plinius s. Sallmann 1971: 35–48 (römische Quellenschriftsteller) und 49–88 (griechische Quellenschriftsteller); Healy 1999: 36–62; zum geographischen und naturkundlichen Wert des Werks s. ausführlich ebd.: 106–379 (sehr positiv gegenüber dem „wissenschaftlichen“ Wert); auch Dueck 2013: 61 f.; Hübner 2000a: 13. Für eine detaillierte Studie zur herrschaftsideologischen Aufladung der Naturalis historia s. Murphy 2004. So bezeichnet Murphy 2004: 6 das Werk als „extremely important artefact of Roman culture“, allerdings ausschließlich der aristokratisch geprägten römischen Kultur, sodass die Alltagskultur und Lebenswelt der Römer außerhalb aristokratischer Kreise darin nicht zum Vorschein komme (ebd.: 7). Dazu s. Murphy 2004: 138–148. Ähnlich gibt Bispham 2007: 43 zu bedenken, dass Buch 3, in welchem die Geographie Italiens beschrieben wird, im Kontext der geographischen Beschreibungen

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satz der Environmental Coherence entgegen, sodass das plinianische Werk in jeder Hinsicht eine wichtige Quelle für die vorliegende Arbeit darstellt. Außerdem war Plinius als Angehöriger der Aristokratie im hohen Staatsdienst selbst eine vielgereiste Persönlichkeit und kannte so manche von ihm beschriebene Gegend aus eigener Erfahrung. Ähnliches gilt für das mit „Geographika“ betitelte Werk des Strabon von Amaseia138 (64/63 v. Chr. – 23/26 n. Chr.), in dem sich das römische Weltbild augusteischer Zeit widerspiegelt, zumal der Autor die Transformation der Republik zum Römischen Kaiserreich durch Augustus seinerzeit selbst miterlebt hat.139 Außerdem ist Strabons Werk, ebenso wie das des Plinius, stoisch geprägt, was gerade in seinen Ausführungen über Naturphänomene eine essentielle Rolle spielt.140 In insgesamt siebzehn Büchern beschreibt er umfassend die Geographie Italiens und anderer Regionen, von denen er einige aus eigener Anschauung kannte, darunter Kleinasien, Ägypten und Griechenland – ebenso Rom.141 Als besonders umfassend gilt sein Werk auch deshalb, weil er ein breites Spektrum an Themen äußerst detailreich abhandelt, angefangen bei der Geometrie der Erde über hydrologische und klimatische Fragen bis hin zu wirtschaftlichen und ethnologischen Aspekten.142 Aus diesem Grund stellt seine Schrift eine weitere wichtige Quelle für die vorliegende Studie dar. Als letzter in dieser Reihe ist Polybios zu nennen. Chronologisch führt er die Reihe allerdings an, wirkte und lebte er doch in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Punischen Krieg während der römischen Expansion in den hellenistischen Osten sowie auf die Iberische Halbinsel (ca. 200–120 v. Chr.). In seinen Historien thematisiert der

der Bücher 3 bis 6 verstanden werden müsse, die letztlich einer Inventarisierung des Römischen Reichs gleichkämen. 138 Zu Leben und geographischem Werk des Strabon s. insbesondere Engels 1999; Aujac 2000; Dueck 2000; außerdem Dueck 2013: 54–56. Eine Textedition mit deutscher Übersetzung samt Kommentar hat Stefan Lorenz Radt vorgelegt mit dem Titel „Strabons Geographika: Text und Übersetzung in 10 Bänden“, erschienen zwischen 2002 und 2011 bei Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. Strabons siebenundvierzig Bücher umfassendes Hauptwerk, das das Geschichtswerk des Polybios bis in die augusteische Epoche hinein fortsetzen sollte, ist nur fragmentarisch erhalten; vgl. FGrHist 91; Delfino Ambaglio, Gli Historika Hypomnemata di Strabone. Introduzione, traduzione italiana e commento di frammenti, MIL 39/5 (1990), 377–425. 139 Engels 1999: 298–313, dort v. a. 310–313; mit Fokus auf Anleihen aus dem augusteischen Politikprogramm s. ebd.: 353–358; Dueck 2013: 55 f.; Dueck 2000: 85–129. 140 Die stoische Prägung der geographischen Literatur rührt maßgeblich von Poseidonios von Apameia (ca. 135 bis 50 v. Chr.) her, der in Strabons Werk häufig zitiert wird. So ist etwa Poseidonios’ Reflexion über die Tidenbewegung des Ozeans merklich von der Sympathienlehre beeinflusst; vgl. Strab. 3,5,8–9; dazu s. Hübner 2000a: 12 f. Trotz seiner durchweg dem Peripatos angehörigen Lehrer betont Strabon an mehreren Stellen, dass er sich selbst als Stoiker versteht; z. B. Strab. 1,2,3 C 15; 1,2,34 C 41; 2,3,8 C 104; dazu Engels 1999: 28. 141 Er selbst stammte aus Pontos. Zu seinen Reisen aus Studienzwecken sowie als Begleitung römischer Amtsträger s. Engels 1999: 26–36; Aujac 2000: 103–105; Dueck 2000: 15–30; Dueck 2013: 54. 142 Aujac 2000: 134; Dueck 2013: 55.

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Autor den politischen Aufstieg Roms zum Hegemon in der Mittelmeerwelt.143 Sein einst vierzig Bücher umfassendes Werk ist allerdings nur zu etwa einem Drittel erhalten und gerade Buch 34, in dem er seine geographischen Exkurse gebündelt hatte, ist heute verloren.144 Seine Landschaftsbeschreibungen in den erhaltenen Büchern weisen dennoch einen großen Detailreichtum auf, wobei auch er viele Gegenden aus eigener Anschauung kannte. Als Begleiter des Scipio Aemilianus hatte er Reisen in den Alpenraum, nach Gallien, Hispanien und Afrika unternommen und als Heimat war ihm die Peloponnes ebenso vertraut. Insbesondere seine Ausführungen zur Natur der Poebene und der Alpenregion sind aufschlussreich für die Frage nach antikem Wissen über Flusshochwasser und deren Ursachen. Neben den geographischen Ausführungen sind den literarischen Texten punktuell freilich noch weitere Informationen zu entnehmen, die für diese Studie von Relevanz sind, hier aber im Einzelnen nicht eigens ausgewiesen werden sollen.145 Über Flutursachen sowie Flutschäden und Reparaturen speziell im Osten des Reichs berichtet außerdem der spätantike Geschichtsschreiber Prokop (507 bis nach 555 n. Chr.) in seinem auf Griechisch verfassten Werk „Bauten“. In dieser panegyrischen Schrift wird die Bautätigkeit des Kaisers Justinian thematisiert, wozu auch Wasserbauten verschiedener Art zählen, die recht ausführlich beschrieben werden. Auch wenn sowohl die Bauten als auch Bauherr und Verfasser eigentlich außerhalb des engeren Studienzeitraums liegen, wird auf die Schrift zurückgegriffen, da die Beschreibungen einen Eindruck davon vermitteln, wie destruktiv Hochwasser in den Trockentälern des Oströmischen Reichs sein konnten und wie der Kaiser bei seiner Durchreise entsprechende Wiederaufbaumaßnahmen anordnete. Zudem sind die Beschreibungen der Bauten selbst bei aller panegyrischen Überformung des Textes äußerst detailreich und können in konkreten Fällen in Ergänzung der archäologischen Materialien und Baudenkmäler (v. a. Talsperren und Brücken) als Quelle herangezogen werden.146

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Zu Leben und Werk des Polybios s. Walbank 1972; Dueck 2013: 51–53. In seinen Historien verfolgt er eine „pragmatische Geschichtsschreibung“ (pragmatike historia), die möglichst objektiv über vergangene Ereignisse insbesondere der politischen und militärischen Geschichte zu berichten sucht, um dem Leser Orientierungswissen zum eigenen selbstbestimmten Handeln in kontingenten Situationen an die Hand zu geben. Zur pragmatike historia s. Walbank 1972: 66–96; Dueck 2013: 52 f. Zum Aspekt der Kontingenzbewältigung als Zweck des polybianischen Werks s. insbesondere Maier 2012. 144 Dueck 2013: 53. Sein Fokus lag dabei weniger auf geographischen Theorien oder Berechnungen als vielmehr auf Informationen praktischer Relevanz für seine Leser. 145 Zum Aussagewert literarischer Quellen unterschiedlicher Gattung über Beobachtungen von Klima, Witterung und Hydrogeographie s. Haas 2006: 91–101. Er glaubt, für den Zeitraum seit der Mitte des 1. vorchristlichen Jahrhunderts einen zunehmenden Erkenntnisgewinn für die Nordwestprovinzen in den Schriften ausmachen zu können, obgleich freilich die subtil verarbeiteten Topoi nicht zu vernachlässigen und weiterhin greifbar seien (ebd.: 94 f.). 146 Tinnefeld 2001.

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I.3.2 Antike Fachschriften Die römische Fachschriftstellerei im Allgemeinen umfasst – ähnlich wie oben gesehen die antike Geographie im Speziellen – eine sehr heterogene Gruppe von Schriften. Als Fachschriftsteller kann zunächst jeder bezeichnet werden, der eine Form von Fachschrift zu einem designierten Spezialthema verfasst hat, sei es in Gedichtform oder als Prosa.147 Generell handelt es sich bei diesen Fachschriften nicht um genuine Handoder Lehrbücher aus der Sicht von Praktikern, sondern vielmehr um Werke, die in erster Linie einem gewissen literarischen Anspruch genügen sollten und vor allem für ein gebildetes Lesepublikum verfasst wurden.148 Die Werke der Feldmesser bilden hierbei eine Ausnahme, da sie sehr wahrscheinlich von praktizierendem Fachpersonal verfasst wurden, für welches die Beschäftigung mit vermessungstechnischen Fragen kein bloßes otium darstellte.149 Dies lässt sich in ähnlicher Weise auf die römischen Juristen der Kaiserzeit und der Spätantike übertragen, da auch sie, ähnlich wie die Feldmesser, für ihre Aktivitäten auf juristischem Gebiet von den Kaisern gezielt eingesetzt und gefördert sowie professionell ausgebildet wurden.150 Durchweg für alle Fachschriften gilt, dass es die moderne Unterscheidung zwischen magisch-transzendenten und rationa-

147 Horster 2003: 182 f.; Fögen 2005: 5. Einführend zur antiken Fachschriftstellerei allgemein s. Fuhrmann 1960; Meissner 1999; Fleury 1990; s. außerdem etwa die Sammelbände von Marietta Horster und Christiane Reitz speziell zur antiken Wissensvermittlung in Gedichtform (Horster/Reitz 2005) sowie zu literarischem Diskurs und sozialem Kontext antiker Fachschriftstellerei (Horster/Reitz 2003), jeweils mit weiterführender Literatur. 148 So Fögen 2005: 5 sowie 2–5 mit Überlegungen zu einer für die Antike möglicherweise validen Definition von „Fachwissenschaft“. Allerdings gibt er zu bedenken, dass aufgrund der Heterogenität der Fachschriften sowohl Texte hohen literarischen Anspruchs vorhanden sind, die wohl das docere mit dem delectare zu verbinden suchten, als auch Texte, die sprachlich wenig ansprechend ausgestaltet sind. Zur praktischen, staatsdienstlichen Ausrichtung der Feldmesserschriften s. zudem Fuhrmann 1960: 181. Meissner 1999: 29 stellt in seiner allgemeinen Einschätzung der Fachschriftstellerei aus der klassischen Antike heraus, dass die der mediterranen Welt – im Gegensatz zur Fachschriftstellerei anderer früher Hochkulturen – ein besonderes Augenmerk auf die literarische Dokumentation und Verbreitung von Fachwissen gelegt zu haben scheint, zumal die Schriften offenbar nicht nur für den exklusiven Gebrauch, sondern für ein größeres interessiertes Publikum konzipiert waren. 149 So Horster 2003: 183, obgleich sie ihre Vermutung mit einer gewissen Vorsicht äußert, da über die Feldmesser generell sehr wenig bekannt ist; dazu s. auch ebd.: 191 sowie ausführlicher weiter unten in diesem Kapitel mit weiterführender Literatur; zu dem Sachverhalt s. außerdem Meissner 1999: 255–257, der in den Feldmesserschriften keine praktischen Anleitungen für die geodätischen Vermessungsarbeiten sieht, sondern vielmehr Handreichungen für die korrekte juristische Einschätzung vermessungstechnischer Tätigkeiten vor Gericht und in administrativen Kontexten; vgl. Fuhrmann 1960: 181 mit Augenmerk auf der didaktischen Seite der Feldmessertraktate. 150 Zur Ausbildung von Juristen in sogenannten Juristenschulen sowie zu deren Förderung durch die Kaiser s. Horster 2003: 189–191; Meissner 2003: 168, 170 und nochmals zusammenfassend 173, wo er die Existenz von Abschlussexamen für Intellektuelle im Staatsdienst, darunter auch Juristen, als Nachweis geradezu „moderner“ Studienbedingungen auffasst.

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len Erklärungsansätzen nicht gab, sondern der Verweis auf magische Praktiken und transzendente Vorstellungen antiken Fachschriften vielmehr inhärent ist.151 Trotz ihres eher literarischen Charakters können diese Schriften Einblick in römische Alltagspraktiken rund um Flüsse und Flusshochwasser geben. Im Landbau war es etwa von Interesse, eine ertragreiche Nutzung von Ufergrundstücken und Feuchtgebieten zu erreichen und Felder vor Erosion zu schützen. Die Agrarschriftsteller152 Cato der Ältere (234–149 v. Chr.), Varro (116–27 v. Chr.) und Columella (1. Jh. n. Chr., sein Werk muss in den frühen sechziger Jahren entstanden sein153) waren als Angehörige der wohlhabenden Elite zugleich Grundbesitzer und Eigentümer agrarisch wirtschaftender Gutshöfe, die sich dementsprechend mit landwirtschaftlichen Fragen zu beschäftigen hatten.154 Da die Nähe zu schiffbaren Flüssen für Landgüter als besonders erstrebenswert galt,155 war damit zwangsläufig auch die Sorge verbunden, wie mit potentiellen Hochwasserschäden – insbesondere Erosion und Anschwemmungen – umgegangen werden sollte. Für die Agrarhandbücher aus römischem Kontext konnte Silke Diederich neben dem fachkundlichen Nutzen noch zwei weitere wesentliche 151

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Russo 2005: 158; Diederich 2007: 77–155, v. a. 82–105 zu magischen und astrologischen Vorstellungen in den römischen Agrarhandbüchern. Dabei ist ihrer Unterscheidung von Magie und Religion grundsätzlich zuzustimmen, stützt sich Magie für sie doch in erster Linie auf magische Praktiken auf „profan-materieller“ Ebene, während Religion eher als „symbolisches oder realsymbolisches Erklärungsmodell“ aufzufassen sei und auf abstrakterer Ebene angesiedelt ist: Für die Antike könne von einer solch strikten Differenzierung freilich nicht ausgegangen werden (ebd.: 83). Auf das jeweilige Gesamtwerk bezogen bemerkt Fellmeth 2009: 72 hingegen, dass in den Schriften der Agronomen religiöse Aspekte kaum eine Rolle spielten, was er als „signifikant“ ansieht, zumal er davon ausgeht, dass in der kleinbäuerlichen Subsistenzwirtschaft derlei Angelegenheiten eine weitaus größere Rolle spielten. Leider nimmt er an der Stelle keine weitere Differenzierung zwischen den einzelnen Agrarschriften vor, sodass seine etwas zu allgemein gehaltene Bemerkung zurückgewiesen werden muss. In den Schriften der römischen Feldmesser hingegen überwiegen juristische und analytische Ausführungen eindeutig, während religiöse Anschauungen darin keine wesentliche Rolle spielen; vgl. Campbell 2005: 312: „The agrimensores, while retaining glimpses of the traditional respect for divine supervision of boundaries, display an entirely analytical and legalistic approach.“ Zu allgemeinen Charakteristika der römischen Agrarschriftstellerei s. Meissner 1999: 170–177 (aus der Zeit der Republik) und 194–198 (aus der Zeit des Prinzipats); zu den Landbauschriften mit besonderem Blick auf den Sozialstatus der Autoren Cato, Varro, Columella und Palladius sowie auf das in ihren Werken verarbeitete Fachwissen und deren literarischen Wert s. Diederich 2007; zur Selbstinszenierung der Agrarschriftsteller s. auch Diederich 2005; allgemeiner zu den Agronomen s. Horster 2003: 187–189. Für einen guten Überblick über die Agronomen mit speziellem Fokus auf den Einsatz von Sklaven in der Landwirtschaft s. außerdem Willi 2017. Für Text, Übersetzung und Erläuterungen speziell zum Werk von Cato maior s. Flach 2005; außerdem Fuhrmann 1960: 157 f.; zu Gliederung und Systematik der varronischen Landbauschrift s. ebd.: 69–78; zu ihrer Verortung innerhalb der Agrarschriften der griechisch-römischen Antike ebd.: 163–166. Diederich 2007: 54 mit weiterführender Literatur zur Datierungsfrage. Seiderer 2013: 22. Zudem gehörte der Topos des Selbstversorgertums in der ausgehenden Republik und selbst noch zur Kaiserzeit zum Selbstverständnis der senatorischen Großgrundbesitzer; Tietz 2015: 219. Cato agr. 1,3; Chic García 1990: 15; Parodi Álvarez 2008: 122.

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Funktionen herausarbeiten: Zum einen dienten die Schriften zur Distinktion des Verfassers und zu seiner Präsentation als Intellektuellen, zum anderen waren die Werke ein identitätsstiftendes Medium für die politische Elite Roms.156 Wiederum ähnlich wie bei den geographischen Werken gilt es also auch hier, die darin geschilderten Praktiken aus dem Landbau nicht uneingeschränkt als konkrete Handlungsanleitungen für den Alltagsgebrauch misszuverstehen.157 Trotz allem können die agrarischen Fachschriften aristokratischer Autoren als aussagekräftige Quellen zu Latifundien herangezogen werden, da der Besitz von Landgütern integraler Bestandteil des aristokratischen Lebens war und der Inhalt der Schriften wohl auf allgemein bekanntem, tradiertem Erfahrungswissen basierte.158 Auch in anderen technischen Schriften wurden Wissensbestände und Praktiken überliefert, die hier in verschiedenerlei Hinsicht von Interesse sind. In der zehn Bücher umfassenden Fachschrift De architectura des Vitruv aus augusteischer Zeit sind insbesondere die Beschreibungen von Bauweisen und Baumaterialien für den Wasserbau aufschlussreich.159 Das darin geschilderte Wissen über die Beschaffung und Herstel156 157

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Diederich 2007; speziell zum Aspekt der aristokratischen Selbstinszenierung in den Agrarschriften s. Diederich 2005. Ausgehend von ihren vielfältigen Funktionen bezeichnet Diederich die von ihr untersuchten Agrarschriften als „polyphone“ Gattung; Diederich 2007: 404–409; die verschiedenartigen Funktionen der Schriften knapp zusammenfassend, jedoch noch ohne expliziten Verweis auf deren „Polyphonie“ finden sich bereits bei Diederich 2005: 284 f. Von den aristokratischen Idealen und zugehörigen Topoi einmal abgesehen, die sich in den Schriften teilweise ausmachen lassen, ist zudem zu betonen, dass die Schriften die Perspektive des Gutsbesitzers, nicht aber des Gutsverwalters widerspiegeln. Der Besitz der Landgüter galt als Statussymbol, während die praktische Landarbeit für einen Angehörigen der politischen Elite nicht angemessen war; dazu s. Horster 2003: 187–189. Willi 2017: 62 stellt ebenfalls heraus, dass der Realitätsgehalt in der Forschung kontrovers diskutiert wird. So wird angenommen, dass tendenziell eher Idealvorstellungen statt realer Verhältnisse beschrieben werden und zudem ein offenkundig starker Fokus auf der italischen Landwirtschaft im Kontext großer Gutshöfe mit Sklavenwirtschaft liegt, wohingegen andere Formen der Bodenbewirtschaftung nicht berücksichtigt werden. Dennoch sei, so Willi, nicht zu vernachlässigen, dass sich die Ausführungen der Agronomen aus eigener Anschauung und Erfahrung speisten. Horster 2003: 187 f.; Winiwarter 1999: 185; Willi 2017: 60. Zur Diskussion des Aussagewerts von Vergils Georgica als weitere Quelle für antike Praktiken zum Landbau auf Latifundien s. Spurr 1986; zur Intertextualität des Werks innerhalb der naturkundlichen Lehrdichtung s. Volk 2005: 167. Allgemein zu Wert und Funktion der heimatlichen, teils stark überhöhten Landschaftsbeschreibungen im Werk Vergils s. Witek 2006, denn bei aller Realitätsnähe in seinen Schriften folgt der Dichter dennoch bis zu einem gewissen Grad auch vorgegebenen Konventionen und bedient Topoi. Eine Einführung in sein Werk samt Text und Übersetzung findet sich bei Fensterbusch 2013; s. auch Fuhrmann 1960: 78–85. Leider thematisiert Vitruv keine baulichen Details in Bezug auf Brücken oder Hochwasserschutzbauten wie etwa Talsperren (vgl. Schnitter 1978: 25) – weder in seinem Buch 5, welches sich im 12. Kapitel der Anlage von Häfen widmet, noch in Buch 8, welches Fragen der Wasserversorgung behandelt. Interessante Überlegungen im Zusammenhang mit dem literarischen Anspruch, den Vitruv in seinem Werk erhebt, stellt Meissner 2003: 162–165 an. So soll Vitruv monetäre Gründe dafür gehabt haben, die Architektenausbildung als Ausbildung in den artes liberales darzustellen. Immerhin hatte Augustus, in dessen Zeit Vitruv wirkte,

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lung besonders wasserdichter Materialien findet sich in der Ausführlichkeit in kaum einer anderen Quelle. Das Werk De aquae ductus urbis Romae, das vom stadtrömischen curator aquarum Sextus Iulius Frontinus zur Zeit Trajans verfasst wurde, ist eine weitere wichtige Informationsquelle für rechtliche Aspekte der Wasserversorgung sowie für antikes Wissen über Hydrologie und dessen Umsetzung in der Praxis im Rahmen der städtischen Wasserinfrastruktur.160 Auch in der äußerst ausdifferenzierten, weit entwickelten römischen Rechtslehre werden häufig Fragen zu unterschiedlichen Belangen im Zusammenhang mit Wasser und Wasserwegen diskutiert.161 Deren große Vielfalt und Anzahl, die sich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr aufaddierte, machte es schließlich nötig, einerseits Veraltetes auszusortieren und andererseits noch geltende Rechtsgrundsätze zu sichten und zentral zu sammeln. In größerem Umfang geschah dies erstmals unter Kaiser Theodosius II. im 5. Jahrhundert. Nachdem eine Kommission 429 n. Chr. damit begonnen hatte, kaiserliche Edikte aus dem Zeitraum von 313 n. Chr. bis 438 n. Chr. zu sammeln, konnte die sechzehn Bücher umfassende Sammlung als Codex Theodosianus im Januar 438 in Kraft treten. Für eine zweite Arbeitsphase war geplant, die Schriften der römischen Juristen mit den bestehenden Rechtskodizes zusammenzuführen. Zur Realisierung dieses zweiten Projekts kam es jedoch nicht mehr. Stattdessen zirkulierten neben dem neuen Kodex bald kürzere Texte mit neuen Kaisererlassen, den sogenannten Novellae des Theodosius und des Valentinian. Sie sind zum Teil im späteren Codex Iustinianus enthalten. Dieser Kodex wurde etwa ein Jahrhundert später unter Kaiser Justinian zusammengestellt und besteht aus zwölf Büchern, deren Inhalt teils bis Kaiser Hadrian (117– 138 n. Chr.) zurückreicht. Unter Justinian wurde auch das fünfzig Bücher umfassende Werk der Digesten (Digesta oder auch Pandecta) kompiliert, das Exzerpte aller Schriften der römischen Juristen162 in systematischer Ordnung enthält. Besonders in den Büchern 8, 39 und 43 werden verschiedene Rechtsfragen in Bezug auf Wasser behandelt, darunter etwa das Problem der An- und Abschwemmung (alluvio) im Zusammenhang mit Landbesitz und Ackerflächen oder auch Belange der Binnenschifffahrt. Daneben entstanden weitere Rechtssammlungen, namentlich die der Institutiones als Lehrbuch Literaten und Lehrern der artes liberales in Rom Steuerfreiheit gewährt. Für die Beweggründe des Augustus s. Wallace-Hadrill 1997: 14, der die Maßnahme als Mittel zur Kumulation von Experten und Fachwissen zugunsten des Reichs wertet – ein Trend, der bereits unter Caesar nachzuweisen ist, vgl. Suet. Caes. 42; zu dieser Diskussion s. auch Horster 2003: 176–178 sowie 192 mit weiterführender Literatur. 160 Dazu einführend mit Text und Übersetzung Hainzmann 1979; mit englischer Übersetzung Rodgers 2004; zu Funktion und politischer Programmatik der Schrift s. insbesondere Peachin 2004. 161 Für einen Überblick über Entwicklung und Quellen des römischen Wasserrechts s. Bruun 2010. 162 Eine einschlägige Einführung in die Lebensumstände und den Sozialstatus der römischen Juristen sowie eine Bewertung des Einflusses beider Faktoren auf die Schriften dieser Rechtsgelehrten gibt Kunkel 1967.

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für Rechtsschüler sowie weitere Novellae, die neue justinianische Erlasse enthielten. Die Gesamtheit dieser Schriften bilden das sogenannte Corpus Iuris Civilis, das seit 534 n. Chr. die einzige rechtskräftige Textsammlung im Reich darstellte und die Antike schließlich weit überdauerte. Andere Quellen für die einst umfangreiche römische Juristerei aus früheren Zeiten haben sich kaum erhalten. Verschiedentlich geben aber Inschriften, darunter insbesondere die Stadtrechte, zumindest punktuell Einblick in kommunal geregelte Rechtsangelegenheiten zu Wasser und Wasserläufen in Munizipien oder Kolonien römischen Rechts.163 Auf bestimmte rechtliche Regelungen im Zusammenhang mit Wasser wird außerdem im sogenannten Corpus Agrimensorum Romanorum Bezug genommen. Dabei handelt es sich um eine Werksammlung technischer Schriften zur römischen Landvermessung in lateinischer Sprache.164 Sie enthält vielerlei Informationen über den Um163 Detaillierter zu den epigraphischen Quellen weiter unten im folgenden Kapitel (I.3.3). 164 Einführend zu Quellen, Entstehungskontext und Inhalt des Corpus Agrimensorum Romanorum s. sehr kompakt Dilke 1971: 126–132; außerdem Flach 1990: 1–4; Campbell 2000: xx–xliv; Meissner 1999: 255–257; zudem gibt Hermon 2017: 69–74 einführend eine kurze Charakterisierung der Schriften und der Tradition des Feldmesserkorpus mit weiterführender Literatur. Aus diesen Arbeiten sind die hier dargestellten Informationen im Wesentlichen entnommen, sofern nicht anders angegeben. Für eine kritische Edition der lateinischen Texte, die allerdings nicht alle Lesarten wiedergibt, s. die Ausgabe von Karl Lachmann (Lachmann et al. 1848, bei Quellenzitaten abgekürzt mit L). Ein ausführlicher Kommentar, der verschiedenen Aspekten der römischen Landvermessung gewidmet ist sowie der handschriftlichen Überlieferung, findet sich, freilich den Forschungsstand der Mitte des 19. Jahrhunderts wiedergebend, im zugehörigen zweiten Band, herausgegeben von Friedrich Blume, Karl Lachmann und Adolf Rudorff (Blume et al. 1852). Eine weitere textkritische Ausgabe des lateinischen Textes hat etwas später Carl Thulin vorgelegt in der Reihe Bibliotheca Teubneriana (Thulin 1913b, als Nachdruck erschienen im Jahr 1971, bei Quellenzitaten abgekürzt mit T), wobei es beim ersten Faszikel des ersten Bandes blieb mit dem Titel „Opusculum agrimensorum veterum“. Darin enthalten sind lediglich das Commentum sowie die Schriften des Frontin, des Agennius Urbicus, des Siculus Flaccus und beider Hygini. Außerdem veröffentlichte Thulin eine detaillierte Studie über die Handschriftentradition des gromatischen Traktats Commentum (Thulin 1913a). Die sogenannten Libri coloniarum wurden 1923 unter dem Titel Libri regionum von Ettore Pais zusammen mit einem historischen Kommentar neu herausgegeben (Pais 1923). Aus jüngerer Zeit stammen die kommentierten Textausgaben von Jelle Bouma speziell zum Werk des Marcus Iunius Nipsus bzw. Nypsus (Bouma 1993, der Kommentar beschränkt sich allerdings auf philologische Aspekte) und von Brian Campbell ohne das Werk des Nipsus (Campbell 2000, bei Quellenzitaten abgekürzt mit C), jeweils mit einer englischen Übersetzung. Aus einem noch nicht abgeschlossenen französischen Editionsprojekt, das einen technischen Kommentar sowie eine französische Übersetzung der Agrimensorentexte anstrebt, liegen bereits drei Bände vor, die in der Publikationsreihe Collection des université de France, Série latine erschienen sind: s. Guillaumin 2005 für die Texte des Hyginus gromaticus bzw. Hyginus 2 und des Frontinus (Band 1); Guillaumin 2010 für Hyginus (d. h. Hyginus 1 oder maior) und Siculus Flaccus (Band 2); Guillaumin 2014 für das Commentum zu Frontin (Band 3). Eine deutsche Übersetzung des Gesamtkorpus liegt bisher noch nicht vor, allerdings arbeitet ein Teilprojekt des ehemaligen Exzellenzclusters TOPOI in Berlin inzwischen schon seit einigen Jahren an einer ersten deutschsprachigen Ausgabe der Texte aus dem Corpus Agrimensorum Romanorum. Sie wird neben einer neuen textkritischen Edition auch einen rechtshistorischen, technikhistorischen und philologischen Kommentar enthalten. Als erste Publikation aus diesem Übersetzungsprojekt ist bislang das sogenannte Feldmesserbuch des Hy-

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gang mit Wasser im ländlichen Raum aus geodätischer Sicht, auch bezogen auf Flusshochwasser, die häufig Auslöser für Grenzstreitigkeiten waren.165 Ähnlich wie bei den Rechtskodizes handelt es sich beim Feldmesserkorpus um ein kompilatorisches Werk aus der Spätantike, bestehend aus älteren Texten und Exzerpten juristischen und vermessungstechnischen Inhalts. Die kompilierten Texte wurden im Kern zwischen dem späteren 1. und dem 2. Jahrhundert n. Chr. verfasst. Darüber hinaus sind in dem Korpus einige Texte überliefert, die auf bodenrechtliche und landwirtschaftliche Werke aus republikanischer Zeit zurückgehen, darunter auch etruskische und karthagische Schriften. Damit erklärt sich schließlich die hohe Heterogenität der Textgattungen, die von Gesetzestexten und Kommentaren über Lehrtraktate bis hin zu bloßen listenartigen Aufzählungen reichen.166 Seit ihrer ersten Kompilierung, die vermutlich im Laufe des 4. oder 5. nachchristlichen Jahrhunderts erfolgte, wurden zu verschiedenen späteren Zeitpunkten noch weitere Kommentare eingeschoben oder am Ende ergänzt. Die relevantesten Textpassagen für die vorliegende Studie stammen aus Werken, die jeweils Iulius Frontinus, Siculus Flaccus, Iunius Nipsus oder Nypsus, Balbus, Agennius Urbicus sowie den beiden (?) Hygini zugeschrieben werden. Daneben sind in dem anonym überlieferten Commentum zum Text des Frontinus sowie im Liber coloniarum ebenfalls einige Textstellen von Interesse. Jene namentlich genannten Landvermesser, die im Lateinischen als agrimensores oder – nach ihrem typischen Vermessungsgerät groma167 (griech. γνώμων) – auch als gromatici (Gromatiker) bezeichnet werden,168 lassen sich chronologisch in eine ältere und eine jüngere Generation unterteilen: zum einen die sogenannten gromatici veteres, zu denen Frontin, die beiden Hygini und Siculus Flaccus zählen, zum anderen die jüngere Generation, zu der Agennius Urbicus und der Verfasser des anonymen Commentum gehören.169 Die Überlieferungslage der gin, welcher besonders in der älteren Forschung zumeist als Hyginus gromaticus (hier Hyginus 2) bezeichnet wird, erschienen (Lindermann et al. 2018). 165 Dazu s. insbesondere Campbell 2010; auch Campbell 2012: 85 f. 166 Fögen 2013: 234. 167 Insbesondere zu den technischen Aspekten sowie zur möglichen praktischen Handhabung des Vermessungsgerätes groma s. Grewe 2009; Lewis 2001: 120–133; Schulzki 1998; Bouma 1993: 96–98 (Kommentar zu den Zeilen 18–20 im Traktat Fluminis varatio); zudem Opdenberg 2007, der allerdings aufgrund mehrerer vermeintlicher Defizite (der modernen Rekonstruktionen!) im praktischen Gebrauch zu dem Schluss kommt, dass die groma eher als Prestigeobjekt aus ehemals kultischem Kontext anzusehen sei und weniger als tatsächliches Arbeitsgerät (ebd.: 105 f.). Dem steht allerdings entgegen, dass in den Schriften der Feldmesser vielfach der korrekte Einsatz der groma zu Vermessungszwecken konkret geschildert wird, wenn auch für heutige Leser wenig nachvollziehbar; mehr dazu weiter unten in Kapitel IV.1.3. Zur groma als Messgerät in der Flurvermessung s. außerdem Heimberg 1977: 12–15. 168 Zur Chronologie der Bezeichnungen s. knapp Campbell 1996: 74 in Fn. 3. Während in republikanischer Zeit noch die Bezeichnungen finitor und mensor vorherrschten, kam im Prinzipat der Begriff des agrimensor auf, der später dem des gromaticus weichen musste. 169 Zu dieser chronologischen Zweiteilung s. Hermon 2017: 73. Aus Sicht Hermons markieren beide Gruppen zwei höchst unterschiedliche Epochen der römischen Landvermessung mit wesentlichen Unterschieden im kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen wie politischen Bereich,

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einzelnen Manuskripte sowie deren Zuschreibung zu bestimmten Autoren bleibt insgesamt jedoch so undurchsichtig wie bei kaum einer anderen Textkompilation aus der Antike, und Informationen über die Verfasser lassen sich ausschließlich aus den Texten selbst herleiten.170 Die ältesten geodätischen Traktate, die unter dem Namen des Frontin überliefert sind, werden mehrheitlich eben jenem Sextus Iulius Frontinus zugeschrieben, der weiter oben bereits als curator aquarum und demnach als Verfasser der Abhandlung über die stadtrömischen Aquädukte erwähnt wurde.171 In der Forschung ist jedoch nicht nur diese personelle Gleichsetzung umstritten,172 sondern allein schon die Verbindung jener Traktate mit dem Namen Frontinus.173 Trotz der Schwierigkeiten bei der Zuschreibung ist es dennoch wahrscheinlich, dass zumindest die direkt unter seinem Namen überlieferten Traktate De agrorum qualitate, De controversiis, und 174 aus der Zeit des fortgeschrittenen 1. Jahrhunderts oder spätestens aus dem 2. Jahrhundert stammen.175 Gleichwohl bleibt unklar, inwieweit es sich bei diesen Texten um Epitomai handelt und wie stark sie im Nachgang überarbeitet oder gekürzt

zumal die jüngere Textgruppe in der christianisierten Spätantike entstanden ist, in welcher die Expansionsbewegung des Römischen Reichs längst der Vergangenheit angehörte. Die älteren Texte entstanden hingegen im Kontext eben jener imperialen Expansion, in deren Zuge die Neuordnung und Verteilung von Land eine wesentliche Rolle bei der Ausübung der römischen Herrschaft in den Provinzen spielten; dazu s. auch Hübner 2000a: 14. 170 Blume et al. 1852: 3. 171 Dieser Identifikation folgen z. B. Fuhrmann 1960: 98, § 1; Hermon 2017: 74 sowie Horster 2003: 192, 194, die es für wahrscheinlich hält, dass ohnehin lediglich Schriften von Verfassern bekannter und zudem mindestens ritterlicher Herkunft über die Zeiten hinweg tradiert worden seien; vgl. Classen 1994: 169. In kritischer Auseinandersetzung mit der Identifikation des Gromatikers Frontinus als Verfasser des Aquädukttraktats führt Campbell 2000: xxvii noch weitere Beispiele aus der Forschungsliteratur an, aus denen erkennbar wird, dass insbesondere Literaturlexika (uneingeschränkt und ohne auf die damit verbundenen Unsicherheiten hinzuweisen) jener personellen Gleichsetzung der Frontini folgen. 172 Campbell (2000: xxviii) spricht sich klar gegen eine solche Identifikation aus, da die Inhalte der bekannten Werke des curator aquarum, also die Schriften De aquaeductus urbis Romae sowie die Strategemata, viel eher den Kenntnissen und Kompetenzen einer Person aus dem elitären Umfeld der Kaiser entsprechen würden, während die praktische, technisch orientierte Vermessungstätigkeit nicht im Aufgabenbereich dieser Eliten gelegen habe. 173 Campbell 2000: xxviii vermutet beispielsweise, dass beim Kompilationsprozess anfänglich wohl auch erwogen wurde, das Aquädukttraktat Frontins in das Feldmesserkorpus aufzunehmen, wovon letztlich aber abgesehen worden sei. Fälschlicherweise sei daraufhin eine Reihe anderer Texte, die tatsächlich im Korpus verblieb, weiterhin unter dem Namen Frontin geführt worden. Zumindest bietet Campbell diese Möglichkeit als eine denkbare Erklärung an. Dagegen nimmt Classen 1994: 169 an, dass die Schriften aus dem Feldmesserkorpus ohnehin nur deshalb überliefert wurden, weil sie mit den Schriften des berühmten Frontin kompiliert wurden; ähnlich Horster 2003: 194. 174 Die Konjekturen wurden in der Textedition von Thulin 1913a ergänzt; Näheres dazu bei Campbell 2000: 325 zu Fn. 24 und 327 zu Fn. 32. 175 Zur Datierung s. Campbell 2000: xxviii; auch Hermon 2017: 74, die sich für eine Datierung zwischen den Flaviern und den ersten beiden Antoninen (Nerva und Trajan) ausspricht.

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wurden.176 Jedenfalls werden daneben noch das Commentum sowie Teile des Textes von Agennius Urbicus mit den Traktaten des Frontinus in Zusammenhang gebracht: Zum einen finden sich im Commentum innerhalb der Traktate De agrorum qualitate und De controversiis verschiedentlich direkte Verweise auf die Schriften des Frontin zusammen mit wörtlichen Zitaten, zum anderen sind inhaltliche Überschneidungen in Frontins Schrift und den Ausführungen des Agennius Urbicus in seinem Traktat De controversiis auszumachen.177 Die erklärte Absicht des Frontin jedenfalls war es, mit seinem Werk Feldmesser in ihrer Ausbildung zu unterstützen. Äußerst wahrscheinlich ist zudem, dass er selbst praktizierender Feldmesser war und den Stoff aus eigener Erfahrung kannte.178 Die direkt dem Agennius Urbicus zugeschriebenen Texte unterscheiden sich in Vokabular, Stil und Syntax von den Texten der anderen Gromatiker und weisen ihn als Autor der Spätantike aus, vermutlich aus dem späten 4. oder frühen 5. Jahrhundert.179 Allem Anschein nach verfolgte er das Ziel, der Kunst der Landvermessung einen gewissen intellektuellen Wert zu verleihen, indem er seine Texte rhetorisch und literarisch aufbereitete und deren Inhalte theoretisierte.180 Dennoch lässt sich aus seinen Schriften schließen, dass er sein Werk in erster Linie als didaktischen Text für praktizierende Landvermesser konzipiert hat.181 Inwieweit Agennius Urbicus einen eigenständigen Beitrag zur römischen Feldmesserkunst geleistet hat, ist aus seiner kompilatorischen Arbeit heraus kaum zu ermitteln,182 doch können seine Traktate immerhin als Informationsquelle für reale Verhältnisse und Praktiken dienen, wie sie zu Lebzeiten der von ihm kompilierten gromatici veteres vorherrschten.183

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Campbell 2000: xxviii; dazu sowie zu den beiden anderen Traktaten, die auf die Schriften des Frontinus zurückgehen (Agennius Urbicus und das Commentum), s. auch Behrends 2006: 201. 177 Campbell 2000: xxviii. Aufgrund einer irrtümlichen Angabe in einem einzelnen Manuskript wurde das anonym verfasste Commentum bisweilen fälschlicherweise dem Agennius Urbicus zugeschrieben (z. B. bei Dilke 1971: 126); dazu s. Campbell 2000: xxxi und xxxiv sowie weiter unten in diesem Kapitel. In der früheren Forschung wurde noch von einer unbekannten Quelle aus flavischer Zeit (Pseudo-Agennius) ausgegangen, die mittlerweile mit Frontin selbst identifiziert wird (dazu s. Hermon 2017: 80). Für philologische und rechtshistorische Überlegungen und Details zu Frontins gromatischem Werk sowie zu seiner Autorschaft, seinen Quellen und seinen Kompilatoren in der Spätantike s. insbesondere Behrends 2006, allerdings unter Vorbehalt des Autors [Okko Behrends], dass es sich bei seinem Beitrag lediglich um eine nicht für die Publikation überarbeitete Fassung eines Konferenzbeitrages handelt; ebd.: 201, Fn. 1. 178 Zu beiden Aspekten s. Behrends 2006: 202–204 mit seiner abschließenden Einschätzung (ebd.: 204): „Et il n’est pas douteux que l’approche de Frontin est celle d’un praticien, celle d’une personne qui a de l’expérience.“ 179 Campbell 2000: xxxi; Hermon 2017: 80. 180 So zumindest mutmaßt Campbell (Campbell 2000: xxxiii). Dahingegen hält Hermon 2017: 80 Agennius Urbicus wohl gerade aufgrund dieses Schreibstils für einen zugleich in der Philosophie, der Rhetorik sowie der Rechtslehre ausgebildeten Gelehrten. 181 Campbell 2000: xxxii. 182 Campbell 2000: xxxiii; Hermon 2017: 87. 183 Hermon 2017: 87.

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Das ohne konkret benannten Autor überlieferte Commentum zu Frontins Text wurde – wohl fälschlicherweise – bisweilen dem Agennius Urbicus zugeschrieben, wovon insbesondere die jüngere Forschung inzwischen abgerückt ist.184 Der vermutlich im 5. oder eher noch im 6. Jahrhundert verfasste Text kommentiert die ersten beiden Traktate des Frontinus-Textes und behandelt dementsprechend den Rechtsstatus von Land als sowie diesbezügliche Streitigkeiten unter dem Titel De controversiis.185 Er zitiert viel aus Texten der älteren Gromatiker und schließt jeweils unmittelbar danach einen Kommentar an. Der Hauptzweck des Werks war wahrscheinlich sein Gebrauch in der Ausbildung angehender Vermessungstechniker, wozu in einem zugehörigen Buch, dem sogenannten Liber diazografus, begleitendes Bildmaterial und Diagramme zusammengestellt waren.186 Auch sprachlich zielt der Autor auf eine klare, anschauliche Darstellung der wichtigsten Themen aus der Feldmesserpraxis ab, wie er es selbst – in entschiedener Abgrenzung zu den älteren, „obskuren“ Texten – vorgibt.187 Letztlich könnte dieser Anspruch als klassische Form der aemulatio verstanden werden. Die Texte, die mit dem Autorennahmen Hyginus versehen sind, stammen nicht alle vom selben Autor, doch ist nicht ganz klar, mit wie vielen Autoren insgesamt zu rechnen ist. Wichtig ist die Unterscheidung hier deshalb, weil die Schriften der Hygini jeweils unterschiedlichen Rechtsfragen gewidmet sind, die zwar alle gleichermaßen für diese Arbeit relevant sind, aber unter verschiedenen Namen editiert wurden. Jedenfalls wurde bisher zwischen mindestens zwei Hygini unterschieden,188 wovon einer als Hyginus maior oder auch schlicht als Hyginus ohne weiteren Namenszusatz bezeichnet wird, während der andere vor allem als Hyginus gromaticus bekannt ist. Letztere 184 Dazu vgl. auch weiter oben Fn. 177. Thulin 1913a: 110 hat den Autor des Commentum stattdessen als christlichen Schulmeister identifiziert, was Hermon 2017: 81 übernimmt. 185 Zu Datierung und Inhalt s. Campbell 2000: xxxiv, auch xxxi; Guillaumin 2014: vii–xxxix; Thulin 1913a; Hermon 2017: 81. Die Konjektur geht zurück auf das EXPLICIT COMMENTVM DE AGRORVM QVALITATE am Ende des Textes (C 56,30 = L 9,21 = T 58,14–15); s. Campbell 2000: 353. 186 Campbell 2000: xxxiv. Allerdings ist nicht zu klären, inwieweit die Illustrationen bereits Teil des Originalwerks waren oder erst später zwecks einer besseren Anschaulichkeit hinzugefügt wurden. Für sprachliche Details in den antiken Texten, die möglicherweise als Verweise auf beigegebenes Bildmaterial interpretiert werden können sowie weiterführende Überlegungen dazu s. ebd.: xxv. Teilweise finden sich auch in den Handschriften der anderen Landvermesser erklärende Zeichnungen, dazu s. etwa Dilke 1967. 187 Commentum, C 50,1–5 = L 1,7–11 = T 51,6–11; dazu s. Campbell 2000: xxxiv; zudem Fögen 2013: 218 f. mit Überlegungen, inwieweit das Commentum als Lehrbuch für primär didaktische Zwecke konzipiert worden sein könnte sowie allgemein zum häufig in den Feldmesserschriften geäußerten Anspruch, die Materie verständlicher als bisherige Autoren darstellen zu wollen. 188 Zur Unterscheidung der Hygini auf der Grundlage philologischer Beobachtungen s. Gemoll 1876. Eine unter dem Titel De munitionibus castrorum überlieferte Schrift, ebenfalls in Zusammenhang mit dem Namen Hyginus, wird als möglicherweise nicht von einem der anderen beiden Hygini verfasster Text angesehen, dazu s. Lindermann 2018: 10; Campbell 1996: 78 in Fn. 16; Campbell 2000: xxxvi in Fn. 102, jeweils mit weiterführender Literatur.

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Bezeichnung ist allerdings auf den Irrtum eines Kopisten zurückzuführen, der lediglich in einer einzelnen Handschrift überliefert ist.189 In der neuerdings erschienenen ersten deutschsprachigen Ausgabe des Feldmesserbuchs (De limitibus constituendis) des sogenannten Hyginus gromaticus wird daher mit Verweis auf die Manuskriptsituation bewusst auf die zusätzliche Berufsbezeichnung gromaticus verzichtet, ähnlich wie schon Campbell in seiner Textedition alternativ die Bezeichnung Hyginus 2 vorschlägt.190 Hyginus (maior, alternativ Hyginus 1) war wahrscheinlich selbst praktizierender Landvermesser191 und ist in die Zeit Trajans zu datieren.192 Sein Werk gilt als das am besten erhaltene.193 Hyginus maior behandelt hauptsächlich die Anlage von Vermessungsnetzen, den Rechtsstatus von Grundstücken sowie damit verbundene Rechtsstreitigkeiten. Für die vorliegende Arbeit besonders wichtig sind seine Ausführungen über juristische Regelungen im Zusammenhang mit Flussbreiten. Hyginus gromaticus (auch Hyginus 2) ist am ehesten ins spätere 1. Jahrhundert n. Chr. zu datieren, wobei für eine genaue Festlegung der Entstehungszeit stichhaltige Angaben in seinem Text fehlen.194 Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Festlegung von

In Manuskript A ist das Werk überschrieben mit INC. HYGYNI CONSTITVTIO sowie EXP. KYGYNI GROMATICI CONSTITVTIO FELICITER, während sich in allen anderen Handschriften gromaticus eindeutig auf das Buch (d. h. als Liber gromaticus) beziehen lässt. So beschließt etwa das Manuskript P den Text mit der Angabe EXPLICIT LIBER HYGENI CROMATICVS. Allerdings findet sich in letzterem Manuskript (P) eingangs die Titulatur INC. KYGENI AVGVSTI LIBERTI DE LIMITIBVS CONSTITVENDIS. Hier wird Hyginus also fälschlicherweise mit dem gleichnamigen Freigelassenen des Augustus identifiziert. Zu den korrupten und fehlerhaften Werktiteln s. Lindermann 2018: 10; Campbell 1996: 77 f.; Campbell 2000: xxxvi. Wohl zwecks einer eindeutigeren Zuschreibung haben anfänglich Blume und Lachmann, daran angelehnt Thulin sowie selbst noch Guillaumin und andere Texteditoren die Bezeichnung Hyginus gromaticus dennoch übernommen; dazu s. Campbell 1996: 77; Campbell 2000: xxxvi. Ähnliches gilt für die entsprechende Forschungsliteratur, wobei die uneinheitliche Benennung vereinzelt leider zu Verwechslungen geführt hat. So werden fälschlicherweise bei Hettinger 2017 die Texte des Hyginus 1 unter „Hyginus gromaticus“ geführt, während beim Verweis auf die Texte des eigentlichen Hyginus gromaticus lediglich „Hyginus 2“ als Autorenname angegeben ist in Anlehnung an Campbell 2000. 190 Lindermann 2018: 10 entscheidet sich daher explizit bezogen auf die Edition des lateinischen Textes für den Namen „Hyginus“, um den Irrtum aus Manuskript A nicht unnötig zu wiederholen. Allerdings greift er in früheren Publikationen noch selbst auf die Unterteilung in Hyginus und Hyginus gromaticus zurück, so z. B. in Lindermann 2013. Daher bleibt nur zu hoffen, dass es in künftigen Forschungspublikationen nicht wieder zu Verwechslungen der beiden kommen wird. Campbell 2000: xxxvi teilt die Schriften seinerseits in Hyginus 1 (= Hyginus bzw. Hyginus maior) und Hyginus 2 (= Hyginus gromaticus) auf. Für detaillierte Überlegungen zur von Campbell bevorzugten Benennung und Zuschreibung der Hygintexte s. ebd.: xxxv–xxxvii. 191 Dies vermutet Campbell 2000: xxxv aufgrund der Bezugnahme auf opus nostrum (C 96,4 = L 130,1–2 = T 93,5–6) im Zusammenhang mit der Vermessungstätigkeit sowie der Aussage ego autem quotiens egeram mensura (C 88,24–25 = L 122,3 = T 85,4) im Quellentext. 192 Zur Datierung s. Campbell 1996: 77; Campbell 2000: xxxv; Hermon 2017: 75. 193 Hermon 2017: 75. 194 Zur Datierung s. Lindermann 2018: 11 mit Fn. 26, für den das 1. Jahrhundert als Entstehungszeitraum als gesichert gilt; Campbell 2000: xxxvii, der zumindest davon ausgeht, dass das Werk

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Grenzen, insbesondere innerhalb des Zenturiationssystems. Zudem setzt er sich recht ausführlich mit Fragen der Dokumentation in Form von Katasterkarten auseinander. In dieser Arbeit sollen die Texte, Campbells Vorschlag folgend, mit Hyginus 1 und Hyginus 2 gekennzeichnet werden, auch wenn diese Nummerierung gerade nicht der allgemein angenommenen Chronologie entspricht. Die Texte des Siculus Flaccus werden gemeinhin ins 2. Jahrhundert n. Chr. datiert, wobei in der Edition von Guillaumin inzwischen auch ein Entstehungszeitraum unter Diocletian in Erwägung gezogen wird.195 In jedem Fall scheint sein Werk, das inhaltlich zu den stringentesten des Corpus Agrimensorum Romanorum gehört, den Prinzipien der gromatici veteres verpflichtet gewesen zu sein.196 Allem Anschein nach war auch dieser Autor selbst praktizierender Landvermesser, der zum einen großen Wert auf Autopsie legt, zum anderen aber auch zur Einhaltung lokal bereits etablierter Praktiken rät.197 Im Zuge seiner Ausführungen zu verschiedenen Rechtskategorien von Land widmet er sich ausführlich der Festlegung von Grenzverläufen und den dabei zu beachtenden natürlichen Gegebenheiten des Territoriums, darunter auch Wasserläufe und größere Flüsse. Flüsse stehen zudem in der kurzen Schrift Fluminis varatio des Marcus Iunius Nipsus, alternativ Nypsus, im Mittelpunkt.198 Darin wird geschildert, wie die Breite eines Flusses technisch korrekt zu ermitteln ist, ohne dazu das Bett queren zu müssen. Gemeinhin wird die Schrift wie der Großteil der im Feldmesserkorpus enthaltenen Werke ins 2. Jahrhundert n. Chr. datiert. Daneben erwähnt auch Balbus kurz die Ermittlung von Flussbreiten ohne die Notwendigkeit, die Uferseite zu wechseln. Sein Werk ist als Epistel verfasst, gerichtet an einen gewissen Celsus.199 Die Datierung fällt schwer, doch verweist der Autor auf Feldzüge des aktuellen Prinzeps nach Dakien. Diese verweisen entweder auf Domitian oder Trajan, womit das Werk ins späte 1. oder frühe 2. Jahrhundert n. Chr. zu datieren ist. Der Liber coloniarum schließlich enthält im Wesentlichen eine listenähnliche Aufstellung italischer Gemeinden, deren Ursprung offenbar auf Augustus zurückgeht

spätestens im 2. oder 3. Jahrhundert verfasst worden ist; Hermon 2017: 74 die gemeinsam mit Guillaumin 2005: 61–68 davon ausgeht, dass der Autor ein Zeitgenosse des Vespasian war. 195 Zur Datierung ins 2. Jahrhundert s. Campbell 1996: 78; Campbell 2000: xxxvii; für einer Datierung in die Zeit Diocletians s. Guillaumin 2010: iv, 59. 196 Zu Stringenz, Aufbau und Inhalt ausführlich Campbell 2000: xxxvii–xxxviii; zur inhaltlichen Zuordnung zu den älteren Gromatikern s. Hermon 2017: 75. 197 Für alle genannten Aspekte s. Campbell 2000: xxxvii–xxxviii. 198 Neben den Editionen von Lachmann und Thulin findet sich der Text samt englischer Übersetzung, versehen mit einem philologischen Kommentar, bei Bouma 1993. Die Autorschaft des Nipsus ist allerdings zweifelhaft, da außer dem Namen keine weiteren Details zu Nipsus bekannt sind und die Zuschreibung der Texte in den Handschriften uneindeutig bleibt. Zur entsprechenden Forschungsdiskussion mit weiterführender Literatur s. ebd.: 15–17. 199 Zur Schrift des Balbus s. Campbell 2000: xxxix; Lachmann 1852: 131–136.

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und die später immer wieder ergänzt wurde.200 Der Text selbst wurde wahrscheinlich erst in der ersten Hälfte des 4. nachchristlichen Jahrhunderts kompiliert. Ein Teil des Werks ist noch jüngeren Datums und wurde möglicherweise in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts oder gar erst im 5. Jahrhundert zusammengestellt, indem gewisse Passagen zu Picenum, Apulia, Samnium und Calabria neu angeordnet wurden. In der Edition Lachmanns sind diese jüngsten Ergänzungen deshalb, abgetrennt vom Rest des Buches, mit Liber coloniarum II betitelt.201 Beide Bücher enthalten Informationen über die Art der Landeinteilung in den jeweiligen Regionen, deren Rechtsstatus und deren Ausdehnung. Insbesondere das Festlegen von Grenzen sowie deren Markierung vor Ort sind darin ausführlich beschrieben. Zwar enthalten die Charakterisierungen der einzelnen Gemeinden keine Angaben über die historische Entwicklung des jeweiligen Vermessungsnetzes, doch stellen die beiden Libri coloniarum eine gute Quelle für die Praktiken der römischen Landvermessung in Abhängigkeit vom konkreten Naturraum dar, insbesondere für die Zeit zwischen der ausgehenden Republik und dem 2. nachchristlichen Jahrhundert.202 Die Schriften der Gromatiker, die im Corpus Agrimensorum Romanorum zusammengefasst sind, wurden wie gesehen offenbar zum Teil von Personen verfasst, die auch mit der praktischen Vermessungsarbeit im Feld vertraut waren. Teils wurden sie gar mit dem erklärten Zweck der Ausbildung neuer Landvermesser verfasst, sofern man diesen Äußerungen Glauben schenken darf.203 Insgesamt stehen in den Traktaten überwiegend 1. bodenrechtlichen Fragen sowie 2. Aspekte der technisch korrekten Ausführung von Vermessungsarbeiten mithilfe verschiedener Instrumente und Methoden im Vordergrund.204 Deshalb stellen die Feldmesserschriften eine wichtige 200 Zum Liber coloniarum s. Campbell 2000: xl–xliv; Campbell 1996: 95; Mommsen 1852; Pais 1923. In der handschriftlichen Überlieferung ist es überschrieben mit INCIPIT LIBER AVGVSTI CAESARIS ET NERONIS (Manuskript A 82), daher der vermutete Ursprung im frühen Prinzipat. Die im Text wiedergegebene Aufteilung der italischen Territorien entspricht in ihren Grundzügen am ehesten der des früheren 4. Jahrhunderts n. Chr., sodass die Kompilation wohl in jener Zeit erfolgt ist. 201 L 252 mit Erläuterungen dazu bei Mommsen 1852. 202 So die Einschätzung Campbells (Campbell 2000: xli), da die ältesten darin aufgeführten Gemeinden gracchischen Ursprungs sind und es sich bei den beschriebenen Koloniegründungen häufig um Veteranensiedlungen handelt, die zwischen dem frühen 1. Jh. v. Chr. und dem 2. Jh. n. Chr. angelegt wurden (dazu s. ebd.: xliii). 203 Zur Möglichkeit, dass zumindest ein Teil der Feldmesserschriften in erster Linie zur Aus- und Weiterbildung angehender Feldmesser in bodenrechtlichen Fragen dienen sollte s. Classen 1994; Fögen 2013: 218 f.; Fuhrmann 1960: 181; Behrends 2006: 202 f. (speziell zum Werk des Frontinus). 204 Classen 1994: 168 f. zieht auf der Grundlage dieser thematischen Zweiteilung in Erwägung, dass es eine Zweiteilung des römischen Vermessungspersonals gegeben habe: Eine schreibende Elite, bestehend aus jungen Rittern, habe sich eher juristischen Aspekten und der bodenrechtlichen Ausbildung zugewandt, während die eigentlichen Praktiker eher technisch im Feld angelernt worden seien. Die praktische Ausbildung des Vermessungspersonals, das zudem weder der Aristokratie noch zwingend den Freigeborenen angehört haben muss, sei nicht literarisch überliefert wor-

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Ergänzung zu den römischen Rechtskorpora dar,205 zumal sie als praxisnahe Texte noch näher an den eigentlichen Ort des Geschehens (antike Flusslandschaften) heranreichen.206 Die zeitliche Streuung der Schriften kann zudem dabei helfen, Veränderungsprozesse offenzulegen. Außerdem enthalten die Texte mehrere explizite Verweise auf regionale Unterschiede in Hydrologie und Topographie, sodass sie für die hier verfolgte Fragestellung wichtige Informationen liefern. Ebenso lässt sich aus ihnen einiges über das damalige Wissen zur Entstehung der unterschiedlichen Typen von Flusshochwassern erfahren. Zu beachten ist freilich, dass manche Texte oder zumindest Textpassagen im Corpus Agrimensorum Romanorum die für antike Fachtexte typischen Merkmale der Selbstinszenierung des eigenen Fachgebiets aufweisen, obgleich in wenig ausgeprägter Form207 – der Text des Hyginus 2 enthält sogar kurze Zitate aus bekannten dichteri-

den (vgl. Behrends 2006: 204 f. zur überwiegend mündlichen Ausbildung). Die Schriften aus dem Feldmesserkorpus seien nur deshalb überliefert worden, weil sie mit den Arbeiten des Frontinus überliefert worden seien; dazu s. weiter oben Fn. 173. Ähnlich argumentiert Meissner 1999: 255, der technische Anweisungen zur Handhabung der Messgeräte und zur konkreten Durchführung eines Vermessungsprozesses in den Feldmesserschriften gar gänzlich vermisst und daher von einer hauptsächlich juristischen Anleitung ausgeht, die dem mit Bodenrecht betrauten Verwaltungspersonal in Form dieser Schriften an die Hand gegeben werden sollte. 205 Der Beruf der Feldmesser war von Beginn der Republik an von dem der Juristen abhängig, bzw. hatte er sich an den juristischen Vorgaben zu Grundbesitz und Bodenrecht zu orientieren, da beide Dienste direkt dem römischen Gemeinwesen zugutekamen und deshalb von Staats wegen systematisch gefördert wurden; s. Fuhrmann 1960: 181 f., § 6; Behrends 2006: 205. Zu den juristischen Kenntnissen der Feldmesser, vor allem in ihrer Rolle als Experten in Rechtsprozessen zum Bodenrecht s. Maganzani 2012; auch Dilke 1967: 10; Meissner 1999: 255. 206 So schätzt Campbell 2000: lvi die Feldmesserschriften folgendermaßen ein: „The writings of surveyors in the Corpus in my view contain assembled lore of earlier surveyors, and represent the opinion of an increasingly professional group outside the upper classes and free from many of their prejudices. We get a fresh and vivid account of Roman aggrandizement and changes in landholding patterns, as well as examples of how Romans analysed and expounded technical material. But above all there is an exceptionally detailed description of the theory and conduct of land division set in a carefully presented historical context.“; vgl. Campbell 2006: 173 f.; ähnliche Einschätzungen teilen auch viele andere Forscher, so etwa Classen 1994: 169; Fuhrmann 1960: 181; Behrends 2006: v. a. 202–204 (zum Werk des Frontinus einschließlich des Commentum und der daran orientierten Schrift des Agennius Urbicus). Allgemein zur praktischen Seite der Landvermessungstätigkeit im Kontext von Flusslandschaften s. auch Campbell 2010: 318; Campbell 2006: 175; Castillo Pascual 2012: 2 f. 207 Der Topos des umfassend gebildeten Intellektuellen, wie ihn ähnlich schon Vitruv für sein Architekturtraktat zeichnet (dazu s. Meissner 2003: 162–165 sowie weiter oben in Fn. 159), wird in ähnlicher Weise auf die Figur des Feldmessers übertragen, so z. B. Agennius Urbicus, C 20,25–37 = L 63,27–64,15 = T 24,17–25,7 (Rechtslehre) und C 22,4–14 = L 64,24–65,12 = T 25,15–26,2 (Geometrie); zum Ideal der umfassenden Ausbildung des Feldmessers s. Fögen 2013: 228–231; Dilke 1971: 63. Die für die antiken Schriften so wichtigen praefationes, in denen die Autoren sich selbst und ihr Wissen in Szene setzen konnten, fehlt allerdings in fast allen überlieferten Feldmesserschriften gänzlich; s. Fögen 2013: 234.

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schen Werken, was auf einen höheren Bildungsgrad des Autors schließen lässt.208 Deshalb steht außer Frage, dass auch diese technisch orientierten, geodätischen Fachtexte keine rein „neutral[en]“ oder „objektiv[en]“ Texte darstellen, wie bereits Fögen betont. Auch sie können nur unter Berücksichtigung ihres konkreten kulturhistorischen, gesellschaftlichen Kontextes analysiert werden.209 Insgesamt ist festzuhalten, dass das Feldmesserkorpus qualitativ sehr heterogene Textgattungen von unterschiedlichen Autoren aus verschiedenen Epochen in sich vereint, sodass eine Gesamteinschätzung schwerfällt.210 Vieles deutet darauf hin, dass eine Praxisnähe der Autoren vorliegt, so wie die unklare Quellenlage doch sehr dafür spricht, dass die Inhalte der Texte immer wieder an die jeweils gängige Praxis angepasst oder entsprechend erweitert wurden.211 Möglicherweise wurden sie fortlaufend aktualisiert, da sie von römischem Verwaltungspersonal im Arbeitsalltag tatsächlich konsultiert wurden. Die Relevanz der Inhalte für fiskalische und administrative Zwecke liegt dabei auf der Hand. Und doch scheint es zugleich offensichtlich, dass mit dem Niederschreiben der eigenen Spezialkenntnisse auch ein gewisser Bildungsanspruch verbunden war, zumal es in der Antike keine kategorische Trennung von „hoher“ Literatur und Fachliteratur nach heutigem Verständnis gab. I.3.3 Epigraphische Quellen Für die Erforschung der antiken Technik- und Infrastrukturgeschichte ist neben den eben behandelten Fachschriften eine äußerst heterogene Reihe weiterer schriftlicher wie schriftloser Zeugnisse aufschlussreich. Darunter stellen Inschriften (und Papyri) insofern eine besondere Quellengattung dar, als sie nach Einschätzung von Anne Kolb „beschränkter“ in ihrer Aussagekraft sind als etwa archäologisch erschließbare Baureste und Bodenbefunde, da sie nur ganz punktuell konkrete Einzelmaßnahmen

208 Fögen 2013: 234–235. Für Überlegungen zu Funktion und Hintergrund der Dichterzitate (Lukan und Vergil) bei Hyginus 2 (Hyginus gromaticus) s. auch Lindermann 2018: 11 f. 209 So zieht Fögen 2013: 235 den Schluss: „Antike Fachtexte, und damit auch die Schriften römischer Landvermesser, sind vielfach keineswegs ‚neutral‘ und ‚objektiv‘, sondern enthalten Facetten, die weit über die reine Weitergabe von Sachwissen hinausreichen; der antike Diskurs über Wissen ist stets durch den gesellschaftlichen Kontext beeinflußt und findet nicht im isolierten Raum statt. In diesem Punkt unterscheiden sich antike Fachtexte nicht oder kaum von vielen anderen Formen griechischer und römischer Literatur, die ebenfalls ein tiefergehendes gesellschaftliches Programm enthalten oder diesem zumindest in einer bestimmten Form verpflichtet sind.“ 210 Zur Heterogenität der Texte als Hindernis für eine Gesamteinschätzung s. Fögen 2013: 234. 211 Ähnlich argumentiert Winiwarter 1999: 215 bezogen auf die Agrarschriften unter Verweis auf die Agrimensorentexte. Demnach müssen Ergänzungen und Veränderungen in den Landbautexten nicht zwangsläufig Schreibfehler darstellen, sondern können als Indiz für die intensive Nutzung der Schriften für praktische Zwecke verstanden werden.

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dokumentieren.212 Für eben jene Einzelfälle können sie aber durchaus recht detailreiche Informationen zu technischen Aspekten liefern, wenn im Text beispielsweise auf bautechnische Neuerungen oder zusätzliche Schutzmaßnahmen an bereits bestehenden Bauten hingewiesen wird. Wurde etwa eine Brücke während eines Hochwassers weggerissen oder der Belag einer Fernstraße beschädigt, können Inschriften, die den Wiederaufbau dokumentieren, Hinweise auf zusätzliche Substruktionen, verstärkte Schutzdämme oder andere Veränderungen enthalten.213 Konnte der Bau erst nach größeren technischen Problemen erfolgreich fertiggestellt werden, hielten die verantwortlichen Bauleiter den erzielten Erfolg oftmals auf einem prunkvoll gestalteten Inschriftenmonument fest.214 Die zugehörigen Weiheinschriften legen zudem offen, welche Personen oder Personenkreise in dem Zusammenhang jeweils welchen Gottheiten dankten, was wiederum Aufschluss über die kulturelle Einbettung der Baumaßnahmen sowie über das Selbstverständnis der Auftraggeber oder der beteiligten Bauingenieure gibt. Ebenso wird aus der Angabe der beteiligten Personen oder Personengruppen ersichtlich, durch wen und auf welcher Ebene die entsprechenden Baumaßnahmen beauftragt, durchgeführt und von wem sie finanziert wurden.215 Auch Inschriften juristischen Inhalts enthalten interessante Informationen. Ob Stadtgesetz, Grenzstein oder Katasterkarte, sie alle spiegeln verschiedene Praktiken und Normen im Umgang mit Wasserbauten, Flussgrenzen oder Ufergrundstücken wider. Grenzsteine und ähnliche Inschriften zeigen, wie innerhalb des Gebiets, wo römisches Recht geltend gemacht werden konnte, lokale Rechtsstreitigkeiten verbindlich und auf örtliche Bedürfnisse angepasst geregelt wurden.216 Daraus speiste sich wiederum die römische Rechtsprechung, die keinem festgelegten Set an Gesetzen folgte. Vielmehr glich die Ausgangslange insbesondere in der Zeit des frühen und hohen Prinzipats eher einem Flickenteppich an Präzedenzfällen, die nachfolgenden Fällen zur Orientierung und als Entscheidungsgrundlage dienten. So zeigen die Inschriften aus den Provinzen auch die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des römi212

So Kolb 2011: 32. Einen guten Überblick über dieses Forschungsfeld gibt der Artikel von Kolb bezüglich Inschriften als Quelle für antike Technikgeschichte: Kolb 2011 bzw. Kolb 2015 (aktualisiert und in englischer Sprache); zu Meilensteinen als spezielle Form von Bauinschriften s. Kolb 2004. 213 So z. B. CIL XII 107 = ILS 5868 = AE 1996, 981 = AE 2009, 803 = ILN Alpes Graiae 54; AE 1958, 269. 214 Kolb 2015: 227–231 mit entsprechenden Fallbeispielen; Kolb 2011: 33 (zur Inschrift des Vermessungsingenieurs Nonius Datus, CIL VIII 2728). Für technikgeschichtliche Hintergründe der Nonius Datus Inschrift s. Grewe 1999; zur Rolle des technisch versierten Personals am Beispiel der Inschrift des Nonius Datus s. Eck 1989: 151 f. 215 Zur Organisation und beteiligten Personen s. Kolb 2011: 34 f. 216 Vgl. Humfress 2013: 83. Zu epigraphischem Material, das Grenzstreitigkeiten im Römischen Reich dokumentiert, s. Elliott 2004; Campbell 2005, zu Quellenlage und Erkenntniswert der Inschriften v. a. 309 f. Aufgrund der Fülle an epigraphischen Publikationen zu den römischen Stadtrechten sei hier lediglich auf die kommentierte Edition der Lex Irnitana aus der Baetica mit deutscher Übersetzung verwiesen (Wolf 2011), die in Kapitel III.3.3 im Rahmen der Ufer- und Kanalverwaltung thematisiert wird.

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schen Rechtsverständnisses, bezogen auf konkrete Streitsituationen, und offenbaren seinen dialektischen Charakter.217 Zu bedenken ist an dem Punkt ohnehin, dass das römische Recht zwar zunächst einmal für römische Bürger galt und Peregrine formal davon ausgeschlossen waren, peregrini aber dennoch in allen Bereichen des Alltagslebens anzutreffen waren – auch in Kommunen römischen Rechts.218 Schematische Darstellungen kommunaler Territorien auf Katasterkarten geben schließlich Auskunft über deren bodenrechtliche Raumaufteilung und -zuweisung sowie über die Rolle, die Gewässer dabei spielten. Die meist nur fragmentarisch erhaltenen Katasterkarten können also in bestimmten Fällen in Ergänzung der Feldmesserschriften für diese Studie herangezogen werden.219 Ein weiterer Vorteil des epigraphischen Materials liegt darin, dass es auch Informationen zu sonst nicht in den Schriftquellen dokumentierten Bauprojekten liefern kann. Selbst im Falle umfassender ingenieurstechnischer Maßnahmen und langjähriger Bauzeiten kommt es vor, dass sich keine Berichte in der Historiographie oder anderen literarischen Quellen erhalten haben. Nur über die Existenz von Inschriften ist beispielsweise überhaupt bekannt, dass unter den antoninischen Kaisern ein weitläufiges Flussregulierungsprojekt im Kopaïsbecken erfolgreich durchgeführt wurde. Ohne die als Spolien verbauten Inschriften, die auf Abschriften kaiserlicher Korrespondenzen mit den Anliegergemeinden zurückgehen, hätten sich bis auf schwer datierbare archäologische Befunde keinerlei Spuren mehr von diesem Großprojekt erhalten.220 Bei in situ vorgefundenen Inschriftensteinen kann der Fundkontext hilfreich für die Interpretation sein, insbesondere dort, wo die Korrelation zwischen Baumaßnahmen oder Bautechniken und bestimmten Gewässern oder Hochwasserregimen behandelt wird. Freilich birgt die Beschäftigung mit Inschriften zur Erforschung der technischen Hochwasservorsorge auch heuristische Schwierigkeiten. So ist etwa bei in situ vorgefundenen Inschriften eine sekundäre Verwendung oder Umgestaltung, die bereits in der Antike veranlasst wurde, nicht immer auszuschließen.221 Zu bedenken ist auch,

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Zur Dialektik und zur Rolle von Präzedenzfällen im römischen Provinzialrecht s. Humfress 2013: 78–90, v. a. 80–83. 218 So musste bei Rechtsstreitigkeiten mit Peregrinen letztlich pragmatisch entschieden werden; s. Eck 2018 zur Wirksamkeit des römischen Rechts in der Interaktion mit Peregrinen. Anhand zahlreicher Einzelfälle kann Werner Eck nachweisen, dass selbst vor Inkrafttreten der Constitutio Antoniniana 212 n. Chr. auch in Kommunen ohne römischen Rechtsstatus häufig auf römische Rechtsgrundsätze zurückgegriffen wurde, sei es, dass ein entsprechendes vorrömisches Recht vor Ort inexistent war, oder dass der verantwortliche Richter am besten mit dem römischen Recht vertraut war. Eine einheitliche Regelung scheint es jedenfalls nicht gegeben zu haben; dazu s. ebd.: 771–782. 219 Zu diesem Aspekt der Katasterkarten s. Dilke 1974: 573–580 am Beispiel des Katasters von Arausio (Orange). 220 Lauffer 1985: 103; zu den Inschriften aus der Kopaïs als technikhistorische Quellen s. auch Kolb 2015: 226 f.; Kolb 2011: 35 f. 221 Kolb 2004: 149 verweist z. B. auf „Meilenstein-Wäldchen“, wo Meilensteine mit unterschiedlichen

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dass das sogenannte Phänomen des „epigraphic habit“ nicht in jeder Provinz und oft nicht einmal innerhalb einer Provinz überall gleichermaßen ausgeprägt und präsent war, sondern vielmehr unterschiedlichen lokalen oder regionalen Trends und Moden unterworfen war.222 Außerdem erschweren Überlieferungszufälle die Empirie.223 In den überlieferten Texten selbst ist zudem mit Übertreibungen zu rechnen, beispielsweise zugunsten der geehrten oder stiftenden Person, zumal der Verweis auf technische Kompetenz, Bauerfolg und Fachwissen auch als Mittel der Selbstdarstellung diente.224 Ob das geschilderte Flutereignis letztlich nicht eher als vorgeschobener Grund für eine ohnehin längst überfällige Reparaturarbeit genannt wird, oder ob es drastischer geschildert wird als es dem realen Ereignis entsprochen hätte – all das lässt sich nicht mehr nachprüfen, sodass die Inschriftentexte nur eingeschränkt als Quelle für den Verlauf konkreter Flutereignisse und für darauf erfolgte Wiederaufbaumaßnahmen herangezogen werden können.225 Der Aussagewert solcher Inschriftentexte liegt also eher in ihrer Qualität als authentische Zeugnisse für die Inszenierung und Kommunikation von (vermeintlich) erfolgreichen Bauprojekten. I.3.4 Archäologisches Material und geowissenschaftliche Studien Die archäologischen Zeugnisse zum Forschungsthema sind von sehr unterschiedlicher Art. Zum einen können figürliche und bildliche Darstellungen von Flüssen oder Flussgottheiten als Statuen, auf Reliefs, auf Münzbildern oder Mosaiken etwas darüber aussagen, wie ein Fluss in seiner Landschaft wahrgenommen wurde und auf welche Art und Weise man ihm Respekt zollte. Zum anderen sind auf den bildlichen Darstellungen in manchen Fällen bauliche Merkmale von Hafenanlagen oder anderen Wasserbauten auszumachen, wobei eine vermeintliche Detailtreue hier freilich nicht über den repräsentativen und dekorativen Charakter des Materials hinwegtäu-

Entfernungsangaben nach ihrer Erstaufstellung zu einem späteren Zeitpunkt an einem Ort zentral zusammengetragen und neu angeordnet worden sein müssen. 222 Zum „epigraphic habit“ s. MacMullen 1982. So müssen Häufungen eines bestimmten Inschriftentyps, beispielsweise euergetische Inschriften an Repräsentationsbauten, nicht zwangsläufig eine tatsächliche Häufung derartiger Praktiken im zeitgenössischen Alltag abbilden; vgl. Eck 1997; Scheidel 1991. 223 Kolb 2004: 141 bezüglich der Fundverteilung und -anzahl von Meilensteinen im interprovinziellen Vergleich. 224 Speziell zu diesem Aspekt s. Kolb 2011: 33 f.; vgl. Kolb 2015: 227–231. 225 Ähnliches gibt Waldherr 2007: 17 zu bedenken, wo er sich mit der Quellenproblematik von epigraphischem Material zur Aufarbeitung antiker Erdbebenereignisse auseinandersetzt. Außerdem sei auch der zeitliche Abstand zwischen Schadensereignis und Wiederaufbau nicht allein aus den Inschriftentexten heraus zu erschließen. Eine direkte Ursache-Wirkung-Abfolge sei daher trotz expliziter Behauptung nicht in jedem Fall anzunehmen.

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schen darf.226 Darstellungen von Schiffern und Treidlern etwa geben Auskunft über die Nutzung von Flüssen und Uferbereichen. Daraus lassen sich wiederum Schlüsse über die Voraussetzungen ziehen, die eine solche Nutzung erforderte, ebenso wie über die Implikationen, die diese Nutzung mit sich brachte. Die Darstellungen lassen sich ihrerseits mit archäologischen Bodenbefunden und baulichen Resten in Flüssen und Uferbereichen sowie mit literarischen und juristischen Quellen kombinieren.227 Des Weiteren legen architektonische Reste von Wasserbauten den jeweiligen Stand des technischen Wissens und Könnens offen und lassen Schlüsse darüber zu, welche Arten von Hochwasser am konkreten Aufstellungsort bekämpft werden sollten.228 Unter besonderen Fundumständen, die vor allem im klimatisch feuchteren mittel- und nordeuropäischen Raum vorherrschen, haben sich neben den steinernen Strukturen gar Baureste aus organischem Material erhalten, darunter insbesondere hölzerne Strukturen, die häufig von Bohlenwegen und Brücken aus römischen Kontexten herrühren.229 Landschafts- und siedlungsarchäologische Studien liefern Informationen darüber, inwieweit bei der Stadtplanung Fließgewässer und Flutrisiken bedacht wurden, wie sich in Korrespondenz mit dem Fluss etwa bestimmte Siedlungskerne sukzessive verlagerten, oder wie sich zum Beispiel die Wechselwirkung von Landnutzung und Vegetation über die Zeiten hinweg veränderte.230 In jüngerer Zeit wird selbst in der archäologischen Forschung zu römischen Städten verstärkt die Präsenz von Wasser und Feuchtgebieten untersucht, was vorher überwiegend in der auf den ländlichen Raum spezialisierten Landschaftsarchäologie thematisiert wurde.231 Darüber hinaus konnten 226 Zur Analyse von Münzbildern s. etwa Nollé 2011 (Brückenbauten); Kowalewski 2013 (Anlagen zur Wasserversorgung und -entsorgung); Fodorean 2011 (Brücken in Dacia auf Münzen, Reliefs der Trajanssäule und auf historischen Karten); Thonemann 2011: 31–49 (Fluss Mäander sowie stilisierte Mäandermuster auf Münzbildern aus der Mäander-Region); zur Repräsentation und (künstlerischen) Darstellung von Flüssen in unterschiedlichen Quellen s. Dan 2018; Campbell 2012: 150–159; zum Nilmosaik von Praeneste s. neben vielen anderen Publikationen etwa Jones 2005: 101–104. 227 Zu Potentialen und Herausforderungen der Flussarchäologie s. Bonnamour/Wirth 2001. 228 So die Überlegungen von Allinne et al. 2012: 71. 229 Ein archäologisches Kompendium zum römischen Holzbau hat Huther 2014b (Band 2) vorgelegt, ausgehend von den Holzfunden aus dem Beneficiarier-Weihebezirk von Osterburken am obergermanisch-raetischen Limes. 230 Für einen Überblick über historisch-siedlungsgeographische Ansätze in der Erforschung räumlicher Prozesse und deren Interdependenzen s. beispielsweise Denecke 2005. Eine Einführung in die Landschaftsarchäologie, die sich mit der Erforschung der Kulturlandschaftsgenese beschäftigt, gibt Haupt 2012. Einen Einblick in die interdisziplinäre Erforschung antiker mediterraner und nahöstlicher Landschaften geben auch die Beiträge im Sammelband von Bart Ooghe und Geert Verhoeven (Ooghe/Verhoeven 2007), worin die knappe Einführung (Wilkinson 2007) sowohl neuere Forschungstrends als auch die wichtigsten Vorarbeiten mit entsprechenden Literaturangaben kurz vorstellt. 231 Zur Hinwendung der auf urbanisierte Räume konzentrierten Archäologie zu Fragen der Integration von Gewässern und Feuchtgebieten in das Siedlungsbild s. Rogers 2012 mit weiterführender Literatur; auch Rogers 2013; Rogers 2020 für exemplarische Studien zum Thema mit Fokus auf das römische Britannien; ähnlich Ingate 2020.

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auf der Grundlage von Luftbildern und historischen Karten inzwischen mancherorts Vermessungsnetze römischen Ursprungs ausgemacht werden, die sich in konkreten Fällen mit den Aussagen aus den Feldmessertexten sowie mit Darstellungen auf antiken Katasterfragmenten oder mit Grenz- und Meilensteinen in Verbindung bringen lassen.232 So finden sich natürliche Prozesse, geographische Gegebenheiten einer Landschaft und menschliche Aktivitäten derart miteinander verwoben, dass für die umfassende Erforschung von Kulturlandschaften die Geoarchäologie inzwischen als unabdingbar gilt.233 Vor allem bei der Frage nach antiken Küstenverläufen und nach Flussverlagerungen oder Deltavorbau über lange Zeiträume hinweg können geomorphologische Modellierungen aufschlussreich sein. Die Modellierungen historischer Landschaften stützen sich dabei zum einen auf die Beobachtungen aus Erd- und Gesteinsbohrproben, zum anderen auf Befunde aus der klassischen Archäologie und auf Quellenaussagen antiker Texte. Diese Zusammenschau erlaubt es, Siedlungsmuster sowie Formen der Landnutzung und des Flächenmanagements direkt mit den landschaftlichen Veränderungen um historische Siedlungsplätze herum zueinander in Beziehung zu setzen. Dadurch wird vor allem auch die Identifizierung der einzelnen Einflussfaktoren, die zu den Landschaftsveränderungen führten, leichter möglich, zumal sie sich dadurch zum Teil noch präziser datieren lassen.234

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Dazu s. Campbell 2000: liv–lxi, v. a. ab lvii. Für eine ältere Zusammenfassung bezüglich der Möglichkeiten, die die Epigraphik gemeinsam mit der (Luftbild-)Archäologie dem intensiveren Studium der römischen Feldmesseraktivitäten bietet, findet sich bei Dilke 1974 mit einer Literaturliste, insbesondere zu einzelnen nachgewiesenen Katastern, die freilich nur bis in die 1970er Jahre hineinreicht. Die diesbezügliche Literaturliste könnte heute gehörig erweitert werden, doch wird auf der Grundlage dieser Arbeiten erst seit jüngerer Zeit systematisch die Entwicklung und Genese der römischen Landvermessung im Feld erforscht, so z. B. in der Publikation von Ariño Gil et al. 2004 speziell zu den Spuren römischer Landvermessung in Hispanien, um hier nur ein Beispiel zu nennen. Auf dieses Forschungsdesiderat konnte daher noch Horster 2003: 191 zu Recht aufmerksam machen, wobei ihr Fokus an der Stelle primär auf der Erforschung der Autorenschaft und den Arbeitsverhältnissen der Landvermesser liegt. Über zehn Jahre später fasst Pasquinucci 2014: 1288 f. (mit weiterführender Literatur) in einem Ausblick nochmals die einzelnen Aspekte dieses Desiderats zusammen. 233 So bei Wilkonson 2007: 2. Zur Geoarchäologie allgemein s. Pollard 1999 mit einer Darstellung der wichtigsten Vorarbeiten und Entwicklungen des Feldes, zumal die Disziplin als solche zwar noch recht jung ist, aber die Zusammenarbeit zwischen geowissenschaftlichen Landschaftsstudien und der klassischen Archäologie auf eine lange Tradition zurückblicken kann, die bereits im 19. Jahrhundert beginnt. Etwas aktueller und mit speziellem Fokus auf die klassische Antike auch Brückner/Vött 2008. Welchen Nutzen ein interdisziplinärer Ansatz in der Landschaftsarchäologie haben kann, führt John Bintliff in einer Langzeitstudie exemplarisch vor, in welcher er landschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen im Mittelmeerraum von der Bronzezeit bis zur Spätantike miteinander in Beziehung zu setzen versucht (Bintliff 2012). Die Möglichkeiten, die geo-/naturwissenschaftliche Studien für die Erforschung umweltgeschichtlicher Aspekte der klassischen Antike bieten können, fasst bereits Hughes 1994: 6 f. kurz zusammen. 234 Dieser Methode bedient sich z. B. González Acuña 2011 in seiner Studie zur Genese des antiken Siedlungsplatzes Hispalis (heute Sevilla); seine Einschätzung zum Potential der geoarchäologischen Analyse formuliert er ebd.: 31.

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I.3.5 Allgemeine Bemerkungen zum Quellenmaterial Die grundsätzliche Schwierigkeit bei der Erforschung von konkreten, alltäglichen Praktiken im Umgang mit Flüssen und somit auch mit Flusshochwasser ist deren vergänglicher Charakter. Francisco Beltrán Lloris weist bereits in seiner Studie zu römischen Bewässerungspraktiken im ländlichen Raum darauf hin, dass die ephemere Natur der damit in Verbindung stehenden Strukturen – so etwa Erdgräben oder Sperrvorrichtungen aus leicht vergänglichem Material wie Holz und Geröll – es nahezu unmöglich mache, sie nach so langer Zeit zweifelsfrei zu identifizieren oder sie überhaupt zu entdecken.235 Hinzu kommt, dass im Zuge des Gewässerausbaus und der umfassenden Flusskorrektionen im 19. und 20. Jahrhundert an den meisten größeren Flüssen die letzten archäologischen Spuren früherer Strukturen entfernt wurden. Die kontinuierliche Nutzung von Flüssen von der Antike bis in die heutige Zeit sowie die natürliche Flussdynamik taten dabei ihr Übriges.236 Ähnliches gilt für römische Baudenkmäler wie Wasserbauanlagen oder Brücken, die bis in die jüngere Vergangenheit hinein noch in Gebrauch waren, bevor sie modernen Strukturen endgültig weichen mussten. Umgekehrt wird aber so manche Anlage römischen Ursprungs auch noch weiterhin genutzt, was letztlich zu ihrem Erhalt beigetragen hat.237 Wasserbauten sind häufig multifunktional, dienten also mehreren Zwecken gleichzeitig.238 Ihre eindeutige Klassifizierung hängt somit nicht zuletzt von der Existenz schriftlicher Quellen ab, die explizit auf die Hochwasserschutzfunktion aufmerksam machen: Läge zum Beispiel zu den Hafenkanälen des claudischen und des trajanischen Hafens in Ostia nicht auch Inschriftenmaterial aus der Bauzeit sowie anderes, zeitnah entstandenes Schriftquellenmaterial vor, wäre ihre beabsichtigte Hochwas-

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Beltrán Llóris 2014: 121–123, v. a. 123. Hilfreich bei der Identifizierung künstlicher Aufschüttungen und ähnlicher Baumaßnahmen ist die Beschaffenheit und Herkunft des Materials, das in solchen Zusammenhängen aufgefunden wird. Kommen etwa größere Steine in einer bestimmten Gegend natürlicherweise nicht vor, müssen sie absichtlich durch menschliches Zutun dort deponiert worden sein; für ein Beispiel s. etwa Knauss 1985: 45. 236 Zu allen drei Aspekten – Gewässerausbau, kontinuierliche Nutzung und Flussdynamik – s. Bonnamour/Wirth 2001 samt Darlegung verschiedener Beispiele entlang der Saône. 237 So befinden sich beispielsweise die römischen Wasserbauten von Mérida (Augusta Emerita), sowohl die Stauseen als auch die Brücken, noch immer in Nutzung; zur Römerbrücke über den Guadiana s. Álvarez Martínez 1983: 29–74; Rodríguez Martín 2004 und in Kapitel III.3.2; zur römischen Brücke über den Albarregas in Méridas s. Álvarez Martínez 1983: 75–82; zu den Stauseen römischen Ursprungs um Mérida s. Álvarez Martínez 1977 (speziell zum Proserpina-Damm); Hodge 1992: 89 f.; Schnitter 1978: 28 f.; Aranda Gutiérrez et al. 2003. Ein weiteres Beispiel für die Weiternutzung antiker, teils bronzezeitlicher Wasserbauten ist etwa die künstliche Flussumleitung des Flusses Lakissa im Kopaïsbecken bei der Stadt Nauplia, die auf spätmykenische Ursprünge zurückgeht; dazu s. Knauss 1985: 61. 238 Die Interpretation wird zusätzlich noch dadurch erschwert, dass z. B. die Zweckbestimmung von Talsperren und Staudämmen nicht zwangsläufig an ihrer Bauweise abzulesen ist; dazu s. Schnitter 1978: 25.

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serentlastungsfunktion heute völlig unbekannt.239 In den später entstandenen historiographischen Quellen werden nur noch der langfristige wirtschaftliche Nutzen und der repräsentative Zweck als Motivation für den Bau der Hafenanlagen genannt.240 Bauinschriften dienten jedoch auch zur Legitimation für die Struktur selbst sowie als Medium zur Selbstinszenierung. Vor diesem Hintergrund wäre es grundsätzlich denkbar, dass die Funktion der Hochwasserentlastung, die dem trajanischen Hafenkanal (fossa Traiana) in den zeitgenössischen Texten zugeschrieben wird, erst während oder kurz nach dessen Fertigstellung zusätzlich zugeschrieben wurde – anlässlich des in Plinius’ Brief geschilderten Hochwasserereignisses. Über die knappen Angaben in Bauinschriften oder literarischen Texten hinaus ist wenig Konkretes über die tatsächlichen Planungsprozesse und den Verlauf der Bauarbeiten bei Bauprojekten zu erfahren. So sind etwa nur sehr vereinzelt antike Baupläne oder -zeichnungen überliefert,241 wobei ein möglicher Votivcharakter bei einigen Exemplaren nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.242 Sie wurden in der Regel vermutlich auf vergänglichem Material angefertigt. Immerhin finden sich auf Grabreliefs hin und wieder Darstellungen von Werkzeugen und Zeichenmaterial.243 Für die praktische Ebene der antiken Technik, hier also die verschiedenen Zweige des Vermessungs- und Bauhandwerks, ist außerdem von einer weitgehend nicht-literarischen, mündlichen Weitergabe des handwerklichen Spezialwissens auszugehen.244 Bei politisch relevantem technischen Wissen mögen schließlich noch Tendenzen zur Geheimhaltung eine Rolle gespielt haben, sodass manches Technikwissen unter Verschluss oder undokumentiert blieb und deshalb nicht überliefert ist.245 Trotz der eben aufgezeigten Schwierigkeiten offenbart sich im vorgestellten Quellenmaterial zugleich dessen Potential für den vorliegenden Forschungsgegenstand

239 CIL XIV 85 = ILS 207 (Claudiushafen); CIL VI 964 = CIL VI p. 3070 = CIL VI p. 4311 = CIL XIV 88 = ILS 5797a = AE 2002, 279 (Trajanshafen). Zur entlastenden Funktion des Kanals im Trajanshafen bei Hochwasser zeugt auch ein zeitgenössischer Brief, der ein verheerendes Tiberhochwasser sehr bildhaft und in möglichst drastischem Ton zu schildern sucht: Plin. epist. 8,17,2; zur Quellendiskussion rund um die vermeintliche Flutschutzfunktion s. ausführlich im entsprechenden Kapitel III.2.1 weiter unten. 240 Cass. Dio 60,11,1–5 (Claudiushafen); Plin. paneg. 29,1–2 (u. a. Trajanshafen). 241 An den Bauten selbst finden sich im seltensten Falle noch Markierungen aus der Bauzeit, technische Zeichnungen oder Grundrisspläne. Einige wurden von Joachim P. Heisel aufgenommen und kommentiert (Heisel 1993; Heisel 1989); dazu s. die berechtigt kritischen Anmerkungen zu Heisels Monographie (Heisel 1993) in der Rezension von Knell 1995. 242 Knell 1995: 710. 243 Beispiele finden sich etwa bei Kolb/Fugmann 2008: 156 f. 244 Zur Rolle der mündlichen Wissensvermittlung in der antiken Ausbildung im Handwerk sowie zu ihrem Verhältnis gegenüber schriftlichen Unterweisungen in Fachtexten s. Meissner 2003; speziell zur praktischen Unterweisung des Vermessungspersonals s. Behrends 2006: 204 f.; Classen 1994: 168 f. (beide beziehen sich an der Stelle v. a. auf die Verhältnisse zur republikanischen Zeit). 245 So die Vermutung von Russo 2005: 157.

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und -ansatz, insbesondere im Vergleich zur Quellenlage für die Erforschung von Katastrophenereignissen. In Bezug auf Katastrophen konnte Waldherr am Beispiel von Erdbeben in der Antike drei hauptsächliche Problemfelder identifizieren:246 1. fehlende Autopsie der Quellenautoren / deskriptive Sekundärquellen mit Hinzudichtungen 2. übergeordnete Intentionen der Schriftwerke, denen die Schilderung der konkreten Ereignisse angepasst und untergeordnet wird 3. Korrelation der literarisch überlieferten Bebenereignisse mit archäologisch nachgewiesenen Zerstörungshorizonten, z. B. zu Datierungszwecken. Mit Blick auf die sogenannten „harten Fakten“ wie Eintrittszeitpunkt, Dauer, Ausmaß oder Quantifizierbarkeit der materiellen Schäden und der Todesopfer, woraufhin die antiken Quellen laut Waldherr in der historischen Katastrophenforschung oftmals durchsucht würden, sind die genannten drei Problemfelder tatsächlich relevant. In der vorliegenden Studie sind die harten Fakten hingegen weniger bedeutsam, da Schadensereignisse hier nicht im Mittelpunkt stehen.247 Ebenso wenig bedeutsam ist es, bauliche Reste, etwa von Hochwasserschutzanlagen, direkt mit einem konkreten, schriftlich überlieferten und exakt datierten Hochwasserereignis in Verbindung zu bringen. Weitaus zielführender für diese Studie ist es, Bauinschriften auf ihren Informationsgehalt bezüglich der natürlichen Auslöser des Hochwassers (Starkregen? Schneeschmelze?) zu untersuchen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das erwähnte Hochwasser tatsächlich den Anlass für den Bau lieferte.248 Vielmehr ist anzunehmen, dass die genannten Auslöser als typisch für die entsprechende Region angesehen wurden. Und Hochwasserregime konnten von Region zu Region sehr unterschiedlich sein, was aus den Inschriften auch durchaus ersichtlich ist.249 Mehr noch als ihre präzise Datierung ist deshalb der geographische Fundort der Inschriftensteine von Belang, bei in situ vorgefundenen Steinen auch der topographische.250 Literarische Flutbeschreibungen können ihrerseits von politischen Ideologien und poetischen Ausschmückungen durchsetzt oder auch von bestimmten philosophischen 246 Waldherr 2007; explizit die drei hauptsächlichen Schwierigkeiten ausformulierend v. a. ebd.: 17 f. 247 Zu den „harten Fakten“, denen in der heutigen Berichterstattung die meiste Aufmerksamkeit zukommt und die in den antiken Quellen jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen, s. Waldherr 2007: allgemein 16 f., mit Beispielen versehen 18–21. 248 Vgl. Waldherr 2007: 20, für den diese Information im Zusammenhang mit konkreten Bebenereignissen freilich eine gewisse Relevanz besitzt. Zu den einzelnen Kritikpunkten bezüglich der Behandlung antiken Quellenmaterials unter Gesichtspunkten der modernen Katastrophenforschung s. auch Borsch 2018: 3–14, v. a. 6–9 mit entsprechenden Literaturverweisen. 249 Zu den unterschiedlichen Einflussfaktoren auf die antiken Flussregime s. Heide 1997: 9 f.; zum epigraphischen Material ausführlich in Kapitel II.3.2. 250 Auf entsprechende Schwierigkeiten bezüglich der „Quellensuche“ für die Erforschung historischer Katastrophenereignisse weist epochenübergreifend auch Heymann 2014: 62 hin.

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Lehren beeinflusst sein,251 doch geben sie gerade dadurch den Blick frei auf grundsätzliche, wiederkehrende Muster der Hochwasser in bestimmten Gegenden, die sich davon unabhängig auch an Siedlungsmustern und Bauweisen – beispielsweise an Brückenbauten – beobachten lassen. Außerdem können die archäologischen Befunde für sich genommen gewisse Kenntnisse der antiken Stadt- und Bauplaner über die örtlich vorherrschenden hydrologischen Verhältnisse offenbaren, die sich beispielsweise aus dem gewählten Bautyp sowie aus der Auswahl des Baumaterials erschließen lassen. Die technischen Schriften der Juristen und Feldmesser weisen zumeist eine hohe Praxisnähe auf und setzen sich daher auch direkter mit praktischen Belangen aus dem Verwaltungsalltag auseinander. Zwar können in Einzelfällen literarische Überformungen in den Traktaten der Feldmesser auftreten, doch überwiegt ihr Charakter als Orientierungs- und Lehrwerk. Die meisten Autoren berichten zudem aus eigener Erfahrung und Autopsie. Insgesamt hebt die Heterogenität des Quellenmaterials die Problematik bei der Analyse der einzelnen Quellengattungen zwar nicht auf, kann dafür aber in der Zusammenschau grundsätzliche Tendenzen, Topoi und Merkmale aufdecken. Dies können zum Beispiel allgemein verbreitete Wissensbestände über Flutursachen und Flutverläufe sein, oder auch bestimmte Praktiken der Vorsorge, die sich in unterschiedlichen Quellenarten gleichermaßen nachweisen lassen. Erleichtert wird dies eben dadurch, dass es nicht auf (meist schwer datierbare) Einzelereignisse ankommt,252 sondern der Umgang mit Hochwasser vielmehr aus dem langfristigen Umgang mit Flüssen erschlossen werden soll. Dazu liegt nicht nur quantitativ mehr Quellenmaterial vor als für einzelne Flutereignisse, welches ohnehin überwiegend auf die Stadt Rom beschränkt ist. Vielmehr eröffnet die Quellenvielfalt auch qualitativ einen breiteren Einblick in die Einbindung von Flutrisiken in solch alltägliche Aktivitäten wie die Flussschifffahrt, den Straßenbau, die Landzuweisung oder die Kultivierung von Feuchtgebieten und Uferstreifen.

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Dies gilt in selbem Maße für die literarische Beschreibung öffentlicher Bauten, deren Monumentalität und Nutzen häufig besonders herausgestellt und in dem Zuge deutlich überbetont wird, zumal die literarische Produktion wie Rezeption sich weitgehend auf Angehörige der politischen und sozialen Eliten beschränkte; dazu s. Schmitzer 2016: 10–15, der für einen weniger geschönten Blick auf das antike Rom insbesondere satirische Texte untersucht. 252 Vgl. Waldherr 2007: 18 zur Zufälligkeit und Eklektik der antiken Bebenberichte, die eine lückenlose Aufstellung von Erdbebenereignissen sowie eine absolute Datierbarkeit nahezu unmöglich machen.

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I.4 Charakteristika von Flusshochwassern im antiken Mittelmeerraum Saisonale Hochwasser sind ein integraler Bestandteil des natürlichen Wasserkreislaufs: Der Wasserstand und das Fließverhalten von Bächen und Flüssen verändern sich in Abhängigkeit von der Jahreszeit.253 Jeder Wasserlauf folgt seinem individuellen Regime, das sich kleinteilig aus den jeweils örtlichen Gegebenheiten entlang seines Laufes (Orographie, Klima) zusammensetzt. Bei größeren Strömen hängt das Wasserregime von den Regimen der einzelnen Zuflüsse ab.254 Die örtlichen Einflussfaktoren, die sich auf das Wasserregime auswirken, variieren auch zeitlich mehr oder weniger stark: Insbesondere das Klima hat sich in der Antike mehrfach verändert. Gerade während der Blütezeit des Römischen Reichs war der Mittelmeerraum von einer besonders milden Klimaperiode geprägt, die auch als das ‚römische Klimaoptimum‘ (engl. ‚Roman Climate Optimum‘) bezeichnet wird. Es wird grob auf den Zeitraum von der mittleren Republik bis zum beginnenden dritten nachchristlichen Jahrhundert datiert.255 Die heute im Mittelmeerraum vorherrschenden Hochwasserregime lassen sich daher nicht uneingeschränkt auf die Antike übertragen, obwohl deren grundlegenden Charakteristika damals bereits vorhanden waren.256 Für die Periode kurz vor der Zeitenwende mag Anja Heide gar von Witterungstypen sprechen, die mit denen in Mitteleuropa nahezu vergleichbar gewesen seien: Erst mit der Zeitenwende stieg die Jahresmitteltemperatur im Mittelmeerraum insgesamt stetig an.257 Speziell für den westlichen Mittelmeerraum deuten Eisbohrkerndaten aus Grönland sowie dendrochronologische Daten aus Mitteleuropa sogar darauf hin, dass das Klima in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten noch etwas wärmer war als im Jahr 2000 unse253

Die allgemeinen Ausführungen zur Flusshydrologie sind, wo nicht anders angegeben, entnommen aus Naiman et al. 2005; Herget 2012; Disse 2013; Brombach et al. 2013; speziell zum Mittelmeerraum auch aus Hughes 2005; Wagner 2011; Bolle 2003; Walsh 2013: 70–78. 254 Campbell 2012: 4; Herget 2012: 10 f. 255 Die engere Eingrenzung des Zeitraums kann nicht klar definiert werden und variiert je nach Parametern. Nach McCormick et al. 2012: 174–184 ist grob von 100 v. Chr. bis 200 n. Chr. mit einer besonderen klimatischen Stabilität zu rechnen. Heide 1997: 87 f.; 137 setzt hierfür hingegen den Zeitraum zwischen ca. 200 v. Chr. bis 300 bzw. 350 n. Chr. an. Zusammenfassend zum Römischen Klimaoptimums s. auch ebd.: 194 f., weshalb Heide kritisch anmerkt, dass die Bezeichnung dieser langen Phase als ‚Klimaoptimum‘ wenig sinnvoll erscheine. Bestenfalls könne von einer „geringfügige[n] Klimaschwankung“ ausgegangen werden (ebd.: 194). Erst mit dem fortschreitenden 3. Jahrhundert n. Chr. sind in nordafrikanischen Talsohlen der heutigen Aurès mehr Alluvionen (sedimentierte Anschwemmungen aus Geröll und Erde) festzustellen, während umgekehrt in den Jahrhunderten davor, beginnend etwa ab der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr., deutlich weniger Alluvionen auszumachen sind, Hochwasser offenbar weniger torrentiell ausfielen und der Pflanzenbewuchs dichter war; Ballais 2009: 93–95. 256 Dazu s. etwa exemplarisch Ballais 2009: 92 mit einer Nachzeichnung verschiedener klimatisch-meteorologischer Entwicklungsphasen für die Gegend der Aurès zwischen ca. 450 v. Chr. und ca. 600 n. Chr. (ebd.: 95–97). 257 Heide 1997: 137.

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rer Zeit und etwa alpine Gletscher sich damals zurückzogen.258 Gleichzeitig scheinen insbesondere in den späten Jahrzehnten der römischen Republik und zu Beginn des Prinzipats selbst im mediterranen Süden deutlich feucht-kühlere Witterungsverhältnisse vorgeherrscht zu haben als heute, sodass zum Beispiel auch in Nordafrika die Vegetationsdecke dichter war und die Böden extensiver kultiviert werden konnten als in späteren Zeiten.259 Generell verweisen verschiedene geowissenschaftliche Daten, ähnlich wie die Schriftquellen, auf eine erhöhte Flussaktivität mit ausgeprägten Hochwassern zunächst in Mittelitalien (1./2. Jahrhundert n. Chr.)260 und später vor allem im Alpenraum (ca. ab der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr.).261 Im Gegensatz zu klimatischen und landschaftlichen Langzeitentwicklungen lassen sich vereinzelte extreme Hochwasserereignisse geoarchäologisch kaum verlässlich nachweisen, doch die generellen topographischen sowie die vom Klima abhängigen meteorologischen Charakteristika des antiken Mittelmeerraums sind inzwischen einigermaßen bekannt und noch immer mehr oder weniger mit den heutigen Verhältnissen vergleichbar.262 Der Mittelmeerraum unterscheidet sich geographisch stark von den ihm abgewandten Gegenden jener drei Kontinente, aus denen er sich zusammensetzt: Europa im Norden, Asien im Osten und Afrika in seinem Süden.263 So hat er seine wesentlichen Charakterzüge eher dem Meer zu verdanken als den kontinentalen Landmassen, die ihn umgeben.264 Das mediterrane Klima gilt als weltweit einzigartig,265 und doch stellt der Mittelmeerraum klimatisch gesehen bei Weitem keine in sich geschlossene Einheit dar. Zwar gilt sein Klima allgemein als subtropisch-wechselfeucht, doch ist der Naturraum regional betrachtet trotz allem auffallend divers.266 Allein die Temperaturunterschiede sind je nach Ort zwischen Nordwest und Südost extrem, ebenso wie zwischen höheren und tieferen Lagen oder zwischen Küste und Inland.267 In den höchsten Alpenregionen liegt die durchschnittliche Jahrestemperatur unter dem Gefrierpunkt, während sie in den nordafrikanischen Ebenen bei 22 °C liegt mit sommerlichen Durchschnittswerten bei über 30 °C. Im trockenen Binnenland sind die jährlichen Schwankungen deutlich höher als in den Küstenregionen, wobei die Sommertemperaturen dort nochmals sehr viel stärker differieren als an denselben Orten im Winter. Überhaupt lassen sich für das mediterrane Klima im Wesentlichen 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267

McCormick et al. 2012: 175. Heide 1997: 87 f.; Ballais 2009: 94. McCormick et al. 2012: 175 mit Verweis auf die entsprechenden Daten und Quellenmaterialien. Haas 2006: 136 f.; Heide 1997: 134 f.; Wirth et al. 2013: 4027–4029; Sirocko 2010; jeweils mit weiterführender Literatur und Datensätzen. Dazu v. a. Walsh 2013: 68–118. Hughes 1994: 9; Hughes 2005: xvii–xviii. Hughes 2005: 1. Hughes 1994: 10. Wagner 2011; Lionello et al. 2012; Hughes 2005: xvii. Zu den im Folgenden geschilderten auffallend großen Temperaturunterschieden innerhalb des Mittelmeerraums s. Wagner 2011: 119–122; Bolle 2003: 9–12.

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zwei Jahreszeiten klar voneinander unterscheiden: ein von April bis Oktober währender heißer und trockener Sommer sowie ein milder, aber bisweilen regenreicher Winter mit starken Winden und Sturmböen während der restlichen Zeit des Jahres.268 Allerdings scheint der Übergang von Winter zu Sommer zumindest im ersten Jahrhundert v. Chr. noch nicht so abrupt gewesen zu sein oder wurde von den Zeitgenossen wenigstens nicht so wahrgenommen.269 Die Pegelschwankungen der Gewässer hängen im Mittelmeerraum maßgeblich vom sogenannten ‚Niederschlagsgang‘ ab. Auch die Niederschläge divergieren sowohl innerhalb des Mittelmeerraums als auch zwischen den Jahreszeiten stark.270 Die saisonalen Schwankungen rühren dabei vom Wandern des zonalen Windgürtels her, der Tiefdruckgebiete im Winter vom Westen her in den Mittelmeerraum bringt. Dadurch werden Niederschläge ausgelöst, die innerhalb des Mittelmeerraums zeitlich etwas versetzt vor allem in Herbst und Winter als Starkregen niedergehen. Beim Rückwandern der Tiefdruckgebiete gegen Ende des Winters kommt es erneut zu einer Periode mit übermäßigen Niederschlägen, die mancherorts zunächst als Schneefall auftreten und daher erst ab Einsetzen des Tauwetters für ausgeprägte Pegelanstiege sorgen. Im nördlichen Mittelmeerraum ergeben sich also zweimal jährlich – im Herbst und im Frühjahr – Niederschlagsmaxima. Die kurze Niederschlagspause in der Wintermitte ist dabei einem Hochdruckgebiet über Mitteleuropa geschuldet, das die atlantischen Westwinde zurückhält und weit nach Süden abdrängt. Die stärksten Winterregen gehen dort zwischen Dezember und Januar nieder. Im Gegensatz zu den heute vorherrschenden Verhältnissen, nach denen die ausgeprägteren und regenreicheren Stürme eher im Herbst auftreten, ergibt sich aus den antiken Quellen allerdings der Eindruck, dass insbesondere die Frühlingsstürme regenreich waren und entsprechende Hochwasser verursachten.271 Im ersten nachchristlichen Jahrhundert ist zudem von einem regenreicheren Sommer auszugehen als heute, der insgesamt etwas kürzer ausfiel als der Winter, mit Niederschlagsminima im Juni und Juli.272 Die Niederschlagssumme nimmt auf den gesamten Mittelmeerraum gesehen von Nordwesten nach Südosten hin ab. Infolgedessen wird in eben dieser Richtung die Landwirtschaft sukzessive erschwert und begrenzt. Während die Regenperiode im Norden noch recht lang anhält, nimmt sie nach Süden hin ab und konzentriert sich immer mehr auf einzelne Starkregenereignisse. Man spricht dabei auch von ‚torrentiellem 268 Hughes 1994: 10; Heide 1997: 7. 269 Verg. georg. 2,343–345; Ov. fast. 5,207–208; s. dazu Heide 1997: 39 mit Fn. 58. 270 Zur im Folgenden beschriebenen mediterranen Niederschlagsvariabilität s. Wagner 2011:119–121; Bolle 2003: 9–12; außerdem Heide 1997: 7–14 für Ausführungen zum mediterranen Klima und zum Niederschlagsgang zur Römerzeit; ausführlich für den westlichen Mittelmeerraum s. ebd.: 20–27 (Moderne, in Jahreszeiten unterteilt) und 28–49 (Antike, nach meteorologischen Phänomenen geordnet). 271 Für entsprechende Textstellen und deren Interpretation s. Heide 1997: 39. 272 Heide 1997: 137.

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Regen‘, der lokal eine hoch erosive Wirkung entfalten kann, insbesondere auf gerodeten Acker- und Brachflächen. Besonders ausgeprägt ist nach Süden und Südosten hin die zunehmende Unsicherheit der Niederschläge von einem Jahr aufs andere, sodass zu den saisonalen Schwankungen noch eine starke jährliche Schwankung hinzukommt. Ausgeprägt sind im gesamten Mittelmeerraum der Regenmangel in den Sommermonaten273 sowie die hohen Niederschlagsmengen im Winterhalbjahr, die zudem jährlich und örtlich sehr stark schwanken. Daher sind nicht alle mediterranen Flüsse ‚perennierende‘ Flüsse, die ganzjährig Wasser führen, wobei die Flüsse des nördlichen Mittelmeerbeckens eher ganzjährig Wasser führen als diejenigen im Süden.274 Dies macht wiederum eine verlässliche Trinkwasserspeicherung ebenso notwendig wie die entsprechende Anpassung der wirtschaftlichen und insbesondere agrarischen Aktivitäten.275 Die Pegelschwankungen sind an den verhältnismäßig kurzen, meist steilen Wasserläufen mit kompakten Einzugsgebieten, wie sie für den Mittelmeerraum typisch sind, viel stärker zu spüren und treten viel unvermittelter auf als an den langen mitteleuropäischen Flüssen.276 Bei kleinen Einzugsgebieten sind es in der Regel kurze, aber dafür heftige Regenfälle, auch ‚konvektive Niederschläge‘ oder Starkregen genannt,277 die für einen kurzzeitigen extremen Anstieg des Pegels sorgen und sogenannte Sturzfluten mit hoher Erosionsgefahr verursachen (‚torrentielle Abflüsse‘).278 In den heutigen Sprachen des Mittelmeerraums lässt sich das Phänomen gut greifen: etwa ‚torrenti‘ im Italienischen, oder ‚arroyos‘, ‚ramblas‘ sowie ‚bajadas‘ im Spanischen.279 Da von Norden nach Süden hin zudem die Vegetationsdecke abnimmt und trockenere Böden weniger Wasser aufnehmen, erhöht sich im südlichen Mittelmeerraum der Oberflächenabfluss zunehmend. Kurz nach der Regenperiode fallen die Talsohlen der Sturzbäche wieder trocken und verkümmern im Hochsommer zu kleinen Rinnsalen, die bisweilen ganz austrocknen können. Man spricht deshalb auch von ‚periodischer Wasserführung‘, die ebenfalls typisch für den Mittelmeerraum ist280 – sie lässt sich auch in den antiken Quellen greifen.281

273 Hier ist wiederum auf die um die Zeitenwende insgesamt regenreichere Sommerzeit hinzuweisen; Heide 1997: 137. 274 Walsh 2013: 74. 275 Wagner 2011: 3. 276 Walsh 2013: 70–74; Campbell 2012: 9. 277 Kraus 2004: 17 mit einer Definition im Glossar auf Seite 76. Bei konvektiven Niederschlägen handelt es sich um zeitlich sehr kurze, aber umso intensivere Niederschläge, die nicht länger als maximal 45 Minuten andauern und zudem auf einem sehr begrenzen Raum (in der Regel nicht mehr als ca. 10 km2) niedergehen. 278 Disse 2013: 18. 279 Wagner 2011: 123. 280 Wagner 2011: 123 f.; Herget 2012: 11. 281 Insbesondere in den technischen Schriften der Feldmesser und der Juristen finden sich wiederholt Hinweise darauf, dass das periodische Trockenfallen von Wasserläufen als übliches, nahezu jährlich auftretendes Phänomen gehandelt wurde, dazu s. weiter unten in Kapitel III.1.1c.

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Neben den ganzjährig Wasser führenden Flüssen sowie den Flüssen mit periodischer Wasserführung sind ganz im Süden des mediterranen Beckens auch Gewässer mit episodischer Wasserführung zu finden. Die ‚episodische Wasserführung‘ ist vor allem in Nordafrika und im Nahen Osten anzutreffen, wo semi-, subarides und arides Klima vorherrschend ist.282 Die steinigen Trockentäler (Wadis) führen nach länger ausbleibenden Niederschlägen kein oberflächlich sichtbares Wasser mehr, während unter der Erdoberfläche das Wasser meist weiterfließt: Vor direkter Sonneneinstrahlung und Verdunstung geschützt, bilden die sandigen und kiesigen Talsohlen oft noch Jahre nach den letzten Regenfällen weitläufige unterirdische Wasserreservoirs. Wenn ein für dort typisches Starkregenereignis auftritt, kann es jedoch innerhalb kürzester Zeit zu außergewöhnlichen Hochfluten kommen, die häufig gar zehnmal mehr Wasser abführen als im episodischen Durchschnitt üblich. Dies kann verheerende Folgen für Landwirtschaft und Siedlungen haben und zudem ganze Landstriche radikal in ihrem Aussehen verändern. Einige der größten Flüsse, die das Kerngebiet des Römischen Reichs durchflossen wie beispielsweise Rhône und Nil oder auch die in den Atlantik mündenden Flüsse der Iberischen Halbinsel, unterliegen anderen Abflussregimen, die direkt in den jeweiligen Kapiteln näher erläutert werden. Hier sei nur kurz darauf hingewiesen, dass deren weniger wechselhafte Wasserführung mit der Lage ihrer Einzugsgebiete zusammenhängt: Die Einzugsgebiete von Nil und Rhône oder auch von Euphrat und Tigris etwa befinden sich in humideren Gegenden außerhalb der mediterranen Klimazone, sodass ihr Abflussregime auf andere Einflüsse reagiert und klimatisch trockene Gebiete mit reichlich Wasser versorgen kann. Deshalb werden all diese letztgenannten Flüsse in der modernen Geographie als ‚Fremdlingsflüsse‘, alternativ auch als ‚diarheische‘ oder ‚allochthone‘ Flüsse bezeichnet. Wieder andere Flüsse, die ebenso wenig dem gängigen mediterranen Abflussregime unterliegen, fließen durch Karstgebiete wie zum Beispiel der Fluss Sarno in Kampanien. Sie speisen sich vor allem aus unterirdischen Karstquellen und sind damit gegenüber örtlichen Niederschlägen weitaus weniger empfindlich.283 In anderen Fällen hingegen können sich in höher gelegenen Karstgebieten gerade besonders verheerende Überschwemmungen ereignen. Karstgebirge, die tiefe Täler von allen Seiten steil umschließen, sind vor allem für Griechenland sowie für die kleinasiatische Küste typisch. In diesen Tälern sammelt sich Wasser aus Niederschlägen und kleinen Gebirgszuflüssen, das oberirdisch nicht abfließen kann. Nur über beckenartige Öffnungen in den Talböden, die als ‚Poljen‘ oder ‚Dolinen‘, in Griechenland auch als ‚Katavothren‘ und in der Türkei als ‚Düden‘ bezeichnet werden, kann das Wasser unterirdisch entweichen. In der Regenzeit füllen sich die Täler oft übermäßig, sodass das Wasser nicht schnell

282 Zu den Charakteristika von Wadihochwassern s. Wagner 2011: 124. 283 Walsh 2013: 78 f.; Wagner 2011: 123.

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genug abfließen kann und es zur Seebildung kommt. Das stark kalkhaltige Wasser aus dem Karstgebirge trägt seinen Teil zu diesem Prozess bei, indem es dafür sorgt, dass die Poljen zunehmend versintern und sich nach einer gewissen Zeit vollständig schließen. Enorm hohe Pegelanstiege sind die Folge. Wird der Wasserdruck mit der Zeit zu hoch, können die Poljen ganz unvermittelt wieder aufbrechen und das Seebecken schlagartig entwässern.284 Nochmals zusammenfassend, treten die saisonalen Hochwasser an den Flüssen des mediterranen Typs (auch ‚Mediterrantyp‘) in der Regel also zwischen Herbst und Frühjahr auf, wobei sich in dieser Zeit die Pegel mehrmals und aus unterschiedlichen Gründen heben und senken. In der Hydrologie spricht man in diesem Zusammenhang von verschiedenen ‚Speisungsarten‘. Im Herbst beziehen Flüsse ihr Flutwasser wie gesehen aus den starken Wolkenbrüchen (Starkregen, daher ‚pluvial‘) und im Frühjahr und Frühsommer hauptsächlich aus dem tauenden Schnee (daher ‚nival‘) sowie dem Regen der Frühjahrsstürme. Für den Tiber beispielsweise, der einem komplexen, aber dennoch typisch mittelitalienischen Abflusstyp entspricht,285 hat Aldrete aus modernen Aufzeichnungen über den Pegel (Abflussregime und Niederschlagsmenge) in Rom für den Zeitraum von 1921 bis 1990 folgende Werte herausgearbeitet:286 Der größte und intensivste Niederschlag ist zwischen September und Dezember zu verzeichnen. In den darauffolgenden Winter- und Frühjahrsmonaten ist ebenfalls noch mit einigen Niederschlägen zu rechnen, obgleich von geringerer Menge und Intensität. Insbesondere die Zeit von Juni bis August ist hingegen nahezu frei von nennenswerten Regenereignissen, so beträgt die Niederschlagsmenge im Juli im Durchschnitt nur etwa 27 % der üblichen Menge im November. Das Abflussvolumen weist im Grunde dasselbe Muster auf, nur zeitlich etwas verzögert. Demnach ist das Abflussvolumen im Februar durchschnittlich am höchsten, während es im August am niedrigsten ist. Der Pegel innerhalb der Stadt Rom zeigt ebenfalls große Überschneidungen mit den beiden vorherigen Daten, allerdings wiederum zeitlich etwas verschoben. Seinen Höchststand erreicht er zumeist im März, doch über die gesamte Zeit von November bis April steht der Pegel durchschnittlich bei über 7 m. Die Diskrepanz zwischen der höchsten Abflussrate im Februar und dem Pegelhöchststand im März rührt daher, dass die Abflussrate auch die Höhe der Fließgeschwindigkeit umfasst, die während des Höchststandes tatsächlich etwas zurückgeht. Insgesamt können die jahreszeitlich teils enorm schwankenden Wasserstände der Flüsse auf der Apenninenhalbinsel und insbesondere die des Tibers mit einigem Recht

284 Zu dieser Art von Hochwasser mehr in den Kapiteln III.2.1 (Lacus Velinus) und III.2.2 (Lacus Fucinus und Kopaïsbecken). 285 Rother/Tichy 2008: 30. Da sein Einzugsgebiet verhältnismäßig groß ist, lässt der Tiber sich nicht eindeutig einem bestimmten Abflusstyp zuordnen. 286 Aldrete 2007: 58–61. Vor ihm hat bereits Le Gall 1953: 9–13 das Hochwasserregime des Tibers für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts als Ausgangspunkt für seine Studie ausführlich dargelegt.

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als deren eindrücklichstes Charakteristikum angesehen werden. Entsprechend nachhaltig prägte es die römische Wahrnehmung von Wasserläufen allgemein ebenso wie deren normative Konzeption. Welche Auswirkungen dies auf den praktischen Umgang mit Flüssen und demnach auch auf Praktiken der Hochwasservorsorge im gesamten Herrschaftsgebiet der Römer hatte, wird sich im Laufe der Studie zeigen: Gerade, weil das Gebiet des Römischen Reichs sehr unterschiedliche Naturräume umfasste, in denen unterschiedliche Klimata und Hochwasserregime vorherrschten, ist das Verhältnis von Wissen, Wahrnehmung und konkreten Praktiken der Hochwasservorsorge eingehend zu analysieren. Im wasserreichen Norden, so zum Beispiel in Britannien, Nordgallien oder den Rhein- und Donauprovinzen, zeigten Flusshochwasser ganz andere Charakteristika als beispielsweise die Wadihochwasser in Nordafrika oder die torrentiellen Abflussereignisse in Südhispanien. Demnach ist aus nicht zu erwarten, pauschal überall im Reich dieselben Praktiken und Techniken der Hochwasservorsorge vorzufinden. Umso wichtiger ist es, neben der Analyse von Fallbeispielen eine übergeordnete Langzeitperspektive einzunehmen, die auch schleichende, sukzessive Veränderungen und möglicherweise gar Anpassungs- oder Lernprozesse offenlegen kann. I.5 Beeinträchtigung der Fluss- und Ufernutzung durch Hochwasser Der Zustand der über weite Strecken kanalisierten und regulierten Flussläufe in der modernen industrialisierten Welt hat wenig mit der Beschaffenheit von Flüssen in römischer Zeit gemein, deren Ufer lediglich über kürzere Strecken hinweg befestigt waren.287 Der naturnahe Zustand der Flüsse darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Römischen Reich selbst kleinere Wasserläufe von der Stelle an, ab der sie schiffbar waren, bereits intensiv unterhalten wurden. Sie wurden in regelmäßigen Abständen gereinigt, in manchen Fällen vertieft und durch die Anlage von Treidelpfaden entlang der Ufer künstlich ausgebaut.288 Außerdem wurde in Schwemmfächern und an Flussufern Ackerbau betrieben, der seinerseits die erosive Wirkung von Hochwas287 Zumeist handelte es sich bei den befestigten Uferbereichen um die Teilabschnitte von Flüssen, die direkt durch urbane Zentren führten und somit vor allem permanente Hafenstrukturen beherbergen mussten. Auf deren zusätzliche Funktion als Hochwasserschutz verweisen bereits Allinne et al. 2012: 70 und Robinson 1994: 89. Einen guten Überblick über die Charaktereigenschaften von Flüssen zur Römerzeit im Gegensatz zu heutigen Flüssen geben Wawrzinek 2014: 24–41, v. a. 25–28; Wawrzinek 2009; Vögler 2012: 243 f. Dort sind jeweils weiterführende Literaturangaben zu der Thematik zu finden. Zu den Charakteristika mediterraner Flussläufe zur Römerzeit s. auch kurz zusammenfassend Schneider 2006: 2. Zu den großräumigen Flusskorrektionen seit dem 18. Jahrhundert s. Hannig 2019: 123–139. 288 Dazu Wawrzinek 2014; Beispiele für kleinräumige Flusskanalisierungen innerhalb römischer Siedlungen in Britannien finden sich bei Rogers 2013: 117–123. An Flussmündungen wurden neben den natürlichen Armen auch zusätzliche künstliche Schifffahrtskanäle angelegt wie beispielsweise die fossa Drusiana (12 v. Chr.) und die fossa Corbulonis (47 n. Chr.) im Rheindelta, die fossa

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sern verstärkte. Insbesondere infolge der menschlichen Einflüsse neigten die Flussläufe stark zur Ausbildung von Mäandern, die sich innerhalb kurzer Zeitabschnitte immer wieder aufs Neue verlagerten.289 Flüsse griffen je nach Beschaffenheit des Bodens oft weit aus und flossen ‚furkativ‘, das heißt in mehreren parallelen und zudem recht unbeständigen Flussbetten. Außerdem bildeten sie durch regelmäßige An- und Abschwemmung von Erde, die besonders von den jährlichen Hochwassern verursacht wurden, immer wieder neue Flussinseln, Sand- und Kiesbänke aus, die nach und nach wieder von der Strömung abgetragen wurden. Sumpfige Feuchtgebiete prägten die Übergänge zwischen Wasser und festem Boden, deren Ausdehnung jahreszeitlich variierte, doch wurden derart amphibische Territorien nicht minder vom Menschen in Anspruch genommen und genutzt.290 Heute werden Flüsse – ähnlich wie Seen – hauptsächlich als Naherholungsgebiete wahrgenommen, an denen in der Freizeit Wassersport betrieben und gebadet werden kann. Die gewerbliche Fischerei spielt wirtschaftlich inzwischen eine eher untergeordnete Rolle. Der kommerzielle Gütertransport per Flusskahn, dem unter römischer Herrschaft eine vitale Bedeutung zukam, beschränkt sich heute auf wenige große Flüsse.291 In der römischen Antike wurden Mündungsgebiete, Binnengewässer und angrenzende Uferbereiche intensiv und auf vielfältige Weise genutzt.292 An vielen Fluss- und

Mariana (102 v. Chr.) im Rhônedelta oder die diversen Schifffahrtskanäle im Pogebiet und am Unterlauf des Tibers; zu Schifffahrtskanälen in Kapitel III.2.3. 289 Hughes 1994: 82–84; Campbell 2012: 9–13; Thommen 2009: 87–89; auf den Punkt gebracht bei Heide 1997: 9: „Je größer der zeitliche Abstand zum Eiszeitalter wird, desto größer sind die Verlandungsprozesse und die anthropogenen Einflüsse.“ Sie hebt die Wechselwirkung zwischen natürlichem Abflussregime und menschlichen Eingriffen in besonderem Maße für die römische Antike hervor (ebd.: 10 und 130). Von einer reinen nicht-menschengemachten Hochwassergefahr in vormodernen Zeiten, von der Schneider 2003: 7 seinerzeit ausging, kann also keine Rede sein – auch nicht für den Osten des Reichs, auf den er an der Stelle besonders Bezug nimmt; zum anthropogenen Einfluss auf Umwelt und Landschaft im antiken Mittelmeerraum s. Brückner 1986. Selbst für das ohnehin wasserreiche Obergermanien wurde dieses Phänomen für die Zeit kurz vor, während und nach der römischen Besiedlung intensiv erforscht; Küster 2013: 156–166 und 169; Smettan 2005; Klee 2013: 10–16. Die intensive Waldrodung äußert sich im Bodenarchiv u. a. darin, dass der Anteil der Baumpollen von 77 % der Gesamtpollen in vorrömischer Zeit auf weniger als 50 % in der römischen Siedlungszeit zurückging. Der Anteil der Kräuter- und Gräserpollen stieg hingegen rapide an. Hangrutschungen waren die Folge. Die eiserne Pflugschar, die die Römer in Germanien einführten, reichte zudem weit tiefer in den Ackerboden, was die Bodenerosion zusätzlich verstärkte. 290 Dazu maßgeblich Traina 1988: 49–54 (zu Aussehen und Beschaffenheit antiker Sumpflandschaften an Gewässerrändern) und 77–93 (zur Ausdehnung von sumpfig-morastige Böden und Sumpfgebieten in der Antike, geographisch aufgeschlüsselt). 291 Für die genannten grundlegenden Unterschiede in der Nutzung und wirtschaftlichen Bedeutung von Flüssen im Vergleich zwischen der römischen Antike und der heutigen Zeit s. Wawrzinek 2009: 171. 292 Flüsse waren noch viel multifunktionaler als Straßen, weshalb das Interesse an ihnen vielfältig und bisweilen unvereinbar war; dazu s. Arnaud 2011: 340; speziell zu Mündungsgebieten s. Arnaud 2016.

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Seeufern waren beispielsweise Töpfereien und Ziegeleien zu finden, da dort tonhaltige, sandige Erde als Grundstoff zur Weiterverarbeitung vorhanden war.293 Der weitaus größte Teil der Wasserläufe im Römischen Reich lag in staatlicher Hand und war als Eigentum des römischen Volkes öffentlich: Sed flumina paene omnia et portus publica sunt.294 Ebenso war die Nutzung eines solchen flumen publicum öffentlich, obgleich zwischen dem öffentlichen Charakter des Ortes und dem öffentlichen Nutzungsrecht strikt unterschieden wurde. Das Recht auf öffentliche Nutzung blieb zudem nicht auf den Fluss selbst beschränkt, sondern umfasste auch die angrenzenden Uferbereiche.295 So hält der Jurist Gaius fest: Riparum usus publicus est iure gentium sicut ipsius fluminis. itaque navem ad eas appellere, funes ex arboribus ibi natis religare, retia siccare et ex mare reducere onus aliquid in his reponere cuilibet liberum est, sicuti per ipsum flumen navigare. sed proprietas illorum est quorum praediis haerent: qua de causa arbores quoque in his natae eorundem sunt. Gemäß dem ius gentium ist die Nutzung der Ufer ebenso wie die der Flüsse öffentlich. Deshalb [ist es erlaubt], ein Schiff dort anzulanden, Taue an den dort wachsenden Bäumen festzubinden, Fischernetze dort zu trocknen und aus dem Meer heraus (dorthin) zu ziehen, Fracht jeglicher Art dort abzuladen wem auch immer es freisteht, ebenso wie (es erlaubt ist), den Fluss selbst zu befahren. Aber das Eigentumsrecht liegt bei denjenigen, denen die Grundstücke anhaften: Aus diesem Grund gehören auch die Bäume, die auf ihnen wachsen, denselben.296

293 Allgemein dazu s. Biundo 2014: 109. Entlang des Baetis (heute Guadalquivir) und seinem Zufluss Singilis (heute Genil) in der Baetica war eine Vielzahl an Werkstätten zur Amphorenproduktion angesiedelt, die dank ihres Standorts am Fluss nach ihrer Befüllung vor Ort direkt verschifft werden konnten; Remesal Rodríguez 1998: 184–189; Campbell 2012: 252 f. mit einer Karte der Werkstätten entlang des Flusslaufs. Auch an anderen Flüssen, darunter am Rheinzufluss Neckar, lagen wichtige Keramikwerkstätten; dazu s. Kaiser 2005, ebenfalls mit einer Verteilungskarte der Töpfereien an den Flussufern. Im Tibertal gelangten die zahlreichen großen Ziegeleien zunehmend in senatorische, später in kaiserliche Hand; dazu sowie allgemein zur hohen Bedeutung von gebrannten, standardisierten Ziegeln als Baustoff im Römischen Reich s. Wilson 2006: 227–229. Bedingt durch den hohen Bedarf an gebranntem Ton und Töpferwaren war an diesen Standorten auch die Verfügbarkeit von großen Mengen an Brennholz wichtig, was an bedeutenden Töpferstandorten zu Kahlschlag und schließlich zu Erosion und weiteren Umweltproblemen führte; dazu Hughes 1994: 126 f. 294 Dig. 1,8,4,1 (Marcianus): „Doch beinahe alle Flüsse und Häfen sind öffentlich.“; zur Definition des flumen publicum s. Arnaud 2011: 334–338; zur juristischen Definition von Fluss und Ufer sowie zu deren Rechtsstatus s. auch Biundo 2008; Biundo 2014: 106–108; Campbell 2009; Lonardi 2013: 31 f. sowie ausführlich in Kapitel III.1.1. 295 Zur Differenzierung zwischen dem Rechtsstatus des Bodens und dem Recht der Nutzung (einschließlich der öffentlichen Ufernutzung von privaten Grundstücken) s. Arnaud 2011: 336 f.; Biundo 2014: 106 f.; Lonardi 2013: 31 mit weiterführender Literatur in Fn. 135. 296 Dig. 1,8,5pr. (Gaius); vgl. Inst. 2,3; Dig. 41,1,30 (Pomponius). Wurde auf öffentlichen Ufern gebaut, blieb der Grund und Boden weiterhin vollständig öffentlich; Dig. 41,1,1 (Neratius).

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Daraus wird deutlich, dass selbst das Betreten privater Ufergrundstücke, die an flumina publica angrenzten, zu gewerblichen Zwecken erlaubt war.297 Die Notwendigkeit, Fluss und Ufer öffentlich zugänglich zu machen, lässt sich auf die wirtschaftliche Bedeutung von Flüssen für das Alltagsleben der Menschen im Römischen Reich zurückführen. Auf bildlichen Darstellungen wurde der öffentliche Charakter von Gewässern und deren Gestade häufig durch die Anwesenheit von Fischern und Fischerbooten angedeutet.298 Einige der wichtigsten Nutzungsarten sind im Text des Gaius explizit genannt: Für sie war die Zugänglichkeit der Flussufer grundlegend. Im Zusammenhang mit der Schiffbarkeit der Flüsse, die in den Rechtsquellen durchweg prioritär behandelt wird,299 ist besonders auf das Treidelwesen hinzuweisen. Als integraler Bestandteil der römischen Flussschifffahrt ist das Treideln – obgleich es nicht eigens im eben zitierten Text erwähnt wird – bei den schiffbaren Flüssen der Antike nicht zu vernachlässigen. Um sich flussaufwärts gegen die Strömung überhaupt fortbewegen zu können, wurde entlang der Flussläufe getreidelt.300 Besonders eingängig wird dies von Ausonius geschildert: Tu duplices sortite vias, et cum amne secundo defluis, ut celeres feriant vada concita remi, et cum per ripas nusquam cessante remulco intendunt collo malorum vincula nautae,

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297 Kenntlich gemacht wurde der Status als Privatgrund mittels sogenannter cippi (Uferbegrenzungssteine, dazu s. auch Kapitel III.1.1 und III.2.1). Ein vermutlich republikanischer cippus aus Ostia enthält etwa folgenden Hinweis: [P]rivatum / ad Tiberim / usque ad aquam – „Privat[gelände] am Tiber bis zum Wasser“ (CIL XIV 4703 = AE 1919, 59b = AE 2010, 244). Er verweist auf das Recht, das Gelände am Ufer trotz seines privaten Charakters zu durchqueren, um für landwirtschaftliche Zwecke oder für andere Zwecke der alltäglichen Flussnutzung zum Wasser zu gelangen; zur juristischen Bedeutung und Interpretation dieser Inschrift s. Tuccillo 2010; Hermon 2016. Es bleibt in dem Fall jedoch fraglich, warum explizit die Wassergrenze genannt wird. Möglicherweise hatte der Eigentümer des Uferstreifens aus gegebenem Anlass das Bedürfnis, den privaten Charakter des Uferlandes zu betonen. In diesem Zusammenhang verweist Campbell auf einen vergleichbaren Fall unter Antoninus Pius. Dieser Kaiser hatte den Fischern von Caieta und Formiae versichert, dass ihnen die Nutzung der Meeresküste für ihr Fischerhandwerk offenstehe, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie sich von jeglichen Gebäuden und Monumenten am Strand unbedingt fernhielten; Dig. 1,8,4pr. (Marcianus); Inst. 2,1; s. Campbell 2009: 190. Außerdem gibt es eine Reihe von juristischen Regelungen zum Viehtrieb (actus) über Gemeinde- und Privatland, um eine Herde am Wasser ungehindert tränken zu können; Inst. 2,3; Lex Ursonensis, § 79 (Text bei Stylow 1997). 298 Arnaud 2014: 173. 299 Zum Primat der Schifffahrt („primat absolut de la navigation“) auf Flüssen s. Arnaud 2011: 338–343. Ein Blick in die geographischen Werke bestätigt die hohe Bedeutung von Flüssen als Verkehrswege. Bei Strabon oder dem älteren Plinius nehmen die Aufzählungen schiffbarer Flüsse mitsamt ihren wichtigsten Häfen großen Raum ein und enthalten zudem Angaben über die Länge der Schifffahrtswege; dazu s. Campbell 2012: 203. 300 Dion. Hal. ant. 3,44,3; Hor. sat. 1,5,11–23; Prok. BG 1 (bzw. 5), 26,8–13. Zum römischen Treidelwesen und den Leinpfaden am Ufer mehr in Kapitel III.3.3 im Zusammenhang mit der Pflege der Uferstreifen und der Instandhaltung der Uferbefestigungen.

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ipse tuos quotiens miraris in amne recursus legitimosque putas prope segnius ire meatus! Zwei Wege sind dir gegeben: Wenn du flussabwärts strömst, treibt rascher Ruderschlag die eilenden Wogen; wenn aber die Schiffer an deinen Ufern die Seile am Mast mit dem Nacken spannen und das Zugseil nie durchhängt, wie oft staunst du da über Gegenströmung in deinen Wassern und meinst, der verlangsamte Lauf sei fast schon natürlich.301

Außerdem waren zur Zeit der römischen Antike insgesamt mehr Flussläufe schiffbar als heute,302 was auch daran lag, dass römische Flussgefährte kleiner waren und wesentlich weniger Tiefgang hatten als heutige Flusskähne.303 Hinzu kam, dass der Transport über den Landweg im Vergleich teurer war.304 Für den Warentransport mussten also auch adäquate Anlegestellen zum Be- und Entladen vorhanden sein.305 Die Unver301 Auson. Mos. 39–44. Übersetzung: Otto Schönberger (Schönberger 2014). 302 Dazu s. Harris 2011a: 159, der insgesamt der Meinung ist, dass noch bis in jüngste Zeit die Schiffbarkeit von Flüssen in der Antike sowie insbesondere ihre wirtschaftliche Bedeutung konsequent unterschätzt worden sei. 303 Vögler 2012: 243. Daher konnten sie an flachen Uferbereichen auch ohne Hafeninstallationen anlanden. Im römischen Recht wurden solche natürlichen, zum Anlegen geeigneten Stellen als stationes bezeichnet; Dig. 43,12,1,13 (Ulpianus). Zur Vielfalt der römischen Flussgefährte s. auch Arnaud 2011: 340. Allgemeiner noch stellt Pascal Warnking heraus, dass es „das“ römische Handelsschiff nicht gab. Zu unterschiedlich waren die lokalen Traditionen, und da die Schiffe mehrfach repariert wurden, während sich die Schiffsbautechniken immer weiterentwickelten, kamen oft mehrere Schiffsbaumethoden an ein und demselben Schiff zur Anwendung. Ebenso stellt er aber heraus, dass es nicht zuletzt die unterschiedlichen geographischen Charakteristika der zu befahrenden Gewässerabschnitte waren, die über Form, Material und Aussehen der Schiffe bestimmten; dazu s. Warnking 2015: 158 f. So waren flache Flussschiffe und Flöße an weiter von der Mündung entfernten Flussabschnitten besonders häufig in Gebrauch, da mit ihnen bei Bedarf an flach ansteigenden Ufern angelegt werden konnte; dazu s. auch Diosono 2010: 93. Am Baetis etwa wurden wegen des Einflusses der Gezeiten Handelswaren auf ihrem Weg flussab- und flussaufwärts mehrmals umgeladen: Hochseeschiffe gelangten bis nach Hispalis, kleinere Schiffe brachten die Waren dann hinauf bis nach Ilipa Magna, wo sie nochmals, diesmal auf kleine Flusskähne, umgeladen werden mussten. Von dort aus war der Baetis noch bis nach Corduba schiffbar (vgl. Karte 4 weiter unten); Strab. 3,2,3 C 142; Plin. nat. 3,10; dazu s. Abad Casal 1975; Chic García 1990. 304 Plin. nat. 21,73; Plin. epist. 10,41,2; Tac. ann. 13,53. In der Forschung kursiert die Zahl der 30-fachen Kosten gegenüber dem Wasserweg; so bei Vögler 2012: 243; ohne konkrete Angabe der verhältnismäßigen Kosteneinsparung auch Theis 2017: 121; Höckmann 1997: Sp. 679 f. Noch aus dem spätantiken Höchstpreisedikt geht deutlich hervor, dass der Warentransport per Schiff viel kostengünstiger war als auf dem Landweg; dazu s. Harris 2011a: 160 f. Dennoch bleibt strittig, ob und inwieweit der Warentransport zu Wasser tatsächlich kostengünstiger war als der Landweg, was mit Verweis auf weiterführende Forschungsliteratur auch bei Wawrzinek 2014: 181 diskutiert wird. Sie gibt zu bedenken, dass beim Transport zu Wasser noch allerlei Nebenkosten wie etwa Hafenzölle und Anlegegebühren oder auch die Heuer der Schiffsbesatzungen anfielen, welche schwierig zu schätzen seien. Hinzu komme das erhebliche Risiko, ein Schiff im Sturm oder aufgrund anderer natürlich verursachter Widrigkeiten mitsamt seiner Ladung zu verlieren. 305 Dig. 43,14,1 (Ulpian); dazu s. Arnaud 2011: 339; zur Bedeutung von Flüssen und Stränden als Anlandestellen auch ohne permanente Installationen s. zudem Arnaud 2016: 2: „Le fleuve est en effet, avec la plage, l’une des formes du port dont l’importance a été la plus lourdement sousestimée par l’érudition moderne.“

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sehrtheit und öffentliche Zugänglichkeit der Wasserläufe und Ufer war demnach von großer wirtschaftlicher Bedeutung und lag im allgemeinen Interesse. Bei Hochwasser war die Nutzung der Uferbereiche eingeschränkt und bei extremem Hochwasser gänzlich unterbrochen, was bei gewissen Bevölkerungsteilen zur Erwerbslosigkeit führen konnte.306 Nach dem Rückgang der Flut standen Räumungs-, Säuberungs- und Wiederaufbauarbeiten an, um die Nutzung der Uferbereiche und Wasserwege wieder uneingeschränkt möglich zu machen.307 Darüber hinaus musste weggespültes Eigentum nach Möglichkeit wiedergefunden und zurückgeholt werden, was durch ein Interdikt geregelt war.308 Zu den gefährdeten ufernahen Strukturen gehörten vor allem Straßen und Brücken. Die durch Hochwasser verursachten Schäden an Straßenbelägen und Brückenbauten sind vielfach auf Inschriften belegt, besonders für außerstädtische Kontexte.309 Auch in Dichtung und Literatur werden durch Hochwasser beschädigte Brücken erwähnt, ebenso Straßen und Flussläufe, die durch angeschwemmte Hindernisse versperrt oder aufgestaut wurden.310 Für den innerstädtischen Raum weiß Prokop über die Stadt Tarsus in Kilikien im 6. Jahrhundert n. Chr. zu berichten, wie eine länger anhaltende Überschwemmung die von den Wassermassen eingeschlossenen Menschen in Bedrängnis brachte: Eine ungewöhnlich schwere Frühjahrsflut, verursacht durch Schmelzwasser und starke Regenfälle, ließ den Fluss Kydnos für mehrere Tage heftig anschwellen. Dadurch wurden Zufahrtswege und wichtige öffentliche Plätze innerhalb der Stadt unter Wasser gesetzt, Brücken wurden weggeschwemmt, sodass die Anbindung an die Außenwelt teilweise unterbrochen war.311 Literarisch ist die Zerstörung von Brücken und Gebäuden durch Hochwasser auffallend häufig für die Kapitale des Imperiums dokumentiert.312 Teils seien die Gebäude aber auch erst nach dem Rückzug des Flutwassers in sich zusammengestürzt: Rapti e publico plerique, plures in tabernis et cubilibus intercepti. fames in vulgus inopia quaestus et penuria alimentorum. corrupta stagnantibus aquis insularum fundamenta, dein remeante flumine dilapsa.

306 Tac. hist. 1,86,2. Bei der Tiberflut 69 n. Chr. wurden allerdings auch weitere Teile der Stadt Rom unter Wasser gesetzt (vgl. Plut. Otho 4,5; Suet. Otho 8,3), sodass sicherlich nicht nur die unmittelbar auf und am Fluss durchgeführten Arbeiten ruhen mussten. 307 Suet. Aug. 30; SHA M. Aur. 47,2–3; Aldrete 2007: 125 f. 308 Dig. 39,2,9,1 (Ulpian); Aldrete 2007: 97–100. 309 So z. B. CIL XII 107 = ILS 5868 = AE 1996, 981 = AE 2009, 803; CIL X 6876 = ILS 5859; CIL X 6850 = ILS 827; CIL VIII 10304 = ILS 471; CIL II 4911 = AE 1957, 311 = AE 1960, 158. 310 Beispielsweise bei Caes. civ. 1,50,1; Prok. aed. 5,5,20; Suet. Otho 8,3; Tac. hist. 1,86,2; Lucr. 1,280– 289; Text und Übersetzung aus dem Lehrgedicht des Lukrez finden sich weiter unten im Kapitel zum römischen Brückenbau (III.3.2). 311 Prok. aed. 5,5,14–18. 312 So z. B. Liv. 24,9,6; Liv. 35,9,2; Cic. ad Q. fr. 3,7,1 bzw. 3,5,8; Cass. Dio 37,58,3–4; 39,61,1–2; 50,8,3; 53,33,5; 55,22,3; Suet. Otho 8,3; Aldrete 2007: 115–117.

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Fortgerissen auf den Straßen wurden viele, noch mehr in ihren Läden und Schlafräumen überrascht. Hungersnot herrschte daher beim Volk infolge der Erwerbslosigkeit und des Nahrungsmangels. Schaden litten durch das stehende Wasser die Grundmauern der Mietshäuser; dann, mit dem Rückgang der Flut, stürzten sie ein.313

Dies weist auf Schäden an der Bausubstanz hin, die durch das permanente Unterwasserstehen über mehrere Tage stark angegriffen war.314 Bei den eingestürzten Gebäuden handelte es sich vermutlich meist um insulae, also um die oftmals aus billigem Material und unter Zeitdruck hochgezogenen Mietskasernen für die einfache Bevölkerung.315 Diese hatte wohl auch die meisten Verluste an Menschenleben zu beklagen,316 wobei die Todesursachen vielfältig waren:317 Wo etwa die Strömung des Flutwassers stark genug ist, kann ein Körper selbst in relativ seichtem Wasser von ihr erfasst und weggeschwemmt werden.318 Treibgut und das durch Sedimente verdunkelte Wasser stellten zusätzliche Gefahren dar, denn das trübe Flutwasser machte unterhalb der Oberfläche lauernde Hindernisse unsichtbar, etwa entwurzelte Bäume und Astwerk, das Mensch und Vieh einfach umstieß und mitriss.319 Des Weiteren konnten durch Treibgut auch stabilere Gebäude und Bauteile beschädigt werden, so wie länger stehendes Wasser Baugrund absacken ließ. Das gnomon der monumentalen Sonnenuhr zum Beispiel, die Augustus auf dem Marsfeld hatte aufstellen lassen, zeigte schon zu Lebzeiten von Plinius dem Älteren nicht mehr korrekt den Lauf der Sonne an – in Plinius’ eigenen Worten angeblich schon „seit fast dreißig Jahren“ nicht mehr. Als Ursache für die Ungenauigkeit zieht er die häufigen Tiberüberschwemmungen in Betracht, die das Fundament zum Absacken gebracht haben könnten.320 Bei länger anhaltenden Überschwemmungen waren Boote oft das einzige Fortbewegungsmittel, was insbesondere Cassius Dio immer wieder herausstellt.321 Hinzu kam die Unterbrechung der Lebensmittelversorgung, wenn die Flut länger andauerte

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Tac. hist. 1,86,2. Übersetzung: Helmuth Vretska (Vretska 1984). Ähnliches berichten Aug. civ. 3,18; Cass. Dio 39,61,2; Oros. 4,11,6; Aldrete 2007: 117. 314 Aldrete 2007: 102–118. 315 Zu diesem Schluss kommt Aldrete 2007: 105–111, weil insulae im Gegensatz zu öffentlichen Gebäuden oder Stadtvillen aus billigem, vergänglichem Material wie etwa ungebrannten Lehmziegeln und Holz errichtet waren. Zu verschiedenen Festigkeitsgraden bei ungebrannten Ziegeln äußert sich Vitruv (Vitr. 2,3), wobei er insbesondere die Resistenz gegen Regenstürme von Ziegeln aus tuffhaltiger Erde lobt (Vitr. 2,3,4). 316 Liv. 24,9,6; Cass. Dio 37,58,3; 39,61,2; 79,25,5; Tac. ann. 1,76; Tac. hist. 1,86; Plin. epist. 8,17,5. 317 Aldrete 2007: 118–123. 318 Aldrete 2007: 118 f. 319 Aldrete 2007: 120. 320 Plin. nat. 36,73. 321 Cass. Dio 37,58,3; 53,20,1; 53,33,5; 54,25,2; 55,22,3; 57,14,7; 58,26,5; Zonaras 11,3; Amm. 29,6,18.

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oder die Vorräte direkt dem Flutwasser zum Opfer gefallen waren.322 Heftige Überschwemmungen konnten also auch über die Zeit der eigentlichen Flut hinaus noch negative Auswirkungen entfalten. Später eintretende Gefahren, die eng mit der Präsenz des stehenden Wassers in Verbindung standen, waren Krankheiten wie Malaria oder verschiedene Seuchen, die von der Wassertemperatur, von stehenden Pfützen oder von Verunreinigungen hervorgerufen wurden.323 Die Obdachlosigkeit, die der Einsturz der insulae nach sich gezogen haben muss, wird zwar nicht in den Quellen thematisiert, doch muss es durch den Verlust bewohnbarer Behausungen zwangsläufig und zumindest zeitweise dazu gekommen sein.324 Und selbst dort, wo der Einsturz ausblieb, ist mit einer massiven Verschlechterung der Bausubstanz zu rechnen, in der nach dem Ende der Flut die Feuchtigkeit zurückblieb und zu einer ungesunden, da verkeimten Wohnumgebung beitrug.325 Allgemein wird jedes stärkere Hochwasser das tägliche Leben in der Stadt beeinträchtigt haben, etwa wenn Transportwege zu Wasser und zu Land nur eingeschränkt oder vorübergehend gar nicht mehr nutzbar waren.326 Wie bei weniger schweren Hochwasserereignissen das städtische Leben aus gegebenem Anlass spontan umgeplant wurde, zeigt etwa die örtliche Verlegung der ludi Apollinares im Jahr 202 v. Chr., sofern wir Livius Glauben schenken dürfen. Zwar lässt es sich nicht zweifelsfrei klären, ob Livius über ein zeitlich so weit entferntes Ereignis verlässliche Quellen vorlagen, doch wenigstens für seine eigene Zeit wird ein solches Vorgehen wohl wenig außergewöhnlich gewesen sein, da er seinem Bericht sonst sicher mehr Sensationscharakter verliehen hätte.327 Stattdessen hält er schlicht fest, dass die Abhaltung der Spiele wegen einer Überschwemmung des Circus zunächst für einen alternativen Schauplatz geplant wurde. Als sich das Flutwasser am Eröffnungstag der

322 Suet. Otho 8,3; Plut. Otho 4,5; SHA M. Aur. 8,4; Aldrete 2007: 131–141. Umgekehrt stellt es Livius als Besonderheit heraus, dass bei einer Flut 203 v. Chr. noch während des Zweiten Punischen Krieges keine Hungersnot vorgefallen sei, da genügend billiges Getreide aus Hispanien habe importiert werden können (Liv. 30,26,5). 323 Aldrete 2007: 120 f. (Kälte) und 141–154 (Krankheiten). Er verweist zu Recht auf die Tatsache, dass die stehenden Tümpel und Lachen, die nach dem Rückgang der Flut zurückblieben, zu Brutstätten von Stechmücken wurden und demnach auch die Infektionsgefahr für Malaria unmittelbar nach einer Flut angestiegen sein muss (ebd.: 147). Zur Ökologie der Malaria im antiken Italien s. Sallares 2002: 55–89 (zu allgemeinen naturräumlichen und klimatischen Voraussetzungen), außerdem 109–111 (zu anthropogenen Veränderungen der Landschaft); Frassine 2007. 324 Vgl. Aldrete 2007: 112 f. In Ermangelung antiker Verweise zieht er Berichte neuerer Flutereignisse sowohl aus Rom selbst als auch aus anderen Weltgegenden heran, um zumindest gedanklich die unmittelbaren Auswirkungen des Verlustes von Wohnstätte und Eigentum für die ärmeren Bevölkerungsschichten Roms durchzuspielen. 325 Aldrete 2007: 146 f. 326 Vgl. Suet. Otho 8,3. 327 Ähnlich sollen die ludi Martiales wegen eines Hochwassers 12 n. Chr. vom Circus auf das Augustusforum verlegt worden sein (Cass. Dio 56,27,4) und für Circusspiele im Jahr 363 v. Chr. weiß Livius zu berichten, dass diese von einer Flut gestört wurden (Liv. 7,3,2).

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Spiele aber plötzlich wieder zurückzog, wurde der Festzug, der sich bereits in Bewegung gesetzt hatte, kurzerhand zum angestammten Schauplatz im Circus umgeleitet.328 Spiele, die im Circus stattfanden, waren häufig von Überschwemmungen betroffen, weil sich die Spielstätte inmitten einer Senke befand, die zu den flutanfälligsten Teilen der Stadt gehörte. Vor den Drainagearbeiten im Stadtgebiet Roms war der Standort noch sumpfig-morastig, worauf Ovid allein in den Fasten mehr als einmal verweist.329 Doch auch andere, ebenfalls auf niedriggelegenem Terrain befindliche Spielstätten hatten unter den Auswirkungen von Flusshochwassern zu leiden. So musste Balbus 13 v. Chr. die Einweihung seines Theaters in Rom vom Boot aus zelebrieren, weil es zum betreffenden Zeitpunkt von Wasser aus dem Tiber überflutet war.330 Schließlich wurden Feste, die traditionell auf dem Marsfeld und damit ohnehin auf der natürlichen Überschwemmungsfläche des Tibers begangen wurden, ebenfalls oft auf erhöhte Plätze verlegt. Die Equirria etwa wurden bei erhöhtem Wasserstand üblicherweise auf dem Caeliushügel abgehalten.331 In ländlichen Gegenden konnten ausgeprägte Hochwasser hohe Ernteverluste verursachen, weil Felder unter Wasser gesetzt und Schutzdämme weggerissen wurden.332 In Ufernähe oder auf niedrigem Terrain befindliche Wirtschaftsgebäude, Stallungen und Landhäuser wurden ebenfalls häufig in Mitleidenschaft gezogen oder ganz weggeschwemmt, oft mitsamt den darin befindlichen Gerätschaften.333 Vor allem zur Poebene und ihrem Einzugsgebiet liegen verschiedene Flutbeschreibungen vor. Vergil etwa beschreibt mehrfach Ursachen und Auswirkungen der häufigen und heftigen saisonalen Flusshochwasser des Po. Er selbst stammte aus der Gegend um Mantua und verbrachte seine Jugend vor allem in Cremona, die beide mitten in der Poebene liegen.334 So wird er das Beschriebene aus eigener Anschauung gekannt haben, wenn er etwa schreibt: Proluit insano contorquens vertice silvas / fluviorum rex Eridanus camposque per omnis / cum stabulis armenta tulit.335 Die Wucht der Wassermassen war derart groß, dass nicht nur 328 329 330 331 332

Liv. 30,38,10–12. Ov. fast. 2,391–392; 6,405–406. Cass. Dio 54,25,2. Fest. 131 L. Plin. epist. 8,17,2 (vom Fluss weiter entfernte Felder); Ov. met. 272–273 (Ernte) und 297–280 (Dämme). 333 Liv. 4,49,2; 24,9,6; 35,21,6; Plin. epist. 8,17,3–4; Mart. 10,85,4. Columella (1,4,10) rät daher zur Anlage des Gutshauses am Hang, zumal es dort nach heftigen Regenfällen vor Sturzbächen geschützt sei. 334 Giebel 1994: 7–14, v. a. 10–12. Dabei ist freilich zu beachten, dass Vergil seine Heimatlandschaft stark idealisiert schildert; dazu s. Witek 2006, der zudem herausstellt, dass Vergils Verklärung seiner Heimatgegend nicht nur von seiner persönlichen Herkunft herrührt, sondern auch bestimmten sozialen und literarischen Konventionen geschuldet ist (ebd.: 62–90). Für Überlegungen zur grundsätzlichen Verlässlichkeit von Vergils Aussagen über italische landwirtschaftliche Praktiken s. Spurr 1986: 181–183. 335 Verg. georg. 1,481–483: „Wälder entwurzelte wirbelnd der Po, der König der Flüsse, brausend mit rasendem Strudel, er riss das Vieh samt den Ställen fort über Felder und Fluren.“ Übersetzung: Johannes und Maria Götte (Götte/Götte 1995).

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Vieh und Stallungen und somit Sachwerte der Bauern fortgerissen wurden: Auch so mancher Baum wurde in der waldreichen Gegend entwurzelt und weggeschwemmt. Neben Vergil beschreibt auch Strabon die natürlichen Charakteristika der Poebene und die Gezeitenwirkungen im Delta recht ausführlich. Für das Mündungsgebiet verweist er vor allem auf die Widrigkeiten für die Schifffahrt, die von den alluvialen Ablagerungen entlang der schiffbaren Kanäle und in den Lagunen herrührten.336 Von den Siedlern wurden die Marschen im Mündungsgebiet nahezu vollständig gemieden. Sie hatten sich stattdessen an weiter entfernten Siedlungsplätzen im Landesinneren und selbst dort noch auf erhöhtem Grund niedergelassen.337 Der Landwirtschaft in den sumpfigen Ebenen am Mittel- und Unterlauf des Po bereitete vor allem das feuchte Frühjahr Schwierigkeiten. Nur mittels permanenter Entwässerung und Melioration konnte dort überhaupt Ackerbau betrieben werden und die Flussverlagerungen, die durch heftige Hochwasser verursacht wurden, erschwerten den Ackerbau zusätzlich.338 Dennoch war selbst in der wasserreichen Poebene der Sommer eher trocken und machte Maßnahmen zur Feldbewässerung notwendig. Letztlich war es also das permanente Wechselspiel von Wassermangel und Wasserüberschuss, das die Landbesitzer in ständiger Sorge um Land, Vieh und Ernte hielt.339 Starke Hochwasser konnten also auch Schäden an landwirtschaftlichen Uferschutzdämmen und Bewässerungskanälen verursachen. Wie umkämpft und regulierungsbedürftig der regelmäßige Zugang zu ausreichend Wasser für Landwirte war, zeigen nicht zuletzt die inschriftlich erhaltenen Bewässerungspläne von Bewässerungsgemeinschaften aus Hispanien, Nordafrika, dem Nahen Osten und Italien.340 Für jeden namentlich genannten Grundbesitzer waren darin Dauer und Reihenfolge der Wasserzufuhr mittels Schleusen und Kanälen penibel aufgezeichnet. Da dort viele Bäche in den Sommermonaten trockenfielen und selbst größere Flüsse sich auf kleine Rinnsale reduzierten, war es von besonderer Wichtigkeit, den Zugang (itus) und die Verteilung 336 Strab. 5,1,5 C 212. 337 Calzolari 1988: 20–23. 338 Verg. georg. 1,100–117 (Entwässerung und Melioration); Agennius Urbicus, C 38,33–34 = L 82,24– 26 = T 42,20–22; Commentum, C 64,28–66,6 = L 17,5–16 = T 64,8–18; Hyginus 1, C 90,23–30 = L 124,11–125,4 = T 87,12–88,3 (jeweils zu Erosion und plötzlich auftretenden Flussverlagerungen nach Hochwassern). 339 Vgl. Ov. met. 1,272–273. 340 Allgemein zu den genannten Beispielen s. Eck 2008; Biundo 2008: 368–370; zur Bewässerung im Westen des Römischen Reiches s. Beltrán Lloris 2014 sowie neuerdings die Dissertation von Anna Willi (Willi 2021). Zu hispanischen Bewässerungsgemeinschaften im mittleren Ebrotal liegt aus spätrepublikanischer Zeit die sogenannte tabula Contrebiensis vor (Richardson 1983), aus hadrianischer Zeit die sogenannte Lex rivi Hiberiensis (Beltrán Lloris 2006; Crawford/ Beltrán Lloris 2013); für Nordafrika liegt der Bewässerungsplan einer Gemeinschaft aus Lamasba vor (CIL VIII 4440 = CIL VIII 18587 = ILS 5793) sowie die sogenannten Tablettes Albertini; dazu s. Christian Courtois et al., Les Tablettes Albertini: Actes privés de l’époque Vandale – Fin du Ve siècle (Arts et métiers graphiques), Paris 1952; Shaw 1984: 151; aus Rom: CIL VI 1261; aus Tibur: CIL XIV 3676.

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von Oberflächenwasser zu regulieren.341 Oberflächenwasser aus Flüssen wurde teilweise auch in Stauseen gespeichert, wobei diese Art der Vorratsspeicherung nur in besonders ariden Regionen des Römischen Reichs nachweisbar ist.342 Nähe und Zugang zu ausreichend Wasser für die Unterhaltung von Acker- und Weideland wird daher in den Werken der Agrarschriftsteller immer wieder betont, zumal die Nähe zu schiffbaren Flüssen noch den zusätzlichen Vorteil des direkten Anschlusses an die Wasserwege garantierte.343 Um gegen Winterregen, Flusshochwasser und Rückstau gewappnet zu sein, wurde dem Landbesitzer das vorsorgliche Reinigen und Freiräumen der Wasserkanäle auf den Feldern anempfohlen344 und auch Grundstücke ohne Zu- und Abflusskanäle sollten gegen die Wucht von Flüssen bei Hochwasser geschützt werden.345 Neben den eben geschilderten Schäden und Sachverlusten war der Verlust an Ackerland durch Erosion ein großes Problem, mit dem sich die Landbesitzer zu arrangieren hatten. Zwar wurden An- und Abschwemmungen nicht ausschließlich durch Hochwasser versursacht, doch konnten Flutereignisse besonders drastische Veränderungen an Aussehen und Ausdehnung von Grundstücken, mancherorts gar von ganzen Landstrichen verursachen, deren Grenzmarkierungen infolge der Flut häufig verlorengingen.346 So führten Flusshochwasser regelmäßig zu Grenz- und Besitzstreitigkeiten zwischen benachbarten Landbesitzern, was sich in den Rechtstexten und den Feldmessertexten gleichermaßen niedergeschlagen hat.347 Neben privaten Grundbesitzern

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In der Lex Ursonensis (Stylow 1997) beispielsweise wird der gemeinschaftliche Gebrauch sowie der öffentliche Zugang zu Wasser in gleich fünf verschiedenen Paragraphen (§ 77, § 79, § 99, § 100 und § 104) für unterschiedliche Gewässerarten (fluvii – Flüsse, rivi – Bäche und Kanäle, fontes – Quellen, lacus – Seen, stagna – Teiche, paludes – Sumpfgebiete) geregelt; dazu s. Ruiz Gutiérrez 2009: v. a. 71 mit weiteren Ausführungen zur öffentlichen Wasserverwaltung in den hispanischen Provinzen Roms. Tölle-Kastenbein 1990: 116–120; zur Archäologie der Wasserinfrastruktur im römischen Nahen Osten s. Kamash 2010. Dammkonstruktionen der Römer hatten auf der Apenninenhalbinsel selbst keine Vorläufer und so scheint es naheliegend, dass erst durch die römische Expansion in den arideren Teil des Mittelmeerraums die Technik des Wasserrückhalts mittels Stauseen Eingang in das römische Wasserbau-Repertoire fand; dazu s. Schnitter 1994: 55. Die meisten römischen Staudämme finden sich auf der Iberischen Halbinsel (ebd.: 59–66, mit Übersichtskarte), in Nordafrika (ebd.: 69–73) sowie – nachweislich bis in byzantinische Zeit hinein – in den östlichen Provinzen (ebd.: 73–80); mehr zum Thema weiter unten in Kapitel III.2.3. Cato agr. 1,3; Varro rust. 1,14,3; 1,16,6; Colum. 1,2,3–4; 2,16,3; dazu Chic García 1990: 15; Parodi Álvarez 2008: 122. So soll Sextus Roscius aus Ameria, den Cicero einst vor Gericht verteidigte, fast ausschließlich Ländereien direkt am Tiberufer besessen haben, weshalb sie als besonders wertvoll galten; Cic. Sex. Rosc. 20. Cato agr. 2,4; 155,1; Varro rust. 1,14,3. Aus den Statuten der Bewässerungsgemeinschaft am Ebro in der Tarraconensis, der Lex rivi Hiberiensis (§ 2b-§ 3b), geht ebenfalls hervor, dass das Reparieren und Reinigen der Kanäle die Hauptsorge der Gemeinschaft waren, um den ungestörten Wasserfluss zu garantieren; s. Beltrán Lloris 2006: 173 f.; außerdem weiter unten in Kapitel III.3.3. Plin. nat. 16,173; Cato agr. 6,3; zudem bereits Plat. leg. 761b-c; zu Letzterem s. Mattern 2009: 88. Agennius Urbicus, C 34,17–21 = L 77,27–78,6 = T 37,20–38,4; Plin. epist. 8,17,5; Shaw 1984: 153. Neben anderen Stellen s. Dig. 10,1,8pr; dazu s. Campbell 2005: 328. In den Feldmesserschriften wird die sogenannte Alluvionsklage vielfach diskutiert. Besonders häufig traten derlei Streitigkei-

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konnten freilich auch ganze Gemeinden in Grenzstreitigkeiten involviert sein, wenn Gemeindegrenzen durch ein Hochwasser unkenntlich geworden waren oder sich der Fluss verlagert hatte, zumal dann, wenn der Wasserlauf selbst als Grenzlinie gedient hatte.348 Trotz aller negativen Auswirkungen bedeuteten Hochwasser und Erosion aber nicht nur Landverlust, sondern auch Landzuwachs an anderer Stelle.349 Das Bild des Flusses als Schöpfer neuer Landschaften klingt deshalb in vielen antiken Quellen an.350 An Flüssen, deren Flutwasser besonders hohe Sedimentfrachten transportierte, so wie dies beispielsweise beim Mäander in Kleinasien der Fall war, konnten auf Dauer sogar ganze Gemeinden von dem neu entstandenen Land im Mündungsgebiet profitieren. Freilich erwuchsen daraus auch wieder neue Probleme, vor allem bodenrechtlicher und fiskalischer Art. Für andere Gemeinden wiederum konnte eine zunehmende Verlandung das Ende ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einläuten, etwa als Hafenstadt, und konnte letztlich auch das Ende ihrer politischen Souveränität herbeiführen.351 Die fruchtbringende, bodenerneuernde Wirkung von alluvialen Ablagerungen ist in vielen antiken Schriften als besonders positives Merkmal für bestimmte Flussläufe aufgelistet. So stellt etwa der Agrarschriftsteller Columella die Fruchtbarkeit von Schwemmerde besonders heraus.352 Nicht nur am Nil war die natürliche Düngung durch Flutwasser in der Antike bekannt und hoch geschätzt.353 Flussinseln waren in so mancher Flusslandschaft begehrte Ackerböden, die allerdings auch schnell wieder ten jedoch zum einen im Alpenvorland auf, zum anderen in Afrika, wie Agennius Urbicus bemerkt (C 34,19–21 = L 78,4–6 = T 38,3–4 zu Nordafrika; C 38,32–40,6 = L 82,22–83,5 = T 42,18–43,8 zum Alpenraum). Zur Alluvionsklage und Grenzstreitigkeiten im Umfeld von Flusshochwassern s. etwa Campbell 2005; Maganzani 1993; Maganzani 2012; Castillo Pascual 2012; Näheres dazu in Kapitel III.1.2. 348 Marzolff 1994: 359 bezeichnet diese Art von Grenze deshalb als „anthropogene Grenze“ im Gegensatz zur naturbedingten „morphologischen Grenze“. Denn obwohl ein Fluss eine natürliche Entität darstellt, sei die Grenzfunktion angesichts der natürlichen Veränderlichkeit des Flussverlaufs in der Praxis nur mühsam einzuhalten gewesen. Zum Problem der veränderlichen χώρα-Grenzen speziell am Mäander, wo diesbezügliche Streitigkeiten eine lange Tradition hatten und zu deren Regelung auf vermutlich vorrömische Rechtspraktiken zurückgegriffen wurde, s. weiter unten Kapitel III.1.2. Campbell 2005: 309 macht darauf aufmerksam, dass die Setzung eines Grenzsteins hauptsächlich nach der Beilegung kommunaler Nachbarschaftsstreitigkeiten gang und gäbe war und weniger zwischen Privatpersonen, was sich im Inschriftenmaterial widerspiegelt: Es stammt fast ausschließlich aus Rechtsverfahren zwischen Gemeinden; dazu s. auch Elliott 2004 mit einer allgemeinen Aufstellung von epigraphisch nachgewiesenen Grenzstreitigkeiten im Römischen Reich. 349 Campbell 2012: 235. 350 Strab. 15,1,16 C 691 mit Verweisen auf Nearchos (FGrHist 133 F 17) und Herodot (2,5,1); vgl. Plin. nat. 2,201; Plut. Is. 39; Arr. Ind. 5,6,3–6; Hdt. 2,10; Thonemann 2011: 295–297. 351 Strab. 12,8,17 C 579; Paus. 7,2,10–11; zu den Textstellen s. Thommen 2009: 29 f.; zu diesem Sachverhalt s. weiter unten Kapitel III.1.3. 352 Colum. 3,11,8. 353 Plin. nat. 3,16; Strab. 3,2,3 C 142; 5,1,4 C 212; Pomp. Trog. 44,1; Kamash 2010: 37–42; Fellmeth 2001: 41; Campbell 2012: 235.

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abgetragen und weggespült werden konnten.354 Sowohl die Feldmesserschriften als auch die Rechtstexte legen im Rahmen der Alluvionsklage beredt Zeugnis davon ab.355 In den trockeneren Gegenden des Römischen Reichs war zudem der Überschwemmungsfeldbau oftmals die einzige Möglichkeit zur Kultivierung von Nutzpflanzen. Neben dem Nil als großem Strom wurde auch an vielen anderen Orten Nordafrikas Flutwasser aus den seltenen jährlichen Regenfällen mitsamt der fruchtbaren Schwemmerde zurückgehalten, um auf Felder umgeleitet zu werden.356 Außer der Landwirtschaft brachte ein saisonales Hochwasser auch der Flussschifffahrt gewisse Vorteile. Zwar ist wohl anzunehmen, dass ab einer bestimmten, jeweils örtlich ganz unterschiedlichen Pegelhöhe und Strömung der Flussverkehr eingestellt werden musste, doch war ein moderates saisonales Hochwasser eher günstig für die Flussschifffahrt und sicher auch für die Flößerei.357 Plinius etwa bemerkt, dass ein Befahren des oberen Tiberlaufs nur mittels eines Sperrsystems möglich war, das zudem bis zu neun Tagen brauchte, um mit genügend Wasser gefüllt zu sein – es sei denn, Regenfälle kämen „zu Hilfe“ (si non adiuvent imbres).358 So gab es im mediterranen Kerngebiet des Römischen Reichs nicht wenige Flussläufe, die nur saisonal nach niederschlagsbedingtem Pegelanstieg befahrbar waren.359 Im Gegensatz dazu waren niedrige sommerliche Pegelstände äußerst ungünstig für den Schiffsverkehr, freilich vor allem dann, wenn besonders schwere Lasten transportiert werden sollten.360 Mehr oder weniger ganzjährig befahrbar waren nur Mündungsgebiete unter Ausnutzung des (im Mittelmeerraum ohnehin geringen) Tidenhubs oder größere Flüsse, die über ausgedehnte Einzugsgebiete verfügten und durch die zahlreichen Zuflüsse dauerhaft

354 Strab. 3,2,3 C 142. 355 Neben vielen anderen z. B. Inst. 2,70–72; Dig. 41,1,56 (Proculus); Dig. 41,1,30pr. (Pomponius); Commentum, C 66,1–10 = L 17,9–22 = T 64,11–24; C 70,5–6 = L 21,25–26 = T 67,17–19; Hyginus 1, C 90,25–30 = L 124,14–125,4 = T 87,15–88,3. 356 Agennius Urbicus, C 46,4–7 = L 88,24–28 = T 49,3–8. Zum Überschwemmungsfeldbau in Nordafrika s. Despois 1961: 222–224 (allgemein bis ins 20. Jahrhundert) und 226–229 (Antike); speziell im antiken Maghreb s. Shaw 1984: 142–147; in der gebirgigen Region der Aurès in der Antike s. Ballais 2009. Für archäologische Beispiele aus römischer Zeit im Wadi Megenin (Libyen) s. Vita-Finzi/Brogan 1965; Schnitter 1994: 71 f.; Shaw 1984: 151–155. Trotz allem scheint das Klima in Nordafrika in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten und noch bis in die ersten beiden Jahrhunderte der Prinzipatszeit hinein deutlich weniger trocken und daher günstiger zur Feldbestellung gewesen zu sein; dazu s. Heide 1997: 87 f. sowie bereits weiter oben in Kapitel I.4. 357 Vgl. Philostr. imag. 1,5,12 zur günstigen Nilflut für Schifffahrt und Ackerbau; zur ausgedehnten Flussschifffahrt auf den großen hispanischen Atlantikflüssen und auf dem Ebro s. Campbell 2012: 247–262; zu Ausdehnung und Bedeutung der Flussschifffahrt im Römischen Reich s. auch Harris 2011a: 159–161. Im Gegensatz dazu war die Schiffbarkeit der Flüsse an der hispanischen Mittelmeerküste saisonal sehr eingeschränkt, was zu Schwierigkeiten bei der Truppenversorgung auf der Iberischen Halbinsel führte; dazu s. Erdkamp 2010: 139 f. 358 Plin. nat. 3,53; Campbell 2012: 204; zur Archäologie derartiger Sperrsysteme s. weiter unten in Kapitel III.2.1b. 359 Harris 2011a: 159. 360 Pol. 9,43,6; Mela 2,81.

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genügend hohe Wasserstände erreichten.361 In nördlicheren Gegenden des Reichs, in denen die ganzjährige Schifffahrt wegen der Vereisung des Fahrwassers nicht möglich war, wurde die zugefrorene Fläche stattdessen als verhältnismäßig ebene Fahrbahn für Fuhrwerke genutzt.362

361 Plin. nat. 4,79 (Donau); Strab. 4,1,2 C 177 (Rhône); Campbell 2012: 204. 362 Verg. georg. 3,360–363: Concrescunt subitae currenti in flumine crustae / undaque iam tergo ferratos sustinet orbis / puppibus illa prius, patulis nunc hospita plaustris … – „Plötzlich erstarrt auf fließendem Strom kristallen die Kruste, schon trägt oben die Woge die eisenbeschlagenen Räder, hatte sonst Schiffe zu Gast, doch jetzt breit lastende Wagen …“ Übersetzung: Johannes und Maria Götte (Götte/Götte 1995). Cassius Dio weiß zudem über ein spontanes Scharmützel auf der zugefrorenen Donau zu berichten, welches sich unter Marcus Aurelius im Jahr 173 n. Chr. mit den Jazygen ereignet haben soll (Cass. Dio 72,7,1). Mit Blick auf die Rheinüberquerung verschiedener Stammeseinheiten um das Jahr 406 n. Chr. bei Mogontiacum könnte hingegen das Detail, dass die Invasoren den Fluss in gefrorenem Zustand überquert haben sollen, eine auf Edward Gibbons zurückgehende Vermutung sein, wie Steinacher 2016: 50 (mit Fn. 86 für weiterführende Literatur) gemeinsam mit Kulikowski 2000: 326, Fn. 8 und Elton 1997: 78 zu bedenken gibt, da die Hauptquelle zu dem Ereignis (Hier. epist. 123, 16) keinerlei Einzelheiten zum eigentlichen Vorgang des Übersetzens preisgibt; zu dieser Diskussion ausführlich Steinacher 2016: 49–57; auch Halsall 2007: 211 mit Fn. 121.

II. Römische Diskurse um Flusshochwasser II.1 Lateinische Bezeichnungen für das Ausufern von Flüssen Hochwasser ereigneten sich auf dem gesamten Gebiet des Römischen Reichs in regelmäßiger Wiederkehr und beeinträchtigten den Alltag der Menschen. Folglich wurden sie im antiken Schrifttum in unterschiedlichen Zusammenhängen thematisiert und vermutlich wurde im Alltag auch viel über Flutereignisse geredet.1 Während das gesprochene Wort – Unterhaltungen etwa oder die mündlich weitergetragene Kunde – längst verklungen ist, ist doch einiges an schriftlichen Zeugnissen erhalten geblieben. Äußerst heterogene Textgattungen, vom Gedicht bis zum Gesetzestext, vom Brief bis zur Bauinschrift, widmen sich dem Thema und vermitteln einen Eindruck davon, wie Hochwasser erlebt, wahrgenommen und schließlich in Sprachbilder übertragen wurden. Allein die lateinischen Quellen enthalten eine Vielzahl an Begrifflichkeiten, deren Analyse erste Einsichten in den antiken Umgang mit Hochwassern und deren Auswirkungen geben.2 Da der Untersuchungszeitraum dieser Studie mehrere Jahrhunderte umfasst, von der mittleren Republik bis in die Spätantike, liegt es nahe, insbesondere Veränderungen in der Wortwahl sowie Bedeutungsverschiebungen oder gar Bedeutungserweiterungen bestimmter Begriffe in ihrer Chronologie genauer zu betrachten.3

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Ein Zitat aus Juvenals Satiren (Iuv. 6,409–412) lässt immerhin erahnen, welchen Sensationswert der antike Zuhörer so mancher Nachricht über schwere Flutereignisse beimaß: … isse Niphaten / in populos magnoque illie cuncta arva teneri / diluvio, nutare urbes, subsidere terras, / quocumque in trivio, cuicumque est obvia, narrat. – „… daß Niphates sich über die Völker ergossen habe und dort alle Fluren von einer großen Überschwemmung bedeckt seien, daß Städte wankten, das Erdreich sich senke, erzählt sie an jeder Kreuzung jedem, der ihr begegnet.“ Übersetzung: Joachim Adamietz (Adamietz 1993). Auf eine Aufarbeitung der entsprechenden Begrifflichkeiten im Altgriechischen wird an dieser Stelle bewusst verzichtet, da in der vorliegenden Arbeit vor allem der Umgang der römischen Amtsträger mit Hochwasser in den Blick genommen werden soll, der sich gerade in der Amtssprache niederschlägt, wie zu zeigen sein wird. Die im Folgenden aufgeführten Analysen gehen zurück auf Hettinger 2014, wo sich noch weitere Quellenbelege sowie ausführlichere Interpretationen zu ausgewählten Textstellen finden.

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Römische Diskurse um Flusshochwasser

Bei der Durchsicht der lateinischen Berichte über Tiberüberschwemmungen oder Hochwasser an anderen Flüssen, die sich nicht nur inhaltlich auf die Republik beziehen, sondern selbst während republikanischer Zeit oder spätestens zu Beginn des Prinzipats unter Augustus verfasst worden sind, fällt auf, dass oft nur von aqua oder aquae die Rede ist.4 Meist ist dem Substantiv aqua noch ein Adjektiv oder ein weiteres Substantiv beigefügt, das auf die große Wassermenge hinweisen soll, so etwa aquae magnae5 oder aquarum magnitudo6 und ähnliche Kombinationen.7 Sie alle ließen sich problemlos mit dem deutschen Begriff „Hochwasser“ übersetzen. In manchen Fällen werden die auf die Größe verweisenden Nomen und Adjektive auch direkt auf die Gewässerart bezogen, etwa als magnitudo fluminis.8 Aus den Kontexten wird jeweils zweifelsfrei klar, dass es sich um Hochwasser führende Flüsse handelt und nicht lediglich um „große“ Flüsse im Sinne ihrer generellen oder aktuellen Breite.9 Was den Wortkombinationen für sich allein genommen hingegen gänzlich fehlt, ist ein Verweis auf mögliche negative Auswirkungen des Hochwassers. Lediglich auf die große Wassermenge wird angespielt. Damit ging vermutlich – zumindest, was die sprachliche Ausformung betrifft – ein wenig ausgeprägtes Gefahrenbewusstsein gegenüber Hochwasserereignissen einher. Erst in der Prinzipatszeit und insbesondere ab der Hohen Kaiserzeit setzte sich das Substantiv inundatio als Begriff durch, bei dem die Betonung auf der Auswirkung der Flut, also der ‚Überschwemmung‘, liegt.10 Gleichzeitig scheinen die republikanischen aqua-Begriffe ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. relativ abrupt verdrängt worden zu sein, denn wo sie sich in der kaiserzeitlichen oder spätantiken Literatur finden, beziehen sie sich weniger auf Hochwasser11 als auf „Wassermassen“ im weiteren Sinne,12 oft sogar 4 5 6 7 8 9

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So z. B. Liv. 22,2,8; Caes. civ. 1,50. Liv. 24,9,6. Liv. 30,26,5. Beispielsweise Liv. 35,9,2 und 38,28,4 (aquae ingentes); Caes. civ. 1,48,1–4 (maiores aquae); Cic. ad Q. fr. 3,5,8 bzw. 3,7,1 (magna vis aquae); oder in Amm. 29,6,18 auch undarum magnitudo. So etwa Caes. civ. 1,50 (magnitudo fluminis); Cic. inv. 2,31,97 (fluminis … magnitudo). Speziell zur Beschreibung des sommerlichen Hochwassers um Ilerda im August wenige Tage nach der Kapitulation des Afranius und Petreius bei Caesar s. Heide 1997: 64 f., die herausstellt, dass heftige Hochwasser in den Sommermonaten für den Mittelmeerraum zwar selten, aber dennoch „nicht unbedingt außergewöhnlich“ sind. Der Begriff inundatio setzt sich aus der Präposition in und dem Substantiv unda (Welle) zusammen. Gemeint ist demnach der Zustand, in welchem sich Orte oder Dinge während eines Hochwassers befinden, nämlich im bzw. unter Wasser. In dem monumentalen Kalender von Ostia, den Fasti Ostienses, findet sich die lapidare Aufzeichnung zum Jahr 147 n. Chr.: [---]X K(alendas) April(es) aqua magna fuit. – „An den [---] Kalenden des April ereignete sich ein Hochwasser.“ Gemäß der Quellengattung folgt keine weitere Schilderung des Ereignisses. Dafür offenbaren sich hier die eigentlichen Ursprünge insbesondere der livianischen, ganz ähnlich lautenden Aufzeichnungen. Livius’ Werk Ab urbe condita ist stark an annalistische Traditionen angelehnt, die sich in den Fasti Ostienses verkörpert finden, dazu Rüpke 2012: 99 f. Ein weiteres Beispiel stammt aus den Digesten (Dig. 50,17,23) und somit aus dem 6. nachchristlichen Jahrhundert, was überraschend spät ist. Dort ist von aquarum magnitudines

Lateinische Bezeichnungen für das Ausufern von Flüssen

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mit positiven Konnotationen. Letzteres ist vor allem bei Texten aus christlichen Zusammenhängen der Fall.13 Die sprachliche Wendung weg von aqua magna und ähnlichen Komposita hin zu inundatio könnte als Indiz für einen Wandel in der Wahrnehmung von Flusshochwasser gewertet werden. Immerhin vollzog sich der Wortwandel gerade in einem Zeitraum, in welchem viele Bauaktivitäten in der Stadt Rom sowie in anderen bedeutenden Städten des Römischen Reichs die Urbanisierung vorantrieben.14 Wegen der Ausdehnung des städtischen Bauplatzes jeweils bis an die Gewässerufer hatte sich im Laufe der Zeit auch die Flutanfälligkeit der Nutzbauten und Wohnstätten im Uferbereich erhöht.15 Aus diesem Grund wird es in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts v. Chr. zu einer Häufung von Überschwemmungen ausgedehnter ufernaher Bereiche gekommen sein, wovon immer mehr Menschen wie auch Sachwerte betroffen gewesen sein dürften.16 Vor diesem Hintergrund scheint es leicht erklärbar, wieso sich auch im Sprachgebrauch eine Wendung hin zu einem Begriff vollzog, der im Gegensatz zu den früheren Begriffen gezielt auf die Auswirkungen der Flusshochwasser aufmerksam machte.

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die Rede als Beispiel für höhere Gewalt. Überschrieben ist die Rubrik allerdings mit de diversis regulis iuris antiqui und rekurriert somit auf einen sehr viel früher verfassten Text, der wörtlich übernommen worden zu sein scheint. Dafür spricht auch, dass im Prooemium der Digesten (Dig. 1,8c) explizit darauf verwiesen wird, dass das „letzte Buch“ (also Buch 50) alte Rechtsgrundsätze aus sehr viel früheren Zeiten, möglicherweise also auch aus der Republik und der frühen Prinzipatszeit, enthält. Da der Gesetzestext aus dem Werk Ulpians übernommen worden ist, wäre es alternativ jedoch auch möglich, dass es sich um eine Formulierung Ulpians handelt, der bekanntlich inspiriert durch seine kompilatorische Tätigkeit älterer Rechtstexte selbst häufig zu antiquierten Ausdrucksweisen griff; dazu s. Honoré 1982: 247. Für das erste Jahrhundert des Prinzipats s. auch Plin. nat. 5,58. Dort sind ampliores aquae als Gegenstück zu minores aquae (also als Hoch- und Niedrigwasser) auf den Pegelstand des Nils bezogen. Beispielsweise bei Hier. comm. in Ez 9,30 oder Greg. M. dial. 4,3,19. Gleiches gilt für inundatio: Cypr. epist. 73,10; Lact. div. inst. 7,3,25. Christliche Schriften nutzen das Substantiv auch häufig unabhängig vom Stoff Wasser als Metapher für die Erfüllung (inundatio) durch den heiligen Geist, so etwa bei Aug. serm. 32,41,115; Aug. in psalm. 38,45,8,3; Verecund. in cantic. Habac. 10,17. Zu Rom s. Favro 1996; Robinson 1994: v. a. 17–19 und 98–99. Einen systematischen Einblick in die römische Politik der Urbanisierung zwecks Stabilisierung, Verwaltung und Kontrolle des sich konsolidierenden Imperiums, insbesondere bei den Gemeinden im Westen, geben Galsterer 2006; Dahlheim 2013: 134–147, v. a. 142. Besonders in der Stadt Rom hatte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte der Republik die Bebauung immer mehr dem Tiberufer genähert, bis sie schließlich direkt an die Gewässerkante stieß; Suet. Aug. 30,2. Durch das Vorrücken der regulär durch den Menschen genutzten Flächen bis an die Wassergrenze erhöhte sich deren Vulnerabilität gegenüber Hochwassern, was grundsätzlich unabhängig von natürlichen Einflüssen zu verstehen ist; zur menschengemachten Vulnerabilität historischer Gesellschaften gegenüber Hochwassern s. Lübken 2014: 13–18; Sonnabend 1999: 237; außerdem Reichholf 2018: 52–55 bezüglich der erhöhten Flutanfälligkeit durch Regulierungsmaßnahmen an Flussläufen v. a. in Mitteleuropa seit dem Spätmittelalter. Wenn sich Vermögenswerte in flutgefährdeten Zonen konzentrieren, erhöht sich der potentielle Schaden, der durch eine Überflutung entstehen kann, ebenfalls, was zunächst unabhängig von natürlichen Einflussfaktoren oder mangelhaften Hochwasserschutzmaßnahmen zu denken ist; dazu s. Plate/Merz 2001: 2.

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Die Betonung des Unterwasserstehens suggeriert, dass Überschwemmungen inzwischen primär als nicht alltägliche, irreguläre Ereignisse angesehen wurden, die sich auf Flächen ereigneten, die in irgendeiner Weise vom Menschen genutzt und deren Überschwemmung dementsprechend als störend empfunden wurde. Bezogen auf den von Waldherr geprägten Begriff des „außergewöhnlichen Normalen“ ließe sich formulieren, dass sich der Blick nun weg von der Normalität eines Hochwassers hin zu den außergewöhnlichen Effekten, die ein Hochwasser hervorrufen konnte, richtete.17 Da sich sprachliche Wandlungen oftmals in sehr viel langsamerem Tempo vollziehen als sich andere Aspekte der lebensweltlichen Erfahrung verändern, sollte es auch nicht verwundern, dass der problemorientierte Begriff inundatio erst ab der Prinzipatszeit häufiger in Gebrauch kam, obgleich schon in republikanischer Zeit gerade ufernahe und niedrig gelegene Flächen innerhalb der Stadt Rom sukzessive bebaut und städtebaulich erschlossen wurden.18 Dass sich ausgerechnet unter Augustus’ Herrschaft die Vokabel inundatio dauerhaft durchsetzte, könnte damit in Zusammenhang gebracht werden, dass gerade unter seiner Herrschaft viele städtebaulichen Missstände in Rom systematisch angegangen wurden und die Aufmerksamkeit somit während seiner Regierungszeit verstärkt auf derlei Angelegenheiten gelenkt wurde.19 Auch dies könnte das Problembewusstsein gegenüber Hochwasser gesteigert und sich in letzter Konsequenz sprachlich niedergeschlagen haben. In dem Zusammenhang ist es sogar denkbar, dass inundatio eines der Schlagworte aus dem politischen Reformprogramm des Augustus war, das erst durch ihn geprägt und verbreitet wurde. Letztlich könnte es also sein, dass erst die von Augustus koordinierten, aber wohl noch nicht auf Dauer gestellten Maßnahmen zum Hochwasserschutz in Rom auch eine Problematisierung auf verbaler Ebene nach

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Vgl. Waldherr 1997: 10 und die Ausführungen weiter oben in Kapitel I.1. Zum sukzessiven Ausbau der Ufer innerhalb der Stadt Rom sowie zur Bebauung des ehemals frei gelassenen Areals auf dem Marsfeld kam es bereits im Laufe der Mittleren und verstärkt noch in der späten Republik, insbesondere durch unkoordinierte Privatinitiativen; s. Zanker 2009: 28–34 zur Entwicklung des architektonischen Gesamtbildes von Rom bis zur Herrschaft des Augustus; zum Marsfeld s. ebd.: 32 f. Insbesondere jedoch unter den ersten Kaisern im 1. nachchristlichen Jahrhundert erfährt der Schwemmlandbereich des Tibers auf dem Marsfeld umfassende Ausbau- und Umgestaltungsphasen. Allgemeine Tendenzen und Phasen des Ausbaus sowie der Monumentalisierung des Marsfeldes in Rom von republikanischer Zeit an bis ins Hohe Prinzipat fasst Albers 2013 zusammen; in Kurzfassung s. auch Albers 2008. Viele Maßnahmen wurden unter Augustus ins Leben gerufen, um die städtische Infrastruktur zu verbessern. Außerdem wurden neue oder in ihren Kompetenzen veränderte curae konzipiert, die mit der Aufsicht und Wartung der neuen wie der bestehenden Infrastrukturbauten betraut wurden; Suet. Aug. 28,3; 30,2; 37,1; Cass. Dio 49,43,1; 57,14,8; für die Entwicklungsgeschichte und Überlegungen zur Systematik der Reformen s. Bruun 2006; Kolb 2018: v. a. 199–205, jeweils mit weiterführender Forschungsliteratur zur Diskussion. Die rege Bautätigkeit in Rom zwischen spätrepublikanischer und augusteischer Zeit hat freilich auch Kritik hervorgerufen, die insbesondere in satirischer Manier formuliert und verbreitet wurde; dazu zusammenfassend Schmitzer 2016: 174–176.

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sich zog. Dafür spricht auch, dass die Vokabel vom Kaiserbiographen Sueton im Zusammenhang mit den augusteischen Hochwasserschutzmaßnahmen mehrfach genannt wird.20 Wo auch immer spätere Kaiser in ihren Inschriftentexten entlang des Tibers das Schlagwort inundatio verwendeten, könnten sie sich damit bewusst in die augusteische Tradition der Hochwasservorsorge am Tiber gestellt haben.21 Falls der inundatio-Begriff auf politischer Ebene tatsächlich im Rahmen der augusteischen Reformpolitik aufgekommen ist, würde dies bedeuten, dass Hochwasservorsorge in Rom demonstrativ zur Angelegenheit des Prinzeps erklärt wurde. Noch viel gebräuchlicher war der Begriff inundatio allerdings in der normativen Auseinandersetzung mit Überschwemmungen. Dementsprechend findet sich der Ausdruck besonders in Rechtstexten, in den Schriften der Feldmesser sowie in geographischen Abhandlungen. Darin waren mit inundatio zumeist keine bereits vorgefallenen Flutereignisse gemeint. Vielmehr wurde mithilfe dieser Bezeichnung auf Hochwasser als Naturphänomen verwiesen. Die Rechtstexte beschäftigen sich deshalb mit hypothetischen Überschwemmungen, weil sowohl Vor- als auch Nachsorgemaßnahmen eine gesetzliche Regelung verlangten, mit deren Hilfe der Kaiser Recht, Ordnung und Sicherheit im Reich garantierte.22 In den Feldmesserschriften werden Überschwemmungen oft im Zusammenhang mit Grenzstreitigkeiten thematisiert, wobei sowohl die Art und Weise der Überschwemmung als auch der genaue Rechtsstatus des betroffenen Stück Landes von entscheidender Bedeutung waren, wenn es um Zuständigkeiten und Entschädigungsmaßnahmen ging.23 In den Rechtstexten wurde, ebenso wie in den Schriften der Gromatiker, der Sachverhalt der inundatio im Kontext des ius alluvionis diskutiert. Was geographische Werke angeht, werden in ihnen zwar ab und an auch konkrete Hochwasserereignisse beschrieben, doch überwiegen die Informationen zu allgemeinen landschaftlichen Charakteristika, sodass Hochwasser auch dort zumeist als

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Suet. Aug. 28,3; 30,2. So wird auf den Kaiserinschriften an den Hafenkanälen in Ostia und Portus von Claudius (CIL XIV 85 = ILS 207), Trajan (CIL VI 964 = CIL XIV 88 = ILS 5797a = AE 2002, 279) und Commodus (AE 1909, 67) möglicherweise gezielt auf das Schlagwort zurückgegriffen. Auffällig ist jedenfalls, dass an kaiserlichen Bauinschriften, die außerhalb des Tiberunterlaufes auf Hochwasser Bezug nehmen, hingegen nur selten von inundatio die Rede ist; so z. B. auf einer Brückeninschrift bei CIL X 6876 = ILS 5859 unter Caracalla. Umschrieben oder anders bezeichnet wird die Überschwemmung etwa bei CIL III 199 = ILS 5864 (fluminis vi); AE 1973, 226 (maris et fluminum violentia); AE 1893, 84 (adluvio maris); CIL XII 107 = ILS 5868 = AE 1996, 981 = AE 2009, 803 (vi torrentium), wobei hier freilich eher die Schadensursache beschrieben wird und keine Hochwasserschutzwirkung der reparierten Gebäude (Straßen und Brücken) intendiert war. So z. B. Dig. 10,1,8 (Ulpian); Dig. 41,1,30,3 (Pomponius); Dig. 41,1,7,6 (Gaius); Inst. 1,24. Zu den juristischen Diskussionen um den Sachverhalt der inundatio s. weiter unten in Kapitel III.1.2b. Agennius Urbicus, C 34,20 = L 78,4 = T 38,3; C 40,6 = L 83,5 = T 43,7; Commentum, C 66,12 = L 17,25 = T 64,27. Auch dazu weiter unten in Kapitel III.1.2b.

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regelmäßig auftretendes Phänomen Erwähnung findet.24 Damit ist auch geklärt, warum sich gerade in den Beschreibungen der Nilflut die Vokabel inundatio vielfach wiederfindet:25 Die Nilschwelle war das Paradebeispiel für regelmäßig auftretende Hochwasser und somit die dominierende Naturerscheinung Ägyptens. In Quellen anderer Textgattungen ist ebenfalls die Tendenz zu erkennen, dass selten ein einmaliges Flutereignis als inundatio bezeichnet wurde und sich die Vokabel stattdessen überwiegend auf Überschwemmungen im Allgemeinen bezog.26 Darüber hinaus wurde in den historiographischen Werken ebenso wie in der Dichtung häufig auf Verben oder Partizipialkonstruktionen zurückgegriffen, um Flutereignisse zu schildern. Auf ein eindeutiges Substantiv, sei es nun aqua (magna), inundatio oder ähnliches, wurde hingegen meist gänzlich verzichtet. Dies hat sicherlich zum einen mit der Natur der lateinischen Sprache und den Intentionen der antiken Autoren zu tun, die weniger auf einheitliches Fachvokabular als auf ausführliche Beschreibungen aus waren.27 Zum anderen zeichneten sich gerade Dichtung und Historiographie, beides literarische Gattungen höchsten sprachlichen Niveaus, durch raffinierte Wortwahl und vor allem Wortvarianz aus. Wenn tatsächlich vorgefallene Flusshochwasser thematisiert wurden, schien es ohnehin viel naheliegender, Einzelheiten möglichst anschaulich zu beschreiben. Anstatt lediglich darauf zu verweisen, dass sich ein Hochwasser ereignet hat, schwellen in den antiken Texten die Flüsse an, treten über ihre Ufer, verlassen ihr Bett, bedecken weite Ebenen und streifen in der Stadt oder auf den Äckern umher.28 Beschreibungen solcher Art sind immer wieder in der Dichtung und 24 25

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So etwa für den Po: Strab. 5,1,5 C 212; Plin. nat. 3,117; Pol. 2,16,8–9; Agennius Urbicus, C 40,4–6 = L 83,2–5 = T 43,4–8; vgl. Commentum, C 66,11–13 = L 17,22–25 = T 64,25–27. Zur Nilschwelle als Nili inundatio oder inundatio Nili z. B. Plin. nat. 6,166; 9,179; 24,169; Sen. nat. 6,8,3; Plin. paneg. 30,5; Cod. Iust. 7,41,2. Allerdings finden sich gerade bezüglich der Nilschwelle auch verschiedene andere Vokabeln, die allesamt entweder auf das Ansteigen des Wassers oder auf das Ausufern verweisen, so etwa bei Plin. nat. 5,58 incrementum [Nili]; Plin. nat. 5,51 Nilus increscit; Plin. nat. 5,55 suspensum abundare. Gleichwohl fand die Vokabel inundatio in der kaiserzeitlichen Historiographie auch häufig als Bezeichnung für ein Flutereignis Verwendung, so etwa bei Tac. ann. 1,86; Suet. Otho, 8,3; Val. Max. 1,6,3; Frontin. strat. 3,7,3; Flor. epit. 1,13,17; SHA Hadr. 21,6; SHA Pius 9,3; SHA M. Aur. 8,4. Vielleicht war der Begriff wegen der wirtschaftspolitisch wichtigen Nilflut (die ägyptischen Lebensmittelimporte hingen davon ab) zunehmend in den alltäglichen Sprachgebrauch der Eliten übergegangen. Auch in der Spätantike findet sich der Begriff noch als Bezeichnung für konkrete Hochwasserereignisse, so z. B. Oros. 3,6,1. Ohne an dieser Stelle auf die Forschungsdiskussion einzugehen, was Fachvokabular im Einzelnen ausmacht, sei hier nur auf einen Aufsatz von Fögen 2005 verwiesen. Dort gibt er zu bedenken, dass antike Fachtexte schon aus ihrem sozialen und kulturellen Entstehungskontext heraus kaum mit den Standards und dem Verständnis heutiger Fachtexte vergleichbar sind, da sie größtenteils völlig anderen Ansprüchen genügen müssen; vgl. weiter oben Kapitel I.3.2. Speziell auf Wasserbau und Hydrologie bezogen s. auch Purcell 1996: 180. So etwa neben anderen Beispielen Hyginus 1, C 90,33 = L 125,8–9 = T 88,7–8 (fluvius … excedens … alveum per regionem vageretur); Plin. epist. 8,17,1 (Tiberis alveum excessit); Liv. 30,38,10 (abundavit Tiberis); Aug. civ. 3,18 (exundante … fluvius Tiberinus); Mart. 10,10,85,3–4 (saepe vagus premit torrentibus undis Thybris et hiberno rumpit arva lacu). Eine aktuelle, hauptsächlich hydrowissenschaft-

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ebenso in der Prosaliteratur zu finden. In all jenen Textgattungen werden bisweilen Hochwasserereignisse behandelt und anschaulich dargestellt, doch kommen sie häufig ohne ein eindeutiges Nomen für ‚Überschwemmung‘, ‚Flut‘ oder ‚Hochwasser‘ aus. Ähnlich liegt der Fall bei Inschriftentexten. Auch dort werden meist Partizipialkonstruktionen zur Beschreibung einer Flut und damit einhergehenden Wiederaufbaumaßnahmen benutzt,29 allerdings aus anderen Gründen. Einerseits war die Anfertigung von Inschriften kostenintensiv. Durch knappe Formulierungen konnte wenigstens etwas Platz auf dem teuren Inschriftenträger gespart werden. Da es andererseits aber aus Sicht der Stifter günstig war, über Fluthergang und Wiederaufbaumaßnahmen möglichst detailreich zu berichten, damit ihre Rolle als Wohltäter genügend deutlich zur Geltung kommen konnte, boten sich als Kompromiss besagte Partizipialkonstruktionen an. Mit ihnen war es möglich, auf knapp bemessenem Raum über möglichst viele Einzelheiten, so etwa die Schwere der Überschwemmung und das Schadensausmaß, zu berichten. Also ist oft die Rede von Brückenpfeilern, die durch pure Wassergewalt oder durch regengespeiste Sturzbäche beschädigt und nun verstärkt wiederaufgebaut wurden, ebenso von ausgebesserten Straßenbelägen und bisweilen auch von Aquädukten, die von Starkregen sehr in Anspruch genommen und von der starken Strömung des Flusswassers unterspült wurden.30 Wertvoll für die geschichtswissenschaftliche Auswertung all dieser Texte ist ihr Detailreichtum, insbesondere zum Flutereignis selbst. Denn während der bloße Verweis auf eine Überschwemmung mithilfe eines einfachen Substantivs wenig über Ursachen und Begleitumstände aussagen würde, enthalten sowohl die literarischen als auch die

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liche Studie aus dem Jahr 2016 der Technischen Universität Wien stellt eine Methode vor, mit deren Hilfe angeblich sogar literarische Flutberichte aus der Zeit vor der heutigen instrumentellen Pegelmessung für die Rekonstruktion historischer Spitzenabflüsse und Höchstpegelstände herangezogen werden können (Salinas et al. 2016). Selbst auf längst vergangene Epochen soll die Methode anwendbar sein, in denen weder die Abflüsse noch die topographische Beschaffenheit der betreffenden Flussläufe den heutigen entsprachen, unter der alleinigen Voraussetzung, dass geowissenschaftliche Modellierungen vorliegen. Allerdings sind an den Forschungen bisher ausschließlich Geowissenschaftler beteiligt, die dementsprechend kaum über ausreichende Kenntnis zur kritischen Quellenlektüre nach geschichtswissenschaftlichen Kriterien verfügen können. So ist die Gefahr eines Quellenpositivismus groß – die Texte sollten innerhalb ihres historischen Entstehungskontexts behandelt werden, was im nötigen Ausmaß nur ausgebildeten Historikern vorbehalten bleibt. So werden beispielsweise Straßen „von der Wucht des Flusses plötzlich weggerissen … mittels eines Schnitts durch den Berg“ wiederhergestellt (CIL III 199 = ILS 5864: viam fluminis / vi abruptam interciso / monte restituerunt). Freilich berichten die Inschriften unterschiedlich ausführlich von den Flutereignissen und Schutzmaßnahmen; s. beispielsweise CIL II 3270 = ILS 5513 = AE 1975, 526; AE 1911, 101; AE 1912, 155; CIL IX 5994 = CIL X 6922; AE 1893, 84; AE 1973, 226; CIL IX 5980 = CIL X 6908 = ILS 5858; CIL IX 6010; AE 1969/70, 135; CIL X 6876 = ILS 5859; CIL XII 107 = ILS 5868 = AE 1996, 981 = AE 2009, 803; CIL VIII 2661 = ILS 5788 = AE 1973, 645; CIL VIII 22371 = ILS 5869; CIL III 600 = ILS 2724 add. = LIA 188 = AE 1997, 1352; wahrscheinlich auch CIL X 3831 = CIL 3535 (Meilenstein des Antoninus Pius am Volturnus, dazu s. Chioffi 2005: 161).

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inschriftlichen Texte oft interessante Einzelheiten zu Ursachen und Fluthergang. Häufig genannt werden Starkregen31 oder die Schneeschmelze,32 die zumindest nach Ansicht der Autoren oder Inschriftenstifter die Fluten auslösten. Daraus ist einiges über das antike Wissen über die natürlichen Auslöser von Flusshochwassern zu erfahren, doch wird dies in einem eigenen Kapitel (II.3) detaillierter thematisiert werden. So bleibt hier lediglich zu betonen, dass es in all jenen Berichten nicht oder wenigstens nie primär um naturwissenschaftliche Beschreibungen im heutigen Sinne ging, sondern vielmehr andere Beweggründe die Autoren dazu veranlassten, über bestimmte Einzelheiten im Umfeld eines Hochwassers zu berichten. Dementsprechend können sie freilich auch nicht in Aussagewert und Exaktheit der Darstellung mit heutigen naturwissenschaftlichen Beschreibungen gleichgesetzt werden. Erst in der Spätantike kam eine weitere Vokabel zur Bezeichnung eines Hochwassers hinzu. Die in Republik und Kaiserzeit vor allem in der Dichtung gebräuchliche Bezeichnung diluvium, auch diluvies, stammt etymologisch vom Verb diluere, „auflösen“, ab. Sie war daher besonders im Zusammenhang mit weltumfassenden Flutgeschichten gebräuchlich, so etwa für die Sintflutgeschichte von Deukalion und Pyrrha oder zur Bezeichnung der stoischen Denkfigur des Kataklysmos.33 Zur Bezeichnung tatsächlich vorgefallener Flutereignisse lassen sich hingegen nur in Einzelfällen Wörter aus diesem Wortfeld nachweisen, die vor der Spätantike datieren. Auffällig ist hierbei, dass es sich in beiden Fällen um dieselbe Textgattung handelt, namentlich um Briefe. Nur Cicero und Plinius der Jüngere verwenden jeweils in ihren Augenzeugenberichten zu Überschwemmungen des Tibers Vokabeln aus dem Wortfeld diluvium, wobei zu betonen ist, dass es sich zumindest im Fall des Plinius um den Brief als literarische Gattung handelt und nicht etwa um echte, unredigierte Privatbriefe.34

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Im Zusammenhang mit Flusshochwassern ist niemals von pluvium, sondern immer von imber die Rede, so etwa bei Tac. ann. 1,76; Plin. epist. 8,17; Amm. 29,6,17. Für die Erwähnung auf Inschriften s. CIL II 3270 = ILS 5513 = AE 1975, 526 (Castulo, Hispanien); CIL VIII 10314 und CIL VIII 10315 (El Arrouch, Numidien) und viele andere. Laut Döderlein 1827: 87–89 bezieht sich die Vokabel imber auf einen starken Winterregen, der oft mit langanhaltendem, kaltem und stürmischem Wetter einhergeht. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei pluvium eher um leichten Sommerregen; vgl. Walde/Hofmann 1954: s. v. imber = „Regen, Regenguß, Platzregen“ im Gegensatz zu pluvia = „Regenwasser“. Z. B. Agennius Urbicus, C 38,32–40,11 = L 82,22–83,12 = T 42,18–43,15; Ov. am. 3,6,7; Strab. 3,5,9 C 175; Pol. 2,16,9; Caes. Gall. 1,48,2; Hor. carm. 1,2,1. Hyg. fab. Deucalion et Pyrrha: Cataclysmus, quod nos diluvium vel irrigationem dicimus … – „Der Kataklysmos, den wir als diluvium oder irrigatio bezeichnen …“. Nach Auffassung der Stoiker wurde die Erde in regelmäßigen Zeitabständen abwechselnd von einer weltumfassenden Sintflut und einem Weltenbrand heimgesucht, der sämtliches Leben auf der Erde auslöschen und Platz für neues Leben schaffen würde; s. Wildberger 2006: 56–58 vor allem mit Blick auf Senecas Schriften; sonst auch Caduff 1986: 142–153. Auffällig ist allerdings, dass das zugehörige Verb diluere nicht in den mythischen Fluterzählungen gebraucht wird; ebd.: 200. Fögen 2018.

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Plinius der Jüngere macht von dem Substantiv im Plural (diluvia) Gebrauch, um die lange Dauer des Flutereignisses aus einem unbestimmten Jahr kurz nach 107 n. Chr. zu betonen,35 während Cicero für ein Tiberhochwasser des Jahres 54 v. Chr. gar auf den Begriff proluvies zurückgreift, der hauptsächlich auf den sich ansammelnden Schlamm und auf Treibgut aufmerksam machen soll.36 In beiden Fällen wird auf die negativen Assoziationen angespielt, die sich an die Begriffe knüpfen, und bauen auf deren starke emotionale Wirkung. Sie wurden von den beiden Autoren gezielt eingesetzt. Da beide in der Rolle als Augenzeugen berichten, wirken die starken Begriffe zum einen besonders authentisch, zum anderen könnten sie zumindest ein Stück weit sogar den tatsächlichen Eindruck der beiden Autoren wiedergeben. Es wäre vor diesem Hintergrund also denkbar, dass auch im alltäglichen Sprachgebrauch diluvium und ähnliche Bezeichnungen benutzt wurden, um über besonders verheerende Überschwemmungen zu sprechen, insbesondere in den Berichten von Augenzeugen. In der Wahrnehmung direkt von der Flut Betroffener könnten schwere Überschwemmungen durchaus den Eindruck einer alles zerstörenden Sintflut hinterlassen haben und im Nachhinein könnte es mithilfe dieser Vokabel dann möglich gewesen sein, ihre intensiven Erfahrungen an andere weiterzugeben.37 In christlichem Kontext kommt die Vokabel zunächst ebenfalls zur Bezeichnung allumfassender Fluten auf, zum einen als Begriff in der biblischen Sintflutgeschichte des Noah und zum anderen als Begriff für die zur Endzeit erwartete Sintflut. Eng damit verbunden ist – auch bei nichtchristlichen Texten – eine gewisse Vorstellung göttlichen Waltens.38 Das hängt wohl damit zusammen, dass diluvium besonders den Aspekt

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Plin. epist. 8,17,1: Num istic quoque immite et turbidum caelum? Hic assiduae tempestates et crebra diluvia. – „Ist denn dort bei euch das Wetter auch so rau und stürmisch? Hier kommt es zu anhaltenden Unwettern und wiederholten Überschwemmungen.“ Zur Datierung des Plinius-Briefes s. Sherwin-White 1966: 467. Cic. ad Q. fr. 3,7,1 (3,5,8): Romae, et maxime Appia ad Martis, mira proluvies. – „In Rom, und zwar besonders auf der Via Appia um den Marstempel, gibt es eine erstaunliche Überschwemmung.“ Das Präfix pro- verweist in erster Linie auf die Ansammlung von Schmutz durch das Hochwasser, zumal proluvium auch zur Bezeichnung von Müll und Unrat gebräuchlich war; vgl. Lucr. 6,1200. In zwei seiner Satiren nutzt Juvenal im Zusammenhang mit Überschwemmungen ebenfalls Vokabeln aus dieser Wortfamilie (Iuv. 3,32: eluvies; 6,411: diluvium). In beiden Fällen wird deutlich, dass es sich um sprachliche Übertreibungen handelt, die die Funktion haben, den Sensationsgehalt des Ereignisses im Sinne des karikierten Sprechers besonders hervorzuheben. Auch dies kann als weiterer Hinweis darauf gewertet werden, dass im mündlichen Sprachgebrauch häufig derartige Bezeichnungen für Überflutungen verwendet wurden, um dem Erzählten Nachdruck zu verleihen. Darüber hinaus handelt es sich bei Juvenals Werk um Dichtkunst, welche gattungsbedingt ohnehin zu Übertreibungen sowie zu antiquierter Sprache und außergewöhnlichen Ausdrucksweisen neigt. Caduff 1986: 205–216 betont in seiner Gesamtstudie über antike Mythen zum Sintfluttopos jedoch, dass sich keine generelle Tendenz zu einem „Schuld-Sühne-Schema“ (ebd.: 216) erkennen lässt. Vielmehr lassen sich insbesondere in den Sintflutmythen außerchristlichen Kontexts verschiedene nichtmoralisierende Motive göttlichen Handelns identifizieren, darunter etwa der Antagonismus zwischen verfeindeten Göttern oder auch bloße göttliche Willkür. Im Gegensatz dazu tritt die monotheistische Gottheit der christlichen Tradition, die sich nicht gegenüber anderen

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des Auflösens bestehender Ordnungen betont und gerade dadurch in ihrem Umfang totalitär wirkt.39 Dennoch gibt es ab der Spätantike auch andere Textzeugnisse, in denen Begrifflichkeiten aus diesem Wortfeld auf wahre Flutereignisse rekurrieren. Beispielsweise berichtet Sextus Aurelius Victor im späten 4. Jahrhundert n. Chr. in seinem Werk über das Leben der römischen Kaiser von einer Tiberüberschwemmung, die „einer Sintflut gleich“ oder auch „sintflutartig“ gewesen sei.40 Ähnlich kommt Theoderich im 6. Jahrhundert in einem Brief an Cassiodor auf das Phänomen der Nilschwelle zu sprechen, welches er seinerseits als diluvium bezeichnet.41 Schließlich wird in einer längeren Textstelle aus dem Werk Isidors von Sevilla aus dem 6. Jahrhundert deutlich, wodurch die Bedeutungserweiterung von der mythischen Sintflut zur säkularen Flut ausgelöst worden sein könnte. Der im westgotischen und kurzzeitig von Kaiser Justinian zurückeroberten Hispalis wirkende Isidor hält in seiner lateinischen Etymologie unter dem Lemma diluvium Folgendes fest: Diluvium dictum quod aquarum clade omnia quae inundaverit deleat. Primum diluvium extitit sub Noe, quando hominum sceleribus offensus Omnipotens, toto orbe contecto, deletis cunctis, unum spatium caeli fuit ac pelagi. Cuius indicium hactenus videmus in lapidibus quos in remotis montibus conchis et ostreis concretos, saepe etiam cavatos aquis visere solemus. Secundum diluvium fuit in Achaia Iacob patriarchae et Ogygi temporibus, qui Eleusinae conditor et rex fuit, nomenque loco et tempori dedit. Tertium diluvium in Thessalia Moysi vel Amphictyonis temporibus fuit, qui tertius post Cecropem regnavit. Cuius temporibus aquarum inluvies maiorem partem populorum Thessaliae absumpsit paucis per refugia montium liberatis, maxime in monte Parnaso; in cuius circuitu Deucalion tunc regno potiebatur, qui tunc ad se ratibus confugientes susceptos per gemina Parnasi iuga fovit et aluit. A quo propterea genus hominum Graecorum fabulae ex lapidibus reparatum ferunt ab eo propter hominum insitam cordis duritiam. Sed et flumina cum insolitis aucta imbribus ultra consuetudinem, vel diuturnitatem vel magnitudinem, redundant multaque prosternunt, et ipsa diluvium dicuntur. Sciendum autem, flumina cum supra modum crescunt, non tantum ad praesens inferre damna, sed etiam et aliqua significare futura. Diluvium (Überschwemmung) wird so genannt, weil es durch das Niederstürzen der Wasser alles, was es überschwemmt, zerstört (delere). Die erste Überschwemmung gab

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Göttern behaupten muss, klar als moralisch wertende Macht gegenüber menschlichem Handeln auf. Caduff 1986: 200–205. Aur. Vict. 32: Tiberis adulta aestate diluvii facie inundavit. – „Der Tiber stieg im Spätsommer einer Sintflut gleich an.“ Ergänzend sei hier angemerkt, dass selbst in der heutigen Berichterstattung zu Überschwemmungsereignissen oftmals von „sintflutartigen Regenfällen“ als auslösendes Ereignis die Rede ist. Cassiod. inst. 3,52: … ubi Nili fluminis superveniente diluvio indicia finium vastissimus gurges abradit … – „… wo das unermesslich tiefe Wasser des plötzlich zur Flut ansteigenden Nils die Grenzmarkierungen herausreißt …“

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es unter Noah, als der Allmächtige, durch die Verbrechen der Menschen beleidigt, nachdem er den ganzen Erdkreis bedeckt hatte, und alles zerstört worden war, einen einzigen Raum aus Himmel und Meer gemacht hatte. Dessen Anzeichen sehen wir immer noch in Steinen, welche wir beim Abtragen von Bergen mit Muscheln und Austern vermischt, oft auch durch Wasser ausgehöhlt zu sehen pflegen. Die zweite Überschwemmung fand in Achaia statt unter dem Patriarchen Jakob und in den Zeiten des Ogygius, der Gründer und König von Eleusis war und der dem Ort und der Zeit den Namen gab. Die dritte Überschwemmung fand in Thessalien in den Zeiten von Moses und Amphiktyon statt, welcher als dritter nach Kekrops regierte. In dessen Zeit raffte eine Einschwemmung von Wassern den größten Teil der Völker Thessaliens hinweg, wobei wenige durch Rückzugsgebiet der Berge gerettet wurden, besonders auf dem Berg Parnassus. In dessen Verlauf bemächtigte sich Deukalion der Herrschaft der damals die auf Schiffen zu ihm Geflüchteten aufnahm und auf den beiden Gipfeln des Parnassus wärmte und ernährte. Von diesem glaubt man, dass das Menschengeschlecht nach einer Sage der Griechen aus Steinen wiederhergestellt worden sei, wegen der dem Herzen der Menschen innewohnenden Härte. Aber auch, wenn Flüsse durch ungewöhnliche Regenfälle über das übliche Maß hinaus, sei es an Dauer, sei es an Größe, über die Ufer treten und vieles zerstören, so nennt man das ebenfalls diluvium (Überschwemmung). Man muss aber wissen, dass Flüsse, wenn sie über das Maß hinaus wachsen, nicht nur gegenwärtig Schaden anrichten, sondern auch etwas Zukünftiges bezeichnen.42

Der primär christliche Kontext der Vokabel kommt direkt zu Beginn des Eintrags zur Geltung. So wird als Paradebeispiel für ein sogenanntes diluvium die Sintflutgeschichte Noahs aufgeführt, als Initiator der Christengott (der „Allmächtige“) genannt und als Anlass die Verbrechen der Menschen, die durch das Hereinbrechen der Flut ausgelöscht werden sollten. Nachdem noch eine Reihe anderer aus der Mythologie bekannter Sintflutgeschichten kurz geschildert wird, setzt der letzte Paragraph des Textes recht abrupt und konzessiv durch ein sed eingeleitet ein: sed et flumina (…) et ipsa diluvium dicuntur. – „Aber auch, wenn Flüsse (…) nennt man das diluvium.“ So wird die säkulare Bedeutung geradezu als nebensächliche oder nachgeordnete Bedeutung nachgeschoben. Und selbst in diesem weltlichen Zusammenhang wird im letzten Satz auf die transzendente (Be-)Deutung von Hochwassern hingewiesen. Der Wortgebrauch war also selbst zu Lebzeiten Isidors in erster Linie biblisch-mythischen Sintfluten verpflichtet. Dennoch geht aus der Textstelle eindeutig hervor, dass beide Semantiken, also auch die säkulare, in Gebrauch waren. Der Text einer Ehreninschrift aus Nordafrika43 vereint sogar alle drei zuvor beobachteten Aspekte des di42 43

Isid. orig. 13,22. Übersetzung: Lenelotte Möller (Möller 2008). Unterstreichung durch die Autorin. AE 1975, 880: Didasi // L(ucio) Octavio Aur[eliano?] / Didasio c(larissimo) v(iro) ṃ[…]ọ / civi genitali ob [sin]gu[la]/rem in proṭẹgendis [civib(us)] / fidem et pạ̣ ṛạtum [er]ga [o]ṃṇ[e]ṣ / amorem

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luvium-Begriffes: den christlichen, den emotionalen sowie den säkularen. Der Fundort Ureu44 liegt im Gebirgsmassiv des Djebel Tahent, im nordwestlichen Teil des Unteren Bagradas (heute Medjerda) westlich von Karthago. Zudem liegt er nordwestlich des Taleinschnitts eines Trockentals, des Oued Et-Tine.45 Es musste dort während der Regensaison regelmäßig zu schweren Wadihochwassern gekommen sein, die dann in den Bagradas entwässerten. Von solch einem Starkregenereignis zeugt die hier näher zu besprechende Inschrift. Die Inschrift enthält Angaben zu einer als diluvies bezeichneten Flutkatastrophe und ist einem angesehenen Bürger der Stadt gewidmet in seiner Eigenschaft als Stadtpatron. Der Geehrte, wohl ein L. Octavius Aurelianus (?) Didasius, gehörte einer alteingesessenen Adelsfamilie senatorischen Ranges an, die sich bereits mehrfach durch Wohltaten für die Heimatgemeinde hervorgetan hatte.46 Die Ehrung wurde ihm deshalb zuteil, weil er nach der besagten Flut die Thermen wiedererrichten ließ und sich dem Wortlaut nach mit großem persönlichem Engagement um die von dem Unglück betroffenen Bürger kümmerte. Die Ehrung enthält generell viele Anspielungen auf seine tiefe Verbundenheit mit seiner Heimatstadt. Auch wird sein Status als gebürtiger Stadtbürger (civis genitalis) eigens betont. Der gesamte Inschriftentext wirkt durch all das äußerst emotionsgeladen. Der Stadtrat und die Bürger, die die Statuenweihung vorgenommen hatten, standen, wie es scheint, zum Zeitpunkt der Weihung noch immer unter dem Schock der erlebten Flutkatastrophe. Die Überschwemmung muss großen Ausmaßes gewesen sein. Schon die Verwendung des Substantivs diluvies könnte auf die starken Emotionen hindeuten, die die Ehrenden gegenüber dem Flutereignis verspürten. Allerdings ist die Verwendung des Substantivs auch ein weiterer Hinweis für seine Datierung in die Spätantike.47 Aus paläographischer Sicht wird die Inschrift ebenfalls in die frühe Spätantike, genauer ins späte 3. Jahrhundert datiert.48 Die schwe-

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thẹṛmas [et aquam(?) corrup]/tam post dilụṿịem […]/to servato ṛẹc ̣ṭẹ (?) […] / propria liḅẹṛalịtate [ex]o[rnavit] / excoluit perfẹ̣ cị̣ ṭ ḍẹḍị[c]ạṿịṭ / bene merito civi et pạ[tr]ọ ṇọ [splen]/didissimus ọṛḍ[o et] ̣ pọ̣ pụ̣ ḷụs [mun(icipii)] / [U]ruensium statuaṃ [posueru]ṇṭ ḍ(ecreto) d(ecurionum) [p(ecunia) p(ublica)]. Zur Familie der Didasii s. Vannesse 2012: 475 f. Die beschädigte Statuenbasis wurde 1974 im tunesischen Henchir-Aouraou, dem antiken Municipium Aurelium Ureu, als Spolie in die byzantinische Befestigungsanlage verbaut vorgefunden. Es existieren verschiedene Schreibweisen für den aktuellen Ortsnamen, bei Beschaouch 1974: 228 ist der heutige Ortsname Ureus als Henchir-Guennazia angegeben mit dem Ortsteil „Ourew“. Der Ort selbst wurde bei archäologischen Geländebegehungen 1968 wiederentdeckt; s. Lepelley 1981: 238. Zur Ortslage mit kurzer Beschreibung der archäologischen Befunde und Inschriftensteine s. Lepelley 1981: 238–241; Beschaouch 1974: 223–228. Vannesse 2012: 476; Lepelley 1981: 239. Vgl. Hettinger 2014: 126 f. Vannesse 2012: 476 mit Fn. 31. Das gesamte Municipium scheint eine hadrianische Gründung zu sein, die aber erst unter seinem Nachfolger Antoninus Pius zur Ausführung kam. Dies ergibt sich aus der Datierung und den Aussagen der epigraphischen Quellen. Die früheste stammt aus der Zeit des Antoninus Pius und ist dem divus Hadrianus geweiht (Beschaouch 1974: 227; Lepel-

Lateinische Bezeichnungen für das Ausufern von Flüssen

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ren Beschädigungen am Bau sind für Michaël Vannesse ein Indiz dafür, dass die dort typischen plötzlich auftretenden Starkregenereignisse der Wasserinfrastruktur schwer zu schaffen machten.49 Im späteren 8. Jahrhundert bezeichnet schließlich der langobardische Historiograph Paulus Diaconus (Paul Warnefried) ein verheerendes Winterhochwasser am Atesis (Etsch) des Jahres 589 ebenfalls als diluvium, genauer gesagt als aquae diluvium.50 In dem Zusammenhang vergleicht er das Flutereignis gar direkt mit der Noah-Sintflut, betont er doch eigens, dass es seit Noah keine schlimmere Überschwemmung als die soeben von ihm geschilderte gegeben habe. Vor diesem Hintergrund lässt sich festhalten, dass wahrscheinlich die zunehmende Ausbreitung des Christentums und damit auch der christlichen Literatur und Lehre für die Bedeutungserweiterung des Begriffs diluvium verantwortlich war. Gerade die Geschichte Noahs und seiner Arche gehörte zu den beliebtesten und bekanntesten Geschichten des Alten Testaments, was schon dadurch zum Ausdruck kommt, dass bereits in vorconstantinischer Zeit das Noah-Motiv als Dekoration auf Kästchen und Deckeln häufig vertreten war. Seit Kaiser Constantin findet sich das Motiv dann auch als Beimotiv auf Sarkophagen.51 In dem kurzen Überblick über die vier Wortfelder, mittels derer in der antiken lateinischen Sprache auf Hochwasser Bezug genommen wurde, wurden folgende Beobachtungen gemacht: Neben gattungsspezifischen und kontextbedingten Unterschieden ließ sich von der Zeit der Republik bis zur Spätantike eine chronologische Veränderung im Vokabular nachweisen, die einen mit ihr einhergehenden oder gar einen ihr vorausgehenden veränderten Umgang mit Hochwasser vermuten lässt. Eine dieser Begriffsveränderungen ließe sich mit Wandlungsprozessen in der kulturellen Lebens-

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ley 1981: 238). Der Fundort der Inschrift (Provinz Africa Proconsularis) sowie die Entstehungszeit im späten 3. Jahrhundert legen beide nahe, dass es Einflüsse aus dem bereits in größeren Teilen christianisierten Umfelds waren, die hier die Wortwahl bestimmt hatten. Immerhin war Nordafrika eine der ersten stark christlich geprägten Reichsteile im lateinsprachigen Westen. Dies wird nicht zuletzt auch daran deutlich, dass Kaiser Constantin selbst noch vor dem Konzil von Nikaia bereits zur Schlichtung eines anderen rein christlichen kirchlichen Konflikts („Donatistenstreit“) nach Nordafrika reiste. Vannesse 2012: 476. Auf die Starkregenereignisse als Auslöser für die Überschwemmung verweist schon Lepelley 1981: 239. Paul. Diac. hist. Lang. 3,23: Eo tempore fuit aquae diluvium in finibus Venetiarum et Liguriae seu ceteris regionibus Italiae, quale post Noe tempore creditur non fuisse (…). – „Zu jener Zeit ereignete sich eine Wassersintflut [aquae diluvium] innerhalb der Grenzen Venetiens und Liguriens oder anderen Regionen Italiens, von der man glaubt, dass es nach der Zeit Noahs keine derartige mehr gegeben habe (…).“ Im selben Jahr war auch die Stadt Rom von heftigen Tiberüberschwemmungen heimgesucht worden (Greg. M. epist. 7,40). Zu beiden Textstellen und Überschwemmungsereignissen s. Giardina 1981: 108. Koch 2000: 138 f. In der vorconstantinischen Epoche blieb der Gebrauch des Noah-Motivs hauptsächlich auf die Stadt Rom beschränkt. Erst ab der constantinischen Alleinherrschaft fand das Motiv auch außerhalb Roms zunehmend Verbreitung. Allerdings blieb es selbst auf Sarkophagen weiterhin nur schmückendes Beimotiv an Seitenwänden oder verkleinert dargestellt in den Ecken. Zur Noah-Geschichte am Rande der jüdisch-christlichen Vorstellungswelt s. Zwingmann 2014.

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welt erklären, namentlich mit der Ausbreitung des Christentums und der christlichen Lehre (diluvium). Eine andere Verschiebung lässt hingegen auf das Aufkommen neuer Schwierigkeiten in der alltäglichen, insbesondere städtischen Lebenswelt schließen: Das Anwachsen der Städte und deren Ausgreifen auf niedrig gelegenes Terrain sowie die damit verbundene steigende Nachfrage nach Gütern, die größtenteils über den Wasserweg angeliefert wurden, könnten schließlich dafür gesorgt haben, dass aus einem saisonalen „Hochwasser“ (aqua magna) eine schädliche, den Alltagsbetrieb störende „Überschwemmung“ (inundatio) werden konnte, was sich nach geraumer Zeit selbst im Vokabular niederschlug. II.2 Ausufernde Flüsse: Deutung und Religiöser Umgang Im Zusammenhang mit Hochwasser führenden Flüssen ist bereits aus vorrömischer Zeit für den anatolischen Raum das Konzept der Flussbestrafung überliefert, in dem Feuer als göttliches Gegenmittel eine entscheidende Rolle spielte. Peter Högemann und Norbert Oettinger konnten das Motiv der Flussbestrafung durch Feuer, welches vor allem in Kleinasien verbreitet war, überzeugend auf hethitische Wurzeln zurückführen.52 Gestraft wurden sowohl das übermäßige Anschwellen als auch die damit einhergehende Veränderung der Flusslandschaft. Hierbei war es wenig überraschend der Wettergott, der Flüssen das Versprechen abverlangen konnte, ihren Lauf nicht zu verändern und ihre Ufer nicht zu übertreten, und der bei einem Verstoß die Flüsse durch himmlische Feuer strafte.53 Mit der Zeit scheint dieses Motiv über die Ionische Küste auch Eingang in den griechischen Kulturkreis gefunden zu haben.54 So begegnet uns der strafende, blitzeschleudernde Zeus gegen wütende, ausufernde Flüsse bereits in der Ilias.55 Griechischen Vorstellungen folgend, galten Flüsse als männliche Abkommen des Okeanos und der Thetys, während Quellnymphen als deren Töchter angesehen wurden.56 Der römische Gott Neptun als Bruder des obersten Gottes Jupiter und des Unterweltsgottes Hades wurde nicht nur als Beherrscher des Meeres, sondern aller Gewässer verehrt: Ursprünglich war Neptun ohnehin der Gott des Süßwassers und somit der Quellen und Binnengewässer, zu dessen Ehren die Neptunalia begangen

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Högemann/Oettinger 2006. Wettergötter wurden daher meist auch für die Sintflut verantwortlich gemacht; Kamash 2010: 158 f.; dazu s. Kapitel II.3.3. Zur rituellen Flussbestrafung in römischer Zeit in Kleinasien s. Strab. 12,8,19 C 578; Engels 2002; außerdem weiter unten in Kapitel III.1.2. Hom. Il. 21,199–199 und 349–382. Hes. theog. 130–133; 337–370; Hom. Il. 18,607–608; 21,194–197; Plat. Phaid. 112c; Hdt. 1,202,4; 4,152 Tölle-Kastenbein 1990: 11–15.

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wurden.57 Erst nach der Intensivierung des Kontakts zum griechisch-hellenistischen Kulturkreis wurde Neptun immer mehr dem griechischen Poseidon angeglichen.58 Ihm wurde im Rahmen der religiösen Verehrung von Flüssen, die häufig starkes Hochwasser führten, offenbar besonderer Respekt gezollt.59 An Quellen wurden in römischen Kontexten hingegen Quellnymphen verehrt, sodass in einigen Fällen Quellen zu regelrechten Quellheiligtümern ausgebaut und entsprechend monumental ausgestaltet wurden.60 Dem Tiber kam als Fluss der Reichshauptstadt eine Sonderrolle unter den Gewässern zu, da er neben dem praktischen Nutzen, den er der Stadt brachte, als „Vater Tiber“61 identitätsstiftende und kultische Bedeutung ersten Ranges besaß.62 Auch deshalb wurde seinem Ausufern von Staats wegen viel Beachtung geschenkt. Wie der ältere Plinius darlegt, galt der Tiber als vates und Mahner, dessen Fluten als religiös konnotiert angesehen wurden.63 Wie bei anderen Naturerscheinungen wurde auch im Verhalten des Tibers ein Kommunikationsmittel der Götter mit den Menschen gesehen, sodass bei einem starken Hochwasser über die natürlichen Ursachen hin57

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Neptun unterstanden letztlich Gewässer aller Art, sowohl süß- als auch salzwasserhaltige Gewässer: Vgl. Varro in Aug. civ. 7,16; Serv. georg. 1,12; Mancini 2010: 146. Zur Zuständigkeit des Gottes Neptun für Flüsse und Quellen s. Tölle-Kastenbein 1990: 11; Mylonopoulos 2005: 252; Ehmig 2016: 38. Zu den Neptunalia s. Hor. carm. 3,28; Plin. nat. 18,132; Tert. spect. 6; Schickert 1979: Sp. 65. Das Fest wurde am 23. Juli begangen und somit zu dem Zeitpunkt, zu dem die Wasserstände des Tibers und der anderen mittelitalischen Gewässer üblicherweise am niedrigsten waren. Zur Angleichung von Neptun an den griechischen Gott Poseidon s. Tölle-Kastenbein 1990: 11; zur Forschungsdiskussion rund um die Zuständigkeitsbereiche beider Gottheiten mit besonderem Augenmerk auf Erdbeben s. Mylonopoulos 1998; Ehmig 2016; Waldherr 1997: 234 und weiter unten in Kapitel II.3.3. Dabei scheint Poseidon im griechischen Kulturraum eine ähnliche Wandlung durchgemacht zu haben; s. ebd.: 224 mit entsprechender Literatur in Fn. 15. Neben vielen anderen s. CIL III 14359,27 = ILS 9268 = AE 2011, 1007 (Donau, Raetia); CIL III 5866 = ILS 3288 (Donau, Germania Superior); CIL II 2540 = CIL II 5626 = CIRG I, 12 = HEp 4, 1994, 337 (Ulla, Hispania Tarraconensis); CIL XIII 11693 (Rhein, Germania Superior); AE 1981, 660 (Rhein, Germania Inferior); CIL XI 4175 = ILS 3289 (Nera, Umbria). Zudem fällt hier auf, dass sich viele dieser Weihungen an Zusammenflüssen finden, an denen die Hochwassersituation zu bestimmten Jahreszeiten besonders ausgeprägt sein konnte. Auch Ulrike Ehmig bemerkt in ihrer epigraphischen Studie zu Neptun-Weihungen, dass ein Zusammenhang mit Überschwemmungen denkbar wäre, zumal gehäuft wasserbezogene Weihekontexte gegeben sind; Ehmig 2016: 43. Im Rahmen von Sintfluterzählungen spielt Neptun hingegen eher eine untergeordnete Rolle; dazu s. Caduff 1986: 205; zu Sintflutmythen s. weiter unten in Kapitel II.3.3. Für Beispiele s. etwa Andreu Pintado 2012; Ariño Gil et al. 1998; Huther/Schallmayer 2005; Gamer 1989. Verg. georg. 4,3,69: pater Tiberinus; Verg. Aen. 8,540; 10,421: Thybris pater; dazu Becher 1985: 471; Liv. 2,10,11: Tiberinus pater, vermutlich zurückgehend auf eines der Gebete des Ennius (Enn. ann. 54); dazu Diosono 2010: 91. Campbell 2012: 140–143; Montero Herrero 2012: 253–256; Aldrete 2007: 10–13 (identitätsstiftend) und 217–221 (als Gottheit und zugleich Kommunikationsmittel der Götter); Becher 1985: 471 f. Trotz allem ist die Bedeutung, die der Tiber für die römische Geschichte, Wirtschaft und Kulte tatsächlich hatte, aus dem begrenzten und disparaten Quellenmaterial kaum umfassend zu ermitteln, so Campbell 2012: 29 f. Plin. nat. 3,55; dazu s. Aldrete 2007: 219; Bianchi 2017: 97 f.; Champeaux 2003: 31 f.

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aus transzendente Gründe erwogen wurden.64 Eine Art von Schadensereignis, das im Kontext von Flutberichten für Rom allenthalben Erwähnung findet, repräsentiert in besonderer Weise die Verbundenheit von Fluss und Volk von Rom: die Zerstörung des Pons Sublicius. Jene Pfahlbrücke aus Holz hatte für die Römer identitätsstiftende Bedeutung.65 Errichtet wurde sie der Tradition zufolge bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. unter dem römischen König Ancus Marcius.66 Während eines etruskischen Einfalls um 500 v. Chr. – und somit kurz nach der Vertreibung des letzten römischen Königs Tarquinius Superbus mitten in der Formierungsperiode der frühen Republik – soll der römische Heros Horatius Cocles die Brücke ganz allein bis aufs Äußerste verteidigt haben, um die Einnahme Roms durch den Etruskerkönig Lars Porsenna von Clusium zu verhindern. Seine Mitstreiter hätten derweil hinter ihm die Brücke abgebrochen. Schließlich habe sich Cocles in voller Rüstung in den Tiber gestürzt, um sich zu den Seinigen hinüberzuretten.67 Der rasche Abbruch der Brücke war vor allem wegen des hölzernen Baumaterials gelungen. Andere und gar steinerne Brücken über den Tiber hat es zu dem Zeitpunkt in Rom noch nicht gegeben.68 Da die Verletzlichkeit der Brücke bei dem Angriff einen Vorteil für Rom dargestellt hatte, wird darin auch der Grund zu suchen sein, warum sie nach Beschädigung jedes Mal gemäß der alten Holzbauweise wiedererrichtet wurde. Selbst metallene Nägel und Verbindungen waren aus religiösen Gründen verboten.69 Aus diesem Grund war die Brücke freilich besonders anfällig für Hochwasserschäden und wurde häufig vom Flutwasser weggeschwemmt.70 Der Wiederaufbau oblag den pontifices,71

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Besonders in der römischen Frühzeit, aber auch darüber hinaus, wurden hinter Naturphänomenen allgemein abstrakte übernatürliche Mächte gesehen und als numina geehrt; Montero Herrero 2012: 13–28; Aldrete 2007: 217–219; Waldherr 1997: 221. Zum Pons Sublicius s. neben vielen anderen Publikationen etwa Taylor 2002; Griffith 2009; Tucci 2011; Hallett 1970; Champeaux 2003; Mancini 2010: 140–143; Rogers 2013: 126 f. Liv. 1,33,6. Liv. 2,10; Pol. 6,55; Aur. Vict. 11,1. Griffith 2009: 296 f. Dion. Hal. ant. 3,45,2 und 5,24,1–3; Plin. nat. 36,100; Plut. Numa 9,3. Die Abwesenheit metallener Gegenstände lässt den Pons Sublicius zu einem sakralen Gegenstand werden; Hallett 1970: 227; Champeaux 2003: 39. Varro (ling. 5,15) verweist generell auf die häufig anfallenden Wiederaufbaumaßnahmen. Von konkreten Zerstörungen durch Hochwasser berichten Cass. Dio 37,58,3; 50,8,3; 53,33,5; 55,22,3 (hier fehlt ein expliziter Hinweis auf den Pons Sublicius, aber mit der „Brücke“ ohne weitere Angaben kann nur er gemeint sein); Tac. hist. 1,86. Varro (ling. 5,15) bringt deren Amtsbezeichnung etymologisch gar unmittelbar mit dem Brückenbau in Verbindung: pontifex als Kompositum aus pons (Brücke) und facere (machen/herstellen), also „Brückenbauer“. Inwieweit diese antike Herleitung etymologisch korrekt ist, spielt insofern keine Rolle, als sie vor allem die enge kultische Verbindung zwischen den pontifices und dem Pons Sublicius erklären soll; zu Etymologie und Bedeutung s. auch Hallett 1970.

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die daneben auch einer Reihe weiterer kultischer Handlungen an und auf der Brücke vorstanden.72 Aufgrund der besonderen Materialeigenschaften der Brücke sowie der hohen Frequenz der Tiberhochwasser bleibt mit Jaqueline Champeaux zu fragen, inwieweit die Zerstörung des Pons Sublicius oder bereits das schadenbringende Hochwasser für sich genommen zur Zeit der Republik und gemäß dem republikanischen Vorzeichenwesen grundsätzlich als prodigium wahrgenommen wurde.73 Zu Recht weist sie darauf hin, dass die entsprechenden Quellentexte diese Interpretation aus der modernen Forschung nicht bestätigen – zumal die beiden Quellenautoren, Cassius Dio und Tacitus, ihre Werke beide in der Kaiserzeit verfassten.74 Von jenen fünf Textstellen abgesehen, stelle auch der Großteil der anderen Flutberichte für Rom75 die Hochwasser nicht direkt in die Reihe der prodigia, sondern würde sie vielmehr vor oder nach der Prodigien-Aufzählung erwähnen, gleichsam als weitere besondere Ereignisse innerhalb eines Jahres.76 Ganz anders fasst Aldrete diese Flutberichte auf. Er hält fest, dass in etwa der Hälfte der von ihm zusammengestellten literarischen Berichte die Flut als Vorzeichen interpretiert werde, während in neun Berichten eher davon ausgegangen werde, dass 72 73 74

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Dion. Hal. ant. 2,73,1; 3,45,2; 5,24,1; Plut. Numa 9,3; Varro ling. 5,15. Champeaux 2003. Champeaux 2003: 26 f.; für die Quellenstellen s. dort Fn. 432. Jenen fünf Textstellen ist wohl noch eine weitere von Iulius Obsequens (Obseq. 62.) zu einem Sturm im Jahr 60 v. Chr. hinzuzufügen, die ebenfalls von der Zerstörung einer Brücke ohne weitere Namensnennung berichtet, was sich sicherlich auf den Pons Sublicius (vgl. Cass. Dio 37,21,5–6) bezieht. Le Gall 1953: 29 (Tiberfluten zwischen 414 bzw. 415 v. Chr. und 398 n. Chr. mitsamt Quellenstellen und Datum). Außerdem ist sowohl bei Aldrete 2007: 15 als auch bei Champeaux 2003: 42 eine Auflistung der in den Schriftquellen erwähnten Überschwemmungen für denselben Zeitraum enthalten, ebenfalls mit Quellenstellen und Datum. Letztere Angabe weicht in wenigen Fällen voneinander ab. Zudem ist bei Aldrete die Flut von 379 n. Chr. (Beda chron. 589) ausgelassen, dafür sind bei ihm Ereignisse von 181 v. Chr. (Plut. Numa 22,4) und 156 v. Chr. (Obseq. 16) aufgenommen, die wiederum bei Champeaux fehlen. Letztere Textstelle scheint bei Aldrete 2007: 19 allerdings nicht ganz korrekt übersetzt zu sein, sodass Champeaux sie wohl nicht zu Unrecht auslässt: Pontificis maximi tectum cum columnis in Tiberim deiectum. – „Das Dach des pontifex maximus wurde mitsamt Stützpfeilern in den Tiber geworfen.“ Während Aldrete pontificis maximi tectum mit „covering […] of the great bridge“ übersetzt und die „große [eigentlich: größte] Brücke“ ihrerseits als Pons Aemilius identifiziert, ist der lateinische Text eher auf das Amtslokal des pontifex maximus zu beziehen, das sich in der regia auf dem Forum befand. Verblüffend ist lediglich, dass das Dach eben jenes Gebäudes bei Sturm in den Tiber geweht worden sein soll, obwohl sich das Gebäude in einiger Entfernung vom Fluss an der Ostseite des Forums befand; zum Standort s. Ziegler 1979: Sp. 1048. Allerdings hat Champeaux stattdessen die Textstelle Obseq. 62 zur Flut des Jahres 60 v. Chr. aufgenommen, die zwar den Zusammenbruch einer Brücke (Pons Sublicius?) erwähnt sowie einen Wirbelsturm, aber kein Tiberhochwasser. Des Weiteren finden sich sowohl bei Aldrete als auch bei Champeaux zwei Textstellen von Cassius Dio (37,58,2–4; 50,8,3), die eine Flut nicht explizit erwähnen, sondern lediglich auf schwere Stürme und für Fluten typische Schäden verweisen (Verlust an Menschenleben, Zerstörung des Pons Sublicius). Champeaux 2003: 28–30; bezogen auf alle livianischen Textstellen (Liv. 4,49,2; 7,3,2; 24,9,6; 30,26,5; 35,9,2–3; 35,21,5–6; 38,28,4) sowie Aug. civ. 3,18 und Oros. 4,11,6–7.

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ein Fehlverhalten religiöser Prägung die Flut verursacht haben müsse, also eine Störung der pax deorum vorliege.77 Exemplarisch kann anhand der Zusammenstellungen von Aldrete und Champeaux im Vergleich gezeigt werden, wie unterschiedlich in der modernen Forschung mit den Quellen zu Tiberfluten in ihrer Eigenschaft als prodigium oder als anderweitiges göttliches Zeichen umgegangen wird (Tabelle 1 am Ende dieses Kapitels). Aus den Texten selbst geht nicht in jedem Fall explizit hervor, dass eine Flut als prodigium publicum gewertet wurde und daraufhin staatliche Instanzen um Rat gefragt wurden. Wo dies der Fall war, lagen meist noch andere prodigia vor, die sich im Jahresverlauf ereignet hatten und dann im Verbund entsühnt wurden. Letzteres scheint etwa auf die Vorzeichen des Jahres 193 v. Chr. zuzutreffen. So ist Aldrete bezüglich des livianischen Berichtes (Nr. 7) wohl zuzustimmen, wenn er die darin erwähnte Überschwemmung als Bestandteil einer längeren Prodigienliste begreift, darunter Blitzeinschlag, Steinregen und Wespenplage. Hier steht die Flut am Beginn einer Aufzählung verschiedener Vorzeichen, die mit dem Verweis auf eine Bittprozession, eine rituelle Säuberung sowie eine neuntägige Sakralfeier endet: Aquae ingentes eo anno fuerunt et Tiberis loca plana urbis inundauit; circa portam Flumentanam etiam conlapsa quaedam ruinis sunt. Et porta Caelimontana fulmine icta est murusque circa multis locis de caelo tactus; et Ariciae et Lanuuii et in Auentino lapidibus pluit; et a Capua nuntiatum est examen uesparum ingens in forum aduolasse et in Martis aede consedisse: eas collectas cum cura et igni crematas esse. Horum prodigiorum causa decemuiri libros adire iussi, et nouemdiale sacrum factum et supplicatio indicta est atque urbs lustrata. In diesem Jahr gab es gewaltige Überschwemmungen, und der Tiber überflutete die flachen Bezirke der Stadt; um die Porta Flumentana herum stürzte auch einiges in Trümmer. Und die Porta Caelimontana wurde vom Blitz getroffen, und in die Mauer zu beiden Seiten schlug es an vielen Stellen ein. In Aricia und Lanuvium und auf dem Aventin regnete es Steine. Und aus dem Gebiet von Capua wurde gemeldet, daß ein ungeheurer Wespenschwarm auf das Forum geflogen sei und sich im Marstempel niedergelassen habe; sie seien sorgsam gesammelt und im Feuer verbrannt worden. Wegen dieser Zeichen vom Himmel wurden die Decemvirn aufgefordert, die Bücher zu befragen; es fand ein neuntägiges Opfer statt, und ein Bittgang wurde angesetzt und die Stadt entsühnt.78

Champeaux hingegen sieht hier keinen Grund, die Überschwemmung als Teil der Prodigienliste zu werten. Vielmehr stehe die Erwähnung der Flut „vor“ der Auflistung der Prodigien, zumal die Begründung, dass die religiösen Riten horum prodigiorum causa erfolgt seien, erst ganz am Ende der weiteren Ausführungen stehe. So kommt sie letztlich zu dem Schluss, dass die Flut nicht Teil der Prodigienliste und daher auch kein 77 78

Aldrete 2007: 219–221. Die quantitativen Angaben beziehen sich auf seine Aufstellung der diesbezüglichen Textstellen ebd.: 13–33 mit einer Übersichtstabelle auf Seite 15. Liv. 35,9,2. Übersetzung: Hans-Jürgen Hillen (Hillen 1998).

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prodigium gewesen sei.79 Eine alternative Begründung dafür, dass die Flut trotz angeblich fehlender Qualität als prodigium an eben jener Stelle Erwähnung findet, liefert sie allerdings nicht, sodass ihre Argumentation in dem Zusammenhang wenig überzeugt. Bezogen auf den Livius-Text für das Folgejahr 192 v. Chr. (Nr. 8) ist ihre Argumentation schon schlüssiger: Priusquam consul praetoresque in prouincias proficiscerentur, supplicatio fuit prodigiorum causa. Capram sex haedos uno fetu edidisse ex Piceno nuntiatum est et Arreti puerum natum unimanum, Amiterni terra pluvisse, Formiis portam murumque de caelo tacta et, quod maxime terrebat, consulis Cn. Domiti bouem locutum ‚Roma, caue tibi‘. Ceterorum prodigiorum causa supplicatum est: bouem cum cura seruari alique haruspices iusserunt. Bevor der Konsul und die Prätoren in ihre Aufgabenbereiche aufbrachen, fand ein Bittgang (supplicatio) wegen der Zeichen vom Himmel (prodigiorum causa) statt. Aus Picenum war gemeldet worden, eine Ziege habe in einem einzigen Wurf sechs Zicklein zur Welt gebracht und in Arretium sei ein Junge mit nur einer Hand geboren worden, in Amiternum habe es Erde geregnet, in Formiae sei das Tor und die Mauer vom Blitz getroffen worden und, was am meisten Schrecken auslöste, ein Rind des Konsuls Cn. Domitius habe gesprochen: „Rom, nimm dich in Acht!“ Wegen der übrigen Zeichen vom Himmel wurde der Bittgang durchgeführt; das Rind befahlen die Haruspices sorgfältig in Obhut zu nehmen und zu füttern.80

Erst danach erfolgt die Schilderung einer schweren Tiberüberschwemmung, bei der Schäden an Gebäuden sowie Verluste an Menschenleben und Vieh erlitten wurden.81 An dieser Stelle ist der Textbeitrag zu den Vorzeichen, wegen denen die Bittgänge abgehalten und die Haruspices befragt worden waren, allerdings schon abgeschlossen: Das sprechende Rind war umsorgt und ceterorum prodigiorum causa supplicatum est. Mit Champeaux ist hier deshalb von einer eindeutigen Dreiteilung des Textes auszugehen: Vorzeichen, Bittgänge, Überschwemmung.82 Champeaux will die Überschwemmung also auch in diesem Fall nicht als Teil der Prodigienliste akzeptieren. Ähnlich argumentiert sie für die Textstellen Nr. 1–6 sowie 7 und 9.83 Aldrete hingegen geht davon aus, dass die von Livius genannten supplicationes auch wegen der Flut

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Champeaux 2003: 29. Liv. 35,21,2–5. Übersetzung: Hans-Jürgen Hillen (Hillen 1998); vgl. Val. Max. 1,6,5. Dieser Teil des Textes ist bereits im einleitenden Kapitel I.1 wörtlich abgedruckt, sodass hier auf die neuerliche Wiedergabe verzichtet werden kann. Champeaux 2003: 29. Champeaux 2003: 28–30. Auch dort glaubt sie dahingehend ein Muster zu erkennen, dass prodigia und andere wichtige Ereignisse wie beispielsweise Fluten in den Texten lediglich in unmittelbarer Nähe zueinander erwähnt würden. Jedoch würden nicht alle gleichermaßen zur Kategorie prodigium zugehörig sein.

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stattfanden.84 In ähnlicher Weise stuft er die Fluterwähnungen in den Nr. 1–2 sowie 6–7 allesamt als prodigia ein.85 Seine Textanalyse der Flutberichte fällt mit insgesamt kaum drei Seiten jedoch ungleich knapper aus als die von Champeaux und geht zudem auch nicht ausführlich auf textuelle Details – etwa anhand von Satzbau und Wortlaut – ein. Bei aller Uneinigkeit unter den Forschenden lässt sich in den Quellentexten zumindest feststellen, dass Hochwasser häufig, wenngleich auch nicht immer, in unmittelbarer Nähe zu religiösen Vorzeichen referiert werden. Mal scheint der Vorzeichencharakter auf der Hand zu liegen,86 mal scheint er weniger prominent, geschweige denn zweifelsohne vorhanden,87 und mal scheint er ganz zu fehlen.88 Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass ein Teil der Quellen in griechischer Sprache verfasst ist und die benutzte Terminologie bezüglich des römischen Prodigienwesens technisch wenig eindeutig ist. Dies wird vermutlich dadurch verstärkt, dass sich in der Umbruchszeit von Republik zu Prinzipat ohnehin die Tendenz feststellen lässt, dass außergewöhnliche Ereignisse aller Art, einschließlich mirabilia, offenbar zunehmend als in die Zukunft weisende Zeichen gedeutet wurden, wobei die Kategorisierungen als prodigia, omina oder auspicia technisch kaum mehr eine Rolle spielten.89 Dahingehend hat bereits Waldherr herausgearbeitet, dass die in die Zukunft weisenden Eigenschaften von (Erdbeben-) prodigia mit dem Übergang von der Republik zum Prinzipat immer mehr an Bedeutung gewannen.90 Die Vermittlung zwischen Götter- und Menschenwelt konzentrierte sich seit Augustus zudem ohnehin hauptsächlich auf Vorzeichen im Umfeld des Prinzeps und immer weniger auf prodigia publica.91 Diese veränderte Deutung von prodigia

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Aldrete 2007: 221. Ebd.: 219–221. So z. B. Liv. 4,49,2. Vgl. Liv. 35,21,5–6. Z. B. Liv. 30,26,5. Champeaux 2003: 30; vgl. Liv. 43,13,1. So wagt sie eine grobe chronologische Dreiteilung des römischen Vorzeichenwesens. Die erste Phase sei in der Frühzeit Roms zu verorten, in der unter den Königen allerlei außergewöhnliche Vorkommnisse undifferenziert als Zeichen gedeutet worden seien. Zu jener ersten Phase sei man in der dritten Phase ab der ausgehenden Republik wieder zunehmend, in Rückbesinnung auf die alten Traditionen, zurückgekehrt. Eine Besonderheit stelle die zweite Phase während des Großteils der republikanischen Zeit dar, während der eine ausgeprägte Spezialisierung des religiösen Personals sowie eine ungewöhnlich systematische Kategorisierung und Unterscheidung verschiedener Arten von Vorzeichen entwickelt worden sei. In ihr spiegele sich die aristokratische Hierarchie und Ordnung der römischen Republik; dazu s. ebd.: 37. Die Zukunftsgewandtheit mancher Deutungsansätze fällt auch Aldrete 2007: 220 ins Auge, doch belässt er es in seinem recht kurz gehaltenen Kapitel „Floods and the Gods: Portents and Divine Anger“ bei diesem Hinweis, ohne weiter auf eine Chronologie oder historische Entwicklung einzugehen. Waldherr 1997: 239. Dazu s. Engels 2007: 21 f. sowie 778–797. Bereits im Laufe des ersten vorchristlichen Jahrhunderts gewannen im Gegensatz zu den offiziellen Staatsvorzeichen zunehmend die von Einzelpersonen ausgehenden Vorzeichen an politischer Bedeutung.

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oder besser generell von außergewöhnlichen Ereignissen und mirabilia lässt auf einen grundlegenden Mentalitätswandel schließen, was angesichts der tiefgreifenden politischen und sozialen Veränderungen, die sich in jener Zeit vollzogen, kaum verwundert.92 Die Konfusion in der Forschung ist letztlich also auch der zunehmenden Uneindeutigkeit der Quellen geschuldet. Neben all diesen Beobachtungen ist zusätzlich die Dynamik zu beachten, die die Kategorisierung von außergewöhnlichen Vorfällen als prodigium schon in der Republik umgab.93 Hier ist nicht der Ort für eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Argumentation von Champeaux, doch ist ihrer Einschätzung wohl im Wesentlichen zu folgen, die besagt, dass Hochwasser trotz ihrer Heftigkeit und ihres destruktiven Potentials nicht in jedem Fall als prodigia in staatspolitischem Sinne galten94 – jedenfalls enthalten Prodigienlisten oder Vorzeichenberichte in den annalistischen Quellen verhältnismäßig selten Tiberüberschwemmungen. In dem Zusammenhang ist auf die noch immer grundlegende Studie von Veit Rosenberger zu verweisen, der die technischen Voraussetzungen dafür, dass eine Naturerscheinung vor dem Senat als prodigium geltend gemacht werden konnte, ausführlich darlegt.95 Religiöse Implikationen von Flutereignissen, die außerhalb des offiziellen Vorzeichenwesens lagen, waren in der römischen Vorstellungswelt vermutlich zu jeder Zeit präsent.96 Während also die Anerkennung einer Überschwemmung des Tibers als prodigium publicum mit staatspolitischen Implikationen im Einzelfall nicht immer vorzuliegen scheint, so ist doch generell davon auszugehen, dass im Auge des antiken Betrachters häufig etwas Transzendentes mit der Flut in Verbindung stand. Denkbar wäre vor dem Hintergrund, dass Tiberhochwasser in Rom vor allem dann als prodigium publicum oder staatlich relevantes zukunftweisendes Zeichen aufgefasst wurden, wenn sie zum einen eine besonders zerstörerische Überschwemmung der Stadt verursachten, und zum anderen auf politischer Ebene unruhige Zeiten herrschten.97 In den Quellen sticht jedenfalls heraus, dass transzendente Deutungsansätze 92 93 94

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Waldherr 1997: 239; Champeaux 2003: 30. Champeaux 2003: 33–36 zur offenen Definition dessen, was als prodigium angesehen werden konnte sowie zur Ausdrucksweise in prodigium vertere aus den Quellen (Liv. 22,57,4), die einen flexiblen Umgang mit der Einordnung eines Ereignisses als prodigium suggeriere. Wegen ihres regelmäßigen saisonalen Auftretens könne dies ausgeschlossen werden. Ebenso habe deshalb die regelmäßige Zerstörung des Pons Sublicius kaum als prodigium gelten können, zumal zu erwarten wäre, dass der zeremonielle Wiederaufbau der Brücke durch die pontifices sonst in den annalistischen Quellen erwähnt worden sei, vielleicht im Rahmen weiterer Sühne- und Bittrituale zu Jahresbeginn; ebd.: v. a. 29 und 32 (zur Normalität von Hochwassern als Ausschlusskriterium für ihre grundsätzliche Kategorisierung als prodigia) sowie 39–41 (zum Pons Sublicius, auch als religiös konnotierter römischer Erinnerungsort). Rosenberger 1998: v. a. 25–31; Rosenberger 2001. Vgl. Champeaux 2003: 31–33 und weiter oben Fn. 64. So auch die Beobachtung von Frei-Stolba 1987: 112 f. mit Verweis auf die Dissertation von Ludwig Wülker, Die geschichtliche Entwicklung des Prodigienwesens bei den Römern (Diss.), Leipzig 1903, 6–26. Zudem fällt ihr die „merkwürdig[e]“ Lücke in den Flutberichten zwischen

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gehäuft im Umfeld jüngster politischer Vorfälle bemüht wurden, welche bereits vor Eintritt der Flut kontroverse Reaktionen bei konkurrierenden politischen Kreisen hervorgerufen hatten.98 So wurde die Flut von 54 v. Chr. als Zeichen göttlichen Missfallens für Gabinius’ eigenmächtiges Verhalten in Bezug auf Ägypten angesehen, welches vorab nicht mit dem Senat abgestimmt worden war.99 Die politische Tragweite des Vorfalls wird von Cassius Dio dadurch hervorgehoben, dass trotz der Konsultation der Sibyllinischen Bücher, die angeblich erfolglos verlaufen war, Gabinius dennoch aufs Härteste bestraft worden sei.100 Die Sibyllinischen Bücher wurden seit der Zeit der Mittleren Republik von den quindecemviri sacris faciundis verwahrt und im Falle von prodigia durch sie befragt sowie interpretiert. Unter Augustus verlor das Kollegium jedoch seine Monopolstellung, indem der Prinzeps die Bücher in den Apollontempel bringen ließ und sie somit de facto unter seine Obhut brachte.101 Schon der Umstand, dass nicht die Überschwemmungen an sich, sondern erst die dadurch angeregte Konsultation der Sibyllinischen Bücher Ausgangspunkt für religiöse Interpretationen seitens der Priester war, die wiederum durch den Senat als letzter Instanz bestätigt werden mussten, legt gleich zweierlei Charakteristika des römischen Prodigienwesens offen: Zum einen zeugt dies von einem exklusiven Anspruch einer politischen Elite auf die offizielle Deutungshoheit und Interpretationskompetenz, zum anderen wird daran auch deutlich, dass die Naturerscheinung selbst noch nicht per se als zu deutendes Götterzeichen aufgefasst wurde, sondern eines weiteren Mediums samt Interpretationsprozesses bedurfte.102 189 v. Chr. und der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. auf, die wohl den Überlieferungsumständen geschuldet ist; allgemein zur Tendenz in vormodernen Gesellschaften, Überschwemmungen in einer ohnehin durch Krisen gekennzeichneten Zeit religiös zu deuten, dazu s. Rohr 2007: 67 f. 98 Aldrete 2007: 220 f. 99 Cic. ad Q. fr. 3,5,8 (3,7,1); Cass. Dio 39,61; Montero Herrero 2012: 275–277; Aldrete 2007: 221. Zu Gabinius’ politischen Aktivitäten im Auftrag des Pompeius s. Christ 2008: 251–258, speziell zu Ägypten und der Installation des bereits abgesetzten Pharaos Ptolemaios XII. Auletes s. ebd.: 257 f. 100 Er musste sich einer maiestas-Klage stellen; dazu s. Elaine Fantham, The Trials of Gabinius in 54 BC, Historia 24/3 (1975), 425–443. Im Gegensatz dazu hält Appian fest, dass Gabinius vom Senat wegen Hochverrats exiliert wurde, weil der Krieg in Ägypten von den Sibyllinischen Büchern nicht gutgeheißen worden sei (App. Syr. 51); Montero Herrero 2012: 274. 101 Dazu Montero Herrero 2012: 292; Deeg 2019: 54; Rosenberger 1998: 60. Mit Tiberüberschwemmungen standen die Bücher insofern in besonderer Verbindung, als ihre „Auffindung“ einem Hochwasser zugeschrieben wurde: Bei einer Tiberflut seien Särge aus der Erde gerissen worden, wovon einer bis auf jene Schriftensammlung leer gewesen sei; Plut. Numa 22,4. Freilich kursierten auch noch andere, wesentlich bekanntere Herkunftssagen zu jener Textsammlung in Rom; ausführlich zur Entstehungslegende und zum historischen Ursprung der Sibyllinischen Bücher, ebenso wie zu deren religiösen Einordnung s. Engels 2007: 739–744; auch Rosenberger 1998: 56–61. 102 Dazu s. Rüpke 2012: 479 f.; Rosenberger 1998: 27 f. In diesem Sinne macht Gragg 2004: 81 f. (mit weiterführender Literatur) darauf aufmerksam, dass der Akt der Divination in der römischen Religionspraktik nicht als „special-agent ritual“ eingestuft werden kann, da er unbegrenzt wiederholbar war und zudem erst der offiziellen Interpretation durch die ausführenden Amtsträger bedurfte. Zu Geschichte und Wesen der römischen divinatio s. Ogilvie 1969: 53–69. Zur Unter-

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Ähnliches ist im Falle der Tiberflut von 27 v. Chr. zu beobachten und so sprich Jörg Rüpke für die augusteische Umbruchszeit allgemein von einer „Verknappung von Religion“ und von religiöser Kommunikation durch den Prinzeps:103 Erst am Vortag war Octavian im Senat der Ehrentitel „Augustus“ zugebilligt worden, sodass es im unbedingten Interesse des Machthabers liegen musste, die Flut nicht als Missbilligung durch die Götter oder gar als unheilvolles Vorzeichen seiner künftigen Regierung gedeutet zu wissen.104 Die wohl offizielle Deutung lautete demnach, dass die Regierungszeit des neuen Augustus zum Aufstieg von ganz Rom beitragen werde, was durch das Aufsteigen des Flutwassers (augere) und dessen Erguss über die Stadt lediglich angekündigt worden sei.105 In der Forschung hat die Tatsache, dass dies der einzige belegte Fall einer positiven Interpretation für eine Tiberüberschwemmung ist, zu Recht für einige Verwunderung gesorgt.106 Allerdings ist es zugleich naheliegend, dahinter gezielte Bemühungen des Augustus zu vermuten, sich nicht gleich zu Anfang seiner noch zu formierenden, inzwischen aber immerhin auch vom Senat gebilligten Vormachtstellung verwundbar zu machen gegenüber etwaigen Ressentiments opponierender Gruppierungen.107 Dies wiederum macht deutlich, wie ausschlaggebend die Deutung von Tiberüberschwemmungen für die Stimmung innerhalb der stadtrömischen Bevölkerung war und wie die entsprechende Deutungsmacht von der Führungsriege zu eigenen Gunsten als politisches Mittel eingesetzt wurde. Beides hat sich schon im Fall des Gabinius gezeigt. Besondere Relevanz wurde Fluten und anderen Naturereignissen also vor allem in politisch instabilen Zeiten beigemessen,108 wobei im Umfeld des römischen Vorzeichenwesens Tiberhochwasser keine herausragende Stellung gegenüber anderen Arten von prodigia genossen zu haben scheinen.109 Dementsprechend – und soweit aus den

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scheidung verschiedener Aspekte von Vorzeichen s. ausführlich Engels 2007: 43–59, auf die in diesem Rahmen nicht näher einzugehen ist. Zu den verschiedenen lateinischen Bezeichnungen von Vorzeichen sowie zu ihrer technischen Unterscheidung aus der Zeit der Republik s. außerdem ebd.: 259–282. Rüpke 2016: 204: „Gerade dort, wo religiöse Kommunikation sich in der Vergangenheit der Stadt als besonders wettbewerblich erwiesen hatte, suchte er sie zu monopolisieren.“ Vgl. Becher 1985: 474. Cass. Dio 53,20,1. Außerhalb des engeren Kontextes von Tiberüberschwemmungen mag das Verhalten von Iulius Caesar nach einem Sturz beim Verlassen eines Schiffes in gewisser Weise mit der augusteischen Reaktion vergleichbar sein: Sueton (Caes. 59) zufolge soll er nach dem Sturz ausgerufen haben „Dich halte ich, Africa!“, womit er das eigentlich schlechte Omen zu seinen Gunsten uminterpretierte. Deeg 2019: 37 f.; Becher 1985: 475 f.; Bianchi 2017: 98 f.; Aldrete 2007: 220. Zur politischen Funktion von prodigia in unruhigen Zeiten des politischen Umbruchs s. etwa Becher 1985: 475 (Augustus); Alonso Venero 2012: 292 (Spätantike); Mateo Donet 2014: 103 (römische Antike). Die umfassende Aufarbeitung des Sujets durch David Engels für die gesamte Zeit der Römischen Republik lässt jedenfalls keinen gegenteiligen Schluss zu; Engels 2007; s. auch MacBain 1982. In entsprechenden Arbeiten zu Prinzipat und Spätantike sind ebenso wenig Besonderheiten

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Quellen nachvollziehbar – unterschieden sich auch die Sühne- und Bittrituale, die im Kontext von Fluten bisweilen überliefert sind, nicht von den anderen, weshalb an dieser Stelle auf nähere Ausführungen verzichtet werden kann.110 Anders als bei auswärtigen Erdbeben und anderen krisenhaften Situationen fernab der Hauptstadt, die in seltenen Fällen selbst in Rom zur Durchführung religiöser Riten und Prozessionen führen konnten,111 ist zudem kein Fall bekannt, bei dem ein auswärtig vorgefallenes Flutereignis nach Rom gemeldet und dort rituelle Handlungen nach sich gezogen hätte.112 Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die dem Tiber zugeschriebene Eigenschaft als Mittler zwischen göttlichen Mächten und den Menschen nicht zuletzt in seiner Eigendynamik begründet lag, die jedem Fluss inhärent ist. So ist fließendes Wasser nie vollständig kontrollierbar, sondern behält selbst nach regulierenden Eingriffen seitens des Menschen seine Kraft bei, wodurch Flüsse in gewisser Weise selbst als Akteure in Erscheinung treten.113 Wohl deshalb wurden größere Flüsse in der Antike häufig mit Namen und Charaktereigenschaften versehen, die auf ihr Abflussregime sowie auf dessen erosive Wirkung anspielten.114 In der bildlichen Darstellung wurden Flüsse

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der Tiberhochwasser in ihrer transzendenten Bedeutung gegenüber anderen Arten von Naturphänomenen oder natürlich induzierten Extremereignissen zu erkennen; Deeg 2019; Sonnabend 1999; Meier 2003a; Meier 2003b; Mateo Donet 2014; Alonso Venero 2012; Storchi Marino 2009: v. a. 189–193. Vielmehr ist zu betonen, dass supplicationes nicht einmal zwingend mit prodigia in Verbindung gebracht werden müssen, sondern auch bei allgemeinen Notsituationen als Bittrituale durchgeführt wurden; dazu s. MacBain 1982: 34–42 (Republik); Deeg 2019: 126 mit weiterführender Literatur; Wissowa 1931: Sp. 942 und 948. Zur Funktion der Kontingenzbewältigung solcher Rituale unter dem Eindruck der Katastrophe s. auch Waldherr 1997: 33 f.; Meier 2003a: 494–502, v. a. 494 f. (vor allem zu christlichen Prozessionen im Konstantinopel des 6. Jahrhunderts, teils in Auseinandersetzung mit Prozessionen zur Zeit der römischen Republik); allgemeiner zur Funktion der Vorzeichendeutung als Bewältigung von Unsicherheit sowie als Erklärungsinstrumentarium für ungewöhnliche Vorfälle s. Sonnabend 1999: 117; Engels 2007: 798–825. Zeichen, die sich außerhalb des ager Romanus ereigneten, wurden in republikanischer Zeit ohnehin nur in Ausnahmefällen berücksichtigt, dazu s. Rasmussen 2003: 219–239; außerdem Rosenberger 2005 in kritischer Auseinandersetzung mit der Ansicht von MacBain 1982, der zufolge die Meldung von Prodigien aus italischen Städten vor dem Bundesgenossenkrieg als Indikator für die Loyalität der socii zu Rom verstanden werden könne. Zu auswärtigen Erdbeben während der Zeit der Republik, die in Rom religiöse Rituale nach sich zogen, s. Sonnabend 1999: 210 f., wobei er interessanterweise eine Aufstellung von Tiberüberschwemmungen in Rom mit entsprechenden Sühnemaßnahmen zwischen 202 v. Chr. und 54 v. Chr. anhängt (ebd.: 212 f.), die zeigen soll, dass in republikanischer Zeit auch bei eigener Betroffenheit keine praktischen Schutzmaßnahmen zur Katastrophenvorsorge getroffen worden seien. Mit der Etablierung des Prinzipats unter Augustus wandelte sich dieses Vorgehen zwar bekanntlich hin zu mehr praktischer Unterstützung der Betroffenen, doch fehlen in der weiteren Aufzählung kaiserlicher Hilfsmaßnahmen bei Sonnabend wiederum auswärtige Flutkatastrophen, die durch Flusshochwasser ausgelöst worden sind, gänzlich. (ebd.: 215–228). Lediglich für die byzantinische Zeit unter Justinian werden auch Schutzmaßnahmen gegen akute Flutschäden thematisiert (ebd.: 228), wobei die Umsetzung speziell dieser Maßnahmen wohl der unmittelbaren Anwesenheit des Kaisers vor Ort zuzuschreiben ist. Mukerji 2015: 131; Aldrete 2007: 217. Tölle-Kastenbein 1990: 11.

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demnach oft als Schlangen, Drachen, Hunde oder als Wildtier (Eber, Bär, Wolf) repräsentiert. Auch in der Benennung, besonders im östlichen Mittelmeerraum mit griechischem und teils persischem Kultursubstrat, spiegelt sich diese Assoziation wider, gab es dort doch einige Flüsse des Namens Ophis, Drakon, Kydnos oder Lykos.115 Das häufigste Tiermotiv für Flüsse war jedoch der Stier,116 der auf Münzen meist als Stiertorso mit gehörntem Menschenkopf dargestellt ist.117 Auch in der Literatur wird Flüssen oft eine Ähnlichkeit mit Stieren attestiert, sowohl in ihrem ungestümen Verhalten als auch in ihrer Lautstärke, wenn sie tosend und schnellströmend Hochwasser führen.118 Zur Zeit der römischen Republik und zur Kaiserzeit wurde die äußere Erscheinung von den als Gottheiten verehrten Flüssen meist anthropomorph gedacht.119 Vor allem der auf der Seite lagernde, meist bärtige Mann wurde kanonisch für antike Flussdarstellungen.120 In den meisten Fällen stützt er sich auf eine Amphore, aus der Wasser herausströmt, offensichtlich die Quelle und den Wasserstrom des Flusses symbolisierend. In der anderen Hand hält er andere Attribute, die typisch für seine geographische Lage (Röhricht, Papyruspflanzen) oder für seine wirtschaftliche Bedeutung waren (Füllhorn). Das Ruder, das manchem Flussgott in die Hand gegeben ist, ist ein

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Zur Assoziation mit Tieren und der entsprechenden Benennung von Flüssen s. insbesondere Giuseppe 2010. 116 Über reißende Flüsse hinaus wurden allgemein ungebändigte Naturgewallten häufig mit wilden Stieren assoziiert, die ihrerseits wegen ihres lauten Gebrülls sowie ihrer puren Leibeskraft unmittelbar mit chthonischen Mächten in Verbindung gebracht wurden; zum antiken Stiermotiv im Kontext von seismischen Aktivitäten s. Waldherr 1997: 221–223. 117 Giuseppe 2010: 79–85 mit Übersichtstabelle (81 f.) und Abbildungen (82). Bemerkenswert ist der Umstand, dass die erste römische Münze überhaupt, die vermutlich kurz nach 326 v. Chr. in Neapel geprägt wurde, eben jenes Motiv auf dem Revers trägt (RRC 1/1). Das Motiv wurde in dem Fall offenbar direkt von den Neapolitanern übernommen. 118 Hom. Il. 21,237–238; Cornut. nat. deor. 22; Fest. verb. 262 L; Verg. georg. 4,371; Verg. Aen. 8,727; Porph. Hor. c. 4,14,25. Der für seine Hochwasser und Verlagerungen bekannte Fluss Acheloos in der griechischen Landschaft Akarnanien wurde beispielsweise häufig gehörnt dargestellt, sowie ihm überhaupt die extreme Wandelbarkeit seines äußeren Erscheinungsbildes zugeschrieben wurde. Zur Genese seiner Darstellung s. ebd. Zu seinen Charaktereigenschaften s. etwa Strab. 10,2,19 C 458; Hdt. 2,10,3. Der Acheloos ist der längste und wasserreichste Fluss des griechischen Mutterlandes. Dennoch unterliegt er dem typischen mediterranen Abflussregime mit langanhaltenden, ausgeprägten Trockenzeiten in den Sommermonaten sowie stark ausgeprägten Hochwassern im Winterhalbjahr, die in den ausgetrockneten Flussmäandern dann zu beträchtlicher Erosion führen. Eine geoarchäologische Studie zur historischen Entwicklung der Morphologie des Flusses Acheloos liegt inzwischen als Dissertation elektronisch vor: Armin Schriever, Die Entwicklung des Acheloos-Deltas: Eine paläogeographisch-geoarchäologische Untersuchung zum holozänen Küstenwandel in Nordwest-Griechenland, Dissertation, Universität Marburg, 2007 (https:// archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2007/0536/pdf/das_2.pdf, zuletzt aufgerufen am 14.12.2021). 119 Eine typologisch-archäologische Studie über griechisch-römische Flussgottdarstellungen hat Ostrowski 1991 vorgelegt. 120 Wo vorher vorrömische Flussgottdarstellungen existierten wie beispielsweise am Nil, wurde zugunsten des besseren Verständnisses der alte Darstellungstypus durch den klassischen römischen Flussgotttypus ersetzt; Montero Herrero 2012: 319; Giuseppe 2010: 72; ausführlich zu Darstellungsformen und Genese in römischer Zeit Ostrowski 1991: 26–34.

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Verweis auf die Schiffbarkeit des Flusses.121 Der Kopf bleibt dabei in manchen Fällen gehörnt. Eine andere, recht eindrückliche Darstellungsform, die sich von Antiocheia am Orontes aus im gesamten Nahen Osten und Anatolien verbreitet hat, zeigt den Fluss schwimmend als jugendlichen Mann, während die über ihm thronende personifizierte Tyche der jeweiligen Stadt ihren Fuß auf den Flussgott stellt, um ihn am Auftauchen zu hindern und sich zugleich auf ihm abzustützen.122 Dies mag mit der erschwerten hydrologischen Situation im Nahen Osten zu tun haben, wo Landwirtschaft und Schifffahrt nur durch Kontrolle der Wasserläufe mittels Damm- und Kanalsystemen in größerem Umfang möglich waren.123 In diese Richtung lässt sich auch das Füllhorn, die cornucopia, interpretieren, das den Flussgöttern oft in die Hand gegeben ist. Letztlich ist darin eine recht klare Botschaft enthalten: Das Horn wurde den wilden, einst stiergestaltigen Flüssen im Zuge ihrer Bändigung gleichsam genommen und in ein nützliches Attribut für die Menschen umgewandelt.124 Den umgeleiteten, kanalisierten und befestigten Flüssen wurde ihr Schrecken und ihre Verderbnis für die Menschen durch regulierende Eingriffe also künstlich genommen. In reguliertem Zustand waren sie dem Wohlstand der Menschen und dem Handel sogar zuträglich, da sie nun kontrollierter schiffbar waren und ihr Wasser reguliert in die Felder hinein und von den Feldern weggeleitet werden konnte. Das Füllhorn symbolisiert demzufolge die geglückte Nutzbarmachung des Flusses.125 Ausgehend von der griechisch-römischen Verehrung von Flüssen als Gottheiten ist es wenig verwunderlich, dass Wasserbauprojekte schon in frühen griechischen Kontexten mythologisch verarbeitet und mit Gestalten übermenschlicher Natur in Verbindung gebracht wurden. Der Kampf des Herakles gegen die vielköpfige Hydra bei der Lagunenlandschaft um Lerna, der Sieg über die menschenfressenden Vögel (Stymphaliden) in der karstigen Hochebene Stymphalia, oder auch die Säuberung des Augeias-Stalls im Schwemmland des Peneios bei Elis werden in der Forschung zunehmend mit realen Wasser- und Meliorationsarbeiten in Verbindung gebracht, die sich dort archäologisch nachweisen lassen.126 Die jeweilige Herakles-Verehrung vor Ort könnte also durchaus mit vorhergehenden Wasserbauprojekten in Zusammenhang stehen. Insbesondere die Besiedlung einst malariagefährdeter Sumpf- und

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Ostrowski 1991: 30. Christof 2001: 157; Ostrowski 1991: 24 f.; Campbell 2012: 157. Allgemein zum Thema Wasser im römischen Nahen Osten s. Kamash 2010. Strab. 10,2,19 C 458–459; Mancini 2010: 152. In diesem Sinne kann der Acheloos als besonders reißender Fluss zugleich als der Inbegriff des durch menschliche Eingriffe verletzten und entweihten Flussgottes gelten, so Giuseppe 2010: 70 („[…] Acheloo era la divinità violata dall’uomo per eccelenza.“). Giuseppe 2010: 73. Gercke 2011 liefert eine kurze, aber anschauliche archäologisch-topographische Beschreibung der mit den Herculestaten in Verbindung stehenden Landschaften und nennt dort weiterführende Forschungsliteratur aus Archäologie und Geowissenschaften zu den einzelnen Fallbeispielen.

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Küstenlandschaften setzen vorherige Drainagemaßnahmen und Flusskanalisierungen voraus. Da außerdem oft Apollon oder Asklepios dem Helden zur Seite stehen, die beide als Pest- und Heilgötter bekannt sind, liegt die Verbindung zwischen Drainage, Wasserbau und Urbarmachung umso näher.127 Aus Herakles (in römischen Kontexten Hercules) wird dadurch zugleich Naturbeherrscher und Kulturbringer – zwei Aspekte, die sich ohnehin gegenseitig bedingen. Dabei findet sich die Verbindung zwischen dem Sagenkreis des Herakles und aufwendigen Wasserbauprojekten in den entsprechenden Gegenden bereits in der antiken Literatur.128 Die Divinisierung und Personifizierung von Flüssen wirkte sich im Kontext von Wasserbaumaßnahmen auch auf deren konkrete Umsetzung aus. Die Gründe hierfür sind in den für polytheistische Religionen typischen Konzeptionen zu suchen, die beinhalten, dass Gottheiten ausschließlich an bestimmten mit ihnen assoziierten Orten in Erscheinung treten: Nur dort kann und muss der Mensch also mit ihnen kommunizieren.129 Selbst schon bei einer amtlichen Flussüberquerung durch römische Magistrate oder Feldherrn auf einem Kriegszug mussten deshalb zuerst Auspizien eingeholt und dem Flussgott Opfer dargebracht werden, um ein unbeschadetes Übersetzen von ihm zu erbitten.130 Um wie vieles mehr wird es da im Falle eines permanenten 127 128

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Salowey 2002. Diod. 4,35,3 (Acheloos); Strab. 10,2,19 C 458–459 (Acheloos); Diod. 4,18,6 (Tempetal); Diod. 4,18,7 (Kopaïsbecken); Paus. 9,38,7 (Kopaïsbecken); Mancini 2010: 152; zum griechischen Wasserbauheros Herakles s. auch Gercke 2011. Ähnlich sind wohl die dem römischen Hercules geweihten Heiligtümer um den Lacus Velinus mit verschiedenen Meliorationsarbeiten in dem einstigen Sumpfgebiet in Verbindung zu bringen (zu den Hercules-Heiligtümern s. Camerieri et al. 2009: 334), auch bei den Drainagearbeiten am Lacus Fucinus (zum Hercules-Heiligtum in Alba Fucens s. Liberatore 2011); zur Drainage des Veliner Sees s. Kapitel III.2.1. Eine fragmentarisch erhaltene Weihung an Hercules ripensis vom Donauufer könnte vielleicht ebenfalls in diese Richtung gedeutet werden, wobei sie aus militärischem Kontext stammt und sich ebenso gut auf die kriegerische Verteidigung des Donauufers beziehen ließe; dazu s. Campbell 2012: 196; zur Identifikation des Herakles als Dammbauer und Flussregulierer s. auch Walsh 2013: 77. Assmann 2018: 303; zur Assoziation bestimmter wasserreicher Landschaftstypen mit bestimmten Gottheiten s. Walsh 2013: 109–111. Die vor der Querung fällige Opferzeremonie wurde als auspicium peremnium bezeichnet; Fest. verb. 284 L; Mancini 2010: 141; s. zudem Montero Herrero 2012: 165–251 für eine umfassende Betrachtung der offiziellen Überschreitung eines Flusses als politischer Akt, realisiert durch den römischen Kaiser. Zur Flussquerung durch römische Magistrate s. Cic. div. 2,77 (allgemein); Suet. Iul. 81 (Caesar am Rubico); Plut. Luc. 24,6–8 (Lucullus am Euphrat). Bei den beiden letztgenannten Fällen handelte es sich jeweils um Überquerungen von Flüssen mit rechtlicher Grenzfunktion, ihre Querung war demnach ein staatsrechtlicher Akt, ausgeführt unter der Anleitung eines Imperiumsträgers. Die damit verbundenen Opferungen sind daher als Teil des militärischen, offiziellen Zeremoniells zu verstehen, die mit einem solchen Staatsakt einhergingen; zu Opferungen im Rahmen militärischer Flussüberschreitungen in römischem Kontext s. Montero Herrero 2012: 170–175. Wahrscheinlich sind die Abbilder auf den Säulen des Trajan (Coarelli 1999: 48 f., Tafel 4, V–VI/III–IV) und des Marcus Aurelius (Coarelli 2008: 114–117, Szene III; Griebel 2013: 224–226 zu Szene 3), auf denen die Truppen bei der ersten Querung der Donau per Schiffsbrücke mit einem bärtigen Flussgott im Hintergrund dargestellt sind, als Anspielung auf die in dem Rahmen erfolgte Opferzeremonie zu verstehen. Weitere Darstellungen von Flussquerungen

116

Römische Diskurse um Flusshochwasser

Brückenbaus als notwendig erachtet worden sein, den Flussgott gnädig zu stimmen? Der in so mancher Brückenbauinschrift enthaltene Terminus dedicavit/dedicaverunt kann sicher als Verweis darauf gewertet werden, dass zur Einweihung des Baus Feierlichkeiten stattfanden, in deren Rahmen wohl Magistrate, Architekten oder gar der Kaiser selbst Opfer für Neptun oder den entsprechenden Flussgott darbrachten, um den Bau zu entsühnen (expiatio).131 In ähnlicher Weise ist wohl auch bei anderen Arten von Wasserbauten von einer Opferzeremonie durch verantwortliche Amtsträger auszugehen.132 Darüber hinaus war die permanente Überbrückung eines Flusses, die zugleich als bildliche Unterjochung des Flussgottes angesehen wurde,133 auch mittels permanenter Strukturen dauerhaft zu entsühnen. Dazu dienten etwa Heiligtümer oder Weihealtäre, die in der Nähe des Bauwerks errichtet oder gar an prominenten Stellen in dasselbe integriert wurden, wie auch bildliche Darstellungen von Hercules, Neptun oder Oceanus als Statue, Relief oder sonstiger Baudekor.134 All diese materiellen Äußerungen der religiösen Verehrung des Wassers und der es repräsentierenden Gottheiten sind indirekte Verweise auf Opferzeremonien.135 Sowohl

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132

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135

mit Opferungen auf beiden Säulen untermauern diese Vermutung. Was Inhalte und Formensprache der Säulen angeht, sind beide ohnehin sehr ähnlich zueinander konstruiert, was sich in eben jener Flussquerungsszene besonders deutlich äußert; s. dazu Griebel 2013: 3 mit Abb. 2 und 3. Zugleich wird durch dieses Bildmotiv die militärische und technologische Stärke des Kaisers und seine Zähmung des Flussgottes ausgedrückt, welcher nun über die Truppen wacht; dazu Seelentag 2004: 380–393, v. a. 389–392; O’Connor 1993: 2; Rogers 2013: 127. Auch bei der Querung des amnis Petronia durch Magistrate, die sich auf den Weg zu einem Staatsakt auf dem Marsfeld begaben, mussten vorab die auspicia peremnia eingeholt werden; Fest. verb. 295 L; Mancini 2010: 141 in Fn. 10. Mancini 2010: 143; Montero Herrero 2012: 129; Serlorenzi/Giuseppe 2009: 597; Kissel 2002: 144 f.; Aldrete 2007: 218. So z. B. CIL II 761; CIL II 3221 (p 710) = CIL II 6339 = ILS 5901 = AE 2016, 710; CIL III 3202; CIL X 3344 = ILS 5902; AE 1909, 67; AE 1975, 138. Einschlägig zu sakralem Wert und Umgang mit Brücken ist die Arbeit von Anita Sepelli, Sacralità dell’acqua e sacrilegio die ponti (=Prisma 6), Palermo 1990, die leider nicht vorlag. So war sicher auch bei der ersten und zweiten Eröffnung des Entwässerungstunnels am häufig ausufernden Fuciner See unter Kaiser Claudius eine Opferung zu Ehren des Sees fester Bestandteil des offiziellen Festakts, auch wenn sie neben dem Festbankett, der Naumachie und Gladiatorenkämpfen nicht eigens in den Quellen erwähnt wird; Tac. ann. 12,56,1; 57,1–2; Suet. Claud. 21,6. Immerhin stand der See im Zentrum des gefeierten Wasserbauprojekts. Zu den Wasserbauten am Lacus Fucinus ausführlich in Kapitel III.2.2. ILS 832; Verg. Aen. 8,728 (Araxes); Stat. silv. 4,3,78–81 (Volturnus); Montero Herrero 2012: 126; Kissel 2002: 147 und 149. In Flussnähe finden sich häufig Heiligtümer und Weihealtäre für Hercules, Neptun oder Oceanus, während an Quellen oft Nymphäen zur Verehrung der Quellnymphen verortet sind. Beispiele bei Mancini 2010: 145–148; für Hercules und die Kontrolle über das Wasser ebd.: 148–457 (zu unterschiedlichen Aspekten); Montero Herrero 2012: 129–134 (Brücken); Campbell 2012: 132–136 (Quellen). Die Nymphen/Najaden sollten das rege Plätschern und Spiegeln der Wellen symbolisieren; zur Integration mythischer Figuren in antiken Landschaftsdarstellungen, die die Stimmung und Charakteristika der repräsentierten Naturphänomene wiedergeben sollten, s. Falter 1999: 137–140. Mancini 2010: 147.

Ausufernde Flüsse: Deutung und Religiöser Umgang

117

die künstliche Verbindung zweier natürlich getrennter Ufer als auch der Eingriff in das Gewässer selbst, der zudem den Wasserfluss veränderte, wurde als Sakrileg angesehen, das rituell entsühnt werden musste, um dem Zorn der Wasser- und Unterweltsgottheiten zu entgehen.136 So folgte die feierliche Zeremonie zur Eröffnung der Schiffsbrücke zwischen Puteoli und Baiae durch Caligula mit Opferungen an Neptun und Invidia („Eifersucht“)137 trotz ihres propagandistischen Hintergrunds138 in ihren Grundzügen höchst wahrscheinlich den üblichen religiösen Regeln, die bei der dedicatio einer Brücke traditionell anfielen.139 Da nun vor allem die in den Fluss ragenden Teile von Brückenkonstruktionen während eines Hochwassers besonders starkem Wasserdruck sowie den Einwirkungen von Treibgut im Flutwasser ausgesetzt waren, sollten sie besonders stabil und standhaft sein. Wohl deshalb finden sich an einigen noch heute erhaltenen römischen Brückenbauten verschiedene Darstellungen von Phalli, die an weniger gut sichtbaren Stellen zumeist als Relief in den Bau eingelassen waren.140 Wegen ihrer Anbringung im Abseits und eher im Verborgenen vermutet Loredana Mancini, dass es sich nicht um die offizielle Brückenikonographie gehandelt haben kann, sondern vielmehr um von der Obrigkeit geduldete Graffiti, die zu apotropäischen Zwecken von den Bauarbeitern in die Steinquader gehauen wurden.141 Eine Darstellung der Mäanderbrücke

136

Serlorenzi/Giuseppe 2009: 597; Montero Herrero 2012: 126; Mancini 2010: 146; Diosono 2010: 102; Sauer 2006: 69 f. Der Brückenschlag zum fremden Ufer wurde zudem symbolisch gesehen. Er eröffnete dem Diesseits den Weg ins Jenseits, ob Himmel oder Unterwelt, sodass ein Brückenbau ein sakraler Akt war, der auch als solcher beschlossen werden musste; Galliazzo 2004: 23; Mancini 2010: 139 f. Folgerichtig sind auch die auf der Trajanssäule dargestellten Opferungen im Rahmen der Einweihung der Donaubrücke als Akt der Entsühnung gegenüber dem überbrückten Flussgott zu verstehen; Kissel 2002: 145. 137 Cass. Dio 59,17,3–77; Suet. Cal. 19; Sen. de brev. vitae 18,5. 138 Die besondere Extravaganz der Zeremonie, die sich über zwei Tage hinzog, ist sicherlich zum einen darauf zurückzuführen, dass der Kaiser persönlich als Hauptperson daran teilnahm, zum anderen aber wohl auch darauf, dass nicht nur ein mittelgroßer Fluss, sondern sogar ein Teil des Mittelmeers überbrückt wurde; dazu s. Diosono 2013; Montero Herrero 2012: 138–140; Mancini 2010: 143 f. Winterling 2012: 120–124 legt zudem überzeugend dar, dass die (im Übrigen nur temporär und eigens zu dem Anlass errichtete!) Brücke Caligulas vor allem dazu diente, seinen letztlich nicht realisierten Britannienfeldzug in Form dieses Ersatztriumphzuges zu feiern, sicherlich auch als Ersatz für eine Querung des Ärmelkanals. 139 So Mancini 2010: 144, wo sie die rituellen Schritte im Einzelnen aufschlüsselt; ähnlich schätzt Montero Herrero 2012: 139 die zeremoniellen Schritte ein, wobei er darin zusätzlich auf die berühmten Wasserbauten des Perserkönigs Xerxes (Brücke über den Hellespont) und des Agrippa (Flottenstützpunkt in Misenum) als große Vorbilder verwiesen sieht (ebd.: 138). 140 Eine ähnlich abschreckende, apotropäische Wirkung sollten wohl auch Bukranien-Friese oder einzelne Stierköpfe erfüllen. Beispiele sind an der Brücke von Augusta Emerita zu finden oder auch an der Aquäduktbrücke Pont du Gard; Mancini 2010: 148–151 (Pont du Gard und andere Beispiele); Montero Herrero 2012: 129 (Augusta Emerita). 141 Mancini 2010: 149: „È evidente che questi simboli non fanno parte del programma decorativo ‚ufficiale‘ del ponte, ma sono ascrivibili a una prassi scaramantica diffusa tra le maestranze impegnate in grandi cantieri edilizi.“ Allerdings räumt sie an der Stelle ein, dass das Anbringen apotropäischer

118

Römische Diskurse um Flusshochwasser

von Antiocheia in Karien auf städtischen Münzen aus der Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts, auf der zwischen den Brückenbögen jeweils ein Phallus eingeprägt ist, mag jedoch darauf hindeuten, dass es sich möglicherweise doch um eine Symbolsprache offizielleren Charakters handeln könnte.142 Denkbar wäre jedenfalls, dass die Ausstattung tragender Brückensegmente mit Phallussymbolen zum Schutz vor den starken Wassermassen einer winterlichen Flut beitragen sollte, indem der Wasserkraft ein ähnlich mit Potenz und Standhaftigkeit assoziiertes Symbol entgegengestellt wurde.143 Unter wessen Anleitung und in welchem Rahmen dies erfolgte, bleibt freilich ungeklärt, sowie allgemein so gut wie keine Schriftquellen vorliegen, die Aufschluss über konkrete Riten rund um die Regulierung und Nutzbarmachung von Wasser geben.144 Apotropäische Wirkung gegenüber Flutrisiken sollten wohl auch Amulette entfalten wie es etwa für den Talisman von Ablakkon überliefert ist. Dieser war der Stadt Antiocheia in Syrien von Kaiser Tiberius offiziell überreicht worden zum Schutz vor den regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen des Orontes und seiner Zuflüsse.145 Für den rein privaten Bereich, in dem prinzipiell auf magische Praktiken zurückgegriffen wurde, kann zum Schutz vor Überschwemmungen wohl von ähnlichen apotropäischen Mitteln ausgegangen werden.146 Ob allerdings schon bei jeder Flussquerung (auch durch Privatpersonen) Opferungen anfielen, etwa selbst dann, wenn es sich um die Querung mittels einer Brücke handelte, ist den literarischen Quellen

Symbole an Bauwerken mindestens von der Obrigkeit toleriert, wenn nicht gar gefördert worden sein könnte. 142 Dagegen sieht Nollé 2011: 153 mit Abbildung 13a und b hier lediglich einen „Scherz“ des Stempelschneiders vorliegen. Die Brücke hatte in der Abwehr des Perserheeres Mitte des 3. Jahrhunderts strategische Bedeutung erlangt, weshalb sie auf mehreren Emissionen, darunter auch Reichsprägungen, dargestellt ist; ebd.; Montero Herrero 2012: 131 f. 143 Vgl. Mancini 2010: 151. Ähnlich nimmt Nollé 2011: 153 bezüglich der Mäander-Münze an, dass die Phalli zum einen die Fruchtbarkeit des Flusses zum Ausdruck bringen sollen (insbesondere das Wasser des Mäanders war mit nährstoffhaltiger Schwemmerde angereichert), und dass sie zum anderen die quasi unbeugsame Kraft des fließenden Wassers symbolisieren. 144 Giuseppe/Serlorenzi 2010: 12. 145 Ioh. Mal. 10,9; dazu s. Downey 1961: 654; Deeg 2019: 58; allgemein zum Schutz von Brückenbauten durch Amulette s. Montero Herrero 2012: 129. Er versteht das offizielle Zeremoniell sowie den Baudekor als Teil der pietas einerseits und die Phalli, Bukranien sowie Amulette als Teil der superstitio andererseits, die beide schützende Wirkung gegenüber dem Sakrileg des Brückenschlags entfalten sollten, zumal dieser im doppelten Sinne risikoreich gewesen sei: zum einen durch die Unterwerfung des Flusses, zum anderen durch die Eröffnung der Unterwelt. Somit folgt Montero Herrero derselben Kategorisierung der Maßnahmen wie Mancini 2010 (pietas und superstitio). Zur Anfälligkeit Antiocheias in Syrien gegenüber Hochwasser und für entsprechende Baumaßnahmen s. Kapitel III.2.3c. 146 Radkau 2012: 99; Toner 2013: 73; Deeg 2019: 136; Giuseppe 2010: 70; auch Fellmeth 2009: 72 zur Rolle magischer Praktiken im privaten, kleinbäuerlichen Landbau.

119

Ausufernde Flüsse: Deutung und Religiöser Umgang

Tab. 1 o = religiöse Zuschreibung unbestimmter Art (portentum, Ausdruck der ira deorum u. ä.) Nr.

Datierung nach … Aldrete Champeaux

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

414 363 241 215 203 202 193 192 189 181 156 60

415 363 241 215 203 202 193 192 189 – – (60)

13

54

54

14 15 16 17 18 19 20 21 22

44 32 27 23 22 13 5 n. Chr. 12 15

44 (32) 27 23 22 13 5 n. Chr. 12 15

23

36

36

24

69

69

25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

Nerva Trajan Hadrian 147 162 217 253 371 398

Nerva 107–108 Hadrian 147 Marc Aurel 217 253 374 379 398

Textstellen Liv. 4,49,2–3. Liv. 7,3,2. Aug. civ. 3,18; Oros. 4,11,6–7. Liv. 24,9,6. Liv. 30,26,5. Liv. 30,38,10–12. Liv. 35,9,3–5. Liv. 35,21,5–6. Liv. 38,28,4. Plut. Numa 22,4. Obseq. 16. Cass. Dio 37,58,3–4; (Obseq. 62 nur bei Champeaux) Cass. Dio 39,61,1–2; Cic. ad Q. fr. 3,7,1 bzw. 3,5,8. Hor. carm. 1,2,13–20. Cass. Dio 50,8,1–3. Cass. Dio 53,20,1. Cass. Dio 53,33,4–5. Cass. Dio 54,1. Cass. Dio 54,25,2. Cass. Dio 55,22,3. Cass. Dio 56,27,4. Cass. Dio 57,14,7–8; Tac. ann. 1,76. Cass. Dio 58,26,5; (Zonaras 11,3 nur bei Aldrete) Tac. hist. 1,86; Plut. Otho 4,7; Suet. Otho 8,5–6. Aur. Vict. 13. Plin. epist. 8,17; Aur. Vict. 13. SHA Hadr. 21,6. SHA Pius 9,3; fasti Ostienses SHA Marc. Aur. 8. Cass. Dio 79,25,5. Aur. Vict. 32. Amm. 29,6,17–18. Beda chron. 589. Claud. Gild. 41–43.

prodigium nach … ira deorum Aldrete Champeaux (Aldrete) x x

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Römische Diskurse um Flusshochwasser

nicht eindeutig zu entnehmen und ist zumindest für das innerstädtische Alltagsleben äußerst unwahrscheinlich. Münzen und andere wertvolle Gegenstände, die an außerstädtischen Flussquerungen bei archäologischen Surveys oft zutage treten, könnten aber durchaus Zeugnisse für derartige private Opfer sein.147 Vielleicht sollten damit die Flussgötter oder auch Quellnymphen und andere Unterweltsgottheiten besänftigt werden, um Überschwemmungen vorzubeugen, die die Querung unpassierbar gemacht hätten.148 II.3 Antikes Wissen zur Entstehung von Flusshochwasser Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass Flusshochwasser als saisonal auftretende Phänomene nicht nur große Schäden und Verluste verursachen konnten, sondern in bestimmten Zusammenhängen auch bis zu einem gewissen Grad nützlich waren. Wegen der intensiven Nutzung von Flüssen und Flusswasser zu unterschiedlichsten Zwecken waren Hochwasser Faktoren, die bekanntermaßen den Alltag wesentlich zu beeinträchtigen im Stande waren. Dementsprechend wurden Hochwasser in technischen Schriften thematisiert, auf Inschriften erwähnt und selbst in literarischen Werken verarbeitet. Insbesondere die Überschwemmungen des Tibers in Rom wurden zudem als politisch relevante Botschaften des Tiberinus pater an das römische Volk verstanden, die auf eine Störung der pax deorum hinzuweisen schienen. Doch wenn das Phänomen der jahreszeitlichen Pegelanstiege grundsätzlich vertraut und für viele Facetten des Lebens- und Arbeitsalltags prägend war, bleibt zu klären, was zur Römerzeit über die natürlichen Auslöser für Hochwasser bekannt war. Außerdem waren die geographischen Gegebenheiten auf dem Gebiet des Römischen Reichs so divers, dass sie ganz unterschiedliche Hochwasserregime aufwiesen. Inwieweit auch Wissen über diese hydrologische Diversität vorhanden war, gilt es in dem Rahmen ebenfalls zu untersuchen.

147 Zu archäologischen Flussfunden in der französischen Saône s. Bonnamour/Wirth 2001; an der Via Campana zwischen Rom und Ostia s. Serlorenzi/Giuseppe 2009. Andererseits könnten die Wertgegenstände, insbesondere die Münzen, als Zeugnis für die rege Flussquerung geltend gemacht werden, bei der meist Zölle für die Brückennutzung oder die Fährüberfahrt fällig wurden. Ob die Gegenstände nun aus kultischen Gründen absichtlich im Fluss deponiert wurden oder bei Unfällen versehentlich im Fluss landeten, lässt sich weder zweifelsfrei klären, noch müssen sich beide Möglichkeiten grundsätzlich ausschließen. So wird das Bestreben, auf wissenschaftlicher Ebene zu klären, ob es sich bei solcherlei Flussfunden entweder um „kultische“ oder „profane“ Niederlegungen bzw. Sachverluste handelt, zu Recht auch von Bonnamour und Wirth als müßig und wenig zielführend abgelehnt (Bonnamour/Wirth 2001: 22). 148 Serlorenzi/Giuseppe 2009: 593.

Antikes Wissen zur Entstehung von Flusshochwasser

121

II.3.1 Nilfluttheorien Das antike Paradebeispiel für das Ausufern eines Flusses war die Nilschwelle in Ägypten. Aus der Faszination, die jenes Phänomen auf den antiken Betrachter ausübte, ging eine weite Bandbreite an Schriften hervor, die sowohl literarische Flutbeschreibungen als auch naturkundliche Spekulationen über die Flutursachen enthielten.149 Aus diesem Grund bietet es sich an, sich dem antiken Wissen über Ursachen und Entstehung von Flusshochwassern zunächst über die Schriften zur Nilflut anzunähern. Gründe für die ungebrochene Aufmerksamkeit, die der Nilschwelle in der römischen Antike zukam, gibt es indes viele. Zunächst fiel wohl besonders ins Auge, dass sich der Nil gleichsam als grünes Band durch das ansonsten trockene Ägypten seinen Weg ins Mittelmeer bahnte und außerdem just zur rechten Zeit im Jahr für eine üppige Bewässerung der Felder sorgte:150 Während in Mesopotamien die Jahresflut ausgerechnet mit der Erntezeit zusammenfiel, setzten die Flutzeiten am Nil hingegen kurz nach der Aussaat und somit zum idealen Zeitpunkt für die Landwirtschaft ein, sodass das Flutwasser die gesamte Hochwasserperiode über zur Bewässerung genutzt werden konnte.151 Hinzu kam, dass die Nilschwelle ein äußerst regelmäßiges Phänomen war und die Ausmaße der Flut von Jahr zu Jahr für gewöhnlich nur wenig variierten.152 Im Gegensatz dazu variierten die absoluten Ausmaße der Pegelschwankungen typisch mediterraner Flüsse sehr stark zwischen den einzelnen Jahren, was neben den jahreszeitlichen Pegelschwankungen einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor darstellte.153 All diese Faktoren zusammengenommen ließen ein derart ideales Bild des ägyptischen Lebens und Wirtschaftens im Einklang mit dem Fluss entstehen, dass sich nach 149 Bonneau 1964: 135–214; Capelle 1914: 318; Campbell 2012: 136; Rehm 1936: Sp. 572. Zu spezifischen Theorien und Werken s. Hommel 1951 (Aristophanes); Bolchert 1911 (liber Aristotelis de inundacione Nili); Bakhouche 2002 (Lukan); Dayantis 2013 (Theophylaktos Simokates); Gemelli-Marciano 1993 (Oinopides von Chios bei Iohannes Tzetzes). 150 Strab. 17,1,3–4 C 786–789; dazu s. Dueck 2000: 178. So nimmt die Beschreibung der Nilflut bei Strabon großen Raum ein, gerade weil sie für Pflanzen, Tiere und Wirtschaft so essenzielle Bedeutung besaß. 151 Plin. nat. 5,90; Fahlbusch 2004: 5–7; zum Wasserregime des Euphrats und des Tigris bezogen auf die landwirtschaftliche Bewässerung s. Rost 2011: 216 f. 152 Blouin 2014: 16; Jördens 2009: 97; Hughes 2014: 36; vgl. Hughes 1994: 36 f. Insbesondere im Zeitraum zwischen dem 5. Jh. v. Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. fielen die Nilfluten ausgesprochen hoch aus, was sich entsprechend positiv auf die landwirtschaftlichen Erträge auswirkte, während sie ab dem 2. Jh. n. Chr. an Höhe deutlich abnahmen; für klimatologisch-meteorologische Ausführungen dazu s. Heide 1997: 9 (mit weiterführender Literatur) sowie ebd.: 71–74 allgemeiner zu den meteorologischen Bedingungen für das Auftreten der Nilschwelle um die Zeitenwende. 153 Zur grundsätzlichen Unterschiedlichkeit der hydrologischen Bedingungen zwischen Ägypten und Mesopotamien einerseits und den Flusslandschaften des Mittelmeerraums andererseits s. Hughes 2014: 42: „Egypt and Mesopotamia were river valley civilizations that grew up in regions of large deserts; the Greek and Roman homelands lacked large rivers and were located in the Mediterranean climatic zone. Their environmental setting and their responses to it were therefore distinct.“; vgl. Hughes 1994: 43 f. Zur typisch mediterranen Hydrologie s. weiter oben Kapitel I.4.

122

Römische Diskurse um Flusshochwasser

und nach der Topos des faulen, aber wohlhabenden Ägypters herausbildete.154 Außerdem bildeten die reichen und regelmäßigen Ernteerträge die wirtschaftliche Grundlage des Landes – zu pharaonischen wie zu ptolemäischen und schließlich auch zu römischen Zeiten. Die Ernten waren wiederum abhängig von den periodischen Überschwemmungen der Felder durch das nährstoffreiche Nilwasser. Schlechte Erntejahre konnten so bis ins ferne Rom noch negative Auswirkungen entfalten.155 Der Nil ist ein sogenannter ‚Fremdlingsfluss‘, sein Einzugsgebiet befindet sich also außerhalb der trockenen mediterranen Klimazone, die der Fluss hauptsächlich durchquert.156 Aus diesem Grund unterliegt sein Wasserregime auch nicht denselben Schwankungen, denen die Wasserläufe im Mittelmeerraum üblicherweise ausgesetzt sind.157 In der Antike schwoll der Nil zwischen Mitte Juli und Ende August vom Oberbis zum Unterlauf sukzessive an, bis er gegen Anfang Oktober wieder langsam an Volumen verlor. Seinen niedrigsten Stand erreichte er im Mai, wobei der Pegelunterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasserstand bis zu 11 m betragen konnte.158 Zwei Aspekte der Nilschwelle brachten den mediterranen Beobachter besonders zum Staunen: zum einen der Zeitraum ihres Auftretens (Hochsommer), zum andern ihre lange Dauer (mehrere Monate).159 Gerade in den heißen und trockenen Sommermonaten erreichten die Mittelmeerflüsse für gewöhnlich ihren Tiefstand und selbst der lange Zeitraum von mehreren Monaten, über den sich die Nilflut erstreckte, war für die Hochwasserperioden anderer Flüsse gänzlich unbekannt. Genau in dieser Andersartigkeit liegt ein weiterer Grund für das rege Interesse am Nil, das in der antiken Literatur gut zu greifen ist. In den Niltraktaten werden mit Vorliebe die Besonderheiten diskutiert, die den Hochwasser führenden Nil von „allen anderen Flüssen“ unterschied.160 Im Umkehrschluss lässt sich daraus also einiges über das antike Wissen zum Hochwasserverhalten anderer Flüsse herausfiltern, das dementsprechend als üblich angesehen wurde. Gemäß der heutigen Erklärung wird das jährliche Anschwellen des Nils im Wesentlichen auf die starken Monsunregenfälle im Hochland Äthiopiens zurückgeführt.161 Sie speisen den östlichen Quellfluss des Nils, der heute oft als der Blaue Nil, bisweilen auch als Schwarzer Nil bezeichnet wird. Er entspringt im heutigen Äthiopien und fließt im Sudan mit dem anderen großen Quellfluss, dem sogenannten Weißen Nil, zusammen. Letztgenannter entspringt nach heutiger Auffassung im Victoriasee in Uganda. Allerdings bezieht der See sein Wasser aus einer Reihe von Zuflüssen, die wiederum 154 155 156 157 158 159 160 161

Hdt. 2,14,2; Strab. 17,1,3 C 787–788. Montero Herrero 2012: 318; Heide 1997: 9. Wagner 2011: 123. Campbell 2012: 136. Kleibl 2003: 38. Fahlbusch 2004: 5; Bonneau 1964: 136. So z. B. Hdt. 2,19; Lucan. 10,229. Zum heutigen Verlauf des Nils und zur Entstehung seiner Hochwasser s. Blouin 2014: 13–15; Mauser 2007: 77–97; Rehm 1936: 578 f.

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als Quellen des Sees und somit auch des Weißen Nils gelten können. Letztlich spiegelt sich selbst in der heutigen Definition der Nilquellen die kulturelle Konstruktion von Flussläufen wider.162 Der Weiße Nil trägt aber nur unwesentlich zur Speisung des vereinigten Nils bei, während der Blaue Nil 90 % des Nilwassers beisteuert und sogar 96 % der fruchtbaren Sedimente.163 Denn während sich der Weiße Nil auf seinem Weg zum Zusammenfluss im Sudan immer wieder in ausgedehnten Seen und Sümpfen verliert, wo ein Teil seines Wassers verdunstet oder zurückgehalten und erst nach und nach wieder freigegeben wird, durchfließt der Blaue Nil keine nennenswerten Sumpfgegenden oder Seenplatten. Seine Hochwasserwelle fließt nahezu ungehindert vom Quellgebiet bis nach Ägypten hinab. In der darauffolgenden Trockenzeit nimmt sein Pegelstand dann merklich ab, was sich direkt auf den vereinigten Nil auswirkt. Der Pegel des Weißen Nils hingegen bleibt im Wesentlichen das ganze Jahr über unverändert, obgleich auch er von den äquatorialen Sommerregenfällen gespeist wird. Schon verschiedene griechische Gelehrte haben sich mit der Entstehung der Nilflut auseinandergesetzt, darunter besonders intensiv Herodot und vermutlich Aristoteles.164 Als Ägypten im späteren 1. Jahrhundert v. Chr. zur römischen Provinz wurde, konnte man bereits auf eine reiche literarische Tradition und verschiedene Erklärungsmodelle zurückgreifen. Im Grunde fügten römische Gelehrte dem bestehenden Kanon nichts grundlegend Neues mehr hinzu.165 Vielmehr entschieden sie sich lediglich für eine der bereits bekannten Theorien und legten deren Grundzüge nochmals in eigenen Worten dar, während die anderen Theorien polemisch aufgegriffen und oftmals wortreich entkräftet wurden.166 Allerdings erlangte die Regentheorie mit der

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Dazu s. Thonemann 2011: 19–22. Im Gegensatz zu geographisch definierten Flusssystemen und Wasserscheiden bilden „Flüsse“, also einzelne große Wasserläufe, im allgemeinen Sprachgebrauch keine klar definierte geographische Einheit. Die Quelle des Mäanders in der römischen Provinz Asia beispielsweise wurde zu unterschiedlichen Zeiten verschieden verortet, letztlich also je nach historischer Situation verschieden definiert. Gegen geographischen oder allgemeiner gegen ökologischen Determinismus s. auch ebd.: 17–19 und 49. 163 Zu Nutzen und Bedeutung der Nilhochwasser für die Landwirtschaft in historischer Zeit und heute s. Mauser 2007: 84–87. 164 Hdt. 2,20–26. Ein Traktat über die Nilschwelle, das Aristoteles zugeschrieben wird, ist unter dem Titel De inundacione Nili (fr. 248 Rose = FGrHist 646 F 1) ausschließlich in mittellateinischer Übersetzung aus dem Hochmittelalter auf uns gekommen. Es ist zudem äußerst wahrscheinlich, dass es sich lediglich um ein Exzerpt der Schrift handelt. Außerdem ist die Autorschaft des Aristoteles nicht zweifelsfrei geklärt; zur Identifikation des mittelalterlichen Traktats s. Rehm 1936: 572–575. Immerhin scheint es sich tatsächlich um die Übertragung eines ursprünglich griechischen Textes zu handeln; für sprachliche Details im lateinischen Text bezogen auf eine mögliche griechische Textversion s. Gärtner 2000; Jakobi/Luppe 2000. 165 Darunter v. a. Diod. 1,36–41 = FGrHist 86 F 19; Sen. nat. 4a (leider verloren, mit Reminiszenzen in Sen. nat. 2,20; Luc. 10; Amm. 22,15,1–8; Aristeid. [or. 36 K = 48 D]. 166 Die intellektuelle Auseinandersetzung mit den Nilfluttheorien in literarischer Form wurde bereits unter griechischen Gelehrten dazu genutzt, gegen andere Literaten zu polemisieren, dazu Bonneau 1964: 137. So schien es auch unter Intellektuellen der römischen Epoche zum guten Ton zu gehören, sich an der literarischen Debatte zu beteiligen. Dabei waren die gewählten literari-

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Zeit die größte Aufmerksamkeit – sie entspricht in ihren Grundzügen dem heutigen Erklärungsmodell. Insgesamt lassen sich die damals gängigen Nilfluttheorien in sechs Gruppen einteilen, wobei auch Kombinationen verschiedener Theorien möglich waren. Als Ursache für den enormen Pegelanstieg wurden im Wesentlichen folgende Erklärungsansätze diskutiert: 1. der Ozean und seine Tidenbewegungen 2. die Etesienwinde 3. die Schneeschmelze im Quellgebiet 4. Bewegungen von Luft- und Wasserströmen im Erdinneren 5. die Strahlkraft der Sonne 6. die Regenfälle in Äthiopien. Daneben wurden die Sand- und Erdablagerungen im Flussbett sowie im Mündungsgebiet zumindest als verstärkende Faktoren gehandelt. Der durch Rückstau gehemmte Fluss habe zwangsläufig immer höher ansteigen müssen.167 Die Genese und die literarischen Abhängigkeiten der einzelnen Theorien sind von Danielle Bonneau ausführlich aufgeschlüsselt worden und vor ihr haben sich bereits Wilhelm Capelle und Albert Rehm mit der literarischen Tradition der Nilfluttheorien intensiv auseinandergesetzt.168 Im Folgenden wird es daher genügen, die grundlegenden Gedankengänge jeder Theorie in Kürze nachzuzeichnen. Dies wird es im nächsten Kapitel (II.3.2) ermöglichen, feststehende Topoi aus den Nilfluttheorien zu identifizieren, die bisweilen in abgewandelter Form in den Flutbeschreibungen anderer Flüsse enthalten sind. Die Ozeantheorie zieht direkte Parallelen zwischen den Pegelschwankungen des Nils und den Tidenbewegungen des Meeres, liefert jedoch kein physikalisches Erklärungsmodell. Vielmehr liegt ihr Wert im mythologischen Gehalt und geht zudem direkt auf ägyptische Weltbilder zurück.169 Hesiod kennzeichnet in seiner Theogonie Okeanos, den Ozean, als Vater des Nils und tut dies wohl in Anlehnung an die ägypschen Gattungen durchaus verschieden. Eine Standardform gab es nicht; Bonneau 1964: 139; vgl. Rehm 1936: 572. Exemplarisch behandelt Fron 2014 die Ägyptenexkurse in den Reden des Ailios Aristeides unter anderem unter diesem Aspekt: Gerade in der Zweiten Sophistik kam die literarische Auseinandersetzung mit der Nilschwelle und der Frage nach den Quellen des Nils wieder besonders in Mode und bot den Literaten die Möglichkeit, ihren hohen philosophisch-literarischen Bildungsgrad unter Beweis zu stellen. Die anhaltende (politische und wirtschaftliche) Relevanz der Nilflut auch für die römische Kultur äußerte sich daneben in den zahlreichen Darstellungen nilotischer Motive in Kunstwerken wie Mosaiken und Wandmalereien, die von Versluys 2002 systematisch zusammengestellt wurden. Das Nilmosaik von Praeneste zählt darunter wohl zu den bekanntesten Vertretern, dazu s. auch Jones 2005: 101–104; Steinmeyer-Schareika 1978. Doch schon in der Periode vor der Zweiten Sophistik, wohl angestoßen durch den Sieg Octavians über Antonius und Cleopatra, fanden sich ägyptische Motive und ägyptisierende Monumente im Stadtbild Roms; dazu Vout 2003. 167 So z. B. Sen. nat. 4a (bzw. 2), 22 und weiter unten in diesem Kapitel. 168 Bonneau 1964; Capelle 1914; Rehm 1936; s. auch Waldherr 2006: 574 f. 169 Bonneau 1964: 143–150; Capelle 1914: 334 f.

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tische Tradition.170 Da man sich den Ozean als Ringfluss um die gesamte bewohnte Erde herum vorstellte171 und die Quellen des Nils lange unbekannt blieben, wurde tief im Süden eine Verbindung, ein Zusammenfluss von Ozean und Nil angenommen.172 Ähnlich wie die Gezeiten sei also auch der Nil Ebbe- und Flutbewegungen unterworfen. Der Erklärungsansatz fußt letztlich auf simplen Analogieschlüssen.173 Immerhin lieferte die Herleitung die Antwort auf zwei sehr alte Fragen: zum einen die nach der Quelle des Nils, zum anderen die nach den Ursachen seiner jährlich wiederkehrenden Hochwasser. Eng an die Idee einer Verbindung von Ozean und Fluss angelehnt ist die vor allem von Seneca vertretene These zu Luft- und Wasserbewegungen im Erdinneren.174 Auch diese Vorstellung geht auf altägyptische Weltbilder zurück, war doch im pharaonischen Ägypten der Glaube verbreitet, dass der Nil über ein unterirdisches Pendant verfüge, das durch die von Toten bewohnte Unterwelt fließe.175 Die bereitwillige Übernahme der Theorie ausgerechnet durch den Stoiker Seneca ist sicher kein Zufall. Vielmehr ließ sich die Vorstellung, dass alle Naturkräfte Teil eines Gesamtsystems sind und direkt miteinander in Verbindung stehen, gut mit den Grundzügen der stoischen Lehre vereinbaren.176 Später kam die Vorstellung auf, dass der Nil über unterirdische Gangsysteme gar mit anderen Flüssen rund um das Mittelmeer verbunden sei und es sich demnach um denselben Fluss handele, der gleichsam mehrmals entspringe.177 Mithilfe dieser Vorstellung wurde wohl auch versucht, Wasser aus anderen Flüssen als Nilwasser zu deklarieren. So war es beispielsweise für den Isis-Kult, der sich insbesondere während der römischen Kaiserzeit im gesamten Mittelmeerraum ausbreitete, von kultischem Belang, ausschließlich echtes Nilwasser in den Tempeln aufzubewahren. Wo dies nicht möglich war, weil sich der Kultort nicht an den Ufern des Nils, sondern anderswo im Reich befand, musste entweder echtes Nilwasser aus Ägypten importiert werden oder das vor Ort erhältliche Wasser kurzerhand zu Nilwasser erklärt werden.178

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Hes. theog. 338. Lucan. 10,255; Isid. orig. 13,15; Mela 3,1; Strab. 2,3,5 C 100. So z. B. bei Lucan. 10,255–275. Bonneau 1964: 150. Bonneau 1964: 171–186; Montero Herrero 2012: 327. Bonneau 1964: 171. Zur stoischen Lehre bei Seneca s. Wildberger 2006; zur Denkfigur des Kataklysmos v. a. ebd.: 56–58; Bonneau 1964: 173. Der hydrologische Kreislauf war gemäß Senecas Vorstellungen seit Anbeginn der Welt existent, zumal Ozean und Nil ihm zufolge zeitgleich mit der Erde erschaffen worden seien; Sen. nat. 3,22; ähnlich Lucan. 10,265–267; Montero Herrero 2012: 327. Zur Idee der kosmischen Zusammenhänge zwischen den Planeten, ihren Bewegungen und dem Nil, die in Lukans Pharsalia innerhalb des Exkurses zur Nilflut gemeinsam mit mystischen Vorstellungen über die Götter wiedergegeben werden, s. Bakhouche 2002. Paus. 1,33,6; 2,5,3. Kleibl 2013; Siard 2007: 433–438.

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Darüber hinaus wäre es jedoch auch denkbar, dass reale geographische Beobachtungen als Ausgangspunkt für die Theorie dienten. Sowohl in Griechenland und Kleinasien als auch in Italien existieren Felsspalten im karstigen Grund mancher Hochebenen und Seen, über die das Wasser abfließen und schließlich, meist über ein weitläufiges System unterirdisch miteinander verbundener Seen, ins Meer abfließt.179 Aus jener lebensweltlichen Erfahrung heraus mag nach und nach die Vorstellung erwachsen sein, dass sämtliches Wasser auf der Erde auf diese Weise miteinander in Verbindung stehe und hin und wieder Hochwasser auslöse. So könnte lokales Erfahrungswissen schließlich auf andere Weltgegenden projiziert und zu einer naturkundlichen Theorie ausgearbeitet worden sein, mit deren Hilfe unbekannte Phänomene erklärt wurden.180 In der Windtheorie hingegen wurde ein Phänomen als Erklärungsansatz zu Hilfe genommen, das direkt vor Ort zu beobachten war. Jedes Jahr zur Zeit der ersten Hochwasserwelle des Nils gegen Mitte Juli begannen die etesischen Winde einzusetzen. Die Etesien waren Nordwinde, die, teils auch aus dem Nordosten wehend, in der Antike bis weit in den August hinein nicht mehr abließen und schon wegen ihrer zeitlichen Überlappung mit der Nilschwelle als mit der Flut in Verbindung stehend wahrgenommen wurden.181 Die Grundidee besagt, dass durch das starke Wehen in südliche Richtung der Wasserstrom des nach Norden fließenden Nils aufgehalten werde. Sein Abfluss ins Mittelmeer verlangsame sich und lasse das Flusswasser innerhalb seines Bettes so sehr anschwellen, dass es nach und nach immer mehr über die Ufer trete und das angrenzende Land überschwemme.182 Rückstau und Verlandung waren an vielen Flussmündungen ein Problem für die Schifffahrt183 und gerade Unterägypten wurde dank des Schwemmlandes im Deltagebiet als „Geschenk des Nils“ angesehen.184 Kaum wahrnehmbare Untiefen stellten vor allem für die großen Transportschiffe gefährliche Hindernisse dar, die die Ein- und Ausfahrt aus der Flussmündung behinderten. Der noch am Flussufer gelegene repub179

Für dieses Phänomen s. Kapitel III.2.2 im Zusammenhang mit Überschwemmungen von Karstgebirgsseen. 180 Ähnlich wurde dem Fluss Ana in Hispanien ein „mehrmaliges Entspringen“ nachgesagt, wofür man unterirdische Abflüsse verantwortlich zu machen suchte; Plin. nat. 3,6. Zum Phänomen der evasiven Flüsse, die teils unterirdisch und somit vom menschlichen Auge ungesehen fließen, als literarischem Instrument s. Murphy 2004: 142 f. Bereits in mythischen Stoffen aus Arkadien und der Argolis lassen sich eindeutig hydrologische Charakteristika von Karstgebieten greifen, die Clendenon 2009 systematisch herausgearbeitet hat. 181 Meteorologische Charakteristika der Etesien auf der Grundlage antiker Texte finden sich bei Heide 1997: 28–33. Zur Etesien-Theorie s. Bonneau 1964: 151–159; Capelle 1914: 333; kurz auch Montero Herrero 2012: 327 mit Verweis auf den Wind Zephyrus als Alternative. 182 Die theoretische Überlegung geht auf Thales von Milet zurück und wurde danach von vielen antiken Autoren aufgegriffen. Sen. nat. 4a (bzw. 2), 22; Lucr. 6,712–720; Plin. nat. 5,55; Lucan. 10,239– 247; Mela 1,9; Hdt. 2,28. 183 Hdt. 2,10; Thuk. 2,102; Campbell 2012: 38; Le Gall 1953: 127; Hughes 1994: 84. 184 Strab. 15,1,16 C 691 unter Verweis auf Nearchos (FGrHist 133 F 17) und Herodot (2,5,1); vgl. Plin. nat. 2,201; Plut. Is. 39; Campbell 2012: 73.

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likanische Mündungshafen von Rom in Ostia beispielsweise verlandete um die Zeitenwende zusehends, was insbesondere für die Getreideanlieferung problematisch war, sodass schließlich weiter nördlich ein neuer Hafen angelegt wurde.185 Wohlbekannte Schwierigkeiten dieser Art aus anderen geographischen Kontexten fanden wohl auch Eingang in die Etesien-Theorie. Die Windtheorie erntete unter den antiken Gelehrten reichlich Kritik. Nicht nur die Tatsache, dass der Nil auch bei Flaute stetig anstieg, gereichte den Kritikern als Gegenargument. Ebenso wurde bemängelt, dass schließlich auch andere Flüsse an den Küsten Nordafrikas und des Nahen Ostens mit nördlicher und nordwestlicher Fließrichtung ins Mittelmeer mündeten, ohne jedoch dasselbe Hochwasserregime aufzuweisen wie der Nil.186 Zudem wurde bemerkt, dass die jährliche Hochwasserwelle sich immer vom oberen Lauf des Nils her erst zum Unterlauf hin ausbreitete, wohingegen sie sich bei Zutreffen der Windtheorie doch vom Delta her ausbreiten müsste.187 Ebenso wurde der eindeutige Süßwassergehalt des Flutwassers als Gegenargument hervorgebracht.188 Nach dem Ableben des Ailios Aristeides kam die Etesien-Theorie zwar aus der Mode und wurde nicht mehr als eigenständige Theorie rezipiert, wurde aber in eine weitaus komplexere meteorologische Nilfluttheorie integriert: in die Regentheorie.189 Die Regentheorie besagt, dass die etesischen Sommerwinde Regenwolken zusammentrieben, die sich über dem äthiopischen Hochland sammelten und dort auf das Quellgebiet des Flusses hinabregneten. Durch jenen Regen gespeist, schwelle der Nil an und fließe, zusammen mit viel erodiertem Schwemmland, bis nach Ägypten hinunter.190 Der Erstautor dieser Theorie bleibt im Dunkeln, doch in jedem Fall wurden die theoretischen Grundideen von vielen antiken Autoren rezipiert und in eigene Worte gefasst, erweitert und präzisiert.191 So wurde neben den Regenfällen sogar den Sumpf-

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Strab. 5,3,5 C 231; Cass. Dio 60,11,1–3; Le Gall 1953: 127–129; Meiggs 1973: 50; Fellmeth 2001: 164; Fellmeth 1991: 3; s. dazu auch Kapitel III.2.3; zum Rückstau des Flusswassers an der Tibermündung s. Hor. carm. 1,2,13 f.; Cass. Dio 39,61,1. 186 Hdt. 2,20. Übersetzung nach Josef Feix (Feix 2006). 187 Strab. 17,1,48 C 817. Der Einwand Capelles, dass man in der Antike diese zeitliche Verzögerung flussabwärts noch nicht bemerkt zu haben scheine, ist daher nicht haltbar (Capelle 1914: 321 f.); dazu s. auch weiter unten Kapitel III.1.1c. 188 Aristoteles führte das Argument der vom Oberlauf hinabsteigenden Hochwasserwelle in seiner heute verlorenen Schrift über die Nilflut (De inundatione Nili) auf. Die Ursprünge des zweiten aufgeführten Gegenargumentes lassen sich heute nicht mehr mit Bestimmtheit ermitteln, dessen Grundzüge sind aber in den Schriften des Ailios Aristeides von Smyrna überliefert. Zur Rezeption beider Gegenargumente Bonneau 1964: 154. 189 Bonneau 1964: 155–158. Immerhin besteht nach heutigen Erkenntnissen insofern ein Zusammenhang zwischen der Nilschwelle und den Etesien in Ägypten, als die Winde eben dort in den Nordostpassat umgeleitet werden und, aufgehalten durch die Bergketten im äthiopischen Hochland, vor Ort starke Sommerregenfälle auslösen; Heide 1997: 71 f. 190 Ioh. Lyd. de mens. 4,107; Plut. Is. 39. 191 Zur Regentheorie s. Bonneau 1964: 195–208.

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gebieten am Oberlauf eine aktive Rolle zugeschrieben – es wurde angenommen, dass sie womöglich ebenfalls einen Teil des Sommerregens aufnähmen.192 Strabon hingegen betont die Rolle der Berge im äthiopischen Hochland, durch die die Regenwolken überhaupt erst gesammelt und aufgehalten würden: οἱ μὲν οὖν ἀρχαῖοι στοχασμῷ τὸ πλέον, οἱ δ᾽ ὕστερον αὐτόπται γενηθέντες ᾔσθοντο ὑπὸ ὄμβρων θερινῶν πληρούμενον τὸν Νεῖλον, τῆς Αἰθιοπίας τῆς ἄνω κλυζομένης, καὶ μάλιστα ἐν τοῖς ἐσχάτοις ὄρεσι, παυσαμένων δὲ τῶν ὄμβρων παυομένην κατ᾽ ὀλίγον τὴν πλημμυρίδα. Die Alten haben meist vermutungsweise, die Späteren dagegen aus eigener Anschauung erkannt, dass der Nil von den sommerlichen Regengüssen gefüllt wird, die im oberen Äthiopien, besonders in den Randgebirgen, niedergehen, und dass, wenn die Regengüsse aufhören, auch das Hochwasser allmählich aufhört.193

Insgesamt stellt die Regentheorie zugleich die komplexeste Theorie dar, da sie Elemente aus unterschiedlichen physikalischen und meteorologischen Beobachtungen in einem System zusammenführt. Sie kam zwar erst später als die meisten anderen Erklärungsansätze auf, setzte sich aber umso nachhaltiger in der Literatur durch. Im ersten vorchristlichen Jahrhundert stellte sie bereits die Mehrheitsmeinung zur Entstehung der Nilflut dar und behielt diesen Platz die gesamte Kaiserzeit und Spätantike über bei.194 Trotz allem wurde sie insbesondere von den Stoikern angezweifelt und stellt somit lediglich die meist akzeptierte von mehreren antiken Lehrmeinungen zur Nilschwelle dar.195 Kurz ist noch auf zwei andere Theorien einzugehen, wovon die zweite, die der Schneeschmelze, direkt zum nächsten Teilkapitel überleitet. Der Vollständigkeit halber sollte jedoch zunächst die Sonnentheorie in ihren Grundzügen erläutert werden. Sie basiert auf Naturbeobachtungen, die auf einen größeren Maßstab zu übertragen versucht wurden. In der Idee der Sonnenaktivität finden sich mehrere Theorien vereint, die zwar vom Einfluss der Sonne auf das Wasser ausgehen, den konkreten Pegelanstieg des Nils jedoch auf unterschiedliche Weise erklären.196 Immerhin aber sind aus den unterschiedlichen Ansätzen verschiedene naturkundliche Kenntnisse aus der Antike recht gut abzuleiten. Eine der Grundannahmen ist, dass die Hitze der Sonne

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Ps-Plut. plac. phil. 4,1,4. Bonneau 1964: 202 sieht in dieser Textstelle eine gewisse Kenntnis des Oberlaufs des Weißen Nils und vermutet dahinter gar ein Grundwissen über die Rückhaltewirkung der dortigen Sümpfe. 193 Strab. 17,1,5 C 789. Übersetzung: Stefan Radt (Radt 2005). Dazu s. Bonneau 1964: 205. 194 Bonneau 1964: 205. 195 Bonneau 1964: 208. 196 Bonneau 1964: 187–193; so Lucan. 10,258–261, demgemäß die Sonne tagsüber Meerwasser an sich ziehe und es nachts in den Nil fallen lasse; Sen. nat. 4a (bzw. 2) 2, 28–30; zu den verschiedenen Ausprägungen der Sonnentheorie und insbesondere zu deren intertextuellen Abhängigkeit und Quellenautoren s. Gemelli-Marciano 1993: 81–86.

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das Wasser nach oben ziehe, es also im Sommer stärker verdunste. Dies sei bei allen Flüssen im Sommer zu beobachten, die zur Zeit der größten Sommerhitze wenig bis gar kein Wasser mehr führten. Im Gegensatz dazu verdunste das Nilwasser in den Wintermonaten, da zu jener Zeit die Sonne näher an den Quellen des Nils sei als an den Quellen aller anderen Flüsse. Damit wurde die jahreszeitliche Umkehrung des Hochwasserverhaltens erklärt. Außerdem schließt sich daran die Vorstellung an, dass der Hochwasserstand der eigentlich reguläre Wasserstand des Nils sei, wohingegen der Niedrigstand außerhalb der Nilschwelle lediglich der starken Verdunstung durch die Sonneneinstrahlung geschuldet sei.197 Zumindest lässt sich in dieser Idee die Vorstellung einer jahreszeitlich variierenden Sonnenbahn (freilich anstelle einer Erdumlaufbahn) greifen sowie das Wissen um unterschiedliche Klimazonen und die Umkehrung der Jahreszeiten auf der südlichen Hemisphäre.198 Timaios nahm hingegen eher folgendes Szenario an: Die Sonneneinstrahlung ziehe das Nilwasser so sehr zu sich heran, dass es sein Volumen bei der größten Hitze ausdehne, überlaufe, und sich dann aus Angst vor seinem vollständigen Verschwinden wieder in seine unterirdischen Gänge zurückziehe. Zudem falle das Überlaufen des Flusses zeitlich mit dem Aufgang des Sirius, des sagenumwobenen Hundssterns, zusammen.199 Das Erscheinen des Sirius als Himmelsereignis, das gleichzeitig mit der Nilschwelle eintritt, wurde zwar nicht als Ursache für das Hochwasser angesehen, doch wurde es durchaus als Begleiterscheinung oder gar als ankündigendes Zeichen für die Nilflut gehandelt.200 Daher waren der Aufgang des Sirius und das Einsetzen der Nilflut in der literarischen Rezeption aufs engste miteinander verwoben, was bei der Lektüre antiker Hochwasserbeschreibungen generell zu bedenken ist, selbst bei Beschreibungen von Hochwassern anderer Flüsse. Beispielsweise nennt Polybios den Hundsstern im Zusammenhang mit dem jährlichen Hochwasser des Po, anstatt einfach auf den entsprechenden Monat oder die entsprechende Jahreszeit zu verweisen: ἄγει δὲ πλῆθος ὕδατος οὐδενὸς ἔλαττον τῶν κατὰ τὴν Ἰταλίαν ποταμῶν διὰ τὸ τὰς ῥύσεις τὰς ἐπὶ τὰ πεδία νευούσας ἀπό τε τῶν Ἄλπεων καὶ τῶν Ἀπεννίνων ὀρῶν εἰς τοῦτον ἐμπίπτειν ἁπάσας καὶ πανταχόθεν. μεγίστῳ δὲ καὶ καλλίστῳ ῥεύματι φέρεται περὶ κυνὸς ἐπιτολήν, αὐξόμενος ὑπὸ τοῦ πλήθους τῶν ἀνατηκομένων χιόνων ἐν τοῖς προειρημένοις ὄρεσιν.

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Hdt. 2,24–25; Bonneau 1964: 188 f. So jedenfalls fasst Bonneau 1964: 188 die naturkundlichen Kenntnisse aus der Sonnentheorie zusammen. 199 Plin. nat. 5,55. Die Idee der thermischen Ausdehnung von Wasser ist demnach die Grundlage der Theorie nach Timaios. 200 So z. B. bei Lucan. 10,225–227: Nilus neque suscitat undas ante Canis radios nec ripis alligat amnem ante parem nocti Libra sub iudice Phoebum. – „Der Nil jedoch kennt kein erregtes Wogen, bevor der Hundsstern strahlt, und bindet seine Flut erst dann an seine Ufer, wenn unter Herrschaft der Waage Tag und Nacht die gleiche Länge haben.“ Übersetzung: Wilhelm Ehlers (Ehlers 1978).

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Seine Wassermenge ist so groß als die irgend eines italischen Flusses, da alles Gewässer, was sowohl von den Alpen als den Apenninen in die Ebenen herabkommt, von allen Seiten dem Pados zuströmt. Am größten und schönsten ist sein Strom um den Aufgang des Hundssterns, wenn er durch die Menge des in beiden Gebirgen schmelzenden Schnees verstärkt wird.201

Freilich hat die Anspielung im Polybios-Text klare politische Implikationen, da unterschwellig suggeriert wird, dass Italien gleichsam über einen eigenen Nil verfüge und somit die römische Geographie und Kultur der alten pharaonischen mindestens ebenbürtig sei.202 Was aus dem Text jedoch ebenfalls deutlich hervorgeht, ist das Wissen über die Wirkung der Schneeschmelze auf den Pegelstand des Po. Wie im nachfolgenden Kapitel gezeigt wird, war die Schneeschmelze eine allgemein bekannte Ursache für Hochwasser im Frühjahr und Frühsommer – ein Phänomen, das in der Antike noch ausgeprägter gewesen zu sein scheint als heute und sich daher über einen langen Zeitraum von Frühling bis Sommeranfang erstreckte.203 Das mag auch der Grund dafür sein, dass die Schneetheorie das älteste bekannte Erklärungsmuster nicht-ägyptischen Ursprungs für die Nilflut ist.204 Seit der römischen Kaiserzeit wurde sie kaum mehr ernstgenommen oder zumindest nicht mehr als alleiniger Erklärungsansatz für die Nilschwelle angesehen. Vielmehr wurde die Schneeschmelze – ähnlich wie im Falle der Regentheorie – als eine von vielen Einflussfaktoren innerhalb eines komplexen meteorologischen Erklärungsmodells diskutiert.205 Deutlich wird immerhin, dass auch die Schneetheorie aus Beobachtungen aus den Heimatregionen der klassischen Autoren abgeleitet und als Erklärungsmuster für die Nilschwelle kurzerhand auf Äthiopien übertragen wurde.206 II.3.2 Wissen zu Flutursachen an anderen Flüssen Im vorigen Kapitel ist schon mehrfach angeklungen, dass immer wieder über Analogieschlüsse und Parallelisierungen versucht wurde, sich an die natürlichen Prozesse, die für die Nilschwelle verantwortlich waren, heranzutasten. Flusshochwasser als Phäno201 Pol. 2,16,8–9. Übersetzung: Haakh 1908. 202 Solcherlei Anspielungen finden sich vielfach in der antiken römischen Geographie und zeigen, wie sehr ideologische Prägungen sich selbst in nicht primär politischen Schriften oder offiziellen Staatsreden wiederfinden; so z. B. Prop. 2,1,31–33; dazu Campbell 2012: 375; Plin. paneg. 31,4; zur plinianischen Textstelle ausführlich weiter unten in Kapitel III.1.1c; zur Rolle des Nils für die römische Herrschaftsideologie s. auch Montero Herrero 2012: 327–341. Allgemein zu diesem Charakteristikum antiker, insbesondere römischer Geographie, s. bereits weiter oben Kapitel I.3.1. 203 Heide 1997: 41. 204 Sen. nat. 4a 2,17; Diod. 1,38; Hdt. 2,22; Amm. 22,15,5; Lucan. 10,221–223; Lucr. 6,735–737; dazu Bonneau 1964: 162 und 168 f.; Montero Herrero 2012: 327. 205 Bonneau 1964: 167. 206 Bonneau 1964: 162.

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men waren aus dem ganzen Mittelmeerraum bekannt, obgleich sie je nach Region oft ganz unterschiedliche Charakteristika aufwiesen und verschiedenen hydrologischen Regimen unterlagen. Diese Diversität der realen Ursachen für Flusshochwasser allein innerhalb des Mittelmeerraums spiegelt sich in gewisser Weise auch in der Vielzahl der daraus entwickelten Nilfluttheorien wider. Sie alle zeigen, dass bestimmte natürliche Ursachen für Flusshochwasser durchaus bekannt waren. Gerade die Schneeschmelze und anhaltende Regenfälle sind die beiden Hauptursachen für die periodischen Flusshochwasser an Mittelmeerflüssen, sodass es kaum verwundert, dass gerade diese beiden Erklärungsansätze breit rezipiert wurden. Da die Grundzüge und Topoi der antiken Nilfluttheorien nun bekannt sind, lassen sie sich in den folgenden Textstellen zu anderen Flüssen leicht identifizieren und bedürfen keiner ausführlichen Erklärung mehr. Zur Schneeschmelze als Flutursache in Frühjahr und Frühsommer liegen vielerlei Hinweise aus unterschiedlichen Quellenarten vor. Einige stammen sogar aus der Dichtung, was wiederum dafürspricht, dass es sich dabei um antikes Allgemeinwissen und letztlich um Erfahrungswissen handelte, da die Flutursachenbeschreibungen meist nicht das Hauptthema jener Gedichte darstellen.207 Das anschaulichste und zugleich ausführlichste poetische Zeugnis für einen durch Schneeschmelze angeschwollenen Sturzbach aus dem Gebirge entstammt einem Gedicht von Ovid. Darin geht es um einen jungen Mann auf dem Weg zu seiner Geliebten. An den Ufern eines Baches wird er allerdings aufgehalten, da sich kein Mittel findet, über den reißenden Wasserlauf zu kommen, weil der Gießbach wegen einer plötzlich einsetzenden Schneeschmelze heftig angeschwollen ist: Amnis harundinibus limosas obsite ripas, ad dominam propero – siste parumper aquas! nec tibi sunt pontes nec quae sine remigis ictu concava traiecto cumba rudente vehat. parvus eras, memini, nec te transire refugi, summaque vix talos contigit unda meos. nunc ruis adposito nivibus de monte solutis et turpi crassas gurgite volvis aquas. (…) si tamen hic standum est, si non datur artibus ullis ulterior nostro ripa premenda pedi? (…) Tu potius, ripis effuse capacibus amnis – sic aeternus eas – labere fine tuo! (…)

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207 Vgl. Dueck 2013: 134–138; auch 10 zum Alltagsbezug geographischen Wissens in der Antike.

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nec capit admissas alveus altus aquas. (…) fontis habes instar pluviamque nivesque solutas, quas tibi divitias pigra ministrat hiemps; aut lutulentus agis brumali tempore cursus, aut premis arentem pulverulentus humum. (…) damnosus pecori curris, damnosior agris. (…) at tibi pro meritis, opto, non candide torrens, sint rapidi soles siccaque semper hiemps!

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Fluss, der du deine sumpfigen Ufer mit Rohr besät hältst, Zur Herrin eile ich – halte deine Wasser ein wenig still! Weder Brücken hast du, noch einen hohlen Kahn, der ohne Ruderschlag am Fährseil entlang zur Überfahrt zieht. Klein warst du, ich erinnere mich, dich zu queren scheute ich mich nicht, 5 Und die höchste Woge erreichte kaum meine Knöchel. Jetzt rauschst du dahin, angereichert vom geschmolzenen Schnee aus den Bergen Und hässlich und sprudelnd wälzt du die schlammigen Wasser. (…) Wenn hier aber Halt zu machen ist? Wenn das jenseitige Ufer 11 Unserem Fuß keinerlei Kunst beschert, es zu betreten? (…) Gleite lieber, du aus deinen geräumigen Ufern ausgetretener Sturzbach – 19 Und so mögest du auf ewig bleiben – innerhalb deiner Grenzen dahin! (…) Das hohe Ufer vermag die dir entströmenden Wasser nicht zu fassen. 86 (…) Gleichsam als Quelle hast du Regen und geschmolzenen Schnee, 93 Reichtümer, mit denen dich der verlängerte Winter versorgt; Entweder treibst du deinen schlammigen Lauf in nebliger Zeit voran, Oder bedrängst voll Staub den sandigen Boden. (…) Dem Vieh fließt du schädlich dahin, schädlicher noch den Äckern. 99 (…) Dir aber wünsche ich für deine Verdienste, du unreiner Gießbach, 105 dass die Sonne sengend und der Winter immer trocken sei!208

208 Ov. am. 3,6.

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Mehrere detailreiche Informationen zu Art und Entstehung des Hochwassers hält Ovid hier bereit. Zu Anfang und nochmals mitten in der dichten Beschreibung nennt er die Quelle, aus der sich das saisonale Hochwasser speist: „Jetzt rauschst du dahin, angereichert vom geschmolzenen Schnee aus den Bergen“ sowie „Gleichsam als Quelle hast du Regen und geschmolzenen Schnee, Reichtümer, mit denen dich der verlängerte Winter versorgt …“. Sowohl der Zeitraum (Winterhalbjahr) als auch die Ursachen für den Pegelanstieg (Regen und im beschriebenen Fall das Schmelzwasser aus dem Gebirge) sind hier eindeutig identifiziert.209 Das restliche Jahr über ist der Gebirgsbach kaum mehr als ein Rinnsal, denn in der Erinnerung des jungen Mannes reichte ihm das Wasser sonst „kaum bis zum Knöchel“.210 Was Ovid hier anschaulich beschreibt, ist ein Flusshochwasser des mediterranen Typs, wie sie auch für seine Heimatgegend Sulmo in den Apenninen typisch waren. Es liegt daher nahe, dass er seine Beschreibungen mit eigenen Erlebnissen aus den Heimatgefilden anreicherte. Auch die hohe Sedimentfracht – schmutziges, schlammiges Wasser wird allenthalben erwähnt – ist charakteristisch für derartige Gebirgshochwasser. Beim Übertreten der steilen Ufer richtete das Flutwasser zudem Schaden für die Bauern an: Vieh und Ackerland wurden mitgerissen und weggeschwemmt. Literarische Beschreibungen steiler, hoher Ufer an Wildbächen im Gebirge, die zudem kein festes Bett haben, liegen auch aus dem südlichen Alpenvorland vor.211 Alpenvorland und Poebene waren Schauplatz des Hannibalfeldzugs im Zweiten Punischen Krieg, in

209 Auf denselben Umstand nimmt Lukan Bezug, wenn er zu bedenken gibt (Lucan. 10,223–225): Adde, quod omne caput fluvii, quodcumque soluta praecipitat glacies, ingresso vere tumescit prima tabe nivis. – „Bedenk auch weiter, dass jedweder Flusslauf, den die Eisschmelze reißend macht, bei Frühlingsanfang schwillt, wenn der Schnee zu tauen anfängt.“ Übersetzung: Wilhelm Ehlers (Ehlers 1978). 210 Vgl. Plin. nat. 2,229 bezüglich des Wasserregimes am Gebirgsbach Novanus in den Apenninen, den er als torrens bezeichnet; allgemein zu Charakteristika von torrentes auch Plin. nat. 2,131–132. 211 Liv. 21,54,1. Am anschaulichsten Liv. 21,31,10–12: Is et ipse Alpinus amnis longe omnium Galliae fluminum difficillimus transitu est; nam cum aquae vim vehat ingentem, non tamen navium patiens est, quia nullis coercitus ripis, pluribus simul neque iisdem alueis fluens, nova semper [per] vada novosque gurgites – et ob eadem pediti quoque incerta via est – ad hoc saxa glareosa voluens, nihil stabile nec tutum ingredienti praebet; et tum forte imbribus auctus ingentem transgredientibus tumultum fecit, cum super cetera trepidatione ipsi sua atque incertis clamoribus turbarentur. – „Sie [Druentia, heute Durance, J. H.] ist auch ein Alpenstrom, aber von allen gallischen Flüssen am schwersten passierbar. Obwohl sie ungeheure Wassermengen mit sich führt, ist sie doch nicht schiffbar, weil sie sich nicht in feste Ufer zwängen läßt, sondern zugleich in mehreren, und zwar ungleichen Flußbetten fließt und immer neue Untiefen und Strudel bildet. Deswegen ist auch die Durchquerung zu Fuß riskant; zudem ist sie voller Rollkies, so daß sie nirgends eine feste und sichere Grundlage bietet, wenn man zu Fuß hinüber will. Damals war sie gerade von Regengüssen angeschwollen und verursachte beim Überqueren ein gewaltiges Durcheinander, da obendrein die Punier noch durch ihre eigne Angst und irremachende Rufe aus der Fassung gebracht wurden.“ Übersetzung: Josef Feix (Feix 2000).

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deren Verlauf die Truppen beider Parteien immer wieder von Flusshochwassern und heftigen Stürmen aufgehalten wurden.212 Der Po weist ein komplexes Abflussregime auf, dessen Charakteristika sich am ehesten mit dem ‚pluvio-nivalen‘ Typ identifizieren lassen.213 Das bedeutet, dass er mehrmals im Jahr Hochwasser führt.214 Die bedeutenderen Pegelanstiege werden von der Schneeschmelze in den Alpen verursacht, deren Auswirkungen an seinen Ufern erst im Frühsommer auszumachen sind – daher der Zusatz ‚nival‘. Die südlichen Zuflüsse zum Po, die aus den Apenninen kommen, steuern nur im Herbst und im Frühjahr nach Regenereignissen Wasser bei.215 Insgesamt weist der Po also ein jahreszeitlich verhältnismäßig ausgeglichenes Abflussregime auf.216 Besonders ausführlich beschreibt Strabon die Pogegend vom Einzugsgebiet bis zur Mündung und nennt außerdem beide bekannte Speisungsarten der dortigen Flusshochwasser: Regen und Schnee.217 Die Beschreibung des Po bei Plinius dem Älteren enthält sowohl Anspielungen auf die Nilschwelle als auch Informationen über die Schneeschmelze als Ursache für die starken Hochwasser: Graecis dictus Eridanus ac poena Phaethontis inlustratus, augetur ad Canis ortus liquatis nivibus, agris quam navigiis torrentior, nihil tamen ex rapto sibi vindicans atque, ubi linquit, ubertate largitor. Von den Griechen Eridanos genannt und durch die Bestrafung des Phaëthon bekannt, schwillt er beim Aufgang des Hundssterns durch die Schneeschmelze an, was für die Äcker verderblicher ist als für Schiffe, beansprucht er dennoch nichts von seinem Raube für sich und ist dort, wo er zurücktritt, durch seine Fruchtbarkeit freigebig.218

212 213

Pol. 3,47–60; Liv. 21,31–38. Rother/Tichy 2008: 30. Wegen seiner Länge unterliegen die verschiedenen Teile seines Einzugsgebietes auch unterschiedlichen Abflussregimen. So sind seine alpinen Zuflüsse vor allem sogenannte ‚pluvio-glaziale‘ Typen, die vom Gletscher- und Schneeregime abhängen und ein Sommermaximum sowie ein Winterminimum aufweisen. Seine Zuflüsse aus dem Apennin sind hingegen eher ‚pluviale‘ Typen mit Wintermaximum und Sommerminimum. Somit führt der Po das ganze Jahr hindurch ausreichend Wasser aus jeweils unterschiedlicher Speisung. Man spricht deshalb auch von ‚Retentionsregime‘. 214 Dazu Wirth et al. 2013 mit einer Modellierung des Abflussregimes des Po während der letzten 2000 Jahre. Am meisten ausgeprägt waren demnach die Winter- und Sommerhochwasser, während im Frühjahr und Herbst der Pegel eher zurückging. 215 Im Gegenzug bezeichnet das ‚pluviale‘ Abflussregime, dessen bekanntester Vertreter der Tiber ist, einen durch Dauerregen und Sturm verursachten Pegelanstieg, wobei seine frühsommerlichen Hochwasser bei einsetzender Schneeschmelze dort zumindest in moderner Zeit tatsächlich stärker ausgeprägt sind als die Pegelanstiege im Herbst; vgl. Le Gall 1953: 19–18; vgl. Kapitel I.4. Letztlich ist der Tiber einem komplexen Hochwasserregime unterworfen, da er sich aus verschiedenen Zuflüssen in den Apenninen speist. 216 Wagner 2011: 123. 217 Strab. 5,1,5 C 212. 218 Plin. nat. 3,117.

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Geschickt verbindet Plinius die eher ideologische Aussage von der Fruchtbarkeit der Äcker durch den „beim Aufgang des Hundssterns“ anschwellenden italischen Flusses mit der naturkundlichen Angabe, dass die Schneeschmelze für den Pegelanstieg verantwortlich sei. Schon bei Polybios ist diese Anspielung zu finden.219 Viel mehr noch als Polybios betont Plinius die zwar verändernde Kraft der Wassermassen, seien sie doch verderblich für die Äcker, doch nur, um gleich im Anschluss auf die langfristig positive Auswirkung aufmerksam zu machen: gute Schiffbarkeit und reiche Ernten. Auf eigenem italischem Boden entfaltet der Po gewissermaßen dieselbe Wirkung wie der Nil in Ägypten, so die Botschaft. Durch die Anspielung auf den Hundsstern gelingt es ihm, die Analogie Po-Nil zusätzlich zu untermauern.220 An anderer Stelle, in der es allgemein um die Schneeschmelze geht, jedoch nicht um den Po im Speziellen, macht Plinius auf die rückhaltende Wirkung von Schnee aufmerksam. Der Schneefall im Winter mindere die Gefahr des sofortigen Flusshochwassers, da er das Wasser in fester Form bis zum Tauprozess festhalte. Erst nach und nach gebe er durch sukzessives Abschmelzen das verflüssigte Wasser wieder frei, ohne Überschwemmungen zu verursachen.221 In den Feldmesserschriften erfolgt eine kurze Charakterisierung der padanischen Flusshochwasser im Zuge der Diskussion um Grenzstreitigkeiten. Auch hier wird auf die heftige und zudem sehr plötzlich einsetzende Schneeschmelze in den Alpen hingewiesen, die immer wieder zu Veränderungen der Flusslandschaft führe: Hae quaestiones maxime in Gallia tota mouentur, quae multis contexta fluminibus inmodicas Alpium niues in mare transmittit et subitarum regelationum repentina[s] inundatione[s] patitur iniurias. Diese Streitfragen [Grenzstreitigkeiten] werden vor allem in der Gallia Togata [Poebene] angestrengt, da sie, von vielen ungebändigten Flüssen durchzogen, den Schnee der Alpen ins Meer geleitet und Schäden erleidet durch die Überschwemmungen aus den regelmäßig vorkommenden plötzlichen Schneeschmelzen.222

Aus Axima an der Isère (Isara) in den Alpes Graiae sind zwei kaiserliche Inschriften überliefert, die über durch Gießbäche verursachte Flutereignisse Auskunft geben. Eine stammt von den Kaisern Marcus Aurelius und Lucius Verus, die andere von Commodus. Beide lassen einen Zusammenhang mit der frühsommerlichen Schnee-

219 Pol. 2,16,8–9. 220 Ähnlich in Plin. nat. 36,70, wo der Tiber als ebenso wasserreich wie der Nil bezeichnet wird; generell zur Funktion von Flussbeschreibungen bei Plinius im Einklang mit der römischen imperialen Weltsicht s. Murphy 2004: 138–148, v. a. 140 f. 221 Plin. nat. 17,15. 222 Agennius Urbicus, C 40,4–6 = L 83,2–5 = T 43,4–8; vgl. Commentum, C 66,11–13 = L 17,22–25 = T 64,25–27.

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schmelze vermuten. Die Vokabel torrentes223 (Sturzbäche) sowie der Ausdruck vi{i} fluminis (oder fluminum)224 suggerieren zumindest ein sehr plötzliches Auftreten der Hochwasserwelle. Das abrupte Auftreten von Gießbächen ließe sich zumindest gut mit der Aussage aus den Feldmesserschriften vereinbaren, die die Schneeschmelze als repentinus, „unvermittelt [auftretend]“, charakterisieren. Ein solches Abflussverhalten ist nach plötzlichem Temperaturanstieg in Gebirgsregionen im Frühsommer nichts Ungewöhnliches. Neben der Schneeschmelze oder heftigem Dauerregen wäre im Falle beider Inschriften als auslösendes Ereignis alternativ auch denkbar, dass die verheerenden Sturzfluten durch das plötzliche Auslaufen eines Gebirgssees ausgelöst wurden, was in der Fachsprache als Gletscherflut oder GLOF (Glacial lake outburst flood) bezeichnet wird.225 Gletscherfluten kommen dadurch zustande, dass eine größere Menge an Wasser in Gebirgsregionen von einem Gletscher am Ablaufen ins Tal gehindert wird und sich deshalb hinter dem Gletscherdamm temporär aufstaut. Nach einer gewissen Zeit bahnt sich das Wasser jedoch unter der Oberfläche einen Weg durch den Damm, in anderen Fällen kann der Damm auch durch ein Erdbeben oder Erdrutsche beschädigt werden. In jedem Fall bricht das Wasser aus dem Gletschersee dann unvermittelt wieder hervor und bahnt sich seinen Weg ins Tal.226 Auffallend in sämtlicher Literatur zum Po ist, dass zumeist die Häufigkeit und die verheerende Wirkung der Flusshochwasser im Frühsommer betont wird sowie die damit einhergehende Schneeschmelze mit Frühjahrsregen. Indirekt deutet dies darauf

CIL XII 107 = ILS 5868 = AE 1996, 981 = AE 2009, 803: [Imp(erator) Caes(ar) Marcus] / [Aurelius Antoninus] / [Aug(ustus) trib(unicia) potest(ate) XVII] / [co(n)s(ul) III pont(ifex) max(imus) p(ater) p(atriae) et] / Imp(erator) Caes(ar) Lu[cius] / Aurelius Verus Au[g(ustus)] / [tr]ib(unicia) potest(ate) III co(n)s(ul) II / [vi]as per fines Ceutro/[n]um vi torrentium / [ev]ersas exclusis / [ flu]minibus et in na[tu]/[ra]lem alveum redu[ctis] / [m]olibus plurib[us locis] / [opp]ositis item po[ntes] / [tem]pla et balin[ea] / [pec(unia)] sua resti[tuer(unt)]. – „Die Kaiser Marcus Aurelius und Lucius Verus usw. stellten die Straße, die durch Ceutronengebiet führt und von der Wucht der Sturzbäche aufgewühlt worden war, wieder her, indem sie aus eigenen Geldmitteln die Flüsse ausschlossen, wieder in ihr natürliches Flussbett zurückführten und ihnen mehrere Dämme entgegenstellten, ebenso stellten sie die Tempel und Thermen aus eigenen Geldmitteln wieder her.“ 224 CIL XII 2343 = ILN V. 2 Vienne 536 = CAG-73, p 164 = AE 2009, 803: [Pro salute et incolum] itate[ et Vic]toria / [Imp(eratoris) Caes(aris) M(arci) Aur(eli) Com]modi An[ton]ini Aug(usti) / Pii Sarm(atici) Germanici m]ax(imi) Britannici / […]um vii flum[inis(?) …] / [aquis deriv]atis et tr[ansitu restituto] / [–. – „Für die Gesundheit und das Wohl und den Sieg des Imperator Caesar Marcus Aurelius Commodus usw. hat […] durch die Wucht des Flusses (?) […] die Wasser umgeleitet und den Übergang wiederhergestellt (?).“ Die Schreibung vii mit zwei i ist laut Rémy 2009: 267 nicht als Zahl zu verstehen, sondern als lokale Schreibweise des Substantivs vi, nachgewiesen in einer ähnlichen Inschrift aus Mediolanum, s. CIL V 5795 = ILS 4224. Allerdings ist die Inschrift des Commodus aus Axima zu sehr fragmentiert, als dass eine eindeutige Lesung möglich wäre. 225 Horstmann 2004: 2 (allgemeine Erklärung) und 7 (Charakterisierung solcher Flutereignisse in den Schweizer Alpen). 226 Zwar keine exakt diesem Szenario entsprechende, aber auf ähnliche Prozesse Bezug nehmende Beschreibung für die Alpenregion liefert Strab. 4,6,6 C 204. 223

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hin, dass die durch Gewitterregen verursachten Hochwasser im Herbst generell weniger stark ausfielen und sie deshalb wohl auch weniger Schaden anrichteten. Ähnlich scheint es an den Pyrenäenflüssen gewesen zu sein. So wurden Caesars Truppen auf ihrem Feldzug um Ilerda im Juni 49 v. Chr. nach Einsetzen der Schneeschmelze von einem starken Flusshochwasser überrascht und einige Tage eingeschlossen. Auch die Lebensmittelzufuhr war deshalb für mehrere Tage unterbrochen.227 Aussagen, die die Charakteristika von Flusshochwassern des mediterranen Typs beschreiben, finden sich an vielen Stellen in der antiken Literatur. Für den Iber Onubense in der Baetica etwa, der nicht mit dem Iber (Ebro) in Nordspanien zu verwechseln ist, trifft Strabon die Aussage, dass sowohl die Schneeschmelze als auch Regen und die Etesien-Winde für die Pegelanstiege verantwortlich seien.228 Hier wird besonders deutlich, dass die verschiedenen Speisungsarten für Flusshochwasser im Mittelmeerraum den antiken Beobachtern durchaus bekannt waren. Zugleich klingen hier aber auch verschiedene Nilfluttheorien an und es bleibt zu vermuten, dass Strabon an dieser Stelle nicht zuletzt darauf verweisen wollte, selbst in der literarischen Diskussion zur Nilschwelle bewandert zu sein.229 Ebenfalls auf ein frühsommerliches Flusshochwasser, allerdings am Fluss Kydnos im östlichen Mittelmeerraum, nimmt Prokop in seiner Schrift „Bauten“ Bezug.230 In anderen Gegenden des Mittelmeerraums waren es statt der Schneeschmelze vielmehr Starkregenereignisse, die die Flussanrainer und mit ihnen die Infrastruktur regelmäßig vor gewaltige Herausforderungen stellten. Der Tiber in Rom schwoll häufig mehrmals im Jahr an,231 darunter offenbar besonders oft wegen anhaltender starker Regenfälle.232 In den lateinischen Schriftquellen ist diesbezüglich ausschließlich von imbres die Rede, niemals jedoch von bloßem pluvium. Nach Döderleins Begriffsstudie sind imbres (von imber, Regen, meist im Plural gebraucht) heftige und langanhaltende Herbst- oder Winterregen, auch Platzregen, die oftmals mit starkem Unwetter

227 Caes. civ. 1,48. Das Datum der Schlacht von Ilerda am 26. Juni folgt allerdings noch der Zeitrechnung vor der caesarischen Kalenderreform. 228 Strab. 3,5,9 C 175. 229 Da er mehrere Jahre in Alexandria verbrachte und dort wohl auch die Bibliothek nutzte, kannte er die Nilschwelle aus eigener Anschauung so wie er sicher auch Zugang zu diesbezüglicher Literatur hatte. Von einer Fahrt auf dem Nil flussaufwärts kannte er auch den Flussverlauf bis zur äthiopischen Grenze; dazu s. Dueck 2000: 20 f.; Engels 1999: 32 f. Hinzu kommt wohl, dass er sein Werk vermutlich in relativ kurzer Zeit fertiggestellt hat, was sich Dueck 2000: 166 f. zufolge in einer Häufung solcherlei Parallelisierungen und Assoziationen niedergeschlagen hat. 230 Prok. aed. 5,5,14–17. 231 Plin. nat. 3,55; Liv. 24,9,6; Liv. 38,28,4. 232 Plut. Numa 22,4; Cass. Dio 39,61,1; Tac. ann. 1,76; Plin. epist. 8,17; Amm. 29,6,17; zur Flusshydrologie des Tibers inerhalb Roms s. Aldrete 2007: 51 und 54–61; Leveau 2008: 138 f.; ausführlicher Le Gall 1953: 3–18 für heutige Verhältnisse und 19–35 für eine Rekonstruktion des antiken Hochwasserregimes.

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einhergehen. Dahingegen scheint sich pluvium ausschließlich auf leichten Sommerregen ohne begleitende Stürme zu beziehen.233 Schließlich ist das Lob Justins auf die hispanischen Flüsse – offensichtlich die Flüsse der Atlantikküste – in direkter Gegenüberstellung zu den mediterranen Hochwasserregimen zu verstehen: Für Justin selbst ebenso wie für seinen Quellenautor, Pompeius Trogus,234 scheinen die heftigen und plötzlich einsetzenden Flusshochwasser die üblichen Hochwasserarten gewesen zu sein, denn er stellt mit einiger Verwunderung heraus, dass die Flüsse Hispaniens nicht ungestüm und plötzlich, sondern sanft und regelmäßig flössen, ganz ohne Schaden anzurichten. Im Gegenteil würden sie sogar für eine regelmäßige Bewässerung der Felder und Weinreben sorgen.235 Ebenso hob schon Strabon die hohen Ufer der hispanischen Flüsse als positives Charakteristikum hervor, weil das Flusswasser dadurch das Umland nicht fluten könne.236 Auch hier ist freilich nicht zu vergessen, dass der Topos der fruchtbringenden, geradezu zahmen Flüsse nicht zuletzt als Kontrast zur ebenfalls toposbehafteten Figur des wilden Hispaniers dienen sollte: Die erst kürzlich befriedeten iberischen Herrschaftsbereiche Roms zur Zeit des Trogus und Strabon waren dem interessierten stadtrömischen Publikum als ertragreiche Landschaft mit noch zu zivilisierenden Einwohnern zu präsentieren.237 Ähnlich steht es mit Aussagen zu Donau und Rhône, aber auch zu Euphrat, Tigris, Rhein und vielen anderen Flüssen, deren Quellgebiete außerhalb der mediterranen Klimazone lagen und deshalb wasserreicher waren und beständiger flossen.238 Für das ungewöhnliche Fließverhalten des Euphrat gibt Polybios gar sowohl besondere natürliche Umstände als auch ausgeprägte anthropogene Einflüsse an: ὁ γὰρ Εὐφράτης τὴν μὲν ἀρχὴν λαμβάνει τῆς συστάσεως ἐξ Ἀρμενίας, διαρρεῖ δὲ [τὸν] διὰ Συρίας καὶ τῶν ἑξῆς τόπων ὡς ἐπὶ Βαβυλωνίαν. καὶ δοκεῖ μὲν εἰς τὴν Ἐρυθρὰν ἐμβάλλειν θάλατταν, οὐ μὴν ἔστι γε τοῦτο: ταῖς γὰρ διώρυξι ταῖς ἐπὶ τὴν χώραν ἀγομέναις προεκδαπανᾶται πρὶν ἐκβολὴν εἰς θάλατταν πεποιῆσθαι. διὸ καὶ συμβαίνει τὴν ὑπεναντίαν φύσιν ἔχειν τοῦτον τοῖς πλείστοις τῶν ποταμῶν. τοῖς μὲν γὰρ ἄλλοις αὔξεται τὸ ῥεῦμα, καθὼς ἂν πλείους διαφέρων-

233 Döderlein 1827: 87–89. 234 Zum Verhältnis des justinischen Werks zur Schrift des Pompeius Trogus auf der Grundlage sprachlicher Analysen s. Steele 1917; Yardley 2003; für eine kulturgeschichtliche Analyse und Interpretation des Werks von Pompeius Trogus s. Wickevoort Crommelin 1993. 235 Iust. 44,1,7: In hac cursus amnium non torrentes rapidique, ut noceant, sed lenes et vineis campisque inrigui. – „Die Flußläufe darin [Hispanien] sind nicht so wild und reißend, daß sie Schaden täten, sondern sanft und so, daß sie die Weingärten und Felder schön bewässern (…).“ Übersetzung: Otto Seel (Seel 1972). 236 Strab. 3,3,4 C 153. An der Stelle bezieht sich Strabon explizit auf die großen Atlantikflüsse, deren Mündungsgebiete sich aus hohen, schroffen Felsformationen mit tiefen, weit ins Binnenland hineinreichenden Einschnitten zusammensetzten. 237 Zur toposbehafteten pragmatischen Ethnographie des Pompeius Trogus im Sinne der römischen Expansionspolitik und zugleich der griechischen Tradition folgend s. Wickevoort Crommelin 1993: v. a. 125–128; zum selben Aspekt im Werk von Strabon s. Engels 1999: 353–358. 238 So beispielsweise Sen. nat. 3,27,8 bezüglich Rhône, Rhein und Donau.

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ται τόπους, καὶ μέγιστοι μέν εἰσι κατὰ χειμῶνα, ταπεινότατοι δὲ κατὰ τὴν ἀκμὴν τοῦ θέρους: οὗτος δὲ καὶ πλεῖστος γίνεται τῷ ῥεύματι κατὰ κυνὸς ἐπιτολὴν καὶ μέγιστος ἐν τοῖς κατὰ Συρίαν τόποις, αἰεὶ δὲ προϊὼν ἐλάττων. αἴτιον δὲ τούτων ὅτι συμβαίνει τὴν μὲν αὔξησιν οὐκ ἐκ τῆς συρρύσεως τῶν χειμερινῶν ὄμβρων, ἀλλ᾽ ἐκ τῆς ἀνατήξεως τῶν χιόνων γίνεσθαι, τὴν δὲ μείωσιν διὰ τὰς ἐκτροπὰς τὰς ἐπὶ τὴν χώραν καὶ τὸν μερισμὸν αὐτοῦ τὸν ἐπὶ τὰς ἀρδεύσεις. Der Euphrat nämlich hat seine Quellen in Armenien und fließt alsdann durch Syrien und die angrenzenden Länder nach Babylonien. Zu münden scheint er in das Rote Meer; allein in Wirklichkeit ist dem nicht also. Denn durch die Kanäle, die über das Land hin geführt sind, wird ihm sein Wasserreichtum entzogen, bevor er sich in das Meer ergießt. Daher ist auch seine Natur in Vergleich mit der der meisten Flüsse eine ganz entgegengesetzte. Bei den andern nämlich steigt die Wassermasse, je mehr Länder sie durchfließen, und am stärksten sind sie im Winter, am schwächsten in der höchsten Sommerzeit. Der Euphrat dagegen hat am meisten Wasser zur Zeit, wenn der Hundsstern aufgeht, und ist am stärksten in den Landschaften Syriens, worauf er in seinem weiteren Lauf immer schwächer wird. Die Ursache hiervon ist, daß sein Anschwellen nicht von dem Zusammenströmen der winterlichen Regengüsse, sondern von dem Schmelzen der Schneemassen herrührt, und dass seine Verminderung infolge der Ableitungen über das Land und infolge seiner Teilung behufs der Bewässerung stattfindet.239

Vergleichbar mit Po und Nil soll also auch der Euphrat zur Zeit des Siriusaufgangs anschwellen. Dies lässt nicht nur eine starke Intertextualität und ideologische Motivation vermuten, sondern zeigt auch, wie in der antiken Geographie mit Analogien argumentiert wurde. Als Ursache für die Flut wird hier hydrologisch korrekt die Schneeschmelze im Quellgebiet genannt. Vordergründig lenkt Polybios die Aufmerksamkeit hier jedoch auf die intensive Nutzung des Flusswassers durch den Menschen: Der Euphrat als Hauptbewässerungsquelle Mesopotamiens240 sei infolge der Feldbewässerung so sehr in seinem Wasservolumen reduziert worden, dass er den Arabischen Golf nicht mehr erreicht habe. Auch in der Antike war den Menschen durchaus bewusst, dass künstliche Eingriffe in den natürlichen Wasserfluss zu Veränderungen des Wasserhaushalts und der Flusslandschaft beitrugen.241 239 Pol. 9,43,1–5. Übersetzung: Haakh 1908. 240 Smith 1978: 13. 241 Die exzessive Nutzung von Flüssen, etwa durch Wasserabzweigung zu unterschiedlichen gewerblichen Zwecken und zur Trinkwasserentnahme, kann sogar dazu führen, dass manche Flüsse das Meer gar nicht mehr ganzjährig erreichen, sondern vorher verdunsten und stark reduziert unterirdisch weiterverlaufen. Aktuell ist der Colorado River in den USA einer der bekanntesten Fälle (Gerlak et al. 2013), und auf andere Gewässerarten übertragen ist dieses Phänomen etwa für den Aralsee in alarmierendem Ausmaß bezeugt (Mauser 2007: 66–77; Izhitskiy et al. 2016). Letztere sprechen allerdings von einem global zu beobachtenden Phänomen seit dem 19. Jahrhundert, das im Falle des Aralsees nur ganz besonders ausgeprägt und innerhalb kürzester Zeit verlaufen sei. Manche dieser stark durch den Menschen genutzten Flüsse trocknen nicht ganzjährig aus, sondern erhalten ein gleichsam künstlich erzeugtes saisonales Abflussregime. In diesem Zusam-

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Versucht man nun, allein auf der Grundlage der lateinischen Schriftquellen die verschiedenen Speisungsarten der Flusshochwasser in Italien und den Westprovinzen zu kartieren, kommt man zu folgendem Ergebnis (Karte 1):242 Für die hochalpine Gegend mit der Poebene werden vor allem die frühsommerliche Schneeschmelze sowie in Herbst und Frühjahr dann Regenfälle für die Hochwasser verantwortlich gemacht. In den Quellen wird bezüglich der Hochwasser im Einzugsgebiet des Po immer die Schneeschmelze im Frühsommer an erster Stelle genannt (nives), des Weiteren dann reißende Wildbäche im Gebirge (torrentes) sowie heftige Gewitterregen (imbres),243 was eben jenem ‚pluvio-nivalen‘, teils auch ‚pluvio-glazialen‘ Abflussregime entspräche.244 Für Gewässer in Mittelitalien, insbesondere für den Tiber, aber auch für kleinere Flüsse, wird nach heutiger Kategorisierung von einem ‚pluvialen‘ Regime gesprochen, da sie sehr sensibel auf Niederschläge reagieren.245 Auch in den antiken Quellen überwiegen Hinweise auf Stürme, anhaltende Regenfälle oder Starkregen (tempestates, imbres, imbres continui),246 die dann zu teils torrentiellen Abflüssen führten.247 Die Schneeschmelze ist dort hingegen von nachgeordneter Bedeutung. In Nordafrika, auf den Inseln und an der spanischen Mittelmeerküste herrschen Abflussregime vor, die in der heutigen Hydrologie als ‚torrentiell‘ bezeichnet werden.248 Sie ereignen sich zum Großteil an periodischen Gewässern sowie in Trockentälern, die durch sogenannte ‚konvektive Niederschläge‘ ausgelöst werden und einen enormen Oberflächenabfluss aufweisen.249 In den Quellen ist für jene Gegenden von imbres

242

243 244 245 246 247 248 249

menhang ist in der aktuellen hydrologischen Forschung auch von „anthropogenic seasonal rivers“ die Rede (Isik et al. 2008: 173 mit Verweis auf X. Jiongxin, A Study of Anthropogenic Seasonal Rivers in China, Catena 55, 2004, 17–32). In Verbreitung und Ausmaß ist dies ein rein aktuelles Phänomen, obgleich es für die Antike wie gesehen auch nicht gänzlich unbekannt ist. Zur Karte: Die Daten entstammen römischen Schriftquellen, vor allem Inschriften, ansonsten geographischen und teils lyrischen Werken. Zu erkennen ist, dass zur Beschreibung von Hochwassern für konkrete geographische Räume jeweils unterschiedliches Vokabular genutzt wurde. Dies gilt selbst dann, wenn man sich auf lateinische Schriftquellen zum Westen des Reichs beschränkt. Um letzteres zu verdeutlichen, wurde hier bewusst zum einen auf die griechischsprachige Literatur verzichtet, und zum anderen der Osten des Reichs ausgelassen. Die fettgedruckten Charakteristika entsprechen den am häufigsten genannten Flutursachen, während die anderen eher beiläufig als weitere mögliche Auslöser für Hochwasser in den Quellen Erwähnung finden. Die in Klammern beigegebenen Zusätze geben Besonderheiten der jeweiligen Regionen wieder, die häufig zusammen mit den Flutursachen genannt werden. Zum Aussagewert witterungs- und klimabedingter Beobachtungen aus den antiken Quellen s. Haas 2006: 91–101, der dies am Beispiel der römischen Nordwestprovinzen darlegt. Liv. 21,56,6 (imber nive mixtus); Liv. 21,31,10–12; CIL XII 2343; CIL XII 107 = ILS 5868 = AE 1996, 981 = AE 2009, 803. Wirth et al. 2013; Rother/Tichy 2008: 30. Rother/Tichy 2008: 30. Tac. ann. 1,76; Plin. epist. 8,17; Liv. 35,21,1–7; Amm. 29,6,17. AE 1958, 269. Wagner 2011: 123; Disse 2013: 18. Kraus 2004: 17.

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Karte 1 Die in den lateinischen Schriftquellen angegebenen Speisungsarten der Flusshochwasser, geographisch geordnet und kartiert © Jasmin Hettinger, basierend auf Daten des Ancient World Mapping Center

(adsidui) als Auslöser die Rede sowie von torrentes, was auf die typischen Starkregenereignisse mit nachfolgendem Wadihochwasser hindeutet. Bisweilen wird auch auf die enorme Kraft des fließenden Wassers verwiesen, auf die vis fluminis.250 Insgesamt ist es doch bemerkenswert, dass die heutige geographische Fachsprache bezüglich der Abflussregime mediterraner Flüsse dieselben Charakteristika herausstellt. Im Gegensatz dazu wird den Flüssen der iberischen Atlantikfront ein völlig anderes Fließverhalten zugeschrieben, da ihr Regime stark von ozeanischen Einflüssen geprägt ist.251 Auch das Wissen über die Andersartigkeit jener Flüsse lässt sich in den antiken Schriftquellen greifen. Als Begleiterscheinung von starkem Flusshochwasser wird in den Quellen hin und wieder erwähnt, dass das Wasser gelblich verfärbt (flavus), bläulich dunkel (caeruleus) oder sandig (arenosus) gewesen sei.252 Das ist eindeutig ein Hinweis auf die Sediment-

250 CIL II 3270 = ILS 5513 = AE 1975, 526; CIL VIII 22397 = ILS 05871; AE 1909, 9 = ILAfr 345 = LBIRNA 914; CIL VIII 10315; CIL VIII 2661 = ILS 5788 = AE 1973, 645; CIL VIII 10314. 251 Breuer 2008: 50–67. 252 Beispielsweise Stat. 4,3,85–94; Ov. fast. 1,242; Verg. Aen. 8,62; mehr Textstellen bei Warner 1917: 53.

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fracht. Während der Zeiten saisonalen Hochwassers wird auch der Tiber von vielen Autoren mit dem Epitheton flavus versehen.253 Erdbeben können weitere natürliche Auslöser für verheerende Überschwemmungen sein, insbesondere in Karstgebieten.254 In der antiken Literatur werden Hochwasserkatastrophen auch über ihren Charakter als Vorzeichen hinaus häufig in Verbindung mit Erdbeben erwähnt.255 So nennt Platon mehrfach Überschwemmungen zusammen mit Erdbeben und starken Regenfällen.256 Erdbeben konnten jedoch auch andernorts zu Überschwemmungen führen, so etwa, wenn sie Flussverlagerungen verursachten und das Wasser sich daraufhin ein anderes Bett suchte.257 Selbst Seebeben finden Erwähnung, die als Auslöser für seeseitige Überschwemmungen identifiziert wurden, und die möglicherweise der Grund dafür sind, dass der griechische Meeresgott Poseidon zugleich als Erderschütterer galt258 – ob Neptun als sein römisches Pendant ebenfalls als für Erdbeben zuständige Gottheit herhalten musste, wird in der Forschung heute allerdings aus berechtigten Gründen angezweifelt.259 Neben den natürlichen Einflussfaktoren auf Flusspegel war auch bekannt, dass menschliche Eingriffe in den Wasserhaushalt zu Veränderungen des natürlichen Fließ-

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Hor. carm. 1,2,13; 1,8,8; 2,3,18; vgl. Ov. fast. 6,22; Ov. trist. 5,1,31; Ov. met. 14,448; Stat. silv. 4,4,5; Verg. Aen. 7,31; Cat. 1,2,23; Avien. 4,9,4 (flavens); dazu s. Warner 1917: 53; Campbell 2012: 4. Knauss 1987a (Karstgebiete); Waldherr 1997: 195 (am Tiber). Liv. 35,21,6; Strab. 12,8,17; Verg. georg. 2,479; Plin. nat. 2,193; Plin. nat. 36,73. Ein Erdbeben im Zuge des Tiberhochwassers von 15 n. Chr. bei Cass. Dio 57,14,7, das bei Tac. ann. 1,76 neben dem Hochwasser nicht eigens erwähnt wird, ist möglicherweise eine eigenmächtige Erfindung Dios in Analogie zu einem anderen Flutereignis von 5 n. Chr. (Cass. Dio 55,22,3), so die Vermutung von Waldherr 1997: 197. Für wahrscheinlicher hält er allerdings, dass durch Unterspülungen verursachte Hauseinstürze Teile der Bevölkerung dazu veranlasst haben könnten, ein Erdbeben dafür verantwortlich machen zu wollen; dazu s. auch Deeg 2019: 55, Fn. 165. Plat. Tim. 22e, 23a-c und 25c; Plat. Krit. 111a und 112a-c. Plin. nat. 2,193; Liv. 35,21,5–6; Sen. nat. 3,11,1–2. Mylonopoulos 1998; Waldherr 1997: 221–231, v. a. 223 f. Zur Diskussion über die Analogie Poseidons und Neptuns als Erdbebengottheiten s. Waldherr 1997: 231–239, der auf der Grundlage der literarischen Quellen die Existenz einer römischen Erdbebengottheit negiert. Vielmehr hätten Erdbeben im römischen Kulturkreis und insbesondere in republikanischer Zeit als prodigia fungiert, die keiner bestimmten Gottheit zugeschrieben wurden, sondern allgemein als Hinweis auf eine Störung des Verhältnisses zwischen Göttern und den Menschen angesehen worden seien (ebd.: 238; dazu auch Engels 2007: 56, der mit Plin. nat. 2,200 auf die Doppeldeutigkeit von Erdbeben im römischen Prodigienwesen verweist als Zeichen und Bezeichnetes zugleich). Wo in der römischen Literatur Erdbeben dennoch bestimmten Gottheiten zugeschrieben werden, liege ein Rückbezug auf die griechische Tradition vor (Waldherr 1997: 234). Ehmig 2016 hat zur Klärung dieser Frage das epigraphische Material in lateinischer Sprache hinzugezogen und konnte daraus erschließen, dass keine Anrufung Neptuns im Erdbebenfall inschriftlich nachzuweisen ist (ebd.: 49). Umgekehrt liegt eine ganze Reihe von Neptun-Weihungen vor, die mit Wasser, insbesondere mit Wasserwegen, Wassertransport und Seesiegen in Zusammenhang stehen, jedoch keine direkten Verweise auf Erdbeben oder andere Naturkatastrophen enthalten. Aufgrund der Tatsache, dass es sich häufig um im Kollektiv getätigte Weihungen handelt, könnten sie, so Ehmig, „auf kollektive Erlebnisse zurückzuführen“ sein, was aus dem Material selbst heraus aber nicht zu belegen sei (ebd.: 43); außerdem s. Mylonopoulos 1998.

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verhaltens führen konnten und Hochwasser sich dadurch bisweilen verschärften. Vor allem der Zusammenhang zwischen Waldrodungen und starken Hochwassern mit hoher Bodenerosion scheint allgemein bekannt gewesen zu sein.260 Größere Flüsse, an deren langem Lauf in größerem Stil Landwirtschaft, Bergbau oder Viehzucht betrieben wurden, neigten in besonders hohem Maße zu alluvialen Ablagerungen in ihrer Schwemmlandebene sowie zu Deltavorbau an der Mündung. So lassen sich für die römische Antike in Sedimentbohrkernen aus Mündungsgebieten, insbesondere aus Hafenbecken, für den gesamten Mittelmeerraum auffallend große jährliche Ablagerungen ausmachen, die vor und nach der römischen Herrschaftszeit deutlich geringer ausfielen.261 Von Geomorphologen wird diese bis ins Extreme gesteigerte Verlandung auf massive anthropogene Eingriffe in die Flusshydrologie zurückgeführt, wobei die Intensivierung der Landwirtschaft als ein gewichtiger Faktor gehandelt wird.262 II.3.3 Naturkundliche Topoi aus Sintflutmythen Die antiken Sintflutmythen enthalten verschiedene Topoi, aus denen sich gewisse naturkundliche Kenntnisse erschließen lassen. Der Großteil der Sintfluterzählungen ist über die antike Dichtung auf uns gekommen, doch finden sich auch in philosophischen und theologischen Abhandlungen, in geographischen Schriften oder der Historiographie Verweise auf mythische Sintfluten. Es gab verschiedene Traditionen mit unterschiedlichen Protagonisten als Überlebende. Neben dem vorderasiatischen Gilgameschepos ist für die klassische Zeit vor allem der Mythos des Paares Deukalion und Pyrrha bekannt, aber auch die Sintflutsagen des Ogygos und des Dardanos sowie für die jüdisch-christliche und andere nahöstliche Kulturen nicht zuletzt die

260 Paus. 8,24,11; Plat. Kritias 111a-e; Plat. epin. 979 a-b; Plin. nat. 31,52–53; Thommen 2009: 86; Hughes 2005: 34. 261 Wie sich die römischen Rodungsaktivitäten auf den Grad der Bodenerosion insbesondere im Mittelmeerraum tatsächlich ausgewirkt haben, war vor allem in der älteren Forschung sehr umstritten. Die Debatte ist nach Erscheinen der Studie von Claudio Vita-Finzi, The Mediterranean Valleys: Geological Changes in Historical Times, Cambridge 1969 entbrannt, laut der sich Sedimentationsprozesse im mediterranen Raum nach dem Ende des Römischen Reichs deutlich verstärkt haben sollen; dazu s. Meiggs 1982: 376. Nenninger 2001: 191–193 schätzt die Auswirkungen der römischen Aktivitäten auf den Grad der Bodenerosion hingegen eher gering ein, sieht es regional begrenzt jedoch als durchaus relevant; vgl. Giardina 1981. Jüngeren Studien zufolge, die auf exakteren Messmethoden und Modellierungen basieren, ist der Sedimenteintrag in den Mündungsgebieten der einst römisch besiedelten Gegenden für eben jene Zeit eindeutig signifikant erhöht, s. Brückner et al. 2014b: 86; Brückner 2020; Thonemann 2011: 306 f.; Thorndycraft/ Benito 2006: 39. Allerdings legen Sedimentanalysen aus dem Mündungsgebiet des Guadalquivir nahe, dass zumindest auf der Iberischen Halbinsel die Flussverlagerungs- und Sedimentationsprozesse während der Zeit der römischen Besiedlung recht stabil und somit weniger ausgeprägt waren als in späteren Epochen, etwa seit dem Beginn des Hochmittelalters; Benito et al. 2008: 73. 262 Anthony et al. 2014.

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Geschichte Noahs. Daneben existierten weltumfassende Sintfluten in verschiedenen philosophischen Denksystemen.263 Nicht zu vernachlässigen ist freilich, dass es sich dabei nicht um Berichte handelt, die auf reale Ereignisse zurückgehen. Vielmehr sollte das Motiv der allumfassenden Flut die darin transportierte moralische Aussage illustrieren und unterstreichen.264 Doch über die rein literarischen Traditionen und die philosophischen Systeme hinaus steht außer Frage, dass Mythendichtung ähnlich wie Theaterstücke, Reden oder Sprichwörter, die offenkundig an eine breitere Öffentlichkeit gerichtet waren, allgemein verbreitetes Wissen über meteorologische Zusammenhänge und Naturerscheinungen enthielt.265 Ein Motiv, das aus den antiken Sintfluterzählungen nicht wegzudenken ist, sind die unablässigen Regenfälle, häufig in Begleitung heftiger Gewitterstürme, die im Vorfeld der Flut und auch noch währenddessen die Bäche und Flüsse übermäßig ausufern lassen.266 In diesem Motiv spiegelt sich der mediterrane Hochwassertyp wider, der vor allem durch Starkregen hervorgerufen wird.267 In mehreren Fällen wird das Eintreten der Flut explizit im Winterhalbjahr angelegt, was wiederum in den meisten mediterranen Gegenden als der Zeitraum der höchsten Pegelstände und Niederschlagsraten zu identifizieren ist. Oft ist in den Texten eher unspezifisch von „Winter“ die Rede,268 doch wird diese Angabe in manchen Fällen noch präzisiert, sodass die Flut entweder in den Herbst mit seinen Herbststürmen gelegt wird,269 oder aber in die Zeit zwischen Frühjahr und Frühsommer mit Schneeschmelze und Frühjahrsstürmen.270 Je nach Gegend und Topographie markierte das Frühjahr den Zeitraum der signifikantesten

263 Eine nach Flutheroen und philosophischen Schulen untergliederte Auflistung der Texte aus der griechisch-römischen Antike ist in deutscher Übersetzung in Caduff 1986 enthalten, wo der Autor außerdem die einzelnen Traditionsstränge der Sintflutmythen systematisch aufarbeitet. Synoptisch geht auch Sonnabend 1999: 98–102 auf die Traditionen und Funktionen von Mythen, hier speziell am Beispiel der antiken Sintfluterzählungen, ein. 264 Caduff 1986: 12; Sonnabend 1999: 101 f. 265 Zu geographischem Allgemeinwissen in der Antike, dessen Verarbeitung in der Literatur und den entsprechenden Quellen s. Dueck 2013: 134–138. 266 Ov. met. 1,269; Paus. 10,6,2; Apollod. 1,47; Diod. 5,56,2; Diod. 5,57,3; Hyg. astr. 2,29; Aristot. meteor. 352a; FGrHist 239 A 4; Plut. Sull. 14,10; Nonn. Dion. 13,523–529; Nonn. Dion. 6,229; Nonn. Dion. 12,59. Dem Gilgameschepos ist ebenso wie den griechischen Sintfluterzählungen ein und derselbe natürliche Auslöser bekannt: starke, sturmbedingte Regenfälle; Caduff 1986: 202. 267 Rother/Tichy 2008: 30. 268 So z. B. bei Aristot. meteor. 352a; Sen. nat. 3,29,1; Cens. 18,11; Paus. 9,24,2. 269 Hom. Il. 16,385. 270 Nonn. Dion. 6,370. Laut Plutarch (Plut. Sull. 14,10) soll in der Athener Version der Sage die Sintflut ungefähr an den Iden des März (15. März) eingetreten sein, wobei hier freilich zugleich eine versteckte Kritik an der Alleinherrschaft Sullas im Vergleich mit der „Tyrannis“ Caesars (Plut. Caes. 57,1) anzunehmen ist, da die Ermordung des Letzteren bekanntlich an den Iden des März stattfand; zu Plutarchs politischen Einstellungen und moralischen Absichten in den Parallelbiographien s. Stadter 2014: 17–20 und 24 f.; Aalders 1982: v. a. 35 f. (allgemein zur Tyrannis) sowie 56 mit Fn. 201 (speziell zu seiner ambivalenten Wertung von Caesars Herrschaft).

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Pegelanstiege, so etwa in Rom, anderswo ereigneten sich hingegen im Herbst die bei Weitem heftigeren Überschwemmungen.271 Ausführlich behandelt Ovid die Entstehung der deukalionischen Sintflut und nennt dabei einige meteorologische Details:272 Es ist der Haupt- und Wettergott Jupiter, der Donnerer, der erst Blitze (fulmina) und dann Regenwolken (nubes) sendet, welche er vom nassen Südwind (madidus Notus) erst zusammentreiben und dann per Hand auswringen lässt.273 Alle anderen Winde (etwa den Nordostwind Aquilo274) hat er derweil vorsorglich weggesperrt, damit sie die Wolken nicht wieder auseinandertreiben. Die Göttin des Regenbogens, Iris,275 eilt ihm zu Hilfe und führt den Wolken noch zusätzlich Wasser zu. Nebelschwaden (nebulae) umringen jetzt das Haupt des Südwinds. Plötzlich tut es einen lauten Knall (fragor) und es ergießt sich aus den zerquetschten Wolken ein starker Platzregen (nimbus276), der die Saaten auf den Feldern zerstört: Verdorben liegt des Bauers Jahresarbeit.277 Nach Ovids Version wird es also ein verfrühtes Herbsthochwasser gewesen sein, das schließlich zur Sintflut führte. Nun endlich geht Neptun als Gebieter über die Flüsse und Meere seinem Bruder zur Hand.278 Nachdem genügend Platzregen niedergegangen ist, kann er den Flüssen (amnes) den Befehl erteilen, kräftig auszulaufen und alles mit ihrer Strömung (flumina) zu übergießen. Freien Lauf sollen sie ihren Wassern gewähren (inmittere habenas), um alle Dämme zu sprengen. Weit lässt er sie ihre Quellen (fontes) öffnen und in entfesseltem Lauf (defrenatus cursus) dem Meer entgegenrasen. Dort stößt Neptun obendrein seinen Dreizack in die Erde, sodass sie erbebt (intremere) und den Flüssen dadurch breitere und neue Bahnen eröffnet (vias

271 Dazu s. Kapitel I.4. 272 Ov. met. 1,253–290 und 1,324–329. 273 Zur Theorie, dass der Südwind im Mittelmeerraum für die stärksten Regenfälle verantwortlich sei und daher im Norden die größten Flüsse zu finden seien, s. Vitr. 8,2,5–6; Sen. nat. 1,2,4; 1,13,3; 4b,4,3; 5,18,2; Plin. nat. 2,126; Verg. georg. 1,443–444; 1,462; Ov. fast. 3,588; Gell. 2,22,14; für entsprechende Textstellen im Witterungskalender von Columella zusammen mit einer ausführlichen meteorologischen Analyse des antiken Quellenmaterials s. Heide 1997: v. a. 106 f. 274 Allerdings brachte der Aquilo im Winterhalbjahr selbst häufig Schnee oder auch feinen Regen; Heide 1997: 35; für eine Charakterisierung der antiken Winde, die gemeinhin nicht primär nach ihrer Windrichtung, sondern vielmehr nach ihren Eigenschaften benannt wurden, s. ebd.: 35–38. 275 Kritisch gegenüber der Divinisierung von Wetter- und Naturerscheinungen, darunter auch des Regenbogens in Gestalt der Göttin Iris, äußert sich bereits Cicero, ohne es jedoch auf eine klare Trennung zwischen Naturkräften und dem Göttlichen im Allgemeinen abgesehen zu haben (Cic. nat. deor. 3,51–52); vgl. Solmsen 1944; Sonnabend 1999: 110. 276 Von etymologischen Gesichtspunkten her betrachtet handelt es sich bei dem Begriff nimbus wohl um eine „Verschmelzung der Wurzelformen zu imber und nebula“ (Keyssner 1936: Sp. 591); demnach auch in der Bedeutung Sturm, Unwetter, Sturmwind oder auch Sturzregen; nach Walde/Hofmann 1954 s. v. nimbus auch Platzregen oder Sturm-/Regenwolke; vgl. etwa Pacuvius bei Cic. div. 1,24,10. 277 Ov. met. 1,272–273. 278 Sonst begegnet Neptun – gar als alleiniger Initiator von Sintfluten – ähnlich wie der Gott Oceanus nur selten und wohl nur unter Rückgriff auf die ovidische Version des Mythos, so die Vermutung von Caduff 1986: 205.

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aquarum patefacere). Nach Ablassen der Regenfälle bleibt ein Sumpf von Tümpeln und stehenden Wasserpfützen zurück (liquidis paludibus stagnare). Um die Sintflut und den Regen zu beenden, zerschlägt Jupiter schließlich die Wolken (nubila disicere) und lässt durch den Nordwind den Regen fortschaffen (nimbis Aquilone removere). Viele der benutzten Motive sind typisch für Flusshochwasser im Mittelmeerraum. Angefangen bei den Blitzen und den starken Gewitterwinden, die Regenwolken bringen und Starkregen verursachen, verweisen auch der Nebel und die Anwesenheit der Iris auf eine hohe, gewittrige Luftfeuchte. Der Starkregen fällt plötzlich nach einem Donnergrollen zur Erde nieder, was ebenfalls auf heftige Gewitterstürme im Herbst oder Frühjahr hindeutet. Erst nachdem genügend Regen gefallen ist, schwellen auch die Bäche und Flüsse schlagartig an, ihre Strömung ist extrem stark und sie ufern komplett aus. Dabei ist es bezeichnend, dass Ovid zur Verstärkung des Schreckensmoments noch ein für den Mittelmeerraum so typisches Erdbeben einsetzen lässt, welches für die Entstehung neuer Wasserläufe und für die Verbreiterung oder Blockade der alten sorgt. Endlich bilden sich Sümpfe und Tümpel, in denen das Wasser sich sammelt. Doch erst, als der Wind dreht – wohl gemerkt auf Geheiß Jupiters –, ebben die Regenfälle vollends ab. Kamash hat in ihrer Wasserstudie für den römischen Nahen Osten bereits festgestellt, dass Wassergottheiten dort meist Wetter- oder noch expliziter Regengottheiten waren, denen zugleich Zorn und Gutmütigkeit als widerstreitende Charaktereigenschaften zugeschrieben wurden.279 Darin spiegeln sich, neben dem Wissen um die Auswirkung von Starkniederschlägen, schon die beiden gegensätzlichen Aspekte von Regen und Hochwasser, die nicht ohne einander existieren können: Die übermäßige Flut zerstört Häuser und Höfe, reißt Mensch und Tier in den Tod und versperrt Fluchtwege. Vor allem die Ernte auf den Feldern wird zunichtegemacht. Gleichzeitig bringt eine Flut aber auch fruchtbare Schwemmerde zur Erneuerung des Ackerbodens, spendet zu Beginn des Winterhalbjahres endlich wieder Wasser, das in den heißen Sommermonaten oft knapp war, und erweckt ausgetrocknete Wasserläufe zu neuem Leben.280 Ausmaß und genauer Eintrittszeitpunkt bestimmten insbesondere im Vorderen Orient darüber, wie positiv oder katastrophal sich Regen und Hochwasser auf das Leben der Menschen auswirkten.281 Auf jeden Fall wird deutlich, dass sich die antiken Wissensbestände zur natürlichen Entstehung von Flusshochwasser auch in der Dichtung zu mythischen Sintfluten greifen lassen. Selbst die verantwortlichen Götter, deren Identitäten und Zuständigkeitsbereiche im Übrigen selbst schon von meteorologischen Grundkenntnissen zeugen, rich279 Kamash 2010: 158 f. Es sind vor allem die Götter Zeus/Jupiter (Gewitter- und Wettergottheit) und Poseidon/Neptun (Gottheit der großen Gewässer sowie der Erdbeben), die bei der Entstehung der Sintflut entscheidend mitwirken. In vorklassischen Kulturen des Nahen Ostens hatten die beiden Wettergötter ihre Pendants neben anderen in den Regen- und Wettergöttern Ba’al und Hadad. 280 Zur Ambivalenz des Wassers in vorderasiatischen Kulturen s. auch Kamash 2008; Böcher 2004: 325; Vieweger 2004. 281 Fahlbusch 2004.

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ten sich nach natürlichen Gegebenheiten. Es genügt kein bloßes Machtwort, sondern vielmehr muss die Gottheit selbst erst die natürlichen Voraussetzungen schaffen, die zur Entstehung eines Hochwassers nötig sind. Und jene Voraussetzungen scheinen den Erzählern wie den Zuhörern und Lesern wenigstens in ihren Grundzügen bekannt gewesen zu sein. So bedient sich die ausführliche Flutbeschreibung Ovids nicht nur deshalb bekannter Motive aus dem Wissensschatz zu Hochwasser, weil die Erzählung dadurch ausgeschmückt und ein Spannungsbogen aufgebaut werden soll. Im Detail betrachtet offenbaren sich in ihr poetisch aufbereitete Kenntnisse aus der Meteorologie sowie aus der Hydrologie des Mittelmeerraums. Inwieweit sich dahinter eigene Kenntnisse des Autors verbergen oder lediglich ein Rückgriff auf Topoi aus anderen Sintflutdichtungen oder naturkundlichen Werken vorliegt, kann dabei freilich nicht im Einzelnen geklärt werden, zumal antike literarische Werkte grundsätzlich von einer starken Intertextualität geprägt sind. Dennoch lässt sich gerade für Ovid zeigen, dass er sich auch außerhalb der Sintflutthematik anderweitig mit Flutursachen befasst hat, was sich beispielsweise in seinem Liebesgedicht äußert, das im vorigen Kapitel behandelt wurde (Ov. am. 3,6). II.3.4 Generelle Bemerkungen zum antiken Hochwasserwissen Als Fazit dieses Kapitels über antikes Wissen zur Entstehung von Hochwasser können mehrere Beobachtungen festgehalten werden: Außer für den Nil scheinen die natürlichen Faktoren, die zu Flusshochwasser führen können, schon sehr früh allgemein bekannt gewesen zu sein. Denn außerhalb der Nilfluttraktate, denen ein ausgesprochen akademischer Hintergrund mit polemischer Funktion zu bescheinigen ist, finden sich in Schriftquellen unterschiedlichen Charakters einschließlich der epigraphischen Quellen Aussagen über die natürlichen Ursachen von Hochwassern, die sich regional zuordnen und differenzieren lassen. Der Versuch einer groben Kartierung mit Fokus auf den Westen des Mittelmeerraums hat bereits gezeigt, dass das überlieferte Wissen im Wesentlichen mit den verschiedenen mediterranen Hochwassertypisierungen aus der heutigen Geographie übereinstimmt. Sogar in poetischen Werken, in denen die Entstehung mythischer Sintfluten geschildert werden, kommen die natürlichen Einflussfaktoren zur Sprache. Anders ausgedrückt hatten sich selbst die Götter an die bekannten Naturgesetze zu halten. In diesem letzten Punkt kommt auch deutlich zum Ausdruck, dass der Glaube an transzendente ‚letzte‘ Ursachen das Wissen um die Existenz von natürlichen Ursachen für Naturerscheinungen nicht kategorisch ausschließt – Götterglaube und naturkundliches Wissen sind nicht einmal als zwei unvereinbare Alternativen zu denken.282 282 Explizit propagiert diese Dichotomie insbesondere Sonnabend 1999: 109–125, v. a. 112 f., der daran im Wesentlichen seine Unterscheidung zwischen einem götterverhafteten Volksglauben und einem naturkundlich orientierten Intellektuellenwissen in der Antike festmacht.

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Insbesondere die Motive aus den Nilfluttheorien lassen ein genuines Interesse an der Erforschung natürlicher Phänomene erkennen, zusammen mit einem großen Maß an Abstraktionsvermögen und Transferleistung.283 Neben anderen hat insbesondere Hannig jüngst herausgestellt, dass ausgehend von der Dichotomie zwischen naturwissenschaftlichen und religiösen Deutungen keine verlässliche Aussage über das Vermögen einer Gesellschaft getroffen werden könne, präventive Maßnahmen gegen Naturgefahren zu implementieren. Vielmehr sei die Hinwendung zu mehr Prävention in der westlichen Moderne unterhalb oder neben den religiösen Überzeugungen verlaufen. Letztere hätten sich selbst während der Ausbildung eines neuen Naturgefahrensinns weiterhin gehalten. Demnach müsse es gelten, jeweils außerhalb der religiösen Vorstellungswelt der zu betrachtenden Gesellschaft lebensweltliche Veränderungen im Umgang mit Naturgefahren zu identifizieren.284 Freilich ist nicht außer Acht zu lassen, dass mythologisch begründete Erklärungsansätze für Naturprozesse dazu dienten, das furchteinflößende Unbekannte nachvollziehbar zu machen und die damit verbundenen Ängste dadurch unter Kontrolle zu bringen.285 Und auch als das Wissen um natürliche Phänomene mit der Zeit zunahm, blieben die altbekannten Mythen Teil der identitätsstiftenden Kultur, sodass naturkundliche Beobachtungen und Verweise auf mythische Aitia in vielen Texten, insbesondere in der Dichtung, scheinbar undifferenziert nebeneinanderstehen.286 Dadurch mag fälschlicherweise der Eindruck entstanden sein, dass in der Antike primär göttliche Mächte für Naturphänomene verantwortlich gemacht wurden – anstelle von natürlichen Auslösern. Insgesamt hat es sich in diesem Kapitel zu antikem Hochwasserwissen gezeigt, dass gerade die komplexe Zusammensetzung von Hochwasserregimen mediterraner Flüsse teils sehr genau beobachtet und als Gesamtsystem begriffen wurde. Vor diesem Hintergrund wäre es verwunderlich, wenn antike Maßnahmen zum Schutz vor Flusshoch283 Zu betonen gilt in diesem Zusammenhang, dass das akademische Interesse vor allem bei den griechisch-hellenistischen Gelehrten überwog (Bonneau 1964: 137–139), während die Auseinandersetzung mit der Nilflut in der römischen Literatur vor allem als Teil eines intellektuellen Spiels oder literarischen Wettstreits betrieben wurde (ebd.: 139–142). 284 So habe etwa erst ein gesamtgesellschaftlicher Wandel des Naturverhältnisses im Laufe des 19. und insbesondere des 20. Jahrhunderts einen präventiven Umgang mit Naturgefahren möglich gemacht; Hannig 2019: 14 f.; ebenso bereits Hannig 2015: 63. 285 Waldherr 1997: 33 f.; Meier 2003a: 494–502; Sonnabend 1999: 117; Engels 2007: 798–825. Inwiefern mit der Rezeption von Sintflutmythen auch ein Beitrag zur praktischen Flutbewältigung geleistet wurde, wird weiter unten im Synthesekapitel IV.1.2 thematisiert. 286 Nach Assmann 2007: 78 f. kann in diesem Zusammenhang von „fundierenden“ Mythen gesprochen werden, die als sinnstiftende Erzählungen ins kollektive Gedächtnis des griechisch-römischen Kulturkreises eingegangen sind. Neben der generellen Bemerkung, dass dichterische Texte anderen Regeln folgten als etwa die Historiographie sei hier noch auf das Phänomen der sogenannten „kulturellen Schizophrenie“ verwiesen, der zufolge es problemlos möglich ist, sich in verschiedenen Denksystemen gleichzeitig zu bewegen, dazu Veyne 1983; Feeney 1998; Gildenhard 2009.

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wasser ausschließlich punktuell erfolgt wären, etwa nur dort, wo frühere Hochwasser bereits Schäden verursacht hatten. Vielmehr bliebe zu erwarten, dass, basierend auf dem antiken Wissen über die Komplexität von Flutursachen, die Umgangsformen mit Hochwassern an die jeweiligen Charakteristika der Flüsse angepasst waren. In Anlehnung an Hannig werden im Folgenden also insbesondere die Alltagspraktiken im Umfeld von Flüssen und Flusshochwasser in den Blick genommen, um in der Synthese schließlich auf gesamtgesellschaftlicher Ebene den praktischen Umgang mit Hochwasserrisiko im Römischen Reich fassbar machen zu können.

III. Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser III.1 Rechtliche Regelungen III.1.1 Juristische Flussbreiten und die Vernachlässigung des Pegels a. Die Begrenzung des Ana in Augusta Emerita und das Kataster von Lacimurga Das erste Fallbeispiel1 ist auf der Iberischen Halbinsel an den Ufern des Flusses Ana verortet, des heutigen Guadiana.2 Ihren Ausgang nimmt die folgende Episode in der lusitanischen Gemeinde Augusta Emerita, heute Mérida (Karte 2). Die Ursprünge der augusteischen Kolonie lassen sich auf die Ansiedlung von Veteranen der 5. und 10. Legion unter der Aufsicht des P. Carisius zurückführen, die erfolgte, nachdem dieser im Jahr 25 v. Chr. einen erfolgreichen Militärschlag gegen die Asturer und Kantabrer geführt hatte.3

1 2

3

Die Thesen bezüglich des Katasterfragments von Lacimurga aus diesem Kapitel (III.1.1a) sind bereits an anderer Stelle ausführlich dargelegt, s. Hettinger 2017. In den antiken Quellen finden sich die Bezeichnungen „Ana“ und „Anas“ gleichermaßen, wobei die Schreibweise mit „s“ eher der griechischen Namensgebung entspricht. Dazu s. auch Sáez Fernández 1994: 106 f., der die Schreibung mit Endungs-S jedoch als bloße Falschschreibung Strabons zu identifizieren glaubt. Im Folgenden wird der lateinischen Schreibweise „Ana“ der Vorzug gegeben, da sie sowohl inschriftlich als auch im Feldmesserkorpus belegt ist. Flor. epit. 2,33,54–58; Cass. Dio 53,25,8–26,1. Das genaue Gründungsdatum ist umstritten. Die Angaben in der antiken Literatur zum Abschluss der Kriege gegen Kantabrer und Asturer liefern immerhin das Jahr 25 v. Chr. als terminus post quem. Die ältesten archäologischen Funde (sowohl Kleinfunde als auch Architektur) datieren jedoch nicht vor die Jahre 16–15 v. Chr. (Mateos Cruz 2004). Außerdem gilt es in der Forschung als problematisch, dass die republikanische Vorgängerprovinz Hispania Ulterior laut der Aussage des Cassius Dio (53,12,4–5) bereits 27 v. Chr. in die neuen Provinzen Baetica und Lusitania unterteilt wurde, was somit noch vor die Gründung von Augusta Emerita fällt; dazu ausführlich Ariño Gil et al. 2004: 138–154, v. a. 138–140. Allerdings ist die Identifizierung Augusta Emeritas als Hauptstadt der Lusitania ohnehin nicht zweifelsfrei gesichert, dazu Haensch 1997: 176–178. Zur Geschichte Augusta Emeritas allgemein s. Arce Martínez 2004; Trillmich 2016.

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

Karte 2 Augusta Emerita und Lacimurga am Ana in Hispanien © Jasmin Hettinger, basierend auf Daten des Ancient World Mapping Center

In den Feldmesserschriften wird nun über eine Begebenheit berichtet, die sich auf dem Territorium der Kolonie Augusta Emerita ereignet haben soll und an der deutlich wird, wie sich aus dringenden Handlungszwängen neue Praktiken herausbildeten, wie diese Praktiken sich unter bestimmten Voraussetzungen weiterverbreiteten und sich schließlich als neue Standards etablierten: Videbimus an inter mensores et iuris peritos esse de hoc quaestio debeat, Cursum an perticam metiam, si qua usque potuit veteranis est adsignatum. Scio in Lusitania, finibus Emeritensium, non exiguum per mediam coloniae perticam ire flumen Anam, circa quod agri sunt adsignati qua usque tunc solum utile visum est. Propter magnitudinem enim agrorum veteranos circa extremum fere finem velut terminos disposuit, paucissimos circa coloniam et circa flumen A: Reliquum ita remanserat, ut postea repleretur. Nihilo minus et secunda et tertia postea facta est adsignatio: Nec tamen agrorum modus divisione vinci potuit, sed superfuit inadsignatus. In his agris cum subsiciva requirerentur, inpetraverunt possessores a praeside provinciae eius, ut aliquam latitudinem An flumini daret. Quoniam subsiciva quae quis occupaverat redimere cogebatur, iniquum iudicatum est, ut quisquam amnem publicum emeret aut sterilia quae alluebat: Modus itaque flumi est constitutus. Hoc exempli cause re[i]gerendum existimavi. Nam et in Italia Pisauro flumini latitude est adsignata eatenus, qua usque adlavabat.

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Wir werden sehen, ob zwischen Feldmessern und Rechtsgelehrten über die Frage zu reden ist, ob entlang des Flussverlaufs oder entlang der Landvermessungslinie gemessen werden soll, wenn, bis wohin es möglich ist, den Veteranen Landlose zugeteilt werden sollen. Ich weiß, dass in der Lusitania, innerhalb der Grenzen (Augusta) Emeritas, durch die der nicht kleine Fluss Ana mitten entlang der Vermessungsgrenzen der Kolonie fließt, um ihn [den Fluss] herum Äcker verteilt wurden, soweit damals der Boden brauchbar erschien. Wegen der Weite der Flure ordnete man nämlich die Veteranen um die äußeren Territoriumsgrenzen herum an, als ob sie Grenzmarkierungen seien, und nur wenige um die Kolonie und den Fluss Ana herum. Das Übrige war so verblieben, dass es später aufgefüllt werden würde, und nicht weniger als eine zweite wie auch eine dritte Verteilung wurde zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt: dennoch konnte die Vermessungsgrenze der Äcker durch die Zuteilung nicht erreicht werden, sondern blieb noch immer etwas (Land) unverteilt. Als innerhalb dieser Äcker nun die subseciva zurückgefordert wurden, baten die Landbesitzer den Provinzstatthalter inständig darum, dem Fluss Ana eine bestimmte Breite [latitudo] zu geben. Denn bezüglich der subseciva, die derjenige, der sie besetzt hatte, zurückzuerstatten gezwungen war, wurde es als ungerecht angesehen, dass jemand entweder einen öffentlichen Fluss oder unfruchtbares angeschwemmtes Land kaufen solle. Daher wurde also eine Flussgrenze festgelegt, wofür ein Beispiel aufzuführen ich für angemessen hielt, denn auch in Italien wurde dem Fluss Pisaurus eine Breite zugeschrieben – soweit, bis wohin dieser Hochwasser zu führen pflegte.4

Aus der Textstelle geht zunächst hervor, dass bereits zur Koloniegründung von Augusta Emerita ein beträchtliches Gebiet um die eigentliche Siedlung herum vermessen und in Zenturien eingeteilt wurde, soweit das Land damals brauchbar (utilis) erschien (Abb. 1).5 Veteranen gab es zu jenem Zeitpunkt jedoch so wenige, dass anfänglich ein großer Teil des vermessenen und zenturierten Landes unverteilt blieb:6 Es waren nur 4 5

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Agennius Urbicus, C 40,19–32 = L 83,24–84,10 = T 44,3–23. Archäologisch konnte inzwischen ein Großteil der Zenturien südlich des Ana identifiziert werden, während die Kolonie selbst sich direkt am Nordufer des Flusses befand (Ariño Gil/Gurt i Esparraguera 1994a; Ariño Gil/Gurt i Esparraguera 1994b). Aus diesem Grund folgte die Ausrichtung des Limitationsnetzes nicht der des Achsenkreuzes von Augusta Emerita. Zum römischen Vermessungswesen allgemein im Zusammenhang mit der Anlage von Kolonien liegt eine Vielzahl an Forschungsliteratur vor, darunter grundlegend Hinrichs 1974: v. a. Kapitel III, dort insbesondere 49–50; Heimberg 1977; Chouquer/Favory 1992; Schubert 2010 zur römischen Landnahme, Kolonisierung und Raumaufteilung in republikanischer Zeit, zur centuriatio insbesondere 51–87; s. außerdem Dilke 1971 für eine umfassende Einführung in Geschichte, Arbeitsfelder und Schriften der römischen Landvermesser. Einen aktuellen Überblick über die Geschichte der römischen Feldmesserkunst, Details zum Tätigkeitsfeld des Vermessungspersonals sowie eine kurze Darstellung der Forschungsgeschichte zu der Thematik mit Hinweisen auf weiterführende Literatur und aktuelle Erkenntnisse aus feldarchäologischen Studien gibt Pasquinucci 2014. Es entsprach der gängigen Praxis, bei der Neuanlage einer Kolonie nicht sofort das gesamte verfügbare Land an die anwesenden Siedler zu verteilen, sondern auch für künftige Siedler einen Teil des Ackerlandes zurückzuhalten und zunächst unverteilt zu lassen, vgl. Liv. 35,9,8.

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Abb. 1 Rekonstruktion des Limitationsnetzes von Augusta Emerita (Ariño Gil et al. 2004: 45, Abb. 9)

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die Parzellen mit verhältnismäßig fruchtbaren Böden verlost worden, die sehr weit von Fluss und Siedlungskern entfernt lagen.7 Obwohl im Laufe des ersten nachchristlichen Jahrhunderts immer wieder neue Siedler hinzuzogen und weitere Assignationen stattfanden, waren selbst mehrere Jahrzehnte nach der Koloniegründung noch immer beträchtliche Teile des parzellierten Landes unverteilt geblieben. Hinzu kam, dass innerhalb der Zenturien sogenannte subseciva ausgewiesen worden waren, die ursprünglich von der Zuweisung an Privatpersonen ausgeschlossen waren. Die als subseciva bezeichneten Areale lagen in der Regel an den Außengrenzen des Limitationsnetzes und wiesen durch ihre Randlage, etwa an steinigen Waldrändern oder Sümpfen, äußerst ungünstige Bodenbedingungen auf. Aber auch innerhalb einer zenturierten Fläche konnten aus denselben Gründen bestimmte Areale abgesteckt und von der Verteilung ausgeschlossen werden,8 darunter insbesondere die Uferstreifen von Wasserläufen.9 Des Weiteren zählten etwa steuerbefreite heilige Orte (loca religiosa), die sich innerhalb eines vermessenen Areals befanden, zu den subseciva.10 Der Name leitet sich von der sogenannten linea subsecans ab, also der Linie, mit deren Hilfe die unverteilten Zonen von den assignierten Arealen abgetrennt wurden. Die Zenturien, die von einer solchen linea subsecans „beschnitten“ wurden, galten deshalb als unvollständige Zenturien und wurden im Jargon der römischen Landvermesser als subseciva bezeichnet.11 Auf einigen Fragmenten des Katasters von Arausio in der Gallia Narbonensis sind die durch Subsekanten beschnittenen Zenturien in Randlage gut zu erkennen, wie weiter unten noch gezeigt wird. Aus dem Text des Agennius Urbicus zu Augusta Emerita geht hervor, dass die nächsten Nachbarn aber nach und nach auch die subseciva mitnutzten. An eben jene Nutzer war nun die Rückforderung gerichtet (Quoniam subsiciva […] redimere cogebatur), die auf ein Edikt des Kaisers Vespasian zurückging. Es verlangte, das unrechtmäßig in Besitz genommene Land anzukaufen, welches somit in ein rechtskräftiges Besitzverhältnis überführt werden sollte. Allem voran ging es Vespasian jedoch um die entsprechenden Kauferlöse oder, wo zutreffend, um Pachtgelder, die dann von den

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Die nördlich an die Siedlung angrenzenden Böden sowie die Uferstreifen auf beiden Seiten des Flusses waren für die Kultivierung laut Strabon wenig geeignet (vgl. Strab. 3,2,3 C 142; 3,4,12 C 162). Diese beiden Arten von subseciva sind erläutert bei Iulius Frontinus, C 2, 24–30 = L 6,5–7,8 = T 2,16–3,5; Siculus Flaccus, C 122, 13–17 = L 155,27–156,3 = T 120,3–9. Piganiol 1962: 61 f. Auf den Katasterkarten von Arausio ist dies deutlich zu erkennen. Iulius Frontinus, C 2,24–4,2 = L 6,5–8,9 = T 2,16–3,15; Iulius Frontinus, C 6,32–8,2 = L 21,7–22,8 = T 9,3–12 mit speziellem Hinweis darauf, dass insbesondere auf dem Territorium Augusta Emeritas viel Land als subsecivum unverteilt geblieben war; Hinrichs 1974: 131 f.; Campbell 2012: 232. Laut Dilke 1971: 99 handelt es sich bei den subseciva generell um das Areal zwischen zenturiertem Land und der eigentlichen Siedlung. Allgemeine Überlegungen zu subseciva finden sich auch bei Chouquer/Favory 1992: 30–33; Campbell 2006: 176 f. Zur Definition der subsecans linea s. Agennius Urbicus, C 38,4–8 = L 81,7–13 = T 41,1–7; Commentum, C 56,4–16 = L 7,11–30 = T 57,8–25; Hyginus 1, C 82,10–12 = L 284,1–4 = T 77,22–78,2.

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Behörden eingestrichen werden konnten.12 Offenbar sollte der Landankauf aber auf der Grundlage der alten Katastereinteilung aus der Zeit der Koloniegründung erfolgen, denn die betroffenen Landbesitzer begannen, sich vehement gegen das Kaufedikt zu wehren. Vor dem Provinzstatthalter, an den sie sich in ihrer Bedrängnis gewandt hatten, argumentierten sie, dass es ihnen nicht gerecht erscheine, Teile des Flusses (und damit ohnehin öffentlich nutzbares Land) oder eben für die Landwirtschaft unbrauchbare Böden erwerben zu müssen: Der Flussverlauf und mit ihm die Beschaffenheit der Ufergrundstücke hatten sich seit der Gründungszeit offenbar stark verändert.13 Als Kompromisslösung wurde sodann die Ausweisung einer rechtlich verbindlichen Höchstbreite für den Fluss Ana festgelegt, die vermutlich mit der Anfertigung einer neuen Katasterkarte besiegelt wurde.14 Dadurch sollte wohl endlich gewährleistet werden, dass die neu festgelegte Parzelleneinteilung auch in Zukunft und trotz weiterhin zu erwartender Flussverlagerungen und Erosionsprozesse – ausgelöst durch jährliche Hochwasser – beibehalten werden konnte.

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Die Datierung des Edikts in vespasianische Zeit wird allgemein angenommen, da gerade Vespasian große Anstrengungen unternahm, die Staatskasse zu sanieren, wozu auch die vielerorts bezeugten Ankaufforderungen von widerrechtlich kultivierten subseciva zu zählen sind; Agennius Urbicus, C 38,14–17 = L 81,22–27 = T 41,16–21; Agennius Urbicus, C 56,23–25 = L 8,21–22 = T 58,5–7; Hyginus 1, C 98,22–27 = L 133,9–16 = T 96,21–97,8; Campbell 2000: 344–346; Castillo Pascual 1996: 130; Ariño Gil/Gurt i Esparraguera 1994a: 49; Ariño Gil et al. 2004: 142; Hinrichs 1974: 134. Nähere Ausführungen zu den historischen Umständen des vespasianischen Edikts sowie andere Beispiele für die vom Edikt betroffenen Gemeinden und Gegenden ebd.: 128–157, zu Augusta Emerita im Speziellen ebd.: 129. Campbell 2012: 232 vermutet in diesem Zusammenhang, dass die eigenmächtige Urbarmachung der subseciva durch die benachbarten Landbesitzer von vorn herein von der römischen Obrigkeit intendiert war, um auf diese Weise mehr Ackerland zu schaffen. Dass der Ana in der Gegend um Augusta Emerita von der Koloniegründung in augusteischer Zeit an bis zur Verabschiedung des Edikts in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. seinen Lauf mehr oder weniger stark verändert hatte, ist nicht unwahrscheinlich, da der Fluss dort eine ausgedehnte Schwemmlandebene bildete, dazu Ariño Gil/Gurt i Esparraguera 1994a: 49. Zu den Charakteristika des Abflussregimes am Guadiana in historischer Zeit s. Potenciano de las Heras 2004; Ortega Becerril 2007. Besonders in Nordafrika, wo torrentielle Hochwasser ganze Ebenen überfluteten und bisweilen ganze Landstriche großräumig umgestalteten, war die Identifikation von Vermessungsgrenzen vor Ort unter bloßer Zuhilfenahme der Katasterkarten für die Landvermesser oft ein schwieriges Unterfangen, so Agennius Urbicus, C 34,19–25 = L 78,4–12 = T 38,3–11. Auch eine Neuvermessung des kompletten Territoriums von Augusta Emerita wäre in diesem Zusammenhang denkbar, aber wenig wahrscheinlich. Schon Campbell 2012: 104 f. hält es für wahrscheinlicher, dass die bestehenden Vermessungsgrenzen wohl nur leicht modifiziert und der neuen Vereinbarung sowie den neuen natürlichen Gegebenheiten angepasst wurden. Es hätte wohl einen zu großen Aufwand und einen zu tiefen Einschnitt in die Alltagsgeschäfte der Landbesitzer bedeutet, das gesamte Land oder auch nur größere Teile des Landes komplett neu zu vermessen. Hinzu kommt der naheliegende flavische Ursprung des Kaiseredikts zusammen mit dem Befund, dass auch das flavische Kataster von Orange (Arausio) nicht auf eine Neuvermessung zurückgeht, sondern die augusteische Landeinteilung lediglich aktualisiert wurde (AE 1952, 44 = AE 1963, 197 = AE 1999, 1023).

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Die legale Festlegung einer bestimmten Breite des Ana auf dem Territorium der Emeritenser dürfte, wie soeben erwähnt, auf einer Karte entsprechend verzeichnet worden sein.15 Auf dem Fragment einer Katasterkarte aus der Gegend um die antike Gemeinde Lacimurga könnte diese vereinbarte Flussbreite möglicherweise graphisch dargestellt sein. Lacimurga lag mehrere Duzend Kilometer flussaufwärts von Augusta Emerita. Außerdem wurde die Karte wahrscheinlich in flavischer Zeit angefertigt.16 Bei dem Fragment handelt es sich um das Randstück einer bronzenen Katasterkarte, auf der die Außengrenzen eines römischen Limitationsnetzes zu sehen sind. Trotz seiner geringen Ausmaße von etwa 8 cm auf 5 cm ist auf dem Fragment sehr gut der Fluss Ana zu erkennen, der als leicht geschwungene Linie dargestellt ist. Unmittelbar darunter ist die Identität des Flusslaufes durch die beigefügte Beschriftung „Ana“ epigraphisch gesichert. Konkret dargestellt ist die Stelle, an der der Fluss auf zenturiertes Land trifft. Das zenturierte Land ist dabei deutlich an dem schachbrettartigen Muster zu erkennen, das die einzelnen Zenturien repräsentiert. Innerhalb jeder erhaltenen Parzelle sind die lateinischen Buchstaben CCLXXV zu lesen. Sie stehen für die römische Zahl 275 und verweisen damit auf eine Parzellengröße von jeweils 275 iugera.17

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Das offizielle Verfahren zur Besiegelung einer Landvermessung verlangte eine Katasterkarte (forma) in zweifacher Ausführung. Eine davon war vor Ort öffentlich zugänglich und gut sichtbar an der Außenwand eines öffentlichen Gebäudes anzubringen auf dauerhaftem und möglichst wetterbeständigem Material, zumeist Bronze oder Marmor. Ein zweites Belegexemplar wurde nach Rom gebracht zur Aufbewahrung im tabularium, dem Staatsarchiv; dazu Siculus Flaccus, C 120,22–32 = L 154,13–155,2 = T 118,16–119,6; Hyginus 2, C 158,26–34 = L 202,11–203,4. Die Katasterkarten dienten neben der Besteuerung auch als Hilfsmittel im Rahmen von Grenzstreitigkeiten, dazu Dilke 1967: 22. Eine erste wissenschaftliche Untersuchung des Fragments wurde von Sáez Fernández 1990 publiziert mit Ergänzungen bei Sáez Fernández 1994 und in der AE 1993, 1018a-d. Sáez Fernández 1990: 225–227 hält eine Datierung in augusteische Zeit aufgrund bestimmter Charakteristika der geritzten Buchstaben für wahrscheinlich. Andere halten jedoch eine Entstehung in flavischer Zeit für wahrscheinlicher aufgrund mehrerer formalen Übereinstimmungen mit dem Kataster von Orange, vgl. Ariño Gil/Gurt i Esparraguera 1994a: 63–66. Ein Grenzstein aus flavischer Zeit, der einen Grenzstreit zwischen den Gemeinden Lacimurga und Ucubi bezeugt (CIL II 2/7, 870 cf. II 656 = AE 1986, 323 = HEp. 1, 1989, 115), legt jedenfalls nahe, dass unter den Flaviern zur Beilegung des Streits Vermessungsarbeiten durchgeführt wurden. Zum Abschluss der Neuvermessungen wurde vermutlich eine aktualisierte Katasterkarte angefertigt, vgl. Elliott 2004: 214, Nr. 82. Auf die ungewöhnlich großen Ausmaße der Zenturien von 275 iugera macht Sáez Fernández 1990: 214–218 aufmerksam und diskutiert die möglichen Gründe, dazu auch Sánchez Barrero 2000: 204. Aus den Feldmesserschriften ist jedenfalls bekannt, dass auch die augusteischen Zenturien der Kolonie Augusta Emerita mit 20 × 40 actus (= 200 iugera) ungewöhnlich groß waren, vgl. Hyginus 2, C 136,28–31 = L 170,17–171,3 = T 135,15–20: Modum autem centuriis quidam secundum agri amplitudinem dederunt, in Italia triumviri iugerum quinquagenum, aliubi ducenum, Cremonae iugerum CCX, divus Augustus in Veturia Emeritae iugerum CCCC. Quibus divisionibus decimani habent longitudinis actus XL, kardines actus XX: decimanus est in orientem, cardo in septentrione. – „Den Flächeninhalt für die centuriae haben manche gemäß dem Feldumfang angegeben, in Italien die triumviri je 50 iugera, anderswo je 200, in Cremona 210 iugera, der göttliche Augustus in Veturia bei Emerita 400. In diesen Verteilungen messen die decimani in der Länge 40 actus, die kardines 20

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Neben den Demarkationslinien ist zudem die Buchstabenfolge LACIMVRCEN–– zu erkennen, die auf die Identität der angrenzenden Nachbargemeinde Lacimurga verweist (Abb. 2).18

Abb. 2 Katasterfragment von Lacimurga (© Museo de Ronda)

An dieser Stelle interessiert jedoch vor allem die Bedeutung der geraden Linie, die unmittelbar an der Limitationsgrenze beginnt und unterhalb des Flusses mehr oder weniger parallel zu diesem verläuft. In der Erstveröffentlichung wurde gemutmaßt, dass die Linie versehentlich entstanden sein könnte und daher möglicherweise keinerlei Bedeutung besitze.19 Allerdings ist dies äußerst unwahrscheinlich, weil die Buchstaben innerhalb der Parzelle direkt an die Linie angepasst sind: zwischen den Buchstaben

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actus: der decimanus liegt Richtung Ost, der kardo Richtung Nord.“ Übersetzung entnommen aus Lindermann et al. 2018 – Die Parzellen der ebenfalls augusteischen Kolonie Arausio (Orange) in Gallien weisen exakt dieselbe Größe auf (Piganiol 1962: 93). Die Parzellengröße auf dem Fragment von Lacimurga betrug laut Clavel-Lévêque 1989/90: 177 in etwa 911,73 m × 802,32 m oder alternativ auch 887 m × 780,56 m, den Angaben von Sáez Fernández 1990: 217 folgend. Die Maßangaben des Letzteren hat auch Gorges 1993: 17 übernommen. In der Forschung wird mehrheitlich angenommen, dass es sich bei dem auf dem Kataster dargestellten zenturierten Land um das Territorium der Gemeinde Ucubi handelt, eine Nachbargemeinde von Lacimurga. So betont Sáez Fernández 1994: 105 f., dass es üblich war, den Namen der Nachbargemeinde außerhalb der angedeuteten Vermessungsgrenzen zu nennen. Auf offiziellen Dokumenten war es üblich, die beiden rechts und links des Grundstücks angesiedelten Nachbarn namentlich zu verzeichnen. In jedem Fall ist eine gemeinsame Grenze Lacimurgas mit Ucubi für flavische Zeit durch den oben in Fn. 16 erwähnten Grenzstein bezeugt, der unter Vespasian im Jahr 73 n. Chr. aus einer Grenzstreitigkeit zwischen beiden Gemeinden heraus angeregt wurde (CIL II 2/7, 870 cf. II 656 = AE 1986, 323 = HEp. 1, 1989, 115). Dazu auch Sáez Fernández 1990: 225; Stylow 1986: 311; Clavel-Lévêque 1989/90: 180 f.; Gorges 1993. Ebenfalls denkbar wäre jedoch, dass das vermessene Land und somit die ganze Katasterkarte zu Augusta Emerita gehörten, dazu Hettinger 2017: 210; Ariño Gil/Gurt i Esparraguera 1994a: 62 f. Sáez Fernández 1990: 206.

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XX der römischen Zahl CCLXXV ist eindeutig Platz für die Linie gelassen worden, sodass zuerst die Linie eingezeichnet und erst danach die Beschriftung beigefügt worden sein muss. Ein alternativer Deutungsversuch lautet, es handele sich um eine Straßentrasse. Die Linie ende deshalb an der Limitationsgrenze, weil die Katasterkarte nur Informationen festhalten sollte, die für das Territorium innerhalb der Zenturiation von Relevanz gewesen seien, vor allem im Zusammenhang mit fiskalischen Werten. Die Straße würde außerhalb des dargestellten Territoriums keine fiskalischen Grenzen markieren und sei aus diesem Grund nicht weitergeführt worden.20 Zu Recht wendet Sáez Fernández selbst ein, dass der Fluss Ana hingegen sehr wohl auch außerhalb des zenturierten Gebietes noch weitergezeichnet wurde. Sein Erklärungsansatz hierfür lautet, dass es sich bei dem Fluss im Gegensatz zur Straße auch außerhalb der Vermessungsgrenzen noch um eine geodätisch bedeutsame Linie für die dargestellte limitatio gehandelt habe.21 Eine dritte von ihm in Betracht gezogene Interpretationsmöglichkeit ist die, dass es sich bei der Linie um einen zweiten Wasserlauf handeln könnte.22 Träfe dies zu, würde der Wasserlauf allerdings innerhalb der Parzelle direkt auf der Vermessungsgrenze entspringen und im Gegensatz zum Ana schnurgerade verlaufen. Deshalb vermag auch diese Interpretation letztlich nicht vollständig zu überzeugen. Ausgehend von den Textstellen aus den Feldmesserschriften, die von der vereinbarten Breite des Ana um Augusta Emerita berichten sowie davon, dass legale Flussbreiten auch auf Katasterkarten verzeichnet wurden, wäre noch eine andere Interpretation für die Linie denkbar. Auffällig ist doch, dass die Linie im Gegensatz zum Ana tatsächlich geradlinig verläuft. Hinzu kommt, dass sie sich am Flussverlauf zu orientieren scheint, indem sie parallel zu ihm verläuft, soweit dies bei einem mäandrierend gezeichneten Fluss eben möglich ist. Denkbar wäre folglich, dass die Linie die legal festgelegte Breite des Flusses repräsentiert, von der bei Agennius Urbicus die Rede ist. Dazu passt auch der Umstand, dass die Linie an der Grenze des zenturierten Landes einfach endet: Eine verbindliche Flussbreite war über das parzellierte Land hinaus für fiskalische Zwecke nicht relevant. So muss die Linie nicht zwingend eine topographische Wirklichkeit darstellen, sondern könnte vielmehr – als linea subsecans – eine ausschließlich geodätische Funktion erfüllt haben. Die Zone zwischen der geschwungenen Ana-Linie und der Subsekante muss demzufolge dem Fluss Ana zugehörig gewesen sein, während die von der Subsekante beschnittenen Zenturien folglich als subseciva anzusehen sind (Abb. 3). Bei einer Parzellengröße von 275 iugera misst jede Zenturie in der Länge schätzungsweise 887 m, was recht beachtlich ist.23 Der eben vorgestellten These folgend bildeten die angeschnittenen Zenturien entlang der diesseitigen Uferlinie – zusammen mit 20 21 22 23

Sáez Fernández 1990: 213 f.; ähnlich bei Clavel-Lévêque 1989/90: 176; Gorges 1993: 14. Sáez Fernández 1990: 214. Sáez Fernández 1990: 214. Vgl. Sáez Fernández 1990: 217 und weiter oben Fn. 17.

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Abb. 3 Katasterfragment von Lacimurga mit Annotationen der Autorin (© Museo de Ronda)

einem weiteren Uferstreifen unbekannter Breite auf der anderen Seite – die Flächen, die juristisch dem Fluss zur freien Mäanderbewegung, Flutung und Geröllablagerung zugeteilt waren. Die Erträge der Böden im Uferbereich waren am Ana, im Gegensatz zu den meisten anderen großen Flüssen, ohnehin nicht sonderlich hoch.24 Als Verlust an Ackerland kann die Ausweisung der Fläche also kaum gewertet werden. Am Ana waren regelmäßige Mäanderbildungen und Verlagerungen nicht unüblich, sodass vor diesem Hintergrund die ausgewiesene Breite auch nicht übertrieben groß erscheint. Die mit etwa 800 Metern außergewöhnlich lange Brücke über den Ana bei Augusta Emerita ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Fluss auch in der Antike schon zu heftigen Überschwemmungen neigte. Noch heute führt die Brücke die meiste Zeit des Jahres größtenteils über Land und fungiert so eher als Viadukt denn als Flussbrücke im engeren Sinne. Während der saisonalen Hochwasser breitet sich das Flusswasser jedoch über die gesamte Fläche unter der Brücke aus, sodass bei besonders heftigen Fluten nur noch die Fahrbahn aus dem Wasser herausragt. In solchen Momenten offenbart sich der praktische Grund für die scheinbar überdimensionierte Brückenlänge an der Stelle.25 Gestützt werden die Überlegungen zur Identifikation der Linie als linea subsecans durch das ebenfalls flavische Kataster von Arausio (Orange) in Gallien. Zwei Aspekte sind hier herauszustellen. Auch auf dem Kataster von Arausio sind subseciva an den Limitationsgrenzen tatsächlich als solche eingezeichnet, dargestellt als unvollständige Zenturien und gekennzeichnet mit der Abkürzung SVB. Die Subsekanten verlaufen in der Regel nicht parallel zu den anderen Grenzlinien der Zenturie, sondern sind eher auf 24 25

Vgl. Strab. 3,2,3 C 142; 3,4,12 C 162. Zur Brücke von Augusta Emerita s. Álvarez Martínez 1983; Rodríguez Martín 2004 und weiter unten im Kapitel zum Brückenbau (III.3.2).

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Abb. 4 Katasterfragment von Arausio mit subseciva (Piganiol 1692: 106, Inv. Nr. 2604 und 2626)

das Hindernis ausgerichtet, welches sie von der Zenturie abgrenzen (Abb. 4).26 Überträgt man dieses Prinzip auf das Katasterfragment von Lacimurga, muss es sich bei den durch die fragliche Linie „angeschnittenen“ Zenturien ebenfalls um subseciva handeln. Die Subsekante richtet sich auch hier nach dem zu umgehenden Hindernis, nämlich nach dem Fluss Ana. Des Weiteren finden sich auf dem Arausio-Kataster die subseciva mehrheitlich entlang der Flussläufe, wie schon André Piganiol herausstellt.27 Allerdings sind darauf die subseciva entlang der Wasserläufe nicht graphisch durch eine 26 27

Wie auf Kataster A von Arausio, Platte D, Nr. 4–6 zu sehen (Piganiol 1962: 103–107). Piganiol 1962: 61 f. Seine Publikation stellt noch immer die Grundlage für alle Arbeiten zum Kataster von Arausio dar, die neben Zeichnungen der Fragmente eine kommentierte Rekonstruktion des flavischen Inschriftentextes enthält. Spätere Studien, die jeweils nur bestimmte Details bezüglich der römischen Landvermessungspraktiken in den Blick nehmen, sind etwa die Arbeiten von Dilke 1971: 159–177; Dilke 1985: 108 f.; Hinrichs 1974: 136–146. Genau genommen handelt es sich beim Kataster von Orange um insgesamt drei in Marmor gemeißelte Katasterkarten (als A, B und C bezeichnet) aus dem Umland der Kolonie Arausio. Der kaiserlichen Inschrift aus der Regierungszeit Vespasians (77 n. Chr., AE 1952, 44 = 1963, 197 = 1999, 1023) ist zu entnehmen, dass das Anfertigen der Katasterkarten im Zusammenhang mit eben jenem Kaufedikt stand, das forderte, das ursprünglich (um 35 v. Chr.) an Veteranen übergebene, aber nicht verteilte Gemeindeland (subsecivum), das seither widerrechtlich von Privatpersonen genutzt wurde, auf einer Karte festzuhalten, was mithilfe einer Neuvermessung dann auch geschehen war. Die betreffenden Zenturien sind auf der Karte nicht nur graphisch dargestellt, sondern auch nummeriert. Zudem ist ihr Rechtsstatus angegeben (z. B. Privatland oder öffentliches Land). Die Besitzer sind namentlich genannt und die Höhe der Besteuerung ist, wo eine solche anfiel, ebenfalls darauf festgehalten; dazu auch Dilke 1967: 10; Dilke 1971: 109.

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Linie dargestellt, sondern werden lediglich inschriftlich erwähnt. Die eingezeichneten Zenturien enthalten dort Angaben über die Anzahl der verteilten Landparzellen und nennen namentlich deren rechtmäßigen Besitzer. Die Anzahl der nicht verteilten Parzellen (subseciva) wird ebenfalls in Zahlen angegeben.28 Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei zumeist um die Uferstreifen handelte, die direkt am Wasser lagen.29 b. Flussbreiten Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Kataster von Arausio und dem von Lacimurga besteht also darin, dass auf ersterem bereits die Besitzer namentlich genannt und der juristische Status der Ländereien angegeben sind, wohingegen letzteres nur die Parzellengröße ohne Besitzernamen angibt. Daraus wurde geschlossen, dass es sich bei der Karte von Lacimurga um einen früheren Arbeitsschritt handeln müsse, der in der bloßen Aufnahme und Einteilung des verfügbaren Landes bestanden habe sowie darin, gegebenenfalls ungeeignete Böden, eben subseciva, darauf zu markieren.30 In der Tat konnte wohl erst dann, wenn die Beschaffenheit des Bodens feststand, die eigentliche Verteilung und die Festlegung des Pachtbetrages erfolgen. Auf dem Kataster von Lacimurga könnte dementsprechend ein früherer Arbeitsschritt dokumentiert sein als auf dem Kataster von Arausio.31 Streng genommen handelt es sich bei der Karte von Lacimurga also gar nicht um ein Kataster, weil darauf die namentliche Besitzzuweisung fehlt. Trotz allem scheint es ein wenig inkonsistent, dass die Subsekanten auf dem Kataster von Arausio an den Außengrenzen als Linie eingezeichnet wurden, während sie entlang der Wasserläufe fehlen. Im Umfeld der Flussbreitendiskussion bleibt daher noch die zeitliche Dimension für die Diffusion der neuen Praktik zu klären sowie konkrete Anwendungsfälle. Wodurch und ab welchem Zeitraum wurde die Festlegung von legalen Flussbreiten gleichsam zum Standardverfahren bei der Anlage eines Vermessungsnetzes? Zur Klärung der zeitlichen Dimension sind hauptsächlich die Aussagen zweier Landvermesser hilfreich. Eine stammt von Agennius Urbicus und damit wohl aus dem späteren 4. oder dem beginnenden 5. Jahrhundert,32 die andere stammt

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Piganiol 1962: 242–249, Kataster B, Platte IV D, Nr. 206–207 und 209–210. Eine ausführlichere Darlegung dieser Thesen im direkten Vergleich mit dem Kataster von Arausio findet sich bei Hettinger 2017: 199–207. Sáez Fernández 1990: 207–212; Clavel-Lévêque 1989/90: 175. Clavel-Lévêque 1989/90: 177; Hettinger 2017: 202. Zur Datierung des Textes von Agennius Urbicus s. Campbell 2000: xxxi–xxxiii und weiter oben in Kapitel I.3.2.

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von Hyginus 1 und wird deshalb in die Regierungszeit Trajans ins frühe 2. Jahrhundert datiert.33 Chronologisch ist also mit Hygin zu beginnen: Scio enim quibusdam regionibus, cum adsignarentur agri, adscriptum aliquid per centurias et flumini. Quod ipsum providit auctor dividendorum agrorum, ut quotiens tempestas concitasset fluvium, quo[d] excedens [alpes] alveum per regionem vagaretur, sine iniuria cuiusquam deflueret; cum vero ripis suis curreret, proximus quisque uteretur modum flumini adscriptum. nec erat iniquum, quoniam maiores imbres aliquando excedere aquam iubent ultra modum flumini adscriptum et proximos cuiusque uicini agros inundare. Ich weiß nämlich, dass in diesen Regionen im Zuge der Landzuweisungen auch etwas (Land) innerhalb der Zenturien dem Fluss zugeschrieben wurde. Eben dadurch sorgte der Verantwortliche für die Landverteilungen vorausschauend dafür, dass, sooft ein Sturm den Fluss aufwühlte, und dieser aus dem Flussbett heraustretend durch die Gegend streifte, er nicht zu irgendjemandes Schaden vorüberfloss. Während er hingegen innerhalb seiner Ufer dahinfloss, waren die dem Fluss zugeschlagenen Flächen den nächsten Nachbarn zur Nutzung freigegeben. Auch war dies nicht ungerecht, weil ja schwerere Regenfälle das Wasser bisweilen dazu veranlassen, über das Maß des dem Fluss zugeschriebenen (Landes) hinauszutreten und die nächstliegenden sowie benachbarte Äcker zu überschwemmen.34

Hier wird zunächst deutlich, dass zu Lebzeiten Hygins in manchen Gegenden eine legale Flussbreite schon bei der Assignation festgelegt wurde, was laut Text in Antizipation möglicher kommender Schadensereignisse geschah.35 Dass die Festlegung der Flussbreite in besagten Gegenden unbedingt vor der individuellen Zuteilung der Parzellen vorgenommen wurde, geht aus der Textstelle deutlich genug hervor. Das Zugeständnis an die nächsten Nachbarn, die unverteilten Flächen bewirtschaften zu dürfen, zeigt zudem zweierlei. Erstens äußert sich hier wieder die gängige Praxis, dass benachbartes Brachland (subsecivum) von Landbesitzern ohnehin oft ungefragt

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Für eine kurze Charakterisierung der geodätischen Schriften, die unter dem Autorennamen Hyginus überliefert sind, sowie Überlegungen zur Datierung jener Werke s. Campbell 2000: xxxv– xxxvii; Lindermann 2018: 10–12; und weiter oben in Kapitel I.3.2. Die hier benutze Autorenbezeichnung Hyginus 1 folgt der von Campbell 2000. Hyginus 1, C 90,31–92,2 = L 125,5–11 = T 88,4–10. Zur Praktik der Flussbreitenzuweisung im Sinne einer Schadensbegrenzung für den Fall einer Flut s. auch Castillo Pascual 2012: v. a. 2 f., 8 und 20; Campbell 2010: 320 f.; Campbell 2006: 175; Hermon 2016; Hermon 2019. Um Ernteverluste durch ungünstige klimatische, witterungsbedingte oder andere Naturereignisse zu vermeiden, bauten römische Großgrundbesitzer außerdem auf das Prinzip der Risikostreuung. So rät Plinius der Jüngere, nicht sämtlichen Landbesitz in derselben Klimazone und Region zu haben und sie dadurch potentiell denselben Schadensereignissen auszusetzen. Lieber solle man Ländereien in verschiedenen Regionen besitzen; Plin. epist. 3,19,4. Dieser Rat richtet sich freilich ausschließlich an eine wohlhabende Elite, die sich den Unterhalt mehrerer Landgüter von Standes wegen leisten konnte.

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mitgenutzt wurde. Die Regelung zum erlaubten usufructus auf unverteilt gebliebenem ager occupatorius war also ein Zugeständnis an die Bauern, deren Handeln dadurch legitimiert wurde.36 Zweitens ist in dem Zugeständnis aber auch die Überlegung des Assignationspersonals greifbar, dass der Produktionsüberschuss, der in störungsarmen Erntejahren erzielt wurde, als Entschädigung für Ernteeinbußen im Falle extremer Hochwasser fungieren würde. Weiter oben in seinem geodätischen Werk nimmt Hygin schon einmal Bezug zur Definition von Flussbreiten. Grundsätzlich unterscheidet er zwischen dem mit Wasser bedeckten Flussbett einerseits und dem Flussbett einschließlich des potentiell überschwemmungsgefährdeten Uferbereichs andererseits: Fluminum autem modus in aliquibus regionibus intra centurias exceptus est, id est adscriptum FLVMINI TANTVM, quod alveus occuparet. Aliquibus vero regionibus non solum quod alveus occuparet, sed etiam agrorum aliquem modum flumini adscripsit, quoniam torrens violentior excedit frequenter circa alveum centurias. In manchen Regionen aber wurde das Ausmaß von Flüssen (modus fluminum) innerhalb von Zenturien ausgenommen, das heißt, es wird „dem Fluss so viel“ zugeschrieben, wieviel sein Bett besetzt hält. In manchen Regionen schrieb er [der Gründer] allerdings nicht nur das, was das Flussbett besetzt hält, dem Ausmaß des Flusses (modus fluminis) zu, sondern auch etwas von den (angrenzenden) Äckern, da ja ein Fluss, der reißendes Hochwasser führt, oftmals mit ziemlicher Wucht die Zenturien überschreitet, die sich um sein Bett herum befinden.37

Als technische Bezeichnung für die oberflächliche Ausdehnung eines Flusses, also in gewisser Weise für die legale Flussbreite, benutzt Hygin in beiden Texten durchweg modus fluminis. Interessant an letzterer Textstelle ist, dass entlang besonderes reißender Flüsse vorsichtshalber auch die angrenzenden Äcker nicht zur Assignation freigegeben wurden, wobei torrens insbesondere auf solche Flüsse zu verweisen scheint, die jahreszeitlich bedingte torrentielle Hochwasser führten.38 In den Gegenden des Mittelmeerraums, wo torrentielle Flutereignisse vorherrschten, wurde demnach also besonders darauf geachtet, dass sich die privat genutzten Ländereien in gebührendem Abstand zum Fluss befanden. Möglicherweise lässt sich in dieser Unterscheidung auch der Grund dafür erkennen, warum auf dem Kataster von Lacimurga über die eingezeichnete Ana-Linie hinaus ein zusätzlicher Sicherheits36

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Dazu Castillo Pascual 2012: 6 f. Lediglich an flumina publica mit designierten zusätzlichen Breiten konnte diese Ausgleichsmaßnahme angewendet werden, solange kein offiziell zugeteilter, bis zum Wasser reichender Privatgrund davon betroffen war. Nachweislich galt dies jedenfalls spätestens seit der Verabschiedung einer entsprechenden Konstitution unter Antoninus Pius; Dig. 41,1,16 (Florentinus). Hyginus 1, C 86,30–33 = L 120,7–12 = T 83,7–12. Zur Definition von torrens s. Masi Doria 2004: 202.

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abstand bis zur linea subsecans eingezeichnet war, während eine solche auf den Fragmenten des Arausio-Katasters fehlt. Am Ana mit seinen saisonal äußerst ausgeprägten, reißenden Hochwassern war eine Kennzeichnung der gefährdeten Uferzonen wohl deshalb wichtig für die Landbesitzer, weil sie in trockenen Monaten vermutlich kaum zu erkennen waren. Die Rhône unterliegt im Gegensatz dazu einem viel gemäßigteren Hochwasserregime, sodass es dem Assignationspersonal seinerzeit vermutlich als nicht notwendig erschien, die gefährdeten subseciva am Ufer eigens auf der Katasterkarte zu kennzeichnen. Eine rechtsverbindliche Breite war der Rhône zur Zeit der flavischen Neuvermessungen – wegen ihres gemäßigten Wasserregimes – womöglich noch gar nicht durchgehend zugesprochen worden. Der zweite relevante Text, diesmal von Agennius Urbicus, gibt Aufschluss über mehrere Aspekte, die bei der Ausübung der Landvermessungstätigkeit eine Rolle spielten: Multa flumina et non mediocria in adsignationem mensurae antiquae ceciderunt: nam et deductarum coloniarum formae indicant, ut multis fluminibus nulla latitudo sit relicta. Viele (in ihrer Größe) nicht gerade unbedeutende Flüsse sind in die Zuweisungen alter Vermessungsarbeiten gefallen. Denn auch die Katasterkarten zu diesen Koloniegründungen zeigen, dass vielen Flüssen keine (legale) Breite zugestanden worden war.39

Im Gegensatz zu Hygin, der lediglich von „einigen Regionen“ spricht, in denen es ein festgelegtes Flussausmaß (modus fluminis) gegeben haben soll, wird hier für die Zeit des späten 4. Jahrhunderts bezeugt, dass nur „alte“ Gründungen noch nicht über eine vorab vereinbarte Flussbreite (latitudo) verfügten. Als Beleg verweist Agennius Urbicus auf die alten Katasterkarten jener Kolonien. Auf zeitgenössischen Katasterkarten müssen die legalen Flussbreiten demnach verzeichnet gewesen sein. Zwischen der Schaffenszeit des Hygin und der des Agennius Urbicus sind mindestens 250 Jahre zu veranschlagen, wenn nicht gar mehr. Innerhalb von dieser Zeitspanne muss sich also die Praktik der Flussbreitenfestlegung nach und nach als gängige Praxis verbreitet und schließlich etabliert haben, denn während Hygin die Festlegung einer solchen Breite noch als regionale Besonderheit herausstellt,40 besteht für Agennius Urbicus das Be-

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Agennius Urbicus, C 40,9–11 = L 83,14–17 = T 43,12–15. Auch Siculus Flaccus, C 116,30–118,2 = L 151,6–15 = T 115,6–16 thematisiert die Begrenzung von Privateigentum mittels gerader Linien (rigores), die jedoch durch Wasserläufe unterbrochen wurden bzw. in der Nähe von Wasserläufen erloschen (deficere), was wahrscheinlich der hohen hydrologischen Fluktuation geschuldet war; dazu s. Hermon 2016: 609 mit Fn. 29. Auch dies könnte letztlich ein Hinweis darauf sein, dass die Festlegung eines geradlinig verlaufenden modus fluminis zu Siculus’ Lebzeiten (vermutlich im 2. Jh. n. Chr.) noch nicht etabliert war, das Problem jedoch bereits bekannt war. Hermon 2013 interpretiert die Verwendung der Formel iter populo debetur, die besonders in den libri coloniarum Erwähnung findet, als Vorläufer des späteren modus fluminis, zumal die Formel in Kampanien im Umfeld des Volturnus auffallend häufig genannt wird. Das

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merkenswerte hingegen darin, dass alte Katasterkarten gerade keine eingetragenen Flussbreiten aufweisen. Womöglich verweist schon die veränderte Bezeichnung latitudo bei Urbicus auf eine verstärkte Konzentration der Feldmesser auf die Breite im Gegensatz zur früheren Bezeichnung modus fluminis, die noch auf den Flächeninhalt abzielte: Das Prinzip des modus diente in der römischen Landvermessung zur rechnerischen Ermittlung einer Fläche, beispielsweise einer Ackerfläche (modus agri), der bereits seit dem letzten Jahrhundert der Republik zunehmend Bedeutung beigemessen wurde.41 Ähnlich ist möglicherweise die Schrift fluminis varatio, „Flussübermessung“ aus dem 2. Jahrhundert dahingehend zu werten, dass in jener Zeit konkreten Flussbreiten allgemein immer mehr geodätische Aufmerksamkeit geschenkt wurde.42 Da es sich bei der Schrift um ein rein technisches Traktat zur Bestimmung von Flussbreiten handelt, fehlt darin jeglicher Hinweis auf die juristische Ausweisung einer zusätzlichen Überschwemmungsfläche. Die Verbreitung der Praktik der Flussbreitenausweisung könnte folgendermaßen abgelaufen sein: Vereinzelte, aus lokalen Bedürfnissen heraus entstandene bottom-up-Prozesse, wie sie sich im Falle von Augusta Emerita ereignet hatten, wurden wegen ihrer sichtlichen Erfolge immer wieder vom zuständigen Verwaltungs- und Vermessungspersonal aufgegriffen und sukzessive auch in anderen Gegenden des Reichs angewendet. Dabei ging zum Teil wohl der ursprüngliche, auf lokale Bedürfnisse zugeschnittene Charakter der Praktik verloren: Waren bei Ana und Pisaurus noch in erster Linie die saisonalen, stark ausgeprägten Flusshochwasser zu bewältigen, wurde dieselbe Praktik später auch auf Flüsse übertragen, die weniger zu extremem Hochwasser neigten. Dort sollte die Ausweisung von Flussbreiten wohl eher zur Vermeidung von Grenzstreitigkeiten und Besteuerungsfragen dienen, die mittel- und langfristig zu erwarten waren, wenn beispielsweise ein Fluss dauerhaft sein Bett verlagerte. Geschah dies innerhalb einer ihm großzügig zugeschlagenen Fläche, konnte er seinen Lauf ver-

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Wegerecht bis zum Wasser soll demnach bereits in republikanischer Zeit die mögliche Schwemmfläche von Flüssen markiert haben, die also ganzjährig öffentlich zugänglich bleiben und sichtbar sein sollte; vgl. Hermon 2016: 609 mit Fn. 21. Zum geodätischen Begriff modus in den Feldmesserschriften und seiner Anwendung s. insbesondere Hinrichs 1974: 93–112. Zu jenem kurzen Traktat, das gemeinhin dem Gromatiker Iunius Nipsus zugeschrieben wird, s. den philologischen Kommentar von Bouma 1993. Der Begriff varatio geht zurück auf das Verb varare in eben jenen Feldmessertraktaten, die unter dem Namen des Iunius Nipsus überliefert wurden. Varare bezieht sich auf die Längenbestimmung einer geraden Linie im Vermessungsprozess, die durch topographische Hindernisse verstellt und daher nicht komplett abschreitbar ist. Über die Anwendung des geometrischen Verfahrens der varatio lässt sich die Länge der Geraden auch ohne direktes Messen bestimmen. Dazu ebd.: 83 f. Diese indirekte Messtechnik wird im Zusammenhang mit der Flussbreitenmessung für den Brückenbau auch bei Balbus, C 204,23–25 = L 92,16–93,1 erwähnt.

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ändern, ohne Privatleuten dadurch Schaden zuzufügen oder aufwendige Neuvermessungen nötig zu machen.43 Begünstigt wurde die Verbreitung der Praktik vielleicht durch das Protokollieren des Vorfalls durch den Statthalter, der seine Erfahrungen aus Lusitanien nach Rom weitergab. Möglicherweise könnten aber auch Truppenverlegungen für die Diffusion der neuen Praktik gesorgt haben, denn Vermessungsingenieure gehörten häufig dem Militär an.44 Der konkrete Anlass zum Handeln ging jedoch vom Prinzeps aus, genauer gesagt vom flavischen Edikt zum Ankauf von subseciva. Die Kollision staatspolitischer Forderungen mit lokalen, hier insbesondere topographischen Realitäten bewirkte also immer wieder eine Erweiterung oder Neuinterpretation alter Praktiken (hier: das Beschneiden von Zenturien durch Subsekanten), die als neue Wissensbestände weitergetragen und verbreitet wurden. Das Medium, mit dessen Hilfe die neuen Regelungen publik gemacht wurden, waren Katasterkarten, die an öffentlichen Plätzen aushingen. So konnte jeder Interessierte die Karten einsehen. Die Technologie, die zum Einsatz kam, war also bereits bekannt und nur noch an die neuen Bedürfnisse und räumlichen Verhältnisse angepasst worden, indem eine zusätzliche Linie – oder besser zwei, wohl eine auf jeder Flussseite – die neuen juristischen und fiskalischen Rahmenbedingungen am Fluss markierte. c. Flusspegel und die juristische Definition von Wasserläufen Zu fiskalischen Zwecken kamen auch in Ägypten verschiedene Vermessungstechniken am und im Nil zum Einsatz. An den Ufern des Nils war es schon lange Zeit üblich, die Ländereien in Ufernähe neu zu vermessen und die Grenzmarkierungen wiederherzustellen, wann immer dies nach einem Hochwasser nötig war.45 Die Ursprünge der Landvermessung gehen nicht zuletzt auf das Land am Nil und auf eben jene Notwendigkeit zurück, überschwemmtes Land neu zu vermessen.46 Weil gerade das Flutwasser fruchtbare Schwemmerde zur Düngung auf die Felder ausbrachte, nahm man dort die fortwährend anfallenden Vermessungsarbeiten in Kauf.

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Gerade in Schwemmfächern im Mündungsgebiet von Flüssen werden beide Problemfelder zugleich ins Gewicht gefallen sein. So ist etwa auch am Unterlauf des Po, der nicht nur heftige Hochwasser führte, sondern auch zum beständigen Mäandern und Verlagern seines Flussbettes neigte, eine Art Sicherheitsabstand zwischen Nutzflächen und dem Fluss auszumachen; dazu s. Calzolari 1988: 18–23. Classen 1994. Strab. 17,1,3 C 787. Dies klingt auch noch in einem Brief Theoderichs an Cassiodor an (Cassiod. inst. 3,52). Hdt. 2,109; Cassiod. var. 3,52. Zu den Ursprüngen der Geodäsie in den Flusskulturen Ägyptens und Mesopotamiens s. Dilke 1971: 19–22; Campbell 2000: xlv–liii.

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Außerdem erfreute sich in Ägypten noch eine andere Form der Vermessung einer langen vorrömischen Tradition: die Ermittlung des Flusspegels. Begründet liegt dies in der Tatsache, dass vom Pegelstand des Nils unmittelbar die Höhe der Ernteerträge abhing, mit denen unter römischer Herrschaft insbesondere die Stadt Rom über Jahrhunderte in Form von Getreidelieferungen versorgt wurde.47 Zur Ermittlung des Pegels bediente man sich traditionell sogenannter Nilometer, auch ‚Nilmesser‘, die ab dem ersten Katarakt an verschiedenen Punkten entlang des langen Flusslaufs installiert waren.48 Die ersten Nilmesser sind bereits aus pharaonischer Zeit bekannt, doch wurden unter ptolemäischer und später unter römischer Herrschaft sowohl die alten Nilometer weitergeführt als auch neue errichtet.49 Während die flutbaren Nilometer zu pharaonischen Zeiten grundsätzlich Teil eines komplexen Kultbezirks waren und deshalb allesamt noch innerhalb des Temenos lagen, entwickelten sie sich in ptolemäisch-römischer Zeit zu einem eigenständigen, von Kultgebäuden unabhängigen Bautyp, etwa in Form von einfachen Messsäulen, die direkt im Fluss errichtet wurden.50 Auf der Insel Elephantine bei Philae war die eingehende Flut als erstes festzustellen, da sich ihre Messstation am weitesten flussaufwärts unterhalb des ersten Katarakts befand.51 Von dort aus wurde die Nachricht über den Beginn der Flut an die flussabwärts

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Capelle 1914: 323; Montero Herrero 2012: 318. Bezogen auf die während des sogenannten „römischen Klimaoptimums“ deutlich erhöhte Bodenfeuchte s. auch Heide 1997: 87 f. Rehm 1936. Bekannt sind heute die Nilometer von Philae, Elephantine, Kairo, Thumis, Kom el Gise, Kubosch, Taifa, Assuan, Kom Ombo, El Hosch, Edfu, Esneh, Luxor, Karak und Tenneh. Eine grundlegende archäologische Beschreibung der bis zu seinen Lebzeiten bekannten Nilmesser liefert noch immer die Arbeit Ludwig Borchardts (Borchardt 1906). Zu technischen Aspekten der Nilometer s. außerdem Bonneau 1986. Ein 2016 in Thumis gefundener Nilometer zeigt, dass die bisher bekannten Nilpegelmesser nicht zwingend die Gesamtheit aller derartigen Bauten repräsentieren, sondern sicherlich noch einige mehr an verschiedenen anderen Punkten entlang des Nils installiert waren. Der Nilometer von Thumis wurde im Rahmen einer ägyptisch-amerikanischen Grabung freigelegt unter der Leitung des Archäologen Jay Silberstein von der University of Hawaii. Leider liegt bisher noch keine wissenschaftliche Veröffentlichung dieses Neufundes vor, sodass hier lediglich auf die kurze Meldung auf der Homepage der National Geographic Society verwiesen werden kann: https://www.nationalgeographic.com/history/ article/160517-nilometer-discovered-ancient-egypt-nile-river-archaeology (zuletzt aufgerufen am 14.12.2021). Der Pegelmesser von Elephantine wurde sogar noch bis in die Zeit der arabischen Herrschaft im Frühmittelalter modifiziert (d. h. mit einer aktualisierten Skala) weitergenutzt; Borchardt 1906: 18 mit Abb. 12. Seit dem Bau des Assuan-Staudamms und der künstlichen Befüllung des Nassersees in den 1960er Jahren ist die Ermittlung des Nilpegels mithilfe der antiken Nilometer endgültig nicht mehr möglich; dazu Bonneau 1993: 175, Fn. 357. Zur Genese der Bauformen unter den verschiedenen Staatsmächten s. Kleibl 2003; für eine historisch-kulturelle Kontextualisierung der Nilometer in der griechisch-römischen Antike s. außerdem Kleibl 2009; Kleibl 2007. Jördens 2009: 97; Wortmann 1967: 63. Aus diesem Grund wurde die ägyptische Gottheit Chnum, zugleich Schutzpatron des Gebiets, als Herr der Flut angesehen und vor Ort verehrt; Porphyrios bei Eus. pr. ev. 3,12,1; dazu Wortmann 1967: 86 f.

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gelegenen Gemeinden weitergeleitet, sodass sich im Vorfeld alle Betroffenen auf die Nilschwelle vorbereiten konnten.52 Ebenso wie das Ansteigen wurde auch der Pegelrückgang landesweit entlang des Flusses kontrolliert und aufgezeichnet, wobei sich der Beobachtungszeitraum des Pegels insgesamt auf die Periode der ungefähr 3–4 Monate andauernden Nilschwelle beschränkte.53 Die traditionelle Messeinheit war der cubitus (Elle), umgerechnet 1,5 römische Fuß (ca. 0,52 m).54 Laut Strabon war der erwartbare Ernteertrag am höchsten, wenn der Pegel 14 Ellen erreichte, während 8 Ellen erst ab derjenigen Epoche keine Hungersnot mehr verursacht hätten, in der die Kanal- und Dammsysteme zur Bewässerung weiter ausgebaut worden seien.55 Ähnlich weiß Plinius der Ältere die Messwerte des Nilpegels zu deuten, wobei zu seinen Lebzeiten das Erreichen von 16 Ellen die besten Ernteerträge angekündigt haben soll.56 Um überhaupt zufriedenstellende Ernten einfahren zu können, durfte die Nilschwelle weder zu niedrig noch zu hoch ausfallen, da ersteres manche Felder unbewässert gelassen hätte, während letzteres die Felder zu lang unter Wasser gesetzt hätte, als dass das Saatgut darin hätte aufgehen können.57 Letzten Endes war selbst am Nil ein zu starkes Hochwasser schädlich und konnte sowohl schwere Ernteeinbußen als auch Schäden an Deichen und Bewässerungsanlagen verursachen.58 Die Mess- und Beobachtungsdaten dienten auch zur Vorausberechnung der Jahresfluthöhe.59 Dadurch war der stadtrömischen cura annonae genügend Vorlaufzeit

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Strab. 17,1,48 C 817. Zur Überwachung der jährlichen Hochwasserwelle mittels Nilometern s. insbesondere Bonneau 1993: 175–185. Hdt. 2,19,2; Jördens 2009: 98; Bonneau 1993: 182–185. Bonneau 1993: 178–182. Strab. 17,1,3 C 787–788. Plin. nat. 5,58. Als Anspielung auf die glücklichen 16 Ellen wurden der Nilstatue, die Vespasian im Tempel der Pax dem vergöttlichten Augustus weihte, 16 ihn umspielende Kinder zur Seite gestellt als Zeichen seiner großen Fruchtbarkeit (Plin. nat. 36,58). Die höchsten für die Landwirtschaft günstigen Wasserstände erreichte der Nil in etwa zwischen den Jahrhunderten 500 v. Chr. und 100 n. Chr., während der Pegel aufgrund sich verschlechternder Niederschlagsbedingungen im äquatorialen Regengürtel danach wieder zurückging; dazu s. Heide 1997: 9. Amm. 22,15,13: Abunde itaque luxurians ita est noxius, ut infructuosus, si venerit parcior (…). Eumque nemo aliquando extolli cubitis altius sedecim possessor optavit. – „Wenn der Strom zu üppig anschwillt, bringt er ebenso viel Schaden, wie er unfruchtbar ist, wenn er spärlicher kommt (…). Kein Landbesitzer hat jemals gewünscht, dass der Strom höher als um 16 Ellen steigt.“ Übersetzung: Wolfgang Seyfarth (Seyfarth 1970). Ebenso Plin. nat. 5,58: Iustum incrementum est cubitorum XVI. Minores aquae non omnia rigant, ampliores detinent tardius recedendo. Hae serendi tempora absumunt solo madente, illae non dant sitiente. utrumque reputat provincia. – „Die richtige Höhe beträgt 16 Ellen. Niedrigere Wasserstände bewässern nicht alles, höhere sind hinderlich durch das langsamere Abfließen. Diese verzögern durch den nassen Boden die Saatzeit, jene lassen sie durch den trockenen Boden nicht zu. Beides ist für die Provinz von Bedeutung.“ Übersetzung: Gerhard Winkler und Roderich König (Winkler/König 1993). Kleibl 2003: 39; Hughes 2014: 36 f.; vgl. Hughes 1994: 36; Sonnabend 1999: 241. Strab. 17,1,48 C 817. Er betont eigens, dass die Meldung über die Höhe des Pegelstandes nicht nur den Bauern genützt habe, sondern auch dem praefectus Aegypti, der daran die zu erwartenden Ernteerträge habe abschätzen können. Allerdings bemerkt er lediglich, dass die Einnahmen pro-

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garantiert, um im Falle drohender Engpässe noch rechtzeitig alternative Getreidelieferungen aus anderen Provinzen zu organisieren. Außerdem ließen sich auf der Grundlage der Pegelmessung die jährliche Pacht und die Besteuerung im Voraus berechnen, wobei der Zeitraum der Vorhersage etwa acht Monate betrug.60 Die Technik der Pegelmessung sowie die davon abhängige Errechnung von Ernteerträgen, Pacht und Steuern war an keinem anderen Fluss des Römischen Reichs in der Form, wie sie am Nil umgesetzt wurde, überhaupt möglich. Dabei kam der Regelmäßigkeit, mit der der Nil Hochwasser führte, eine Schlüsselrolle zu. Ohne die Verlässlichkeit des sommerlichen Anschwellens und die geringen Schwankungen der höchsten jährlichen Pegelstände wäre eine derartige Vorausberechnung nicht realisierbar gewesen.61 Hinzu kam, dass die Agrarproduktion Ägyptens ausschließlich vom Nil und somit von nur einem einzigen Fluss abhängig war, was die relativ verlässliche Bestimmung der Ernteerträge und der Abgaben ebenfalls erleichterte.62 In anderen Provinzen mit komplexeren Flusssystemen und Hochwasserregimen kamen hingegen alternative Schlüssel zur Berechnung der Abgaben und der Bodensteuer zum Einsatz.63 Trotz allem ist in der komplexen Zusammensetzung der Flusshydrologie, die in anderen Provinzen vorherrschte, wohl nicht der einzige Grund dafür zu sehen, dass das Prinzip der Pegelmessung selbst nach der Provinzialisierung Ägyptens andernorts nicht übernommen wurde. Im Gegenteil klingt die Ermittlung des modus fluminis im Sinne einer horizontalen Ausdehnung des Nils selbst im Panegyricus des jüngeren Plinius auf Trajan an, obwohl Pegelmessungen in der Vertikalen wie soeben herausgestellt viel grundlegender für die Nilbewirtschaftung waren: Post haec, si volet, Nilus amet alveum suum, et fluminis modum servet: nihil hoc ad urbem, ac ne ad Aegyptum quidem, nisi ut inde navigia inania et vacua et similia redeuntibus, hinc plena et onusta et qualia solent venire, mittantur; conversoque munere maris, hinc potius venti ferentes et brevis cursus optentur.

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portional zur Nilschwelle anstiegen, ohne auf potentielle Verluste wegen zu starken Hochwassers einzugehen. Sein Bericht ist allgemein sehr summarisch und zielt nicht auf eine Beschreibung fiskalischer Details der Nilmesser ab. Für die Ermittlung der zu erwartenden Fluthöhe waren drei Größen von Belang: 1. der Nullpunkt, also der Grund des Nilometerbrunnens, der den Grundwasserspiegel zur Zeit des Baus der Anlage markiert, 2. der Niedrigwasserstand des Vorjahres und 3. der Wasserstand zur Sommersonnenwende des laufenden Jahres; dazu Bonneau 1993: 183; Jördens 2009: 97 f. Capelle 1914: 322–328; Jördens 2009: 97 f.; Blouin 2014: 21. Blouin 2014: 16. Jördens 2009: 97. Hyginus 2, C 160, 29–32 = L 205,10–16 = T 168,10–169,1 bzw. in etwas abweichender Textrekonstruktion Lindermann et al. 2018: 198 (52,8–11). So werde in manchen Provinzen der Bodenertrag geschätzt und als Geldsumme erhoben, während in anderen Provinzen die Abgaben in Naturalien eingefordert würden. In wieder anderen Regionen des Reichs würden die Einnahmen nach feststehenden Tarifen berechnet, denen die verschiedenen Bodenarten (Wälder, Wiesen usw.) und die dort gewonnenen Naturprodukte zugeordnet seien; dazu s. Esders 2013: 171.

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Mag künftig der Nil, wenn ihm das lieb ist, sich auf sein Bett beschränken und jenes ihm als Maß des Flusses [bzw. Flussbreite] dienen! Für Rom hat das nichts zu bedeuten, und selbst für Ägypten nicht! Nur dass dann die Schiffe abgehen so vollbeladen wie sonst die ankommenden und dass man dem Meer eine umgekehrte Aufgabe stellt, indem man sich nunmehr für die Hinfahrt nach Ägypten günstige Winde und verkürzte Fahrt wünscht.64

Die wiedergegebene Übertragung ins Deutsche folgt der von Werner Kühn, doch übersetzt jener die Textstelle fluminis modum servet mit „nach Art eines normalen Flusses [beschränken]“, was der von Plinius intendierten Aussage nicht ganz gerecht wird. Wenn das Flussbett (alveus) des Nils zugleich die Ausdehnung des Flusses (fluminis modus), also in gewisser Weise die maximale Flussbreite darstellt, verweist dies auf nichts anderes als das permanente Ausbleiben der Nilflut. Genau auf diesen Umstand spielt Plinius hier an, weshalb er mit Bedacht gerade auf die beiden technischen Kategorien von Flussausmaß und Flussbett zu sprechen kommt. Zwar enthält die Version Kühns ebenfalls die Anspielung auf das Ausbleiben der Nilflut,65 doch scheint es sinnvoller, fluminis modus hier tatsächlich als gromatischen Fachbegriff zu verstehen und ihn im Sinne der oben zitierten Hygin-Texte zu übersetzen.

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Plin. paneg. 31,4. Übersetzung nach Werner Kühn (Kühn 2008). Für meteorologische Überlegungen zu den von Plinius geschilderten Windverhältnissen s. Heide 1997: 106 f. Die vorliegende Stelle im Panegyricus steht im Zusammenhang mit einer Dürre in Ägypten. Zu Beginn der Regierungszeit Trajans muss sich in Ägypten eine Hungersnot ereignet haben, die einem Ausbleiben der Nilflut geschuldet war. Nachrichten hierüber sind lediglich aus dem Panegyricus des jüngeren Plinius auf den Kaiser bekannt; s. Kühn 2008: 189. Dort beschreibt Plinius wortreich das Ausmaß der Ernteausfälle und der Hungersnot in Ägypten sowie die Hilfe, die den Provinzbewohnern durch den Kaiser daraufhin zuteilwurde; Plin. paneg. 30–32; dazu Jördens 2009: 182 mit Fn. 52; Deeg 2019: 144 f.; Montero Herrero 2012: 333 f. Der Prinzeps hatte veranlasst, dass die Bevölkerung Ägyptens mit externen Getreidelieferungen versorgt wurde, sodass – was Plinius voll imperialen Stolzes betont – die Getreideschiffe gleichsam den umgekehrten Weg in die Provinz hinein und den Nil aufwärts eingeschlagen hätten. Dass dies eine Übertreibung oder zumindest eine Abweichung des normalen Ablaufs darstellt, wird schon darin deutlich, dass für das 2. und 3. nachchristliche Jahrhundert mehrere Zwangsankäufe von ägyptischem Getreide belegt sind, die wohl außerplanmäßig in Notsituationen zusätzlich durch den Statthalter realisiert wurden; dazu s. Jördens 2009: 181–198. Außerdem kam es im 1. nachchristlichen Jahrhundert aufgrund zunehmender Armut unter den ägyptischen Provinzialen zu einem Bevölkerungsrückgang, insbesondere unter der Landbevölkerung, da viele ihre Höfe wirtschaftlich nicht mehr halten konnten. Die verbliebenen Bauern wurden kollektiv bestraft und so kam es während des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. mehrfach zu Aufständen; Bari 1992: 72 mit Fn. 21; grundlegend zu den Aufständen in Ägypten zwischen 30 v. Chr. und 300 n. Chr. s. insbesondere Schaub 2014. Bei den aufständischen Boukoloi in den 160er Jahren etwa handelte es sich um Menschen, die sich im Deltagebiet angesiedelt hatten, in der Sumpfregion auf Inseln und in unmittelbarer Wassernähe wohnten und wohl verschiedene, auf diese Landschaft bezogene Tätigkeiten ausübten; Blouin 2014: 275. Ein Austrocknen der dortigen Feuchtgebiete führte wohl zum Aufstand, wobei auch die Besteuerung durch den römischen Staat eine Rolle bei dem Konflikt gespielt haben wird, so Blouin 2014: 296; zum Aufstand allgemein s. ebd.: 267–297.

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Wie aber ist es zu erklären, dass Plinius, der sicherlich über die Verhältnisse am Nil Bescheid wusste, an dieser Stelle seines Panegyricus nicht auf die entscheidenden Pegelstände eingeht, sondern stattdessen mit Fachbegriffen aus der römischen Landvermessung argumentiert und die ägyptischen Verhältnisse quasi in ‚römische Verhältnisse‘ übersetzt? Fest steht, dass Plinius der Jüngere wenige Jahre nach dem Verfassen der Lobrede das Amt des curator riparum et alvei Tiberis übernahm und bereits vorher über einiges Vorwissen auf dem Gebiet verfügte.66 Vielleicht wollte er seine besondere Eignung für dieses Ehrenamt schon hier unter Beweis stellen. Doch von Plinius’ persönlichen Interessen und Ambitionen einmal abgesehen, hatten fachliche Diskussionen um die korrekte Definition von flumina publica, Flussbetten und Uferbereichen auch in den juristischen Schriften einen festen Platz. Vor allem lässt sich darin das Bestreben greifen, eine verbindliche Definition für Flüsse und Wasserläufe zu finden, die auch bei saisonal variierenden Pegeln angewendet werden konnte, wobei hier vermutlich italische Flüsse Modell standen.67 Dennoch ist von der Höhe des Wasserstands in keiner der überlieferten Textstellen die Rede. Vielmehr wird immer wieder die horizontale Ausbreitung des Flusswassers thematisiert, die im Jahresverlauf zyklischen Veränderungen unterworfen war. Grundsätzlich unterschied man flumina (Flüsse) von rivi (Bächen) und torrentes (Sturzbächen).68 Die Unterscheidung von Flüssen und Bächen wurde interessanterweise entweder von der Größe des Wasserlaufs abhängig gemacht, oder aber von der Einschätzung der Anlieger.69 Schon dieser letzte Gedanke legt nahe, dass die Juristen 66

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CIL V 5262 = ILS 2927 = AE 1947, 65 = AE 1963, 190 = AE 1966, 127 = AE 1983, 444 = AE 1984, 436 = AE 1999, 747 = AE 2001, 1085 = AE 2010, 57; CIL VI 1552 = CIL XI 5272 = AE 1892, 5 = AE 1999, 92 = AE 1999, 612; dazu Lonardi 2013: 113 f., Nr. 26. Allgemeines zu diesem Amt weiter unten in den Kapiteln III.2.1 und III.3.3. Das Datum von Plinius’ cura ist zwar nicht genauer bekannt, doch kann er das Amt erst nach dem Verfassen seiner Lobrede auf Trajan bekleidet haben: Das Suffektkonsulat erreichte Plinius im Jahr 100 n. Chr., woraufhin er aus Dankbarkeit den Panegyricus verfasste (Plin. paneg. 60,4–5; 92,2–4); für eine Analyse der Absichten, die Plinius mit der Lobrede verfolgt haben könnte, und der Funktion derartiger Lobreden in der Kommunikation zwischen Prinzeps und Senat im Allgemeinen s. ausführlich Seelentag 2004: 213–296. Um Tiberkurator zu werden, musste er vorher das Konsulat bekleidet haben. Sein Interesse an wasserrechtlichen und wasserbaulichen Fragen sowie allgemein an Hydrologie ist aber durchweg in seinen Briefen zu greifen (so z. B. Plin. epist. 4,30; 10,37; 10,41), sodass davon ausgegangen werden kann, dass Plinius bereits vor Amtsantritt als Tiberkurator mindestens über Grundlagenwissen zur Ausübung des Amtes verfügte. Zudem pflegte er Kontakte zum langjährigen Tiberkurator Iulius Ferox (Plin. epist. 7,13), der wohl sein unmittelbarer Vorgänger im Amt war; dazu s. Lonardi 2013: 112. Für Überlegungen zu Plinius’ Tätigkeit als Tiberkurator s. ebenfalls weiter unten in Kapitel III.2.1. So geht Masi Doria 2004: 205 davon aus, dass sich sowohl die Autoren juristischer Schriften als auch die Autoren anderer römischer Literatur bei ihren Beschreibungen von Flusshochwassern vordergründig am Tiber orientierten. Masi Doria 2004: 202. Dig. 43,12,1,1 (Ulpianus): Flumen a rivo magnitudine discernendum est aut existimatione circumcolentium. – „Ein Fluss ist von einem Bach aufgrund seiner Größe zu unterscheiden oder aufgrund der Einschätzung der um ihn wohnenden Bevölkerung.“ Daneben wurden auch künstliche Gräben zur Be- und Entwässerung rivi genannt; Fest. 273 L. Größere künstliche Kanäle, durch die ein ganzer

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um die saisonalen Pegelschwankungen wussten und die daraus resultierenden Schwierigkeiten verbindlich regeln wollten. Das Aussehen von Gewässern konnte irreführend sein und so konnte sich ein kleiner Bach kurzzeitig in einen reißenden Strom verwandeln.70 Deshalb galt im Zweifelsfall die Ortskenntnis der lokalen Bevölkerung als entscheidend. Außerdem wurde zwischen ganzjährig Wasser führenden und nicht permanent fließenden (perenne) Flüssen unterschieden. Nur Erstere wurden im juristischen Sinne als öffentliche Flüsse angesehen.71 Torrentielle Wasserläufe mit episodischer Wasserführung wie sie gehäuft in Nordafrika oder in der Levante vorkamen, unterlagen demnach nicht den Rechtsgrundsätzen für öffentliche Flüsse. Allerdings wurden nicht torrentielle, aber potentiell in den Sommermonaten kurz trockenfallende Wasserläufe durchaus juristisch als Flüsse behandelt, sodass die Rechtsregelungen zu flumina publica auch auf sie angewendet werden konnten: Item fluminum quaedam sunt perennia, quaedam torrentia. perenne est, quod semper fluat, ἀέναος, torrens ὁ χειμάρρους: si tamen aliqua aestate exaruerit, quod alioquin perenne fluebat, non ideo minus perenne est. Ebenso sind manche Flüsse perennierende [Flüsse], manche periodische [Flüsse]. Perennierend ist der, der immer fließt, ἀέναος, periodisch ὁ χειμάρρους [d. h. im Winter fließend]: Wenn er aber bisweilen im Sommer austrocknet, aber sonst immer zu fließen pflegte, dann ist er nicht weniger perennierend.72

Entscheidend ist an dieser Textstelle, dass gemäß der juristischen Auslegung das vereinzelte Trockenfallen eines ansonsten immer Wasser führenden Flusslaufes seiner Behandlung als flumen publicum keinen Abbruch tat. Da das Mittelmeerklima zwischen einzelnen Jahren erheblich variieren konnte und dies sich unmittelbar auf die Wasserführung auswirkte, erleichterte eine solche Festlegung vermutlich die Rechtsprechung. Andernfalls wäre es in außergewöhnlich trockenen Sommern wohl kaum möglich gewesen, die Rechtsgrundsätze zu flumina publica bei öffentlichen Flüssen geringer Größe während der Trockenzeit weiterhin geltend zu machen. Insofern stellt diese Definition einen juristisch akzeptablen Ansatz dar, mit dem unsteten Fließver-

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Fluss hindurchfloss, wurden hingegen als fossae bezeichnet und juristisch als flumina publica behandelt; Dig. 43,12,1,8 (Ulpianus). Ov. am. 3,6. Dig. 43,12,1,3 (Ulpianus): Fluminum quaedam publica sunt, quaedam non. publicum flumen esse Cassius definit, quod perenne sit (…). – „Manche Flüsse sind öffentlich, manche nicht. Als öffentlichen Fluss sieht Cassius den an, der ganzjährig fließt [besser: der als perenne gilt] (…).“; dazu s. Campbell 2009: 190 f.; außerdem Campbell 2012: 70, wobei in literarischen Texten die sprachliche Unterscheidung zwischen den verschiedenen Kategorien von Wasserläufen meist sehr vage bleibt (ebd.: 34 f.). Dig. 43,12,1,2 (Ulpianus). Ähnlich Paulus (Dig. 43,12,3pr.), der explizit herausstellt, dass öffentliche Flüsse diejenigen seien, die fließen (flumina publica quae fluunt).

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halten mediterraner Flüsse, insbesondere der südlichen und östlichen Provinzen, verbindlich und einheitlich umzugehen. Freilich ließ dieser Grundsatz bei konkreten Streitfällen Raum für lokale Auslegungen und wird in klimatisch schwierigeren Gegenden als der Apenninenhalbinsel dennoch kaum Klarheit geschaffen haben. Trotz allem widerspricht die offenkundige Bemühung um verlässliche Regeln bei bewusst unsteten Wasserverhältnissen der Ansicht von Neville Morley, der der römischen Rechtsprechung eine vollständige „Ignoranz“ gegenüber der mediterranen Klimavariabilität bescheinigt.73 Für flumina galt die Herbsttagundnachtgleiche als idealer Zeitpunkt zur Feststellung ihrer natürlichen Fließeigenschaften und ihres Verlaufs (naturalis cursus fluminum): Während der Sommermonate sei der Wasserstand potentiell immer „verlässlicher“ (certior) und „unzweifelhafter“ (indubitatior) als in den Wintermonaten, die oft von enormen Pegelanstiegen, heftigen Flutereignissen und demnach vom Verlassen des üblichen Bettes und Fließwegs geprägt waren.74 Die Herbsttagundnachtgleiche galt in römischer Zeit als Stichtag für das Einsetzen der ersten Winterstürme.75 Römischen Rechtsgrundsätzen zufolge wurde der Teil des Flusses als Flussbett angesehen, der so gut wie immer mit Flusswasser bedeckt war, und der sich just dadurch vom Uferbereich unterschied. Allgemein war die Definition dessen, was zum Flussbett (alveus) gehörte und wodurch es sich vom Uferbereich (ripa) unterschied, von höchster juristischer Bedeutung. Beide Kategorien müssen außerdem für praktizierende Feldmesser bei der Anwendung rechtlicher Vorgaben vor Ort entscheidend gewesen sein. Welche Ausdehnung sollte bei den Flüssen im Reich und insbesondere im Mittelmeerraum schon als rechtlich verbindlich gelten, wenn im Jahresverlauf mehrmals mit starken Pegelschwankungen zu rechnen war? Bei den meist sehr kurzen mediterranen Flussläufen bildeten zur Küste hin zudem oft weitläufige Schotterflächen die Talsohle der Flusstäler, die gerade wegen ihrer Weitläufigkeit leicht trockenfielen. Eine juristische Definition für alveus lässt sich in den Digesten nicht explizit 73 74

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Morley 2015. Dig. 43,13,1,8 (Ulpianus): Is autem hoc interdicto tenetur, qui aliter fecit fluere, quam priore aestate fluxit. et idcirco aiunt praetorem priorem aestatem comprehendisse, quia semper certior est naturalis cursus fluminum aestate potius quam hieme. Nec ad instantem aestatem, sed ad priorem interdictum hoc refertur, quia illius aestatis fluxus indubitatior est. aestas ad aequinoctium autumnale refertur. – „Auch derjenige wird durch dieses Interdikt belangt, der [einen Fluss] anders fließen lässt, als er im vorigen Sommer floss. Und deshalb, so sagt man, bezieht der Prätor den vorigen Sommer mit ein, weil der natürliche Lauf eines Flusses im Sommer potentiell immer verlässlicher ist als im Winter. Nicht auf den aktuellen Sommer, sondern auf den vorigen Sommer ist das Interdikt bezogen, weil ja der Wasserfluss in jenem [vergangenen] Sommer unzweifelhafter ist. ‚Sommer‘ bezieht sich auf die Herbsttagundnachtgleiche.“; vgl. Cod. Iust. 7,41,1 (Kaiser Gordianus an Marcus im 3. Jh. n. Chr.): Quamvis fluminis naturalem cursum opere manu facto alio non liceat avertere, tamen ripam suam adversus rapidi amnis impetum munire prohibitum non est. – „Obgleich es nicht gestattet sein soll, den natürlichen Lauf eines Flusses mittels künstlicher Bauarbeiten woandershin abzuleiten, ist es nicht verboten, gegen die Wucht eines reißenden Baches Befestigungen anzulegen.“ Heide 1997: 39.

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finden, doch scheint der Begriff flumen publicum in § 12 des 43. Buchs (de fluminibus) mit alveus gleichbedeutend zu sein. Jedenfalls scheint man rechtlich zwischen flumen publicum und ripa unterschieden zu haben, bisweilen auch explizit zwischen alveus fluminis und ripa.76 Wurde also offenbar der ganzjährig benetzte Teil des Flusses als Flussbett definiert, galt als Uferbereich all das, was während der Hochwasserperiode vom Fluss eingenommen wurde. Dazu legt Paulus fest: „Als Ufer wird das angesehen, was den Fluss enthält, wenn er am vollsten ist.“, was zweifellos auf die Wintermonate zu beziehen ist.77 Allerdings scheinen besonders ausgeprägte Hochwasser, die nur kurzzeitige Überschwemmungen weit über die üblichen Uferbereiche hinaus provozierten, gemäß Ulpian davon ausgenommen gewesen zu sein.78 Inwieweit dies mit der Aussage des Paulus zu vereinbaren ist, bliebt unklar.79 Womöglich aber war deshalb nach und nach die Praktik aufgekommen, über die vereinbarten ripae hinaus zusätzlich subseciva auszuweisen, die wegen ihrer flutgefährdeten Lage nicht verteilt oder verpachtet wurden. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass im Corpus Agrimensorum Romanorum unabhängig von der Flussbreitendiskussion auf cippi am Pisaurus hingewiesen wird, die die lapidare Inschrift FLVMINI PISAVRO TANTVM, IN QVO ALVEVS aufgewiesen haben sollen: „Soviel dem Fluss Pisaurus, worin das Flussbett [enthalten ist]“.80 Sie markierten dort also im konkreten Raum auch während Trockenperioden ganzjährig das Territorium, das als Flussbett natürlicherweise dem Fluss zugehörig war. Vor dem Hintergrund, dass im mediterranen Raum Flussläufe besonders ausgeprägten Pegelschwankungen unterworfen sind und manche in den Sommermonaten episodisch gar ganz austrocknen, scheint dies besonders sinnvoll. Wie sonst hätte ein Ortsunkundiger über das Wissen verfügen sollen, welcher Teil des Areals in feuchteren Jahren auf jeden Fall von Flusswasser bedeckt war?

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Dig. 43,12,1,7 (Ulpianus); 43,12,1,12 (Ulpian). Dig. 43,12,3,1 (Paulus): Ripa ea putatur esse, quae plenissimum flumen continet. Dig. 43,12,1,5 (Ulpianus): Ripa autem ita recte definietur id, quod flumen continet naturalem rigorem cursus sui tenens: ceterum si quando vel imbribus vel mari vel qua alia ratione ad tempus excrevit, ripas non mutat. – „Ufer wird richtig dem Begriffe nach so bestimmt werden, es sei dasjenige, was den Fluss in sich begreift, indem es den natürlichen Strom seines Laufes enthält. Ist übrigens ein Fluss durch Regengüsse, durch das Meer, oder sonst durch einen anderen Grund auf einige Zeit angewachsen, so verändert er seine Ufer nicht.“ Übersetzung: Karl E. Otto (Otto 1984); zur Ausnahme extremer Hochwasser s. Arnaud 2011: 337. Allerdings scheint der Uferbereich noch weiter unterteilt worden zu sein; das zumindest suggeriert die weiterführende Definition des Paulus (Dig. 43,12,3,2): Secundum ripas fluminum loca non omnia publica sunt, cum ripae cedant, ex quo primum a plano vergere incipit usque ad aquam. – „Entlang der Flussufer sind nicht alle Orte öffentlich, solange sie von den Ufern zurücktreten, (sie sind es aber) von dem Punkt an, von dem aus sie als erstes vom Ebenen abzufallen beginnen bis zum Wasser.“; dazu s. insbesondere Hermon 2016: 610–617; Lonardi 2013: 32. Siculus Flaccus, C 124,14–15 = L 157,23 = T 122,5–6; ein Hinweis auf Grenzmarkierungen entlang der vielen Wasserläufe auf dem ager Pisaurensis findet sich auch im Liber coloniarum II, C 198,3–4 = L 257,23–25.

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Zusätzlich wurden die vereinbarten Flussgrenzen auf Karten festgehalten.81 Ein Detail ist hierbei allerdings auffällig. Am Pisaurus scheint nur das Flussbett, nicht aber der Uferbereich durch cippi markiert worden zu sein, ganz im Gegensatz etwa zu den vom Tiberufer bekannten cippi, die teils explizit die Ufergrenzen markierten.82 Physisch haben sich aus der Gegend am Pisaurus allerdings keine entsprechenden Grenzsteine mit Inschrift erhalten und so bleibt das wörtliche Zitat von Siculus Flaccus der einzige Beleg dafür. Aus dem zu Beginn des Kapitels zitierten Text des Agennius Urbicus ist jedenfalls zu erfahren, dass das Verfahren der Flussbreitenfestlegung neben dem Ana auch an anderen Flüssen angewandt wurde. Als Beispiel nennt auch er den Fluss Pisaurus in Italien, dessen vereinbarte Grenzen sich am höchsten Hochwasserstand orientiert haben sollen.83 Möglicherweise ist diese Besonderheit am Pisaurus damit zu erklären, dass dort die Uferbereiche bis zur Wassergrenze von der Gemeinde an Privatleute veräußert worden waren, sodass es sich bei den angekauften Uferstreifen also im Gegensatz zum Flussbett nicht mehr um ager publicus handelte.84 Worauf dann wiederum Agennius Urbicus seine Aussage stützt, bleibt unklar und ist möglicherweise nur mit dem zeitlichen Abstand zu Siculus Flaccus zu erklären. Im Kern aller juristischen Diskussionen um Flussbett und Ufer wird in jedem Fall offenbar, dass 1. der jahreszeitlichen wie jährlichen Variabilität der Flussläufe juristisch und geodätisch Rechnung zu tragen versucht wurde,85 und dass 2. die Ausdehnung der Flüsse in der Horizontalen breit diskutiert und mithilfe der Konzepte alveus und ripa äußerst differenziert formalisiert wurde, wohingegen Pegelmessungen in der Vertikalen nirgends in den technischen Schriften auch nur zur Sprache kamen. Die Gründe dafür sind vermutlich in der Hydrologie italischer Flüsse zu suchen, bei denen sich die wechselhafte Wasserführung vor allem als variierende Flussbreite offenbarte. An den

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Agennius Urbicus, C 40,9–11 = L 83,9–12 = T 43,12–15; zur Erstellung von Karten von vermessenen und assignierten Territorien s. Agennius Urbicus, C 32,13–14 = L 76,3–4 = T 35,11–12; Iulius Frontinus, C 12,7–15 = L 31,18–32,2 = T 15,13–20; Commentum, C 62,13–15 = L 13,30–14,9 = T 62,9–13; insbesondere Hyginus 1, C 90,15–22 = L 123,17–124,10 = T 86,20–87,11 im Zusammenhang mit durch Wasser und Erosion verursachten Grenzstreitigkeiten, die mithilfe von Katasterkarten geklärt werden können. So z. B. CIL VI 31545 = ILS 5926. Agennius Urbicus, C 40,31–32 = L 84,8–10 = T 44,22–23: Nam et in Italia Pisauro flumini latitudo est adsignata eatenus, qua usque adlavabat. – „… denn auch in Italien wurde dem Fluss Pisaurus eine Breite zugeschrieben so weit, bis wohin dieser Hochwasser zu führen pflegte.“; s. auch im Commentum, C 66,14; dazu s. Campbell 2010: 321; Hettinger 2017: 194 mit Fn. 12; Hermon 2013: 181. Sollten jedoch die Grenzsteine tatsächlich nur das Flussbett markiert haben, bis wohin es üblicherweise Wasser führte, wie es Siculus Flaccus’ Version suggeriert, bleibt der konkrete Nutzen einer solchen Markierung zunächst im Dunkeln, insbesondere im Vergleich zu den Uferbegrenzungen am Tiber. Siculus Flaccus, C 124,19–22 = L 158,2–7 = T 122,12–17. Die Gelder kamen vermutlich der Gemeindekasse zugute, so die Vermutung von Campbell 2012: 104. So auch die Einschätzung von Hermon 2013: 189; Castillo Pascual 2012: 20; Arnaud 2011: 338.

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oft weitläufigen Flusstälern im Küstenbereich fiel dem mediterranen Beobachter letztlich wohl die wechselnde Flussbreite deutlicher ins Auge als die Veränderung der Wasserhöhe. Auch darin mag sich der fundamentale Unterschied zwischen dem Hochwasserregime des Fremdlingsflusses Nil86 und den mediterranen Flussläufen Italiens zeigen, die bei den Anrainern in letzter Konsequenz zu ganz unterschiedlichen Messmethoden und technischen Umgangsformen mit Flüssen führten. Außerdem waren die Grenzen zwischen Land und Wasser an den naturnahen Flüssen in der römischen Antike ohnehin viel amphibischer geprägt, sodass Uferzonen oft sehr weitläufig waren und sich saisonal stark veränderten.87 Um zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort die Quantität des Flusswassers zu messen oder festzulegen, sind schließlich beide Methoden – die der Höhen- wie die der Breitenbestimmung – zielführend, zumal es an anderen Flüssen als dem Nil kaum von Belang war, Pegelstände zu fiskalischen Zwecken bereits im Voraus zu bestimmen. Was andernorts offenbar wichtiger erschien, war die Markierung der potentiellen Flussausdehnung in den kälteren Jahreszeiten, die ganzjährig kenntlich gemacht werden sollte und nach der sich auch die Landverteilung und Landbesteuerung richtete. Dass die Markierung der legalen Fluss- und Uferausdehnung außerdem deshalb von Belang war, weil Flüsse und Ufer von vielerlei Akteursgruppen mit unterschiedlichen Interessen genutzt wurden, ist bereits weiter oben ausführlich behandelt worden.88 Die Flussbreitenmessung diente letztlich also verschiedenen Zwecken im Umfeld der römischen Flussnutzung gleichzeitig. In diesem Kapitel wurden die Methoden vorgestellt, mit denen vor allem jahreszeitlich bedingte Veränderungen des natürlichen Wasserflusses mithilfe von Rechtsgrundsätzen und geodätischen Praktiken verwaltet wurden. Im folgenden Kapitel wird es um die Frage gehen, wie die Auswirkungen von kurzzeitigen, extrem ausgeprägten Hochwassern juristisch behandelt wurden. III.1.2 Flussverlagerungen und Anschwemmungen in römischen Rechtspraktiken a. Die Mäander-Klage Kein anderer Fluss der Antike war so sehr für seinen gewundenen Lauf sowie für die wiederholten Verlagerungen seines Bettes berüchtigt wie der Fluss Mäander in Kleinasien, der heute den Namen Büyük Menderes trägt (Karte 3). Er stand Pate für das

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Als Fremdlingsfluss werden lange Flüsse bezeichnet, deren Quellgebiet einer feuchteren Klimazone angehört als ihr restlicher Lauf und ihr Mündungsgebiet und deren Wasserregime deshalb anderen klimatisch-meteorologischen Gegebenheiten unterworfen sind; s. dazu auch Kapitel I.4. Zur antiken Flusshydrologie s. ebenfalls weiter oben Kapitel I.4. Dazu s. Kapitel I.5.

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Karte 3 Milet, Myous und Antiocheia am Mäander © Jasmin Hettinger, basierend auf Daten des Ancient World Mapping Center

Phänomen der Schlingen- und Schleifenbildungen, das überall an natürlichen und naturnahen Flussläufen zu beobachten ist.89 Die reiche Sedimentfracht, die er auf seinem Weg durch die flache Schwemmlandebene mit sich führte, bewirkte nicht nur die periodischen Verlagerungen, sondern sorgte außerdem für ein schnelles Verlanden und

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Strab. 12,8,15 C 577: … κατὰ τὸ Μαιάνδρου καλούμενον πεδίον, σκολιὸς ὢν εἰς ὑπερβολὴν ὥστε ἐξ ἐκείνου τὰς σκολιότητας ἁπάσας μαιάνδρους καλεῖσθαι. – „… in der sogenannten Mäander-Ebene, wo sein Lauf außerordentlich gewunden ist (sodass nach ihm alle Windungen Mäander genannt werden) …“. Übersetzung: Stefan Radt (Radt 2004). Vgl. Plin. nat. 5,110. Zum Mäander als namengebendem Fluss für gewundene Ornamentik und Bauelemente s. auch Ov. met. 8,160–173, worin der kleinasiatische Mäander als beschreibendes Beispiel für die verschlungenen und gewundenen Gänge des kretischen Labyrinths benutzt wird, ebenso bei Fest. 136 L. Umgekehrt leitet Isidor von Sevilla in der Spätantike den Namen des Flusses vom Mäandermuster ab (Isid. orig. 13,21,23). Ausführlicher zum Mäandermuster, abgeleitet vom Flusslauf, s. Thonemann 2011: 31–33. Ein antiker Topos zur Beschreibung des Mäanderverlaufes lautet, dass der Fluss „sich selbst entgegen“ und „völlig unentschlossen und unbeständig“ dahinfließe, so z. B. bei Ov. met. 8,166–171. Bis heute ereignen sich am Büyük Menderes regelmäßig extreme Hochwasser, sodass etwa die antike Ruinenstätte Milet periodisch von Überschwemmungen heimgesucht wird. Dieser Umstand ist letztlich auch dafür verantwortlich, dass sich die touristische Erschließung der archäologischen Stätte schwierig gestaltet, dazu Tuttahs 2007: 443.

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Vorschieben seines Mündungsgebiets.90 Sowohl die Flussverlagerungen als auch das Auflanden des Deltas waren in der Antike immer wieder Gegenstand juristischer und politischer Aushandlungsprozesse. Infolge der anhaltenden Sumpfbildung im Delta um die einstige Hafenstadt Myous war es zu einer Mückenplage gekommen, die möglicherweise auch zu einer Erhöhung des Malariarisikos beitrug, sodass die Stadt schließlich aufgegeben wurde. Die Bewohner von Myous siedelten ins nahegelegene Milet um, worauf im folgenden Kapitel näher eingegangen wird.91 Pausanias, der von der Umsiedlung berichtet, sieht einen direkten Zusammenhang zwischen dem beständig fortschreitenden Verlandungsprozess im Delta und der intensiven Bewirtschaftung der Ländereien in Phrygien und Karien: Die fruchtbaren ufernahen Böden wurden laut ihm jedes Jahr umgepflügt, was seiner Meinung nach die natürliche Bodenerosion wohl verstärkt habe.92 Außerdem war wegen der wiederkehrenden, stark ausgeprägten Hochwasser die Instandhaltung der Straßen in Flussnähe eine äußerst kostspielige Angelegenheit.93 Da die Flussschifffahrt auf dem Mäander wegen der ständigen Verlagerungen wahrscheinlich nur äußerst begrenzt möglich war, erfolgte die Kommunikation trotzdem im Wesentlichen über das Straßennetz.94 Eine kurze Erläuterung des Abflusstyps und der Topographie des Mäanderbeckens sollen hier als Grundlage für die folgenden Ausführungen genügen. Während Mittelund Unterlauf und somit der bei Weitem längere Teil des Flusses durch eine Region fließen, die von typischem Mittelmeerklima, dem sogenannten ‚echten Mittelmeertyp‘, geprägt ist, liegt das Einzugsgebiet des Flusses teils in einer klimatisch sehr ähnlichen Region (als ‚Marmaratyp‘ bezeichnet), teils aber auch in der Hochlandzone, die Steppenklima aufweist (‚inneranatolischer Typ‘). Letztere Zone unterliegt kontinentalen Bedingungen mit trockenen und heißen Sommern sowie kalt-feuchten Wintern, und die sommerlichen Niederschläge gehen fast ausschließlich als örtlich wie zeitlich sehr begrenzte Starkregenfälle nieder. Diesen Regenfällen ist es geschuldet, dass dort die Bodenerosion sehr ausgeprägt ist und das Flutwasser mit einer hohen Sedimentfracht

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Plin. nat. 2,201; Strab. 12,8,17 C 579: τάχα δὲ καὶ ὁ Μαίανδρος διὰ τοῦτο σκολιὸς ὅτι πολλὰς μεταπτώσεις λαμβάνει τὸ ῥεῖθρον, καὶ πολλὴν χοῦν κατάγων ἄλλοτ᾽ ἄλλῳ μέρει τῶν αἰγιαλῶν προστίθησι: τὸ δὲ πρὸς τὸ πέλαγος βιασάμενος ἐξωθεῖ. καὶ δὴ καὶ τὴν Πριήνην ἐπὶ θαλάττῃ πρότερον οὖσαν μεσόγεων πεποίηκε τετταράκοντα σταδίων προσχώματι. – „Vielleicht ist auch der Mäander deshalb so gewunden, weil sein Flussbett viele Veränderungen erfährt, indem er viel Schlick, den er herabführt, bald an dieser bald an jener Seite der Ufer ablagert (einen Teil stößt er auch mit Gewalt ins Meer hinaus: so hat er Priene, das früher am Meer lag, durch eine Anschwemmung von vierzig Stadien zu einer Stadt im Binnenland gemacht).“ Übersetzung: Stefan Radt (Radt 2004). Strab. 14,1,10 C 636; Paus. 7,2,10–11. Paus. 8,24,11; dazu Thonemann 2011: 295 f. mit Fn. 4 und 306 f.; Brückner et al. 2014b: 86; Meiggs 1982: 376. Pekáry 1968: 122 f. Außerdem erfüllten die Straßendämme am Mäander auch Flutschutzfunktionen; dazu Philipp 1979; Tuttahs 2007: 418 f.; Thonemann 2011: 317 mit Fn. 50 sowie in Kapitel III.3.1 im Zusammenhang mit Straßendämmen. Campbell 2012: 322.

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angereichert wird. Die durch mediterranes Klima geprägte Zone ist demgegenüber gemäßigter mit milderen Wintern, heißen Sommern und Niederschlagsspitzen zwischen November und Mai. Insgesamt lässt sich sagen, dass Anatolien trotz unterschiedlich ausgeprägter Klimazonen über das Jahr gesehen einer extrem ungleichen Wasserverteilung unterliegt. Starke Hochwasser wechseln sich regelmäßig mit ausgeprägten Trockenzeiten ab.95 Der Fluss durchquert die Ebene an seinem Mittel- und Unterlauf von Ost nach West, wobei er im Norden vom Messogis-Gebirge und im Süden vom stark granithaltigen karischen Zentralmassiv flankiert wird. Die eigentlichen Siedlungszentren im Mäandertal lagen und liegen noch in heutiger Zeit nicht direkt in der fruchtbaren, aber überflutungsgefährdeten Schwemmlandebene, sondern auf teils künstlich aufgeschütteten, teils natürlichen Hügeln am Fuße des Messogis-Gebirges entlang des Nordufers.96 Allein Antiocheia am Mäander lag am Südufer des Flusses.97 Der Grund für die fast ausschließliche Besiedlung der nördlichen Talgrenze ist die hohe Anfälligkeit des südlichen Teils der Ebene für Überschwemmungen während der Wintermonate und im Frühjahr. Dort kann das Hochwasser noch bis in den April oder gar den Mai hinein die Ebene bis zu den karischen Bergen bedecken. Am Nordufer hingegen fließt das Wasser in der Regel viel früher und zudem schneller direkt in den Mäander ab und gibt so die fruchtbare Erde bald zur Aussaat frei.98 Der kleinasiatische Fluss fungierte zu Lebzeiten Strabons, der die Gegend ausführlich beschreibt und aus eigener Anschauung kannte,99 als Grenzfluss zwischen den Anrainergemeinden.100 Die besondere Dynamik des Unterlaufs des Flusses machte jedoch regelmäßig neue Grenzziehungen und Neuvermessungen notwendig. Gekonnt übergeht Strabon in seinem Text eine nähere Erläuterung dieser Verfahren und verweist auf die Zuständigkeit der Landvermesser, die sich statt seiner der Erörterung des Problems anzunehmen hätten.101 Die infolge der Flussverlagerungen regelmäßig 95

Diese Kurzbeschreibung des anatolischen Wasserhaushalts mit Blick auf den Mäander ist entnommen aus Tuttahs 2007: 13–15. 96 Beispielsweise lag die Stadt Nysa am Nordufer des Mäanders inmitten einer hochgelegenen, zerklüfteten Zone, sodass sie sich auf zwei Felsvorsprünge verteilte, die über zwei Brücken miteinander verbunden waren. Strabon (14,1,43 C 649) bezeichnet sie deshalb als „Doppelstadt“. 97 Thonemann 2011: 12. Zugleich war Antiocheia der Standort der einzigen großen Brücke, sodass ihr eine wichtige wirtschaftliche und logistische Bedeutung zukam. Die Brücke führte nicht über den Mäander, sondern über einen seiner torrentiellen Zuflüsse; s. ebd.: 10. 98 Thonemann 2011: 10–16 liefert eine ausführliche Beschreibung der Siedlungs- und Agrarflächen entlang des Mäanderlaufes zwischen der Antike und der byzantinischen Zeit. Dort verbindet er die Geographie geschickt mit der wechselhaften Wirtschafts-, Sozial- und Siedlungsgeschichte des Mäandertals. 99 Strab. 14,1,48 C 650; dazu Engels 1999: 26–36. 100 Strab. 13,4,12 C 629. An seinem Unterlauf in der Schwemmlandebene bildete er die Grenze zwischen Karien und Lydien; Strab. 12,8,15 C 577. 101 Strab. 13,4,12 C 629: οὕτω δὲ καὶ οἱ ποταμοὶ καὶ μάλιστα ὁ Μαίανδρος τὰ μὲν διορίζοντες τῶν ἐθνῶν, δι᾽ ὧν δὲ μέσοι φερόμενοι δύσληπτον ποιοῦσι τἀκριβές: καὶ περὶ τῶν πεδίων δὲ τῶν ἐφ᾽ ἑκάτερα τῆς

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auftretenden Grenzstreitigkeiten zwischen den ortsansässigen Gemeinden hatten bereits seit vorrömischer Zeit zu teils kriegerischen Auseinandersetzungen geführt, doch wurden derartige Angelegenheiten nicht zwangsläufig mittels Gewalt gelöst. Besonders aus hellenistischer Epoche sind vermehrt Schiedsgerichtsverfahren bekannt, zu denen Schiedsrichter aus neutralen, nicht betroffenen Gemeinden einberufen wurden.102 Eine bei Strabon überlieferte Episode bringt besonders deutlich zum Ausdruck, wie die wiederkehrenden Flussverlagerungen und Erosionsprozesse die Kult- und Rechtspraktiken der Anrainergemeinden prägten. Strabon berichtet von einer eigentümlich anmutenden lokalen Praktik am Mäander: Wann immer der Fluss über seine Ufer getreten war, Land weg- und anderswo angeschwemmt hatte und auf diese Weise Grenzverläufe veränderte, sei er gerichtlich dafür angeklagt worden. Im Falle eines Schuldspruches wurde der Mäander zu einer Bußgeldzahlung verurteilt, die aus „Fährgeldern“ eingestrichen worden sein soll.103 Im Strabon-Text ist zwar nicht explizit von einem „Flussgott“ Mäander die Rede, doch scheint es vor dem Hintergrund der allgemein verbreiteten animistischen Weltauffassung der antiken Menschen naheliegend, dass man sich den Fluss im Moment der Anklage durchaus in personifizierter Form als Gottheit vorstellte.104 Die wenigen Studien, die sich bisher ausführlicher mit der Strabon-Stelle beschäftigt haben, konzentrieren sich hauptsächlich auf kultische Aspekte der Flussanklage. Zu nennen sind hier zum einen die Studie von Peter Högemann und Norbert Oettinger, die die Anklage des Flussgottes Mäander überzeugend auf hethitische Traditionen zurückführen,105 zum anderen eine Arbeit von Johannes Engels, der sich überhaupt als Erster an eine eingehende inhaltliche Analyse der τε ὀρεινῆς καὶ τῆς ποταμίας ὁ αὐτὸς λόγος. οὐδ᾽ ἡμῖν ἴσως ἐπὶ τοσοῦτον φροντιστέον ὡς ἀναγκαῖον χωρομετροῦσιν, ἀλλὰ τοσοῦτον μόνον ὑπογραπτέον ὅσον καὶ οἱ πρὸ ἡμῶν παραδεδώκασι. – „Ebenso machen auch die Flüsse, besonders der Mäander, indem sie manche Völker voneinander trennen, andere dagegen in der Mitte durchströmen, Genauigkeit schwer erreichbar; und für die Ebenen zu beiden Seiten des Berglands und des Stromgebietes der Flüsse gilt dasselbe. Doch brauchen auch wir uns hierüber vielleicht nicht in dem Maße zu kümmern wie Landmesser, sondern es nur soweit anzudeuten wie unsere Vorgänger es überliefert haben.“ Übersetzung: Stefan Radt (Radt 2004). Dazu s. Engels 2002: 193; s. außerdem Strab. 17,1,3 C 787 zur regelmäßigen Neuvermessung nach der Nilschwelle in Ägypten. 102 Die wichtigsten Grenzstreitigkeiten von der persischen Vorherrschaft an sind bei Engels 2002: 194–196 übersichtlich aufgeführt unter Verweis auf die Quellenstellen sowie auf weiterführende Forschungsliteratur. 103 Strab. 12,8,19 C 578: Φασὶ δὲ καὶ δίκας εἶναι τῷ Μαιάνδρῳ μεταφέροντι τὰς χώρας ὅταν περικρουσθῶσιν οἱ ἀγκῶνες, ἁλόντος δὲ τὰς ζημίας ἐκ τῶν πορθμικῶν διαλύεσθαι τελῶν. – „Es soll auch Prozesse gegen den Mäander geben, der die Ländereien verlegt, wenn er seine Landzungen abträgt, und wenn man ihn überführt hat, sollen die Bußen aus den Fährgebühren beglichen werden.“ Übersetzung: Stefan Radt (Radt 2004). 104 Zur antiken Praktik, sich Phänomene aus der belebten oder unbelebten Natur als Gottheiten vorzustellen und so mit ihnen in Interaktion zu treten, speziell im Rahmen des vorliegenden Falles, s. Högemann/Oettinger 2006: 57; allgemein dazu bereits weiter oben in Kapitel II.2. 105 Högemann/Oettinger 2006.

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Textstelle gewagt hat.106 Engels hat außerdem die lange Liste von Grenzstreitigkeiten in der Mäandergegend aufgearbeitet, die seit der Zeit der persischen Herrschaft in verschiedenen Quellen bezeugt sind. Kaum jedoch wurde bisher näher auf die Frage eingegangen, warum die Bußgelder nun ausgerechnet aus „Fährgeldern“ (τέλος πορθμικόν) bestritten wurden, statt aus einer auf den ersten Blick näherliegenden Geldquelle.107 Deshalb soll im Folgenden vor allem dieser Aspekt behandelt werden. Einige wissenswerte Details sind in Strabons Text leider ausgelassen. Beispielsweise lässt er offen, ob es sich um eine in der Vergangenheit angewandte Praktik handelt oder um eine zeitgenössische. Da Strabon den Satz im Präsens formuliert, ist es immerhin möglich, dass das Verfahren zu seinen Lebzeiten noch immer praktiziert wurde.108 Was ebenfalls unklar bleibt, ist die genaue Herkunft der Gelder, die zum Schadensausgleich bezahlt wurden, sowie die Identität des Zahlungsempfängers. So wissen wir weder, wer die Ankläger im Einzelnen waren, noch auf welcher gerichtlichen Ebene geklagt wurde. Brian Campbell stellt sich deshalb die Frage, wer oder welche Instanz am ehestens dazu verpflichtet gewesen sein könnte, Entschädigungszahlungen zu tätigen: Waren es die Gemeinden, die für einen Schadensausgleich gegenüber flutgeschädigten Landbesitzern zuständig waren, oder lag die Zuständigkeit direkt bei der Provinzregierung als örtliche Vertretung Roms – dem eigentlichen Eigentümer des flumen publicum.109 Campbells Überlegungen zeigen, dass er von Klagen seitens privater Landbesitzer ausgeht. Im Text ist allerdings die Rede vom veränderten Aussehen der χῶραι, was politische Einheiten auf kommunaler Ebene waren. Sie bezeichneten ein fest abgestecktes, zu einer bestimmten Stadtgemeinde gehöriges Territorium, welches von eben jener Stadt regiert wurde. Die Charakteristika der Flussanklage wie Strabon sie

106 Engels 2002. 107 Engels 2002: 194 geht nur kurz auf diesen Sachverhalt ein, verfolgt seinen Gedanken jedoch nicht bis zum Ende weiter. 108 Vgl. Campbell 2012: 109. Für die gesamte kleinasiatische Küste ist ohnehin eine große kulturelle Vielfalt während der gesamten römischen Herrschaftszeit feststellbar, die sich trotz der regionalen Einbindung in diverse Großreiche wie etwa das Perserreich oder die hellenistischen Königreiche weiterhin erhalten hat; dazu Schuler 1998: 2. Zur Herkunft der Information aus dem Text Strabons finden sich in der Forschungsliteratur verschiedene Meinungen. Die bevorzugte Meinung, es handele sich um mündlich überlieferte Nachrichten, beruft sich auf die Formulierung φασὶ δὲ καὶ … („Man sagt auch …“) im Originaltext. Dazu s. auch Engels 2002: 196 f.; Högemann/ Oettinger 2006: 57. 109 Campbell 2010: 325 f. mit Fn. 51; Campbell 2012: 109: „So, if this relates to the Roman Empire, it is an interesting question who was responsible for the fines, the local community in the vicinity or Rome, as the owner (by conquest) of what was now effectively a flumen publicum. In any case, on the Maeander the rights of landholders were being vigorously pursued, just as they were in Italy.“ Mit Letzterem verweist er auf die zunehmende Tendenz in der römischen Rechtspraxis, den Interessen von Landbesitzern im Reich maximal entgegenzukommen. Dazu ist letztlich auch das Zugeständnis des Statthalters von Lusitanien zu zählen, der zugunsten der Landbesitzer eine steuerfreie, juristisch festgelegte Flussbreite einführt; vgl. Kapitel III.1.1.

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beschreibt lassen vermuten, dass es sich um eine Praktik langer vorrömischer Tradition handelt, wie bereits Högemann und Oettinger herausstellen.110 Außerdem kann Engels schon für die Zeit seit der persischen Herrschaft nachweisen, dass im Falle von kommunalen Grenzstreitigkeiten Abgeordnete nicht betroffener Gemeinden als Schlichter hinzugezogen wurden. Auch dies lässt auf eine langerprobte, gut aufeinander abgestimmte interkommunale Kooperation schließen, die ihre Anfänge in vorrömischer Zeit hatte.111 Engels arbeitet außerdem heraus, dass es die ortsansässigen Gemeinden waren, die bei erosionsbedingten Grenzstreitigkeiten als Rechtsparteien gegeneinander Prozess führten. Dies schließt zwar nicht grundsätzlich aus, dass zusätzlich auch Privatpersonen klagten, doch sobald ganze χῶραι betroffen waren, ist klar, dass die zugehörigen Stadtgemeinden als Prozessparteien fungierten. Als Alternative zu Campbells Sichtweise, der die Strafgelder als Ausgleichszahlungen zugunsten privater Landbesitzer interpretiert, wäre also folgendes Szenario denkbar: Asia war insgesamt eine reiche Provinz, in der zahlreiche Handelsgüter produziert und in Umlauf gebracht wurden.112 Die in besonderem Maße von diesem Warenstrom profitierenden Gemeinden, etwa die, die an den wichtigen Wasserstraßen und Häfen gelegen waren, übernahmen im Hochwasserschadensfall jeweils selbst die anfallenden Kosten. Falls mit dem τέλος πορθμικόν städtische Fährzölle113 gemeint 110

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Högemann/Oettinger 2006: 58–60. Die beiden Autoren führen das Motiv der Flussanklage auf eine hethitische Tradition aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus zurück. Dieser Tradition zufolge stand es in der Macht der obersten Gottheit, des Wettergottes von Nerik, Flüssen ein Ausufern und Verändern ihres Laufes unter Eid zu untersagen. Bei Ungehorsam sendete er zur Strafe Blitze hernieder. Auf dieselbe Tradition führen die Autoren auch die Befehls- und Strafgewalt über die Flüsse und den Ozean zurück, die Zeus in der Ilias zugeschrieben wird; Hom. Il. 21,190–199. Engels 2002: 194 f. Dazu s. Campbell 2012: 323; Thonemann 2011: 178–202. Die von Strabon benutzte Vokabel τέλος bedeutet im Griechischen vor allem „Zollgebühr“ oder „Steuerabgabe“; zur Terminologie s. auch Schuler 2007: 376. So enthält beispielsweise das neronische Gesetz zu den aktualisierten Zollbestimmungen für die Provinz Asia (Lex portorii provinciae Asiae) aus dem Jahr 62 n. Chr. ebenfalls die Vokabel τέλος (griech.) bzw. portorium (lat.: Hafengebühr, Zoll), dazu s. auch Malmendier 2002: 41. Ähnlich argumentierte bereits Heil 1991: 16 im Zusammenhang mit der Lex portorii provinciae Asiae, dass dort der griechische Begriff τέλος mit dem lateinischen portorium gleichzusetzen sei und auch Malmendier 2002: 47 hält dessen Überlegungen für zutreffend. Der griechische Inschriftentext der Lex sowie eine Rekonstruktion des Lateinischen und eine Übersetzung ins Englische ist in Corbier 2008 enthalten, zusammen mit verschiedenen Beiträgen, die unterschiedliche Aspekte des historischen und juristischen Entstehungskontexts in den Blick nehmen. Für eine Besprechung der verschiedenen Arten von portoria, die sich im Laufe der republikanischen Verwaltungsgeschichte herausbildeten, s. Malmendier 2002: 40–49. Zudem spricht insbesondere die lateinische Vokabel für „Zöllner“, portitor, für das Zusammenfallen der Zolleintreibung mit der Fährtätigkeit, da portitor zugleich „Fährmann“ bedeuten kann. Außerdem lässt sich das lateinische portorium etymologisch auf die lateinische Vokabel portus (Hafen) zurückführen, worauf u. a. Wawrzinek 2014: 188 (mit Fn. 9) verweist. Dafür spricht auch, dass die erste glaubhafte Erwähnung von portorium im Zusammenhang mit dem Handelshafen Capua und dem damaligen Haupthafen Roms in Puteoli für das Jahr 199 v. Chr. erfolgt. Allerdings berichtet Livius bereits für das Jahr 508 v. Chr., dass die plebs von der Zahlung von portoria und tributa in jenem Jahr freigestellt worden sei (Liv. 2,9,6). Die Historizität dieser

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sind, die beim Übersetzen über den Fluss anfielen und der ortsansässigen Gemeinde zugutekamen, würde dies bedeuten, dass die χώρα-Verwaltungen die Gelder eintrieben.114 Aus naheliegenden Gründen könnten die Einnahmen aus dem Fährbetrieb zum finanziellen Ausgleich von Hochwasserschäden genutzt worden sein.115 Im Falle einer (kultischen) Verurteilung zu Bußgeldzahlungen glich in gewisser Weise der Fluss, von dem die reichen Zolleinnahmen stammten, die durch ihn verursachten Schäden selbst wieder aus. Von den Zeitgenossen könnte dies durchaus als Disziplinarmaßnahme gegenüber dem Fluss empfunden worden sein, nachdem zuvor eine ritualisierte Anklage des Flussgottes nach hethitischem Vorbild116 erfolgt war. Engels

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Nachricht wird in der Forschung jedoch ob des frühen Datums stark angezweifelt. Dazu s. Malmendier 2002: 56 (mit weiterführender Literatur ebd. in Fn. 158). Spätestens im Jahr 179 v. Chr. scheint sich die Vokabel portorium dann bereits verselbständigt zu haben, da Livius (40,51,8) berichtet, in jenem Jahr seien von den Zensoren viele neue zusätzliche portoria aus verschiedensten Einnahmequellen geschaffen worden. Doch vor allem für die Zeit der ausgehenden Republik sind besonders viele Zollstationen der publicani in großen Hafenstädten nachgewiesen. Mehr zum Entstehungskontext des römischen portorium auch bei Badian 1997: 77; Malmendier 2002, dort v. a. 58–61 für eine Darlegung des Steuerpächterwesens im Laufe der ausgehenden Republik. Das Adjektiv πορθμικός bezeichnet Dinge, die mit dem Transport oder der Überführung über den Wasserweg in Verbindung stehen. Es konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden, wer in Asia für die Eintreibung der Fährgebühren zuständig war und wem ihre direkte Verwaltung unterstand. Dies muss jedoch eine wichtige und lukrative Aufgabe gewesen sein, was gerade aus dem regen Warenfluss sowohl innerhalb der Provinz als auch über ihre Grenzen hinaus zu schließen ist. Vgl. Engels 2002: 194. Ebenso könnten dann die Zölle direkt in die jeweiligen Stadtkassen geflossen sein. Vielleicht erhob Rom insbesondere in der Zeit der späten Republik und des frühen Prinzipats nur Steuern auf die Zolleinnahmen, während die Fährzölle selbst den Gemeinden zustanden. Jedenfalls gab es laut Aussage Cassius Dios selbst in der Kaiserzeit noch Steuern, die von den Provinzialen selbst eingetrieben wurden (Cass. Dio 53,15,3; dazu Eck 2007: 205). Erst im Laufe des 2. Jahrhunderts n. Chr. ging die Steuereintreibung direkt in staatliche Hand über, s. Arnaud 2014: 165. Die Einnahmen aus dem Fährbetrieb am Mäander könnten während der Zeit von schwereren, aber nicht extremen Hochwassern möglicherweise sogar gestiegen sein, etwa wenn Furten nicht mehr passierbar waren; vgl. Plut. Romulus 5,5 zum Fährverkehr über das überflutete Velabrum in Rom. Bei außergewöhnlich hohen Pegelständen war freilich auch der Fährbetrieb nicht mehr möglich und musste kurzzeitig eingestellt werden; vgl. Cic. inv. 2,31,97; Dig. 2,11,2,7 (Ulpianus); Ov. am. 3,6,3–4. Högemann/Oettinger 2006: 58. Nach Auffassung der Autoren soll es sich bei der von Strabon überlieferten Praktik allerdings um eine „profanisierte“ Praktik handeln (ebd.: 6): „Trotzdem (…) erweist sich das, was Strabon schreibt, als Profanisierung. Der Flussgott wird nicht mehr vom Wettergott Zeus unter Eid genommen, sondern gewissermaßen von menschlichen Behörden. Wenn er den Eid bricht, indem er seinen Lauf verändert, so straft ihn nicht mehr Zeus, sondern ein menschliches Schiedsgericht. Er wird zu einer Geldbuße verurteilt, die an seiner Stelle die Fährgesellschaft bezahlt.“ Dieser Auffassung scheinen die beiden Autoren eine „vernünftige“ Gesellschaft im Sinne der europäischen Aufklärung zugrunde zu legen, denn weiterhin schreiben sie (ebd.: 57): „Vernünftige Menschen, und das waren Griechen und Römer nun einmal, gerade in dieser aufgeklärten, hellenistisch-römischen Zeit (…), machten die Rechnung ohne die wirklichen Götter. Diese waren nur noch Metaphern.“ Es stellt sich allerdings die Frage, was hier mit „wirklichen Göttern“ eigentlich gemeint sein soll. Dieser Erklärungsansatz, zumindest im vorliegenden Wortlaut, scheint für die Antike doch etwas überzogen, zumal der kurzen Notiz Strabons keine weiteren Details zum konkreten Ablauf der formalisierten Anklage zu entnehmen sind.

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vermutet in dem Zusammenhang, dass die Fähreinnahmen möglicherweise in einem gemeinschaftlichen, dem Flussgott Maiandros geweihten Tempel aufbewahrt und verwaltet worden sein könnten, was vor dem Hintergrund der vorrömischen, kulturell tief verwurzelten Mensch-Fluss-Beziehung in der Gegend zunächst einmal plausibel erscheint.117 Nach aktuellem Forschungsstand ist bisher allerdings nur ein einziger Kultplatz für den Mäander bekannt, der zudem eher lokalen Charakter aufweist. Dort übten offenbar ausschließlich ortsansässige Ackerbauern und Viehhüter die Kultpraktiken aus.118 Somit hat Engels’ These zwar einiges für sich, doch ist sie letztlich nicht überzeugend durch Quellen zu belegen. Vielmehr müssen die obersten Richter sowie die Prozessparteien mit den jeweils betroffenen χώρα-Verwaltungen zu identifizieren sein, denen sicher ohnehin die Verwahrung der Gelder und die Buchführung über die städtischen Fähreinnahmen oblagen. Eine weitere alternative Deutung des τέλος πορθμικόν ließe sich auf den jahrzehntelangen Antagonismus zwischen den römischen Steuerpächtern der Provinz Asia einerseits und den dortigen Provinzgemeinden andererseits zurückführen. Auch wenn diese zweite Deutungsmöglichkeit weniger plausibel erscheinen mag als die soeben dargelegte, soll sie hier kurz Erwähnung finden. Dazu lässt sich zunächst folgendes festhalten: Möglicherweise könnten in der Textstelle Strabons gar nicht „Fähreinnahmen“, sondern die „Zollgebühren“ gemeint sein, die beim Übersetzen über den Mäander oder, was noch näher liegt, bei der Ankunft an den Häfen im Mündungsgebiet fällig wurden. Die Provinz Asia, die bekanntlich eine der wirtschaftskräftigsten Provinzen des Reichs war, unterhielt in Milet eine größere Zollstation.119 Zu Lebzeiten Strabons wurden Steuern bis auf den wichtigen Agrarzehnt noch von privaten Steuer-

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Engels 2002: 194. Er äußert sogar die Vermutung, dass eine zentrale Mäander-Zollstation im Tempel ansässig gewesen sein könnte, die für das Eintreiben der Fährzölle zuständig war. Er hält es selbst für möglich, dass in einem dem Mäander gewidmeten Zentralheiligtum regelmäßig die entlang des Flusses eingetriebenen Fährgelder zusammengetragen wurden. Daran anknüpfend hält er es für wahrscheinlich, dass im Falle einer Anklage dann die Priesterschaft des Mäandertempels den Flussgott formaljuristisch vertrat, da sie immerhin auch seine Finanzen verwaltete und die Bußgeldsumme aus seinem „Vermögen“ auszuzahlen hatte. Obgleich dies spekulativ bleiben muss, ist zumindest eine Zollstation in Milet an der Mäandermündung tatsächlich epigraphisch nachgewiesen, die grundsätzlich dafür in Frage kommen könnte; dazu Herrmann 2016: 491–496, Nr. 38. Nahe der kleinen Stadt Theben an den Ausläufern des Berges Mykale, direkt am nördlichen Ende der Schwemmlandebene gelegen, hat sich ein Kultkalender inschriftlich erhalten (IPriene 362 = LSAM 39 = SEG 15, 691). Er sieht für den Mäander Käse als Opfergabe vor. Daneben sollen noch andere natürliche Landmarken wie etwa der Berg Mykale selbst sowie die Nymphen Opfergaben erhalten. Ein dazugehöriger fester Tempelbau oder Altargebilde ist jedoch nicht überliefert (Thonemann 2011: 169 f.; 296). Daher ist es letztlich eher unwahrscheinlich, in ihm eine Art pan-mäandrinische Kultstätte zu sehen. Allem Anschein nach wird es eher kein zentral verwaltetes, gut vernetztes und mit eigenem Priesterpersonal ausgestattetes Mäanderheiligtum gegeben haben. Für inschriftliche Zeugnisse zur milesischen Zollstation s. Herrmann 2016: 491–496, Nr. 38.

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pächtern (publicani) eingetrieben.120 Träfe nun die Identifikation des τέλος πορθμικόν als staatliche Zolleinnahme zu, könnte die Aussage Strabons alternativ in eine Richtung interpretiert werden, die eng mit der Entwicklungsgeschichte des römischen Steuerwesens in der Provinz Asia verknüpft ist: Seit der Herrschaftsübernahme Roms über das einstige Königreich Pergamon 129 v. Chr.121 standen immer wieder einzelne Stadtgemeinden mit den publicani im Streit.122 Aufgrund der hohen Finanzkraft der Steuerpächter war deren politischer Einfluss in Rom während der Zeit der mittleren

120 Vielleicht unterhielten in manchen Fällen auch direkt Steuerpachtunternehmen Fährstationen zur besseren Kontrolle, so hält es Wawrzinek 2016: 107 generell für möglich, dass selbst in Leuchttürmen auf See Zollbeamte oder andere Zolleintreiber zur Besatzung gehörten. Weitere Untersuchungen zum römischen Zollwesen und zur Verteilung von Zollstationen entlang wichtiger Binnenschifffahrtswege und an Küstenhäfen stellt sie bereits an anderer Stelle an (Wawrzinek 2014: 188–190), ohne jedoch ein einheitliches Verteilungsmuster der Stationen innerhalb der Provinzen erkennen zu können. So nimmt sie an, dass an vielen innerrömischen Grenzen (zwischen Regionen oder Provinzen) einfach lokale Zolltraditionen weitergeführt wurden. Eine Weiheinschrift aus Köln in Niedergermanien (AE 2007, 1020 = AE 2010, 1004) enthält, sofern die neu vorgeschlagene Lesung des Inschriftentextes zutrifft, sogar Hinweise darauf, dass am Rheinufer ein ratarius oder gar ein ratiarius consularis, also ein Fährmann unter direktem Befehl des Statthalters, tätig gewesen ist. Daubner 2007 schlägt daher vor, den erwähnten Fährmann (ratiarius lässt sich auf die lateinische Bezeichnung für „Floß“, ratis, zurückführen) als Mitglied des Statthalterstabs anzusehen. Er verweist zudem auf die Anwesenheit zahlreicher beneficiarii im römischen Köln, die ebenfalls zum Statthalterstab gehörten (ebd.: 277, Fn. 2). Nun waren beneficiarii gemäß der gängigen Forschungsmeinung neben anderen variierenden Aufgaben für die Finanzaufsicht und die Registrierung von Handelswaren an Zollstationen zuständig, sodass letztlich auch für den Standort Köln am Rhein ein Zusammenhang zwischen Fährbetrieb und Zollerhebung konstatiert werden könnte. Zur Funktion von beneficiarii als Aufsicht über Hafen-, Wasserweg- und Grenzzölle s. Ott 1995: 137–142; Nelis-Clément 2000: 217. Für Überlegungen zu den Tätigkeiten von beneficiarii und anderen römischen Zollbeamten in ihren stationes einschließlich der epigraphischen Quellen und ihres archäologischen Kontexts s. Nelis-Clément 2006: 291–298. 121 Liv. per. 58–59. 122 Der erste Rechtsstreit ereignete sich bereits 129 v. Chr. zwischen Steuerpächtern und der Gemeinde Pergamon, der wohl unmittelbar mit der Aufnahme der ersten römischen Steuereintreibung in Zusammenhang stand, so Badian 1997: 75. Zur Klärung des Streits hatte der Senat eigens eine Kommission als Schiedsgericht entsandt, was schließlich zum sogenannten Senatusconsultum de agro Pergameno führte; dazu ausführlich Daubner 2003: 206–215. Ähnliche Streitigkeiten ergaben sich in der Region aber auch danach noch regelmäßig, so beispielsweise 74 und 73 v. Chr. zwischen der Stadt Oropos und den publicani, ein Streit, der ebenfalls unter Mitwirken Roms zugunsten der Provinzstadt und gegen die Steuerpächter entschieden wurde; dazu Badian 1997: 127; Daubner 2003: 206–220 für Tätigkeiten der publicani in Asia in der Zeit bis 123 v. Chr. sowie 251–265 für die Zeit danach mit dem Hinweis, dass sich Beschwerden der Provinzialen Asias im 1. Jahrhundert v. Chr. deutlich häuften (ebd.: 259). Hinzu kommt, dass ab 123 oder 122 v. Chr. nicht mehr nur kleinere Zölle von den publicani eingetrieben wurden, sondern inzwischen selbst die Eintreibung der wichtigsten und höchsten Steuer aus Asia, namentlich des Zehntens aus der Agrarproduktion, in den Händen der publicani lag (Badian 1997: 79 f.). Zudem war vereinbart worden, dass die Steuerpacht von den Zensoren erworben werden musste. Im Klartext bedeutete dies, dass die Steuerpächterunternehmen die Pacht im Voraus für gleich fünf Jahre entrichten mussten, was der Amtszeit eines Zensors entsprach. Die Steuerpacht der Provinz Asia war daher auf einen gewaltig hohen Betrag angestiegen, der von den publicani gestemmt werden musste. So forderten die publicani in Asia 61 v. Chr. von Rom einen Pachtnachlass (Badian 1997: 92; vgl. v. a. ebd.: 140–145).

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und späten Republik sukzessive gestiegen, insbesondere jener, die in der Provinz Asia aktiv waren. So lag es im dringenden Interesse des römischen Senats, die publicani in Schranken zu halten und mit immer wieder neuen Methoden zu kontrollieren.123 Nach massiven Einbußen bei den Steuereinnahmen während der Zeit der Bürgerkriege unter Caesar versuchten die Pachtunternehmer, ihre Verluste durch Erhöhung der Pachteinnahmen auszugleichen, was zu vermehrten Beschwerden der Provinzialen gegenüber dem Diktator führte. Dieser löste den schwelenden Streit dadurch, dass er fortan wieder direkt durch römische Amtsträger den begehrten Agrarzehnt aus Asia eintreiben und die publicani dabei außen vor ließ.124 Die Beschneidung der Rechte und der Finanzkraft der Steuerpächter in Asia durch den römischen Staat hatte also durchaus Tradition und in eben diese lange Reihe könnte letztlich auch die Textstelle bei Strabon gestellt werden: Vielleicht war man im Laufe der langjährigen Querelen zwischen χῶραι und publicani irgendwann dazu übergegangen, im Falle von Einnahmeeinbußen in der Landwirtschaft und dem Zollbetrieb kurzerhand die finanzkräftigen publicani für Entschädigungszahlungen aufkommen zu lassen. Beim Ausbleiben von Flutschäden strichen diese immerhin hohe Geldsummen ein.125 Alles in allem bleibt aber wohl die erste hier vorgestellte Sichtweise insgesamt die näherliegende, da sie sich auf vorrömische Traditionen lokalen Kolorits zurückführen lässt, die in verschiedenen Quellen bezeugt sind. Außerdem geht sie nicht von einem lenkenden Eingreifen römischer Magistrate auf Provinzebene aus, sondern sieht die Verantwortung vielmehr auf kommunaler Ebene bei den betroffenen Gemeinden vor Ort.126

123 Quass 1993: 135–137; Badian 1997: 121; Malmendier 2002: 58–61. 124 Grundsätzlich war diese Taktik nicht neu. Schon Gabinius hatte sie in dem Zusammenhang angewendet; s. Badian 1997: 160. Zu den Maßnahmen Caesars: App. civ. 5,19; Cass. Dio 42,6,3; Heil 1991: 17. Zuerst fielen die Provinzsteuern aus Asien und Gallien in direkte staatliche Kontrolle. Unter Augustus folgten dann die übrigen sogenannten kaiserlichen Provinzen, dazu s. Malmendier 2002: 62. 125 Livius (25,3,12) spricht im Zusammenhang mit einem schweren Betrugsfall durch zwei Vertreter des Steuerpächterwesens während des Zweiten Punischen Krieges sogar von einem ordo publicanorum, möglicherweise mit ironischem Unterton. Der Ausdruck soll wohl vor allem auf ihr enormes Vermögen und ihren großen politischen Einfluss verweisen, wobei Livius dabei sicherlich auf Probleme anspielt, die eher zu seinen eigenen Lebzeiten in der ausgehenden Republik und im frühen Prinzipat vorherrschten. 126 Obwohl insgesamt recht wenig zum römischen Fährbetrieb bekannt ist, der in den verschiedenen Provinzen und Regionen zudem nicht einheitlich geregelt gewesen sein muss, lassen sich unter Einbeziehung allgemeinerer Informationen zum römischen Zollwesen doch einige Vermutungen anstellen. Dass mit den Fährgeldern dezidiert Zölle gemeint waren, legt die benutzte Vokabel bereits nahe. Aber es muss sich nicht unbedingt um die Provinzzolleinnahmen gehandelt haben. Vielmehr könnte es sich auch um kommunal erhobene Wegzölle gehandelt haben, die innerhalb der χώρα bei der Nutzung gemeindebetriebener Fähren erhoben wurden. Eine Preisliste von Fährzöllen ist etwa für einen Binnensee in Nordafrika bekannt; CIL VIII 24512 = ILS 9457 = ILPBardo 403 = AE 1906, 138: Quid ratari(i)s transeuntes / [–] dare debeant / homo caballari(u)s f(ol) l(es) IIII homo pedester f(ol)l(em) I / burdo carricatus cum burdonariu f(ol)l(es) IIII / burdo levis cum

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b. Die actiones de alluvione Was im Kontext der Mäanderanklage und der territorialen Grenzstreitigkeiten zwischen den Mäanderstädten deutlich zum Ausdruck kommt, ist die permanente Beschäftigung der am Mäander siedelnden Menschen mit dem vom Fluss immer wieder neu geschaffenen und veränderten Lebensraum über die Zeiten hinweg. Das Miteinander von Flussanrainern untereinander sowie zwischen ihnen und dem mächtigen Fluss gestaltete sich als permanenter, niemals abgeschlossener Aushandlungsprozess. Dauerhaft am Fluss zu siedeln und von seinen fruchtbaren Böden zu profitieren hieß auch, sich dauerhaft auf Kompromisse mit Fluss und Nachbarn einzulassen, die immer wieder neu an die veränderte Umwelt angepasst werden mussten. Die Kosten-Nutzen-Erwägung der Menschen fiel unter diesen Umständen klar zugunsten des Siedelns im Mündungsgebiet aus und in der Tat war die Schwemmebene des Mäanders bekanntlich eine sehr fruchtbare Gegend, die üppige Ernten hervorbrachte.127 Ging Ackerland wegen starker Erosionsprozesse verloren, sahen sich Grundbesitzer und Stadtgemeinden ihrer Lebensgrundlage beraubt und scheuten daher keine Anstrengung, die ihnen Existenzsicherheit versprach. Die Mäanderanklage kann in dem Rahmen auch als Symptom dafür verstanden werden, wie sehr die Siedler und Gemeinden im Schwemmland ihre Lebensgrundlage an die wirtschaftlichen Vorteile der Flusslandschaft angepasst hatten und wie sehr sie deshalb von den Launen des Flusses abhängig waren, die nur gemeinschaftlich zu bewältigen waren. Bei besonders starken Landschaftsveränderungen durch den Fluss schien den Betroffenen das letzte Mittel zur Existenzsicherung eine formale Klage zu sein, die ihren Fortbestand wenigstens finanziell garantierte. Die Unstetigkeit fluvialer Landschaften beschäftigte aber nicht nur die Rechtsprechung am Mäander, sondern reichsweit. Auf staatlicher Ebene widmeten vor allem

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burdonariu f(ol)l(es) II / camellus carricatus cum camel{l}ari(o) f(ol)l(es) V / [came]l{l}us levis cum camelariu f(ol)l(es) III / [asinus(?) carricatus cum] asinario f(ol)l(es) IIII / [asinus levis cum asinario f(o)l(lem) –] / [– – „Was die Übersetzenden den Fährleuten geben müssen: Ein Reiter 4 Folles; ein Fußgänger 1 Follis; ein beladener Maulesel mit Treiber 4 Folles; ein unbeladener Maulesel mit Treiber 2 Folles; ein beladenes Kamel mit Treiber 5 Folles; ein unbeladenes Kamel mit Treiber 3 Folles; ein beladener Esel mit Treiber 4 Folles; ein unbeladener Esel mit Treiber 2 Folles.“ Übersetzung: Helmut Bender (zur Inschrift s. Bender 1975: 6). Obwohl nicht explizit erwähnt, wird es sich bei den Beträgen um Gelder gehandelt haben, die der zugehörigen Gemeinde zugutekamen. Ähnlich wie bei den Straßen und Brücken, für deren Nutzung Wegegelder an die Anrainergemeinde entrichtet werden mussten, wird der Fahrgast eine Gebühr für die Überfahrt gezahlt haben müssen, und zwar an die den Fährdienst stellende Gemeinde. Wie tief der Mechanismus des Entrichtens von Fährzöllen im Selbstverständnis der Menschen verankert war, zeigt der Mythos des Fährmanns Charon, der die Toten auf ihrem Weg in die Unterwelt mit einem Kahn über den Styx geleitet. Die berühmte Münze, die den Toten eigens zu dem Zweck oft mit ins Grab gegeben wurde, könnte in dem Rahmen als „konstitutives Symbol“ im Sinne Colin Renfrews (Renfrew 2001) zu verstehen sein: Eine Fährfahrt ohne Bezahlung schien wohl kaum denkbar; zu Herkunft und Genese des Charon-Mythos s. Alföldy-Găzdac/Găzdac 2013. Badian 1997: 80; Campbell 2012: 109.

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die römischen Juristen und Landvermesser den bodenrechtlichen Auswirkungen von Flusshochwassern große Aufmerksamkeit mit besonderem Augenmerk auf den agrarisch genutzten Flächen. Fluviale An- und Abschwemmungen der Böden konnten das Aussehen von Grundstücken erheblich verändern, was immer wieder aufs Neue zu Streitigkeiten um Besitzrechte an angeschwemmtem Land nach sich zog und Grenzverläufe zwischen benachbarten Grundstücken unkenntlich machte, die ebenfalls immer wieder neu ausgehandelt werden mussten.128 All diese Streitfälle wurden über die Alluvionsklage (actio de alluvione) zu regeln versucht.129 Bei der Vielgestaltigkeit der Landschaften innerhalb des Römischen Reichs verwundert es wenig, dass ganz unterschiedliche Sachverhalte unter dieser Klage zusammengefasst wurden.130 Ähnlich wie schon zwischen Fließeigenschaften rechtlich unterschieden wurde (flumen, rivus, torrens), wurden auch die unmittelbaren Effekte, die ein Hochwasser auslösen konnte, in mehrere juristische Kategorien unterteilt. Erosion konnte in unterschiedlichen topographischen Kontexten unterschiedliche Auswirkungen auf Flussbett und Uferbereiche zeitigen und war zudem von der Wassermenge und der Fließgeschwindigkeit abhängig, die ihrerseits jährlich und jahreszeitlich schwankten. So versuchten römische Juristen zwischen langsam verlaufenden und plötzlich eintretenden Auswirkungen von Erosion zu unterscheiden. Am unproblematischsten waren die Veränderungen, die sich nach und nach durch beständiges An- und Abschwemmen von Erde entlang der Uferbereiche ergaben.131 Da Landbesitzer dazu angehalten waren, ihre Grundstücke zum Wohle aller gegen Erosion zu schützen,132 konnte bei schleichendem Landverlust kein Rechtsanspruch auf Entschädigung geltend gemacht werden, während das durch Anschwemmungen entstandene Neuland zweifelsfrei in Besitz genommen werden durfte (usucapio).133 Ganz

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Dig. 10,1,8 (Ulpian). Zur Alluvionsklage s. Castillo Pascual 2012; Masi Doria 2004; Campbell 2010; Campbell 2012: 100–116. Iulius Frontinus, C 6,5–6 = L 16,5–6 = T 6,15–16; dazu s. Castillo Pascual 2012: 3 f. An Seen und Teichen fand die actio de alluvione keine Anwendung aufgrund der andersartigen Charakteristika stehender Gewässer; Dig. 39,3,24,3 (Alfenus); Dig. 41,1,12pr. (Callistratus); dazu Castillo Pascual 2012: 8 f. Dig. 43,12,1,15,1pr (Ulpian); Dig. 43,13,1,7 (Ulpian); Arnaud 2011: 341; Lonardi 2013: 49; Campbell 2010: 320. Castillo Pascual 2012: 6 f. Auf diesen dem römischen Recht entsprechenden Sachverhalt im Gegensatz zur kleinasiatischen Rechtspraktik verweist auch Engels 2002: 204 im Zusammenhang mit der Mäanderklage. Hinzu kam, dass spätestens seit Inkrafttreten einer entsprechenden Konstitution des Antoninus Pius (Dig. 41,1,16; Florentinus) vollständig vermessenes und assigniertes Land, das also bis zum Wasser Privatbesitz war und demnach nicht durch usucapio erworben wurde, ebenso vom Alluvionsrecht ausgenommen war. Denn in dem Fall orientierten sich die Besitzverhältnisse an der forma und so blieben Besitzansprüche ungeachtet der natürlichen örtlichen Bedingungen bestehen. Dort, wo dem Fluss eine zusätzliche Breite zugestanden worden war, was bei flumina publica häufig der Fall gewesen zu sein scheint, fand das ius alluvionis hingegen Anwendung (Castillo Pascual 2012: 7).

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anders und unter Juristen wie Landvermessern äußerst umstritten war hingegen der Umgang mit den Auswirkungen plötzlich auftretender, heftiger Hochwasser. Fluten konnten Grundstücke zunächst so unter Wasser setzten (inundatio), dass das überschwemmte Hab und Gut während der Zeit der Flutung nicht nutzbar war (interitus rei), und dass nach dem Abschwellen zudem der Wasserfluss und -verlauf sich dauerhaft verändert hatte: Zum einen konnte der Fluss sich so verzweigt haben, dass eine Flussinsel entstanden war (insula in flumine nata), zum anderen konnte er sein Bett dauerhaft verlagert und einen Altarm hinterlassen haben (mutatio alvei bzw. alveus derelictus).134 Im Grunde war selbst der Sachverhalt der inundatio für sich alleine genommen wenig problematisch, sofern die Überschwemmung nur von kurzer Dauer war und sich nach dem Rückzug des Flutwassers keine Schäden oder wesentlichen Veränderungen am Grundstück ergeben hatten. In solchen Fällen reagierte die römische Rechtsprechung mit restitutio, wonach alle Grenzen und Besitzrechte so verblieben, wie sie bereits vor Eintritt der Flut festgestanden hatten.135 Dass dieses Szenario jedoch häufig nicht den realen Verhältnissen nach einer Flut entsprach, dessen wurden sich die römischen Rechtsgelehrten spätestens im fortgeschrittenen 1. Jahrhundert n. Chr. bewusst, und so bemühten sie sich fortan, noch kleinteiliger zwischen den Auswirkungen von Flusshochwassern zu differenzieren.136 In republikanischer Zeit herrschte grundsätzlich noch die Auffassung vor, dass das durch Alluvion hinzugewonnene Land, sei es durch das Trockenfallen eines Altarms, durch Entstehung einer Insel oder durch Auflandung anderer Art, automatisch zum locus publicus werde und damit jegliche partikularen Besitzrechte verloren gingen.137 Auch ein Ersitzen (usucapio) war in diesem Fall ausgeschlossen.138 Allerdings lässt sich spätestens seit dem frühen Prinzipat ein wachsendes Unbehagen unter den Juristen und später auch unter den Feldmessern greifen, geschädigte Landbesitzer leer ausgehen zu lassen. Deshalb wurden in zunehmendem Maße Überlegungen darüber angestellt, nach welchen Prinzipien Besitzrechte an verlorenem Land kurzerhand auf ein anderes Stück Land zu übertragen seien, etwa auf die neue Flussinsel oder das verlassene Flussbett.139 Auch weitere Zugeständnisse, die es beispielsweise erlaubten – ja 134 135 136 137 138 139

Zur zerstörerischen Kraft von Flusswasser und ihren Auswirkungen s. etwa Hyginus 1, C 91,21–93,9 = L 124,3–125,18 = T 87,4–88,18. Zur Uneinigkeit der Juristen und Feldmesser in diesen Angelegenheiten s. Castillo Pascual 2012: 11. Dig. 10,1,8pr. (Ulpianus); zum juristischen Sachverhalt der inundatio s. Castillo Pascual 2012: 12 f.; Campbell 2010: 321–325. Castillo Pascual 2012: 13 und 16 f. Castillo Pascual 2012: 17; Campbell 2010: 322. Dig. 7,4,24pr. ( Javolenus); Agennius Urbicus, C 38,36–40,2 = L 82,29–32 = T 42,25–43,2; Castillo Pascual 2012: 19; Campbell 2010: 323. Zur insula in flumine nata s. Castillo Pascual 2012: 14–16; zum alveus derelictus s. ebd.: 16–19; zu beiden Sachverhalten s. zudem Campbell 2010: 321–325; Campbell 2012: 100–117; zur Genese der diesbezüglichen Rechtsgrundsätze bis in die Moderne s. Masi Doria 2004. Zum Ungerechtigkeitsempfinden und zur Bemühung um Ausgleich s. Dig. 41,1,7,5 (Gaius); Siculus Flaccus, C

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sogar anempfahlen –, unter Wahrung der Schiffbarkeit private Ufergrundstücke vor Hochwasser und Alluvion zu schützen, verweisen auf eine wachsende Aufmerksamkeit gegenüber partikularen Interessen der Landbesitzer.140 Allgemein fällt ein wachsendes Interesse an den verschiedenen Gewässer- und Alluvionstypen ins Auge, die den Eindruck einer neuen, unmittelbaren ökonomischen oder ökologischen Notwendigkeit vermitteln.141 Die Expansion des römischen Herrschaftsgebiets machte es erforderlich, sich juristisch, geodätisch und administrativ mit immer unterschiedlicheren Gewässertypen und Hochwasserregimen auseinanderzusetzen. Auf italischem Gebiet anwendbare, traditionelle Regeln mochten andernorts vielleicht nicht greifen oder gar zu neuen Problemen führen. So ist davon auszugehen, dass im Zweifelsfall am ehesten auf lokal erprobte und etablierte Praktiken der Streitbeilegung zurückgegriffen wurde.142 Möglicherweise ist auch die Mäanderklage dahingehend zu verstehen,143 sofern sie zu Strabons Lebzeiten tatsächlich noch in der überlieferten Form praktiziert wurde. Arnaud bringt hingegen die Klimaverschlechterung ins Spiel, die für den Zeitraum zwischen 150 und 250 n. Chr. nachgewiesen ist und das wachsende Interesse an der Erhaltung des Istzustandes bei Ufergrundstücksbelangen ebenfalls erklären könnte.144 Letztlich könnten beide Faktoren auf diese Entwicklung eingewirkt haben. Insgesamt weisen die intensiven Bemühungen um eine für alle Betroffenen zufriedenstellende Einigung zweifelsohne auf die Alltäglichkeit solcher Vorfälle hin.145 Flüssen wurde innerhalb gewisser Schranken, etwa in Form von vorgegebenen Flussbreiten, eine gewisse Handlungsmacht zugestanden, mit der sich die Anrainer auf lange Sicht zu arrangieren hatten. Im Falle plötzlich eintretender Überflutungen, die Verluste und Schäden nach sich zogen, lag ein juristisches Repertoire bereit, dessen sich die Zuständigen vor Ort bei Bedarf bedienen konnten, sofern nicht ohnehin lokal etablierte Praktiken zur Entschädigung und Streitbeilegung bereitstanden.

116,27–29 = L 151,2–5 = T 115,2–5; Agennius Urbicus, C 40,2–4 = L 50,18–20 = T 43,2–4; Campbell 2010: 323–326; Castillo Pascual 2012: 15 f. und 19. 140 Arnaud 2011: 344 f. Die Schiffbarkeit öffentlicher Flüsse und der private Uferschutz gerieten im Laufe des Prinzipats offenbar immer mehr in Widerstreit, wobei sich die Juristen zunehmend zugunsten von baulichen Maßnahmen zum Uferschutz auf Privatgrund aussprachen; dazu s. auch Honoré 1982: 33 mit dem Hinweis, dass in der Vermittlung Ulpians zwischen öffentlichen und privaten Interessen an Flussufern (Dig. 43,13,1,7) eindeutig die Interessen eines landbesitzenden Juristen zu erkennen seien. 141 Arnaud 2011: 345–348; Castillo Pascual 2012: 17. 142 Castillo Pascual 2012: 20. 143 So Campbell 2010: 325 f., der in der Episode wiederum eine Stärkung der Rechte von Landbesitzern sieht. Allerdings ist wie oben bereits angemerkt nicht zweifelsfrei zu klären, ob es sich bei dem Klageritus nicht eher um eine Praktik auf kommunaler Ebene handelte, zunächst also unabhängig von verlustig gegangenem, privatem Landbesitz. 144 Arnaud 2011: 345 f. 145 Castillo Pascual 2012: 3; Campbell 2010: 318; Campbell 2006: 175.

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Im folgenden Kapitel wird auf eine besonders ausgeprägte Form der Alluvion einzugehen sein, die ihr enormes Ausmaß erst nach Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten offenbarte und für die Zeitgenossen beinahe unbemerkt vonstattenging. Wiederum wird der Mäander, diesmal gemeinsam mit dem hispanischen Fluss Baetis, Pate für ein allgemein verbreitetes fluviales Phänomen stehen: das sukzessive Vorschieben einer Flussmündung durch Progradation. III.1.3 Deltavorbau in der Rechtspraxis a. Das Vorschieben des Mäander-Deltas Wie die folgenden Beispiele zeigen werden, war neben den Flussverlagerungen auch das Vorschieben von Flussdeltas ein Sachverhalt, dem sich Siedler und römisches Verwaltungspersonal immer wieder aufs Neue stellen mussten.146 Für die unmittelbar an der Küste siedelnden Menschen hatten die permanenten Verlandungsprozesse direkte Auswirkungen auf ihre politische und wirtschaftliche Existenz. Die Stadt Myous etwa, einst Hafenstadt im Latmischen Golf,147 verlor mit fortschreitender Verlandung nicht nur ihre wirtschaftliche Bedeutung, sondern auch ihre politische Unabhängigkeit an die größere Nachbarstadt Milet.148 Heute liegen die antiken Ruinen der Stadt achtzehn Kilometer von der aktuellen Küstenlinie entfernt und selbst Milet befindet sich inzwischen im Binnenland (Abb. 5).149

146 Flussdeltas im Mittelmeerraum waren aus mehreren Gründen besonders anfällig für ein rasches Vorschieben. Neben menschlichen Eingriffen sind die dort vorherrschenden Gesteinsarten zu nennen, die zur schnellen Erosion neigen, ebenso die häufigen tektonischen Aktivitäten und das wechselhafte Klima, das Extremereignisse unterschiedlicher Art zusätzlich begünstigt. Der Mensch verstärkt durch sein Zutun diese ohnehin natürlich vorgegebenen Prozesse nachweislich bereits seit prä- und protohistorischer Zeit; dazu Müllenhoff 2005: 10–12 mit Verweis auf weiterführende Forschungsarbeiten und die entsprechende Forschungsdiskussion. 147 In ihrer Funktion als Hafenstadt in der Nähe von Milet wird sie erstmals bei Herodot erwähnt (Hdt. 5,36) für die Zeit während der Perserkriege. 148 Einen Bevölkerungsrückgang in Myous für die augusteische Zeit konstatiert schon Strabon (Strab. 14,1,10 C 636), der zudem darauf aufmerksam macht, dass die frühere Hafenstadt nunmehr lediglich mit Booten zu erreichen sei; dazu Müllenhoff 2005: 198 f.; Herrmann 1994: 212. Milet profitierte in diesem Zusammenhang außerdem von seiner Lage an der Südküste des Latmischen Golfes, da der dort vorbeifließende Südarm in der Antike deutlich weniger aktiv war als der Nordarm des Mäanders; zu den Unterschieden im Fließverhalten der beiden Arme s. Müllenhoff 2005: 199. Zur Mückenplage von Myous im Zusammenhang mit möglichen Malariaepidemien s. Sallares 2002: 79, Fn. 90. 149 Geoarchäologisch lassen sich erste Anzeichen für eine dauerhafte Verlandung der damaligen Halbinsel von Myous bereits für den Beginn der hellenistischen Epoche gegen Ende des 4. Jh. v. Chr. nachweisen. Untersuchungen von Sedimentbohrkernen zeigen für jene Zeit ein Umschlagen von typisch marinen in typisch brackische Bodenverhältnisse an; Müllenhoff 2005: 194. Schließlich ist für das 1. Jh. n. Chr. um Myous die endgültige Aussüßung des brackischen Untergrunds festzustellen; ebd.: 198.

Abb. 5: Veränderungen der Küstenlinie im Mäander-Delta (Brückner 2020: Tafel 3, Abb. 1)

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Wie Pausanias gegen Mitte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts berichtet, bildete sich um die Stadt am Golf mit der Zeit eine sumpfige Lagune, die den Siedlungsplatz zunehmend unattraktiv machte und Sumpfmücken eine neue Heimat bot: κατὰ τὴν Μυουσίαν χώραν θαλάσσης κόλπος ἐσεῖχεν οὐ μέγας: τοῦτον λίμνην ὁ ποταμὸς ἐποίησεν ὁ Μαίανδρος, ἀποτεμόμενος τὸν ἔσπλουν τῇ ἰλύι: ὡς δὲ ἐνόστησε τὸ ὕδωρ καὶ οὐκέτι ἦν θάλασσα, οἱ κώνωπες ἄπειρον πλῆθος ἐγίνοντο ἐκ τῆς λίμνης, ἐς ὃ τοὺς ἀνθρώπους ἠνάγκασαν ἐκλιπεῖν τὴν πόλιν. ἀπεχώρησαν δὲ ἐς Μίλητον Μυούσιοι τά τε ἄλλα ἀγώγιμα καὶ τῶν θεῶν φερόμενοι τὰ ἀγάλματα, καὶ ἦν κατ᾽ ἐμὲ οὐδὲν ἐν Μυοῦντι ὅτι μὴ Διονύσου ναὸς λίθου λευκοῦ. Im Gebiet von Myous erstreckte sich ein nicht großer Meerbusen ins Land. Diesen machte der Fluss Maiandros zu einem See, indem er die Einfahrt mit Schlamm abschnitt. Als das Wasser Süßwasser wurde und nicht mehr Meer war, entwickelten sich die Mücken in unendlicher Menge aus dem See, bis sie die Menschen zwangen, die Stadt zu verlassen. Die Myousier zogen sich nach Milet zurück und nahmen alles Tragbare und auch die Götterbilder mit, und zu meiner Zeit war nichts mehr in Myous als ein Marmortempel des Dionysos.150

Als letzter Ausweg blieb den Myousiern nur noch die Umsiedlung in das nächstgrößere Milet, von dem sie ohnehin bereits politisch abhängig waren. Die Götterstatuen der Stadtgemeinde wurden beim Umzug in die neue Heimatstadt mitgenommen. Archäologisch lassen sich für die Mitte des 2. Jahrhunderts tatsächlich der Torso einer Apollonstatue (Apollon Termintheus) sowie mehrere zweitverbaute Architekturteile im Theater von Milet nachweisen,151 die inzwischen als die von Pausanias erwähnten Stücke identifiziert werden konnten.152 Selbst der frühere Antenblock aus dem myousischen Apollon-Termintheus-Tempel wurde im Theater von Milet an prominenter Stelle wiederverbaut.153 Der ältere, ebenfalls im Pausanias-Text erwähnte Dionysostempel

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Paus. 7,2,11. Übersetzung: Ernst Meyer (Meyer 1989). Bol 2008: 145 f. Die scaenae frons des Theaters aus neronischer Zeit wurde um 150 n. Chr. großzügig umgestaltet. Zur zeitlichen Eingrenzung könne zudem aus der Formulierung des Pausanias geschlossen werden, so Koenigs 1986: 145, dass der Apollontempel erst kürzlich in dessen Jugend (1. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr.) aus Myous entfernt worden sei. Bol 2008; Koenigs 1986. Herrmann 1965: 91 (Zeile 5) und 96 (Zeilen 8–9) gibt die Texte der Tempelstifterinschriften aus dem myousischen Apollonheiligtum wieder, die im Theater von Milet verbaut sind. Zu lesen ist auf beiden der Name des Apollon Termintheus, der mit diesem Epitheton ausschließlich in Myous verehrt wurde. Dazu s. auch Bol 2008: 147 (mit Fn. 26); 150. Aus den Texten geht zudem hervor, dass Myous schon im 3. vorchristlichen Jahrhundert auf der Grundlage eines Sympolitievertrags der Stadt Milet politisch untergeordnet worden war und das Gebiet fortan zu Milet gezählt wurde; dazu s. auch Strab. 14,1,10 C 636 für die augusteische Epoche. Diese politische Unterordnung war bereits bedingt durch die gegen Ende des 4. Jh. v. Chr. einsetzende Versumpfung der Myous-Halbinsel; Müllenhoff 2005: 194.

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stand im Gegensatz zum myousischen Apollontempel auf einer niedriggelegeneren Terrasse, dessen Reste vor Ort noch heute sichtbar sind und aus welchem sich keinerlei Spolien in Milet nachweisen lassen.154 Apollon Termintheus war der Hauptgott der Myousischen Stadtgemeinde und wurde dort als Heilgott verehrt.155 Wegen seiner Funktion als Stadtgottheit ist es daher prinzipiell wenig verwunderlich, dass bei einer Umsiedlung auch die sakralen Gegenstände und insbesondere das Standbild des Hauptgottes in die neue Gemeinde transferiert wurden. Ähnliche, allerdings ausschließlich auf die Kultübertragung bezogene Umzüge sind in der Antike auch andernorts bezeugt.156 Einen wesentlichen Unterschied im Falle von Myous erkennt Renate Bol jedoch darin, dass neben dem Götterbild auch diverse Architekturteile aus dem Tempel im Theater von Milet als Dekor wiederverwendet wurden. Dadurch sollte, so ihre Schlussfolgerung, die politische Eingliederung und Unterordnung von Myous im Stadtbild der neuen Heimat zur Schau gestellt werden. Der Verzicht auf eine Wiedererrichtung des Heiligtums in Milet ebenso wie die Verbauung des myousischen Architekturdekors samt Götterstatue und Tempelstifterinschriften außerhalb eines unmittelbar sakralen Kontexts157 sind für Bol allesamt Hinweise auf die endgültige politische Vereinnahmung der Bürger und des Territoriums von Myous durch Milet. Sicher stellte die Transferierung der Götterstatuen hierbei nur den symbolischen Endpunkt einer langen Periode des politischen wie wirtschaftlichen Niedergangs der Hafenstadt Myous dar, die nach jahrhundertelanger Geschichte schließlich ganz dem sukzessive wachsenden sumpfigen Neuland überlassen wurde.158 Der Fall von Myous als einleitendes Beispiel für den politischen Umgang mit Neuland in Deltagebieten zeigt besonders anschaulich, welche Schwierigkeiten angesichts der Eigendynamik von Flüssen in Küstenbereichen auftraten.159 154 155 156 157 158

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Bol 2008: 147. Bol 2008: 146–149. Bol 2008: 149. Der Theaterbau ist gemäß der Bauinschrift dem Apollon Didymeus geweiht, der in Milet verehrt wurde und dem der myousische Apollon Termintheus nun gewissermaßen untergeordnet wurde; s. Bol 2008: 151. Bol 2008: 152 macht in dem Zusammenhang auf ein weiteres politisch bedeutsames Detail aufmerksam. Die noch im spätarchaischen Stil gearbeitete Statue des myousischen Apollon war kurz nach der Verwüstung Milets während der Perserkriege entstanden, während der auch das wertvolle Kultbild des Apollon Didymeus aus Milet verschleppt worden war. Die kleine Hafenstadt hatte zu dem Zeitpunkt wohl direkt aus der Niederlage ihrer großen Nachbarstadt Profit schlagen können. Die Überführung des myousischen Apollonabbildes stellte somit vermutlich eine späte Vergeltung sowie den endgültigen Sieg Milets über Myous dar. Inwieweit neben dem wirtschaftlichen Ruin auch eine Häufung von Malariafällen zum Niedergang und endgültigen Verlassen der Stadt beigetragen haben könnte, muss aus Ermangelung an Quellen spekulativ bleiben, dazu s. Sallares 2002: 79 mit Fn. 90. Eine zunehmende gesundheitliche Beeinträchtigung der Myousier infolge der Versumpfung wäre aber grundsätzlich denkbar. Flüsse wurden als aktive Erzeuger neuen Schwemmlandes angesehen, während die Schwemmlandebenen ihrerseits als Flussgeborene oder als Nachwuchs von Flüssen galten; s. dazu Strab. 15,1,16 C 691; Arr. Ind. 5,6,3–6; Hdt. 2,10; Thonemann 2011: 295–297. Aus diesem Grund galt das Flussdel-

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Das neuentstandene Land musste selbst unter günstigsten Bedingungen erst mühsam für die Nutzung als Ackerland urbar gemacht werden, was sehr viel Zeit, Arbeit und Investitionen in Anspruch nahm. Es war keinesfalls möglich, neu angeschwemmtes Land direkt gewinnbringend zu bebauen. Wenn aber erst einmal urbares Ackerland und anderweitig nutzbares Festland entstanden war, mussten die Besitzverhältnisse geklärt werden. Zum neu entstandenen Festland im Mäander-Delta liegt aus augusteischer Zeit160 ein epigraphisches Zeugnis vor. Es handelt sich um eine als Statuenbasis verwendete Marmorsäule,161 die zu Ehren des Stadtbürgers C. Iulius Epikrates aus Milet errichtet worden war.162 Der Geehrte war ein „Freund“ des Augustus und hatte laut Inschrift den Kaiserkult in der Stadt eingeführt.163 Geehrt wurde er auf Beschluss der Stadtgemeinde unter anderem wegen der Privilegien über das „vom Mäander angeschwemmte, festgewordene Land und die Flussbänke“,164 die er von Augustus für seine Heimatstadt erwirkt hatte. Wie der Ersteditor der Inschrift Peter Herrmann vermutet, stellte dieses Privileg sicherlich einen „territoriale[n] Gewinn“ dar.165 Das neu entstandene und nun Milet zugeschriebene Land wird auch bei den Nachbargemeinden begehrt gewesen sein, gegen die sich die Stadt Milet dank ihres kaisertreuen Euergeten am Ende durchsetzen konnte.166 Neben dem aufgewachsenen Land im Delta schließt das Privileg auch Rechtsansprüche auf angeschwemmte Erde entlang des Mäanderlaufs (wahrscheinlich sowohl Flussinseln als auch durch Sedimente angewachsene Uferbereiche167) mit ein, obwohl es sich dabei nach der gängigen Ansicht zunächst um ager

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ta Ägyptens auch als „Geschenk“ des Nils, s. Hdt. 5,1: Δῆλα γὰρ δὴ καὶ μὴ προακούσαντι ἰδόντι δέ, ὅστις γε σύνεσιν ἔχει, ὅτι Αἴγυπτος, ἐς τὴν Ἕλληνες ναυτίλλονται, ἐστὶ Αἰγυπτίοισι ἐπίκτητός τε γῆ καὶ δῶρον τοῦ ποταμοῦ … – „Offenbar – und das sieht der Vernünftige auch, ohne dass er es vorher hört – sind die Gebiete Ägyptens, die von Griechen zu Schiff besucht werden, Neuland und ein Geschenk des Stromes.“ Übersetzung: Josef Feix (Feix 2006). Eine auf geoarchäologischen Untersuchungen fußende Nachzeichnung des sukzessiven Deltavorbaus in jener Epoche bis zur beginnenden Spätantike liefert Müllenhoff 2005: 196–199. Der genaue Fundort ist heute leider nicht mehr zu ermitteln, zumal der damalige Grabungsleiter Walter Müller-Wiener vor Jahren verstorben ist. Unter seiner Leitung war der Inschriftenstein im Hof des neuen Museums von Milet im Jahr 1990 neu aufgestellt worden, wo er sich noch heute befindet; Herrmann 1996: 2; Herrmann 1994: 206. Herrmann 1996. Dazu v. a. Herrmann 1994; s. auch Herrmann 1996: 2. Herrmann 1996: 6; ähnlich auch Herrmann 1994: 207: (…) τὴν ὰπ[ογ]αι[ο]υμένην χώραν ὑπὸ τοῦ Μαιάνδρου καὶ τοὺς γαιεῶνας – „(…) das durch den Mäander (angeschwemmte und) festgewordene Land sowie die Flussbänke“. Übersetzungen: jeweils Peter Herrmann. Herrmann 1996: 6. Vgl. Herrmann 1996: 6; Herrmann 1994: 213 mit Verweis auf mögliche Eingemeindungsambitionen von Myous durch verschiedene benachbarte Städte, aus denen dann ebenfalls Milet als Sieger hervorging. Einen kurzen Überblick über die andauernden Gebietsstreitigkeiten im Mündungsgebiet des Mäanders insbesondere zwischen Milet, Priene, Magnesia und Herakleia gibt Wilamowitz-Moellendorff 1914: 92–95. So die Vermutung von Herrmann 1996: 6 mit Fn. 10.

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publicus gehandelt haben würde.168 So scheint die juristische Behandlung von Neuland in Deltaregionen auf lange Sicht anders geregelt worden zu sein, handelte es sich dabei doch um permanent in Festland umgewandeltes Schwemmland, das dort dauerhaft verblieb. Wie der Umgang mit Neuland speziell im Mäander-Delta geregelt wurde, darüber gibt ein weiteres, in seinem Wortlaut ganz ähnliches Textzeugnis Aufschluss. Für die justinianische Epoche,169 genauer gesagt für das Jahr 533, ist wiederum eine Inschrift überliefert,170 die ganz ähnlich wie der Text aus augusteischer Zeit von „zu Festland gewordenen Orten, die zuvor zum Meer gehörten, aber nun besteuerbar geworden sind,“171 handelt. Darin wird zusätzlich betont, dass dieses Neuland explizit vom Fluss Mäander in Festland umgewandelt worden sei.172 Das kaiserliche Reskript kam der jungen Gemeinde Justinianopolis zugute, die wie Milet im Delta des Mäanders lag. Justinianopolis war lediglich der neue Name des alten Orakelortes und Marktfleckens Didyma, welcher ihm im Zuge der Erlangung der Unabhängigkeit als Stadt zugesprochen wurde. Zum Zeitpunkt der Inschriftensetzung lagen die Erlangung der städtischen Autonomie und der Namenswechsel erst wenige Jahre zurück.173 Was das Reskript neu festlegt, ist zunächst lediglich die Besteuerung von Neuland im Delta. Das Bemerkenswerte an dem ganzen Fall ist jedoch, dass die Initiative von Justinianopolis selbst ausging. Die neue Gemeinde, die trotz ihrer nunmehr sechsjährigen Unabhängigkeit noch immer ihre alljährlich fälligen Steuern über die Stadt Milet als Mittler zu entrichten hatte, wollte sich dieser Steuerlast nun vollständig entledigen. Die Steuer von 41 solidi für den Staatsschatz zuzüglich 20 solidi für die sacrae largitiones waren eigentlich eine zu vernachlässigende Summe. Doch wie aus dem Inschriftentext hervorgeht, wollten die Justinianopolitaner vorgeblich verhindern, dass der römische Staat in Zukunft völlig auf diese Einnahmen verzichten müsse. Stattdessen könnten doch die 168

Schwemmland an öffentlichen Flüssen wurde grundsätzlich als öffentliches Staatsland angesehen; dazu s. Castillo Pascual 2012: 17; Campbell 2010: 322 sowie im vorigen Kapitel (III.1.2). 169 Zum Deltavorbau im Latmischen Golf während der spätantiken Zeit aus geowissenschaftlicher Sicht s. Müllenhoff 2005: 199–202. Für ingenieurstechnische Maßnahmen bezüglich des Verlandungsprozesses in den Jahrhunderten vor Justinian, die ebenfalls inschriftlich belegt sind, s. weiter unten in Kapitel III.2.3. 170 Feissel 2004. Gefunden wurde die Inschrift in Didyma, verbaut als Spolie. Sie befindet sich heute, ebenso wie die augusteische Inschrift, im Museum von Milet (ebd.: 289). 171 Der Editor Denis Feissel übersetzt hier „lieux transformés en terre ferme, que étaient auparavant marins mais étaient devenus imposables“ (ἐκ τον ἀπογεωθέντων τόπων θαλαττίων πρότερον ὄντων, ὑποφό ρων δὲ γενομένων), Zeilen 10–14, s. ebd.: 269; nach Thonemann 2011: 310: „(…) those places [in Milesian territory] which have been turned into land, previously having been sea, but which have now become subject to taxation“. Über ähnliche Verhältnisse in der Acheloosmündung auf den Echinaiinseln berichtet in ähnlicher Formulierung eine Eintragung im Etymologicum Magnum 405,10; Herrmann 1996: 6, Fn. 9; Herrmann 1994: 211, Fn. 36. 172 Thonemann 2011: 310. Text bei Feissel 2004: 266, Zeilen 61–62: τῶν ἀπογεωθέντων ὑπὸ τοῦ Μεάνδρου ποταμοῦ τόπων. 173 Feissel 2004: 315; Thonemann 2011: 309 mit der Präzisierung, dass das neue Justinianopolis vorher eine κώμη von Didyma gewesen war und die Erlangung des Stadtrechts erst sechs Jahre zurücklag.

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neu entstandenen Festlandflecken auf dem Territorium des großen Nachbarn Milet in steuerpflichtige Böden umgewandelt werden, so der Vorschlag. Die Zahlungen müssten zukünftig dann eben direkt aus der Stadtkasse von Milet getätigt werden – und der Kaiser gab diesem Ersuchen statt.174 Üblicherweise hätte Rom bis zur ersten offiziellen Vermessung auf das betreffende Neuland steuerrechtlich keinen Anspruch erhoben.175 Neben dem Seitenhieb auf Milet durch das fortan steuerfreie Justinianopolis ist vor allem die festgelegte Steuersumme für das milesische Neuland bemerkenswert: Sie belief sich auf eben jene Summe, die zuvor Justinianopolis jährlich zu zahlen hatte. Thonemann betont, dass in diesem Zusammenhang offensichtlich nicht einmal eine ordentliche Steuereinschätzung des Neulandes erfolgt war in Bezug auf Bodenqualität und Größe. Vermessung und Anfertigung einer Katasterkarte fielen damit wohl ebenso weg.176 Hier klingt auch die Bestrebung aus den theodosianischen Novellen an, aufwendige Flurbereinigungen so weit wie möglich zu umgehen, die bei der hohen Flussdynamik ansonsten häufig angefallen wären.177 Im Falle der beiden immerhin um mehrere Jahrhunderte getrennten Kaiserdekrete von Augustus und Justinian kommt der ad hoc-Charakter der jeweiligen Regelung für das Mäanderneuland besonders deutlich zum Ausdruck. Es scheint gar kein juristisches Standardverfahren bezüglich Neulands in Flussdeltas gegeben zu haben. Vielmehr richteten die betroffenen Gemeinden situationsbedingt, wenn es die Verhältnisse erforderten, ein Gesuch an die römischen Statthalter oder direkt an den Kaiser, wenn sie Besitzansprüche auf das Neuland erhoben oder, wie Justinianopolis, andere Interessen damit verfolgten.178 In den römischen Rechtstexten zu Schwemmland ist denn auch nirgends von einer Regelung für durch Ablagerungen im Mündungsgebiet dauerhaft neu entstandenes Land oder von Ähnlichem die Rede. Lediglich Flusserosion entlang des binnenländischen Uferbereichs wird dort behandelt.179 Thonemann macht im vorliegenden Fall die Besonderheiten des Mäander-Deltas dafür verantwortlich, dass die genannten Dekrete überhaupt verabschiedet wurden. Anderswo sei das Problem in dem Ausmaß einfach nicht aufgetreten. Vielmehr seien immer wieder auf lokaler Initiative fußende und vom Kaiser gebilligte Regelungen vereinbart worden, die aber nie zu neuen Gesetzen für Flussdeltas geführt hätten. Punktueller Euergetis-

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Diese Episode wird von Thonemann 2011: 309–314 ausführlich geschildert. Als Schwemmland galt es ohnehin zunächst als nicht limitierter ager publicus. Zum erneut definierten Umgang mit stark veränderlichem (incertum) Schwemmland s. auch Theod. Nov. 20,1; dazu Thonemann 2011: 311–314, der bemerkt, dass die Novelle nicht mehr zwischen sukzessiven und plötzlichen Alluvionstypen unterscheidet. Thonemann 2011: 311. Thonemann 2011: 312. Für das Dekret der Justinianopolitaner zeigt Feissel 2004: 303–307 genauestens auf, auf welchem Wege das kommunale Gesuch die römischen Verwaltungsebenen durchlief, von der Stadtverwaltung über den praefectus praetorio Orientis bis zum Kaiser und zurück. Thonemann 2011: 314.

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mus durch den Kaiser zugunsten der jeweils am vehementesten agierenden Stadt habe das Fehlen solcher Gesetze letztlich kompensiert.180 Dieser Eindruck findet sich beim Studium der verfügbaren Quellen insofern bestätigt, als die augusteische Regelung über die Flussinseln und Uferanschwemmungen in eben jenem Sinne verstanden werden können: Wahrscheinlich war es seinerzeit auf milesischem Territorium, welches ja komplett im Delta lag, schlicht unmöglich geworden, zwischen fluvialem und marinem Schwemmland eindeutig zu unterscheiden.181 Vielmehr ging dort das eine in das andere über, sodass es sich wohl als das Praktikabelste erwies, einfach alles zu Milet gehörende Schwemmland der Stadt zuzusprechen und es juristisch gesehen komplett als marines Schwemmland zu behandeln, vermutlich ganz ohne vorherige Vermessung. In einem Panegyrikus aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. werden schließlich Maßnahmen zur Melioration von Böden im Schwemmfächer des Mäanders thematisiert, die nicht zuletzt zur Gewinnung neuen Ackerlandes dienten.182 Die Stadt, die davon profitiert haben soll, wird zwar in der gesamten Rede, soweit sie noch erhalten ist, nicht namentlich genannt (es ist immer nur von „der Polis“ die Rede), doch kann es sich laut Louis Robert im Grunde nur um Milet handeln.183 Trotz dieser Bemühungen schien aber auch Milet in der Spätantike mit der voranschreitenden Verlandung seiner Hafenanlagen zu kämpfen gehabt zu haben, sodass immer wieder Anstrengungen unternommen wurden, die empfindliche Infrastruktur von Schwemmerde frei und technisch funktionstüchtig zu halten.184 Doch langfristig war die vollständige Verlandung von Stadt und Hafen schlicht nicht mehr aufzuhalten.

180 Zu diesen Schlussfolgerungen kommt schließlich Thonemann 2011: 314. Allerdings überbetont Thonemann an der Stelle wohl die Besonderheiten des Mäanders, die er als „quite unparalleled elsewhere in the Roman world“ bezeichnet, denn es gab durchaus noch andere Flussdeltas mit ähnlichen Charakteristika. Zu denken sei etwa an das Nildelta, ähnlich auch an die Anschwemmungen des Kaystros und des Po in ihrem jeweiligen Mündungsgebiet sowie an die extreme Verlandung des einstigen Baetis-Ästuars, bei dem die Gezeiteneinflüsse in weitaus höherem Maße als an den ins Mittelmeer mündenden Flüssen zum Tragen kamen. So ist wohl auch Thonemanns Feststellung „[t]he problem of the status of newly formed alluvial lands on a large scale simply did not arise elsewhere“ (ebd.) nur eingeschränkt zuzustimmen. 181 Dies legen auch die geowissenschaftlichen Untersuchungen der Bohrproben aus dem Umland Milets für die augusteische (Müllenhoff 2005: 196–199) und spätantike Zeit (ebd.: 199–202) nahe, die insbesondere für die Zeit des frühen Prinzipats eine bereits semiterrestrische, sumpfige Beschaffenheit der Böden anzeigen. 182 Him. or. 25, 73–87; zu den Arbeiten s. Thonemann 2011: 318–320; Herrmann 1994: 212; Campbell 2012: 324; Brückner et al. 2014a: 796; Penella 2007: 207 f. sowie weiter unten in Kapitel III.2.3. 183 Robert 1969: 347. 184 Brückner et al. 2014a; Brückner et al. 2014b.

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b. Die Verlandung des Lacus Ligustinus Über die Verlandung des Landstrichs speziell zwischen Milet und Priene mutmaßt Pausanias, dass sie von den landwirtschaftlichen Aktivitäten entlang seines Laufs herrühren könnte, was sich geowissenschaftlich inzwischen nachweisen lässt.185 Ähnliches lässt sich auch an anderen Flussdeltas im Mittelmeerraum feststellen.186 Zum Vergleich für den juristischen Umgang mit dem Auflandungsprozess am Mäander soll jedoch der Baetis (Guadalquivir) herangezogen werden, der nicht ins Mittelmeer, sondern in den Atlantik mündete (Karte 4). In der Antike hatten sich auch dort vor allem unter römischer Herrschaftszeit drastische Landschaftsveränderungen ergeben, die nicht zuletzt das Resultat intensiver menschlicher Besiedlungs- und Bewirtschaftungsaktivitäten darstellten. Für den starken Verlandungsprozess und das Vorschieben des Ästuardeltas werden auch hier besonders die Waldrodungen und die Intensivierung der Landwirtschaft im Flussbecken während der römischen Besiedlungszeit als entscheidende Faktoren identifiziert.187 Durch sogenannte Progradation schob sich die Küste immer weiter vor, sodass die heutige Stadt Sevilla, das römische Hispalis, nun weit im Landesinneren liegt. Im Gegensatz dazu war zur Römerzeit der Einfluss der Gezeiten sogar noch weit über Hispalis hinaus in den flussaufwärts gelegenen Gemeinden zu

Karte 4 Der Baetis und der Lacus Ligustinus im Südwesten Hispaniens © Jasmin Hettinger, basierend auf Daten des Ancient World Mapping Center

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Paus. 8,24,11; Thonemann 2011: 295 f. mit Fn. 4 sowie 306 f.; Meiggs 1982: 376; Brückner et al. 2014b: 86. Anthony et al. 2014; Brückner 1986; Thommen 2009: 84–89; Lisé-Pronovost et al. 2019: 78. González Acuña 2011: 31; zur intensiv betriebenen Landwirtschaft am Baetis s. Plin. nat. 3,7; Strab. 3,2,3 C 142; Philostr. Apoll. 5,6.

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beobachten.188 Das rasche Auflanden wirkte sich auch auf die Fließgeschwindigkeit des unteren Baetis aus, der als ausgesprochen träge galt.189 An der hispanischen Atlantikfront war die Verlandung der Küstenlandschaft anderer Natur als an den Mittelmeerflüssen. Die Flussmündung bildete dort ein weitläufiges Ästuardelta aus, das maßgeblich durch die Gezeiten beeinflusst wurde. Die Paläogeographie des Mündungsgebiets wurde in den letzten Jahren intensiv erforscht.190 Das vorgeschichtliche Ästuar bildete sich aus, als nach der letzten Eiszeit der Meeresspiegel rasant anstieg (ca. 6500 BP, Abb. 6a). Zwischen 3300 und 2800 cal BP bildete sich am Ausgang des Ästuars ein Strandhaken heraus, der das Ästuar zunehmend vom Meer abtrennte (Abb. 6b). Für diese und insbesondere die folgende Phase weisen die Sedimentablagerungen verstärkt anthropogene Komponenten in ihrer physisch-chemischen Zusammensetzung auf. Dieses Aussehen fanden die antiken Beobachter vor und wurde in deren geographischen Beschreibungen entsprechend festgehalten.191 Außerdem finden sich erste Anzeichen für einen erhöhten Süßwassergehalt im Ästuar (ca. 2390–1600 cal BP, Abb. 6c). Die jüngste Phase, die während der letzten Jahrhunderte zum heutigen Zustand führte, brachte die sumpfige Marschlandschaft hervor, die nur noch bei Hochwasser überschwemmt wird (Abb. 6d). Inzwischen hat sich für das antike Ästuardelta der Name Lacus Ligustinus etabliert (vgl. Abb. 6c). Dabei handelt es sich lediglich um eine Bezeichnung aus der modernen Forschung, die in den zeitgenössischen Quellen nirgends bezeugt ist. Er geht zurück auf das spätantike Gedicht Ora maritima des Avienus, in welchem das Schwemmland an der Baetismündung als Lacus Ligustinus bezeichnet wird.192 Eigentlich waren die Ligurer, auf die der Name zurückgeht, ein Volksstamm am sogenannten Senus Gallicus an der Rhônemündung im Mittelmeer. Der Name sollte an der Stelle vermutlich dazu dienen, auf die landschaftlichen Ähnlichkeiten von Rhône- und Guadalquivirmündung hinzuweisen.193 Da in den antiken Quellen sonst kein eindeutiges Toponym für das Baetisdelta verwendet wird, scheint die Bezeichnung Lacus Ligustinus für den wissenschaftlichen Gebrauch allerdings legitim. Auch die Beschreibung der natürlichen Gegebenheiten im Mündungsgebiet variieren je nach antikem Autor mehr oder weniger stark.194 Lázaro Lagóstena Barrios wertet in Anlehnung an ältere Forschungsarbeiten die uneinheitliche Bezeichnung und Beschreibung in den Quellen als

188 Strab. 3,5,9 C 174–175. 189 Sen. Med. 726–727; Mart. 9,61,2. 190 Einen gut verständlichen, kurzgefassten und aktuellen Überblick über die Ausbildung und Genese dieser Schwemmlandebene geben Borja Barrera 2013: 103 und Borja Barrera et al. 2018, auf deren Arbeiten die folgenden Beschreibungen zurückgehen. 191 Borja Barrera 2013: 103. 192 Avien. ora. 283–284. 193 Ferrer Albelda 2012: 61 f.; Ferrer Albelda 2013; Cabrera Tejedor 2016: 687. 194 Vor allem die Anzahl der Flussarme, die das Marschland durchfließen, ist je nach Autor verschieden; Avien. ora. 283–290; Mela 3,5; Ptol. geogr. 2,4,4; Strab. 3,1,9 C 140.

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Abb. 6 Verlandungsprozesse im Baetis-Ästuar (Borja Barrera et al. 2018: 379, Abb. 4)

Hinweis darauf, dass sich das Mündungsgebiet im Altertum fortwährend stark verändert hat.195 Die intensive Bewirtschaftung der Küstenstreifen am Lacus Ligustinus ist nicht nur in den literarischen Quellen, sondern auch inschriftlich bezeugt. Zumindest legt dies die sogenannte „bronce de Bonanza“ – in der Forschung auch als tabula Baetica oder formula Baetica bekannt – nahe.196 Sie wird ins 1. Jahrhundert n. Chr. datiert und kann

195 Lagóstena Barrios 2014: 189 f. 196 CIL II 5042 = CIL II 5406 = IRPCadiz 521 = AE 2000, 66 = AE 2000, 67: Dama L(uci) Titi ser(vus) fundum Baianum qui est in agro qui / Veneriensis vocatur pago Olbensi uti optumus maxumusq(ue) / esset HS n(ummo) I et hominem Midam HS n(ummo) I fidi fiduciae causa man/cipio accepit ab L(ucio) Baianio libripend antest(ato) ad fines undo / dixit L(ucius) Baianius L(ucium) Titium et

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damit als zeitnahes, wenn nicht gar zeitgenössisches Zeugnis für die Aussage Strabons (3,2,3 C 142) über die landwirtschaftlich prosperierende Küstenlandschaft an der Mündung des Baetis gelten.197 Die Bronzetafel wurde 1868 auf einem Acker bei Sanlúcar de Barrameda gefunden, genauer gesagt am Puerto de Bonanza ganz in der Nähe der heutigen Salinen. Die Inschrift behandelt eine sogenannte mancipatio fiduciae causa. Der Vertrag regelt, dass der Sklave Dama ein Landgut mitsamt einem Sklaven namens Midas treuhänderisch für seinen Herrn L. Titius als Bürgschaft von dem Gläubiger L. Baian(i)us198 übertragen bekommen soll, für den symbolischen Wert von jeweils einem Sesterz. Das Landgut mit Namen fundus Baianus ebenso wie der Sklave Midas dienen also dem Gläubiger Titius so lange als Pfand, bis der Schuldner Baian(i) us den Schuldbetrag fristgerecht beglichen hat. Kommt er der Zahlung nicht fristgerecht nach, ist der Gläubiger oder dessen Erbe dazu berechtigt, wenngleich nicht verpflichtet, einen Teil oder auch das gesamte Gut zu verkaufen.199 Während der Periode zwischen Vertragsabschluss und Schuldenbegleichung könnte dem Gläubiger C(aium) Seium et populum et siquos dicere / oportet / pactum comventum(!) factum est inter Damam L(uci) Titi ser(vum) et L(ucium) Baianium / quam pecuniam L(ucius) [Titius L(ucio)] Baian(i)o dedit dederit credidit crediderit ex/pensumve tulit tulerit sive quid pro eo promisit promiserit / spopond(er) it fideve quid sua esse iussit iusserit usque eo is fundus / eaque mancipia fiducia essent / donec ea omnis pecunia fides/ve persoluta L(uci) Titi soluta liberataque esset si pecunia sua qua/que die L(ucio) Titio h(eredi)ve eius data soluta non esset tum uti eum / fundum eaque mancipia / sive quae mancipia ex is vellet L(ucius) Titi/us h(eres)ve eius vellet ubi et quodie vellet pecunia praesenti / venderet mancipio pluris HS n(ummo) I invitus ne daret neve sa/tis secundum mancipium daret neve ut in ea ver/ba quae in verba satis s(ecundum) m(ancipium) dari solet repromitteret neve simplam neve [duplam]. Manuel Redríguez de Berlanga übersetzt hier in zeitgenössisches Spanisch: „Dama, esclavo de Lucio Ticio, recibió en mancipio por un sestercio y por causa fudiciaria de Lucio Bayanio, siendo libripende … y antestado … el fundo Bayano, que está en el pago Olbense del campo, que se llama Veneriense, como libre de todo gravamen, y por otro sestercio el esclavo Midas. Yendo á los linderos, dijo Lucio Bayanio á Lucio Ticio, á Cayo Seyo, al pueblo y á cuantos debió decírselo; Este pacto se ha convenido y se ha hecho entre Lucio Bayanio y Dama, esclavo de Lucio Ticio: Mientras Lucio Bayanio no pague todo el dinero, que Lucio Ticio le dió, prestó y abonó en cuenta y no satisfaga y libere cuantas garantias y fianzas le tenia facilitadas, esta heredad y este esclavo quedaran sugetos á responder. Si no se paga en el dia correspondiente á Lucio Ticio ó á su heredero el dinero debido, entonces Lucio Ticio ó su heredero venderá por dinero al contado este esclavo y este fundo, ó lo que de ello quiera, donde quiera y en el dia, que quiera. Contra su voluntad no puede Lucio Ticio ser compelido á dar en mancipio por mas de un sestercio la heredad ni el esclavo, ni á obligarse á su evicción, ni á prometer con las fórmulas verbales de costumbre el tanto ó el duplo.“ (Rodríguez de Berlanga 1881: 547, Hervorhebungen durch den Übersetzer). 197 Haley 2003: 130 f. Zur Datierung s. auch Hübner 1869: 288 f., der als Erster zur tabula Baetica publiziert hat. Ausgehend von Schriftbild, Nomenklatur und Duktus will er das Dokument am ehesten in die frühen Jahrzehnte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts datiert wissen. Im Vergleich mit anderen auf Bronze festgehaltenen Rechtstexten folgt Rodríguez de Berlanga 1881: 553–557 im Wesentlichen Hübners Datierung. Krüger 1870: 42 und Rudorff 1873: 54 f. hingegen gehen aufgrund sprachlicher Eigenheiten und im Abgleich mit anderen Inschriften eher von einem jüngeren Datum im fortgeschrittenen 1. Jahrhundert n. Chr. oder gar im beginnenden 2. Jh. aus. 198 Beide Schreibweisen werden in dem Dokument benutzt; dazu s. Hübner 1869: 286. 199 Bueno Delgado 2004: 158 f.; Rodríguez de Berlanga 1881: 561 f.; Krüger 1870: 45–58.

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die Nutzung des Landguts zugestanden haben, da das Gut als Pfand andernfalls wohl wenig nutzbringend gewesen wäre. Alternativ wäre Paul Krüger zu folgen, der es für möglich hält, dass der Schuldner während der Verpfändung selbst weiterhin das Landgut habe bearbeiten dürfen, da dem Gläubiger in Form des Verkaufsrechts genug Entschädigung garantiert gewesen sei.200 Hinter dem Gläubiger vermutet er am ehesten eine Art Bankier, der in der Nähe des Fundorts professionell Geld gegen Landgüter verliehen habe und an dessen Ladenlokal die Inschrift als Vorlage zu finden gewesen sein könnte.201 Auf die rechtshistorischen Feinheiten soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Von Belang sind hier hingegen die folgenden Beobachtungen. Nahezu seit seiner Auffindung wird in der Forschung diskutiert, ob es sich bei der Inschrift möglicherweise gar nicht um ein authentisches Dokument, sondern vielmehr um ein Muster handelt, welches als Vorlage für tatsächliche mancipationes fiduciae causa dienen sollte, wie es auch der Vorstellung Krügers entspräche.202 Mehrere auf unterschiedlichen Ebenen gelagerte Indizien sprächen für eine solche Interpretation. Zum einen weist das Bronzetäfelchen an verschiedenen Stellen Perforationen zur Aufhängung auf. Reste bronzener Nägel, die bei der Auffindung teils noch in den Löchern steckten, verweisen ebenfalls auf die ursprüngliche Anbringung an einer Wand.203 Eine abgebrochene Platine, die rechts hinter dem unteren Rand noch hervorragt, legt zudem den Schluss nahe, dass die bronzene Vorlage aus mindestens einer weiteren, direkt darunter angebrachten Bronzetafel bestand. Überhaupt entspricht die Gestaltung des Inschriftenträgers mit erhöhtem Rand und angedeuteten Verbindungsriemen (Platine) im Wesentlichen den üblichen Rechtsurkunden, die sich für gewöhnlich aus mehreren tabulae ceratae zu einem Diptychon zusammensetzten.204 Schon die Tatsache, dass trotz der Aufmachung und des Inhalts der Text auf eine für die Öffentlichkeit bestimmte Bronzetafel geritzt wurde, spricht eher für eine modellhafte Funktion des Dokuments.205 Des Weiteren weisen die Angaben zu den beteiligten Personen einige auffällige Charakteristika auf. So treten die beiden Namen Lucius Titius und Caius Seius in den Rechtstexten der Digesten wiederholt als beispielhafte Personennamen auf.206 Hinzu kommt, dass die Namen zweier weiterer Personen nicht genannt werden, die beim formellen Vertragsabschluss vor Ort gewesen sein müssten, um ihn rechts-

200 Krüger 1870: 48. 201 Krüger 1870: 47 f.; dazu auch Bueno Delgado 2004: 161. 202 Für eine Zusammenfassung der diesbezüglichen Forschungsdiskussion s. Bueno Delgado 2004: 156. 203 Hübner 1869: 283; Krüger 1870: 42; Bueno Delgado 2004: 155. 204 Bueno Delgado 2004: 155; Krüger 1870: 44; Rodríguez de Berlanga 1881: 564. 205 Allgemein zu Funktion und Charakteristika von Rechtstexten auf bronzenen Trägern aus der Baetica s. Caballos Rufino 2009: v. a. Nr. V.5 zur „bronce de Bonanza“. 206 Darauf verweist bereits Rodríguez de Berlanga 1881: 563; s. auch Bueno Delgado 2004: 156.

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kräftig zu besiegeln. In ihrem Fall wird lediglich die juristische Funktion erwähnt (libripende …, antestato …), der Name jedoch ausgelassen.207 All diese Auffälligkeiten sprechen eher für eine Funktion als Vorlage, wobei ihr möglicherweise ein authentisches Dokument Modell stand, das in leicht modifizierter Form einfach übernommen wurde. Dies wiederum würde nahelegen, dass derartige Vertragsabschlüsse in der Gegend häufig vorkamen, möglicherweise gerade deshalb, weil ein gewisser Überschuss an immer neuem Schwemmland vorhanden war. Indirekt könnte dies also als weiteres Indiz für die intensive Land- und Weidewirtschaft vor Ort gewertet werden.208 Außerdem stammten die antoninischen Kaiser Trajan und Hadrian aus der Baetica und so bleibt zu vermuten, dass viele ihrer Günstlinge ebenfalls in der Baetica verwurzelt waren und dementsprechend vor allem in Latifundien in eben jener Provinz investierten.209 Doch gerade jene intensive Bewirtschaftung der gesamten Fluss- und Küstenlandschaft trug letztlich dazu bei, dass das gesamte Ästuardelta durch erhöhte Erosion zusehends verlandete. Verpfändetes Land, das in eigenem Interesse entweder durch die Gläubiger oder die Schuldner bewirtschaftet (und vorher gegebenenfalls urbar gemacht wurde), könnte den Prozess der Auflandung weiter beschleunigt haben, indem überschüssiges Wasser dauerhaft künstlich abgeleitet wurde. Freilich muss dies nicht ausschließlich auf verpfändetes, sondern generell auf Schwemmland zugetroffen haben, doch wird die Aussicht auf Gewinne private Anstrengungen zur Trockenlegung in jedem Fall beflügelt haben. Im Gegensatz dazu sind für das Mäander-Delta, wie gezeigt wurde, vor allem städtische Initiativen zum Erwerb von Schwemmland sowie zur Drainage und Kanalisierung bezeugt, die durch den Kaiser staatlich subventioniert und mit entsprechenden Rechten versehen wurden. Profitierten im Baetis-Ästuar vornehmlich Privatpersonen, waren es im Mäander-Delta zunächst vor allem einzelne Stadtgemeinden. Allerdings ist klar, dass auch die ländlichen pagi am Baetis städtischen Verwaltungsbezirken zugeteilt waren. Nur ist hier über die kommunalrechtliche Eingliederung des Neulands in der Form wie dies für den Mäander bezeugt ist weder inschriftlich noch literarisch irgendetwas bekannt. Insgesamt ist für beide Mündungsgebiete das Bestreben zu greifen, das dauerhaft hinzugewonnene Land an der Schnittstelle zwischen Küste und Meer zu eigenen Gunsten aufzuwerten, indem es einer land- oder weidewirtschaftlichen Nutzung zugeführt wurde. So konnten sich an verschiedenen Orten ganz unterschiedliche He207 Bueno Delgado 2004: 155. 208 Zur exakten geographischen Lokalisierung des im Vertrag erwähnten fundus Baianus auf der Grundlage von Toponymen und archäologischen Studien s. Sabio González 2019. 209 Allgemein zur Ausbreitung der Latifundienwirtschaft in Italien und den Provinzen, ausgehend von den senatorischen Führungseliten aus dem Umfeld des Kaiserhauses s. Tietz 2015: 218–226. Zur Lex Manciana für Nordafrika s. Ligt 1998: 239 (vgl. CIL VIII 25902; Cod. Iust. 11,63,1). Gemäß seiner Interpretation diente die Lex vor allem dazu, wohlhabende römische Landbesitzer dazu zu ermuntern, auf ihren weitläufigen Besitzungen in Nordafrika Landgüter einzurichten und zu betreiben, darunter insbesondere im Becken des Bagradas.

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rangehensweisen im Umgang mit neuem Schwemmland herausbilden, die dennoch beide von Staats wegen gefördert oder zumindest gutgeheißen wurden. Urbares Land kam schließlich der Allgemeinheit zugute, sodass der römische Staat das Überführen brachliegender Flächen in Nutzland generell förderte, was sich bereits in den rechtlichen Regelungen zur öffentlichen Nutzung von subseciva gezeigt hat. Auf diese Weise wurde versucht, sich die natürliche Dynamik von Wasserlandschaften trotz ihres unberechenbaren und teils zerstörerischen Charakters zunutze zu machen. Überschwemmungen, Flussverlagerungen und Erosion waren natürliche Prozesse, die nicht aufgehalten werden konnten und in mancherlei Hinsicht sogar nützlich waren. Angesichts dieser Ausgangslage waren sowohl Juristen als auch Feldmesser und anderes Verwaltungspersonal darum bemüht, die potentiellen negativen Auswirkungen von Flusshochwassern vorausschauend auf ein Mindestmaß zu reduzieren und für unvermeidliche Schadensfälle ein Repertoire an rechtlichen Regelungen bereitzustellen. Die Dynamik von Flüssen gehörte zum antiken Alltag und brachte Rechtspraktiken hervor, die an diese landschaftliche Veränderlichkeit angepasst waren. Dass über die rechtlichen und vermessungstechnischen Vorkehrungen hinaus auch auf bauliche Maßnahmen zurückgegriffen wurde, um auf die Flussdynamik zu reagieren, wird das folgende Kapitel zeigen. Insbesondere wird daran deutlich, wie verschiedene Arten des Managements und der Prävention zusammenspielten, vor allem am Beispiel des Tibers. III.2 Ingenieurstechnische Maßnahmen III.2.1 Von der Drainage zum Management a. Der Lacus Velinus Der Veliner See210 lag in den Apenninen zwischen den antiken Siedlungen Reate und Interamna Nahars, heute Rieti und Terni, im Sabinerland etwa 80 km nordöstlich von Rom (Karte 5). Der Seeboden setzt sich aktuell teils aus interglazialem Travertin, aber vor allen Dingen aus Sand, Ton und Torf zusammen. Die heutigen Zuflüsse Velino, Salto und Turano entwässern gemeinsam mit einer Vielzahl nicht perennierender kleinerer Wasserläufe in das Becken. Sein heute permanenter Auslass wird durch den Fluss Velino gebildet, der nordwestlich in den Nera mündet. Der Nera, in römischer

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Das einst ausgedehnte Seebecken wurde inzwischen trockengelegt. Einen ausführlichen Überblick über die natürlichen Gegebenheiten des Seebeckens sowie über die Seenbildung von der Frühzeit bis heute geben Coccia/Mattingly 1992, Coccia et al. 1995 und Camerieri et al. 2009. Aus diesen Arbeiten sind die grundlegenden geowissenschaftlichen Eckdaten, die im Text genannt werden, entnommen.

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Karte 5 Tiber, Nar und der Veliner See im Becken von Reate © Jasmin Hettinger, basierend auf Daten des Ancient World Mapping Center

Zeit Nar genannt, ist ein Zufluss des Tibers. Noch heute befinden sich auf dem Areal mehrere kleine Seen. Einst muss sich dort ein einziger großer See befunden haben, der irgendwann in prähistorischer Zeit nach Norden hin eine Bresche durch das Kalkgestein schlug und an der Stelle Wasserfälle ausbildete. Dadurch verringerte sich der Pegel im Seebecken beträchtlich. Ungeklärt ist bis heute, inwieweit der Seeboden seitdem überhaupt noch einen perennierenden See bildete, oder ob er vielmehr ein großes Sumpfgebiet darstellte, der nur saisonal von Flutwasser eingenommen wurde.211 Für die Eisenzeit ist von archäologischer Seite die letzte intensivere Besiedlung um den See herum auszumachen, die in der Zeit danach bis in die Phase der römischen Eroberung im frühen 3. Jahrhundert v. Chr. stark zurückging. Vermutlich hing dies mit dem wechselhaften Wasserstand des Sees zusammen, doch ist wohl ein Zusammenspiel mit weiteren Faktoren, etwa sozialer und wirtschaftlicher Natur, anzunehmen.212 211 212

Coccia/Mattingly 1992: 215. Camerieri et al. 2009: 337. Zum plötzlichen Anstieg der Uferlinie und dem damit einhergehenden Bevölkerungsrückgang s. auch Alvino/Leggio 1997: 90 mit weiterführender Literatur in Fn. 6.

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Der Auslass über den Fluss Velino, in römischer Zeit Avens genannt, sowie über die Wasserfälle war insofern nicht permanenter Art, als das stark kalkhaltige Wasser immer wieder zu Sinterbildungen am Auslass führte, wodurch der Abfluss über die Fälle blockiert wurde.213 Als Konsequenz staute sich der See immer wieder auf und überschwemmte zeitweise, aber sehr häufig, die Niederungen in der Ebene von Reate, sodass das anstehende Gelände sumpfig war. Dabei sorgten vor allem die beiden kleineren Flüsse Himella (heute Salto) und Turanus (heute Turano) für die plötzlichen Pegelanstiege. Während der Avens hauptsächlich von Quellen gespeist wurde, füllten sich die beiden kleinen Wasserläufe vor allem durch Regen, wodurch sie ein wesentlich weniger konstantes Regime aufwiesen als der Avens.214 Das Sabinerland gelangte im frühen 3. Jahrhundert v. Chr. in direkte Abhängigkeit von Rom. Unter der Führung des mehrfachen Konsuls M’. Curius Dentatus wurde das Gebiet um 290 v. Chr. militärisch eingenommen und in den folgenden Jahren großzügig umgestaltet, indem ein permanentes Drainagesystem angelegt und das Land in Parzellen aufgeteilt wurde.215 So ließ Dentatus die einstigen Abflüsse reinigen und einen Entwässerungskanal anlegen, wodurch die längst versinterten Wasserfälle gleichsam wieder dauerhaft und auf künstliche Weise in Betrieb genommen wurden.216 Diese Wasserfälle existieren in modifizierter Form bis heute, bekannt als ‚Cascate delle Marmore‘. Dentatus ließ den See zwar nicht komplett entwässern, verringerte aber seine Fläche ganz beträchtlich. Das trockengelegte, aber dennoch gut bewässerte Land217 wurde fortan als ager Rosulanus218, Rosea rura219 oder auch schlicht als Rosia220 bezeichnet und war für seine Fruchtbarkeit weithin bekannt.221 Lange Zeit waren die Drainagearbeiten unter der Aufsicht des Dentatus ausschließlich aus den antiken Schriftquellen bekannt, die jedoch keinerlei technische Details über die Anlage des Entwässerungssystems preisgeben.222 Erst in der jüngeren Vergangenheit konnten mithilfe moderner archäologischer Technologien auch direkt vor Ort erkennbare Befunde identifiziert werden, die nähere Auskunft über die Drainage und die Landeinteilung unmittelbar nach der Eroberung des Sabinerlandes geben kön-

213 Plin. nat. 2,226. 214 Camerieri et al. 2009: 327 mit Fn. 6 zu den unterschiedlichen Speisungsarten der Flüsse. 215 Liv. ep. 11; Schubert 2010: 44 und 47; Leveau 2008: 141; Hettinger 2018: 95 f.; Smith 1978: 35. 216 Cic. Att. 4,15,5; Varro bei Serv. georg. 2,201; Varro bei Serv. Aen. 7,712. 217 Plin. nat. 18,263. Plinius (nat. 2,153) erwähnt außerdem, dass am Veliner See täglich Regenbögen zu sehen seien, was sicherlich auf die dort vorherrschende hohe Feuchtigkeit in Luft und Boden hindeutet. 218 Serv. Aen. 7,712; Serv. georg. 2,201. 219 Verg. Aen. 7,712. 220 Cic. Att. 4,15,5. 221 Varr. rust. 1,7,10; Plin. nat. 17,32. 19,174; Bradley 2000: 17. 222 Vgl. Alvino/Leggio 1997: 91; ausführlich zu den Drainagearbeiten und der anschließenden Landverteilung auf Grundlage der Schriftquellen s. Hermon 2001: 173–200.

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nen.223 Die Feldmesser unter Dentatus hatten ein nahezu menschenleeres, sumpfiges Gebiet vorgefunden, das von flachen Tümpeln, trockenen Stellen und Quellen durchzogen war. Vegetation war in dem wasserreichen Gebiet reichlich vorhanden.224 Die Uferlinie des Sees hatte sich bei etwa 375 m über dem Meeresspiegel eingepegelt, während bis zu einer Höhe von 384 m feuchte und teils sehr sumpfige Stellen zurückblieben.225 Die Arbeiten, mit deren Hilfe die saisonal wechselnden Wasserstände und somit das Changieren zwischen See und Sumpf besser unter Kontrolle gehalten werden sollten, sind anhand archäologischer Untersuchungen inzwischen gut nachvollziehbar.226 Zunächst war eine Bresche in den längst versinterten Ausfluss der Cascate delle Marmore geschlagen worden, über die der Avens und die beiden anderen Flüsse dann wieder dauerhaft entwässern konnten. Das Gebiet südwestlich von Reate auf dem Areal des heutigen Voto de’Santi, das noch auf Karten aus dem 15. Jahrhundert Kanäle und Schleusen aufweist, wird in der aktuellen Forschung inzwischen als antikes Hochwasserrückhaltebecken interpretiert.227 Außerdem sorgte das exakt an die Nord-Süd-Achse angepasste Zenturiationsnetz mittels Entwässerungsgräben, die zugleich die Limitationsgrenzen markierten, für eine geordnete und permanente Drainage. Vielleicht sind in dem Zuge sogar die Flussläufe selbst abschnittsweise begradigt und durch Kanäle geleitet worden.228 Diese Vermutung sehen Paolo Camerieri, Andrea de Santis und Tommaso Mattioli dadurch gestützt, dass der heutige Lauf des Velino die einst komplett zenturierte Ebene genau diagonal durchläuft, von Reate her kommend bis zum Ausfluss an den Cascate delle Marmore (Abb. 7). Der vermutete künstliche Kanal wäre damit zugleich dem geradlinigen Verlauf der Via Curia gefolgt.229 Demselben Schema folgten auch zwei andere Vermessungsnetze aus der mittleren römischen Republik: das Limitationsnetz von Spoletium entlang der Via Flaminia230 und das Netz in den Pomptinischen Sümpfen entlang der Via Appia.231 Dort verlaufen die Straßen ebenso diagonal zum Vermessungsnetz. Somit scheint jenes Schema einer damals gän223 224

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Coccia/Mattingly 1992; Coccia et al. 1995; Camerieri et al. 2009. Eine Neubewertung der bekannten Schriftquellen ist deshalb möglich und notwendig, so auch die Forderung von Alvino/Leggio 1997: 89. In diesem Zusammenhang verweisen Alvino und Leggio (Alvino/Leggio 1997: 90) auf die Vielzahl an Heiligtümern und heiligen Hainen im Sabinerland, die der dea Vacuna geweiht waren. Jene italische Göttin wurde mit dichten Wäldern und insbesondere mit Wasser, vor allem mit Seen und Quellen, in Verbindung gebracht. Camerieri et al. 2009: 327. Aus geowissenschaftlicher Sicht s. dazu insbesondere Camerieri et al. 2009: 329–338. Camerieri et al. 2009: 329. Warum sich die Funktion als Hochwasserrückhaltebecken nicht über die Antike hinaus erhalten hat, beantworten die Autoren damit, dass es dazu einer permanenten Instandhaltung und eines immer gleichbleibenden hydrologischen Zyklus bedurft habe, der in dem Fall nicht gegeben war (ebd.: 333). Camerieri et al. 2009: 329. Zu Datierung und Verlauf der Via Curia s. auch Montero Herrero 1980. Schubert 2010: 67–69. Schubert 2010: 53; Leveau 2008: 141.

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

Abb. 7 3D-Modell des Beckens von Reate (Camerieri et al. 2009: 328, Abb. 1)

gigen Praxis zu folgen.232 Der Flusslauf des Turano, der ebenfalls die Ebene durchzog, stimmt auffallend mit der Ausrichtung der römischen Vermessungsnetze überein, 232

Camerieri et al. 2009: 333. In dem Zusammenhang reden die Autoren von einem „Velino quasi totalmente canalizzato“, ohne jedoch auf konkrete archäologische Befunde für eine Kanalisierung verweisen zu können. Lediglich die heutige Ausrichtung des Flusslaufes sowie der Vergleich mit den beiden anderen genannten Limitationsnetzen wird von ihnen zur Beweisführung herangezogen.

Ingenieurstechnische Maßnahmen

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Abb. 8 Rekonstruktion des Limitationsnetzes von Reate (Camerieri et al. 2009: 331, Abb. 4)

sodass Camerieri, de Santis und Mattioli auch beim Turano davon ausgehen, dass er in der römischen Antike künstlich umgeleitet wurde (Abb. 8). Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass ein Teil des ungebremst aus den Bergen kommenden Flutwassers der beiden torrentiellen Wasserläufe bei Reate über einen Kanal abgeleitet worden sein könnte. Zumindest die Hochwasserspitzen könnten da-

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

durch entlastet worden sein. Außerdem waren Wassergräben, die römische viae säumten, keine Seltenheit. Dass der Fluss Avens als Ganzes kanalisiert und der Via Curia folgend über die gesamte Ebene hinweg begradigt worden sein könnte, ist hingegen auf der Grundlage einer Bemerkung im Liber coloniarum eher auszuschließen, doch verlangt diese Überlegung eine etwas ausführlichere Erklärung. Im erwähnten Liber coloniarum ist die Rede davon, dass die Landeinteilung von Reate in sogenannten strigae (Längsstreifen) und scamna (Querstreifen oder Bänke)233 erfolgt sei, jedoch innerhalb einer regulären Zenturiation.234 Diese strigae und scamna waren alte republikanische Parzellierungen, die bereits lange vor der später etablierten Einteilung von Land in quadratische centuriae verbreitet war. Das Verfahren wurde dementsprechend als scamnatio bezeichnet. Ein zentrales Achsenkreuz gab es in dieser frühen Form der republikanischen Landvermessung anfänglich nicht, sodass die meist langrechteckigen Landlose sich zwar an Hauptstraßen ausrichteten, doch im Wesentlichen eher an die topographischen und hydrologischen Gegebenheiten angepasst waren.235 Die Parzellengrenzen markierten somit zugleich die Richtung des natürlichen Wasserabflusses und setzten sich aus Entwässerungsgräben zusammen. Von einem eben solchen Verfahren ist für den wasserreichen ager Reatinus auszugehen,236 zumal selbst nach der Trockenlegung die Ebene weiterhin sehr gut bewässert blieb.237 Allerdings scheint es auf dem ager Reatinus zu einer geodätischen Neuerung gekommen zu sein: Es muss zusätzlich ein regelmäßiges Zenturiationsraster über die Ebene gelegt worden sein, was an heutigen Straßenverläufen teils noch gut nachweisbar ist.238

233 Vgl. Schubert 2010: 43 für die Übertragung ins Deutsche. 234 Dazu s. Liber Coloniarum II, C 198,5 = L 257,26–27: Reate. ager eius per strigas et per scamna in centuriis est assignatus. – „Reate. Ihr Territorium wurde nach strigae und scamna innerhalb von Zenturien verteilt.“ Zwar bezieht sich der Text, wie Schubert 2010: 44 richtig bemerkt, auf die Verhältnisse des 4. und 5. nachchristlichen Jahrhunderts, doch ist wegen des expliziten Verweises auf eine scamnatio bei Reate davon auszugehen, dass sich die republikanischen Vermessungslinien im Wesentlichen erhalten hatten. Dies ist umso wahrscheinlicher, als die Grenzen sicherlich mithilfe von Drainagegräben kenntlich gemacht worden waren. Entwässerungsgräben folgten ihrerseits immer der Richtung der natürlichen Fließrichtung des Wassers, sodass schon deshalb davon auszugehen ist, dass das republikanische Netz weitgehend intakt geblieben war. Zur Ausrichtung römischer Vermessungsnetze an den hydrologischen Gegebenheiten s. Dall’Aglio 2009; Willi 2014; auch Hinrichs 1974: 57 in Bezug auf die frühen republikanischen scamnationes, die sich den Charakteristika des Geländes anpassten, insbesondere denen langgestreckter Flusstäler, die somit noch keiner Hauptachse folgen. 235 Zu den Charakteristika der scamnatio s. insbesondere Hinrichs 1974: Kapitel II, 23–48; Schubert 2010: 43–51. Heimberg 1977: 18 spricht wegen der typischen langrechteckigen Form der Parzellen auch von „Vermessung in Streifen“. 236 Alvino/Leggio 1997: 92. 237 Cic. Att. 4,15,5. 238 Zur Identifizierung der strigae und scamna s. auch Hinrichs 1974: 41–43. Die prinzipielle Ausrichtung der Streifen an den Fernstraßen als Spuren einer Zenturiation glaubt Heimberg (Heimberg 1977: 22 und v. a. 79 zu Abb. 12) ausmachen zu können.

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Die Ebene bei Reate war für die Anlage eines solch regelmäßigen und quadratischen Vermessungsnetzes ideal, da sie sich von Natur aus schon geradezu quadratisch zwischen den Bergen hinstreckt.239 Trotzdem könnte die zusätzliche Einteilung in Zenturien auch erst in späterer Zeit erfolgt sein. Jedenfalls ist bekannt, dass vermutlich unter Augustus und sicher unter Vespasian jeweils erneut Assignationen auf dem ager Reatinus stattfanden.240 Insgesamt spricht der Verweis auf strigae und scamna im Text des Liber coloniarum wohl eher dafür, dass in republikanischer Zeit nicht der gesamte Lauf des Avens kanalisiert und diagonal über die Ebene geführt worden ist, sondern höchstens ein Teil des Flusswassers durch einen Graben (heute cava Curiana genannt) der Via Curia folgend abgezweigt wurde. Der eigentliche, mäandrierende Flusslauf hingegen zwang die Feldmesser des Dentatus vermutlich dazu, die Parzellen zwischen den Mäanderschleifen jeweils gemäß der natürlichen Fließrichtung anzulegen, um dadurch ihre permanente Entwässerung zu gewährleisten.241 Über die rechtlichen und politischen Zugehörigkeiten des entwässerten Landes ist bekannt, dass es teils konfisziert, zu ager quaestorius erklärt und damit zu öffentlichem Gut Roms gemacht wurde, während andere Teile des Landes viritan (viritim an Einzelpersonen) vergeben wurden.242 Dabei werden sich die Melioration und die erst nach Abschluss der Drainage mögliche Landverteilung wohl mehrere Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte hingezogen haben.243 Jedenfalls wurde erst im Jahr 241 v. Chr. eine zuge-

239 Camerieri et al. 2009: 329. Die erste Zenturiation bestand den geoarchäologischen Studien zufolge aus zunächst 10 × 10 Zenturien, von den Autoren auch als „Metazenturie“ (ital.: metacenturia) bezeichnet; ebd.: 334. Das Vermessungsnetz wurde im Laufe der späten Republik und der Kaiserzeit, wie sich ebenfalls am Bodenbefund nachweisen lässt, sukzessive erweitert; ebd.: 337. 240 Campbell 2000: 431 zu Fn. 188. Da das Liber Coloniarum II auf Schriften aus augusteischer Zeit zurückgeht (dazu s. Kapitel I.3.2), müsste die Zenturiation Reates spätestens unter Augustus angelegt worden sein (ebd.); Liber Coloniarum, C 188,2–5 = L 239,14–19. Dagegen hält Schubert 2010: 54 die mit 50 iugera (10 × 10 actus) recht kleinen Zenturien für Zeugnisse der ersten überhaupt durchgeführten Zenturiation der römischen Republik, was sich wiederum mit der Beobachtung von Camerieri et al. 2009: 329 deckt, dass der ager Reatinus auffallend regelmäßig und rechteckig und daher ideal geeignet für eine Zenturiation sei. Zur Zenturiengröße der Landlose auf dem ager Reatinus s. Siculus Flaccus, C 102,34–104,3 = L 136,14–19 = T 100,7–13. 241 Auch Campbell 2000: 431 zu Fn. 188 vermutet hinter der Landeinteilung von Reate in strigae und scamna eine direkte Reaktion auf den Wasserreichtum und sieht die Maßnahme deshalb als notwendig an, um eine permanente Entwässerung der Ebene zum Schutz vor Hochwasser gewährleisten zu können. Zum Vorhandensein eines zusätzlichen Zenturiationsnetzes äußert er sich an der Stelle allerdings nicht. 242 Commentum, C 68,28 = L 21,10 = T 67,2–3; Siculus Flaccus, C 104,5–7 = L 137,1–4 = T 100,16–19; Schubert 2010: 39. Unter ager quaestorius wird ager publicus verstanden, der unter Aufsicht von Quaestoren für die Kaufpacht freigegeben wurde. Das Land war zuvor von durch Rom unterworfenen Feinden konfisziert worden. 243 Auch Camerieri et al. 2009: 333 f. sehen die Verzögerung in der Einrichtung der tribus hauptsächlich in dem schwierigen wasserbautechnischen Unterfangen begründet und verweisen darauf, dass die Drainagearbeiten in den Pomptinischen Sümpfen im 4. Jahrhundert v. Chr. oder die am Fuciner See unter Kaiser Claudius sich ebenfalls über mehrere Jahre hinzogen; zum Lacus Fucinus s. Suet. Claud. 20,2; Plin. nat. 36,124, dazu Thornton/Thornton 1985; Grewe 1998: 96 f. sowie

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hörige tribus Velina für das Sabinerland neu geschaffen.244 Zwar sind durchaus auch Verzögerungen aus politischen und sozialen Gründen denkbar,245 doch lässt sich eine Koinzidenz mehrerer Faktoren nicht ausschließen. Jedenfalls machten sich die langwierigen Arbeiten aber durchaus bezahlt, galt der ager Reatinus doch für lange Zeit als Kornkammer Roms.246 Außerdem scheint in der Zeit nach der Einrichtung der neuen tribus der spätere Zensor C. Flaminius die Politik des Dentatus in der Gegend weitergeführt zu haben, denn auch unter seiner Ägide wurden weitere Assignationen auf dem trockengelegten Gebiet vorgenommen und das Sabinerland über die nach ihm benannte Via Flaminia verkehrstechnisch an Rom angeschlossen.247 Auf der trockengelegten und vor allem agrarisch genutzten Fläche konnten archäologische Spuren von villae rusticae und sogar Hinweise auf mindestens einen vicus ausgemacht werden, während auf den angrenzenden Anhöhen vor allem Luxusvillen auszumachen sind.248 Die Drainage scheint also zumindest soweit verlässlich funktioniert zu haben, dass permanente Strukturen auf den neugewonnenen Flächen keinem unmittelbaren Überflutungsrisiko mehr ausgesetzt waren. Der Aufstieg zur Siedlung von Reate, die am äußeren südöstlichen Rand der Ebene auf einer Anhöhe lag, war dennoch mittels einer 30 m lange Brücke über den Avens und einer angeschlossenen Viaduktbrücke zusätzlich gesichert – die Überführung war wegen des weiterhin sumpfigen Uferbereichs angelegt worden.249 An kleineren Gebirgsbächen im Becken von

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ausführlich im folgenden Kapitel III.2.2b. Außerdem wäre es denkbar, dass gerade in jener Zeit auch besonders harsche und feuchte Witterungsverhältnisse die Wasserbauarbeiten zusätzlich erschwerten. So ist etwa für den Winter 270 v. Chr. überliefert, dass der Tiber (in Rom) gänzlich zugefroren gewesen sei; Zonaras 8,6; Aug. civ. 3,17; Frei-Stolba 1987: 111–116. Triebel 1980: 10; Taylor 1960: 63 f. und 152–154. Letztere zieht es aus Gründen der verspäteten Tribuseinteilung allerdings vor, die tribus Velina eher auf dem Territorium der Praetutti zu verorten, während sie für die Reatiner im Sabinerland von einer Zuteilung zur tribus Quirina ausgeht. Die laut Velleius Paterculus (Vell. 1,14,6) mit dem „Bürgerrecht ohne Stimmrecht“ (civitas sine suffragio) ausgestatteten Sabiner identifiziert sie daher ausschließlich mit den Bewohnern von Cures Sabini (vgl. Liv. 1,13,4); in diesem Sinne auch kurz Campbell 2012: 20 mit Fn. 73; vgl. Hermon 2001: 187–196. Schubert 2010: 53 f.; Triebel 1980: 10–17. Immerhin fielen, neben inneritalischen Kämpfen um die Vorherrschaft, sowohl der Krieg gegen Pyrrhos als auch der erste große Krieg gegen die Seemacht Karthago, der Erste Punische Krieg, genau in diese Zeitspanne. Taylor 1960: 63 f. und 152 hält die starke politische Opposition gegen den homo novus M’. Curius Dentatus für den Hauptgrund der Verzögerung. Varr. rust. 1,7,10; Plin. nat. 17,32; 19,174; Bradley 2000: 17. Triebel 1980: 14. Alvino/Leggio 1997: 92 f. Fundamentreste des Viadukts fanden sich in den Kellern der heute dort befindlichen Gebäude; Camerieri et al. 2009: 329–333; Esch 1997: 119 f. Die Brücke ist heute baufällig. Sie bestand aus insgesamt drei Bögen, wovon der mittlere immerhin eine Spannweite von 12 m aufwies bei einer Breite von 6 m. Auf der Fahrbahn sind noch tief eingefurchte Radspuren zu erkennen.

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Reate konnten weitere archäologische Spuren von römischen Brücken ausfindig gemacht werden, die jedoch in gemischter Bauweise errichtet worden waren.250 Nicht weit vom unteren Ende der Cascate delle Marmore entfernt lag die umbrische Siedlung Interamna Nahars direkt an den Ufern des Nar. Ihre römische Kolonisierung begann gegen Ende des 4. oder zu Beginn des 3. vorchristlichen Jahrhunderts, möglicherweise zeitgleich mit der Eroberung des benachbarten Sabinerlandes um Reate.251 Wegen des hohen Wasseraufkommens der neugeschaffenen Wasserfälle litt die römische Gründung wohl von Anfang an unter saisonalen Hochwassern.252 Cicero selbst hatte sich seinerzeit im Jahr 54 v. Chr. als Anwalt für Reate stark gemacht, das wegen der Ableitung des Veliner Sees mit Interamna im Streit lag. So weiß Cicero von dem Besuch seines Freundes Axius zu berichten, der in der Gegend um den See eine Villa besaß: His rebus actis Reatini me ad sua Τέμπη duxerunt ut agerem causam contra Interamnates apud consulem et decem legatos, quod lacus Velinus a M’. Curio emissus interciso monte in Narem defluit; ex quo est illa siccata et umida tamen modice Rosia. vixi cum Axio, quin etiam me ad Septem Aquas duxit. Nach diesen Vorgängen führten mich die Reatiner in ihr Tempetal. Ich sollte ihre Sache gegen die Interamnaten vor dem Konsul und zehn Beauftragten vertreten. M’. Curius hat seinerzeit das Gebirge durchstochen und so dem Velinersee einen Abfluss geschaffen, der nun in den Nar abfließt; infolgedessen ist nun die berühmte Rosia trockengelegt, aber doch immer noch hinreichend feucht. Quartier hatte ich bei Axius, der mich sogar nach den Sieben Wassern führte.253

250 Alvino/Leggio 1997: 93. Im anstehenden Fels am Bachbett eines kleinen Gebirgsbaches, dem Corese bei Ponte Mercato, konnte beispielsweise eine Einlassung für eine hölzerne Konstruktion ausgemacht werden. Auf der anderen Seite, auf der es keinen gewachsenen Fels gab, muss die hölzerne Fahrbahn auf einem künstlichen Pfeiler aufgesessen haben, ähnlich einer anderen alten Brücke in derselben Gegend. 251 Bradley 2000: 6. An derselben Stelle hatte sich freilich schon eine vorrömische Siedlung befunden; ebd.: 12. Für neuere archäologische Studien zur Urbanität von Interamna Nahars mit Konzentration auf die spätantike und frühmittelalterliche Siedlungsperiode s. Angelelli/Zampolini Faustini 2006. 252 Bradley 2000: 4. Schon der römische Name der Siedlung verweist auf ihre amphibische Natur und implizit auf ihre Anfälligkeit für Überschwemmungen; vgl. Varro ling. 5,4: Oppidum Interamna dictum, quod inter amnis est constitutum. – „Die Siedlung Interamna wird so genannt, weil sie zwischen [zwei] Flüssen gegründet wurde.“ 253 Cic. Att. 4,15,5. Übersetzung: Helmut Kasten (Kasten 2011). Die Bemerkung Ciceros, dass die Reatiner ihn in „ihr Tempe(-tal)“ geführt hätten, ist eine Anspielung auf die mythischen Hochwasserkatastrophen in der griechischen Landschaft Thessalien, in der es ein Karstgebirgstal namens Tempe gab, und welches in mehreren Sintflutmythen den Hauptschauplatz darstellt. Es diente Cicero an der Stelle offensichtlich als Referenzpunkt oder gar als Inbegriff eines karstigen, überschwemmungsgefährdeten Tals innerhalb einer geschichtsträchtigen Landschaft; zum Aspekt der katastrophenbezogenen Mythenbildung in Landschaften bereits weiter oben in Kapitel II.3.3.

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Wie Cicero auch an anderer Stelle klarstellt, ging es in dem Streit um das Entwässerungssystem des Veliner Sees.254 Möglicherweise hatten die Interamnaten als Unterlieger eine Eindämmung oder Verkleinerung des Auslasses gefordert. Die Sieben Wasser, Septem Aquae, waren ein Verwaltungsbezirk (pagus) von Reate auf dem trockengelegten Gebiet.255 Wegen seiner vielen Seen und Quellen, die auch nach der Drainage dort verblieben waren, galt der pagus als beliebter Freizeitort.256 Allerdings scheint man im Zuge der Entwässerungsarbeiten auch das Wasser aus den Septem Aquae in einem Kanal gesammelt und kontrolliert abgeleitet zu haben. Jedenfalls wird für den heutigen Canale di S. Susanna ein römischer Ursprung vermutet, der aktuell das Wasser aus den zahlreichen Quellen direkt in den Velino ableitet.257 Der Antiquar Varro war ebenfalls mit dem oben genannten Axius bekannt, denn auch sein Begleiter Appius war wegen eines Streites zwischen Interamna und Reate an den Veliner See gekommen und bei der Gelegenheit bei Axius eingekehrt.258 Da Varro und Cicero Zeitgenossen waren, wird es sich in beiden Fällen um denselben Rechtsstreit gehandelt haben.259 Zudem scheint eine aus Interamna stammende spätrepublikanische Inschrift Arbeiten an einem See zu belegen, die vermutlich von höchster politischer Wichtigkeit gewesen waren, da in ihr ein ranghoher Magistrat als Verantwortlicher genannt wird.260 Eine weitere aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. stammende Inschrift zeugt von der Errettung der gesamten Gemeinde Interamna „aus größten Gefahren und Schwierigkeiten“ (ex summis pereiculeis et difficultatibus expeditum / et conservatum) durch den geehrten Stadtpatron, was sich ebenfalls auf den Wasserstreit zwischen Interamna und Reate beziehen könnte.261 Selbst der epigraphische Hinweis auf die Pflasterung eines Weges oder Vorplatzes vor einem Tempel in Interamna könnCic. Scaur. 2,27: … causa[m] de Velini fluminibus et cuniculis … CIL IX 4206; CIL IX 4207 = ILS 5015 = AE 1993, 585; CIL IX 4399 = ILS 5015a. Uggeri 2001; Suet. Vesp. 24; Esch 1997: 120 f. Alvino/Leggio 1997: 92. Varr. rust. 3,2,3. Zumpt 1837 vermutet sogar, dass das gesamte Ableitungsprojekt erst ein zeitgenössisches, privates Drainageprojekt aus der späten Republik gewesen sein könnte, indem er den M’. Curius aus dem Brief Ciceros mit dessen gleichnamigem Briefpartner (Cic. fam. 7,28;7,30;7,31) identifiziert. Dagegen s. die überzeugenden Ausführungen von Montero Herrero 1980. 260 Die Arbeiten sollen unter Aufsicht eines der städtischen Magistrate, eines IIIIvir, gestanden haben. So jedenfalls glaubt Bradley 2000: 10 den Inschriftentext zu verstehen: CIL XI 4221 (p 1366) = CIL I2 p 682 = CIL I2 p 1078 = ILLRP 615 mit CIL XI 4222: […] Valer[ius … f(ilius) …]ius Sex(ti) f(ilius) IIIIvir(i) / [l]ạcus aqụ[ae ductum(?)] fac(iendum) coer(averunt). Allerdings macht er nur ungenügend deutlich, dass der Inschriftentext sich eigentlich aus zwei Inschriftensteinen zusammensetzt, deren Zusammengehörigkeit wohl nicht zweifelsfrei zu klären ist. 261 So die Vermutung von Bradley 2000: 10 unter Bezugnahme auf Gaggiotti et al. 1980: v. a. 37– 38 mit einer topographisch-archäologischen Beschreibung des Geländes. CIL I2 2510 = CIL XI 4213 = ILS 6629 = ILLRP 364: A(ulo) Pompeio A(uli) f(ilio) / Clu(stumina) q(uaestori) patrono / municipi(i) Interamnat(is) / Nahartis quod eius / opera universum / municipium ex summis / per{e}icul{e} is et diffi/cultatibus expeditum / et conservatum est ex / testamento L(uci) Licini T(iti) f(ilii) / statua statuta est. 254 255 256 257 258 259

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te ein Hinweis auf vorherige Flutschäden sein.262 Fest steht jedenfalls, dass die beiden Streitparteien Reate und Interamna nach einem Tiberhochwasser 15 n. Chr. erneut Gehör in Rom fanden.263 Was den Fall von Reate und Interamna so interessant macht, ist eben jene Aufmerksamkeit, die dem Streit in der Stadt Rom schon seit republikanischer Zeit beigemessen wurde. Dies lässt sich sicherlich nicht zuletzt mit der politischen Zugehörigkeit der Bürger des ager Reatinus zur tribus Velina (bzw. Quirina264) erklären. Rom hatte für deren Rechte zu garantieren. Reate gehörte außerdem einer römischen praefectura an, die unter den Kompetenzbereich des praetor urbanus von Rom fiel.265 Auch Cicero als Anwalt der Reatiner sah es als politische Pflicht an, Reate wegen der wichtigen Bedeutung der praefectura im Rechtsstreit gegen die Interamnaten zu helfen.266 Die Bedeutung der praefectura von Reate lag vermutlich sowohl in ihrer außerordentlich hohen agrarischen Produktion begründet als auch in ihrer engen Verbundenheit zu Angehörigen der römischen Senatsaristokratie, die dort Villen besaßen und enge Kontakte zur ortsansässigen Bevölkerung pflegten. Die Tatsache, dass es ein römischer Konsul gewesen war, der für den Durchstich der Cascate delle Marmore gesorgt hatte, wird hingegen nur bedingt ein Grund für das starke Interesse der Römer gewesen sein. Viel entscheidender war wohl, dass Avens und Nar letztlich Zuflüsse des Tibers waren und Rom nun einmal an dessen Unterlauf lag. Hochwasserwellen an Avens und Nar waren also früher oder später auch in der Hauptstadt selbst zu spüren. So markierte das Jahr 54 v. Chr., in welchem Cicero die Sache der Reatiner gegen die Interamnaten verteidigte, auch für die Stadt Rom ein katastrophales, von einer schlimmen Tiberflut geplagtes Jahr.267 Wohl schon wegen der eigenen Betroffenheit als Unterlieger war der römische Senat dazu angehalten, sich des Wasserstreits im Einzugsgebiet des Tibers anzunehmen. Einige Jahrzehnte später, im Jahr 15 n. Chr. und somit kurz nach dem Regierungsantritt des Kaisers Tiberius, kam es erneut zu einer schweren, mehrere Tage andauernden Flut in Rom.268 Schäden an Gebäuden und der Verlust von Menschenleben

262 CIL XI 4216 = Suppl. It. 19, 2002, 70. Leider stammen die meisten archäologischen Befunde aus der augusteischen Zeit, während die republikanische Phase und erstaunlicherweise auch die hohe Kaiserzeit und die Spätantike archäologisch kaum zu greifen sind (Angelelli/Zampolini Faustini 2006: 219). Somit lassen sich bisher kaum eindeutige archäologische Hinweise auf größere Flutereignisse in Interamna für die späte Republik fassen. Ein topographisch-archäologischer Überblick über die antiken Zeugnisse Interamna Nahars findet sich bei Gaggiotti et al. 1980: 36–46. 263 Tac. ann. 1,79; dazu auch weiter unten in diesem Kapitel. 264 Taylor 1960: 152. 265 CIL IX 4677; Cic. nat. deor. 2,6,5; Cic. Scaur. 27; Val. Max. 1,8,1b; Fest. 232 L. Noch mindestens in die augusteische Zeit hinein blieb Reate römische praefectura; Campbell 2000: 431 zu Fn. 188; Camerieri et al. 2009: 341. 266 Cic. Scaur. 2,27. 267 Cic. ad Q. fr. 3,7,1 bzw. 3,5,8; Cass. Dio 39,61,1–62,1 und 39,63,1–3. 268 Tac. ann. 1,76; Cass. Dio 57,14,7–8.

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waren die Folge, außerdem waren die niedrig gelegenen Stadtteile nur noch per Boot zu erreichen. Wegen des verheerenden Ausmaßes der Flut wurde im Senat mit dem neuen Kaiser über die nötigen Bewältigungsmaßnahmen diskutiert. Unter dem ersten Eindruck der Überschwemmung schlug Asinius Gallus zunächst vor, die Sibyllinischen Bücher zu konsultieren – eine auf republikanische Gepflogenheiten zurückgehende Praktik zur Bewältigung von Tiberüberschwemmungen.269 Und auch innerhalb der Stadtbevölkerung wurde die Flut wohl überwiegend als göttliches Zeichen aufgefasst.270 Angesichts einer solchen Stimmung bei Senat und plebs konnte es sich der Kaiser nicht leisten, untätig zu bleiben.271 Allerdings lehnte er die Befragung der Bücher ab. Stattdessen bestand er auf einer technischen Lösung zur Eindämmung des Flusses, um auf diese Weise künftige Überschwemmungen unter Kontrolle zu bringen.272 Laut Tacitus beauftragte er zunächst die beiden Senatoren Ateius Capito und L. Arruntius mit der Ausarbeitung der Pläne. In einer weiteren Textstelle gibt Tacitus dann Details zum Fortschritt der Gutachten und Planungen an. Neben Informationen zur technischen Ausarbeitung des Hochwasserschutzes geht daraus auch klar hervor, welche entscheidende Rolle dabei den Oberliegern Interamna und Reate zukam. Da die Quellenstelle in der Forschung zum antiken Umgang mit Naturkatastrophen rege rezipiert wurde, soll der Text hier in Gänze wiedergegeben werden: Actum deinde in senatu ab Arruntio et Ateio an ob moderandas Tiberis exundationes verterentur flumina et lacus, per quos augescit; auditaeque municipiorum et coloniarum legationes, orantibus Florentinis ne Clanis solito alveo demotus in amnem Arnum transferretur idque ipsis perniciem adferret. Congruentia his Interamnates disseruere: pessum ituros fecundissimos Italiae campos, si amnis Nar (id enim parabatur) in rivos diductus superstagnavisset. Nec Reatini silebant, Velinum lacum, qua in Narem effunditur, obstrui recusantes, quippe in adiacentia erupturum; optume rebus mortalium consuluisse naturam, quae sua ora fluminibus, suos cursus utque originem, ita finis dederit; spectandas etiam religiones sociorum, qui sacra et lucos et aras patriis amnibus dicaverint: quin ipsum Tiberim nolle prorsus accolis fluviis orbatum minore gloria fluere. Seu preces coloniarum seu difficultas operum sive superstitio valuit, ut in sententiam Pisonis concederetur, qui nil mutandum censuerat.

269 Aldrete 2007: 224; Montero Herrero 2012: 302 f. Asinius Gallus gehörte den XVviri sacris faciundis an (ILS 5050), unter deren Obhut die Bücher standen, sodass der Vorschlag seinerseits naheliegend erscheint; Bianchi 2017: 102 mit Fn. 31; Deeg 2019: 55 f. Bereits unter Augustus waren jene Schriftsammlungen in den Apollontempel transferiert worden, worin eine Monopolisierung der Deutungshoheit beim Pontifikalkollegium, dem der Kaiser seit der Übernahme des Oberpontifikats vorstand, zu erkennen sein könnte, ohne dem Senat das letzte Entscheidungsrecht zu nehmen; Deeg 2019: 54; Montero Herrero 2012: 292. 270 Cass. Dio 57,14,7. 271 Leveau 2008: 138; Bianchi 2017: 107; wie Deeg 2019: 56 f. 272 Bianchi 2017: 102; Deeg 2019: 55 f.

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Weiter wurde im Senat von Arruntius und Ateius angeregt, ob man nicht, um die Überschwemmungen des Tiber einzuschränken, die Flüsse und Seen ableiten könne, die ihn zum Anschwellen bringen; man hörte dazu Abordnungen aus den Munizipien und Kolonien. Dabei baten die Florentiner, man solle sich nicht durch die Ableitung des Clanis aus dem gewohnten Bett in den Arno in eine verhängnisvolle Lage bringen. Eine damit übereinstimmende Ansicht trugen die Interamnaten vor: Zugrundegehen würden die fruchtbarsten Gefilde Italiens, wenn der Nar – das nämlich plante man – in Kanäle eingeleitet und (kontrolliert) zum Überlaufen gebracht würde. Auch die Reatiner schwiegen nicht, indem sie sich dagegen wehrten, dass der See Velinus da, wo sich sein Ablauf in den Nar ergießt [Cascate delle Marmore], abgedämmt werde; denn er werde das angrenzende Land überfluten: Aufs beste habe für das Wohl der Menschen die Natur [natura] gesorgt, die den Flüssen ihre Mündung, ihren Lauf und wie die Quelle, so auch das Ziel angewiesen habe; beachten müsse man auch die Religion [religio] der Bundesgenossen, die den heimischen Flüssen Heiligtümer, Haine und Altäre gewidmet hätten; ja der Tiber selbst wolle nicht seiner Nebenflüsse gänzlich beraubt in minderer Herrlichkeit dahinströmen. Die Bitten der Kolonien oder die Schwierigkeiten des Unternehmens oder auch die religiösen Bedenken gewannen die Oberhand, so dass man der Meinung des Piso beitrat, der beantragt hatte, dass nichts geändert werden solle.273

Viele bedeutende Aspekte der antiken hydrologischen Kenntnisse sowie Aspekte des politischen Selbstverständnisses vom Rom sind dieser Textstelle zu entnehmen, doch sollen zunächst die im Senat erörterten Ingenieursprojekte kurz erläutert werden. Die Flussregulierungspläne sahen Folgendes vor: Der Clanis (Chiana) als Tiberzufluss sollte gegebenenfalls in den nördlich gelegenen Arno abgeleitet werden, was freilich bei den Bewohnern der caesarischen Kolonie Florentia am Arnoufer auf wenig Gegenliebe stieß.274 Der Nar sollte bei Interamna kanalisiert und sein Flutwasser in einer Art Hochwasserrückhaltebecken gespeichert werden, was jedoch zur Verringerung der Anbauflächen am Ufer und somit zu Ernteeinbußen geführt hätte, wie die Interamnaten anmerkten.275 Interessant ist aber vor allem die Argumentation der 273 Tac. ann. 1,79. Übersetzung nach Erich Heller (Heller 2010). Dazu s. auch Aldrete 2007: 185–188; Montero Herrero 2012: 302–307; Hettinger 2018; Keenan-Jones 2013: 246–253; Deeg 2019: 55–58; Leveau 2008: 142 f.; Campbell 2012: 118 f.; Storchi Marino 2009: 199 f.; Camerieri/Mattioli 2013. 274 Leveau 2008: 141. 275 Schon Leveau (ebd.: 142) macht darauf aufmerksam, dass der Text an der Stelle schwer zu übersetzen ist. Der Wortlaut amnis Nar (…) in rivos diductus superstagnavisset deutet seiner Meinung nach darauf hin, dass der Nar über Kanäle abgeleitet und – zumindest während der Hochwasserperioden – kontrolliert aufgestaut und dadurch zurückgehalten werden sollte. Damit wären ufernahe Bereiche um Interamna dem erweiterten Überschwemmungsgebiet zum Opfer gefallen, was von der Stadt selbstverständlich moniert wurde. Eine ähnliche Vorrichtung hatten bereits die Reatiner südwestlich ihrer Stadt eingerichtet (Voto de’Santi), sofern die aktuelle archäologische Interpretation zutrifft, vgl. Camerieri et al. 2009: 329; Camerieri/Mattioli 2013: 21.

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Reatiner. Im Gespräch war offenbar auch, die Einmündung des Veliner Sees in den Nar über die Cascate delle Marmore wieder einzudämmen, womit also das Werk des Dentatus gleichsam rückgängig gemacht würde. Der Einwand Reates lautete Tacitus zufolge nun, dass schon die Natur (natura) zum Besten des Menschen sorge, worin sich Grundzüge der stoischen Philosophie wiederfinden.276 Der künstliche Ausfluss des Dentatus wurde also als Werk der Natur dargestellt, welches man nicht verändern solle – zumal sich dadurch der Veliner See hinter Reate aufgestaut und die trockengelegten, ertragreichen Ackerflächen wieder unter Wasser gesetzt hätte.277 Wollte man den Römern etwa schmeicheln, indem man ein römisches Bauprojekt als naturgegeben darstellte? Oder war den Zeitgenossen der künstliche Ursprung der Wasserfälle inzwischen nicht mehr geläufig? Letzteres ist kaum wahrscheinlich.278 Der Verweis auf eine menschenfreundliche Natur verlieh dem Argument hingegen einen zusätzlichen Charakter der Unantastbarkeit durch Sakralisierung. Denkbar wäre an der Stelle außerdem, dass die Reatiner in ihrer Verteidigungsrede Anleihen bei Ciceros alter Gerichtsrede gemacht hatten.279 Im Grunde genommen wäre dies ein naheliegendes und probates Mittel gewesen: Die Interessenslage war damals weitgehend dieselbe – Reate war in beiden Fällen Oberlieger – und es ist leicht vorstellbar, dass die flutgeplagten Interamnaten ähnlich wie nun die Römer schon damals für den Rückstau des Veliner Sees oder zumindest für die Verkleinerung des Auslasses eingetreten sein könnten. Die Rede, die Cicero zugunsten der Reatiner 54 v. Chr. vor Gericht gehalten hatte, ist zwar nicht überliefert, doch könnten andere ciceronianische Werke Aufschluss über seine Argumentationskette liefern. Allein in seiner Schrift „Über das Wesen der Götter“ äußert er sich an mehreren Stellen über das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, insbesondere im Zusammenhang mit menschlichen Eingriffen in den Naturhaushalt. Dort vertritt er gemäß der Stoa die Meinung, dass der Mensch grundsätzlich für Ordnung in der Natur sorge, indem er gleichsam als oberster Verwalter lenkend in natürliche Prozesse eingreife und dadurch den natürlichen Lebensraum zum Besten für Mensch, Tier und Pflanzen umgestalte.280 An anderer Stelle wird Cicero noch deutlicher und setzt zudem die 276 Zur Denkfigur der für die Menschen sorgenden Natur s. Bernert 1961 und weiter unten in diesem Kapitel. 277 Mit der Niederlassung der Langobarden im Becken von Reate im 6. Jahrhundert verloren die hydraulischen Installationen zunehmend an Bedeutung. Die neuen Siedler betrieben überwiegend Vieh- und Weidewirtschaft, sodass eine Wiedervernässung des Beckens ab dem 8. Jahrhundert nachzuweisen ist, die bis zur Seetrockenlegung im 19. Jahrhundert anhielt; dazu Alvino/Leggio 1997: 98; Marinelli 2010: 23; 49 f. 278 Zwischen Cicero und Varro, die noch zweifelsfrei über die Anlage der Cascate delle Marmore Bescheid wussten (Cic. Att. 4,15,5; Varro bei Serv. georg. 2,201; Varro bei Serv. Aen. 7,712), und der beginnenden Herrschaftszeit des Tiberius lagen nur wenige Jahrzehnte, sodass davon auszugehen ist, dass die Fakten noch immer bekannt waren. 279 Hettinger 2018: 97–99. 280 Cic. nat. deor. 2,99.

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gewachsene Natur mit der vom Menschen geschaffenen „anderen Natur“ gleich. So schreibt er: Terrenorum item commodorum omnis est in homine dominatus: nos campis, nos montibus fruimur, nostri sunt amnes, nostri lacus, nos fruges serimus, nos arbores; nos aquarum inductionibus terris fecunditatem damus, nos flumina arcemus, derigimus, avertimus; nostris denique manibus in rerum natura quasi alteram naturam efficere conamur. Ebenso besitzt der Mensch die vollkommene Herrschaft über die Güter der Erde. Wir freuen uns an den Wiesen und Bergen, uns gehören die Flüsse und Seen, wir pflanzen das Korn und die Bäume. Wir verleihen dem Boden Fruchtbarkeit, indem wir das Wasser hinleiten; wir kanalisieren die Flüsse, bestimmen ihren Lauf und lenken sie ab. So versuchen wir schließlich durch unsere Hände mitten in der Natur gewissermaßen eine zweite Natur zu schaffen.281

Besonders diese Auffassung ließe sich gut auf den konkreten Fall der republikanischen Regulierungsmaßnahmen am Lacus Velinus und auf die Interessen der Reatiner übertragen. Jene „zweite Natur“ (altera natura) sei es, so glaubt man nun aus Tacitus’ Text herauszulesen, die für das Wohl der Menschen – insbesondere der Menschen von Reate – sorge und deshalb so belassen werden solle, wie sie ist. Auf Grundlage der hier herausgearbeiteten Herleitung und Interpretation des reatinischen Arguments stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die vorherrschende Ansicht in der althistorischen Forschung, dass die Reatiner mit ihrer Aussage eine ausgeprägte „religiöse Scheu“282 oder „religiöse Bedenken“283 vor menschlichen Eingriffen in die Natur generell an den Tag gelegt hätten,284 ohne Einschränkungen aufrechtzuerhalten ist – wobei freilich der künstliche Charakter des Seeauslasses in der Forschungsliteratur in Bezug auf die Tacitus-Stelle kaum je Erwähnung findet. Letztlich wird auch der Verzicht auf die technische Umgestaltung gemeinhin als hauptsächlich religiös motiviert bewertet, aus Scheu gegenüber einer unantastbaren Natur.285 Dabei ließe sich, wie bereits ausgeführt, die

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Cic. nat. deor. 2,152. Übersetzung: Olof Gigon und Laila Straume-Zimmermann (Gigon/ Straume-Zimmermann 2011). Aldrete 2007: 238 („religious scruples“). Sonnabend 1999: 238; Aldrete 2007: 188 („religious concerns“). In diesem Sinne Sonnabend 2013: 34–36; Sonnabend 1999: 237–239; Engels 2002: 203, Fn. 27; Montero Herrero 2012: 302–307; Wilson 2013: 270; Aldrete 2007: 188; Campbell 2012: 118 f. Sonnabend 1999: 239; Aldrete 2007: 188; Montero Herrero 2012: 307. Es ist zwar zutreffend, dass transzendente Vorstellungen bei allen Arten von Eingriffen in die Natur in der römischen Antike eine gewichtige Rolle spielten, doch entfalteten sie kaum eine derart hemmende Wirkung, dass grundsätzlich vor Regulierungsarbeiten abgesehen worden wäre; dazu s. Leveau 2008: 138; Hettinger 2018: 100–102. Eine vermittelnde Haltung nimmt Deeg 2019: 57 ein, der neben praktischen auch religiöse Einwände als wichtig für die Entscheidungsfindung ansieht, jedoch vor allem aus politischem Kalkül des Tiberius; ähnlich auch Keenan-Jones 2013: 246–253,

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Bezeichnung des Auslasses als natura alternativ damit erklären, dass gemäß Ciceros Definition auch die durch den Menschen (hier M’. Curius) veränderte Natur (hier die Cascate delle Marmore) als „zweite Natur“ bezeichnet werden kann.286 Gegen die rein natürliche Versinterung der Auslässe an den Cascate delle Marmore287 war es dabei im Gegenteil sogar notwendig, sie regelmäßig zu reinigen und künstlich funktionstüchtig zu halten.288 So waren die bei Sueton bezeugten jährlich wiederkehrenden Gastarbeiter, die zu Feldarbeiten auf dem ager Reatinus aus dem benachbarten Umbrien dorthin vermittelt wurden, vermutlich nicht zuletzt für Wartungsarbeiten an den Entwässerungsgräben und den Ausflüssen zuständig.289 Das Argument der Reatiner vor dem römischen Senat geht jedoch noch weiter. Später nennen sie tatsächlich die an den Ufern der Gewässer befindlichen Haine und Heiligtümer als weiteres Argument dafür, dass man die Umgestaltungsmaßnahmen nicht wie geplant durchführen könne. Möglicherweise verbirgt sich auch dahinter wieder eine Anleihe bei Cicero: Allgemein fällt auf, dass in dem Bericht des Tacitus die Argumentation der Reatiner wesentlich länger, detailreicher und rhetorisch ausgefeilter wiedergegeben wird als die Einwände der anderen Gesandtschaften.290 Jedenfalls wird in diesem Teil der Argumentation an die pietas gegenüber der patria und dem mos maiorum appelliert, die gepflegt werden solle und die man den Bundesgenossen schuldig sei.291 So waren das Becken von Reate sowie weite Teile des Sabinerlandes von

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v. a. 252. Anders etwa Leveau 2008: 141 f., der hinter dem Scheitern des Wasserbauprojekts von 15 n. Chr. hauptsächlich partikulare Interessen vermutet, die unvereinbar waren (ebd.: 142); s. auch Toner 2013: 52, der ausschließlich Einwände aus praktischen Gründen nennt. Ähnlich äußert sich Strabon über die menschliche Sorge (ἐπιμέλεια) um die Bewässerungskanäle und Deichbauten am Nil, die seiner Meinung nach noch viel besser als die Natur zur Fruchtbarkeit des Landes und zum Wohl der Menschen beitragen (Strab. 17,1,3 C 187–188). Zum stoischen Naturbegriff bei Cicero s. Fuhrmann 2005: 229; Boyancé 1962; bei Strabon s. Engels 1999: 42–44; Dueck 2000: 62–69; s. auch Bernert 1961 zum Naturgefühl der Stoiker im Werk Senecas. Generell zur römischen Vorstellung einer durch Ingenieurskunst erschaffenen altera natura gemäß dem Ausspruch Ciceros s. auch Kissel 2002: 149. Plin. nat. 2,226: In exitu paludis Reatinae saxum crescit (…). – „Am Auslass des Sumpfes von Reate wächst ein Felsgestein heran (…).“ Alvino/Leggio 1997: 91; Leveau 2008: 142; Hettinger 2018: 97. Suet. Vesp. 1,4. Zu Saisonarbeitern in der römischen Landwirtschaft s. Tietz 2015: 239–242; Tietz 2020. Hinweise darauf, wie eng landwirtschaftliche Arbeiten mit der Wartung der Be- und Entwässerungsgräben verknüpft waren, liefert beispielsweise der Text der sogenannten Lex rivi Hiberiensis (Beltrán Lloris 2006) aus hadrianischer Zeit, die die Regelungen einer hispanischen Bewässerungsgemeinschaft enthält: § 1a-b sowie § 4–6. Vgl. Sonnabend 1999: 238; ähnlich Sonnabend 2013: 36. Ob Tacitus bei der Redaktion seines Textes auf Originaldokumente aus den Verhandlungen von 15 n. Chr. zurückgriff oder sich – falls das hier vorgebrachte Argument zutrifft – direkt bei der verschriftlichten Rede Ciceros bediente, die ihm wohl noch vorlag, ist freilich nicht mehr zu klären. Zur Genese des mos maiorum-Begriffs s. Blösel 2000, zum Konzept der pietas s. Schröder 2012. Gerade in der Häufung der hier genannten, auf Rom und die Vorväter als Maßstab bezogenen Werte wird deutlich, dass der Redner darauf abzielt, die Reatiner als vollwertige Mitglieder der (stadt-)römischen Gesellschaft zu deklarieren und somit alle ihren Interessen entgegengesetzten

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mehr oder weniger großen Hainen und kleineren Heiligtümern durchsetzt, die verschiedenen Gottheiten, mehrheitlich aber der dea Vacuna geweiht waren. Vacuna war eine sabinische Gottheit, die verstärkt im westlichen Teil des Sabinerlandes bezeugt ist und auffallend häufig im Becken von Reate.292 Die archaische Göttin wurde unmittelbar mit dichter Bewaldung, üppiger Vegetation und deshalb auch mit Wasser, insbesondere mit Quellen und Seen, in Verbindung gebracht.293 Da der Wasserhaushalt im reatinischen Becken besonders empfindlich und dessen Balance für die Umwohner von großem gemeinschaftlichem Interesse war, vermuten Giovanna Alvino und Tersilio Leggio hinter den Wald- und Quellheiligtümern der Vacuna Vorläufer moderner Schutzgebiete für empfindliche Landschaftsräume.294 J. Donald Hughes vertritt ebenfalls die These, dass heilige Haine und Quellheiligtümer neben der kultischen Verehrung auch des Naturschutzes wegen angelegt worden seien.295 Er glaubt sogar, eine erhöhte Biodiversität innerhalb dieser Schutzgebiete aus den Schriftquellen herauslesen zu können.296 Diesen Überlegungen ist allerdings zu entgegnen, dass die römischen Zeitgenossen wohl gar nicht bewusst zwischen sakralen und profanen Erfordernissen trennten.297 Eine aus rein innerweltlichen ökologischen Gründen eingerichtete Schutzzone kann es in römischer Zeit also nicht gegeben haben. Vielmehr war die Idee der Sakralität der Quellen298 vermutlich der Ausgangspunkt für transzendente Vorstellungen, die im Alltag durchaus positive Effekte nach sich ziehen konnten wie etwa den Schutz vor Verunreinigung von Quellwasser.299 Zudem waren Heiligtümer entlang des Tibers

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Entscheidungen als unpatriotisch dastehen zu lassen. In ähnlicher Weise versteht Sauer 2013: 233 f. die Argumentation Ciceros gegen Catilina, in welcher neben anderen auch religiöse Argumente unterschiedlicher Qualität (dazu ebd.: 232 f.) eine Rolle spielen, dahingehend, dass durch die Betonung der religiösen Werte Roms zugleich ein moralisch-ethischer Ausschluss Catilinas und seiner Mitstreiter bewirkt werden sollte. Plin. nat. 3,109; Alvino/Leggio 1997: 90. Trotz der geographischen Begrenztheit ihres Kultes ist letzterer häufig in literarischen und epigraphischen Quellen bezeugt und ebenso lässt er sich in sabinischen Toponymen nachzeichnen: Hor. epist. 1,10,49; Ov. fast. 6,305–310; AE 2012, 439; ILS 9248 = AE 1907, 212; CIL IX 4752 = ILS 3485; CIL 4751 = ILS 3486 = AE 2000, 403; CIL IX 4636 = ILS 3484. Dion. Hal. ant. 1,15; Alvino/Leggio 1997: 90. Alvino/Leggio 1997: 90. Hughes 2014: 183–186; vgl. Hughes 1994: 169–171; Hughes 2005: 51–54. Hughes 2014: 186–188. Rüpke 2006: 16. Vgl. Serv. ad Aen. 7,83: Nullus enim fons non sacer. – „Es gibt nämlich keine Quelle, die nicht den Göttern geweiht (sacer) ist.“ Die Sakralität im Sinne einer Unantastbarkeit der Quellen ließe sich aus der alten rechtssprachlichen Bedeutung des Adjektivs sacer als „den Göttern geweiht“ und somit gewissermaßen „unantastbar“ herleiten; dazu Fest. s. v. sacer homo 321 L; Fowler 1911; Rüpke 2009: 252–255. Grundlegende Überlegungen zum Konnex zwischen Recht und Religion in vorstaatlichen Gemeinschaften und deren Verstetigung nach Staatwerdung bei Barta 2008; in Bezug auf die klassisch-antike Religion s. Rüpke 2009. Zur Sakralität von Quellen s. Campbell 2012: 132–136;

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und seiner Zuflüsse ebenso wie anderswo im Römischen Reich auch deshalb „unantastbar“, weil sie oftmals Grenzen zwischen politischen Einheiten markierten.300 In den Schriften des Corpus Agrimensorum Romanorum wird etwa immer wieder darauf verwiesen, dass Heiligtümer, Wasserläufe und Quellen zugleich Grenzmarkierungen darstellen konnten.301 Dass sich ausgerechnet auf dem Territorium um Reate besonders viele Gebiete fanden, die rechtlich dem römischen Volk unterstanden,302 könnte als zusätzlicher Hinweis auf die besondere Schutzbedürftigkeit dieses empfindlichen hydrologischen Ökosystems zu verstehen sein.303 Dass nun der sakrale Charakter der Quellen und Tiberzuflüsse sowie die religiöse Verbundenheit der Anrainer mit den Gewässern durch die geplanten Umgestaltungen massiv beeinträchtigt worden wäre, ist nicht von der Hand zu weisen.304 Die anthropogene Veränderung des Wasserhaushalts seit der mittleren Republik musste wohl ohnehin bereits durch eine auf Dauer gestellte expiatio entsühnt werden, indem allenthalben Quell- und Wasserheiligtümer im massiv durch den Menschen umgestalteten Becken von Reate eingerichtet und verehrt wurden.305 Obwohl also für die Anlage der Cascate delle Marmore durch Dentatus kein Zeugnis auf uns gekommen ist, das auf religiöse Einwände im Zuge der Bauarbeiten hinweisen könnte, wie Francesca Dio-

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ebenfalls zur Sakralität von Quellen und zur damit einhergehenden menschlichen Pflicht zur permanenten Pflege s. auch Vieweger 2004: 313 für die Welt des Alten Testaments. Diosono 2010: 97; Hermon 2017: 76–78. So z. B. Commentum, C 86,13–15 = L 119,8–11 = T 82,12–15 (Flussläufe, Quellen, Gräber und Heiligtümer); Commentum, C 70,18–23 = L 22,24–23,12 = T 68,9–12 (Tempel und Heiligtümer). Auch Grenzen galten als sacer und waren mit transzendenter Bedeutung aufgeladen; dazu s. die Ausführungen von Hermon 2017: 77 zum rechtlichen Schutz von Heiligtümern und den darin enthaltenen öffentlichen natürlichen Ressourcen, kenntlich gemacht durch Grenzsteine; allgemein zu heiligen Hainen als für den Nießbrauch unter Strafe verbotene Zonen s. auch Meiggs 1982: 378 für weitere Beispiele und weiterführende Literatur sowie Hughes 2014: 189 f.; vgl. Hughes 1994: 172–174. Commentum, C 68,28 = L 21,10 = T 67,2–3. Vgl. Thommen 2009: 86 zum Schutz bestimmter Waldgebiete für die Aufforstung; dazu auch Nenninger 2001: 61–73; Meiggs 1982: 325–330; Hughes 2014: 192; vgl. Hughes 1994: 176. Entlang des gesamten Tiberlaufs ist zudem mit Bewirtschaftungsformen unterschiedlicher Art zu rechnen, wobei nicht zu vergessen ist, dass in antiken Kontexten sumpfige Landschaften intensiver in Nutzung genommen wurden als in modernen Zeiten. Eine Verringerung des Tiberflusses hätte demnach ein Zurückgehen solcher sumpfigen Auenlandschaften bedeutet, worauf Traina 1988: 119 hinweist; mehr zur Bewirtschaftung marginaler Landschaften im folgenden Kapitel. Dazu s. Campbell 2012: 118 f., der freilich zugleich auf das in der Kritik mitschwingende, ausgeprägte Verständnis für Wasser- und Flusssysteme seitens der Oberlieger hinweist. Außerdem s. Keenan-Jones 2013: 250–253, der darüber hinaus auf die Nachteile des Projekts für Landwirtschaft und Schiffbarkeit verweist. Ähnlich wurde bei der dauerhaften Errichtung von Flussbrücken durch die figürliche Darstellung des Flussgottes (etwa des Neptun oder des Oceanus) am Bau dauerhaft sichergestellt, die durch den Brückenbau beeinträchtigte Fluss- oder Wassergottheit ruhigzustellen und den Bau dadurch zu entsühnen; dazu s. Mancini 2010: 145–148; Montero Herrero 2012: 129–134 sowie weiter oben Kapitel II.2.

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sono richtig bemerkt,306 ist mit Ritualen zur expiatio bei der Inbetriebnahme der republikanischen Anlage zu rechnen, die sich womöglich gerade in der dortigen Verehrung des Hercules307 und gegebenenfalls auch der Vacuna dann verstetigt haben. Eine weitere Komponente der religiösen Bedeutung der Heiligtümer wird auch deren identitätsstiftende Funktion gewesen sein. Schon seit Generationen wurden die lokalen Gottheiten in eben jenen heiligen Hainen verehrt, sodass schon die Kontinuität ihrer Verehrung es schwierig machte, die Heiligtümer kurzerhand zu fluten.308 Wenn Tiberius also in letzter Instanz von einer Umgestaltung des Tiberoberlaufs absah und dabei auch religiöse Argumente zum Tragen kamen, wie es aus den Berichten sowohl des Tacitus als auch des Cassius Dio ersichtlich ist, handelte der Kaiser politisch äußerst taktvoll und vermittelnd gegenüber den Belangen und Befindlichkeiten aller betroffenen Interessensgruppen.309 Dem scheinbaren Antagonismus zwischen religiösen und praktischen Lösungen wurde in der Forschungsdiskussion um die beiden taciteischen Textstellen310 vielfach Rechnung getragen. Sonnabend etwa bezeichnet den Gegenvorschlag des Kaisers als „überraschendes Veto“,311 während sich andere Forschende vor allem der Unterscheidung zwischen „natürlichen“ und „religiösen“ Deutungen widmen und in dem Rahmen den Sachverhalt der Rationalisierung im römischen Umgang mit Naturphänomenen behandeln.312 Da es sich hierbei um die Dichotomie zweier moderner Konzepte handelt, ist freilich nicht ohne Weiteres ersichtlich, inwieweit eine solche Zuspitzung für die Antike sinnfällig ist.313 Ohne die in den Quellen zu beobachtenden Rationalisierungstendenzen des religiösen Denkens in der mittleren und späten römischen Republik unter hellenistischem Einfluss negieren zu wollen,314 sollte wohl gerade für dieses Fallbeispiel gelten, dass mit einer Konzentration auf die religiösen Ansichten die vorliegende komplexe Sachlage nicht ausreichend zu erfassen ist. Vielmehr muss hier insbesondere der Umgang mit dem Problem im praktischen Alltag näher in den Fokus gerückt werden, um Tendenzen 306 Diosono 2010: 99. 307 Zu Heiligtümern für Hercules in der Gegend um Reate s. Camerieri et al. 2009: 334. 308 Ähnlich verweist Schuler 1998: 247–255, v. a. 249 auf die identitätsstiftende Wirkung der Götterverehrung in den kleinasiatischen Dorfgemeinschaften während der Zeit der römischen Herrschaft, die im ländlichen Raum zudem einen höheren Stellenwert für das Gemeinschaftsleben der Siedler gehabt zu haben scheint. 309 Vgl. Deeg 2019: 57. 310 Tac. ann. 1,76; 1,79. 311 Sonnabend 1999:137; vgl. Sonnabend 2013: 35. 312 Dazu s. insbesondere Montero Herrero 2012: 303, 305–307 und 312–318; außerdem Aldrete 2007: 223–225; teils auch Bianchi 2017: 107. Waldherr 1997: 197 f. interpretiert die ingenieurstechnischen Vorschläge des Tiberius wohl zu Recht als politisch berechnende Reaktion auf die im Volk geschürten Ängste und stellt zudem heraus, dass die Interpretation von Katastrophen als Vorzeichen nicht zuletzt von der persönlichen Einstellung des jeweiligen Prinzeps abhing. 313 In diesem Sinne auch Russo 2005: 158; zur wesentlichen Unterscheidung zwischen antiker und moderner Wissenschaft s. French 1994: x–xiii. 314 Dazu s. insbesondere Rüpke 2012: 495–498; Rüpke 2014.

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und Veränderungen im gesellschaftlichen Umgang mit Naturgefahren manifest erfassen zu können.315 Wahrscheinlich ist die ablehnende Haltung des Tiberius gegenüber der Befragung der Sibyllinischen Bücher in erster Linie ein Symptom für die politische Umbruchszeit von der Aristokratie hin zur Monarchie, die sich auch in einem veränderten Umgang mit Prodigien äußerte. Die zunehmende Konzentration auf die Person des Kaisers machte es seit der frühen Prinzipatszeit immer weniger relevant und üblich, im Vorzeichenwesen republikanischen Traditionen zu folgen, sodass das Kaiserhaus weitgehend die Kontrolle darüber übernahm.316 Vermutlich demonstrierte Tiberius mit seiner Zurückweisung des Vorschlages von C. Asinius Gallus auch, dass die Meinung und auctoritas des Prinzeps prinzipiell über der auf Erfahrungswissen beruhenden Meinung anderer hochrangiger Senatoren standen: Gallus hatte im Jahr 8 v. Chr. das Konsulat bekleidet und war zusammen mit seinem Amtskollegen C. Marcius Censorinus für die Aufstellung von Grenzsteinen entlang des Tiberufers zuständig gewesen.317 Im darauffolgenden Jahr 7/6 v. Chr. wurden weitere Ufergrenzsteine (cippi) in Rom aufgestellt, diesmal unter namentlicher Nennung des Augustus.318 Unter dem ersten Prinzeps wurden Maßnahmen zur Flussbettreinigung und -verbreiterung in der Stadt durchgeführt, die auf die Linderung von Überschwemmungen (inundationes) abgezielt haben sollen,319 und die sicherlich mit der Aufstellung eben jener cippi abgeschlossen wurden.320 Wahrscheinlich fühlte sich Gallus – nunmehr als Konsular – deshalb befugt, sich zum Tiberhochwasser zu äußern. Die ablehnende Haltung des Tiberius ist des Weiteren aber auch auf eine politisch begründete, persönliche Abneigung gegen-

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Vgl. Hannig 2019: 14 f.; Hannig 2015: 63; dazu s. auch weiter oben die abschließende Bemerkung in Kapitel II.3.4. 316 Zu den veränderten Mentalitäten und politischen Voraussetzungen, die sich bereits in der späten Republik im Verlauf des 1. Jh. v. Chr. herausbildeten, s. Engels 2007: 778–797, auch 21 f.; Waldherr 1997: 239; Champeaux 2003: 30; Rüpke 2016: 204. Zum Transfer der Sibyllinischen Bücher in den Apollontempel auf Initiative des Augustus sowie dessen Implikationen s. Montero Herrero 2012: 292; Deeg 2019: 54. 317 So etwa CIL VI 1235 g = CIL VI 31541 o: C(aius) Marcius L(uci) f(ilius) L(uci) n(epos) / Censorinus / C(aius) Asinius C(ai) f(ilius) Gallus / co(n)s(ules) ex s(enatus) c(onsulto) termin(averunt) / curatores riparum qui primi / fuerunt ex s(enatus) c(onsulto) restituer(unt) / r(ecta) r(egione) prox(imus) cip[p(us)] p(edes) LX, wobei der Textteil nach termin(averunt) einen späteren Zusatz darstellt, der vom ersten tiberischen Kuratorenkollegium ab 15 n. Chr. angebracht worden sein muss, und das im Wesentlichen wohl die bereits bestehenden cippi wiederherstellte; dazu s. Lonardi 2013: 25. 318 CIL VI 1236 a = CIL VI 31542 f; CIL VI 1236 b = CIL VI 31542 o und weitere. Zur Uferbegrenzung durch Gallus und Censorinus sowie Augustus in zwei aufeinander folgenden Jahren s. Lonardi 2013: 81. 319 Suet. Aug. 30,2, s. auch Suet. Aug. 28,3; 37,1. 320 Lonardi 2013: 82. Dies ist umso wahrscheinlicher, als laut Suet. Aug. 30,2 das Tiberbett durch das Abladen von Bauschutt und bis ans Wasser reichende Gebäude zunehmend eingeengt worden war. Bereits in Ägypten hatte Augustus seine Soldaten dazu veranlasst, die Kanäle am Nil von Schlamm und Ablagerungen zu reinigen; Suet. Aug. 18; Camerieri/Mattioli 2013: 21.

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über Gallus zurückzuführen, die später in einer damnatio memoriae kulminierte.321 Auf der Grundlage all dieser Überlegungen scheint das „überraschende Veto“ des Prinzeps mit einem Male gar nicht mehr so überraschend. Die Entsendung der beiden Senatoren L. Arruntius und Ateius Capito ins Einzugsgebiet des Tibers lässt seinerseits auf den Beginn eines Umdenkens im Umgang mit Hochwasser schließen. Die Flutproblematik sollte nun offenbar mit Blick auf das gesamte Flusssystem angegangen werden, nicht nur punktuell. Die beiden verantwortlichen Senatoren waren zudem mit Bedacht ausgewählt worden: Bei ihnen handelte es sich um die beiden Konsuln des Jahres 5 n. Chr., in welchem es zu einer einwöchigen Überschwemmung des Tibers in Rom gekommen war.322 Sie hatten als Zweiergespann also bereits Erfahrung im Krisenmanagement von Überschwemmungen. Der vor allem als Jurist bekannte Ateius Capito ist womöglich auch der Autor eines Traktats über Wasserrecht323 und bekleidete 15 n. Chr. ohnehin gerade den Posten des curator aquarum.324 b. Die cura riparum et alvei Tiberis und das Kanalnetz in Ostia und Portus Am Ende der Verhandlungen mit den Oberliegern soll der Senat laut Tacitus zwar dennoch beschlossen haben, dass „nichts verändert werden“ solle (nil mutandum censuerat), doch bezieht sich die Aussage ausschließlich auf die geplanten ingenieurstechnischen Regulierungsprojekte. Es scheint sogar naheliegend, dass Tacitus, der sein Werk unter Trajan begann und unter Hadrian beendete, mit der Episode der verworfenen tiberischen Flussregulierungspläne implizit auf die imposanten trajanischen und hadrianischen Wasserbauprojekte anspielt, so etwa auf die neuen Hafenanlagen in Portus, die Donaubrücke Apollodors, die Kanalisierung des Eisernen Tors an der Donau und die Regulierung des Kopaïsbeckens.325 Womöglich wollte Tacitus die einzigartigen 321

Cass. Dio 58,3; Tac. ann. 1,12; 3,11,2; 6,23,1. Wegen der Unterstützung Seians wurde Gallus von Tiberius später für mehrere Jahre bis zu seinem Tod inhaftiert; Hanslik 1979. Damit sind auch die Tilgungen seines Namens auf den (meisten) Ufergrenzsteinen zu erklären; darunter z. B. CIL VI 1235 a-f. 322 Cass. Dio 55,22,3; Leveau 2008: 139. 323 Frontin. aqu. 97. In der Forschung wurde die Frontinus-Stelle bisweilen als Hinweis auf ein Wassertraktat des Ateius Capito missgedeutet, dessen Existenz in Teilen der Forschung wiederum stark angezweifelt wird, s. Masi Doria/Cascione 2010: 288. Am wahrscheinlichsten ist jedoch eine Rechtsschrift zu verschiedenen Belangen, die auch den öffentlichen Umgang mit Wasser in Rom thematisierte; vgl. Dig. 1,2,2,47 (Pomponius). 324 Masi Doria/Cascione 2010: 287; Giaro 1997; PIR2 A 1279. 325 CIL VI 964 = CIL VI p. 3070 = CIL VI p. 4311 = CIL XIV 88 = ILS 5797a = AE 2002, 279 (fossa Traiana); AE 1973, 475 (Eisernes Tor); Aur. Vict. 13,4 (Donaubrücke). Zur Anlage des Hafens in Portus s. Bolder-Boos 2014: 57; Knell 2010: 144–158; Strobel 2019: 390 f. und weiter unten in diesem Kapitel, außerdem in Kapitel III.2.3b mit einer Übersichtskarte (Abb. 13 in diesem Buch); zu den Wasserbauten am Eisernen Tor s. Klee 2006: 75; Strobel 2019: 235 f. Zur Regulierung und Drai-

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wasserbaulichen Leistungen, die unter Trajan und Hadrian vollbracht wurden, dadurch noch unterstreichen. Vielleicht lässt sich seine kritische Schilderung des claudischen Drainageprojekts des Fuciner Sees, welches unter den Antoninen erfolgreich wiederaufgenommen wurde, ebenfalls auf diese Weise deuten.326 Jedenfalls kam es nach den gescheiterten Verhandlungen mit den Oberliegern im Tibertal auf administrativer Ebene sogar zu weitreichenden Neuerungen.327 Von Cassius Dio ist zu erfahren, dass nach der Entsendung der Gutachter ins Einzugsgebiet und nach den Verhandlungen im Senat schließlich per Los ein fünfköpfiges Senatorenkollegium zur Sorge um den Tiber ernannt wurde.328 Dessen Aufgabe sollte es sein, den Fluss zu überwachen und dafür Sorge zu tragen, dass der Tiber weder im Sommer zu wenig Wasser führe noch im Winter zu viel, was schließlich auch für die Schiffbarkeit eine Rolle spielte.329 Aus literarischen Quellen ist sonst kaum mehr über die konkreten Tätigkeitsfelder des Kollegiums zu erfahren, doch haben sich vielfach epigraphische Evidenzen zum Kompetenzbereich der cura riparum et alvei Tiberis erhalten.330 Für die Zeit bis Claudius existieren einige Ufergrenzsteine (cippi), die jeweils fünf senatorischen Namen nennen, wobei der Erstgenannte immer ein Senator konsularischen Ranges ist – dieser Befund bekräftigt die Aussage des Cassius Dio.331 Die wenigen literarischen Hinweise zur Gründung der cura sind zwar widersprüchlich, da Sueton sie bereits Augustus zuschreibt, während Cassius Dio sie im Umfeld der Diskussionen um die Flut von 15 n. Chr. verortet, doch wird wohl eher Letzterem der Vorzug zu geben sein.332 Bei der Reinigung des Flussbettes unter Augustus könnte es sich schließlich auch um eine außerordentliche Maßnahme gehandelt haben, die noch keine permanenten Kuratoren erforderlich machte.333 Außerdem wäre es sonst

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nage des Kopaïsbeckens s. Buraselis 2006: 44–46; Boatwright 2000: 113–116; Fossey 1972 sowie direkt im folgenden Kapitel III.2.2a. Zur Kritik des Tacitus s. Tac. ann. 12,57,2. Zur Drainage unter den antoninischen Kaisern s. CIL IX 3915 = ILS 302; SHA Hadr. 22,12; dazu ausführlich im folgenden Kapitel III.2.2b. Auf die unterschiedliche Ausrichtung der historiographischen Berichterstattung zu den Senatsverhandlungen von 15 n. Chr. bei Cassius Dio und Tacitus verweist bereits Storchi Marino 2009: 200 f. Cass. Dio 57,14,8. Bruun 2006: 98; Lonardi 2013: 48–50; Camerieri/Mattioli 2013: 22. Die Inschrift auf einem Brückenkopf des vermuteten Pons Aurelius in Rom könnte auf Pegelmessungen hindeuten, wobei diese Interpretation äußerst vage bleiben muss; dazu s. Marchetti 1892; Aldrete 2007: 81 f.; Wilson 2013: 270 sowie ausführlich weiter unten in der Synthese IV.1.3. Ein Katalog ist in der ausführlichen Studie zur Tiberbettaufsicht von Lonardi 2013 enthalten. Le Gall 1953: 149; Lonardi 2013: 28 f. Suet. Aug. 30,2; Cass. Dio 57,14,8. So mag sich Suetons cura alvei Tiberis (Suet. Aug. 37,1) auf eben jene Reinigungsaktion des Tiberbettes beziehen, die ebenso gut eine einmalige Aktion (Ausbüttel 1998: 12) oder ein nur temporär eingerichtetes Amt (Bianchi 2017: 105; Viganò 1972: 805 f.) gewesen sein könnte. Bereits Eck 1986: 105 verweist in dem Zusammenhang auf die offenkundige Absicht Suetons, Augustus als den ersten fähigen Reformer darzustellen, der auf einen Schlag alle Missstände in der Stadtverwaltung habe beheben können.

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unverständlich, warum lediglich die beiden Senatoren Ateius Capito und L. Arruntius dazu bestimmt wurden, ein „Mittel zur Bezwingung des Flusses“ (remedium coercendi fluminis laut Tac. ann. 1,76) zu finden, anstelle der Mitglieder des Kuratorenkollegiums.334 Andererseits könnte, so Edoardo Bianchi, die von Sueton erwähnte cura alvei Tiberis ein ausschließlich auf den Fluss ohne Ufer bezogenes Amt gewesen sein. Die Uferbereiche könnten möglicherweise auch erst unter Tiberius einbezogen worden sein unter Ergänzung des Amtstitels zur cura riparum et alvei Tiberis.335 Auch wenn das Problem der Gründung auf der Grundlage des vorhandenen Quellenmaterials wohl nicht mehr abschließend zu klären ist, hat Bianchis Vorschlag einiges für sich. Eine Erweiterung der Tiberaufsicht über das Flussbett einschließlich seiner Uferbereiche würde demselben ganzheitlichen Ansatz entsprechen wie die bereits als neu herausgestellte Betrachtung des Flusses als System, also mitsamt seinem Einzugsgebiet.336 Dasselbe gilt für die Dauer der cura. Sie wurde unter Tiberius als permanent zu besetzende cura eingerichtet, was eindeutig aus Cassius Dios Bericht hervorgeht.337 Betrachtet man die Bandbreite an Aufgaben, die dem Kollegium zukam, ist auch keine andere Form als die der permanenten Amtsbesetzung denkbar. Das Kollegium besorgte insbesondere die Instandhaltung der Uferbefestigungen und die Flussbettreinigung und koordinierte die Nutzung der freizuhaltenden öffentlichen Uferbereiche.338 Wahrscheinlich hatten die Kuratoren dazu zwischen den verschiedenen Nutzergruppen zu vermitteln, zumal die Nutzung jedem offenstand.339 Den Tiberkuratoren 334 Für die cura riparum et alvei Tiberis als von Tiberius installierte cura sprechen sich aus Lonardi 2013: 9–15; Le Gall 1953: 135 f.; Ausbüttel 1998: 125; Eck 1986: 112; Deeg 2019: 44; Campbell 2012: 318. 335 Bianchi 2017: 100 f. und 104 f.; vgl. Viganò 1972: 805 f.; ähnlich, aber ohne konkrete Vorschläge gibt Aldrete 2007: 199 zu bedenken, dass das augusteische Amt auf die eine oder andere Weise in dem tiberischen aufgegangen sein könnte. Andere wiederum schreiben die Einrichtung der cura riparum et alvei Tiberis vollständig Augustus zu; Kolb 1993: 23, Fn. 40; Toner 2013: 52. 336 In ähnlicher Weise glaubt Lonardi 2013: 81 f. bereits in der ausgehenden Republik eine immer weiter zunehmende Fixierung auf die Pflege von Flussbetten ausmachen zu können, die sich schließlich auf die angrenzenden Uferbereiche (z. B. in der Form von Grenzfestlegungen) ausgeweitet habe. Dies könne, so Lonardi, möglicherweise als Symptom einer zunehmenden Theoretisierung über die juristische Natur von Flussufern verstanden werden. 337 Vgl. Bianchi 2017: 105. Für die augusteische Regierungszeit bleibt die Permanenz der cura hingegen zweifelhaft und ist nicht eindeutig zu belegen. Robinson 1994: 87 hält die cura auch wegen ihrer Zusammensetzung als Fünfmannkollegium für tiberisch, denn sonst setzte sich nur noch die cura locorum publicorum iudicandorum ebenfalls aus fünf Amtsträgern zusammen, deren Gründung auch in die tiberische Regierungszeit fällt. 338 Die Quellen zur cura riparum sowie deren Genese und Aufgabenbereiche wurden bereits eingehend untersucht. Zur Genese und sukzessiven Umstrukturierung der Tiberaufsicht allgemein s. Lonardi 2013; Bruun 2006: 98 f.; Le Gall 1953: 135–183. 339 Dig. 1,8,4,1 (Marcianus); Dig. 1,8,5pr. (Gaius); Inst. 2,3; Dig. 41,1,30 (Pomponius); außerdem Dig. 1,8,4pr. (Marcianus) für Küstenbereiche; vgl. Lonardi 2013: 49, die die Aufsicht über die Wahrung der gesetzlichen Regelungen zur Ufer- und Flussnutzung am Tiber ebenfalls bei den Tiberkuratoren sieht; zur Nutzung s. auch weiter oben Kapitel I.5. Allerdings ist für die dicht bebauten Uferstreifen zwischen Rom und den Tiberhäfen an der Mündung davon auszugehen, dass es kaum

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müssen also auch gewisse richterliche Kompetenzen über die Ufer übertragen worden sein.340 Aus Ostia liegt eine Reihe von Ehreninschriften für Tiberkuratoren vor, die mit dieser Tätigkeit in Verbindung gebracht werden können, wobei die Verdienste des jeweils geehrten Kurators nicht im Einzelnen aufgeführt sind. Die Stifter sind als Schifferkollegien zu identifizieren, so beispielsweise die Kollegien der lenuncularii und scapharii, aber ebenso andere corpora, die anderweitig in den Schiffstransport involviert waren.341 Die Ehrungen erfolgten jeweils in Verbindung mit der (Wieder-)Errichtung eines Gebäudes, vermutlich auf dem öffentlichen Uferstreifen. Statt der zu erwartenden Formel locus adsignatus wurde die Bauaktivität permissu curatoris alvei Tiberis et riparum durchgeführt.342 Es stand also weniger die rechtliche Zuweisung des Bauplatzes zur Disposition als vielmehr die Erlaubnis für die Errichtung des Baus.343 Möglicherweise wurde in den beiden inschriftlich bezeugten Fällen der Grund und Boden gar nicht den Kollegien überlassen, auf dem sie bauten. Da es sich bei den Tiberufern in Ostia um öffentliche Bereiche handelte, liegt die Vermutung nahe, dass die Kollegien dort lediglich die Erlaubnis des Tiberkurators erwirken durften, permanente Strukturen am Ufer zu errichten. Der Rechtsstatus des Baugrunds blieb vermutlich weiterhin öffentlich.344 Die Verbindung der Kuratoren zu verschiedenen Berufszweigen aus dem

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noch größere zusammenhängende Uferbereiche gab, die tatsächlich frei zugänglich waren; dazu s. Robinson 1994: 90. Le Gall 1953: 176. CIL XIV 170; 254; 5320. Zu den Inschriften im Einzelnen s. Lonardi 2013: 68–80; allgemein zur Organisation der Schifferkorporationen im Hafen von Ostia s. Meiggs 1973: 311–336, auch 263–310. Lenunculus ist ein Diminutiv von lembus, griech. lembos, und war ein im Mittelmeerraum verbreitetes Fischerboot zum Rudern und Segeln. Scaphae waren hingegen eher Leichter für den Flusstransport und Umladearbeiten im Hafenbetrieb. Für die Flussschifffahrt waren beide tauglich. Zu den einzelnen Typen von Flussgefährten, die auf dem Tiber im Einsatz waren, s. Le Gall 1953: 216–231; Theis 2017; allgemein zur römischen Flussschifffahrt und den Gefährten, die in Handelshäfen im Einsatz waren, s. Wawrzinek 2014: 61–72. CIL XIV 254: ---] / vigil[iarium? …] / lenunc[ulariorum] / treiectus […] / a fundam[entis …] / permissu M[…] / curatori[s alvei et] / riparu[m Tiberis …] / Pomp[---; CIL XIV 5320: [N]umini domus Aug(ustae) / [co]rpus lenunc(u)lariorum / traiectus Luculli pecunia sua / firmiori et cultiori opere / fecerunt / [per]missu Ti(beri) Iuli Ferocis curatoris alvei / Tiberis et riparum. Daraus schließt Le Gall 1953: 180, dass der Tiberkurator nicht nur die Ufernutzung durch die Schiffer zu beaufsichtigen hatte, sondern die gesamte Tätigkeit der Schifferkollegien von ihm überwacht worden sein muss – die Kassenaufsicht eingeschlossen. Das ist aus verschiedenen Gründen abzulehnen. Schon Lonardi 2013: 79 f. führt gute Argumente gegen diese Interpretation an: Das eindeutig aus den Inschriftentexten ersichtliche Patronageverhältnis zwischen curator und corpus spricht gegen eine direkte staatliche Kontrolle. Außerdem gab es keine Verpflichtung der Korpusmitglieder, in staatliche Dienste zu treten. Und selbst, wenn die corpora für den Staat tätig gewesen sein sollten, wird ihnen eine gewisse interne Verwaltungsautonomie zugestanden worden sein. Erst in der späten Kaiserzeit wurden Schifferkollegien zu Staatsdiensten verpflichtet, was zusätzlich gegen eine frühe staatliche Kontrolle spricht. Erst gegen Ende des 2. Jh. n. Chr. wurden immer mehr Kollegien von Schiffern und Hafenarbeitern zum staatlichen Annonadienst angestiftet, indem ihnen das Privileg zugestanden wurde, von munera befreit zu werden; dazu s. Fellmeth 2001: 177 f. Lonardi 2013: 79.

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Hafen- und Schifffahrtsbereich legt jedenfalls nahe, dass neben anderen Aufsichtspflichten und Diensten auch die Wartung der Treidelpfade entlang der Uferstreifen sowie die Ausbaggerung der Zubringerkanäle mit den Tiberkuratoren abzustimmen war oder gar von ihnen organisiert wurde.345 Seit Claudius kam es sukzessive zu einer Umstellung der Tiberaufsicht. Die cippi aus seiner Regierungszeit wurden noch immer durch ein fünfköpfiges Senatorenkollegium aufgestellt, doch weisen sie nicht mehr die vorher übliche Formel ex senatus consulto auf, sondern die Formel ex auctoritate principis s(enatus?): Die Weisungsbefugnis war also möglicherweise vom Senat auf den Prinzeps übergegangen.346 Außerdem wurde dem Fünfmannkollegium unter Claudius noch ein ritterlicher praefectus curatorum alvei Tiberis direkt unterstellt.347 Ab Vespasian findet sich nur noch ein Name auf den cippi, wobei das Amt eines der höchsten Ehrenämter in Rom blieb, denn noch immer scheint es ausschließlich Konsularen vorbehalten gewesen zu sein.348 Unter Trajan schließlich wurde die Aufsicht über die stadtrömischen Abflusskanäle in die Tiberaufsicht integriert, denn seit dem trajanischen Tiberkurator Iulius Ferox werden die cloacae als weiterer Bestandteil der Amtsbezeichnung auf den Grenzsteinen ergänzt: cuator alvei et riparum Tiberis et cloacarum urbis.349 Ritterliche adiutores des Kurators sind dann für das späte 2. Jahrhundert n. Chr. bezeugt. Statt eines praefectus war der ritterliche Gehilfe nun adiutor, was Le Gall darauf zurückführt, dass nunmehr kein Kollegium mehr, sondern nur noch ein einzelner Kurator die Oberaufsicht führte.350 Schließlich ist noch für das dritte und vierte nachchristliche Jahrhundert der Posten der Tiberaufsicht durch einen alleinigen Amtsträger bezeugt.351

345 Geoarchäologische Untersuchungen (CT Scans und digitale Bilder) im ehemaligen Hafengebiet von Ostia und Portus haben inzwischen Hinweise auf großflächige Ausbaggerungsarbeiten insbesondere in trajanisch-hadrianischer Zeit zu Tage gefördert; Lisé-Pronovost et al. 2019. Zur Verantwortung über die dortigen Treidelpfade s. Robinson 1994: 91. 346 Zur Übertragung der Kompetenzen s. Viganò 1972: 806. CIL VI 31545 = ILS 5926: Paullus Fabius Persi[cus] / C(aius) Eggius Marull[us] / L(ucius) Sergius Paullus / C(aius) Obellius Ru[ fus] / L(ucius) Scriboniu[s Libo] / curatore[s riparum] / et alv[ei Tiberis] / ex auctorit[ate] / Ti(beri) Claudi Caesaris / Aug(usti) Germanic[i] / principis s[en(atus)] / ripam cippis pos[itis] / terminaverunt a Tr[ig] ar[io] / ad pontem Agrippa[e]; dazu Le Gall 1953: 157. Der cippus wurde auf dem Marsfeld gefunden, vermutlich noch in situ. Inwieweit die Auflösung des S für s(enatus), zumal für eine Inschrift aus claudischer Zeit, zutreffen kann, bleibt allerdings fraglich. Hermann Dessau ergänzt im ILS in Anlehnung an Theodor Mommsen stattdessen s(ui). 347 CIL X 797. Die Datierung in claudische Zeit begründet Le Gall 1953: 182, Fn. 2 mit der Verwendung des umgedrehten Digamma. 348 CIL VI 31546 a-b; Aldrete 2007: 199; Le Gall 1953: 157 f. 349 CIL VI 31549 f = ILS 5930: Ex auctoritate / Imp(eratoris) Caesaris divi / Nervae fil(ii) Nervae / Traiani Aug(usti) Germanici pontif(icis) / max(imi) trib(unicia) potest(ate) V co(n)s(ulis) IIII p(atris) p(atriae) / Ti(berius) Iulius Ferox curator alvei / et riparum Tiberis et cloacar(um) / urbis terminavit ripam / r(ecta) r(egione) ad prox(imum) / cipp(um) p(edes) LXXXVI. 350 Le Gall 1953: 181 f.; dagegen Lonardi 2013: 61, die die Veränderung der Amtsbezeichnung nicht zwingend mit der Abschaffung der Kollegialität in Verbindung bringen mag. 351 Ausbüttel 1998: 125; z. B. ILS 8979 = AE 1903, 337.

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Vor allem die Anlage der Hafenbecken und Kanäle, die im 1. und zu Beginn des 2. Jahrhunderts in der Tibermündung realisiert wurden, machten wohl eine koordinierte Verwaltung der Uferbereiche und des gesamten Kanalnetztes zwischen Rom und dem Mündungsgebiet unerlässlich.352 In Rom und Ostia verfügte das Personal der Tiberaufsicht über eigene Amtsstuben.353 Wie weit stromaufwärts die Kompetenz der curatores riparum et alvei Tiberis reichte, ist hingegen nicht sicher zu klären, doch da laut Cassius Dio ein Teil ihrer Aufgabe darin bestand, sommers wie winters für einen möglichst ausgeglichenen Wasserfluss zu sorgen, ist eine gewisse Verantwortung über das komplette Einzugsgebiet zumindest anzunehmen.354 Überhaupt scheint das gesamte Tibertal von Flusshäfen und Einrichtungen zur Erleichterung der Flussschifffahrt (z. B. Uferbefestigungen) durchzogen gewesen zu sein, die das Bild des Flusses prägten. Werften und horrea sowie andere direkt bis ans Wasser reichende Bauten komplettierten dieses Bild noch.355 So bemerkt Plinius der Ältere: Nullique fluviorum minus licet inclusis utrimque lateribus, nec tamen ipse depugnat, quamquam creber ac subitus incrementis est, nusquam magis aquis quam in ipsa urbe stagnantibus. Und keinem Fluss ist weniger erlaubt, wie er so von beiden Seiten eingeschlossen wird, und dennoch kämpft er nicht bis zuletzt, obgleich er häufig und plötzlich anschwillt und er nirgends mehr als in der Stadt [Rom] selbst (alles) mit (seinen) Wassermassen unter Wasser setzt.356

Außerdem verweist Plinius darauf, dass der Tiber, ebenso wie seine Zuflüsse Clanis und Tinia, am Oberlauf nur dadurch schiffbar waren, dass man in schleusenartigen Becken (piscinae) Wasser gesammelt und kontrolliert wieder habe ausströmen lassen.357 Obgleich das Aussehen dieser Sperrwerke umstritten ist, ist doch klar, dass also auch

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Vgl. Wawrzinek 2014: 342. Vermutlich kam es deswegen gerade unter den Kaisern zu administrativen Umstrukturierungen des Amtes, die auch im Hafenneubau an der Tibermündung besonders aktiv waren. Zu den Hafenanlagen im Einzelnen s. weiter unten in Kapitel III.2.3b. 353 Rom: CIL XI 1224; Ostia: CIL XIV 5384; dazu s. Meiggs 1973: 303; Le Gall 1953: 182. Zur möglichen Identifizierung der Amtsstube in Rom auf dem Fragment eines römischen Marmorplans, das 1983 nahe der Via Anicia aufgefunden wurde, s. Rosada 2007: 153 mit Fn. 52 und Abb. 6. 354 Aldrete 2007: 199 f.; Le Gall 1953: 176. Vielleicht verweist eine aus Hispellum stammende Inschrift von Plinius dem Jüngeren, in der seine Tiberaufsicht explizit genannt ist, darauf, dass die Tiberkuratoren bis ins Gebiet der Zuflüsse hinauf zumindest bekannt oder gar aktiv tätig waren; so jedenfalls die Vermutung von Camerieri/Mattioli 2013: 23. 355 Robinson 1994: 89. 356 Plin. nat. 3,55. Robinson 1994: 90 weist im Zusammenhang mit der Tiberaufsicht darauf hin, dass gemäß der Darstellung auf der forma urbis viele Gebäude direkt ans Ufer angrenzten. Auch Suet. Aug. 30,2 lässt durchblicken, dass die Bebauung der stadtrömischen Uferzonen wohl schon unter Augustus teils bis unmittelbar an den Fluss reichte. 357 Plin. nat. 3,53; Campbell 2012: 204; Camerieri/Mattioli 2013: 22. Des Weiteren macht Plinius auf diverse Einschränkungen der ohnehin nur punktuell möglichen Schifffahrt am Tiberoberlauf aufmerksam, welche sich auch auf Aussehen und Größe der Flussgefährte ausgewirkt hätten.

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am Oberlauf und den Zuflüssen der Wasserfluss teilweise reguliert wurde.358 Ocriculum am Mittellauf war gemeinsam mit einer Reihe kleinerer Flusshäfen entlang des Tibertals einer der Hauptumschlagsplätze für Waren aus dem gesamten Gebiet Etruriens und Umbriens, die ihrerseits an den verschiedenen städtischen Flusshäfen Roms umgeladen wurden. Gemauerte Kais sind ebenso wie unbefestigte Anlandeplätze auf niedrigerem Terrain archäologisch und epigraphisch für nahezu den gesamten stadtrömischen Uferbereich des Tibers nachgewiesen.359 Deren Aufsicht unterstand den Tiberkuratoren, freilich in Abstimmung mit anderen Ämtern, die für verwandte Tätigkeiten zuständig waren.360 Wahrscheinlich war die cura riparum et alvei Tiberis in dem Rahmen und schon wegen ihres durch Cassius Dio überlieferten Entstehungskontexts neben anderen Aufgaben auch mit dem Management von Hochwassern und dem Schutz vor Überschwemmungen betraut. Möglicherweise findet sich dies in den drei kaiserlichen Kanalinschriften aus dem Hafengebiet in der Tibermündung bestätigt, in denen jeweils deren Wirkung als Flutschutz besonders hervorgehoben wird. Vor allem das Quellenmaterial zur fossa Traiana legt nahe, dass die Tiberkuratoren nicht zuletzt mit der Sorge um den Hochwasserschutz betraut waren. Vermutlich am besagten Kanal war eine Inschrift angebracht, die sich zwar erhalten hat, aber nur stark fragmentiert vorliegt. Deutlich zu erkennen und damit gesichert sind Textfragmente, die die Worte fossa und inundatio erahnen lassen, letzteres möglicherweise auch als Verb inundare. In der Literatur findet sich zumeist die Rekonstruktion von Theodor Mommsen wieder, obgleich sie nur einen Vorschlag darstellt und zudem inzwischen angezweifelt wird: [Imp(erator) Caes(ar) divi] / Ne[rvae fil(ius) Nerva] / Tra[ianus Aug(ustus) Ger(manicus)] / Dac[icus trib(unicia) pot(estate) –] / im[p(erator) – co(n)s(ul) – p(ater) p(atriae)] / fossam [fecit] / [q]ua inun[dationes Tiberis] / [a]dsidue u[rbem vexantes] / [rivo] peren[ni instituto arcerentur]

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Dazu s. ausführlich Campbell 2012: 309–320; für archäologische Hinweise auf bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Schiffbarkeit s. ebd.: 220 f.; Quilici Gigli 1994; kritisch Le Gall 1953: 124, Fn. 5. Neuere (geo-)archäologische Studien am oberen Tiberlauf scheinen Plinius zu bestätigen, wie mir Paolo Camerieri freundlicherweise per E-Mail mitgeteilt hat; Publikationen folgen. Inzwischen konnten an Flüssen geringerer Größe in den germanischen und gallischen Provinzen römerzeitliche und mittelalterliche Becken- und Kanalanlagen archäologisch nachgewiesen werden, die vermutlich zur temporären Erhöhung des Wasserstands für die Verbesserung (oder gar erst Ermöglichung) der Schiffbarkeit dienten; dazu s. Wenzel 2014; Roggenkamp 2016: 32; zur Beschreibung der technischen Funktionsweise s. Eckoldt 1980: 48–50. 359 Für eine Beschreibung der Stadthäfen entlang des Tibers in Rom mit Kartenmaterial s. Castagnoli 1980; Keay 2012: 34–39; für Fotographien und Bestandsaufnahmen zusammenhängender gemauerter Uferbereiche, die den Zustand vor der modernen Umgestaltung der innerstädtischen Tiberufer in Rom zwischen dem Ponte Fabricio und dem Ausfluss der Cloaca Maxima dokumentieren, s. Buzzetti 1986. 360 Meiggs 1973: 303 f.; Robinson 1994: 86–94; Le Gall 1953: 176; Keay 2012: 34.

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Imperator Caesar Nerva Traianus Augustus Germanicus usw. ließ einen Graben anlegen, durch den die Überschwemmungen des Tibers, die wiederholt die Stadt erschütterten, mittels eines dauerhaften Kanals in Schranken gehalten werden sollen.361

Laut Rekonstruktion verweist die Bauinschrift also auf eine entlastende Wirkung des Hafenkanals bei Hochwasser. Interessant ist, dass Ähnliches aus einem Brief des jüngeren Plinius hervorgeht, in welchem ein schlimmes Tiberhochwasser von 107 n. Chr. oder kurz danach beschrieben wird.362 Dort wird gar der Eindruck erweckt, Kaiser Trajan, der providentissimus imperator, habe den Kanal eigens zum Zweck der Flutentlastung anfertigen lassen.363 Der erwähnte Kanal muss als Teil des schiffbaren Kanalnetzes von Portus angesehen werden, welches über die letzten Jahre geoarchäologisch bereits eingehend untersucht wurde.364 Ein tatsächlicher Effekt in Sachen Hochwasserentlastung kann für die Kanäle nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.365 Vielmehr

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CIL VI 964 = CIL XIV 88 = ILS 5797a = AE 2002, 279. Als alternative Lesung schlägt Horster 2001: 271 f. vor: [Imp. Caes. Divi] / Ne[rvae f. Nerva] / Tra[ianus Aug. Germ.] / Dac[icus trib. Pot …] / i[mp. … cos. … p. p.] / fossam [restituit?] / [q]ua inun[dationes Tiberis?] / [ad]sidue u[rbem …] / […]ERFN[…]. Ihr Alternativvorschlag beschränkt sich allerdings darauf, das Adjektiv perennis, welches wohl ohnehin eher als Adverb (perenne) bezogen auf arcere zu deuten ist, als falsche Lesung abzutun. Ihre Lesung sieht statt des E vielmehr ein F vor, wobei sie sich auf eigene Autopsie am Originalstück beruft. Allerdings wäre es denkbar, dass die untere Haste des E inzwischen verwittert und daher nicht mehr vorhanden ist. Zudem gibt sie leider keine alternative Rekonstruktion der Textstelle an. Trotz allem wäre es durchaus möglich, hier ein abgekürztes perforatus zu lesen – es findet sich auch auf anderen Bauinschriften aus diesem Zeitraum: CIL VIII 2661 = ILS 5788 cf. AE 1973, 645; CIL VIII 2728 = ILS 5795 cf. AE 1941, 117 cf. AE 1942/1943, 93. Allerdings spielt die Rekonstruktion an der Stelle hier keine entscheidende Rolle, gesichert sind hingegen die beiden Stichworte, auf die es in diesem Zusammenhang ankommt. Für inun– lässt sich jedenfalls keine andere Lesung finden, die außerhalb des Wortfeldes inundatio liegt. Als weitere Bauinschriften aus dem Umfeld der fossa Traiana sind zu identifizieren CIL XIV 90; 4342; 4343; dazu s. Seelentag 2008: 107 f. mit Fn. 25. Zur möglichen Datierung des Kanalbaus s. Heide 1997: 150. Plin. epist. 8,17. Zur Datierung s. Sherwin-White 1966: 467; Heide 1997: 150; vorsichtiger Aldrete 2007: 29, der die Datierung auf einen Zeitraum zwischen 97 und 108 n. Chr. ansetzt. Plin. epist. 8,17,2. Kritisch gegenüber der tatsächlichen Flutentlastungsfunktion des Kanals Le Gall 1953: 133 f.; Aldrete 2007: 184 f.; Bianchi 2017: 106, Fn. 57. Zur kaiserlichen providentia als Teil der trajanischen Herrschaftsrhetorik s. Seelentag 2008: 111 f. Für eine ausführliche Diskussion jener in der trajanischen Kanalinschrift und im Plinius-Brief erwähnten Tiberüberschwemmung sowie der daraus abzuleitenden meteorologischen Gegebenheiten s. Heide 1997: 148–152. Salomon et al. 2014b: 31; Salomon et al. 2016a; Salomon et al. 2016b; Keay 2012: 39–54. Zum bisher erforschten Kanalnetz von Ostia und Portus mit einer Übersichtskarte s. auch weiter unten in Kapitel III.2.3b. Aktuell wird weiterhin im Rahmen eines geoarchäologischen Forschungsprojekts der Frage nachgegangen, inwieweit die Kanäle am Tiberunterlauf tatsächlich zur Entlastung bei Hochwasser beigetragen haben könnten; dazu s. Slomon et al. 2016a: 302; Salomon et al. 2014b: 31. Das Projekt wird von Simon Keay an der University of Southampton (PLUS – Paleoenvironmental Laboratory at the University of Southampton) geleitet und wird zusammen mit Jean-Philippe Goiran (CNRS – Maison de l’Orient de la Méditerranée) und anderen französischen Forschungsinstitutionen durchgeführt. Es ist Teil des europäischen PortusLimen Projekts (ERC-RoMP), gefördert von der Europäischen Kommission. Zur möglichen Entlastungsfunktion des Kanals s. auch

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scheint die Häufung von Flutberichten für das 1. vor- sowie das 1. nachchristliche Jahrhundert, denen lediglich eine Handvoll Berichte für das 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. gegenüberstehen, ein Hinweis auf das grundsätzliche Funktionieren der entsprechenden Regulierungsmaßnahmen zu sein: Rein klimatologisch lässt sich der Rückgang an schweren Tiberfluten, der sich in etwa seit der Regierungsübernahme durch die Antoninen in den Quellenberichten beobachten lässt, jedenfalls nicht erklären.366 Eine abschließende Einschätzung ist freilich nicht möglich, da für den Rückgang an entsprechenden Berichten auch veränderte Vorlieben in der Historiographie und andere Überlieferungsumstände verantwortlich gemacht werden können.367 Immerhin geben aktuell fortlaufende geowissenschaftliche Studien Anlass zu der Annahme, dass die Hafenkanäle in Portus zusätzlich mit Fluttoren ausgestattet waren, durch die der Wasserfluss bei Flutereignissen noch gezielter reguliert werden konnte.368 Als Grund dafür, dass Plinius die Anlage des Kanals explizit als Maßnahme zum Hochwasserschutz hervorhebt, ist – neben offenkundig enkomiastischen Intentionen369 – zu vermuten, dass er den Posten des curator riparum et alvei Tiberis irgendwann in diesem Zeitraum innehatte.370 Es ist also davon auszugehen, dass Plinius im Rahmen

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Wilson 2013: 270 f. Für die unmittelbar ans Wasser grenzenden Werften und Uferbefestigungen in den stadtrömischen Tiberhäfen geht bereits Robinson 1994: 89 und 92 von einer zusätzlichen Flutschutzfunktion aus. So die Einschätzung von Heide 1997: 153 in ihrer Studie zur Entwicklung des antiken Klimas im Westen des Römischen Reiches. Daten zu Wetter und Witterung wurden in Rom nicht systematisch erhoben und sind am ehesten in der Annalistik unter den prodigia und anderen außergewöhnlichen Erscheinungen aufgelistet, sofern es sich um Phänomene extremen oder ungewohnten Ausmaßes handelte; Frei-Stolba 1987: 104 (bezogen auf die republikanische Zeit) und 112 f. (speziell zur Überlieferung von Tiberüberschwemmungen in der mittleren und späten Republik). Die entsprechenden Berichte in den Schriften zur Prinzipatszeit müssen daher nicht vollständig sein. Möglicherweise ist der quantitative Rückgang der Flutberichte in jener Zeit zusätzlich auf den politischen Bedeutungsverlust der prodigia publica zurückzuführen; dazu vgl. Fn. 314. Lisé-Pronovost et al. 2019: 91. Weitere Erkenntnisse sind in den kommenden Jahren zu erwarten. Vgl. Sherwin-White 1966: 468; Deeg 2019: 144. Außerdem ließ Plinius bereits an anderer Stelle lobende Worte darüber verlauten (Plin. paneg. 21,1–2), diesmal bezüglich des wirtschaftlichen Nutzens der trajanischen Hafenanlagen im Allgemeinen, wozu definitiv auch der neue Hafen von Ostia zählt; so auch die Deutung von Kühn 2008: 188. CIL V 5262 = ILS 2927 = AE 1947, 65 = AE 1963, 190 = AE 1966, 127 = AE 1983, 444 = AE 1984, 436 = AE 1999, 747 = AE 2001, 1085 = AE 2010, 57; CIL VI 1552 = CIL XI 5272 = AE 1892, 5 = AE 1999, 92 = AE 1999, 612; dazu s. Lonardi 2013: 113 f., Nr. 26. Das Datum seiner cura ist zwar nicht genau bekannt, doch kann er das Amt erst nach dem Verfassen seiner Lobrede auf Trajan bekleidet haben: Das Suffektkonsulat erreichte Plinius im Jahr 100 n. Chr., woraufhin er aus Dankbarkeit den Panegyricus verfasste (Plin. paneg. 60,4–5; 92,2–4). Da er als Tiberkurator Konsular sein musste, kann er also erst im Nachhinein diese cura bekleidet haben. Seine Sachkompetenz in hydraulischen und juristischen Fragen bezogen auf die Verwaltung von Flüssen zeigt sich aber möglicherweise bereits in eben jenem Panegyricus, da er sich dort einiger Vokabeln und Bilder aus dem Fachjargon der Flussbreitenmessung bedient (Plin. paneg. 31,4: alveus, fluminis modum); dazu bereits ausführlich weiter oben in Kapitel III.1.1c.

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jenes Amtes intensiv in die Planung der neuen Hafenanlagen einbezogen war, die unter Trajan in Portus realisiert wurden.371 Zudem stand Plinius mit dem Tiberkurator Iulius Ferox in engem Kontakt, der vermutlich sein unmittelbarer Amtsvorgänger war.372 Ti. Iulius Ferox hatte in den Jahren 101 bis 103 n. Chr. cippi entlang des Tiberufers aufstellen lassen.373 In eben jenen Jahren begannen auch die Arbeiten am Trajanshafen,374 die die Neubegrenzungen wohl nötig gemacht hatten. All dies zusammengenommen deutet jedenfalls darauf hin, dass Plinius im Umfeld seiner und des Ferox’ Tiberaufsicht auch über intendierte Flutschutzfunktionen der fossa Traiana unterrichtet gewesen sein muss. Die Erhöhung der Kaimauern in den stadtrömischen Häfen und die Anlage eines neuen Speicherkomplexes im zentralen Stadthafen Roms (portus Tiberinus) ebenfalls in trajanischer Zeit sind wohl als weitere Maßnahmen zur Sicherung der Hafeninstallationen und Versorgungsinfrastrukturen und somit zu einer umfassenden Hochwasservorsorge zu interpretieren.375 Darüber hinaus wurden dort Hoch- und Niedrigwasserkais entdeckt, die etwa 5 m Höhenunterschied aufweisen.376 Bei der claudischen Inschrift aus dem Jahr 46 n. Chr. scheint die Sache etwas anders zu liegen. Darin kommt vor allem der multifunktionale Charakter zum Ausdruck, den ohnehin viele Wasserbauten aufweisen, und der mindestens in diesem Fall auch für die Hafenkanäle des Claudiushafens anzunehmen ist: Ti(berius) Claudius Drusi f(ilius) Caesar / Aug(ustus) Germanicus pontif(ex) max(imus) / trib(unicia) potest(ate) VI co(n)s(ul) design(atus) IIII imp(erator) XII p(ater) p(atriae) / fossis ductis a Tiberi operis portu[s] / caussa emissisque in mare urbem / inundationis periculo liberavit. Tiberius Claudius, Sohn des Drusus, Caesar Augustus Germanicus, usw. befreite die Stadt von der Gefahr der Überschwemmung durch Kanäle, die er wegen der Hafenbauarbeiten vom Tiber ins Meer leiten ließ.377

Was hier zunächst deutlich wird, ist die Priorisierung der Schifffahrt gegenüber dem Hochwasserschutz, denn die erwähnten Kanäle wurden explizit zwecks der Hafenbau371 372 373 374 375

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Vgl. Sherwin-White 1966: 467: „Pliny writes with the knowledge of a curator Tiberis, but without any official connexion with the matter.“ Plin. epist. 7,13; dazu s. Lonardi 2013: 112. CIL VI 31549 a-m; 31550 a-d; 31551; 37029; 40862; 40863; AE 1999, 316; dazu s. Lonardi 2013: 112 f., Nr. 25. Die von ihm gesetzten cippi stammen alle aus dem Zeitraum zwischen 101 und 103 und sind dank der Kaisertitulatur auf das Jahr genau datierbar. Knell 2010: 123–134. Zu den trajanischen Maßnahmen am portus Tiberinus s. Keay 2012: 36 mit weiterführender Literatur. Womöglich lässt sich der Hinweis in Ps-Aur. Vict. epit. Caes. 13,13 auf jene Maßnahmen beziehen; dazu s. auch Deeg 2019: 144, der neben dem Kanalbau allerdings auf keine weiteren Flutschutzmaßnahmen verweist. Wawrzinek 2014: 343–347, Katalog-Nr. A 66.1. CIL XIV 85 = ILS 207.

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arbeiten angelegt. Sie erwiesen sich bei der Gelegenheit möglicherweise eher zusätzlich als Hochwasserentlastungskanäle.378 Vom Wortlaut des Inschriftentexts ausgehend wäre es jedenfalls denkbar, dass die entlastende Wirkung bei Flusshochwasser nicht ihrer primären Funktion entsprach und im Nachhinein zugunsten des Kaisers übertrieben wurde.379 Dadurch sollten die teuren und technisch anspruchsvollen Hafenbauten vielleicht zusätzlich legitimiert werden, denn die Durchführbarkeit des claudischen Hafenbauprojekts war seinerzeit äußerst umstritten.380 Außerdem war es zur selben Zeit bereits bei einem anderen Wasserbauprojekt am Fuciner See zu einer ungeplanten Verlängerung der Bauzeit und in der Folge zu einer Explosion der Baukosten gekommen.381 Die Forschungsdiskussion, ob die fossa Traiana einen neuangelegten Kanal darstellt oder es sich lediglich um „den“ claudischen Hafenkanal handelt, ist insofern nicht vollständig nachzuvollziehen, als in der claudischen Inschrift eindeutig von mehreren Kanälen die Rede ist.382 Zwar wäre es trotz allem denkbar, dass unter Trajan lediglich einer der claudischen Kanäle zu einem Flutschutzkanal ausgebaut wurde, doch ist die Identifikation des Kanals tatsächlich nicht weiter relevant, solange nur danach gefragt wird, ob eine Flutschutzfunktion bereits bei der Bauplanung beabsichtigt war.383 Bei Trajan scheint diese Funktion, wohl neben anderen Funktionen, der Fall gewesen zu sein, während sich dies für Claudius, ausgehend vom Wortlaut des Inschriftentexts, eher nicht bestätigen lässt. Die letzte kaiserliche Baumaßnahme am Tiber, deren Flutschutzfunktion in einer Bauinschrift explizit gemacht wird, stammt von Commodus.384

378 Vgl. Deeg 2019: 79 mit Fn. 347; ähnlich kritisch gegenüber der tatsächlichen Hochwasserentlastung und möglichen Funktionsweisen Aldrete 2007: 184; Le Gall 1953: 133 f.; Osgood 2011: 184 f.; dazu s. außerdem Bianchi 2017: 106; den claudischen Hafenkanälen eine mögliche Entlastungsfunktion zugestehend hingegen Haas 2006: 135. 379 Vgl. Hettinger 2014: 114. 380 Cass. Dio 60,11,1–3. Die bauliche Herausforderung beim Bau des Claudiushafens klingt möglicherweise auch in einer beiläufigen Bemerkung bei Quintilian (Quint. inst. 2,21,18) an: An huius modi res neque in laudem neque in deliberationem neque in iudicium veniunt? Ergo cum de faciendo portu Ostiensi deliberatum est, non debuit dicere sententiam orator? Atqui opus erat ratione architectorum. – „Oder kommen etwa Gegenstände dieser Art nicht in eine Lob-, Beratungs- oder Gerichtsrede? Sollte also ein Redner, wenn über die Schaffung eines Hafens in Ostia beraten wird, nicht seine Meinung sagen? Hängt doch das Werk von der methodischen Sachkenntnis der Architekten ab.“ Übersetzung: Helmut Rahn (Rahn 1995). 381 Der Finanzskandal um das Projekt am Lacus Fucinus (Bauzeit von 41–52 n. Chr.) wird v. a. von Tacitus (Tac. ann. 12,57,2) und Cassius Dio (Cass. Dio 60,11,5 und 61,33,5) angesprochen. Dazu ausführlich im folgenden Kapitel III.2.2b. 382 Außerdem konnten die oben erwähnten geoarchäologischen Untersuchungen inzwischen ohnehin ein ganzes Netz an Hafenkanälen zwischen Ostia und Portus identifizieren, freilich unterschiedlicher Zeitstellung. Zur Forschungsdiskussion s. Deeg 2019: 144; Aldrete 2007: 184 f.; Sherwin-White 1966: 468. Hingegen sieht Schneider 2001: 206 es als erwiesen an, dass es sich bei dem trajanischen Kanal um einen anderen als „den Kanal des Claudius“ handelt. 383 Vgl. Deeg 2019: 144; Aldrete 2007: 185. 384 AE 1909, 67.

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Der darin erwähnte pons (Brücke, oder wahrscheinlicher ein Damm)385 sollte laut Text Überschwemmungen abwehren. Hier ist die erklärte Absicht also wiederum gegeben. Dass alle drei Inschriften ausschließlich den Kaiser nennen, ist nicht verwunderlich, weil bei den öffentlichen Bautätigkeiten im Claudius- und Trajanshafen jeweils der Prinzeps als oberste Bauherr und Financier fungierte und die Hafenbauprojekte zudem äußerst prestigeträchtig für den Kaiser waren.386 Im Gegensatz dazu handelte es sich bei den cippi aus dem Ufer- und Kanalbereich, die durchaus die Namen der jeweils zuständigen Tiberkuratoren oder des zugeordneten subalternen Personals nennen, nicht um Bau-, sondern lediglich um Grenzsteine, also um Texte zu juristischen Belangen, die im Kompetenzbereich der Tiberaufsicht lagen.387 Dass die Tiberkuratoren dennoch von Amts wegen auch mit Belangen des baulichen Hochwasserschutzes und der Flutvorsorge zu tun hatten, liegt schon deshalb auf der Hand, weil all ihre anderen Zuständigkeitsbereiche von stärkeren Hochwassern unmittelbar beeinträchtigt wurden. Somit war mit der Einrichtung der cura riparum et alvei Tiberis eine administrative Institution geschaffen worden, die alle auf den Tiber bezogenen Alltagsaktivitäten (Treidelschifffahrt, anderweitige Ufer- und Flussnutzung) überwachte, nicht zuletzt mit Blick auf deren Beeinträchtigung durch Überschwemmungen. Die juristische Begrenzung der Tiberufer in der Stadt mag auch mit Blick auf die später im ländlichen Raum immer gängigere Praktik der Flussbreitenausweisung ähnlich präventive Züge getragen haben.388 Das Einbeziehen der Kloakenaufsicht unter Trajan war sicherlich eine Reaktion auf Rückstauungen in Rom, die bei ungenügender Abflussreinigung Überschwemmungen in die Länge ziehen konnten, weil ein Abfließen des Wassers kaum möglich war.389 Die Integration der Kloakenaufsicht in die Tiberaufsicht mag also eine weitere

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Zu „Brücken“ oder vielmehr brückenartigen Dammkonstruktionen mit Flutschutzfunktion s. weiter unten in Kapitel III.3.1. Vgl. Dig. 50,10.3.1–2 (Macer). Darin wird die Nennung der Financiers auf Bauinschriften von operae publicae geregelt, der zufolge ausschließlich die Nennung des Prinzeps und ggf. der nicht mit jenem identischen Geldgeber erlaubt war, wobei der Text in den Digesten aus dem Werk des Aemilius Macer stammt, der selbst freilich erst unter Caracalla und Alexander Severus wirkte; zu Macer s. Kunkel 1967: 256 f. Die zunehmende Monopolisierung durch den Prinzeps in derartigen Angelegenheiten hatte dennoch schon deutlich früher eingesetzt. So z. B. CIL VI 31545 = ILS 5926 (Fünfmannkollegium unter Tiberius); CIL VI 31549 f = ILS 5930 (Iulius Ferox). Dazu bereits ausführlich in Kapitel III.1.1. Ähnlich Aldrete 2007: 184, jedoch mit Verweis auf eine möglicherweise rückwärtige Fließrichtung des Flutwassers aus dem Tiber. Für hellenistische Zeit berichtet schon Diodor (Diod. 19,45,3), dass auf der Insel Rhodos während eines verfrühten Frühjahrsregens die Abflusskanäle, die noch nicht gereinigt worden waren, das Wasser zurückhielten und die Überschwemmung der Stadt noch verschärften; dazu s. Meissner 2004: 28–32. Noch in spätantiker Zeit geht aus verschiedenen durch Cassiodor überlieferten Briefen hervor, dass die öffentliche Abflussreinigung städtischer Kloaken in regelmäßigem Turnus von der Obrigkeit erwünscht war und – wenn nötig – von oben angeordnet wurde, um Überflutungen durch Rückstau zu vermeiden; Cassiod. var.

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Vorsorgemaßnahme Trajans gegen Überschwemmungen in Rom gewesen sein. Da die neue Titulatur bereits auf den cippi des Ferox seit 101 n. Chr. nachzuweisen ist, kann die Umstrukturierung der Tiberaufsicht nicht erst eine Reaktion auf die von Plinius geschilderte Flut darstellen, sofern die Datierung des Briefs Sherwin-White zufolge auf 107–108 n. Chr. zutrifft, sondern wird eher als Vorsorgemaßnahme zu verstehen zu sein, vielleicht als Reaktion auf eine unter Nerva vorgefallene Flut.390 Folgt man hingegen der vorsichtigeren Datierung Aldretes auf einen Zeitraum zwischen 97 und 108 unter Trajan und beachtet weiterhin das allgemein ausgeprägte Wissen und Interesse des Plinius an wasserrechtlichen und -baulichen Belangen schon vor seiner cura,391 könnte dies ebenso für einen Flutzeitpunkt vor 101 n. Chr. sprechen, woraufhin dann die Integration der Kloakenaufsicht beschlossen worden sein könnte.392 c. Paradigmenwechsel im Umgang mit Tiberhochwassern In welcher Reihenfolge sich die Ereignisse und Entscheidungen ergeben haben, lässt sich allein auf der besprochenen Quellengrundlage kaum abschließend klären, doch lassen die Quellen trotz allem einige allgemeine Feststellungen zum römischen Umgang mit Hochwasserrisiko zu. Der Paradigmenwechsel im Umgang mit Hochwasser am Tiber bestand vor allem in der Schaffung eines permanenten Amtes, eben jener cura riparum et alvei Tiberis, die im Laufe der Zeit zwar ihre Verwaltungsstrukturen und ihre Kompetenzbereiche veränderte, doch als stadtrömische cura noch bis in die Spätantike hinein epigraphisch bezeugt bleibt.393 Ihre lange Existenz wird wohl auf die vielfältigen Aufgaben zurückzuführen sein, die die Kuratoren entlang der Uferbereiche am Unterlauf des Tibers wahrzunehmen hatten – nicht zuletzt für die Schifffahrt und somit für die Lebensmittelversorgung Roms war die Pflege der Ufer und Treidel-

8,29,2; dazu Meyer-Flügel 1992: 294 (Parma); außerdem Cassiod. var. 3,30,1–2; dazu ebd.: 295 (Rom). 390 Ps-Aur. Vict. epit. Caes. 13,12–13. Diese Maßnahme scheint Deeg 2019: 144 offenbar zu entgehen, jedenfalls bezogen auf die generelle Feststellung in den Epitomen, Trajan habe mit sorgfältig ausgewählten Mitteln (exquisita remedia) gegen verschiedene Krisensituationen, darunter auch eine schlimme Flut, Abhilfe geschaffen. Allerdings merkt Deeg richtig an, dass Plinius neben dem Kanal keine weiteren Maßnahmen zum Flutschutz aufzählt. 391 Vgl. weiter oben Fn. 370; dagegen allerdings Sherwin-White 1966: 467. 392 Dies ließe sich wiederum besser mit der Aussage des Ps-Aur. Vict. epit. Caes. 13,13 zu den exquisita remedia vereinbaren, ebenso wie mit dem Mangel an Hinweisen des Plinius auf weitere Flutvorsorgemaßnahmen neben dem Kanal; dazu s. auch Deeg 2019: 144. Der Kanal müsste dann allerdings schon zum Zeitpunkt der Flut, also vor 101 n. Chr., einsatzfähig gewesen sein. Dies wäre höchstens dann möglich gewesen, wenn Trajan tatsächlich einen der bereits bestehenden claudischen Kanäle lediglich hätte reinigen oder ausbauen lassen. 393 So z. B. CIL X 5061 = ILS 1217 = AE 2005, 90; CIL X 4752 = ILS 1223; CIL VI 40770 = AE 1975, 135; CIL VI 37112; CIL VI 1242 = CIL VI 31556 = ILS 5894; CIL VI 1143.

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

pfade essentiell.394 Doch auch spürbare Erfolge bei der Flutvorsorge mindestens im Stadt- und Hafengebiet Roms (vor allem aufgrund der Wartung der Kanäle und der Pflege der Uferbefestigungen) könnten durchaus für die Langlebigkeit der Tiberaufsicht verantwortlich zeichnen. Die Erweiterung des Repertoires an Möglichkeiten, Hochwasser beizukommen, und insbesondere der nicht bauliche Charakter der cura sind Symptome für eine veränderte Konzeption von Hochwasserrisiko im antiken Rom. Rein technischer Hochwasserschutz schien zu Beginn der Kaiserzeit, in der das urbane Zentrum sich flächig immer weiter ausdehnte, nicht mehr ausreichend zu sein. Dies ist umso bemerkenswerter, als sich gerade zu der Zeit neue bautechnische Möglichkeiten entwickelten und im Laufe der ersten beiden Jahrhunderte nach Christus eine rege Bautätigkeit einsetzte, die speziell Wasserbauten wie etwa Talsperren, Flussumleitungen und Kanalisierungen umfasste, was von hohem technischem Selbstbewusstsein zeugt.395 In der Stadt Rom stellte das erweiterte Management, welches das Flusssystem als zusammenhängenden Handlungsraum begriff, im frühen 1. Jahrhundert n. Chr. einen neuen Ansatz dar, der mithilfe der cura zudem auf Dauer gestellt wurde. Schon unter Augustus hatte es größere Maßnahmen zur Reinigung und Vertiefung des Flussbettes gegeben, doch in eine dauerhafte Magistratur scheinen diese Arbeiten noch nicht gemündet zu haben. Schon die Einsicht, dass die Aufsicht über Tiberbett und -ufer als alleinige Aufgabe einem zentralen Funktionsträger und zudem auf Dauer übertragen werden müsse – so wie dies bei vielen anderen wichtigen curae bereits der Fall war – spricht für einen umfassenden Sinneswandel angesichts der Hochwasserproblematik in und um Rom.396 In diese Richtung ist wohl auch der Begriffswandel zu werten, der in eben diese Zeit fällt: Wurden in republikanischen Zeiten Hochwasser noch als aqua magna oder ähnlich bezeichnet, wurde dieser Begriff in der Kaiserzeit und offenbar beginnend mit Augustus durch den problematisierenden Begriff inundatio ersetzt.397

394 Zur Schiffbarkeit des Tibers allgemein Campbell 2012: 309–320; Theis 2017 zu Bedeutung und Quellen der Treidelschifffahrt auf dem Tiber. 395 Schneider 2001: 206; konkrete Beispiele aus den ersten beiden Jahrhunderten des Prinzipats im folgenden Kapitel III.2.2. 396 Ähnlich schätzt Leveau 2012: 27 die diesbezüglichen Neuerungen ein, sowohl das ganzheitliche Erfassen des Flusssystems als auch das neue politische Risikomanagement auf Verwaltungsebene. 397 Zum Begriffswandel s. Hettinger 2014: 127; s. außerdem weiter oben in Kapitel II.1 für eine Erörterung, ob der inundatio-Begriff möglicherweise ein Schlagwort der augusteischen Reformpolitik darstellt.

Ingenieurstechnische Maßnahmen

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III.2.2 Begehrtes Land: Von Flussregulierungen und Seeabsenkungen Im Folgenden werden am Beispiel des Fuciner Sees in Italien und des Kopaïsbeckens in Griechenland Einrichtungen zur künstlichen Regulierung von Pegelständen an Binnenseen in den Blick genommen. Gewisse Ähnlichkeiten bestehen hier zum bereits behandelten Regulierungsprojekt am Veliner See durch Dentatus, zumal es sich bei allen drei Fällen um karstige Landschaften handelt, die deshalb ähnliche natürliche Gegebenheiten aufwiesen. Heute sind die Seen nicht mehr existent, da sie im 19./20. Jahrhundert vollständig trockengelegt wurden. Die in diesem Kapitel thematisierten Beispiele für antike ingenieurstechnische Hochwasserregulierung erreichten nicht nur beide in der Regierungszeit Hadrians ihren technischen Höhepunkt. Vor allem lassen die den Regulierungsarbeiten zugrundeliegenden antiken Herangehensweisen eine wesentliche Gemeinsamkeit erkennen, die am Ende des Kapitels besprochen wird. a. Das Kopaïsbecken Die Flüsse Kephissos und Melas im griechischen Boiotien flossen im Altertum zusammen mit mehreren kleineren Gebirgsbächen im Kopaïsbecken zusammen, wo sie einen ausgedehnten See oder besser ein ausgedehntes Sumpfgebiet ausbildeten (Karte 6).398 Allseits umgeben von hohen Gebirgszügen bot die ausgedehnte, niedriggelegene Ebene das einzige Sammelbecken für das Flusswasser, insbesondere in den kälteren Wintermonaten.399 In den Sommermonaten hingegen entleerte sich der See und fiel an 398 Verschiedene Analysen (u. a. Pollen) haben ergeben, dass es sich bei den wasserdurchdrungenen Flächen am ehesten um ein saisonales Sumpfgebiet handelte; dazu s. Farinetti 2008: 121. Berichte von Reisenden noch bis kurz vor der Entwässerung des Sees im 19. Jahrhundert legen nahe, dass das Aussehen des Gebiets von Weitem nicht dem eines großen Sees glich, sondern eher einer grünen Weidefläche (ebd.: 128 mit Verweis auf Quellen); vgl. Knauss 1985: 47 unter Verweis auf das jahreszeitlich variierende Aussehen; allgemein zur Schwierigkeit der präzisen Unterscheidung zwischen Sumpf und See, die es in der heutigen Striktheit im antiken Bewusstsein ohnehin nicht gegeben hat, s. Traina 1988: 79 f.; Traina 1985; Traina 2001. 399 Paus. 9,38,6. Zu den geographischen Charakteristika des Beckens s. Fossey 1979: 550–553 mit Übersichtskarten über die umliegenden Städte und die Drainageanlagen. Die kleinen Gebirgsbäche weisen zwar extrem hohe Abflussspitzen auf, doch führen sie insgesamt wenig Flutwasser. Ihre heutigen Spitzenabflüsse liegen bei 50–100 m3/s. Der Hauptfluss Kephissos, der in der nordöstlichen Ecke des Kopaïsbeckens zufließt, weist mit 150 m3/s hingegen eher geringe Abflussspitzen auf, wobei er während Flutzeiten allerdings eine beträchtliche Menge an Wasser mit sich führt. Während des Winterhalbjahres fließen durchschnittlich 560 Millionen m3 Wasser in das Kopaïsbecken, wobei diese Werte von Jahr zu Jahr sehr stark schwanken können, sodass in außergewöhnlich trockenen Jahren der Wert auch nur halb so groß sein kann. Der Melas hingegen, der in der Gegend von Orchomenos entspringt, weist mit etwa 5 m3/s im Sommer wie im Winter weitaus weniger Schwankungen auf; dazu s. Knauss 1985: 43; für neuere Werte s. Kountouri et al. 2013: 711–713; Farinetti 2008: 117–121. Zur Schilderung der typischen Flutsituationen in der Antike s. auch Knauss 1991: 21 f.; Knauss 1992: 43. Im Winterhalbjahr kam es zweimal zu Hochwasser:

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

Karte 6 Das Kopaïsbecken in Boiotien © Jasmin Hettinger, basierend auf Daten des Ancient World Mapping Center

einigen Stellen ganz trocken (Abb. 9).400 Aufgrund der besonderen Beschaffenheit des karstigen Seebodens war der Wasserstand in der Antike starken und sehr plötzlich eintretenden Pegelschwankungen unterworfen, zumal der See über keinen oberirdischen Ausfluss verfügte. Für diese Schwankungen waren Felsspalten verantwortlich, sogenannte Katavothren. Katavothren waren natürlich entstandene Öffnungen im Boden, die das Seewasser bei genügend hohem Wasserstand aufnahmen und unterirdisch in nahegelegene kleinere Seen sowie schließlich ins Meer ableiteten. Die größten Katavothren zum ersten Mal, wenn im Oktober die Herbst- und Winterregenfälle einsetzten, die bis in den Dezember hinein andauerten. Wenn zwischen Januar und Anfang März die Temperaturen sanken, ging der meiste Niederschlag in Form von Schnee nieder, wodurch sich der Wasserabfluss erheblich verringerte. Erst im Frühjahr kam es bei steigenden Temperaturen zur Schneeschmelze, die gleichzeitig mit der landwirtschaftlichen Aussaat einsetzte oder auch erst ganz kurz danach, was den dortigen agrarischen Anbau erheblich erschwerte. Somit war vor allem die zweite Flutperiode im Frühjahr die unerwünschte, gegen die vorgegangen werden musste, um landwirtschaftlichen Anbau im sonst sehr fruchtbaren Seebecken betreiben zu können. 400 Knauss 1985: 43–45. Dieses Trockenfallen wurde neben dem Ablaufen in unterirdische Abflüsse vor allem durch die Verdunstung des nur mäßig tiefen Sees hervorgerufen. In besonders trockenen Sommern konnte der See gar ganz trockenfallen und ein weitläufiges Sumpfgebiet ausbilden; s. Farinetti 2008: 127.

Ingenieurstechnische Maßnahmen

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Abb. 9 Digitales Modell der Wasserfluktuation im einstigen Kopaïsbecken (Farinetti 2008: 116, Abb. 1)

konzentrierten sich im Nordosten des Beckens in nur wenigen Kilometern Entfernung vom Euböischen Golf. Bei Niedrigwasser schlossen sich diese Öffnungen nach und nach aufgrund des hohen Kalkanteils im Flutwasser. Zusätzlich wurden sie wohl noch durch Schwemmerde blockiert, sodass sie schließlich versinterten und der See sich sukzessive aufstaute. Hatten die im Becken befindlichen Wassermassen nach einer Weile genügend Volumen und Wasserdruck aufgebaut, brachen die Katavothren erneut auf, sodass sich der Pegel des Sees schlagartig wieder senkte.401 401 Strab. 9,2,18 C 406–407; 9,2,16 C 406; 9,2,40 C 415. Für eine geowissenschaftliche Studie zur Ausdehnung des Sees in der Antike s. Farinetti 2008; auch Farinetti 2016. Generell zum geographischen Phänomen der Katavothren in Karstlandschaften s. außerdem Kapitel I.4.

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Trotz ihres natürlichen Ursprungs mussten die Abflüsse von den Anwohnern überwacht und gereinigt werden, um den Abfluss des Wassers zu garantieren und einer Vernässung der Uferbereiche entgegen zu wirken, wie sich noch zeigen wird.402 Als weiterer Hochwasser fördernder Faktor kam das flache Relief des Beckens hinzu, das bei außergewöhnlich starken Winterfluten bei einem Pegelanstieg um nur 2,50 m bewirkte, dass die Fläche des Sees nahezu auf das Doppelte anwuchs (von ca. 150 km2 auf 250 km2), was auf Abbildung 9 eindrücklich zu erkennen ist.403 Wegen dieser starken periodischen Schwankungen wurde der See archäologisch nachweislich bereits in der späten Bronzezeit mithilfe komplexer Ableitungssysteme und Polder trockengelegt.404 Das Hauptprinzip bestand hier und bei allen antiken Folgeprojekten daraus, das Flutwasser kontrolliert an den Beckenseiten entlang zu führen und es möglichst direkt zu den Katavothren zu leiten.405 Die wohl im 12. Jahrhundert v. Chr. abgeschlossenen Meliorationsarbeiten an den Ufern des Sees gelten mithin als eines der ältesten Wasserbaugroßprojekte auf dem heutigen europäischen Kontinent.406 Als die mykenische Kultur ihrem Ende entgegenging, die Wasserbauten nach und nach aufgelassen und nicht mehr weiter unterhalten wurden, kehrte das Wasser in das Kopaïsbecken zurück.407 In Erinnerung an die Kanal- und Dammsysteme sowie an die Wiedervernässung entstanden mit der Zeit zahlreiche Mythen.408 In ihnen dominiert meist Herakles die Handlung. So wurden dem Heros von verschiedener Seite sowohl die Trockenlegung und Flussumleitung als auch die erneute Flutung der trockengelegten Ebene zuge-

402 Fossey 1972: 451; Knauss 1985: 49–51. Die Wartung sollte den natürlichen Verschüttungen entgegenwirken ebenso wie mutwillige Zerstörungen frühzeitig aufgespürt oder gar verhindert werden sollten. 403 Kountuouri et al. 2013: 713; Boatwright 2000: 113 mit leicht anderen Werten. Zu den Pegelschwankungen s. auch Farinetti 2008: 118–121; Farinetti 2016: 649 f. 404 Strab. 9,2,40 C 414, der die wirtschaftlichen Vorteile und somit den Wohlstand der mykenischen Kultur betont, den die Seeregulierung insbesondere den Bewohnern des Hauptortes Orchomenos beschert haben soll. Zu Aussehen und Funktionsweise dieser bronzezeitlichen Ableitungssysteme s. Kountouri et al. 2013; Giannakos 2015; Knauss 1984; Knauss 1985: 49–54; Knauss 1987b; Knauss 1990. 405 Fossey 1972: 452. 406 Knauss 1990: 74–76. Nach seinen Berechnungen müssen für die wasserbaulichen Strukturen gut 2 bis 2,5 Millionen m3 Erde bewegt worden sein. Die Steinmauern der Dammkonstruktionen messen insgesamt etwa 75 km, für die hochgerechnet circa 400.000 m3 Steinmaterial verwendet wurde; ebd.: 84–85. Ähnlich großräumige Regulierungsarbeiten zur Kontrolle von Flusshochwasser wurden, möglicherweise ebenfalls durch die Mykener, in Olympia unternommen, dazu s. Knauss 1998. 407 Berichte aus den freilich erst sehr viel später entstandenen antiken Quellen legen nahe, dass die sich häufenden Überschwemmungen für den Verfall der mykenischen Vormachtstellung in der Gegend mindestens mitverantwortlich gewesen sind; Strab. 9,2,42 C 416; Paus. 9,24,2; Knauss 1985: 43 und 54. 408 Farinetti 2008: 124.

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schrieben.409 Auch in Tempeln und Heiligtümern wurde der Heros rund um den See verehrt.410 Nachdem der See unter Alexander dem Großen durch Krates erneut teilweise trockengelegt und seine Zuflüsse kanalisiert worden waren,411 verschärfte sich das Problem der regelmäßigen extremen Überschwemmungen im nachfolgenden Jahrhundert wieder, da die Katavothren durch mangelnde Pflege zusehends versinterten und das Seewasser dementsprechend stärker aufgestaut wurde.412 Doch erst für spätere Zeiten sind wieder Baumaßnahmen bekannt. So gelang es schließlich unter Führung und Finanzierung des Boioters Epameinondas im Jahr 40 n. Chr., die Ruinen der historischen Deiche bei der Stadt Akraiphia am Ostufer des Sees wieder instand zu setzen.413 Für den Wiederaufbau stellte der Euerget 6.000 Denare seines Vermögens zur Verfügung, was inschriftlich belegt ist.414 Zusätzlich wurde ein etwa 20 km langer Drainagegraben quer durch die Mitte des Beckens bis an einen Randkanal des Polders bei Gla gezogen.415 Ausschlaggebend für die Entscheidung, die alten Deiche wieder in Betrieb zu nehmen, könnten durch Hochwasser ausgelöste Ernteausfälle gewesen sein.416 Denn ein Inschriftenstein, der bei Akraiphia gefunden wurde und aus der Zeit des Deichbaus stammt, enthält den Text eines Dekrets, das im Zusammenhang mit schweren Ernteausfällen steht.417 Ulrich Kahrstedt vermutet in diesem Zusammenhang, dass Teile des zur Stadt Akraiphia gehörigen Ackerlandes dauerhaft dem See zum Opfer gefallen und überschwemmt worden sein könnten.418 Ähnliches war Pausanias zufol409 Paus. 9,17,1; 9,25,4; 9,26,1; 9,37,2; 9,38,7; Diod. 4,18,6–7; Apollod. 2,4,11; Strab. 9,2,40 C 414–415. 410 Paus. 9,24,3; 9,32,2; 9,38,6; Schachter 1979; Boatwright 2000: 115; zum Herakles-Heiligtum von Thisbe mit einer Beschreibung der dortigen hydraulischen Installationen s. Knauss 1992: 37. 411 IG VII 3170; Knauss 1985: 54; Fossey 1972: 451; Fellmeth 2001: 40; Smith 1978: 34. Krates aus Chalkis handelte auf Geheiß Alexanders des Großen und ließ insbesondere die bereits vorhandenen Kanäle und natürlichen Katavothren reinigen. Bei der Anlage eines zusätzlichen Entwässerungsgrabens soll er längst im See versunkene Siedlungsreste freigelegt haben (Strab. 9,2,18 C 407; Knauss 1985: 47). Allerdings ist auch bekannt, dass Krates sein Projekt nicht vollständig zu Ende bringen konnte (Knauss 1985: 54 f.). Dennoch konnte 1970 der Entwässerungskanal des Krates auf Luftbildern identifiziert werden; Lauffer 1985: 103. 412 Fossey 1972. So berichtet Strabon (Strab. 9,2,18 C 406) davon, dass die Stadt Kopai noch in vorchristlicher Zeit wieder vermehrt von Überschwemmungen heimgesucht wurde. 413 Boatwright 2000: 115; Kahrstedt 1954: 84 f. Spätestens seit der Griechenlandreise Neros 67 n. Chr. hielt Epameinondas das Amt eines flamen divi Augusti (IG VII 2713 = ILS 8794 = SIG2 376 = SIG3 814). Zur Person des Epameinondas s. Oliver 1971. 414 IG VI 2711; 2712. Eine ähnliche Inschrift aus derselben Gegend ist aus claudischer Zeit erhalten geblieben: SEG XV 330; dazu s. Oliver 1971: 221. Sie ehrt zwei weitere Euergeten, die der Stadt Akraiphia in ihrer schweren Not finanziell unter die Arme gegriffen hatten. Epameinondas bleibt auf dieser späteren Inschrift unerwähnt; dazu s. auch Kahrstedt 1954: 85. 415 Knauss 1985: 54; Fossey 1991: 15. 416 Oliver 1971: 236. 417 SIG3 800. 418 Kahrstedt 1954: 84 f. So könnte sich die Notzeit, auf die in der Ehreninschrift für die beiden anderen Euergeten (SEG XV 330; vgl. Fn. 414) hingewiesen wird, auf die Zeit der Ernteausfälle beziehen.

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ge bereits mit anderen Teilen des Seeufers geschehen. Er berichtet, dass die beiden boiotischen Städte Athen und Eleusis, die beide in der Nähe der Stadt Kopai direkt am Seeufer gelegen hatten, einst bei einem schweren Winterhochwasser vom See dauerhaft verschlungen worden seien.419 Dieser Vorgang könnte sich im Falle Akraiphias wiederholt haben. Möglicherweise betraf die Sorge um den Verlust von Ackerland auch Epameinondas’ eigene Ländereien in Ufernähe. Da jedoch in den Jahren nach der Instandsetzung des Uferdammes noch immer Ernteausfälle für die dortigen Äcker verzeichnet sind, nimmt Kahrstedt an, dass der Ausbau des Uferschutzes in diesem Fall zu spät realisiert worden sei.420 Die Gemeinde Akraiphia selbst konnte sich ihr Weiterbestehen zwar sichern, erholte sich wirtschaftlich aber nie mehr vollständig.421 Erst unter Hadrian wurde wieder eine großflächig koordinierte Regulierung des gesamten Seebeckens in Angriff genommen, die nicht wie das Projekt des Epameinondas lokal beschränkt war.422 Während die Mykener und Krates sich eher auf den Norden und insbesondere auf die Nordostecke des Beckens mit den größten Katavothren konzentriert hatten, wurden in hadrianischer Zeit vor allem in der südwestlichen Gegend des Beckens um die Stadt Koroneia verschiedene zusätzliche Deiche zur Fixierung der Flussbetten angelegt, insbesondere am Fluss Phalaros. Doch auch an Kephissos, Herkyna und mehreren kleineren Flüssen wurden Deichbauten bis zu ihrer jeweiligen Einmündung in die Katavothren angelegt.423 Außerdem scheinen um Koroneia in dem Zuge auch Polder nach mykenischem Vorbild angelegt worden zu sein, wie sie aus der Nordwestecke des Beckens bekannt sind.424 John M. Fossey hat bei der Zusammenstellung der archäologischen Befunde aus Boiotien eine interessante Beobachtung gemacht. Für die römische Kaiserzeit ist um das Kopaïsbecken ein deutlicher quantitativer Rückgang der Siedlungsaktivitäten und -ausdehnungen auszumachen: Demnach ist von der klassischen zur römischen Epoche in der Kopaïs ein Siedlungsrückgang von 54,5 % zu verzeichnen, während er sich in 419 420 421 422 423

Paus. 9,24,2. Dazu und zu Epameinondas’ möglichen eigenen Verlusten an Ackerland s. Kahrstedt 1954: 84 f. Oliver 1971: 236. Buraselis 2006: 53; Boatwright 2000: 115 f.; Lauffer 1985: 103. Dazu s. Lauffer 1985: 103. Er scheint die als mykenisch angesehenen Deichbauten eher mit den römischen zu identifizieren, ohne dabei sicher klarzustellen, ob er die römische Datierung als Alternative neben die mykenische stellen möchte, oder eine Kontinuität denkbar wäre. Er betont aber, dass der Verlauf der Deichbauten genau aus den Briefen Hadrians hervorgehe. Die Möglichkeit, dass die bronzezeitlichen Deichbauten in Ausrichtung und Funktionsweise im Wesentlichen denen aus römischer Zeit entsprachen und daher eher von einer Kontinuität oder vielmehr einer unbewussten Nachahmung auszugehen ist, wäre wohl vorzuziehen. Knauss 1985: 45 f. macht darauf aufmerksam, dass die französische Entwässerungsgesellschaft, die die Kopaïs im 19. Jahrhundert komplett trockenzulegen versuchte, unwissentlich den Grundprinzipien der prähistorischen und antiken Wasserbauten gefolgt ist. Ausgehend von den topographischen und hydrologischen Bedingungen waren die Möglichkeiten im Grunde schon vorgegeben. 424 Knauss 1985: 54 f.; vgl. Fossey 1972: 452 f.

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den östlichen und westlichen Ebenen Boiotiens für denselben Zeitraum auf lediglich 38 % beläuft. Dieses Ungleichgewicht führt Fossey unmittelbar auf die Flutproblematik zurück.425 Auch für die ausgehende mykenische Epoche ist um das Seeufer herum archäologisch ein drastischer Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, die sich mit einer Zunahme an Überschwemmungsereignissen in Übereinstimmungen bringen lassen.426 In beiden Fällen begann die Verfallsbewegung in der Gegend der Katavothren, also im Nordosten des Beckens. So waren für die römische Zeit vor allem Kopai und Akraiphiae im Nordosten als erste davon betroffen. Nach und nach weiteten sich die schlimmen Überschwemmungsereignisse immer weiter nach Süden und Westen hin aus, sodass einige Zeit später auch die in jenen Ecken befindlichen Siedlungen, in diesem Fall vor allem Koroneia und Orchomenos, zusätzliche Schutzmaßnahmen ergreifen mussten. Wahrscheinlich waren beide Male die natürlichen Gegebenheiten des Kopaïsbeckens für die Bewegung richtungsweisend. In der Nordostecke, wo sich die meisten Katavothren befanden, waren die Auswirkungen einer Versinterung jeweils als erstes spürbar, während die Hochwasserproblematik erst mit der Zeit auch auf andere Teile des Beckens ausgriff.427 Zu den Regulierungsmaßnahmen aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert liegt eine Reihe von Abschriften kaiserlicher Briefe vor, die in Koroneia als monumentale Inschriften öffentlich zur Schau gestellt wurden. Sie enthalten Informationen über den Ablauf des Bauprojekts und insbesondere über die daraus resultierenden Schwierigkeiten und Nebeneffekte. Die offiziellen Schreiben entstammen einer langjährigen Korrespondenz zwischen den Kaisern Hadrian, Antoninus Pius sowie Marcus Aurelius mit Lucius Verus einerseits und der Gemeinde Koroneia andererseits.428 Sie decken den Zeitraum von 125–162 n. Chr. ab und stammen aus dem Stadtarchiv Koroneias. Nach Meinung von Fossey könnte der jüngste der Briefe den Ausschlag für die Anfertigung der Inschriftenserie gegeben haben, die dem Schriftbild nach zu urteilen alle gemeinsam und zur selben Zeit angefertigt worden sind.429 Neben Gebietsstreitigkeiten Koroneias mit verschiedenen benachbarten Städten haben die Briefe unterschiedliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz zum Thema, die letztlich ausschlaggebend für die andauernden Gebietsstreitigkeiten gewesen sind.430 425 Fossey 1972: 453 mit den Tabellen I und II; Fossey 1979: 583–589; Fossey 1991: 16. 426 Fossey 1972: 453 mit Fn. 7. 427 Zu diesem Sachverhalt s. Fossey 1991: 16 mit Fn. 15 für revidierte prozentuale Angaben zur Siedlungsverringerung; Fossey 1972: 453–455; Fossey 1979: 584. 428 Für Textrekonstruktionen und Kommentare s. Oliver 1989: 253–273, Nr. 108–118; Fossey 1991 (beide mit Übersetzung) sowie die entsprechenden Inschriftenkorpora. Die Marmorblöcke selbst sind als Spolien an verschiedenen Orten in der Gegend des Kopaïsbeckens verbaut worden. Ein Block fand sich etwa in der Wand der Dorfkirche St. Georg im Örtchen Hagios Demetrios verbaut, andere wurden in den Ruinen eines Klosters bei Pontsa aufgefunden. 429 Fossey 1972: 452; vgl. Fossey 1979: 568; Fossey 1991: 13; Oliver 1989: 260. 430 Dazu s. Fossey 1972: 452; Fossey 1979: 569 f.; Campbell 2005: 326 f.; Buraselis 2006: 44–46; Boatwright 2000: 113; Deeg 2019: 157; Petzold 2019: 63 f.; Campbell 2012: 234 f.

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Das erste bezeugte Projekt unter Hadrian (Brief von 125 n. Chr.)431 sah die Anlage verschiedener Deiche und Uferbefestigungen entlang des Kephissos, des Herkyna und anderer Flüsse vor. Hierfür waren seitens des Kaisers 65.000 Denare veranschlagt worden, die wohl nicht ausschließlich Koroneia, sondern im Rahmen des gesamten Projekts auch den angrenzenden Gemeinden zugutekamen. Die Einstellung des technischen Personals oblag dabei zunächst der Stadt.432 Schon die Höhe der veranschlagten Summe, immerhin knapp das Elffache der von Epameinondas für Akraiphia investierten Summe, legt das umfassende Ausmaß der Maßnahmen offen sowie es zugleich die deutlich verbesserten Möglichkeiten aufzeigt, die unter der zentralen Steuerung durch den Prinzeps gegeben waren. Gerade Hadrian war bekanntlich einer der Kaiser, der sich besonders intensiv mit den infrastrukturellen Belangen der Provinzstädte auseinandersetzte und bei seiner ausgeprägten Reiseaktivität auch seinen Weg in die Kopaïs gefunden hatte.433 Vielleicht war er bei der Gelegenheit auf die örtlichen Missstände bezüglich des Sees hingewiesen worden oder hatte sie selbst erlebt. Die Anlage der Deiche schien zudem recht dringend zu sein, da Koroneia im Brief dazu angehalten wird, mit den Baumaßnahmen so früh wie möglich zu beginnen.434 Ein nicht genauer datierbarer Brief aus der Mitte des 2. Jahrhunderts435 lässt trotz unvollständig erhaltener Textstellen eine Auseinandersetzung mit den Nachbarn aus Orchomenos erahnen, die sich aus den Vorbereitungen für die Bauprojekte ergeben haben muss. Zum einen geht daraus hervor, dass die Einwohner Koroneias Schäden infolge der geplanten Umgestaltung befürchteten – wahrscheinlich dachten sie in erster Linie an wirtschaftliche Einbußen. Jedenfalls versicherte der Kaiser ihnen, noch vor Baubeginn eingehend prüfen und sicherstellen zu lassen, dass ihnen durch die Ein431 432

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SEG XXXII 460 = Oliver 1989: Nr. 108 = Fossey 1991: Nr. 7. Dazu s. Fossey 1979: 569; Buraselis 2006: 44 f.; Boatwright 2000: 112–116; Campbell 2012: 234. Dies geht aus den Zeilen 11–14 hervor: καὶ τὸ μὲν ἀργύριον δοθήσεται παρ’ ἐμοῦ / ἕξ καὶ ἥμισυ μυριάδες ὅσου δεήσειν ἔφασκον οἱ τῶν τοιού/των ἐπιστήμονες, ὑμεῖς δὲ ἑλέσθε τοὺς ἐπιμελησομέ/ νους. Zur Aufteilung der Zuständigkeiten für Finanzierung und Personalbeschaffung s. insbesondere Petzold 2019: 63; auch Deeg 2019: 157; Buraselis 2006: 45; Fossey 1972: 452; Fossey 1979: 569. Die Zahlung der Gelder sollte offenbar aus dem fiscus erfolgen (παρ’ ἐμοῦ); zu den Zahlungen s. Buraselis 2006: 45; Oliver 1989: 265. IG VII 1828 belegt einen erfolgreichen Jagdausflug des Kaisers am Helikon; dazu s. Fossey 1972: 452. Zu Hadrians Engagement für öffentliche Bauprojekte, insbesondere für wasserbautechnische Angelegenheiten, angeregt durch seine ausgedehnten Reisen s. etwa Philostr. soph. 2,548; Boatwright 2000: 108; Buraselis 2006: 53 f.; Fossey 1991: 15 f. Die antiquarische Motivation, die Boatwright 2000: 115 dem Regulierungsprojekt in Anlehnung an Alexander den Großen und andere Vorgänger zuschreibt, scheint daher eher zweitrangig gewesen zu sein. SEG XXXII 466 = Oliver 1989: Nr. 111 = Fossey 1991: Nr. 5. Die Nennung des Statthalters Calpurnius Longus verweist auf die Mitte des 2. Jahrhunderts und somit laut Fossey 1991: 16 am ehesten auf die Regierungszeit des Antoninus Pius. Oliver 1989: 267 hingegen vermutet ein eher früheres Entstehungsdatum unter Hadrian, da sich die Abschrift des Briefs physisch zwischen anderen hadrianischen Briefen wiederfindet. Allerdings sind die Briefe nicht in strikter chronologischer Reihenfolge angeordnet (ebd.; Fossey 1979: 568), sodass beides denkbar ist.

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griffe keine Schäden entstehen würden. Der wirtschaftliche Aspekt kommt vor allem durch den zweiten Einwand zum Ausdruck. Der Prinzeps sicherte Koroneia zu, dass Orchomenos keinerlei Zölle oder Steuern (τέλος) von ihnen verlangen würde.436 Bei verbleibenden Unstimmigkeiten sollten sie sich direkt an den Statthalter Calpurnius Longus wenden. Es scheint also ganz so, als ob durch den geplanten Landzuwachs, der aus der Trockenlegung in dem Fall vor allem zugunsten von Orchomenos erreicht werden würde, boden- und steuerrechtliche Fragen aufkamen. Das Anrecht auf das neuentstehende Land und dessen künftige Nutzungsformen konnten dabei bereits im Vorfeld zu nachbarschaftlichen Auseinandersetzungen führen.437 Wohl in demselben Zusammenhang steht auch ein auf 135 n. Chr. datierter Brief Hadrians,438 der die Entsendung eines „Freundes“, Aemilius Iuncus, an den Fluss Phalaros bestätigt. Aemilius sollte in seinem Namen die Vorbereitungen für die Flussregulierungen überwachen und den Anwohnern dabei als direkter Ansprechpartner zur Verfügung stehen.439 Ganze zehn Jahre nach dem Beginn der Planung wurde es offenbar als notwendig erachtet, anders als ursprünglich festgelegt nun doch auf eigens vom Kaiser ausgewählte Sondergesandte zur Beaufsichtigung der Arbeiten vor Ort zurückzugreifen. Die Streitigkeiten um das entwässerte Land stellen also in gewisser Weise unerwünschte Nebeneffekte der Regulierungsarbeiten dar, auf die weiter unten in der Synthese noch näher einzugehen ist.440 Ein weiterer Brief unbekannten Datums, aber ebenfalls aus hadrianischer Herrschaftszeit, klärt über die Zuständigkeiten für die Instandhaltung auf. Darin ist von Strafen die Rede, die bei einer Beeinträchtigung der Deiche entlang des Phalaros infolge von eigenmächtig vorgenommenen Veränderungen durch die Landbesitzer fällig werden sollten.441 Die betreffenden Stellen, die sich mit den Verboten und Beeinträchtigungen beschäftigen, sind allerdings sehr fragmentiert, sodass unklar bleibt, welche konkreten Vergehen geahndet werden sollen. So ist von φράγματα καὶ ὀχήματα (Zeile 9) die Rede, die – vermutlich im Zuge der Deichunterhaltung – nicht in den Fluss hineinragen sollten, um keine künstliche Barriere darin zu schaffen. Bei bereits vollzo436 Um welche Art von Steuer es sich hierbei handelte, geht nicht aus dem Text hervor. Import- und Exportzölle wären denkbar; dazu s. Oliver 1989: 267. 437 Ähnlich lagen die Verhältnisse beim Deltavorbau großer Flussmündungen. Auch dort war der Zuwachs an besteuerbarem Land immer wieder Streitpunkt zwischen Nachbargemeinden, was in Kapitel III.1.3 bereits thematisiert worden ist. 438 SEG XXXII 462 = Oliver 1989: Nr. 112 = Fossey 1991: Nr. 6. 439 Buraselis 2006: 45 f. Wahrscheinlich handelte es sich bei dem Sondergesandten um einen jener Sachverständigen für juristische Besitzstreitigkeiten um (kommunalen) Landbesitz, deren Lehrmaterialien u. a. auch geodätische Traktate aus dem Feldmesserkorpus umfassten; dazu s. Meissner 2003: 168, 170 und 173 (zu Juristen); Classen 1994: v. a. 168 f.; Fögen 2013: 218 f.; Behrends 2006: 202 f. (jeweils zu Vermessungspersonal) sowie weiter oben in Kapitel I.3.2. 440 Dazu s. Kapitel IV.3.2; auch IV.3.1. 441 SEG XXXII 463 und 1706 = Oliver 1989: Nr. 110 = Fossey 1991: Nr. 4.

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gener Beeinträchtigung sollte jeder selbst für den Rückbau oder die Entfernung der Barrieren verantwortlich sein: 1

[Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ, θε]οῦ Τ¢[ραϊα]νοῦ Παρθικοῦ υἱός, θεοῦ Νέρουα υἱωνός, Τραϊ[ανὸς Ἁδριανὸς Σεβαστ]ός, ἀρχ[ι]ερεὺς μέγιστος, δημαρχικῆς ἐξουσίας τὸ [–′, ὕπατος τὸ –′, πατὴ]ρ πατ[ρ]ίδος, Κορωνέ‵ων′ τοῖς ἄρχουσι καὶ τῇ βουλῇ καὶ [τῷ δήμῳ χαίρει]ν· ❦ γέγονεν ὑμεῖν τοῦ Φαλαροῦ τὸ ἔργον 5 [– – – – – – – –] σπουδῆς οὐ τῇ χρείᾳ μόν‵ν′ ἀλλὰ καὶ τῇ ὄψει ὡς δὲ [– – – – – – – –]ηλάθη πότε διαφθαρὲν ὑμέτερον ἤδη ἐστὶν [– – – – – – – –]Ν κεκτημένοι δίκαιοί εἰσιν ἐπειδὴ καὶ χρων vac. [– – – – – – – –] οὐδέ τι ἐπιμελεῖσθαι τῶν χωμάτων καὶ [– – – – – – – –]ΗΔΕΠΑΡΑ․ΗϹϹΕΙΝ ∙ τὰ φράγματα καὶ ὀχήματα 10 [– – – οὐ μόνον μ]ὴ εἰσβιβάζειν εἰς τὸν ποταμὸν ἀλλὰ μηδὲ Α[– – – – – – – –]τω διάφραγμα ποιουμένους ὅδε λημφθείς ~ [– – – – – – – –]τω τὴν βλάβην τοῦ ἔργου αὐτὸς ἐπανορ[θ– – – – – – –]Α πεντ¢α¢κ¢όσια δηνάρια εἰσοίσει τῇ πόλει. vac. vac. εὐτυχεῖτε. vac.442

Der Brief muss also aus der Zeit stammen, in der die Eindeichung der Flüsse bereits vollendet war und erste Schwierigkeiten bei der Unterhaltung der Konstruktionen durch die Anrainer anfielen. Dazu zählten auch peregrine Landbesitzer, die eigenmächtig Veränderungen an den Deichanlagen zum Uferschutz vornahmen. Daher ist Oliver in seiner Annahme zuzustimmen, dass schon allein der Vorstoß des Kaisers, ein Strafmaß für Verstöße festzulegen, ein Hinweis auf dessen Anwendung im Umgang mit Peregrinen zu werten sei: Für Bürger der freien Stadt Koroneia hätte auch die Veranschlagung einer Strafe im alleinigen Kompetenzbereich der Kommune gelegen.443 Doch da Stadtbürger und Peregrine gleichermaßen von den gemeinschaftlichen Wasserbauten und neuen Ackerflächen profitierten, schien es gerecht, bei den Wartungsund Pflegearbeiten alle Profiteure in die Pflicht zu nehmen.444 Außerdem ist wohl anzunehmen, dass die römischen Regelungen zur öffentlichen Nutzung von Flüssen und Uferbereichen auch in jenem Fall griff, zumal das Motiv der Freihaltung des Flusses Phalaros von jeglichen Einbauten im Zusammenhang mit der Schiffbarkeit zu sehen ist: Privater Uferschutz wurde zwar als grundsätzlich nützlich (für das Gemeinwesen) angesehen, sollte jedoch niemals Wasserfluss, Zugänglichkeit der Uferbereiche und Schifffahrtswege beeinträchtigen.445 Im vorliegenden Fall zielten 442 443 444 445

SEG 32:463; für Übersetzungsversuche der Rekonstruktion s. Oliver 1989: 266; Fossey 1991: 8. Oliver 1989: 267. Dazu s. Petzold 2019: 63. Zur Nützlichkeit des Uferschutzes s. Dig. 43,15,1,1 (Ulpianus); zum Verbot der ungünstigen Beeinträchtigung der Wasserläufe für die Schifffahrt s. Dig. 43,12,1pr (Ulpianus). Zum Interessenskonflikt zwischen Schifffahrt und Uferschutz im juristischen Widerstreit s. Arnaud 2011: 338–344; speziell bei Ulpian s. Honoré 1982: 33; dazu außerdem weiter oben in Kapitel I.5. Zur Binnen-

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die Bestimmungen vermutlich vor allem auf die Funktionstüchtigkeit der kostenintensiven Regulierungs- und Hochwasserschutzbauten ab. Auch die Verantwortung des betreffenden Privatmannes, bei Schäden selbst für deren Beseitigung aufzukommen, hat offenbar seine Grundlage in allgemeingültigen Rechtsgrundsätzen.446 Ein letzter Brief aus der Serie, datiert auf das Jahr 161 mit der Nennung der Kaiser Marcus Aurelius und Lucius Verus,447 bestätigt – soweit der Text noch erhalten ist – die der Stadt Koroneia zugesprochenen Rechte und Freiheiten in der Form, wie sie von den vorhergehenden Kaisern verliehen worden sind.448 Was die Stadtbevölkerung Koroneias mit der Anbringung der Inschriftenplatten öffentlich sichtbar machen wollte, waren also die ihnen zugestandenen Privilegien, die sie während der langjährigen Grenzstreitigkeiten mit den Nachbarstädten verteidigen oder hinzugewinnen konnten. Dokumentiert wurden darin die Anfänge der Streitigkeiten, die von der Anlage der Deiche und Flussregulierungen ausgingen, bis hin zu verschiedenen Auswirkungen, darunter vor allem konkurrierende Interessen an den trockengelegten Böden, sowie aufkommende Nutzungsrechtsfragen. Außerdem sind in beinahe allen erhaltenen Briefen Gesandte namentlich genannt, die dem jeweiligen Kaiser die Botschaften überbrachten.449 Sie gehörten über den gesamten Zeitraum hinweg nahezu den immer selben prominenten Familien Koroneias an.450 Persönliche Gesandtschaften an den Kaiser übernahmen bei Initiative und Verlauf der Regulierungsarbeiten im Kopaïsbecken also eine bestimmende Rolle und garantierten wohl über den gesamten dokumentierten Zeitraum hinweg die Aufmerksamkeit des Kaisers gegenüber den örtlichen Belangen, die Letzterer über Finanzmittel und spezialisiertes Personal zu unterstützen suchte. Gerade im Umfeld dieser recht gut dokumentierten Regulierungsprojekte wurde in der althistorischen Forschung kontrovers diskutiert, welche Rolle dem Kaiser darin konkret zukam. Entsprach die kaiserzeitliche Reichsverwaltung eher einem „petition-and-response“-Prinzip mit punktuellen ad hoc-Entscheidungen oder ist für die hohe Kaiserzeit doch eher von

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schifffahrt im Kopaïsbecken s. Höckmann 1997: Sp. 680; außerdem Knauss 1985: 55–63, allerdings mit Fokus auf die Bronzezeit. Dig. 43,12,1,19 (Ulpianus) legt genau diese Art der Verantwortung fest; s. dazu auch Lonardi 2013: 48 sowie weiter unten in Kapitel III.3.3. Selbst wenn die diesbezüglichen Rechtsgrundsätze aus den Digesten den Schriften des Ulpian entnommen sind, der erst im früheren 3. Jahrhundert unter Caracalla wirkte (dazu s. Honoré 1982; Kunkel 1967: 245–254), sind frühere Vorläufer jener Grundsätze anzunehmen bzw. ist eine Angleichung der Gesetze an bereits bestehende Regelungen anzunehmen; dazu s. Honoré 1982: 242; zur Dialektik und Eklektik in der Ausbildung des römischen Rechts; vor allem im Austausch mit Provinzialen s. etwa auch Humfress 2013: 78–90, v. a. 80–83. SEG XXXII 469 = Oliver 1989: Nr. 117 = Fossey 1991: Nr. 1. Vor allem handelt es sich dabei um die durch Antoninus Pius verliehenen Rechte und Freiheiten, worauf in dem Brief direkt Bezug genommen wird; SEG XXXII 465 = Oliver 1989: Nr. 118 = Fossey 1991: 2. Dazu und insbesondere zur Prosopographie s. Fossey 1991: 17 f. Fossey 1979: 569.

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einem gut organisierten Verwaltungsapparat auszugehen, der nur zusätzlich durch besondere Zuwendungen des Kaisers ergänzt wurde? Während Fergus Millar erstere These vertritt, wird inzwischen zunehmend Letzteres für wahrscheinlicher gehalten: Der Umgang im Fall der Kopaïsregulierung zeuge deutlich von einer ganzheitlichen Planung mit klar gegliederten Zuständigkeitsprinzipien innerhalb einer feingliedrigen Reichsverwaltung.451 In jedem Fall wird im Vergleich zu den Wasserbauprojekten des Epameinondas deutlich, dass es unter den antoninischen Kaisern zu einer deutlichen Ausweitung des regulierten Areals kam, in welchem nun nicht mehr nur punktuell kleinere Maßnahmen umgesetzt wurden. Die weitaus größeren finanziellen Ressourcen des römischen Staats aus Ärar und Fiskus wurden weiter oben bereits angesprochen. Kein lokaler Privatmann hätte die anfallenden Kosten – wohlgemerkt nicht nur für den Bau, sondern auch für die Instandhaltung – alleine tragen können.452 Die Entsendung von Verwaltungs- und Vermessungspersonal über Provinzgrenzen hinweg, die durch den Kaiser koordiniert wurde, hätte in der Form ebenso wenig veranlasst werden können, wenn das Projekt allein auf lokale Initiative hin ins Leben gerufen worden wäre. Ähnlich lag der Fall auch bei dem berühmten Kanalbauprojekt am Sapancasee in Bithynien und dem Wasserleitungsbau in Nikomedien. Aus der Korrespondenz zwischen Plinius dem Jüngeren und Kaiser Trajan ist dort zu entnehmen, dass ausgebildetes Fachpersonal für den Wasserbau zwischen den Provinzstatthaltern ausgetauscht und dieser Austausch zumindest zum Teil von Rom aus koordiniert wurde.453 Ein weiterer Fall ist für Nordafrika bekannt, in welchem der Wasserbauer Nonius Datus als Vermessungsspezialist brieflich angefordert wird, sein von ihm geplantes Bauprojekt persönlich bis zum Ende zu beaufsichtigen.454 Die staatliche Einheit, in deren Obhut sich die Städte des Reichs während der langen Friedenszeit fanden, ermöglichte letzten Endes einen Austausch von Technologie und Expertise, nicht zuletzt über den 451

Millar 1977. Dagegen haben sich seither unzählige Althistoriker positioniert, sodass hier der Verweis auf einige wenige Forscher genügen soll, die sich in dem Rahmen auch konkret zu den Regulierungsarbeiten Hadrians in der Kopaïs geäußert haben, so z. B. Boatwright 2000; Buraselis 2006; insbesondere Deeg 2019: 227–239, v. a. 233 zum aktuellen Stand der Diskussion und weiterführender Literatur. 452 Dazu s. Kahrstedt 1954: 86, der zudem vermutet, dass die neugewonnenen Ländereien um Koroneia zu kaiserlichen Domänen der Antoninen geworden sein könnten unter der Aufsicht eines procurator Boeotiae. Die freie Stadt Koroneia muss aber auf jeden Fall weiterhin eigenes Gemeindeland besessen haben, zumal über die Inschriftenserie belegt ist, dass explizit städtische Gesandtschaften immer wieder wegen der anfallenden Grenzstreitigkeiten mit den Nachbargemeinden an die Kaiser herantraten. 453 Plin. epist. 10,37;38;41;42. Im Fall von Bithynien fiel die Antwort Trajans allerdings negativ aus, da er zum Zeitpunkt der Anfrage 109 n. Chr. durch eine Vielzahl an Großbauprojekten im italischen Mutterland keine weiteren Facharbeiter mehr entbehren konnte; dazu sowie zur Bautätigkeit Trajans in Italien s. Seelentag 2008. 454 CIL VIII 2728 cf. CIL VIII 18122 = ILS 5795 cf. AE 1941, 117 cf. AE 1942/1943, 93; Grewe 1999; Eck 1987: 77 f.; Shaw 1984: 123.

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ganz konkreten Austausch von den Trägern dieser Fertigkeiten und dieses Wissens, namentlich den Wasserbau- und Vermessungsingenieuren. b. Der Lacus Fucinus Der Fuciner See lag mitten im italischen Mutterland im Gebiet der Marser, mit denen Rom bereits seit dem späten 4. Jahrhundert v. Chr. verbündet war.455 Der einstige See lag in Samnium im Kalksteinmassiv der heutigen Abruzzen und wurde im fortgeschrittenen 19. Jahrhundert vollständig trockengelegt (Karte 7).456 Er verfügte ausschließlich über unterirdische Auslässe, die ihrerseits über natürliche unterirdische Kanalsysteme an andere Seen oder Flüsse angeschlossen waren.457 Besonders durch den Wechsel der Jahreszeiten und der Niederschläge schwankte der Pegel des Sees bis zu seiner vollständigen Trockenlegung stark. Zu den jahreszeitlich wechselnden Pegelständen kamen längerfristige Veränderungen des Wasserstandes hinzu, die vor allem klimatisch bedingt waren, und die zudem durch die immer intensivere Bewirtschaftung der Uferflächen durch den Menschen verursacht wurden.458 So war der See in der Antike für seine heftigen Überschwemmungen ebenso wie für die fruchtbaren Böden entlang seines Ufergürtels bekannt.459

455 Liv. 9,45,18; Diod. 20,101,5. 456 Burri et al. 1999: 43 f.; Jones 2014B. Geologisch gesehen handelt es sich um eine tektonische Senke inmitten eines Karstgebietes; Grewe 1998: 92. 457 Giraudi 1989. 458 Strab. 5,3,13 C 240 betont, dass die besonders starken Pegelschwankungen keinen äußeren Grund erkennen ließen und nur sporadisch vorkamen, was sich mit geowissenschaftlichen Untersuchungen des ehemaligen Lacus Fucinus deckt. Für die langfristigen Veränderungen des Pegels waren vor allem klimatische Schwankungen verantwortlich, die für die antiken Beobachter freilich nicht unmittelbar zu erkennen waren. Die Einflüsse der typischen seismischen Aktivitäten in der Gegend, die direkt spürbar und sichtbar gewesen wären, schätzen die Geowissenschaftler hingegen als minimal ein; dazu s. Giraudi 1989: 256–258. Strabon äußert die Vermutung, dass die Pegelveränderungen möglicherweise mit den unterirdischen Ausflüssen in Verbindung zu bringen sind. In der geowissenschaftlichen Studie von 1989 wird dies ebenfalls in Erwägung gezogen, wobei dort die tatsächlichen Einflüsse der Dolinen nicht eindeutig geklärt werden konnten. Burri et al. 1999: 42 verweisen nach näheren Studien bereits auf einen gestiegenen Einfluss des Menschen auf das Seebecken spätestens seit protohistorischer Zeit. Immer exzessiver betriebene Waldrodungen für die Land- und Weidewirtschaft führten zu einer beschleunigten Verfüllung der Dolinen, was wiederum zu einer Verschärfung des Flutrisikos führte. 459 Jones 2014B; Osgood 2011: 168.

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Karte 7 Der Fuciner See in Mittelitalien © Jasmin Hettinger, basierend auf Daten des Ancient World Mapping Center

In den römischen Schriftquellen ist erstmals für das Jahr 137 v. Chr. von einer schweren Überschwemmung des Fuciner Sees die Rede.460 Bereits unter Caesar kam dann die teilweise Ableitung des mit circa 150 km2 beträchtlich großen Sees ins Gespräch, wurde jedoch noch nicht zur Ausführung gebracht.461 Die Marser, die um das Seeufer herum siedelten,462 hatten laut Sueton wiederholt Caesars Nachfolger Augustus um Maßnahmen zur Regulierung des Wasserstandes gebeten, was von Letzterem jedoch abgelehnt wurde. Über die Gründe ist von Sueton allerdings nichts zu erfahren.463 Erst 460 Obseq. 24: Lacus Fucinus per milia passuum quinque quoquo versum inundavit. – „Der Fuciner See überschwemmte im Umkreis von fünf Meilen [alles], wohin auch immer er sich wendete.“ An dieser Stelle unterläuft Leveau leider eine Unachtsamkeit. Er datiert die Nachricht aus dem Prodigienbuch des Obsequens, der sich bekanntlich auf das Geschichtswerk des Livius stützt, in das Jahr 137 n. Chr. und somit ausdrücklich auf das Jahr vor Hadrians Tod („… un an avant la mort d’Hadrien, en 137 …“, Leveau 1993: 9). Die Datierung in die Kaiserzeit ist freilich schon aufgrund der Quelle und der dort angegebenen Konsuldatierung (die republikanischen Konsuln des Jahres 137 v. Chr. M. Aemilius und C. Hostilius Mancinus, den Leveau fälschlich als Lucius Hostilius Mancinus wiedergibt) offenkundig unzutreffend. 461 Suet. Iul. 44,5; Suet. Claud. 20,1. 462 Plin. nat. 3,106; Strab. 5,3,13 C 240. 463 Suet. Claud. 20,1.

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unter Kaiser Claudius kam es erstmals zur Anlage eines künstlichen unterirdischen Seeabflusses, der das Seewasser über einen 5,6 km langen Kanal in den Fluss Liris hineinleitete.464 Dadurch sollte neues Ackerland gewonnen und die Schiffbarkeit des Liris verbessert werden.465 Das Flutrisiko blieb aber nach der claudischen Seeabsenkung weiterhin bestehen und machte den Landbesitzern in Ufernähe noch immer zu schaffen. Einer Inschrift aus Alba Fucens aus dem Jahr 116/7 n. Chr. zu Ehren Trajans ist zu entnehmen, dass an den See verlorenes Ackerland dank der Bemühungen des Kaisers zurückgewonnen wurde und deshalb auch die durch die „Gewalt“ (violentia) des Sees vertriebenen Landbesitzer zurückkehren konnten.466 Schließlich wird für hadrianische Zeit ohne weitere Datumsangabe in der Historia Augusta lapidar bemerkt, dass der Kaiser den Fuciner See abgelassen habe.467 Bei den Trockenlegungsarbeiten im 19. Jahrhundert durch den Grafen Alessandro di Torlonia traten mehrere archäologische Gebäudereste und Inschriften zum Vorschein sowie Fragmente einer Reliefplatte, die vermutlich Szenen aus den Entwässerungsarbeiten darstellt.468 Die meisten antiken Bauten wurden bei den neuzeitlichen Arbeiten allerdings zerstört, zumal der neue Entwässerungstunnel die antike Tunneltrasse komplett vereinnahmt.469 Die heute noch nachvollziehbaren antiken Baumaßnahmen, die wohl am ehesten mit den Maßnahmen Trajans und Hadrians zu identifizieren sind,470 lassen sich im Wesentlichen folgendermaßen beschreiben: Vom See aus wurde weit unter dem Wasserspiegel ein Einlaufbauwerk errichtet, das das Wasser aufnahm und durch einen über 5 km langen Tunnel durch den heutigen Monte Salviano zum Liris leitete (Abb. 10). Der Tunnel wurde im Qanat-Verfahren angelegt, bei dem die gesamte Strecke auf vermutlich etwa 40 Baulose aufgeteilt wurde, sodass immer an mehreren Stellen gleichzeitig gearbeitet werden konnte.471 In einem der Schächte waren die hölzernen Stützen sogar noch vorhanden.472 Zusätzlich zu den senkrecht angelegten Bauschächten wurden noch einige Schrägschächte angelegt, die während der Bauarbeiten zur Beleuchtung und zur Entlastung des Baustellenverkehrs dienten. Teils waren sie an ihrem Eingangsbereich stark vergrößert und zudem mit Ziegelmauerwerk

464 Suet. Claud. 20,2; Tac. ann. 12,56,1–57,2; Plin. nat. 36,124; Cass. Dio 60,11,5; Leveau 1993: 5; Campbell 2012: 233; Burri et al. 1999: 42; Grewe 1998: 91–98. Auch die natürlichen unterirdischen Auslässe entwässerten in den Liris; dazu s. Giraudi 1989: 256. 465 Cass. Dio 60,11,5. Das erhöhte Wasseraufkommen sollte für die Ausdehnung der für die Schifffahrt geeigneten Periode sorgen sowie Sandbänke und Untiefen schiffbar machen. 466 CIL IX 3915 = ILS 302. Dazu weiter unten. 467 SHA Hadr. 22,12. Auch dazu weiter unten. Für die Vita Hadrians wird in der Forschung die Verlässlichkeit der Schilderungen in der Historia Augusta allgemein akzeptiert; dazu Johne 1998. 468 Bove/Olshausen 1999; Letta 2019: 358. 469 Osgood 2011: 188; Grewe 1998: 92. 470 Grewe 1998: 97. 471 Zum sogenannten Qanat-Verfahren im Tunnelbau s. Grewe 1998: 25 f.; Grewe 2004: 95 sowie im folgenden Kapitel III.2.3. 472 Grewe 1998: 94.

Abb. 10 Entwässerungssystem des Fuciner Sees (© Mathias Döring)

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verstärkt. An den Innenwänden des eigentlichen Tunnels wurden mehrere im Abstand von jeweils 100 römischen Fuß eingelassene Marmortäfelchen entdeckt, die mit unterschiedlichen römischen Zahlen beschriftet waren.473 Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Art „Kilometrierung“ oder Trasseneinteilung, die wohl dem Zweck diente, bei Wartungsarbeiten die einzelnen Tunnelabschnitte eindeutig beschreiben, zuordnen und wiederfinden zu können.474 Über die Anstrengungen, den See abzusenken, insbesondere unter Claudius, berichtet eine ganze Reihe römischer Autoren. Die meisten Berichte zu Claudius sind tendenziös, doch lassen sich einige Feststellungen zum Ablauf der Arbeiten machen. So wurde der künstliche Auslass im Jahr 52 n. Chr. feierlich eröffnet. Eine Naumachie auf dem See, aufgeführt von Strafgefangenen, stellte die Hauptattraktion dar. Das Startzeichen wurde von einem Triton erteilt, der mechanisch aus dem See aufstieg. Auch sonst war die Einweihungsfeier ausgesprochen pompös geplant worden.475 Wie Sueton weiter berichtet, sollen über einen Zeitraum von elf Jahren ständig etwa 30.000 Arbeiter mit der Anlage des Abflusskanals beschäftigt gewesen sein.476 Das Entwässerungsprojekt stellte also ein enorm kostspieliges imperiales Prestigeprojekt dar, mit dem sich Claudius gegenüber seinen Vorgängern zu profilieren suchte.477 Die Eröffnungsfeier sollte dies eindrücklich unterstreichen. Zusätzlich zu den staatlichen Geldern waren noch Mittel privater Investoren hinzugekommen, denen im Gegenzug Teile des Neulands zugesprochen worden waren.478 Ohne diese privaten Zuschüsse wäre das Großbauprojekt wohl kaum realisierbar gewesen.479 473 CIL IX 3888; 3889; 3890. 474 Grewe 1998: 93 f. Der Tunnel verläuft außerdem nicht komplett gerade, sondern weist zwei Knicke auf, die technisch und geologisch bedingt sind. 475 Tac. ann. 12,56; Suet. Claud. 21,6. 476 Suet. Claud. 20,2; dazu s. Thornton/Thornton 1985. 477 Leveau 1993: 6; vgl. Osgood 2011: 189: „To wrestle with the waters of the Fucine Lake really was to be emperor of Rome.“ Allerdings ist bei einer Bauzeit von 11 Jahren mit Abschluss im Jahr 52 n. Chr. theoretisch von einem Baubeginn im Jahre 41 auszugehen – dem Jahr des claudischen Herrschaftsantritts und zugleich dem Todesjahr Caligulas. Es könnte also sein, dass die eigentliche Initiative zur Aufnahme des Bauprojekts noch von Caligula ausging, zumal der reinen Bauzeit eine gewisse Planungsphase vorausgegangen sein muss. Da die antike Historiographie die Herrschaftszeit und Leistungen Caligulas allerdings in ganz besonderem Maße ins Negative zu wenden sucht (dazu Winterling 2012), wird es kaum verwundern, dass sich nichts darüber in den Quellen findet, sondern die Initiative zur Seeableitung allein Claudius zugeschrieben wird. Die beiden Aquädukte, die aus der Gegend um den See Wasser nach Rom leiteten (Aqua Claudia und Anio Novus), waren jedenfalls schon Projekte Caligulas gewesen (was in den Quellen auch nicht negiert wird), die lediglich unter Claudius fertiggestellt wurden; Front. aqu. 13,1–2; Suet. Cal. 21; Suet. Claud. 20,1. 478 Suet. Claud. 20,2. 479 Wilson 2000: 306; ähnlich schon Leveau 1993: 6–8, der hinter der teilweise privat durchgeführten Trockenlegung ein klares staatliches Kalkül vermutet, das bereits bei republikanischen Trockenlegungsprojekten zum Einsatz gekommen sein könnte. Man habe staatlicherseits auf reiche Bodenerträge und die daraus resultierenden Abgaben gehofft, die letztlich dem Staat wieder zugutekommen würden. Auch die vollständige Drainage des Sees im 19. Jahrhundert wurde nur durch

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Noch während der Feierlichkeiten kam es allerdings zum Eklat. Nach der Öffnung der Schleuse wurden erhebliche Mängel am Bau offenbar, die umgehend korrigiert wurden.480 Doch bei der zweiten Eröffnungsfeier kam es beinahe zur Katastrophe, da nun das Wasser mit nahezu ungebremster Wucht alles am Ufer fortzureißen drohte. Die Bankettteilnehmer mitsamt dem Kaiser sollen nur knapp dem Tod durch Ertrinken entkommen sein.481 Für diese neuerliche Blamage wurde prompt der für den Bau verantwortliche kaiserliche Freigelassene, Narcissus, massiv öffentlich beschuldigt. Er habe, so der Vorwurf, die ihm zur Verfügung gestellten Gelder nur zum Teil für den Bau aufgewendet, sodass die Anlage nur ungenügend und mit minderwertigen Materialien habe ausgeführt werden können.482 Wäre die Eröffnung geglückt, hätte dies einen klaren Triumph für den Kaiser dargestellt, doch musste nach den Misserfolgen aus politischem Kalkül ein Sündenbock benannt werden.483 Narcissus’ unfreie Herkunft sowie sein Missverhältnis zu Agrippina wird bei der öffentlichen Beschuldigung sicherlich eine entscheidende Rolle gespielt haben.484 Auch sollte die Diskussion um die Schuldfrage wohl von den hohen Kosten für den mangelhaften Bau ablenken. Während Sueton vor allem die euergetische Seite des Drainageprojekts hervorhebt, betont Tacitus eher die negative Seite, nämlich die der finanziellen Fehltritte und des exzessiven kaiserlichen Pomps.485 Tacitus berichtet daher ausführlich von den zwei wenig von Erfolg gekrönten Eröffnungsfeiern des Ablasskanals unter Claudius.486 Nicht nur die Maßlosigkeit der feierlichen Eröffnung

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die private Finanzierung des Grafen von Torlonia erreicht, der seinerseits auf der Überführung des Neulands in seinen privaten Landbesitz bestanden hatte; dazu s. Grewe 1998: 92. Tac. ann. 12,57,1: Sed perfecto spectaculo apertum aquarum iter. Incuria operis manifesta fuit, haud satis depressi ad lacus ima vel media. Eoque tempore interiecto altius effossi specus (…). – „Als man aber nach der Aufführung des Schauspiels den Weg für die Wassermassen öffnete, wurde die Nachlässigkeit offenkundig, mit der dieses Werk ausgeführt worden war: Es war nicht weit genug bis zum Grund des Sees oder wenigstens bis zur Mitte hinabgegraben worden. Deshalb wurden nach einiger Zeit die Abzugskanäle tiefer ausgehoben (…).“ Übersetzung: Alfons Städele (Städele 2011). Seinen Verweis auf die zu geringe Tiefe der Einlauföffnung im See versteht Grewe 1998: 97 in Anlehnung an die archäologischen Befunde so, dass der Einzugsbereich des Mundlochs 5,48 m höher gelegen habe als die eigentliche Tunnelsohle, sodass der erwünschte Effekt der Seeabsenkung verfehlt worden sei. Deshalb habe der Tunnel unter dem Ablaufbecken zum See hin erweitert werden müssen, sowie eine Reihe anderer Nachbesserungen nötig gewesen sei; vgl. Letta 2019: 352. Suet. Claudius 32; Tac. ann. 12,57. Tac. ann. 12,57,2; Cass. Dio 61,33,5. Zur Machtdemonstration über Mensch und Natur mittels Claudius’ gemeinsinniger Bauprojekte s. Osgood 2011: 174. Allerdings scheinen erst die Ereignisse am Fuciner See Narcissus bei Agrippina in Misskredit gebracht zu haben oder zumindest ist ihre Gegnerschaft erst seitdem in den Quellen erkennbar; dazu s. Mehl 1974: 166–169 und 184. Leveau 1993: 6. Für Sueton, der sein Werk unter dem baufreudigen Kaiser Hadrian verfasst, sind ingenieurstechnische Projekte ein wichtiges Kriterium für die Darstellung und Bewertung kaiserlicher Regierungstätigkeiten; s. Osgood 2011: 172. Tac. ann. 12,56,1–57,2.

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möchte Tacitus an der Stelle betonen, sondern ist die Erwähnung der Fehlerhaftigkeit der Konstruktion wohl auch als kodierter Hinweis darauf zu verstehen, dass die Nachlässigkeit der Kaiserfamilie sowie die Verschwendung finanzieller Mittel direkt und gleichsam durch das Seewasser selbst abgestraft worden seien. Von kultischen Sühneopfern wird im Zuge der beiden Eröffnungsveranstaltungen zwar nichts berichtet, doch ist in jedem Fall davon auszugehen, dass sie Teil des Festaktes waren.487 Vor diesem Hintergrund ist schon die Wiederholung des Festaktes zur Eröffnung wegen technischer Mängel, die beim zweiten Mal noch immer zu Komplikationen und beinahe zur Katastrophe führten, als Kritik am Kaiser zu werten, die Tacitus durch implizite Verweise auf Transzendenz wohl noch zu bekräftigen suchte.488 Dass selbst nach der zweiten Eröffnung noch weitere Arbeiten in Angriff genommen wurden, legt auch eine Textstelle bei Plinius dem Älteren nahe. Er merkt zu den Ableitungsarbeiten durch Claudius an, dass sie wegen des „Hasses“ (odium) seines Nachfolgers, also Nero, von eben jenem aufgegeben worden seien.489 Es scheinen also weitere Baumaßnahmen nötig gewesen zu sein, obgleich das Projekt sowohl von Plinius als auch von Sueton anerkennend beschrieben und dessen Superlative deutlich herausgestellt werden. Den Hinweis des Plinius auf eine conrivatio aquarum möchte Grewe als „Wassereinbruch“ identifizieren, der einen Bypass des Tunnels nötig gemacht haben soll, was außerdem die mit elf Jahren angegebene sehr lange Bauzeit erklären würde. Ein solcher Bypass lässt sich im Monte Salviano tatsächlich nachweisen. Er ist an einer Stelle entstanden, die aufgrund ihrer geologischen Eigenschaften gefährlich für die Bauarbeiten war. Dort nämlich geht der Kalkstein des Berges in ein Gemisch aus Ton und Felsgeröll über, das wesentlich weniger stabilen Halt bietet (Abb. 11).490 Plinius scheint denn auch jegliche Verantwortung für weiterhin bestehende Mängel auf Nero abwälzen zu wollen.491 Dabei sollte es eigentlich nicht verwundern, dass die römischen Wasserbauingenieure bei der Seeabsenkung des Lacus Fucinus auf erhebliche technische Schwierigkeiten stießen, denn die Bauarbeiten müssen im Vergleich gesehen werden: Der Fuciner See war zu jener Zeit der größte Binnensee ganz Italiens.492 Frühere, auch etruskische, Trockenlegungsprojekte in derselben Gegend sowie anderswo in Italien bildeten das Fuciner Projekt zwar bereits mehr oder weniger en miniature ab, 487 Zur Entsühnung von Wasserbauten allgemein s. Montero Herrero 2012: 91–150; Giuseppe/ Serlorenzi 2010; bezogen auf bestimmte Typen von Wasserbauten s. auch Diosono 2010 (Häfen und Kanäle); Serlorenzi/Giuseppe 2009 (Brücken); Mancini 2010 (Brücken); Galliazzo 2004: 23 (Brücken); Giuseppe 2010 (Flussveränderungen); Antico Gallina 2010 (Entwässerung); Walsh 2013: 116 f. (Drainagen); außerdem weiter oben in Kapitel II.2. 488 Für eine allgemeine Einschätzung des Claudiusbildes bei Tacitus, insbesondere im Zusammenhang mit familiären Intrigen am Hof und der Rolle der Freigelassenen s. Mehl 1974: v. a. zusammenfassend 182–188. 489 Plin. nat. 36,124. 490 Grewe 1998: 96 f. 491 Osgood 2011: 188. 492 Grewe 1998: 92.

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Abb. 11 Bypass im Drainagetunnel des Fuciner Sees (© Mathias Döring)

doch die bloßen Ausmaße der Bauarbeiten an dem Ableitungstunnel waren bislang unerreicht und daher für alle Beteiligten eine einmalige Herausforderung.493 Wohl schon wegen der technischen Schwierigkeiten und auch wegen des enormen finanziellen Aufwands hatte Augustus von der Durchführung abgesehen.494 Erst unter Trajan und somit unter einem Kaiser, der bereits verschiedene Wasserbauprojekte ähnlichen Ausmaßes anderswo im Reich hatte durchführen lassen, kam es zu neuen Drainagearbeiten am See.495 Allerdings sind diese Maßnahmen nur über eine inzwischen verschollene Inschrift überliefert, deren Lesung zudem problema-

493 Grewe 1998: 97 f. Für ähnliche Seeabsenkungen in den Albaner Bergen durch die Etrusker und durch römische Wasserbauer in der Zeit der Republik s. ebd.: 78–91. 494 Außerdem befand sich der mit römischem Beton und opus signinum betriebene Wasserbau zu Augustus’ Lebzeiten gerade noch in der Anfangsphase und erlangte erst im fortgeschrittenen 1. Jahrhundert n. Chr. nach sukzessiven Verbesserungen der Rezeptur seine volle Einsatzfähigkeit als standardisiertes Baumaterial; dazu s. Oleson/Jackson 2014: 3. 495 Dazu s. Deeg 2019: 143. Zu erwähnen sind in dem Zusammenhang die Kanalisierung der Donau an der Engstelle des Eisernen Tores (AE 1973, 475), die Brücke über denselben Fluss (Cass. Dio 68,13; Prok. aed. 4,6,11–18; zu beiden Bauten an der Donau s. Strobel 2019: 235 f.; Klee 2006: 75 f.) sowie eine Reihe anderer Hafenausbauten und Brückenschläge im Zuge von Straßenbauten, vor allem in Italien (Strobel 2019: 390 f.; speziell zu den trajanischen Hafenanlagen und -kanälen in Ostia s. Cass. Dio 60,11; Knell 2010: 144–158; Bolder-Boos 2014: 57; Fellmeth 1991: 16–18; Keay 2012: 46–48).

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tisch ist.496 Für seinen Nachfolger Hadrian ist zumindest literarisch bezeugt, dass er Ableitungsarbeiten am Fuciner See hat durchführen lassen.497 Inwieweit es sich bei letzteren um erneut erforderliche Arbeiten oder vielmehr um die Fertigstellung der trajanischen Arbeiten handelt, ist nicht näher zu bestimmen. Da außerdem keine antike Vita Trajans auf die Ableitung des Lacus Fucinus eingeht und zudem Lesung und Datierung der Ehreninschrift nicht gesichert sind, wäre es denkbar, dass die Arbeiten entweder unter Trajan nicht vollständig abgeschlossen wurden oder es sich bei der fehlerhaft überlieferten Inschrift ursprünglich um eine Ehrung Hadrians handelte. Weitere Zeugnisse sprechen ebenfalls eher für ein späteres Datum oder wenigstens für weiterführende Meliorisationsmaßnahmen um den See nach Trajans Tod. So könnte ein Grenzstein aus dem 2. Jahrhundert auf eine neue Grenzfestlegung zwischen dem Gebiet der Albenser und der Marser hinweisen.498 Die Bemerkung im Liber coloniarum über Neuvermessungsarbeiten vermutlich im Jahr 149 n. Chr. für die samnitischen Gemeinden Alba Fucens und Marsi Marruvium mag dabei als terminus ante quem für den Grenzstein dienen, wobei die Datierung wiederum umstritten ist.499 Leveau vermutet zwischen den Vermessungsarbeiten und den hadrianischen Drainagearbeiten einen Zusammenhang, weil die Territorien der beiden samnitischen Gemeinden

496 CIL IX 3915 = ILS 302: Imp(eratori) Caesari divi / Nervae fil(io) Nervae / Traiano Optimo / Aug(usto) Germanico / Dacico Parthico / pont(ifici) max(imo) trib(unicia) pot(estate) XXI im[p(eratori) XII] / co(n)s(uli) VI patri patriae / senatus populusq(ue) Rom[anus] / ob reciperatos agros et possess[ores reductos] / quos lacus Fucini violent[ia exturbarat] – „Dem Kaiser Trajan usw. der Senat und das Volk von Rom wegen der Wiedererlangung der Äcker und (der Rückführung?) der Besitzer, welche der See der Fuciner durch seine Gewalt (vertrieben hat?).“ Die Datierung ist fraglich, da die handschriftlich überlieferte Inschrift die 23. tribunizische Amtsgewalt Trajans als Datum nennt, was offenkundig falsch ist; dazu s. Dessau (ILS 302) und den entsprechenden Kommentar im CIL; Leveau 1993: 9. Es sind explizit der Senat und das Volk von Rom, die dem Kaiser danken, sodass beide wohl mit den Nutznießern identisch sind. Dahingegen geht Sonnabend 1999: 225 allerdings ohne nähere Erklärung davon aus, dass die Bewohner von Alba Fucens die unmittelbaren Profiteure der kaiserlichen Hilfsmaßnahme und zugleich die Stifter der Ehreninschrift waren. Dass auch die Albenser gewisse Vorteile aus der Maßnahme zogen, steht wohl außer Frage, doch können sie schwerlich als Stifter der Inschrift geltend gemacht werden. 497 SHA Hadr. 22,12. 498 AE 1975, 347 = AE 1996, 514: F(ines) p(opuli) Albens(is) / et Ma/rso(rum) An/giti(ae) – „Die Grenzen der Gemeinde der Albenser und der Gemeinde der angitianischen Marser.“ Angitia bezieht sich auf ein dort befindliches Heiligtum für eine Gottheit gleichen Namens und das dem Heiligtum zugesprochene Territorium; s. Leveau 1993: 9. 499 Für die Datierung ins Jahr 149 n. Chr. s. Leveau 1993: 9, dazu s. allerdings auch den Kommentar von Campbell 2000: 429 zu Fn. 169. Die Datierung beider Vermessungsarbeiten ist äußerst umstritten; zu Alba Fucens: C 240,10–12 = L 244,13–17; Marsi Marruvium: Liber Coloniarum, C 178, 17–18 = L 229,6–7. Zur Datierung s. Campbell 2000: 413 zu Fn. 82. Bei Boatwright 2000: 116, Fn. 14 wird die Datierung 149 n. Chr. hingegen auf den Grenzstein zwischen Alba Fucens und den Marsern von Angitia bezogen. Für administrative Neuerungen in der Gemeindeverwaltung von Marruvium, die vermutlich mit den claudischen Baumaßnahmen einhergingen, s. ausführlich Letta 2019. Er hält Marruvium für die Zentrale der Bauleitung (ebd.: 358).

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durch den schwankenden Seespiegel beeinträchtigt worden sein müssen.500 Schließlich bezeugt eine ins 4. Jahrhundert datierte Inschrift fortdauernde Wartungsarbeiten am Mundloch des Tunnels unter der Aufsicht eines Prokurators.501 Ausgehend von diesem Inschriftenfund liegt die Vermutung nahe, dass sich ein dauerhaft besetztes Wartungsbüro mitsamt einem kleinen Tempelchen unmittelbar am Ausfluss des Sees befand, welches offenbar noch bis ins 6. Jahrhundert hinein betrieben wurde.502 Spätestens die Arbeiten des 2. Jahrhunderts müssen also erfolgreich und daher von Dauer gewesen sein. Wenig überrascht auch die Existenz eines Herculesheiligtums bei Alba Fucens, welches mit der Fertigstellung der Wasserbaumaßnahmen in Verbindung stehen könnte.503 c. Allgemeine Bemerkungen zur Seedrainage Doch gerade die Erfolge der antiken Drainagemaßnahmen am Fuciner See von Claudius bis Hadrian werden in der Forschung oft negiert. Dabei scheinen die Urteile zu sehr an heutigen Paradigmen orientiert zu sein, die die antiken Bedürfnisse weitgehend außer Acht lassen.504 So sieht etwa Josiah Osgood sämtliche römischen Ableitungsprojekte am Lacus Fucinus mit der Begründung als gescheitert an, dass erst die Drainage im späten 19. Jahrhundert zur vollständigen Trockenlegung des Sees

500 Leveau 1993: 9. 501 CIL IX 3887 = ILS 3626: Onesimus Aug(usti) lib(ertus) / proc(urator) / fecit imaginibus et / Laribus cultoribus / Fucini – „Der Prokurator Onesimus, Freigelassener des Kaisers, hat es gemacht. Den Abbildern und den Laren sowie den cultores des Fucinus.“ Dazu s. Leveau 1993: 9. Die Abbilder und Laren werden allgemein mit den Statuen und Schutzgöttern des Kaiserhauses identifiziert, während die cultores als Angehörige des collegium des Fucinus-Tempels interpretiert werden, so bereits Dessau im ILS. Im Tempel wurde vermutlich der Fuciner See oder besser das numen oder der genius des Sees kultisch verehrt. Grewe 1998: 97, Fn. 198 sieht im Vorhandensein eines Fucinuskultes zudem bestätigt, dass der See niemals ganz habe abgelassen werden sollen, da dies womöglich den Seegott Fucinus zornig gestimmt hätte. 502 Leveau 1993: 9. Die kleine Marmorplatte wurde bei den Trockenlegungsarbeiten im 19. Jahrhundert gefunden und wird laut CIL von Leo De Rotrou folgendermaßen beschrieben und interpretiert: „Cette plaque de marbre de 0,189 m. de hauteur, sur 0,293 m. de largeur, portant à chaque angle un trou dans lequel passait le fer de son scellement au mur, devait avoir été fixé au dessus de l’entrée d’une sorte de petit temple ou chapelle, dont on a reconnu l’emplacement au milieu des substructions qui s’élevaient au dessus de la tête de l’émissaire romain et qui faisaient partie des bâtiments dans lesquels habitaient les personnes attachées à l’entretien de l’émissaire et de ses dépendances.“ (CIL IX 3887, p. 367). 503 Zum archäologischen Befund auf der Grundlage jüngerer Grabungen s. Liberatore 2011. Zur Bedeutung der Hercules-Verehrung im Rahmen der antiken Hydrotechnik s. etwa Mancini 2010: 151–157; Gercke 2011; außerdem weiter oben in Kapitel II.2. 504 Dazu s. Traina 1988: explizit v. a. 109; Leveau 1993; Farinetti 2008: 122. vgl. auch Rogers 2013: 19; Ingate 2020, beide generell zur anachronistischen Bewertung römischen Wassermanagements durch heutige Forscher aus moderner Perspektive.

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führte.505 In diesem Sinne äußern sich auch andere, die in den antiken Projekten lediglich „Versuche“ zur Seetrockenlegung sehen.506 Deeg wertet gar beide Drainageprojekte unter Hadrian letztlich als Misserfolge, sowohl die Absenkung des Fuciner Seea als auch die Regulierungsmaßnahmen im Kopaïsbecken.507 Der Verweis auf die Seeablassung des Fucinus wie sie in der Historia Augusta für Hadrian überliefert wird, sei daher „nicht beim Wort zu nehmen“.508 Allerdings weist in der Textstelle nichts explizit darauf hin, dass Hadrian den See tatsächlich in Gänze abgelassen haben soll. Gemäß der Quellenaussage ließ der Prinzeps den See gar nicht endgültig und komplett verschwinden, leitete den Lacus Fucinus aber durchaus dauerhaft künstlich in den Liris ab (emittere). Nach heutigen Maßstäben mag die nur teilweise erfolgte Trockenlegung des Fuciner Sees nicht nachvollziehbar erscheinen, doch weist schon Grewe zu Recht auf ein Detail im Text Cassius Dios hin, in welchem jener deutlich macht, dass Claudius unter anderem zur Kultivierung des „umliegenden Gemeindelandes“ Seewasser in den Liris habe ableiten wollen. Mit jenem umliegenden Land können Grewes Einschätzung nach nur die zu entwässernden Flächen rund um den auch weiterhin bestehenden See gemeint sein.509 Dies wiederum suggeriert, dass gar keine vollständige Entwässerung des Sees intendiert war oder auch nur wünschenswert erschien.510 Insbesondere die Studie Leveaus

505 Osgood 2011: 188 f. So seien neben den claudischen Projekten auch die seiner Nachfolger „in vain“ gewesen, während erst im 19. Jahrhundert „a full and finally successful draining of the lake“ erfolgt sei. In derselben Gegend sind außerdem mehrere nachrömische Ableitungsmaßnahmen bezeugt, so etwa unter dem Staufer Friedrich II. oder dem Spanier Alfonso de Aragón (Leveau 1993: 10; Grewe 1998: 92), die von unterschiedlicher Tragweite waren. 506 So beispielsweise Jones 2014B: „The Roman emperors Claudius and Hadrian both attempted to drain the Fucine lake, a feat finally achieved by Alessandro Torlonia in 1875.“ In diesem Sinne etwa auch Radke 197; Sallares 2002: 71. 507 Jedenfalls merkt er an, dass die Trockenlegung des Lacus Fucinus „erst“ im 19. Jahrhundert „gelungen“ sei (Deeg 2019: 157), so wie die Entwässerung des Kopaïsbeckens ebenfalls „erst im 19. Jahrhundert mit Erfolg erneut angegangen“ worden sei (ebd.: 157 in Fn. 1018). 508 So Deeg 2019: 157 über den entsprechenden Vermerk (SHA Hadrian 22,12): Fucinum lacum emisit. – „Er [Hadrian] ließ den Fuciner See ab.“ 509 Grewe 1998: 93 zu Cass. Dio 60,11,5: τὴν δὲ δὴ λίμνην τὴν Φουκίνην τὴν τῶν Μαρσῶν ἠθέλησε μὲν ἐς τὸν Λῖριν ἐξαγαγεῖν, ὅπως ἥ τε χώρα ἡ περὶ αὐτὴν γεωργῆται καὶ ὁ ποταμὸς ναυσίπορος μᾶλλον γένηται … – „Er wollte auch den Fucinersee im Gebiete der Marser in den Liris ableiten, damit nicht nur das umliegende Land bebaut, sondern auch der Fluss leichter befahren werden könne …“ Übersetzung: Otto Veh (Veh 2009). Daneben glaubt Grewe auch aus technischer Sicht am Bau verschiedene Details ausmachen zu können, die nach seinem ingenieurswissenschaftlich begründeten Urteil auf eine nur teilweise Entwässerung des Seebeckens schließen lassen (ebd.). 510 Dazu s. Farinetti 2008: 124: „Ancient people probably did not perceive the drainage, as modern people do, as an integral and definitive transformation of the stagnant water into a cultivatable area.“; ähnlich bereits Leveau 1993: 15: „Dans les zones où les Romains ont procédé à des drainages, on cherchera sans doute en vain de vastes secteurs asséchés; le paysage devait être sans doute plus complexe […].“ In diesem Sinne vgl. zudem Schuler 1998: 113–116 allgemein zur Nutzung marginaler – also explizit auch sumpfiger – Böden in der Antike, an der Stelle speziell mit Blick auf den kleinasiatischen Raum.

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zu den Trockenlegungsarbeiten am Fuciner See zielt im Kern darauf ab, auf genau diesen Unterschied zur modernen Drainage des Sees aufmerksam zu machen.511 Er selbst stellt darin wie bereits grundlegen Giusto Traina vor ihm mit Nachdruck heraus, dass die Kultivierung von Feuchtgebieten über Jahrtausende zur gängigen Praxis von Landwirtschaft betreibenden Gesellschaften gehörte und erst seit jüngster Vergangenheit Sumpfgebiete, Moore und andere wasserreiche marginale Landschaften als nicht ertragreiche, wertlose Böden wahrgenommen und tatsächlich auch als solche behandelt werden.512 Zwar eigneten sie sich nicht zum Anbau regulärer Feldfrüchte; für die Gewinnung jeder Menge anderer Lebensmittel und Rohstoffe jedoch durchaus.513 So ist auch im Fall des Kopaïsbeckens hervorzuheben, dass eine vollständige Trockenlegung des Beckens wie sie schließlich beabsichtigt im 20. Jahrhundert erfolgte (wohlgemerkt erst nach mehreren missglückten Anläufen seitens der Bayern, Franzosen und Briten während des 19. und 20. Jahrhunderts)514 wahrscheinlich nicht im Inte-

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Leveau 1993. Erst seit Beginn des 20. Jh. werden wasserreiche Böden wie Moore, Sümpfe oder Marschen überhaupt erst unter dem Sammelbegriff „wetlands“ (oder im Deutschen unter dem Begriff „Feuchtgebiete“) undifferenziert zusammengefasst, wohingegen sich in früheren Zeiten jede dieser Landschaftsformen einer eigenen Bezeichnung erfreute, zumal auch jede eine gesonderte Behandlung und Nutzungsform erfuhr; Rogers 2013: 182 f. Zur unterschiedlichen wirtschaftlichen Wertschätzung marginaler Sumpflandschaften s. Leveau 1993: 15 f.; Traina 1988: 15–18 und 101–108; Traina 1985; Farinetti 2008: 122–124 mit speziellem Augenmerk auf dem Kopaïsbecken; für die konkurrierenden Sichtweisen auf die Produktivität des sumpfigen Kopaïsbeckens in der Neuzeit s. auch Idol 2018: 82–86. Dazu s. außerdem Traina 1988: 79 f. und Traina 2001 mit dem zusätzlichen Hinweis darauf, dass die Unterscheidung von Sumpf und See (insbesondere λίμνη im Altgriechischen) schon im Sprachlichen in der Antike längst nicht so eindeutig voneinander unterschieden wurde wie heute; dazu s. zudem Craik 2017: 158. Sowohl Birley 1997: 198 als auch Boatwright 2000: 112 sehen die hydrotechnischen Maßnahmen des 2. Jh. durchaus als gelungene Drainageprojekte an; ebenso Campbell 2012: 233, der die doppelte antike Zielsetzung einer Ackerlandgewinnung bei gleichzeitigem Erhalt von Feuchtwiesen sowohl für den Fucinus als auch für die Kopaïs besonders betont und gar beide Fälle als „outstanding examples of a managed watery environment“ wertet. Zu Chronologie und Ablauf insbesondere der bayerischen Trockenlegungsversuche im Kopaïsbecken s. Knauss 1990: 127–130. Die Entwicklungen sind ähnlich wie bei den hadrianischen Maßnahmen über ein nur teilweise erhaltenes Briefkorpus nachvollziehbar. Die Initiative des bayerischen Königs Otto von 1836–1839 stellt den ersten von insgesamt drei neuzeitlichen Initiativen dar. Weitere Versuche startete die französische Kopaïs-Gesellschaft zwischen 1882 und 1886, die nur eine partielle Drainage erzielte, sowie die englische Kopaïs-Gesellschaft, die in den Jahren 1923–1931 schließlich eine vollständige Trockenlegung des Beckens erreichte. Äußerst modernekritisch und differenziert zeichnet Idol 2018 die verschiedenen neuzeitlichen Bemühungen um die Kopaïs-Trockenlegung nach. Er macht insbesondere auf die dem damaligen Zeitgeist entsprechende westeuropäische Technikeuphorie aufmerksam sowie auf die kapitalistisch motivierte Aussicht auf Gewinnmaximierung, die von außenstehenden Interessensverbänden an den See herangetragen wurden, ohne die traditionellen Wirtschafts- und Lebensweisen der einheimischen Bevölkerung zu berücksichtigen. Ähnlich kritisch gegenüber der neuzeitlichen Trockenlegung äußern sich bereits Horden/Purcell 2000: 249. Sie stellen vor allem die Einbußen an produktiver Diversität in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen, die die Kopaïsgegend zunehmend vulnerabel gemacht hätten: Die vorige wirtschaftliche Risikostreuung sei durch die Trockenlegung verloren

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resse der antiken Anlieger gelegen hätte. Im Gegenteil bildete der See die Grundlage der wirtschaftlichen Prosperität der Kopaïs, die sich vor allem auf den Fischreichtum und das Schilfrohrvorkommen stützte.515 Außerdem wurde auf den wasserreichen Böden neben angepasstem Ackerbau viel Viehzucht, Fischerei und Jagd betrieben oder die morastigen Böden wurden anderweitig wirtschaftlich genutzt, sodass sie in der Antike gerade nicht als unrentabel galten.516 Jener antiken Wertschätzung gegenüber Feuchtwiesen, sumpfigen Böden und Marschland in den Küstenregionen wird in neueren Forschungen wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet, sodass auch die römischen Drainagearbeiten in den kommenden Jahren wieder verstärkt in den Blick ökologisch orientierter historischer Studien rücken werden.517

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gegangen. Zur landwirtschaftlichen Diversifizierung als kleinbäuerliche Risikovorsorge in der römischen Antike s. auch Tietz 2015: 68–70. Paus. 9,24,2; Theophr. hist. plant. 4,10–11; Plin. nat. 16,168–172; Strab. 9,2,18 C 407; Campbell 2012: 234. Insbesondere das boiotische Schilfrohr hatte als Material zur Herstellung klangkräftiger Flöten reichsweit Berühmtheit erlangt. Traina 1988: 101–108; Traina 1985; Leveau 1993: 15 f.; Campbell 2012: 232–235. Für die verschiedenen Arten der Bewirtschaftung des Kopaïsbeckens s. ebd.: 243; Farinetti 2008: 122–124, v. a. 123 zu den vorteiligen Bedingungen für die Viehzucht. Dass in der Kopaïs nicht nur Ackerland, sondern auch Weideland umstritten war, könnten zudem zwei Briefe des Antoninus Pius aus den Jahren 154/155 und 155 bezeugen (Oliver 1989: Nr. 114; vgl. SEG XXXII 467 = Fossey 1991: Nr. 9 und SEG XXXII 468 = IG VII 2870 = Oliver 1989: Nr. 116 = Fossey 1991: Nr. 11). Infolge der Regulierungsmaßnahmen waren wohl generell Neuvermessungen in der Gegend nötig geworden. In jenem Fall lag Koroneia mit der Nachbargemeinde Thisbe im Streit über nicht offiziell vermessenes Land. Aus dem Wortlaut des ersten nur fragmentarisch erhaltenen Briefes geht hervor, dass das umstrittene Land gemäß einer Beschlussfassung, die auf Hadrian zurückging, Thisbe zugesprochen werden sollte. Allerdings scheinen die Vermessungsarbeiten noch nicht stattgefunden zu haben, was wiederum dazu führte, dass Viehhalter aus Thisbe auch über das festgelegte Territorium hinaus ihr Vieh zum Weiden führten. Schließlich geht aus dem zweiten Brief hervor, dass der Streit um Weideland endlich beigelegt werden konnte; dazu s. Campbell 2005: 326. Thisbe wurde dabei das Recht zugesprochen, das endlich neuvermessene Weideland zu nutzen. Alles, was darüber hinaus von Thisbe genutzt wurde, sollte der Gemeinde nur bei Zahlungen einer Weidesteuer zu eben diesem Zweck überlassen werden. Zwar geht Fossey davon aus, dass es sich bei dem umstrittenen Territorium um Land auf den Anhöhen des Helikon handelte (Fossey 1979: 569; Fossey 1991: 17), doch wurden in der griechischen Kultur gerade auch niedriggelegene sumpfige Landschaften als ideal für die Viehzucht angesehen; v. a. Theophr. hist. plant. 4,10,7; 4,8,13 für die Gegend um Orchomenos; sonst auch Hom. Il. 6,506; 20,221; Hom. Od. 4,601; Paus. 1,32,7. Zudem ist wohl von einer saisonal variierenden Nutzung von Weideland zur Viehzucht auszugehen, namentlich von einer Nutzung der Sommerweiden im Gebirge, während sich die Schäfer mit ihren Herden in den Wintermonaten in die niedriggelegenen, teils als Äcker genutzten Territorien zurückzogen; dazu s. Peters 1998: 33 (Rinder) und 78 f. (Schafe); außerdem Burri 2014: 18, der diese Praktik exemplarisch zumindest für die Schäfer in der Provence im Mittelalter anhand archivalischer Quellen nachzeichnet unter besonderer Berücksichtigung der diversifizierten und saisonal angepassten Funktion von Feuchtgebieten. Neben den bereits zitierten Arbeiten soll hier stellvertretend auf den jüngst erschienenen Sammelband unter der Leitung von Lázaro Lagóstena Barrios unter Mitwirkung von Ella Hermon verwiesen werden, der die aktuelle Forschungslage zum Thema gut einfängt, vor allem Fallbeispiele von der Iberischen Halbinsel behandelt und weiterführende Literaturangaben enthält (Lagóstena Barrios 2019a). Zur antiken Nutzung von Marschen, Auen und Sümpfen s.

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Nicht zu vernachlässigen ist außerdem, dass die religiöse Verehrung von Gewässern es wohl als inakzeptabel erscheinen ließ, die Seen dauerhaft vollständig abzulassen – sie also verschwinden zu lassen, sie auszulöschen. Im Gegenteil zeigt die epigraphisch bezeugte kultische Ehrung des Fucinus,518 dass der als göttlich verehrte See oder eher die Gottheit des Sees (Fucinus) just deshalb verehrt wurde, weil der See nach seiner Regulierung durch die Antoninen einen ganz praktischen Nutzen in Form von wirtschaftlichen Erträgen brachte. So widersprechen sich die göttliche Verehrung von Gewässern bei gleichzeitiger profaner Nutzbarmachung und Nutzung nicht. Vielmehr machte die transzendente Komponente es erst möglich, die Gewässergottheiten mittels kultischer Praktiken für profane Zwecke anzurufen und sie um ihre Unterstützung bei alltäglichen, auf den See bezogenen Tätigkeiten zu bitten.519 III.2.3 Tunnel, Talsperren, Dämme und Kanäle Baulich lassen sich drei Typen von Maßnahmen zum Schutz vor Überschwemmungen ausmachen: Konstruktionen, die 1. die Fließrichtung des Wassers beeinflussen (Kanäle, Tunnel, usw.), 2. das Ufer sichern und das Flussbett stabil halten (z. B. Uferbefestigungen) und 3. direkt vor der Überflutung schützen (Deiche usw.). Alle drei Typen sind archäologisch für die römischen Antike nachgewiesen.520 Bedeutete die Bewerkstelligung einer Flusskanalisierung und Drainage wie etwa in der Kopaïs schon einen enormen technischen Aufwand, waren technisches Geschick und wasserbauliches Wissen bei der Anlage von Flusstunneln in besonderem Maße vonnöten. In manchen Fällen musste das gesamte Flusswasser durch einen Berg oder einen hohen Felsen künstlich hindurchgeleitet werden, um einen Fluss umzulenken. Aus der Antike sind Tunnelanlagen in großer Zahl bekannt und nachgewiesen, doch Tunnel zur Umleitung ganzer Flüsse scheint es nur sehr wenige gegeben zu haben.521 Meist wurden Straßentunnel oder kleinere Tunnel zur Wasserversorgung angelegt. Aus etruskischer und römischer Zeit sind vor allen Dingen Tunnel für die großräumige Entwässerung weiter außerdem weiter unten in der Synthese (IV.2.3). Außerdem führt die Autorin dieses Buches zurzeit selbst ein Postdoc-Forschungsprojekt zur Nutzung und Wertschätzung von Feuchtgebieten im Altertum durch mit dem Titel „Feuchtgebiete in der Antike: Konzeption und Kontextualisierung“ (Universität Leipzig), gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung von 2021 bis 2022. Im Projekt werden zunächst die modernen Forschungsarbeiten aufgearbeitet, die sich aus unterschiedlicher fachlicher Perspektive mit antiken Feuchtgebieten auseinandersetzen, um gewisse Forschungstendenzen daraus abzuleiten, die die moderne Erforschung antiker Drainagemaßnahmen unbewusst beeinflusst haben könnten. 518 CIL IX 3887 = ILS 3626 = AE 2002, 378; dazu vgl. weiter oben Fn. 502. 519 Zu diesem Gedankengang s. Falter 1999: 148–155, v. a. 151. 520 Allinne 2007: v. a. 71 mit Verweis auf Vorarbeiten; Allinne 2005. 521 Grewe 2004: 95. Ausführlichere Fallbeispiele hierfür finden sich daneben auch bei Grewe 1998: 108–124.

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Küsten- und Sumpfgebiete sowie größerer Gebirgsseen vielfach nachgewiesen.522 Einen kompletten Fluss permanent durch eine künstliche Tunnelanlage hindurchfließen zu lassen erforderte allerdings ein besonders hohes Maß an Planung und Berechnung. Gerade im Mittelmeerraum musste die Anlage nicht nur die sommerliche Wassermenge fassen können. Auch die teils enorm hohe Wassermenge in den Wintermonaten musste möglichst vollständig vom Tunnel aufgenommen werden können.523 a. Hochwasserableitung in Seleukeia Pieria Als Tunnel wird ein Bauwerk definiert, das – im Gegensatz zum Stollen – zwar in einen Berg hineinführt, auf der anderen Seite aber auch wieder eine Austrittsöffnung besitzt und somit das Hindernis komplett durchzieht.524 Das bietet den Vorteil, dass der Bau gleichzeitig von beiden Enden her in Angriff genommen werden kann. Dazu wird der Tunnel in zwei Baulose eingeteilt, die von zwei Arbeitermannschaften zugleich bearbeitet werden. Diese Methode wird als ‚Gegenortverfahren‘ bezeichnet.525 Das Verfahren ist für den römischen Tunnelbau inschriftlich wie archäologisch belegt. Die Schwierigkeit bei der Ausführung bestand darin, dass Höhenlage und Ausrichtung des Vortriebs jeweils exakt aufeinander abgestimmt sein mussten, um sich in der Bergmitte nicht zu verpassen. Ein solcher Baufehler ist beispielsweise für den Bau eines Aquädukttunnels bei Saldae in Nordafrika aus der Mitte des 2. Jahrhunderts epigraphisch festgehalten. Der damals zu Hilfe gerufene Vermessungsingenieur Nonius Datus hat seine diesbezügliche Korrespondenz mit dem Statthalter in einer monumentalen Inschrift verewigen lassen – anlässlich des endlich erfolgreichen Abschlusses des Bauprojekts.526 Um derlei Verfehlungen bei der Anlage von Tunneln möglichst zu vermeiden, wurden zunächst mehrere kleine Suchstollen (auch ‚Pilottunnel‘) von beiden Seiten her in den Felsen getrieben. Gelang ein Treffen mit dem gegenläufigen Suchstollen in der Bergmitte, wurde der Durchstich sukzessive vergrößert und bis auf die gewünschte Form und Größe erweitert.527 An den erhaltenen römischen Tunneln sind im oberen Firstbereich jeweils noch deutliche Spuren dieser ersten Suchstollen zu erkennen. Eine weitere Möglichkeit, Tunnel anzulegen, stellte das sogenannte ‚Qanat-Verfahren‘ dar.528 Das Prinzip und dessen moderne Bezeichnung stammen aus der altpersi522 Für Beispielstudien zu römischen Tunnelbauten für Seeabsenkungen und zu Drainagezwecken s. Grewe 1998: 78–108 sowie im vorigen Kapitel III.2.2. 523 Grewe 2004: 95. 524 Grewe 1998: 8–17, v. a. 8–10. 525 Döring 2020: 143; Grewe 1998: 9 f.; Grewe 2004: 95. 526 CIL VIII 2728 = ILS 5795; dazu s. Grewe 1999; Shaw 1984: 123. 527 Grewe 2004: 95 f. 528 Grewe 1998: 25 f.; Grewe 2004: 95; Cech 2011: 110 f.

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schen Wasserversorgungstechnik.529 Dabei wurden entlang der gewünschten Trasse von oben her Schächte in den Berg getrieben, die nach Fertigstellung des Tunnels dann als Wartungsschächte weitergenutzt werden konnten. Die Schächte wurden über Höhlungen miteinander verbunden, die später zum fertigen Tunnel erweitert wurden. Dieses Verfahren fand zum Beispiel beim berühmten Eupalinos-Tunnel auf Samos Anwendung, der in die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. datiert.530 Zwei der bekanntesten Flussumleitungstunnel aus römischer Zeit fanden sich im Osten des Reichs und dienten zur Umleitung torrentieller Hochwasser aus Wasserläufen mit periodischer Wasserführung. Keiner der beiden wird in den literarischen Quellen erwähnt. Lediglich die sehr gut erhaltenen archäologischen Befunde sind bekannt sowie – im Falle von Seleukeia Pieria – eine Inschriftenserie, die sich noch in situ befindet. Der andere Tunnel findet sich in der alten Metropole Petra im heutigen Jordanien und ist ausschließlich archäologisch belegt. Der sicher abgeschlossene Siedlungsplatz von Petra, der nur über eine tiefe Schlucht zugänglich war, barg während der seltenen Starkregenfälle die Gefahr, sich innerhalb kürzester Zeit mit Wasser zu füllen und sich in das Bett eines reißenden Sturzbaches zu verwandeln. Um also die Stadt von solchen Wadihochwassern dauerhaft zu verschonen, waren in römischer Zeit eine quer zum Wadi verlaufende Sperre und ein daran angeschlossener Flusstunnel angelegt worden, der das gesamte Flutwasser abzuleiten vermochte. Der Tunnel misst insgesamt 90 m und ist bis heute in recht gutem Zustand geblieben.531 Zwar haben inzwischen an einigen Stellen innerhalb des Tunnels diverse Felsauswaschungen die antiken Spuren zerstört, doch ist klar, dass das Gegenortverfahren für den Felsdurchstich verwendet wurde. Selbst Spuren der Suchstollen sind an mehreren Stellen noch deutlich zu erkennen. Richtungskorrekturen wurden während des Vortriebs hier und da vorgenommen, doch waren die Arbeiten so präzise geplant, dass es zu keinen größeren Abweichungen kam. Insgesamt weist der Tunnel im Querschnitt die Maße von 4,80 m in der Breite und bis zu 8 m in der Höhe auf, was dem Volumen der üblichen Wadihochwasser entsprach.532 In der syrischen Hafenstadt Seleukeia Pieria (beim heutigen Çevlik, Türkei, Karte 8) wurde in römischer Zeit eine Reihe zusammenhängender wasserbaulicher Maß-

529 Garbrecht 1995: 57–59; Grewe 1998: 33–40. 530 Zum Eupalinos-Tunnel von Samos s. Hdt. 3,60; Grewe 1998: 58–69; Garbrecht 1995: 41–54; Tölle-Kastenbein 1990: 61 f.; Cech 2011: 42–22; speziell zum Problem der Trassierung s. auch Olson 2012. 531 So ereignete sich zuletzt 1964 während einer touristischen Besichtigung Petras eine Flutkatastrophe, bei der 20 Menschen den Tod fanden, woraufhin die römischen Flutableitungsanlagen wieder in Betrieb genommen wurden; dazu s. Grewe 1998: 122, Fn. 229. 532 Eine ausführliche technische Beschreibung der verbliebenen Strukturen sowie des Vorgehens beim Tunnelbau findet sich bei Döring 2020: 230–236; Döring 2015: 8 f.; Grewe 1998: 122–124; Garbrecht 1995: 137–144; zum antiken Tunnelbau allgemein mit weiteren Beispielen s. auch Cech 2011: 35–44.

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Karte 8 Seleukeia Pieria und Antiocheia am Orontes © Jasmin Hettinger, basierend auf Daten des Ancient World Mapping Center

nahmen durchgeführt, die neben anderen Zwecken auch zur Hochwasserableitung dienten. Die große Aufmerksamkeit, die der Hafenstadt unter römischer Herrschaft zukam, verdankte sie vor allem ihrer strategisch und ökonomisch günstigen Lage. Seleukeia Pieria lag im Mündungsgebiet des großen schiffbaren Flusses Orontes (heute der Fluss Asi Nehri), wobei sie 40 Stadien von der eigentlichen Mündung entfernt war.533 Somit war die Stadt sowohl ans Mittelmeer als auch an die nord-östlich gelegene Hauptstadt Antiocheia angebunden und erschloss verkehrstechnisch bis zum mittleren Euphrat hinauf die Region, wovon das römische Heer und der überregionale Handel gleichermaßen profitierten.534 Bereits unter den flavischen Kaisern hatte man begonnen, die Region großzügig infrastrukturell auszubauen, vor allem für militärische Zwecke.535 Wahrscheinlich war Seleukeia schon seit dem flavischen Ausbau Flottenstützpunkt der classis Syriaca, wobei dies erst ab hadrianischer Zeit eindeutig nachzuweisen ist.536 Die Stadt selbst war bereits eine hellenistische Gründung Seleukos des

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Zur Gründungsgeschichte und Lage von Seleukeia Pieria s. Downey 1961: 56–55; Berchem 1985: 51–53. 534 Pol. 5,59–60; Pamir 2004: 17; Gebhardt 2002: 158–164 zur strategischen Lage Seleukeia Pierias und insbesondere zur bedeutenden Rolle, die dem Hafen während der Partherkriege Trajans zukam. 535 Gebhardt 2002: 49–83; allgemeiner zur militärischen Präsenz Roms in Syrien s. Pollard 2000. 536 Campbell 2012: 185; Gebhardt 2002: 69 und 165–169. Die Forschungen von Denis van Berchem (Berchem 1983; Berchem 1985) legen einen flavischen Ursprung der classis Syriaca nahe.

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I. Nikanor.537 Der Umstand, dass sie nicht direkt im weitläufigen Delta des Orontes angelegt wurde und dennoch den Mittelmeerhafen der am Orontes gelegenen Stadt Antiocheia darstellte, spricht für eine ausgeprägte Kenntnis der damaligen hydrologischen Verhältnisse im Delta und im Küstenbereich: Das Orontesdelta beschrieb die Form eines Dreiecks, erstreckte sich über eine Fläche von etwa 40 km2 und wurde von mehreren stark zerklüfteten, sehr hohen Bergketten umringt. Die Deltalandschaft wurde regelmäßig und in kurzen Abständen von alluvialen Ablagerungen umgeformt und tektonische Bewegungen verstärkten diesen landschaftlichen Umwandlungsprozess zusätzlich.538 Die bronzezeitlichen Häfen und Handelsstädte lagen hingegen direkt im Schwemmlanddelta des Orontes auf erhöhtem Gelände. Zu jener Zeit war die Schwemmlandebene im Delta allerdings auch noch anders beschaffen als in der späteren hellenistischen und römischen Zeit.539 Unter den Flaviern Vespasian und Titus wurde die Regulierung eines Wildbaches aus den Höhen des Musa Dağı angeregt. Die wasserbauliche Anlage, bestehend aus einer Talsperre, einem Tunnel und einem Kanal,540 sollte gleich zwei Zwecken dienen: Zum einen sollte die Unterstadt Seleukeias vor Hochwasserereignissen geschützt werden, zum andern sollte der Verlandung des ebenfalls in der Unterstadt gelegenen Hafenbeckens entgegengewirkt werden.541 Die Tatsache, dass lediglich die Unterstadt vom Überschwemmungsrisiko betroffen war, legt nahe, dass die Risiken bei der Stadtgründung bekannt waren. Wegen der notwendigen Nähe zum Hafenbecken konnte die Unterstadt an keinem alternativen Standort angelegt werden. Nach den flavischen Umgestaltungsmaßnahmen war das etwa 12 ha große Hafenbecken nicht nur gegen die Einschwemmungen des Wildbaches geschützt, sondern hatte auch einen künstlichen Zufahrtskanal erhalten, der besser als der alte natürliche Auslass gegen die Sanddrift geschützt war, die von Süden her kam.542 Zusätzlich wurde die ganze Stadt durch eine 12,5 km lange Mauer vor Einschwemmungen und Hochwasserwellen geschützt.543

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Das Gründungsdatum liegt somit um 300 v. Chr.; Ioh. Mal. 8,12; Strab. 16,2,4 C 749; App. Syr. 57; Downey 1961: 54–86. Pamir 2004: 17. Zu den archäologischen Surveys im Orontesdelta mit Fokus auf die Hafen- und Handelszentren der Bronzezeit s. Pamir 2013; Pamir 2006; Pamir/Nishiyama 2002. Als grundlegende Literatur zu diesen Wasserbauten aus ingenieurstechnischer Sicht gelten die Publikationen von Garbrecht 1995: 137–142; Garbrecht 1991b; Grewe 1998: 108–118; Grewe 2004; Döring 2015: 12–14. Schnitter 1994: 74; aus epigraphischer Sicht die Publikation von Berchem 1985. Pamir 2004: 18; Berchem 1985: 53. So gefährdete nicht der Orontes selbst, sondern jener kleinere Zufluss den Zugang zum Hafen durch Anschwemmungen, die zur Verringerung der Wassertiefe führten. Zu den umfassenden flavischen Bauprojekten im Hafenbereich Seleukeias und entlang des gesamten Unterlaufs des Orontes s. Gebhardt 2002: 68 f. Döring 2015: 12 f. Garbrecht 1995: 137.

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Der kurze, aber sehr steile Lauf des Wildbaches weist ein typisches torrentielles Abflussregime in den Winter- und Frühlingsmonaten auf und trocknet in den Sommermonaten regelmäßig gänzlich aus. Seine Hochwasserspitzen betragen heute zwischen 70 m3/s (10-jährliches Hochwasser) und 135 m3/s (100-jährliches Hochwasser).544 Durch die steile Neigung seines steinigen Bettes gelangt mit dem Flutwasser eine große Menge an Sand, Kies und Geröll in die schmale Küstenebene bei der Stadt.545 Die Talsperre lenkte damals das winterliche Flutwasser von der Stadt weg in einen Tunnel hinein, dessen Kapazität nach modernen Berechnungen immerhin die 10-jährlichen Hochwasser fassen konnte.546 Ob für extreme Hochwasser eine Entlastungsanlage am Bau angebracht war, lässt sich heute nicht mehr feststellen, jedenfalls ist keine erkennbar.547 Nach dem Austritt aus dem Tunnel auf der anderen Seite floss das Wasser über einen offenen Kanal weiter (Abb. 12). Die Umleitung des Wildbaches um Hafenbecken und Unterstadt maß insgesamt knapp 900 m und bestand zum Teil aus einem in den blanken Felsen gehauenen Tunnel,548 der das Flutwasser westlich um die Unterstadt herumführte. Er bestand, den nach oben offenen Einlaufkanal ausgenommen, aus drei Abschnitten, die zeitgleich bearbeitet wurden.549 Unmittelbar nach der Ablenkung durch die Talsperre wurde das Wasser durch einen Graben in den Tunnel eingeleitet. Der erste Tunnelabschnitt war 89 m lang und mündete in einen 64 m langen und durch eine Treppe erschlossenen Felseinschnitt. Danach führte ein zweiter Tunnelabschnitt das Wasser weitere 31 m durch den Felsen und entließ es auf der anderen Seite wieder in einen offenen Kanal. Der Felseinschnitt hatte bei der Anlage der Felsdurchstiche wohl als Ausgangspunkt gedient: Über die Treppe waren die beiden Tunnelabschnitte auch von innen her zugänglich, was die Anlage der Pilottunnel erleichterte. In jedem der beiden Tunnelabschnitte sind Spuren von jeweils drei parallel verlaufenden Pilottunneln nachweisbar. Der folgende offene Kanal war weitere 700 m lang und war direkt in den anstehenden Felsen gehauen. Am Mundloch des ersten Tunnelabschnitts gleich bei der Talsperre sind zwei Markierungen in den Felsen eingelassen, deren Bedeutung bis heute nicht geklärt werden

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Grewe 2004: 97; Garbrecht 1991b: 85. Garbrecht 1995: 137 f.; Pamir 2004: 18. Grewe 2004: 97; Garbrecht 1991b: 86. Garbrecht 1995: 140. Im Gegensatz dazu geht Döring 2015: 14 von einer völligen Überdimensionierung der Tunnel- und Kanalanlagen aus. Nach seinen Berechnungen würde die Anlage sogar bei Weitem einem tausendjährlichen Hochwasser ohne Probleme standhalten können. Er kommt auf den Wert von 350 m3/s als Fassungsvermögen der Anlage. Ein tausendjährliches Hochwasser würde jedoch nur bei etwa 190 m3/s liegen. 548 Zu baulichen Details des Tunnels s. besonders ausführlich Grewe 1998: 108–118. Heute ist der Tunnel unter dem Namen ‚Vespasianus-Titus-Tunnel‘ bekannt und wurde von der UNESCO im Jahr 2014 in die Liste der Weltkulturerbestätten aufgenommen (Ref. 5903). 549 Garbrecht 1995: 141; Garbrecht 1991b: 86. Er nennt den daran angeschlossenen offenen Kanal als dritten Einsatzort. Eine recht ausführliche Beschreibung des Tunnelbaus selbst sowie der an den Bearbeitungsspuren leicht nachzuzeichnenden Arbeitsschritte gibt Grewe 2004: 96–99.

Abb. 12 Schema des Tunnels von Seleukeia Pieria zur Flussumleitung (Grewe 1998: 114, Abb. 174)

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konnte, die aber möglicherweise mit der Hochwasservorsorge in Verbindung standen. Die auffälligere Markierung zeigt ein Auge, das als Relief in eine quadratische Vertiefung direkt in den Felsen der Kanalwand gehauen wurde und sich in einer Höhe von etwa 5,20 m befindet. Weitere 1,50 m höher befindet sich eine horizontal in den Felsen geritzte Linie, die zum Tunneleingang weist und insgesamt 6,5 m lang ist. Beiden wird in der Forschung eine mögliche Funktion als Hochwassermarken zugewiesen. Das Auge könnte neben einer rein apotropäischen Wirkung noch den Zweck erfüllt haben, die Maximalkapazität des Tunnels anzuzeigen. Wurde das Auge vom Wasserstand erreicht, könnte das Fassungsvermögen des Ableitungstunnels erreicht worden sein, was einer ersten Warnstufe entsprochen haben könnte. Wurde die höher gelegene Linie vom Wasserstand berührt, war dann möglicherweise der Zeitpunkt erreicht, zu welchem die Talsperre überlief.550 Das würde mindestens während der Regenzeit einen Beobachtungsposten an Kanal und Talsperre voraussetzen, der im Zweifelsfall Meldung an die Stadt machen konnte. Falls diese Interpretation zutrifft, würde das den städtischen Behörden dann Zeit gegeben haben, Schutzmaßnahmen und möglicherweise Evakuierungen vorzunehmen. Bei der Heftigkeit dortiger Wadihochwasser wären solcherlei Vorkehrungen durchaus sinnvoll gewesen und so scheint die Interpretation alles andere als abwegig. Die Talsperre am Anfangspunkt der Wildbachumleitung war insgesamt 175 m lang, wobei die eigentliche Sperrmauer 49 m maß. Gemessen von der Talsohle an war sie an ihrer höchsten Stelle 16 m hoch. Allerdings ist sie auf der Wasserseite heute 12 m hoch verlandet.551 Die Kronenbreite der Sperre entsprach 5 m.552 An der luftseitigen Wand war sie zweifach abgetreppt. Ihre Verschalung war aus zwei Lagen von Kalksteinquadern angefertigt, während der Kern der Mauer aus opus caementicium bestand.553 Im Nordosten schloss unmittelbar an die Staumauer ein 126 m langer Flügeldeich an.554 Datierbar ist die Talsperre indirekt über eine Bauinschrift, die an der Einmündung in den Tunnel in die Felswand hineingehauen wurde. Sie datiert zumindest den Zeitpunkt der Anlage der Tunneleinleitung nach der Wasserablenkung durch die Sperre auf frühestens 81 n. Chr. und nennt die beiden vergöttlichten flavischen Kaiser Vespasian und Titus (divus Vespasianus et divus Titus), wohl als Initiatoren des Baus.555 550 Ähnliche Höhenritzungen an funktionalen Bauwerken sind auch andernorts im Römischen Reich festzustellen; dazu Grewe 1998: 114 zusammen mit Fn. 225 für Literatur zu weiteren römischen Baumarkierungen. Freilich dürfte das Auge darüber hinaus noch apotropäische Funktionen erfüllt haben; dazu Döring 2020: 232. 551 Grewe 2004: 97; Grewe 1998: 110; Garbrecht 1995: 139; Garbrecht 1991b: 89. 552 Garbrecht 1995: 138 f.; Grewe 2004: 97. 553 Döring 2020: 232; Garbrecht 1995: 139; Grewe 2004: 97. Für Herstellung und Hintergrundinformationen zu opus caementicium (römischer Beton) s. weiter unten in Kapitel III.3.2c. 554 Grewe 2004: 97. 555 CIL III 6702 = IGLS 3/2, 1131: Divus Vespasianus / et divus Titus f(aciendum) c(urauerunt) / ἔ(τους) υμδʹ. Dazu s. Berchem 1985: 58, Fn. 40, der in dem griechischsprachigen Zusatz die Datierung der Inschrift sieht: Hier steht das Jahr 444 der seleukidischen Ära, was den Jahren 131/132 n. Chr.

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Weitergeführt wurde der Wasserbaukomplex aus Sperre, Tunnel und Kanal offenbar noch bis in die Regierungszeit des Antoninus Pius durch Legionssoldaten, was durch eine weitere Bauinschrift am anderen Ende des Kanals nach dem Tunnel bezeugt ist.556 Wahrscheinlich zeigt die Stelle des antoninischen Inschriftentextes den Anfangspunkt an, von dem aus die beiden Legionen im 2. Jahrhundert den Kanalbau fortsetzten.557 Von seinen beiden Reisen nach Seleukeia Pieria berichtet Denis van Berchem, dass er bei verschiedentlichen Begehungen des Kanals auf weitere griechische und lateinische Bauinschriften gestoßen sei. Sie seien allesamt an den Kanalwänden auf verschiedenen Höhen, vor allem jedoch an seinem oberen Rand angebracht und teils nur noch partiell erhalten. Sie nennen flavische und antoninische Kaiser sowie verschiedene Truppenteile. Daraus schließt er, dass die Inschriftentafeln Bauabschnitte markierten, die von den jeweils genannten Truppenverbänden unter den angegebenen Oberaufsehern instandgesetzt oder angelegt worden waren.558 Darauf aufbauend zieht er den Schluss, dass die sehr lange Bauzeit für die Anlagen, wie sie durch die Inschriften offenbar bezeugt wird, in Wahrheit nur auf unterschiedliche Ausbauphasen verweisen. Eine derart nützliche und kostspielige Anlage zu initiieren, von der jedoch erst die späteren Nachfolger tatsächlich profitieren konnten, mag er sich für die beiden Flavier nicht vorstellen. Möglicherweise sei unter den Antoninen die Anlage entweder weiter ausgebaut oder auch nur gereinigt und neu ausgetieft worden.559 Unabhängig von einer absoluten Datierung lässt sich an den Bearbeitungsspuren an Kanal- und Tunnelwänden ablesen, welche Arbeitsschritte nacheinander ausgeführt wurden. Die Beobachtungen geben Aufschluss über Planungsprozesse und die strategische Herangehensweise an das Großbauprojekt. Grewe bezeichnet die baulichen Befunde deshalb als „gesprächig“, weil sie trotz des Fehlens von Bauzeichnungen und Schriftzeugnissen genügend Informationen über das praktische Vorgehen während der Bauphase preisgeben.560 Auch die bauliche Ähnlichkeit der Talsperre mit anderen

entspricht. In jenem Jahr war Hadrian persönlich im Militärhafen anwesend, sodass Berchem davon ausgeht, dass in dem Rahmen der flavische Baubeginn durch die Inschrift erneut memoriert wurde, zumal sich an weiteren Inschriften im Halbdunkel des Tunnels Spuren von Rasuren finden, die sich nicht auf den Namen des Domitian beschränkten, sondern den Text nahezu vollständig tilgten (ebd.: 59). 556 ILS 9115 = IGLS 3/2, 1135 = AE 1903, 252: Imp(eratori) T(ito) Aelio [Ha]d[ri]/ano Antonino / Aug(usto) Pio p(atri) p(atriae) vexil(lationes) leg(ionis) IIII Scy[ticae et leg(ionis)] XVI Fl(aviae) F(irmae) / su[b] Sul[picio(?)] Iulia/no [– ; Chapot 1902: 164–166. 557 Chapot 1902: 166. Eine dritte Inschrift am Kanal in altgriechischer Sprache (Le Bas/Waddington 1968: Nr. 2714) nennt nur noch die legio III Scythica und markiert wohl den Beginn des Bauabschnitts, der nur noch von einer Legion bearbeitet wurde. 558 Berchem 1985: 57. Unter den Aufsehern ist einmal ein Zenturio der legio IV Scythica genannt (IGLS 3/2 1137), in einem anderen Fall ein Nauarch (IGLS 3/2 1138). 559 Detaillierter zu diesen Überlegungen s. Berchem 1985: 53–61. 560 Grewe 2004: 97; ausführlich Grewe 1998: v. a. 114–118 für die Aufschlüsselung der einzelnen erkennbaren Arbeitsschritte.

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kleinasiatischen Sperranlagen aus der römischen Kaiserzeit561 lässt auf routinemäßiges Vorgehen bei Planung und Umsetzung des Gesamtprojekts schließen. An ihnen allen kamen exakt dieselben Planungsschritte und Arbeitsprozesse zum Einsatz, was auf die Existenz gewisser Standardverfahren sowie auf die Mitarbeit gut ausgebildeten, erfahrenen Personals hinweist. Die Anlage ist noch heute einsatzfähig und erfüllt immer noch ihren ursprünglichen Zweck.562 Ebenfalls zum Schutz einer Stadt vor Sturzfluten hatte Justinian in der Spätantike den Fluss Kydnos in Kilikien in zwei Betten aufteilen und an beiden Seiten um die Stadt Tarsos herumleiten lassen, um dem Flutwasser im Frühjahr dadurch etwas von seiner Wucht zu nehmen.563 b. Hafen- und Schifffahrtskanäle an Tiber, Po, Mäander und Kaystros Auch für weitere Flussläufe sind ähnliche Kanalisierungs- und Flussregulierungsprojekte aus römischer Zeit bekannt, die im Wesentlichen der Verbesserung der Schiffbarkeit dienen und der Verlandung der Häfen durch Einschwemmungen vorbeugen sollten. Ihre Funktion als Flutschutz- oder Flutentlastungsmaßnahme wird allerdings nur im Fall des Tiberunterlaufs eigens in den Quellen hervorgehoben.564 Vom Überschwemmungsrisiko abgesehen, war die Anlage eines neuen Hafens an der Tibermündung zu Claudius’ Zeit aufgrund der zunehmenden Verlandung längst überfällig. Auch in nachantiker Zeit verlandete das Mündungsgebiet weiter, sodass selbst Portus mit den kaiserzeitlichen Hochseehafenanlagen heute 4 km landeinwärts liegt.565 Durch den permanenten Sedimentzuwachs in der Deltaregion hat sich die Küstenlinie immer weiter nach Westen vorgeschoben (Progradation).566 Schon zur Zeit des frühen Prinzipats 561 Grewe 2004: 95; Garbrecht 1995: 140; Garbrecht 1991b: 89. 562 Garbrecht 1995: 141; Garbrecht 1991b: 89. 563 Prok. aed. 5,5,19. Der heutige Flussverlauf soll im Wesentlichen noch dem folgen, der von Justinian zur Hochwasserentlastung angelegt worden ist, denn der Fluss fließt nun auf der anderen Seite der Stadt entlang als dies für die klassische Antike belegt ist; dazu s. den archäologischen Kommentar zu Prokop von W. Pühlhorn (Veh/Pühlhorn 1977: 461). 564 CIL XIV 85 = ILS 207; CIL VI 964 = CIL XIV 88 = ILS 5797a = AE 2002, 279; Plin. epist. 8,17,2; AE 1909, 67. 565 Die Komplexität der Verlandungsprozesse und der Weiternutzung hat zu unterschiedlichen Verfüllungen der einstigen Hafenbecken geführt. So ist von den beiden Hauptbecken das weitaus größere claudische mit Sand verfüllt, während das kleinere trajanische Becken hauptsächlich Schlammablagerungen aufweist; Salomon et al. 2016b: 3. 566 Zur Veränderung der Küstenlinie im Deltagebiet des Tibers liegt inzwischen eine Reihe geowissenschaftlicher Studien vor, insbesondere geomorphologischer und geoarchäologischer Art. Aufschlussreich sind vor allem die Arbeiten des Forschungsteams aus dem PortusLimen Projekt (s. weiter oben Kapitel III.2.1b, Fn. 365), da sie neben reinen natürlichen Sedimentationsprozessen auch römische Kanalbauaktivitäten im Hafenbereich von Ostia und Portus besonders berücksichtigen: Keay 2012; Salomon et al. 2014a; Salomon et al. 2014b; Salomon et al. 2016a; Salomon et al. 2016b. Eine allgemeine Einführung in die geoarchäologische Erforschung römischer Kanäle findet sich bei Salomon et al. 2014c.

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reichte der enge und seichte Flusshafen in Ostia für die Zufuhr von Getreide und anderen Waren aus Übersee nicht mehr aus, er vermochte die großen Schiffe nicht mehr aufzunehmen.567 Der Weg nach Rom auf dem Tiber war zwar nicht besonders lang und flussaufwärts ließ es sich problemlos treideln,568 doch mussten die Waren an der Mündung erst von den Hochsee- und Küstenschiffen auf kleinere Flussgefährte umgeladen werden, wozu ein geeigneter und sicherer Platz an der Tibermündung fehlte.569 Die Verlandung der Flussmündung war ein schleichender Prozess, der schon in der ausgehenden Republik zunehmend Probleme bereitet hatte, sodass ein Hafenausbau bereits von Claudius’ Vorgängern verschiedentlich in Erwägung gezogen worden war. Die Getreideschiffe aus Alexandria fuhren längst nicht mehr bis zur Tibermündung, sondern wurden bereits im Hafen von Puteoli entladen, von wo aus die Ladung teils auf dem Landweg, teils per Küstenschiff weiter bis nach Rom transportiert wurde.570 Deswegen hatte Caesar über einen schiffbaren Kanal von Terracina nach Rom nachgedacht, für welchen weitläufige Flussumleitungsmaßnahmen nötig gewesen wären. Der Tiber selbst sollte unterhalb Roms nach Terracina abgelenkt werden,571 was womöglich mit der Tiberumleitung um das Marsfeld herum kombiniert werden sollte.572 Obgleich also die genauen Pläne Caesars unklar bleiben, wird doch deutlich, dass seine Flussumleitungs- und Hafenausbauprojekte immer gleich mehreren Zwecken dienen sollten. Die Umleitung des Tibers um das Stadtzentrum herum sollte der Erweiterung des städtischen Baugrundes dienen, freilich wohl vor allem für Repräsentationsbauten,

567 Meiggs 1973: 50; Fellmeth 2001: 164; Bolder-Boos 2014: 42; Osgood 2011: 182 f.; Knell 2010: 123–125; ein allgemeinerer Überblick über den sukzessiven Ausbau der Hafenkanäle an der Tibermündung findet sich bei Keay 2012. 568 Philostr. vit. Ap. 7,16,1; Dion. Hal. ant. 3,44,3; Theis 2017. 569 Strab. 5,3,5 C 231–232. 570 Wawrzinek 2014: 330 f. Zu den vorclaudischen Bemühungen um die Schaffung eines sichereren Hafens an der Tibermündung sowie zu alternativen Bauprojekten für die Tiberschifffahrt s. Meiggs 1973: 50–54; außerdem Bolder-Boos 2014: 40–43 zur baulichen Entwicklung des Flusshafens und der Hafenbecken bis zum Ausbau des Hafens unter Trajan. 571 Cic. Att. 13,33,4; Plut. Caes. 58,4. 572 Dass allerdings der gesamte Tiber für den Schifffahrtskanal nach Terracina abgelenkt werden sollte, könnte auf eine Fehlinterpretation des Plutarch zurückgehen. Vielleicht kombinierte er die Information zur Tiberumleitung bei Cicero fälschlicherweise mit Berichten über einen geplanten Entwässerungskanal durch die Sümpfe bei Terracina (Suet. Caes. 44,3), zumal beide Projekte in seiner Caesarbiographie in einem Zuge genannt werden (Plut. Caes. 58,4–5). Andererseits würde solch ein Großprojekt in die Reihe der anderen Wasserbauprojekte Caesars passen, von denen schließlich keines zur Ausführung kam. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren, so könnte sein jäher Tod ebenso als Grund angeführt werden wie mögliche Widerstände gegen das Umleitungsprojekt bei der politischen Opposition oder Probleme bei den nötigen Enteignungen der Hausbesitzer in Rom; dazu Robinson 1994: 17 f. In jedem Fall soll Caesar neben der Umleitung des Tibers und der Entwässerung der Pomptinischen Sümpfe auch die Ableitung des Fuciner Sees sowie den Durchstich des Isthmos von Korinth ins Auge gefasst haben; Suet. Caes. 44,3; Suet. Claud. 20,1. Jedenfalls würde Caesar durch eine Umleitung des Tibers seine Allmacht über Mensch und Natur deutlich zum Ausdruck gebracht haben; dazu s. auch weiter unten Kapitel IV.1.1.

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was zugleich aber auch bedeutet hätte, das Marsfeld vor Überschwemmungen sicherer zu machen.573 Ähnlich war die geplante Entwässerung der Pomptinischen Sümpfe in erster Linie ein Landgewinnungsprojekt,574 das aber die Via Appia durch das Sumpfgebiet hindurch besser gangbar gemacht und die Region zudem über die Entwässerungskanäle für den Treidelverkehr wohl besser schiffbar gemacht hätte.575 Erst unter Claudius konnte dem dringenden Bedürfnis nach einem größeren, sicheren Handelshafen für Rom Abhilfe geschaffen werden.576 Etwa 3 km nördlich von Ostia wurde ein neues künstliches Hafenbecken angelegt. Nach dessen Inbetriebnahme kam es während der Regierungszeit Neros 62 n. Chr. bei einem Seesturm zu großen Schäden an 200 dort ankernden Schiffen.577 Die Wahl des Ortes nördlich der Tibermündung stellte sich als ungünstig heraus, weil das Hafenbecken dort bedingt durch die Meeresströmung sehr schnell verlandete,578 denn im Gegensatz zum früheren Flusshafen in Ostia am linken Tiberufer war der neue Hafen ein Hochseehafen und stand unter viel stärkerem marinen Einfluss.579 So wurde unter Trajan schließlich ein weiteres Hafenbecken errichtet, das unmittelbar an den Claudiushafen anschloss, aber besser vor direktem Tideneinfluss und Sturm geschützt war.580 Mehrere Kanäle durchzogen inzwischen den Hafenbereich sowie den Küstenstreifen zwischen der Siedlung (Ostia) und dem neuen Hafengelände (Portus). Beide waren mit einem Kanal und

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Dagegen Le Gall 1953: 113–116, der als mögliche Konsequenz der geplanten Tiberumleitung sogar eine erhöhte Vulnerabilität des Marsfeldes gegenüber Hochwasser nicht ausschließt. Ob dies tatsächlich der Fall gewesen wäre und ob die römischen Ingenieure diese Konsequenz vorauszuberechnen in der Lage waren, bleibt dahingestellt. Recht behält Le Gall in dem Punkt, dass im Brief Ciceros gar keine Flutschutzfunktion erwähnt wird; vgl. Sonnabend 1999: 240 f. Zu den Projektplänen s. auch Favro 1996: 73–76; Aldrete 2007: 181–185; Leveau 2008: 142. Sonnabend 1999: 241. Aus der Zeit des Theoderich ist eine recht ausführliche Inschrift zu Drainagearbeiten zwischen Tripontium und Terracina bekannt, die das Ziel hatten, die Via Appia vor den wiederkehrenden Überschwemmungen der Sümpfe zu schützen. In der Spätantike waren insbesondere nach den zahlreichen kriegerischen Einfällen die regelmäßigen Wartungsarbeiten für längere Zeit zum erliegen gekommen. Außerdem waren Teile der Infrastruktur verfallen, sodass das trockengelegte Gebiet zunehmend wiedervernässte, was den Straßenbelag angriff; CIL X 6850 = ILS 827 und CIL X 6851 = ILS 827. Eine Wiedervernässung aus denselben Gründen ist für das Becken von Reate und den teilweise entwässerten Veliner See ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. zu beobachten; dazu s. Alvino/Leggio 1997: 98; Marinelli 2010: 23; 49 f. Zum Treidelverkehr auf den Entwässerungskanälen in der Sumpfgegend s. Hor. sat. 1,5,11–23; Strab. 5,3,6 C 233; Höckmann 1997: Sp. 680. Sedimentuntersuchungen zeigen, dass der ostiensische Mündungshafen am Tiberufer bereits im frühen 1. Jh. n. Chr. nahezu vollständig mit fluvialen Ablagerungen zugesetzt war (Salomon et al. 2016b: 15), sodass die Schaffung einer Alternative, die schließlich unter Claudius realisiert wurde, zu jenem Zeitpunkt dringend notwendig geworden war. Tac. ann. 15,18,2. Es ist also davon auszugehen, dass der Hafen zu dem Zeitpunkt schon in Betrieb war, obwohl erst zwei Jahre später eine Abbildung des Hafenbeckens auf neronischen Bronzemünzen belegt ist; s. Fellmeth 2001: 166; Horster 2001: 296 f., Fn. 84. Fellmeth 2001: 166; Meiggs 1973: 50. Wawrzinek 2014: 330; Bolder-Boos 2014: 43; Salomon et al. 2016b: 7. Zu Ausbau und Bedeutung des trajanischen Hafens in Ostia v. a. Knell 2010: 123–134.

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einer Straße miteinander verbunden, und da das neue Hafengebiet nicht wie Ostia direkt am Tiberufer lag, war Portus zudem über zwei weitere Kanäle an den Fluss angebunden.581 Sedimentbohrungen, die in jüngerer Zeit dort durchgeführt wurden, haben immer detailliertere Informationen über Ausdehnung und Aussehen des antiken Hafenkanalnetztes zu Tage gefördert (Abb. 13).582 Auf alle Fälle lassen die Sedimentbohrkerne erkennen, dass die Kanäle starken Tiberfluten ausgesetzt waren, die Anlass zu neuerlichen Ausbaggerungsarbeiten gaben.583 Neure Untersuchungen stützen zudem die These, dass die Kanäle durch zusätzliche Fluttore verschließbar waren, womit der Wasserfluss besser kontrolliert werden konnte.584 Daneben wurden auch andere Mündungsgebiete für die Verknüpfung von Binnentransport und Überseetransport umgestaltet. So war etwa der Unterlauf des Po von einem Kanalsystem durchzogen, das noch während der frühen Kaiserzeit ausgebaut wurde, obgleich andererseits aus der Quellenlage zur Schifffahrt auf dem Po klar wird, dass sie unter römischer Herrschaft kaum noch überregionale wirtschaftliche Bedeutung besaß.585 Plinius berichtet von mehreren fossae, die mehrheitlich nach Kaisern des 1. Jh. n. Chr. benannt sind.586 Er verweist dabei auf Vorgängerbauten der Etrusker, auf die möglicherweise auch Vergil anspielt.587 Zwar sollte das Kanalnetz hauptsächlich zur Schifffahrt dienen,588 doch war das Pogebiet auch die wasserreichste Gegend Italiens, die im Frühsommer aufgrund der Schneeschmelze immer wieder von Flussüberschwemmungen heimgesucht wurde und vermutlich auch deshalb hydraulisch verändert wurde.589 Durch die befestigten Ufer wurden erosive Prozesse wohl verringert,

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Salomon et al. 2016b: 5. Dadurch waren die Hafenbecken sowohl marinen als auch fluvialen Einflüssen ausgesetzt; ebd.: 11. Zum Verbindungskanal zwischen Ostia und Portus s. Salomon et al. 2016a; Salomon et al. 2016b. Der Trajanshafen wird kaum in den antiken Quellen thematisiert, doch ist er geoarchäologisch inzwischen gut erschlossen, insbesondere das Kanalnetz; dazu s. Salomon et al. 2014a: 31; Salomon et al. 2016a; Salomon et al. 2016b; Keay 2012. Weitere Forschungen dauern noch an. Salomon et al. 2014a: 31. Gezielte Untersuchungen dazu sind kürzlich angelaufen und lassen detailliertere Erkenntnisse erst in den kommenden Jahren erwarten; Lisé-Pronovost et al. 2019: 91. Dazu Harris 2011b. Plin. nat. 3,117–122; Strab. 5,1,5 C 212. Verg. georg. 2,155–157: Adde tot egregias urbes operumque laborem, / tot congesta manu praeruptis oppida saxis / fluminaque antiquos subter labentia muros. – „Dazu die vielen bedeutenden Städte [im Pogebiet] und die Arbeitsleistung der Anlagen, die vielen von Menschenhand errichteten Festungen auf steilem Felsgrat, und die Flüsse, die durch uralte Mauern geleitet sind.“ Übersetzung: Manfred Erren (Erren 1985). Campbell 2012: 221 f. Der Kanal des Augustus vom Po nach Ravenna hatte wohl hauptsächlich als Versorgungskanal des Flottenstützpunkts Ravenna eine Bedeutung; Harris 2011b: 194. Zu den heftigen Hochwassern: Agennius Urbicus, C 40,4–6 = L 83,2–5 = T 43,4–8; Commentum, C 66,11–13 = L 17,22–25 = T 64,25–27; Strab. 5,1,5 C 212; Plin. nat. 3,117; Lucan. 6,272–278; Verg. georg. 1,100–117; 4,372–373; dazu Harris 2011b: 196; Calzolari 1988: 16 mit Fn. 8 (mit Verweis auf künstliche Regulierungen des Wasserflusses im Pogebiet) und Fn. 9 (für literarische Quellen zu den Hochwassern des Po).

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Abb. 13 Übersicht über die Hafenkanäle zwischen Ostia und Portus (© Ferréol Salomon, vgl. Salomon et al. 2020: 124, Abb. 5.1)

aber kaum verhindert. Dass die Ufer des Po insbesondere in seinem Schwemmfächer am Unterlauf eher spärlich besiedelt waren und Siedlungen sich in sicherer Entfernung auf erhöhtem Grund befanden, spricht wohl für sich.590 Die geringe Bedeutung dieses Flusssystems für den Handel könnte also durchaus mit den natürlichen Gegebenheiten wie den heftigen Hochwassern und den ausgeprägten Erosionsprozessen zusammenhängen.591

590 Zum Zenturiations- und Siedlungsmuster am Po s. Matteazzi 2012; Calzolari 1988: 17 f.; Harris 2011b: 193 f. 591 Harris 2011b: 195.

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An den Mündungen von Rhône und Rhein sind ebenfalls Kanalisierungsarbeiten zur Verbesserung der Schiffbarkeit bezeugt. Für den Rhein formuliert Tacitus, dass Dammbauten entlang des Flusses zu dessen „Bezwingung“ angelegt worden seien, was sich auch auf seine Hochwasser beziehen lässt – ihre Kontrolle würde die Schiffbarkeit erleichtern.592 Ein Panegyrikos des Atheners Himerios aus der Mitte des 4. nachchristlichen Jahrhunderts enthält zwar sehr poetische, aber doch gut verständliche Andeutungen, die weitläufige Meliorations- und Hafenwartungsarbeiten im Gebiet des zunehmend verlandenden Mäander-Deltas nahelegen. Genauer gesagt, handelt es sich dabei um die Urbarmachung und die vermutlich auch mit Drainage verbundene Gangbarmachung des neuen Schwemmlandes durch den Prokonsul von Achaia, Skylakios. Er hatte im Jahr 343 das Amt des vicarius Asiae inne.593 Von Himerios sind dazu folgende Informationen überliefert: ὁ γὰρ ποταμός, ὅσον πλήθει τοῦ Νείλου λείπεται, | τοσοῦτον φύσει περίεστι · τοῦ μὲν γὰρ μῦθος ἡ γῆ,] ἣν Αἰγυπτίοις χαρίζεται · ὁ δὲ πλωτῆρας ἀποσυλήσας τὴν θάλασσαν | γηπόνοις σχίζειν ἔδωκεν ἀρότροις ἀντὶ κυμάτων τοὺς αὔλα]κας. ἴδοις ἂν πεδίον μὲν τὴν πρόσθεν θάλασσαν, σκιρτῶντα δὲ ἀντὶ μὲν | δελφίνων νεβρόν, ἀντὶ δὲ ναύτου κελεύοντος νομέως ἠ] χούσης ἀκούσῃ σύριγγος. ἡ γὰρ φύσις τοῦ τόπου τοιάδε τις · κόλπος ἀνίσχων | … 30 …]ης σχίζει τὴν νῆσον ἀπὸ τῆς πόλεως · ὁ δὲ Μαίανδρος οὗτος εἰς τοῦτον τὸν | … 27 … αὔλα]κας, τὴν ἤπειρον κόλπον εἰργάσατο. ἰδὼν δὲ οὗτος ἀδικουμένην τὴν φύσιν | … 29 … ἴ]σα τῷ μεγέθει καὶ θαλάττῃ – καὶ γὰρ κόλποις ἤνθει καὶ ναυτιλίαν παρεί|χετο … 26 … δ]ὴ τὴν λίμνην ταύτην αὐχμῶσαν ὕδατι χρόνῳ, διώρυχι κατὰ τὸ πεδίον | … 30 …] ἐπιχωρίοις ἔδωκε λίμνην, ποταμὸν τὴν θάλασσαν. Denn der Fluß ist soweit dem Nil an natürlicher Beschaffenheit überlegen, wie er an Größe unterlegen ist. Der Mythos des Nils ist das Land, das er den Ägyptern schenkt, der Maiandros aber nimmt den Seeleuten das Meer und gab das an Stelle der Meereswogen Ackerland den Bauern zum Pflügen. Man kann nun das, was vorher Meer war, als Feld ansehen. An Stelle der Delphine kann man ein Hirschkalb herumspringen sehen, an Stelle der Befehle des Seemannes kann man die laut tönende Syrinx eines Hirten hören. Dieses Gebiet zeigt etwa folgendes Aussehen: Ein Golf, der beginnt trennt diese Insel von der Stadt. Der Maiandros aber, der sich in diesen {Meerbusen ergoß und über} die Felder {floß}, machte das Festland zum Meerbusen. Als aber sah, daß die Natur verletzt wurde an Natur und Größe gleich dem Meer waren – denn sie waren voller Buchten und ließen Schifffahrt zu … diesen See, der mit der Zeit durch

592 Tac. ann. 13,53 (Rhein); zur fossa Mariana: Strab. 4,1,8 C 183; Plin. nat. 3,34; Plut. Mar. 15 (Rhône). 593 Herrmann 1994: 212. Überlegungen zur Identität des Skylakios finden sich bei Robert 1969: 346.

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das Wasser anschwoll, durch einen Kanal in dem Feld … gab er den Einheimischen einen See, machte er aus dem Meer einen Fluß.594

Himerios gibt hier Auskunft darüber, dass durch Skylakios’ Einsatz Schwemmland für den Ackerbau hinzugewonnen worden war. Da in der Rede außerdem erwähnt wird, dass Skylakios „der Stadt ihre Häfen wiedergegeben“ habe,595 ist von Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen unter seiner Leitung in den zahlreichen Hafenanlagen der Stadt auszugehen.596 Die Mäanderschifffahrt war, zusammen mit der Anbindung an den Latmischen Golf und somit ans Mittelmeer, eine wesentliche Voraussetzung für die Prosperität der großen Poleis am Mäander. Den ständigen Verlandungsprozessen in den Hafenanlagen konnte nur unter Einsatz großer Mühen in regelmäßigen Abständen Einhalt geboten werden. Dass selbst dies, jedenfalls über einen mehrere Jahrhunderte langen Zeitraum betrachtet, den Deltavorbau nicht aufhalten konnte, zeigt etwa das Beispiel der einstigen Hafenstadt Myous. Myous war auf lange Sicht schließlich vom weiter westlich gelegenen Milet in seiner Funktion als Hafenstadt abgelöst worden.597 Doch auch die Häfen der Stadt Milet waren anhaltenden Verlandungsprozessen ausgesetzt, sodass die Nachricht des Himerios über Instandhaltungsarbeiten an den Häfen von Milet im 4. Jahrhundert unter Skylakios letztlich wenig verwundern. Mehrere Phasen antiker Instandhaltungsarbeiten in den Hafenbereichen von Milet lassen sich (geo-) archäologisch gut nachweisen.598 Ein weiteres Regulierungs- und Kanalisierungsprojekt aus der römischen Kaiserzeit stellte die Umleitung des Flusses Kaystros im Hafengebiet von Ephesos, ebenfalls in Kleinasien, dar. Ähnlich wie der Mäander führte der Kaystros hohe Sedimentfrachten mit sich und sorgte dadurch für eine starke Erosion und Verlandung der Hafenbecken.599 Schon in hellenistischer Zeit hatten deshalb unter Attalos II. im 2. Jahrhundert v. Chr. Ingenieure Maßnahmen angestrengt, die Hafenbecken von Anschwemmungen zu befreien und vor Verlandung zu schützen. Zur Zeit von Neros Herrschaft ließ der damalige Statthalter Asiens den Hafenbereich erneut ausbaggern.600 Unter Hadrian wurde der Flusslauf im Mündungsbereich endlich in eine andere Richtung abgelenkt, so-

594 Him. or. 25, 73–87. Text nach Colonna 1951. Übersetzung: Harald Völker (Völker 2003). Zu den Drainagearbeiten s. Thonemann 2011: 318–320; Herrmann 1994: 212; Brückner et al. 2014a: 796; Penella 2007: 207 f. 595 Nach der Übersetzung von Robert 1969: 348. 596 Tuttahs 2007: 417. 597 Paus. 7,2,11; dazu bereits ausführlich weiter oben in Kapitel III.1.3. Für eine ausführliche Beschreibung des Verlandungsprozesses im Latmischen Golf von ca. 1500 v. Chr. bis zum Beginn der 2000er Jahre auf der Grundlage geowissenschaftlicher Studien s. Müllenhoff 2005: 187–215. 598 Brückner et al. 2014a; Brückner et al. 2014b. 599 Seeliger et al. 2012. 600 Strab. 14,1,24 C 641; Tac. ann. 16,23,1; Lehmann-Hartleben 1963: 123 f.

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Abb. 14 Veränderungen der Küstenlinie im Kaystros-Delta (Brückner 2020: Tafel 4, Abb. 2)

dass sich in den Hafenbecken weniger schnell Anschwemmungen bildeten (Abb. 14). Eine Ehreninschrift der Epheser an Hadrian drückt den Dank der Gemeinde gegenüber dem Kaiser für seine Unterstützung bei dem Bauunternehmen aus.601 Vermutlich feiert auch eine hadrianische Münzemission, die erstmals den Kaystros zeigt, dieses Unternehmen.602 Laut einem kaiserlichen Erlass war es zudem strikt verboten, Schutt 601 IvEphesos II 274 (Syll3 839). 602 Falter 1999: 150. Dagegen wurde der kleinere ephesische Fluss Marnas bereits unter Kaiser Claudius auf Münzen dargestellt, was wohl mit der Errichtung des Nymphäums unter dem genannten Prinzeps in Verbindung steht. Die Beweggründe hinter der hadrianischen Flussdarstellung, die Reinhard Falter als entweder „beschwörend“, „sühnend“ oder „dankend“ identifiziert (ebd.: 154), müssen wohl nicht zwingend als Alternativen verstanden und entsprechend beantwortet werden.

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und ähnlichen Abraum im Hafenbecken zu verklappen, um die Beckentiefe dadurch nicht zu mindern.603 Der ephesische Hafen diente nicht zuletzt bei militärischen Expeditionen in den Osten als wichtige Zwischenstation, was noch Jahrzehnte nach Hadrians Herrschaft in einer Vielzahl von Inschriften zum Ausdruck kommt.604 c. Wasserbauten von Antiocheia in Syrien Ein interessanter Wasserbaukomplex in der Orontesgegend, der explizit auf den Schutz städtischer Flächen vor torrentiellen Winterhochwassern abzielte, war die Anlage einer Talsperre in Antiocheia im Silpios-Gebirge zwischen den beiden Bergen Orokassias und Staurin,605 in der archäologischen Forschung bekannt unter dem Namen ‚Eisernes Tor‘ oder ‚Eisentor‘ (Bab al-Hadid, Demir Kapı).606 Sie geht allerdings erst auf eine Initiative Justinians im 6. Jahrhundert zurück.607 Aus den Bergen, die die Stadt um bis zu 400 m überragten, floss der periodische Wildbach Parmenios.608 Dieser führte zwar nur im Frühjahr und im Winter Wasser,609 doch verursachte das Flutwasser wegen des starken Gefälles regelmäßig Schäden am Ende der Schlucht, an welchem Kaiser Valens im 4. Jahrhundert ein Forum hatte anlegen lassen. Das Forum sowie die Hauptstraße wurden über Tonnengewölbe geführt, durch die die winterlichen Wassermassen aus dem Gebirge direkt in den Orontes abfließen konnten, ohne die bebauten Flächen zu gefährden.610 Unter Justinian wurde zum Schutz des Forums zusätzlich eine Staumauer 603 604 605 606

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IvEphesos I 23 = Freis 1984: 178, Nr. 100. So etwa AE 1956, 10 = AE 1968, 488 = SEG XVII 506; AE 1967, 480; AE 1913, 143. Für die geographischen Namen vgl. Prok. aed. 2,10,16. Neueste Erkenntnisse aus ingenieurswissenschaftlichen Untersuchungen wurden jüngst ausführlich von Mathias Döring veröffentlicht (Döring 2020: 185–223, v. a. 210–219); ältere Rekonstruktionen beruhen auf den archäologischen Forschungen des Deutschen Archäologischen Instituts im antiken Zentrum Antiocheias; dazu s. Held 2002. Döring 2020: 194 f. und 201; Döring 2011; Döring 2015: 8–12; Schneider 2003: 6. Zum Wildbach Parmenios, der als einziger Wildbach die Stadt direkt durchfloss, s. Downey 1961: 653–656. Das Einzugsgebiet, aus dem sich der Parmenios speiste, misst nahezu 9 km2, sodass bei winterlichen Regenfällen tatsächlich eine enorm große Menge schnell fließenden Wassers in der Schlucht zusammenkommt; Brands 2009: 10. So bezeichnet Malalas ihn als „im Winter fließenden Strom“ (χείμαρρος ποταμός); Ioh. Mal. 10,9; 13,30. Ioh. Mal. 13,30. Ob die Ursprünge jener Durchlässe spätantik sind, oder sie bereits in hellenistischer Zeit angelegt wurden, jedoch erst unter Valens eine Erweiterung nach Osten erfuhren und somit einen direkten Anschluss an die Parmeniosschlucht erhielten, ist aufgrund der ungenügenden archäologischen Datenlage noch nicht vollständig geklärt; dazu s. Brands 2009: 10 mit weiterführender Literatur in Fn. 6; s. auch Downey 1961: 405. Brands 2009: 15 selbst hält es nach eingehendem Studium der neueren archäologischen Untersuchungen für wahrscheinlich, dass die von Prokop als allein Justinian zugeschriebenen Wasserdurchlässe unter dem Forum älteren Datums sind und Justinian lediglich die Instandsetzung der ursprünglichen Kanaltrasse veranlasste; vgl. Downey 1961: 551. Zur Entsorgung des überschüssigen Flutwassers der periodischen Wildbäche aus dem Silpios s. auch Döring 2020: 174.

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angelegt, die sich die Anwesenheit einer römischen Aquäduktbrücke zunutze machte. Die Aquäduktbrücke verlief quer über den Taleinschnitt des Parmenios und stammte aus dem früheren 2. Jahrhundert (Abb. 15). Zu einem späteren Zeitpunkt war die Aquäduktbrücke verbreitert worden, um die Stadtmauer darüber zu führen. Weil im 6. Jahrhundert wegen einer Serie verheerender Katastrophen (Erdbeben, Stadtbrände und feindliche Angriffe) die Einwohnerzahl sukzessive zurückging, wurde der Stadtmauerring unter Justinian verkleinert.611 Doch auch die neue Stadtmauer sollte wieder über das Trockental des Parmenios führen. Allerdings wurde der Brückenbogen wenig später bis auf einen Grundablass und ein Überlauftor mit opus caementicium verfüllt und mit einer Fassade aus Quadermauerwerk versehen. Die wasserseitige Fassade lässt vermuten, dass der Umbau zur Talsperre nicht von Anfang an geplant war.612 Mit dem Umbau wurde das Tal vollständig abgeriegelt und zum Hochwasserrückhalt genutzt. Prokop, der das Bauwerk mit eigenen Augen gesehen hat, beschreibt es in seinem Werk „Über die Bauwerke“ eingehend: Ὅσα δὲ καὶ ἀμφὶ τῷ χειμάρρῳ πεποίηται, ὃς ἐκ τούτων δὴ τῶν ὀρέων κάτεισιν, εἰπεῖν ἄξιον. ὄρη μὲν ἀπότομα δύο τῇ πόλει ἐπῆρται, ἀλλήλοιν ξυνιόντα ὡς ἀγχοτάτω. τούτων θάτερον μὲν Ὀροκασσιάδα καλοῦσι, τὸ δὲ δὴ ἕτερον Σταυρὶν κέκληται. ἀπολήγοντα δέ πη αὐτὰ νάπη τις ζεύγνυσι καὶ χαράδρα μεταξὺ οὖσα, χειμάρρουν ἀποτελοῦσα, ἐπειδὰν ὕοι, Ὀνοπνίκτην ὄνομα, ὃς δὴ ἐξ ὑπερδεξίων κατιὼν ὕπερθέν τε τοῦ περιβόλου φερόμενος ἐπὶ μέγα τε, ἂν οὕτω τύχῃ, ἐξανιστάμενος, διεσκεδάννυτο μὲν ἐς τοὺς τῆς πόλεως στενωπούς, ἀνήκεστα δὲ κακὰ τοὺς ταύτῃ ᾠκημένους εἰργάζετο. ἀλλὰ καὶ τούτου τὴν ἄκεσιν Ἰουστινιανὸς βασιλεὺς εὕρατο τρόπῳ τοιῷδε. πρὸ τοῦ περιβόλου ὅνπερ ἄγχιστα τῆς χαράδρας ξυμβαίνει εἶναι, ἐξ ἧς ὁ χειμάρρους ἐπὶ τὸ τείχισμα ἵετο, τοῖχον ἐδείματο ὑπερμεγέθη, ἐκ κοίλης χαράδρας διήκοντα ἐς ἑκάτερον τοῖν ὀροῖν μάλιστα, ὡς μηκέτι περαιτέρω ἰέναι κυματοῦντι τῷ ποταμῷ δυνατὰ εἴη, ἀλλ’ ἐπὶ μακρότερον ξυνιστάμενος ἐνταῦθα λιμνάζοι. ἐν δὲ τῷ τοίχῳ θυρίδας ποιησάμενος ἐνθένδε ἀπορρέοντα ὑπολήγειν κατὰ βραχὺ ἀνάγκῃ χειροποιήτῳ τὸν χειμάρρουν διεσκευάσατο, οὐκέτι λάβρως τῷ παντὶ ῥεύματι τῷ περιβόλῳ προσβάλλοντα, καὶ διὰ τοῦτο ὑπερβλύζοντά τε καὶ τὴν πόλιν κατεργαζόμενον, ἀλλὰ πρᾴως τε καὶ προσηνῶς ὑπορρέοντα, ᾗπέρ μοι εἴρηται, ταύτῃ τε τῇ ἐκροῇ διὰ τῆς ὀχεταγωγίας ἰόντα ὅποι ἂν αὐτὸν βουλομένοις ᾖ περιάγειν οὕτω μέτριον γεγενημένον τοῖς πάλαι ἀνθρώποις. Ebenso verdienen seine [d. h. Justinians] Bauten am Wildbach, der von diesen Bergen herunterkommt, besondere Erwähnung. Zwei schroffe Berge, ganz dicht nebeneinander gelagert, türmen sich über der Stadt. Von ihnen heißt der eine Orokaesiae, der andere Staurin.

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Prok. aed. 2,10,4; Döring 2020: 194; Döring 2011: 68; Döring 2015: 10; Brands 2009: 12. Döring 2020: 195. Den Namen „Eisernes Tor“ erhielt die Sperre vermutlich von einer rechts neben dem Aquäduktbogen befindlichen Pforte für Fußgänger, die noch bis nach 1939 vorhanden war. Das Stadttor selbst war zu einem unbekannten (wohl nachantiken) Zeitpunkt zugemauert worden.

Abb. 15 Hauptabmessungen des Eisernen Tores von Antiocheia, wasserseitig (© Mathias Döring, vgl. Döring 2020: 188, Abb. 17.3–1)

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Ihre Flanken verbindet ein Tal und eine Schlucht dazwischen, die in Regenzeiten zu einem Wildbach wird. Er heißt Onopniktes [d. h. Parmenios]. Von den Höhen herabschießend und gelegentlich bei mächtigem Anstieg sogar die Mauer überflutend, verteilte er sich in die Winkel der Stadt und fügte den Einwohnern dort schlimme Schäden zu. Indessen auch dagegen fand Kaiser Justinian Abhilfe und zwar auf folgende Art: Vor dem Teil der Ringmauer, welcher der Schlucht zunächst liegt, aus der heraus der Wildbach gegen die Befestigung anstürmte, baute er eine weitere sehr hohe Mauer. Diese läuft von der Sohle der Schlucht aus rechts und links bis unmittelbar zu den beiden Bergen, damit der überschäumende Gießbach in seinem Lauf gehemmt, über eine längere Strecke hin sich sammeln und einen Stausee bilden muss. Die Sperrmauer aber versah Justinian mit Durchlässen und erreichte so, dass von Menschenhand geregelt, allmählich der Wildbach abströmt und sich verliert, ohne mehr mit aller Wucht reißend gegen die Stadtmauer zu prallen, sich dabei aufzustauen und den Ort zu zerstören. Sanft und ruhig, wie schon gesagt, fließt er jetzt ab und geht über diesen Auslass durch den Kanal, wohin den so gezähmten Wildbach schon die Vorfahren hätten leiten wollen.613

Eine der Besonderheiten des Baus ist ihre leichte Krümmung auf der Wasserseite. Durch sie konnte der Wasserdruck besser zu den Seiten hin abgelenkt werden. Die gewölbte Form hatte den Vorteil, dass sie der Struktur zusätzliche Stabilität verlieh und dadurch viel Baumaterial eingespart werden konnte.614 Die Bauweise nähert sich durch die Krümmung bereits an die Bogenstaumauer im heutigen Talsperrenbau an, die Konstruktion stellt insgesamt betrachtet eine Mischform aus Gewichtsmauer und Bogenstaumauer dar.615 Da die Staumauer bis in die jüngere Vergangenheit als Steinbruch genutzt wurde, ist ihre Grundkonstruktion zwar noch immer gut sichtbar, doch nicht mehr als Gesamtbauwerk in jeder Einzelheit komplett zu erfassen.616 Neben den erwähnten Maßnahmen ließ Justinian zudem den Flusslauf des Orontes verändern, um ihn in einem künstlichen Kanal direkt an der Stadtmauer entlangzuführen. Dadurch wurde dem Fluss an der Stelle weniger Platz zum Ausufern gewährt und der Wassergraben war zugleich als militärische Verteidigungsanlage nutzbar.617 Als Kaiser Tiberius im ersten nachchristlichen Jahrhundert der Stadt Antiocheia im Rahmen eines offiziellen Zeremoniells einen Talisman überreichte, der die Einwohner vor Flutschäden schützen sollte (der sogenannte Talisman des Ablakkon), war dies wohl insbesondere gegen die Sturzfluten des Parmenios sowie der kleineren torrentiellen Wasserläufe gerichtet und weniger gegen die Hochwasser des Orontes 613

Prok. aed. 2,10,15–18. Übersetzung: Otto Veh (Veh/Pühlhorn 1977). Zur Identifizierung des Wildbaches Onopniktes als Parmenios s. Downey 1961: 655 f. 614 Döring 2011: 68. 615 Döring 2011: 69; Döring 2015: 11. Dahingegen spricht Brands 2009: 13 noch uneingeschränkt von einer Bogenstaumauer. 616 Döring 2015: 12. 617 Prok. aed. 2,10,6–7.

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selbst.618 Hinter dem Namen des Sehers und Priesters Ablakkon, der sonst nicht bekannt ist, verbirgt sich möglicherweise eine Verfälschung des Substantivs αὖλαξ (Furche), das auf Kanalisierungsarbeiten hindeuten könnte,619 wobei für Tiberius lediglich vom Bau einer Mauer berichtet wird, die durch Theodosius I. weitergeführt worden sein soll bis zu einem der Gebirgsbäche.620 Mehrere Kanalbauten höchst unterschiedlichen Charakters sind inschriftlich jedoch erst für das spätere 1. Jahrhundert bezeugt, sodass nicht zu klären ist, ob die vermuteten Kanalbauten sich auf römische oder vorrömische Arbeiten beziehen.621 Jedenfalls erinnerte unweit der Provinzhauptstadt Antiocheia ein Meilenstein an Kanalbauten, die unter Aufsicht des Legaten M. Ulpius Traianus, des Vaters des späteren Kaisers Trajan, durchgeführt wurden.622 Der Stein datiert in das Jahr 75 n. Chr. Ursprünglich war der Meilenstein an der ersten Meilenmarke angebracht, stand also eine römische Meile von der Stadt entfernt und somit direkt am Zusammenfluss des Orontes mit einem anderen Wasserlauf, der das Wasser aus dem ausgedehnten Sumpfgebiet im Hinterland von Antiocheia führte.623 Die Stelle des Zusammenflusses wird in der Inschrift als Dipotamia bezeichnet.624 Ein dort befindlicher Wasserlauf, wohl der vereinigte Fluss, wurde laut Inschrift auf einer Strecke von drei Meilen umgeleitet oder anderweitig umgestaltet und mit Brücken versehen.625 Interessant ist außerdem der Zeitpunkt, zu dem die Arbeiten realisiert wurden. Er fiel nachweislich auf das zweite Trimester des Jahres 75 n. Chr., also zwi-

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Ioh. Mal. 10,9; dazu s. Downey 1961: 654; Brands 2009: 9; Deeg 2019: 58; zu den anderen Wasserläufen s. auch Downey 1961: 653 mit dem Hinweis, dass Malalas die anderen Bäche im Gegensatz zum Parmenios eher als torrentiell (ῥύακες), nicht jedoch als Wintergewässer charakterisiert. Downey 1961: 181 mit den Fn. 85 und 86; Deeg 2019: 58. Ioh. Mal. 13,39; zur Identifikation des Gebirgsbaches s. Downey 1961: 654 f. Deeg 2019: 58 ohne Verweis auf die epigraphisch bezeugten Kanalarbeiten. AE 1983, 927. M. Ulpius Traianus war von 73/74 n. Chr. bis 78/79 n. Chr. Statthalter der Provinz Syria. Berchem 1983: 193 f.; Berchem 1985: 66 f. Der Name Dipotamia wird als topographische Bezeichnung verstanden, die sich auf eine Flusslandschaft mit zwei Flüssen bezieht, und demnach die Stelle eines Zusammenflusses bezeichnet, so Berchem 1983: 193. AE 1983, 927. Die Inschrift lautet: Imp(erator) / Vespasianus Caesar / Augustus pontif(ex) max(imus) / trib(unicia) pot(estate) VI imp(erator) XII p(ater) p(atriae) co(n)s(ul) VI / desig(natus) VII censor / Imp(erator) Titus Caesar Augusti f(ilius) / pontif(ex) max(imus) trib(unicia) pot(estate) IV / [co(n)s(ul) II]II desig(natus) V censor / [[Domitianus]] Caesar / Augusti f(ilius) co(n)s(ul) III / M(arco) Ulpio Traiano leg(ato) / Aug(usti) pro pr(aetore) Dipotamia / fluminis ductum mil{l} ia / passus tria cum pontibus / [pe]r milites legionum IIII / [III Gal]l(icae) IV Scyt(hicae) VI Ferr(atae) XVI Fla[v(iae)] / [ite]m cohortium XX / [et al]ae Antiochensium / d[eriv]averunt / MP I. Die beteiligten Legionen und Kohorten sind nicht eindeutig zu identifizieren. Zudem könnte das abschließende Prädikat am Textende gemäß Berchem 1983: 187 zwar d[eriv]averunt gelautet haben, doch wäre grundsätzlich auch facien]d[a cur]averunt denkbar. Am Informationsgehalt bezüglich der Regulierungsarbeiten am Zusammenfluss ändert dies jedoch insofern nichts, als beide Lesarten eindeutig auf Baumaßnahmen an einem 3000 Doppelschritte langen Flussabschnitt (ca. 4,5 km) sowie auf zugehörige Brückenbauten Bezug nehmen.

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schen Mai und August.626 Dieser Zeitraum fällt in der Gegend mit der Periode des geringsten Pegelstandes zusammen, sodass die Bauarbeiten bei geringer Strömung stattfinden konnten und zudem auch weiter in der Flussmitte gelegene Stellen gut zu erreichen waren. Durchgeführt wurden die Arbeiten in dem Bereich ausschließlich durch Arbeitskräfte aus den Legionen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es sich um ein provinziales Projekt militärischen Charakters handelte.627 So vermutet Berchem in den Dipotamia-Kanalarbeiten wegen ihres Entstehungszeitraums eine Verbindung zu den Auseinandersetzungen mit den Parthern zur Zeit der flavischen Kaiser. Zusammen mit der Instandsetzung des verlandeten Hafens von Seleukeia Pieria glaubt er eine militärisch-logistisch motivierte Gesamtkonzeption hinter den einzelnen Bauprojekten zu erkennen. Insbesondere die Schiffbarkeit des Orontes sollte dabei wohl verbessert werden, doch dienten die Maßnahmen in beiden Fällen auch dem Hochwasserschutz.628 Ob für die Instandhaltung ebenfalls ausschließlich die Flottensoldaten zuständig waren oder auch die Provinzialbevölkerung damit beauftragt wurde, ist nicht eindeutig zu klären. Eine Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten ähnlich wie bei der Via Nova in Nordafrika wäre zwar denkbar,629 aber mindestens die komplizierten und teuren Brückenbauten werden auf jeden Fall unter Anleitung von spezialisiertem Personal aus der Provinzverwaltung und den Legionen gewartet worden sein. Berchem sieht gemäß seiner These freilich die alleinige Verantwortung beim Flottenpersonal, da es sich seiner Meinung nach in der Hauptsache um militärische Anlagen handelte.630 Neben den genannten Kanalisierungsarbeiten sind auch innerhalb Antiocheias selbst Kanalbauten dokumentiert, die jedoch nicht als Hochwasserschutz dienten. Zwei griechische Inschriftenstelen aus den Jahren 73/4 n. Chr. bezeugen den Bau eines als ποταμός bezeichneten Kanals – vermutlich ein Färberkanal – am Stadtrand Antiocheias.631 Auch er wurde unter der Leitung des Statthalters Trajan angelegt, obgleich es sich in dem Fall um ein städtisches Projekt handelte, für dessen Umsetzung

626 Zur Datierung s. AE 1983, 927,4;7; ausgehend von der jeweiligen tribunicia potestas des Vespasian und des Titus. 627 Bereits Feissel 1985: 85 f. macht darauf aufmerksam, dass sich der provinziale Charakter der Inschrift schon in der verwendeten Sprache äußert: Lateinische Inschriften waren im sonst griechischsprachigen Osten des Reichs meistens Inschriften öffentlichen Inhalts, der auf das Römische Reich bezogen war. 628 Für Berchems Überlegungen zur Doppelfunktion des Kanals bei Antiocheia s. Berchem 1985: 70: „[…] on distingue aussitôt la double motivation du légat de Syrie: défendre les abords de la ville et notamment les voies d’accès contre les effets de brusques cues et favoriser le trafic fluvial. “ 629 Dazu weiter unten in Kapitel III.3.1a. 630 Berchem 1985: 61–64. 631 Eine erste kurze Beschreibung mit Interpretation der sogenannten Stele A liefert Robert 1951: 255 f., Nr. III; ausführlicher und unter Einbeziehung der zweiten Inschrift auf Stele B s. Feissel 1985; außerdem Downey 1961: 207 mit Fn. 31.

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die Stadtbewohner zuständig waren. Der lokale Charakter des Projekts wird schon daran deutlich, dass die Bauinschriften in griechischer Sprache verfasst wurden.632 Der beständige Widerstreit zwischen dem Fluss Orontes mit seinen teils torrentiellen Zuflüssen und der Stadtbevölkerung von Antiocheia wurde in der repräsentativen Kunst in folgender Weise dargestellt: Eine weibliche Figur, die Tyche der Stadt Antiocheia mit Mauerkrone, thront auf einem steilen Felsen, der das Silpios-Gebirge bei Antiocheia repräsentiert. In ihrer rechten Hand hält sie ein Ährenbündel. Zu ihren Füßen schwimmt ein junger Mann ohne Bart im Wasser und macht Anstalten, auftauchen. Der junge Mann repräsentiert den Fluss Orontes. Die Tyche hält jedoch sieghaft ihren rechten Fuß auf ihn, um ihn am Auftauchen zu hindern.633 Das Motiv stammt bereits aus der hellenistischen Gründungszeit der Stadt.634 In ihm manifestiert sich die ständige Auseinandersetzung der Stadt mit dem wilden Fluss. Die bildlich dargestellte Dominanz über ihn begründete zugleich auch die Vormachtstellung und den Wohlstand der Provinzhautstadt. Nach einem verheerenden Erdbeben in Antiocheia spendete Kaiser Trajan der Stadt im Zuge des Wiederaufbaus eine vergoldete Bronzestatue der Muse Kalliope für das Nymphäum im Theater, welche eben jenem Typus der über den Flussgott Orontes triumphierenden Tyche entsprochen haben soll.635 Zwar ist das Motiv der thronenden Stadtgöttin, die ihren Fuß dominierend auf dem Flussgott ruhen lässt, später im gesamten Nahen Osten weit verbreitet und findet sich dementsprechend auch auf Münzen der Nachbarstädte Antiocheias, doch ist der Entstehungsort dieses Tychetypus, Antiocheia am Orontes, unumstritten. So ist die Wahl genau dieses Motives für die Statue als Anspielung darauf zu verstehen, dass die Kontrolle der Sturzbäche und insbesondere des Hauptflusses Orontes überlebenswichtig für die Stadt war. Nicht zu vergessen ist zudem die Tatsache, dass ausgerechnet der Vater des Kaisers Trajan für die Anlage mehrerer Wasserbauten in und um die Stadt herum zuständig gewesen war, sodass der Kaiser sich sicher ganz bewusst für eine Statuenstiftung genau dieses Typs entschied. Der Schutz der Stadt Antiocheia vor Überschwemmungen wurde damit gleichsam zur trajanischen Familientradition, symbolisiert durch die Statue.

632 Feissel 1985: 85 f. 633 Christof 2001: 157; Campbell 2012: 157; Ostrowski 1991: 24 f.; zur Ikonographie von wilden Flüssen s. Kapitel II.2. 634 Downey 1961: 73–75. Die erste Statue dieses Typs war von Eutychides von Sikyon, einem Schüler des Lysipp, für die Stadt Antiocheia angefertigt worden. Die Statue wurde vermutlich zwischen 296 und 293 v. Chr. an einem öffentlichen Platz innerhalb der Stadt aufgestellt. Der genaue Standort der Originalstatue ist jedoch unbekannt. Eine ausführliche archäologisch-kunsthistorische Studie zum antiochenischen Typus der Stadttyche, welcher über Jahrhunderte hinweg kopiert, modifiziert und weit verbreitet wurde, hat Christof 2001 vorgelegt. 635 Downey 1961: 216 mit Fn. 71.

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d. Römische Dammbauten (Dara, Wadi Megenin und andere) Um noch einmal auf den römischen Bau von Staudämmen und Talsperren im Nahen Osten zurückzukommen, soll hier kurz auf die viel diskutierte justinianische Bogenstaumauer von Dara, einer Stadt an der Grenze zum Sāsānidenreich, eingegangen werden. Sie ist in der Forschungsliteratur über antiken Wasserbau deshalb so prominent, weil ihre Form von Prokop als bogenförmig geschwungen beschrieben wird.636 Diese Beschreibung wird in der Forschung häufig als Verweis auf eine frühe Bogenstaumauer interpretiert.637 Die Talsperre wurde nach einem verheerenden Flusshochwasser errichtet, bei dem Teile der Stadtmauer unterspült worden waren.638 Archäologisch sind in Dara bis heute drei Dämme römischen Ursprungs nachgewiesen, doch trifft Prokops Beschreibung auf keinen der Dämme genau zu.639 In seinen Schilderungen übertreibt Prokop zwar stark zugunsten des Kaisers, doch werden Bauweise und Verfahren einer Bogenstaumauer von ihm so korrekt beschrieben, dass er eine solche Anlage tatsächlich zu Gesicht bekommen haben muss.640 Über den Bau von Talsperren 636 Prok. aed. 2,3,19: οὐκ ἐπ’ εὐθείας δὲ τὸ ἀντιτείχισμα πεποίηται τοῦτο, ἀλλ’ ἐπὶ τὸ μηνοειδὲς τετραμμένον, ὅπως ἂν τὸ κύρτωμα πρὸς τῇ τοῦ ποταμοῦ ἐπιρροῇ κείμενον ἔτι μᾶλλον ἀντέχειν τῷ ῥείθρῳ βιαζομένῳ δυνατὸν εἴη. θυρίδας δὲ ἐς τὸ ἀντιτείχισμα ἔς τε τὰ κάτω καὶ τὰ ἄνω πεποίηται, ὥστε τῷ ποταμῷ πλημμυροῦντι ἐξαπιναίως, ἂν οὕτω τύχοι, ξυνίστασθαι μὲν ἐνταῦθα ἐπάναγκες εἴη καὶ μὴ παντὶ τῷ ῥοθίῳ περαιτέρω χωρεῖν, ἐκροὴν δὲ κατὰ τὰς ὀπὰς ἀφιέντι βραχεῖάν τινα τοῦ μὲν ὑπερβάλλοντος ὄγκου κατὰ μικρὸν ἀπολήγειν ἀεί, τῷ δὲ τείχει λελυμασμένῳ μηδέποτε εἶναι. – „Nun ist aber diese Sperrmauer nicht in gerader Richtung angelegt, sondern halbmondförmig geschwungen, damit die Krümmung, welche in der Flussströmung liegt, noch mehr dem gewaltsamen Andrang widerstehen kann. Oben und unten sind in der Sperrmauer Öffnungen angebracht. Dies alles soll dazu dienen, dass sich der Fluss bei einem etwaigen plötzlichen Anstieg hier zusammendrängen muss und nicht mit aller Macht weiterströmen kann, vielmehr durch die Schlitze etwas von der überschüssigen Wassermenge abgibt und so langsam weiter und weiter sinkt, ohne je die Mauer zu beschädigen.“ Übersetzung: Otto Veh (Veh/Pühlhorn 1977). 637 Döring 2020: 200; Kamash 2010: 24; hodge 1992: 80; Schnitter 1978: 32; Schnitter 1994: 80; Schneider 2003: 6; Cech 2011: 96 f. Zu den wenigen frühen römischen Bogenstaumauern s. Schnitter 1994: 65–69. Die meisten römischen Damm- und Talsperrenbauten waren entweder recht einfache Erd- und Steindämme oder Gewichts- und Pfeilerstaumauern; dazu einführend und für Beispiele s. insbesondere Schnitter 1994: 55–80; Schnitter 1978; Cech 2011: 94–97. 638 Prok. aed. 2,2,13–15. 639 Kamash 2010: 25; vermittelnd zwischen archäologischem Befund und der Beschreibung des Prokop allerdings Garbrecht 2004: 114–122. Da aufgrund der natürlichen Gegebenheiten des Untergrunds die wohl als Gewichtsmauer konzipierte Sperrmauer nicht geradlinig verläuft, sondern eher polygonartig, äußert er die Vermutung, dass Prokop bei der Betrachtung des Bauwerks vor Ort einer optischen Täuschung aufgesessen sein könnte (ebd.: 120). Döring 2020: 200 f. hält die polygonartige Mauerführung hingegen für beabsichtigt (obgleich wohl „ohne nennenswerte Gewölbewirkung“), da man seiner Ansicht nach in der Antike zumindest erkannt hatte, dass gekrümmte Mauern dem Wasserdruck prinzipiell viel besser standhalten können. 640 Kamash 2010: 25 f.; ähnlich Garbrecht 2004: 120, der den Bau jedoch bereits Anastasius (um 530 n. Chr.) zuschreibt. Den Befund, dass römische Talsperren zumeist einfache Gewichtsmauern aufweisen, sucht Hodge 1992: 81 damit zu erklären, dass man in römischer Zeit das Sperren von weiten Tälern bevorzugt habe, so zu beobachten etwa in Hispanien. Allerdings weist Kamash 2010: 27 zu Recht darauf hin, dass die Topographie im Vorderen Orient hingegen überwiegend

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zum Hochwasserschutz ist in den Schriftquellen bis auf die Berichte des Prokop nichts zu erfahren, zumal sich selbst Vitruv in seinen Ausführungen zum Wasserbau nicht zu Talsperren äußert.641 Die antiken Quellen beschränken sich auf epigraphische Zeugnisse und eine umso reichere, obgleich in mehreren Punkten strittige, archäologische Fundsituation. In vielen vorrömischen Kulturen, insbesondere denen des Vorderen Orients, war der Bau von Talsperren zum Zweck des Wasserrückhalts und der Wasserspeicherung weit verbreitet und ist ebenfalls durch zahlreiche archäologische Befunde belegt. Es ist nicht mehr zu klären, welche Rolle der römische Vorstoß in den ariden Osten des Mittelmeerraums für den römischen Staudamm- und Talsperrenbau spielte und inwieweit in der Hinsicht ein Technologietransfer stattgefunden hat. Ein direkter Zusammenhang wird in der Forschung deshalb angenommen, weil die ersten römischen Sperranlagen offenbar erst nach der Eingliederung weiter Teile des östlichen Mittelmeerraums aufkamen und es im italischen Mutterland keinerlei Vorbilder aus etruskischer oder griechischer Zeit gab.642 Die früheste belegte römische Talsperre ist die aus neronischer Zeit stammende Sperre von Sublaqueum, dem heutigen Subiaco, die außerdem die einzige römische Konstruktion dieser Art in Italien zu sein scheint.643 Sonst sind insbesondere aus Hispanien und Anatolien, aber auch aus Nordafrika und dem Vorderen Orient römische Talsperren bekannt.644 Die dortige gebirgige Landschaft eignete sich gut zur Anlage von Sperren und das trockene Klima machte zudem die Wasserspeicherung notwendig. Zwei der größten römischen Talsperren auf der Iberischen Halbinsel sind im Hinterland von Augusta Emerita zu finden, bekannt unter den Namen Proserpina und Cornalvo.645 Da an den konkreten Bauformen und Ausgestaltungen der Sperren und Dämme die Zweckbestimmung nicht eindeutig abzulesen ist, bleibt

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enge Schluchten aufweist. So geht sie eher davon aus, dass die Überlieferungslage den Befund verzerrt: Enge Bogenstaumauern, zumal in Wadilandschaften, seien größerem, plötzlicher auftretendem Wasserdruck ausgesetzt gewesen als weite Gewichtsmauern anderswo im Reich. Sie könnten die Zeiten aus diesem Grund nicht überdauert haben. Tölle-Kastenbein 1990: 116; Schnitter 1978: 25. Schnitter 1994: 55; Schnitter 1978: 25. Döring 2020: 198; Döring 2015: 6; Schnitter 1994: 58 f.; Schnitter 1978: 25–28. Für eine Vorstellung und Diskussion der zahlreichen Beispiele s. etwa Döring 2020: 196–203; Döring 2015; Tölle-Kastenbein 1990: 116–120; Schnitter 1978; Schnitter 1994: 55–80 (Iberische Halbinsel: 59–66, Nordafrika: 69–73, östliche Provinzen: 73–80); Kamash 2010: 23–30 (Vorderer Orient); Garbrecht 1991a. Sie werden heute noch zu Bewässerungszwecken genutzt; s. Pizzo 2010: 264–281; Àlvarez Martínez 1977. Andere bekannte hispanische Staudämme sind die von Esparragalejo und Alcantarilla neben einer Reihe weiterer Anlagen; dazu s. Schnitter 1978; Schnitter 1994: 59–68; Tölle-Kastenbein 1990: 114–121; Cech 2011; 95 f. Da die römischen Dämme der Iberischen Halbinsel in der Forschung zu antiken Talsperren besonders intensiv bearbeitet worden sind und eine Flutschutzfunktion primär wohl nicht gegeben ist, soll hier nicht näher auf sie eingegangen werden.

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allerdings in vielen Fällen fraglich, inwieweit sie, neben anderen Zwecken, zum Schutz vor Hochwassern dienten.646 Weniger zum Schutz als vielmehr zur Nutzung von Flutwasser war eine Serie von Dämmen im römischen Libyen vorgesehen. Im Wadi Megenin etwa 40 km südlich von Tripolis sind archäologische Spuren von römischen Dammkonstruktionen auszumachen, die unterschiedliche Nutzungsphasen repräsentieren.647 Mehrere parallel sowie quer zum Wadi angelegte Dämme sorgten dort für ein kontrolliertes Sammeln und Bewässern der umliegenden Felder. Eigentlich setzt sich das tiefe Megenin-Tal aus insgesamt drei größeren Wadis zusammen, die eine gebirgige Fläche von etwa 650 km2 entwässern. Zugleich ist dies eine der regenreichsten Gegenden um Tripolis mit heute durchschnittlich etwa 300 mm Regenfall, der sich auf wenige Tage oder gar Stunden im Winter konzentriert.648 Der Einschnitt des Wadis ist entsprechend tief, sodass die römischen Dämme Flutwasser und Schwemmerde sammeln und den Pegel dadurch so lange ansteigen lassen sollten, bis das Wadi überlief und das nährstoffreiche Wasser sich seinen Weg über die Felder bahnen musste.649 Auf den ersten Blick könnten die massiven, teils gemauerten und mit einem Kern aus opus caementicium versehenen Dämme zwar unverhältnismäßig wirken in Anbetracht der Tatsache, dass in der Gegend bis heute jeweils nur wenige Tage im Jahr überhaupt Wasser durch das Wadi fließt, doch stellen Claudio Vita-Finzi und Olwen Brogan mit Nachdruck heraus, dass die kurzzeitigen Überschwemmungen zugleich die einzige Möglichkeit zur Ackerbewässerung überhaupt darstellten.650 Allerdings machte der starke Wasserdruck, der – anders als bei permanent gefüllten Stauseen – nur wenige Tage im Jahr überhaupt vorhanden war und dafür aber prompt und unvermittelt auftrat, den römischen Wasserbauern sichtlich zu schaffen. Letztlich waren die soliden, wasserundurchlässigen Dammstrukturen aus römischem Beton den Naturverhältnissen im ariden Nordafrika auf Dauer nicht gewachsen. So erhob die besondere Natur Nordafrikas widersprüchliche Anforderungen an das Baumaterial, wie Brent D. Shaw deutlich macht: Zum einen musste das Material wegen der Mäanderbewegungen der Wadis flexibel und durchlässig sein, zum anderen musste es jedoch den plötzlich und mit voller Wucht auftretenden Wassermassen standhalten können.651

646 Schnitter 1978: 25. Der Großteil der römischen Staudämme und Talsperren diente wohl nicht primär dem Hochwasserschutz, sondern v. a. der Wasserversorgung und war an Aquäduktsysteme angeschlossen; Allinne 2007: 82. 647 Dazu insbesondere Vita-Finzi/Brogan 1965 mit Abbildungen des Dammsystems; sonst s. auch Schnitter 1994: 71 f.; Schnitter 1978: 30 f.; zudem s. Shaw 1984: 151–155 für eine kritische Analyse der technischen Funktionsweise im Vergleich zu den einfacheren vorrömischen Dämmen. 648 Vita-Finzi/Brogan 1965: 65. 649 Vita-Finzi/Brogan 1965: 70. 650 Vita-Finzi/Brogan 1965: 71. 651 Shaw 1984: 154.

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An den baulichen Resten des ältesten Dammes, der noch parallel zum Wadi verlief, lassen sich archäologisch mehrere nachträgliche Erhöhungen der Dammkrone sowie Erweiterungen zu den Seiten hin feststellen.652 Man hatte die Strukturen also immer wieder veränderten natürlichen Gegebenheiten anzupassen versucht. Da das Wadi sich aber nach geraumer Zeit verlagerte, wurde ein zweiter Damm bei den Zisternen errichtet, diesmal quer zum Wadi, mit einem Seitenflügel an der Ostseite. Er konnte immerhin verhindern, dass sich das Wadi ein weiteres Mal verlagerte. Allerdings schlug das Flutwasser nach geraumer Zeit eine Bresche mitten durch den Damm und riss einen guten Teil der Struktur mit sich.653 Aus diesem Grund bewertet Shaw den römischen Umgang mit Wasser in der ungewohnten Umgebung Nordafrikas als wenig erfolgreich.654 Zu oft seien die aus Italien gewohnten Praktiken auch in Nordafrika unhinterfragt zur Anwendung gekommen, was, wie etwa im vorliegenden Fall, bisweilen fatale Folgen mit sich gebracht habe. Die Verwunderung und zugleich Ermahnung zur Vorsicht bei Vermessungsarbeiten in Nordafrika lässt sich noch in einem Zitat des Feldmessers Agennius Urbicus aus der Spätantike greifen: Nam cum in Italia ad aquam pluviam arcendam controversia non minima concitetur, diverse in Africa ex eadem re tractatur. Quo sit enim regio aridissima, nihil magis in querella habent quam siquis inhibuerit aquam pluviam in suum influere: Nam et aggeres faciunt et excipiunt et continent eam, ut ibi potius consumatur quam abfluat. Während nämlich in Italien die Regenwasserklage [actio de aqua pluvia arcenda] die Gemüter nicht wenig bewegt, wird dieselbe Sache in Africa ganz anders verhandelt. Da es sich nämlich um eine ausgesprochen trockene Region handelt, wird dort über nichts mehr gestritten, als wenn eine andere Person Regenwasser davon abhält, über das eigene Grundstück zu fließen: Sie errichten sogar Dämme und nehmen das Wasser auf und halten es zurück, damit es dort lieber aufgebraucht wird, anstatt einfach abzufließen.655

Klar ist auf der Grundlage der Ortsangabe Africa, dass es sich bei dem Regenwasser nur um Wasser aus winterlichen Starkregenfällen handeln kann, die oberflächlich über Torrententäler abflossen. So ist hier die Funktionsweise jener Arten von Dämmen beschrieben, wie sie im Wadi Megenin nachzuweisen sind. Die dort vorherrschenden extremen hydrologischen Bedingungen waren römischen Landvermessern aus den nördlicheren Regionen des Mittelmeerraums unbekannt,656 wobei an dieser Stelle zugleich darauf zu verweisen ist, dass die heutigen Klimabedingungen in Nordafrika in

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Vita-Finzi/Brogan 1965: 67 f. Vita-Finzi/Brogan 1965: 68. Shaw 1984: 151–155; ihm folgend vgl. Hodge 1992: 251. Agennius Urbicus, C 20,17–21 = L 63,15–22 = T 24,5–12. Shaw 1984: 137 f.

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ihrer Aridität insgesamt deutlich extremer sind als zur Römerzeit.657 In jedem Fall regelte die auf italische Verhältnisse ausgelegte Regenwasserklage, dass oberflächlich abfließendes Wasser aus Niederschlägen von benachbarten Grundstücken fernzuhalten war, um beim Abfließen keine Schäden zu verursachen. In Nordafrika war hingegen die gezielte Hinlenkung des mit Schwemmerde angereicherten torrentiellen Regenwassers auf die Äcker fundamental für den Überschwemmungsfeldbau in den ansonsten trockenen Wadis.658 Die hohe Konzentration an mitgeführter Erde im Wadi Megenin sorgte mittelfristig für eine rasche Verfüllung der Stauanlagen, womit erklärt werden kann, warum die römischen Betondämme und ebenso die gemauerten Dämme mit der Zeit sukzessive erhöht wurden und letztlich trotzdem relativ bald unter Anschwemmungen begraben wurden.659 Die massiven Betonstrukturen ließen den Wassermassen keinerlei Ausweichmöglichkeit und das wasserundurchlässige Material verhinderte obendrein ein langsames Durchsickern von Wasser und Ablagerungen über längere Zeit. Dadurch vermochten sie dem ungewöhnlich hohen Wasserdruck nicht dauerhaft standzuhalten und wurden schließlich von Flutwasser zerstört.660 Der innovative Baustoff opus caementicium, der seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. vielfach im römischen Wasserbau eingesetzt wurde, genügte somit nicht den ungewohnten örtlichen Anforderungen, die die römischen Ingenieure mit ihren üblichen bewährten Mitteln und Techniken zu beherrschen suchten.661 Schon der ältere Plinius lobte die Standfestigkeit der irdenen, nur von zwei Brettern in Form gehaltenen Mauern wie sie in Hispanien und Nordafrika traditionell gebaut wurden, und die seiner Meinung nach Regenfällen und Stürmen besser standzuhalten vermochten als aus Bruchsteinen und Mörtel hergestellte Wän657 Während des sogenannten „Klimaoptimums der Römerzeit“ von ca. 200 v. Chr. bis 300 bzw. 350 n. Chr. scheint das Klima südlich der Alpen feuchter und niederschlagsreicher gewesen zu sein als heute und zeichnete sich daher auch durch eine erhöhte Aktivität der Binnengewässer aus; dazu weiter oben in Kapitel I.4 sowie Heide 1997: 8 und 194 f.; s. auch ebd.: 87 f. insbesondere zur Ausdehnung der landwirtschaftlichen Aktivitäten in Nordafrika in den letzten beiden vorchristlichen Jahrhunderten; s. außerdem Ballais 2009: 95–97 zum generell stabileren Klima und Hochwassergeschehen in den nordafrikanischen Gebirgsgegenden der Aurès zur Römerzeit sowie zur davon abhängigen Landwirtschaft. 658 So stellt Hodge 1992: 251 in dem Kontext heraus, dass die übliche Unterscheidung zwischen Drainage und Bewässerung in den ariden Zonen des Maghreb kaum aufrechtzuerhalten sei. Zur römischen Regenwasserklage: XII Tab. 7,8; Dig. 43,8,5 (Paulus); Bannon 2009: 14; für die Nutzung von oberflächlich abfließendem Regenwasser v. a. in städtischen Kontexten und die entsprechenden Regelungen dieser Nutzung über Servituten s. insbesondere Ehmig 2011. Zu den unterschiedlichen Formen des traditionellen Überschwemmungsfeldbaus in den ariden Regionen Nordafrikas s. Despois 1961: 222–224 (allgemein) und 226–229 (Antike); Shaw 1984: 142–147 (Maghreb in der Antike); Ballais 2009 (Aurès in der Antike). 659 Vita-Finzi/Brogan 1965: 68 (Anschwemmungen); Shaw 1984: 155 (sukzessive Auflandung). 660 Zu den genannten problematischen Aspekten der römischen Dämme aus opus caementicium s. Shaw 1984: 154 f. 661 So urteilt Shaw 1984: 154: „To build enormous fixed dams like these on desert wadis was, in a certain sense, self-defeating.“

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de.662 Wahrscheinlich hat er bei seinem Aufenthalt in Hispanien derlei Gebilde und ihre Eigenschaften selbst in Augenschein nehmen können.663 Direkt im Anschluss daran kommt Plinius auf weitere Spezifika Südhispaniens zu sprechen und hebt in dem Zuge auch die guten Eigenschaften des dort verwendeten Wurzelflechtwerks hervor, welches sich gut gegen die Wucht von Flusswasser (fluminum impetus) einsetzen lasse – wie wohl jeder wisse (quis ignorat?). Die vorrömischen Wadidämme waren vermutlich ebenfalls in jener traditionellen Bauweise als Holz-Erde-Geröllkonstruktion errichtet worden. Die aus leichten Naturmaterialien errichteten Dämme zum Wasserrückhalt waren nicht nur durchlässig und milderten dadurch den Wasserdruck ab, sondern waren im Falle ihrer Zerstörung auch wesentlich leichter und rascher zu ersetzen. Wahrscheinlich war ihr Wiederaufbau nach Ende des Winterhalbjahres üblicher Bestandteil der saisonalen Ackerbautätigkeit in jenen Gegenden, ähnlich wie andernorts die sommerliche Reinigung der Bewässerungskanäle.664 e. Abschließende Bemerkungen zu römischen Flutschutzbauten Die in diesem Kapitel besprochenen Fallbeispiele haben gezeigt, welche unterschiedlichen Bauformen im Umgang mit Hochwasser im Römischen Reich zum Einsatz kamen. Insbesondere Bauten zur Abwehr von Flutwasser, die im Kern also den Prinzipien der Prävention folgten, wurden diskutiert. Sperren etwa, die quer zur eigentlichen Fließrichtung des Gewässers angelegt wurden, sollten ein Überschwemmen besiedelter Gebiete verhindern, indem sie das Wasser vollständig aus dem Siedlungsraum ausschlossen und zurückhielten. Daneben wurden jedoch auch Wasserbauten vorgestellt, die zur Nutzung von Wasser aus torrentiellen Flutereignissen dienten wie etwa am Beispiel der Dämme im Wadi Megenin. Jene Dämme verliefen mal quer, mal längs zum Talweg des Wadis, jeweils um den Wasserfluss zugunsten der Feldbewässerung künstlich zurückzuhalten und abzulenken. In ihrem Fall ist am ehesten von einem Flutmanagement zu sprechen. Kanäle wiederum, insbesondere schiffbare Hafenkanäle, erfüllten gleich mehrere Zwecke. Sie ließen das Flusswasser und bei Hochwasser auch die darin enthaltene Schwemmerde schneller abfließen, kleinere nicht schiffbare Kanäle leiteten torrentielles Flutwasser gar vollständig um empfindliche infrastrukturelle Einrichtungen herum. Sie wirkten im Idealfall also nicht nur gegen Flutwasser, sondern auch gegen

662 Plin. nat. 35,169. 663 Für Hispanien ist eine Augenzeugenschaft durchaus anzunehmen, während sie für Nordafrika zwar ebenso möglich, aber nicht unbedingt anzunehmen ist; dazu s. Healy 1999: 17. 664 Zu den vermutlich effizienteren Erdwällen als Vorgängerbauten s. Shaw 1984: 155; zum jährlichen Wiederaufbau einfacher traditioneller Rückhaltedämme in den nordafrikanischen Wadis noch Mitte des 20. Jahrhunderts s. Despois 1961: 223.

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

die dadurch hervorgerufene Erosion und Verlandung. Außerdem definierten Kanäle und befestigte Ufer Flussbetten und Schifffahrtswege, womit sie deren Verlauf zugleich verstetigten. Das Resultat war eine teils massive Umgestaltung von Flussauen und vor allem Flussmündungen, wodurch natürliche Sedimentationsprozesse nachhaltig verändert wurden. Eine besondere Form des Kanals waren Tunnel, die besonders anspruchsvolle Ingenieurstechniken beim Bau erforderten. Für komplette Flüsse und torrentielle Bäche sind sie aus römischen Kontexten nur selten belegt. Nicht behandelt wurden in diesem Rahmen etwa Deich- und Dammkonstruktionen, die über weitere Strecken hinweg dem Flussverlauf folgten und das dahinter liegende Land vor Überflutung schützten. Sie werden im Zusammenhang mit Straßendämmen noch eine Rolle spielen. Ebenfalls ohne Erwähnung geblieben sind Baugrunderhöhungen und Entwässerungen zur Vorbereitung von Siedlungsplätzen im städtischen Umfeld. Auf derartige bauliche Eingriffe wird im Kontext verschiedener Siedlungsmuster in flutgefährdeten Gebieten näher einzugehen sein, denn solche Maßnahmen sind als Teil der Stadtplanung oder Stadtteilplanung anzusehen, die schon bei der Gründung, ähnlich wie im Falle der Ortswahl für die Oberstadt von Seleukeia Pieria, mitbedacht werden mussten. Örtlich durchgeführte Entwässerungsmaßnahmen in Städten waren nicht zwingend staatlich oder städtisch koordiniert, wie sich noch zeigen wird, während die Beispiele aus diesem Kapitel überwiegend staatlich finanzierte und durchgeführte Projekte repräsentieren, die zudem häufig militärstrategisch relevante Gebiete betrafen. Lediglich die Lage bei den landwirtschaftlich genutzten Dämmen im Wadi Megenin bleibt diesbezüglich eher unklar. Bei den Anlagen von Seleukeia Pieria, an Tiber, Orontes und Kaystros waren wohl vor allem politische Interessen der Kaiser mit im Spiel, die zusätzlich sicher von der persönlichen Anwesenheit der römischen Oberbefehlshaber profitierten. Inwieweit die persönliche Anwesenheit des Prinzeps und verschiedene staatliche Interessen bei der Anlage aller in diesem Kapitel behandelten Fallbeispiele ausschlaggebend waren, wird in der Synthese noch zu erörtern sein. Bei Hafenanlagen ist jedenfalls von einem generellen staatlichen Interesse in Bezug auf Handel, Informationsfluss und Versorgung auszugehen. Um eben jene Versorgung auch im Falle von Überschwemmungsereignissen möglichst reibungslos und verlässlich aufrechterhalten zu können, waren weitere Maßnahmen notwendig, die im Zentrum des folgenden Kapitels stehen.

Sicherung der Kommunikation und Versorgung

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III.3 Sicherung der Kommunikation und Versorgung III.3.1 Flutanfällige Straßen Als mitten im Bürgerkrieg von 69 n. Chr. Othos Heer auf der Via Flaminia von Rom aus in den Kampf ziehen wollte, versperrten ihm eingestürzte Gebäude den Weg, die bei einer erst kürzlich vorgefallenen Tiberflut zerstört worden waren.665 Unterbrochene Verkehrswege blieben oft noch nach dem Rückzug des Flutwassers schwer passierbar bis sie endlich geräumt, repariert und gesäubert wurden. Die Mobilität von Waren, Menschen und Informationen wurde durch Flutschäden an Straßen stark beeinträchtigt, Versorgungswege wurden unterbrochen. Um der beeinträchtigten Mobilität rasch beizukommen, war der nächste Nachbar, wo immer dies möglich war, dazu verpflichtet, die freie Passage über sein Grundstück zu gewähren.666 Viel problematischer als die temporäre Blockade von Versorgungswegen erwiesen sich die Schäden am Straßenbelag selbst, die in manchen Gegenden wegen des vorherrschenden hydrologischen Regimes innerhalb kurzer Zyklen wiederholt auftraten. Vor allem an der Stelle, wo Straßen auf Flüsse trafen oder sie flankierten, war mit großen Schäden an der Bausubstanz zu rechnen, und wo Straßen zugleich als Treidelpfade genutzt wurden, stellten Straßenschäden eine besonders schwere Beeinträchtigung der Versorgungswege dar.667 Auf morastig-sumpfigem Terrain oder auch in Gebirgsregionen waren Straßenschäden infolge von plötzlich auftretenden Sturzbächen ein Dauerproblem. Wenig verwunderlich ist, dass ein besonders eindrückliches Beispiel hierfür aus Nordafrika stammt, wo Starkregenereignisse im Winter besonders heftig ausfielen und zu hohen Oberflächenabflussraten führten. Die sogenannte Via Nova in Numidien verband die Hafenstadt Rusicade (Ras Skikda) mit dem Hinterland bis Cirta (Constantine). Anhand dieses Fallbeispiels kann besonders deutlich aufgezeigt werden, welche Schwierigkeiten im Umfeld der aufwendigen Wartungsarbeiten aufkamen, obwohl die römischen Ingenieure in der Gegend ohnehin niedriggelegene Talsohlen für Straßentrassen wegen der zu erwartenden Hochwasser tunlichst mieden.668

665 Suet. Otho 8,3; Tac. hist. 1,86,3. 666 Dig. 8,6,14,1 ( Javolenus); dazu s. Campbell 2010: 319. 667 Allerdings wurde Straßen, die als Treidelpfade benutzt wurden, auch eine besonders intensive Aufmerksamkeit und Pflege zuteil (vgl. Kapitel I.5 und III.3.3); s. dazu etwa auch Prok. BG 1 (bzw. 5), 26,13 mit Hinweis auf den desolaten Zustand eines bestimmten Straßenabschnitts zwischen Ostia und Rom, der in einiger Entfernung vom Fluss durch Wälder führte und daher nicht zum Treideln genutzt wurde. 668 Ballais 2009: 93.

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a. Die Via Nova in Nordafrika Die numidische Stadt Cirta, die seit Augustus den Status einer römischen Kolonie besaß, hatte sich mit einigen Nachbargemeinden zu einem Städtebund, zur sogenannten res publica quattuor coloniarum Cirtensium, zusammengeschlossen.669 Diese res publica stellte eine administrative Eigenheit in der Gegend dar, da sie aus mehreren kleinen städtischen Siedlungen bestand, als Städtebund jedoch von IIIviri mit Cirta als Hauptort regiert wurde. In der Stadt Cirta begann die Via Nova, die bis nach Rusicade an der Küste führte (Karte 9). Während das Territorium um Cirta und Lambaesis auf dem Zentralplateau agrarisch ausgesprochen fruchtbar und dicht besiedelt war,670 hatte die Straße sonst größtenteils recht unwegsames, trockenes und felsiges Gelände zu durchlaufen, was den Bau technisch sehr erschwerte.671 Aus einer Serie von Meilensteinen ist bekannt, dass die Straße mehrfach stark durch Regenfälle (imbres) beschädigt wurde und erneuert werden musste. Die Formel viam imbribus et vetustate conlapsam cum pontibus restituit bzw. restituerunt findet sich mehrfach und an verschiedenen Abschnitten auf Meilensteinen entlang der Via Nova.672 Die Arbeiten wurden über den Zeitraum mehrerer Jahrzehnte von römischen Kaisern angeordnet. Ein großer Teil der Inschriften datiert in die Zeit der Antoninen wie im Fall der Reskripte der kaiserlichen Briefe aus der Kopaïs. Dadurch können die beiden Fallbeispiele als gute Grundlage für die Analyse bestimmter Muster des staatlichen Umgangs mit natürlich verursachten Unsicherheiten während der antoninischen Epoche in unterschiedlichen Gegenden des Reichs dienen. Der eigentliche Streitpunkt beim Ausbau der Trasse war die Finanzierung, die sich wegen der administrativen Besonderheit des cirtensischen Städtebundes auf mehrere Gruppen von Zuständigen verteilte. Während die possessores – vermutlich die Anwohner der Straße zwischen Cirta und Rusicade673 – für die Reparatur ihrer jeweiligen 669 Zu den Ursprüngen und den politischen wie administrativen Ausprägungen des Städtebundes bis zur Regierungszeit des Augustus s. Teutsch 1962: 176–185; zum Städtebund speziell bezogen auf die Straßen- und Brückenfinanzierung s. auch Pekáry 1968: 160 f.; Rathmann 2003: 79; Petzold 2019: 197. Allgemein zum Verwaltungs- und Baupersonal in Bezug auf Straßenbrücken s. O’Connor 1993: 35–43. Zur Städtegemeinschaft gehörten neben Cirta selbst die republikanischen Kolonien Sarnia Milev, Minervia Chullu und Veneria Rusicade zusammen mit zahlreichen weiteren kleineren Ortschaften (oppida, castella und pagi). Das Gebiet umfasste dadurch insgesamt über 10.000 km2. 670 Sherwin-White 1944: 5. 671 Rathmann 2003: 79. 672 CIL VIII 10304 = ILS 471; CIL VIII 10308; CIL VIII 10309; CIL VIII 10314; CIL VIII 10315; CIL VIII 10318; CIL VIII 10320; CIL VIII 10323 = CIL 22365; dazu s. Rathmann 2003: 79. Für das 3. Jahrhundert findet sich dasselbe Formular noch für ähnliche Straßen- und Brückenreparaturen: z. B. CIL VIII 22371 = ILS 5869; CIL VIII 22373; CIL VIII 10299; CIL VIII 10302; CIL VIII 22397; Ballais 2009: 93. 673 Teutsch 1962: 179–185. Das Land außerhalb der städtischen Zentren gehörte Bürgern aus Cirta oder aus zu Cirta gehörigen pagi und castella, die bereits während der republikanischen Grün-

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Karte 9 Das Straßennetz in Nordafrika © Jasmin Hettinger, basierend auf Daten des Ancient World Mapping Center

Straßenabschnitte Sorge zu tragen hatten, oblag die Finanzierung der Brückenbauten dem Städtebund als Gemeinschaft.674 Dies geht aus dem seltenen Befund hervor, dass auf den Meilensteinen die einzelnen Gruppen von Geldgebern jeweils genau benannt sind.675 Wahrscheinlich waren die ohnehin schon sehr hohen Kosten für den Straßenbelag nur dann von den angrenzenden Landbesitzern selbst zu stemmen,676 wenn wenigstens die aufwendigen Brückenbauten kommunal von der Städtegemeinschaft getragen wurden.677 Die Wadihochwasser, die aus den inschriftlich erwähnten Starkregenfällen resultiert haben müssen, sorgten sicherlich für einen enormen Oberflächenabfluss, dem Brücken und Straßenbeläge nur bedingt überhaupt standhalten

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dungsphase angelegt wurden. Die direkte Verwaltung dieser ländlichen Siedlungen oblag den praefecti pro IIIviri. Pekáry 1968: 160 f.; Rathmann 2003: 79; Petzold 2019: 197. Rathmann 2003: 80; vgl. Dig. 50,10,3,1–2 (Macer); dazu s. auch Petzold 2019: 196 mit Fn. 352. Die Praktik entspricht der Regelung aus Dig. 50,4,14,2 (Callistratus). Diese Art von munus war nicht auf Einzelpersonen, sondern auf die betreffenden Böden bezogen; dazu Sánchez 2004: 39. Vgl. Rathmann 2003: 79, Fn. 475.

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konnten.678 Schließlich kann auch der Verweis auf die vetustas, das „Alter“ der Infrastrukturbauten im vorliegenden Fall so verstanden werden, dass Straßenbelag und Brücken (in Jahren ausgedrückt) vielleicht noch gar nicht besonders alt und lange verwahrlost waren, sondern dass vielmehr die typischen Starkregenereignisse und Wadihochwasser jährliche Wartungs- und Reparaturmaßnahmen erfordert hätten, die aber wohl vor allem finanziell nicht in dieser Regelmäßigkeit gewährleistet werden konnten. Auf Finanzierungsengpässe deuten die Aussagen der Inschriftentexte tatsächlich hin, die zudem eng an steuerrechtliche Fragen und die Frage nach der Zuständigkeit gekoppelt waren. Drei Inschriftensteine, darunter der Schlussstein der Straße in Cirta, weisen die Neupflasterung der Via Nova als Anordnung Hadrians aus, da sie ex auctoritate des Prinzeps errichtet worden ist.679 Diese Formulierung legt es zumindest nahe, dass der Durchführung der Reparaturarbeiten ein längerer Briefwechsel zwischen dem Prinzeps und den betroffenen Anliegergemeinden vorausgegangen war, dessen Hauptgegenstand wohl verschiedene Anfragen und Beschwerden seitens der Anliegerparteien waren. Ein endgültiger Schiedsspruch des Kaisers wird schließlich den Beginn der Arbeiten veranlasst haben.680 Außerdem war offensichtlich der Statthalter Sextus Iulius Maior in den Vorgang maßgeblich involviert, denn sein Name wird auf dem Schlussstein in Cirta eigens genannt,681 was wiederum stark an die Vorgänge im Kopaïsbecken erinnert. Die Brücken, so zwei der Inschriften, seien sua pecunia von der res publica Cirtensium errichtet worden, während die dritte Inschrift deutlich macht, dass die Fahrbahn (strata) von den possessores hergerichtet worden ist.682 Unter Antoninus Pius meldete dann die Gemeinde Milev wohl nochmals Beschwerden bezüglich der Straßenfinanzierung an, denn weitere drei Meilensteine683 bezeu678 In Lambaesis wurde vi torrentis auch ein Aquädukt beschädigt; CIL VIII 2661 = ILS 5788 = AE 1973, 645. Alle hydraulischen Infrastrukturbauten mussten unter den dort vorherrschenden klimatischen Verhältnissen erheblichem Wasserdruck standhalten können und regelmäßig repariert oder neuerrichtet werden. 679 CIL VIII 10296 = ILS 5872 = LBIRNA 98: Ex auctoritate / Imp(eratoris) Caesaris / Traiani Hadri/ an(i) Aug(usti) pontes / viae novae Rusi/cadensis r(es) p(ublica) Cir/tensium sua pec/unia fecit Sex(to) Iulio / Maiore leg(ato) Aug(usti) / leg(ionis) III Aug(ustae) pr(o) pr(aetore); CIL VIII 22370 = EEpigr V 1133: [Ex auct]oritate / Imp(eratoris) Caesaris Traiani / Hadriani Augusti viae / novae Rusicadensis / r(es) p(ublica) Cirtensium m(iliaria) / constituit / p(assuum) m(ilia) VI; CIL VIII 10322 cf. CIL VIII p. 2138 = ILS 5873: Ex auctoritate / Imp(eratoris) Caesaris Traiani / Hadriani Aug(usti) / Via Nova / a Cirta Rusicadem / strata per / possessores / territori(i) / Cirtensium. 680 Rathmann 2003: 78–80; Sánchez 2004: 38 f. mit Fn. 22; Pekáry 1968: 160–164; Petzold 2019: 197. 681 CIL VIII 10296 = ILS 5872 = LBIRNA 98. 682 Zum Aspekt der Verpflichtung privater Anlieger zur Beteiligung an anfallenden Wartungsarbeiten allgemein s. Petzold 2019; speziell an der Via Nova ebd.: 196 f. 683 CIL VIII 10327 = ILS 5874: Ex auctoritate / Imp(eratoris) Caes(aris) T(iti) Aeli Ha/driani Antonini / Aug(usti) Pii p(atris) p(atriae) via a Mile/vitanis munita ex / indulgentia eius de / vectigali rotari / II; CIL VIII 10328: Ex auctoritate / Imp(eratoris) Caes(aris) T(iti) Aeli Ha/driani Antonini / Aug(usti) Pii p(atris) p(atriae) via a Mile/vitanis munita ex / indulgentia eius de / vectigali rota-

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gen, dass ebenfalls ex auctoritate des Prinzeps die Straße um Milev herum durch die Milevitaner befestigt wurde (via a Milevitanis munita). Vermutlich hatten neuerliche Starkregenereignisse und Wadihochwasser die Fahrbahn schon wieder stark angegriffen und möglicherweise wurde im Zuge der Neubefestigung die Fahrbahn zusätzlich erhöht.684 Die Finanzierung erfolgte in dem Fall de vectigali rotari, also aus Abgaben aus dem Wagenverkehr. Die ständig aufs Neue anfallenden Reparaturarbeiten waren den Bewohnern Milevs wohl zunehmend zur Last gefallen. Antoninus Pius gestand ihnen daher zu, Abgaben auf die Benutzung der teuren Straße zu erheben, welche zugleich dauerhaft die Finanzierung der Wartungsarbeiten sicherstellen sollten.685 Diese Vorgehensweise erinnert an die kleinasiatischen Städte am Mäander, die flutbedingte Schäden und Verluste finanziell aus Fährgeldern beglichen.686 Am Fallbeispiel der Via Nova lässt sich – wie bereits im Kopaïsbecken – erkennen, dass zwischen der Finanzierung der Neubauten einerseits und der dauerhaften Instandhaltung andererseits finanziell wie organisatorisch unterschiedlich verfahren wurde. Dies ergibt sich letztlich aus der Natur der Sache. Die Neuanlage von umfassenden Infrastrukturbauten wie etwa Straßen- und Kanalnetzen verlangte einen enormen finanziellen, technischen und logistischen Aufwand, der von Privatpersonen oder Gemeinden kaum alleine geschultert werden konnte.687 Außerdem war die Koordination solcher Großprojekte mithilfe überregional agierender Institutionen ohnehin einfacher, gerade dann, wenn die Territorien mehrerer Gemeinden und Interessensgruppen zugleich betroffen waren. Waren die Bauten erst einmal installiert, mussten künftig die Anlieger für die Wartung aufkommen, wohl nicht zuletzt deshalb, weil sie in der Regel auch am meisten davon profitierten. Der logistische und organisatorische Aufwand wurde fortan auf mehrere kleine und überschaubare Teilabschnitte verteilt, wodurch sich letztlich auch das Finanzvolumen der Einzelbeiträge verringerte. Der Prinzeps blieb jedoch weiterhin oberster Ansprechpartner und Vermittler im Streitfall zwischen den beteiligten Parteien, wie die Beispiele aus der Kopaïs und Nordafrika

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ri / IIII; CIL VIII 22391 = AE 1889, 179: Ex auctoritate / Imp(eratoris) Ca[es(aris) T(iti)] Aeli Ha/ driani Aug(usti) Pii p(atris) p(atriae) / via a Milevitanis / munita ex indul/gentia eius de / vectigali rotari / VI. Auf dem Streckenabschnitt einer Straße, die noch weiter im Landesinneren von Thamugadi nach Lambaesis führte, konnten solche nachträglich realisierten Fahrbahnerhöhungen archäologisch nachgewiesen werden, die zweifelsohne als Reaktion auf Überflutungs- und Starkregenereignisse zu verstehen sind; Ballais 2009: 95 f. Sánchez 2004: 38. Strab. 12,8,19 C 578. Inwieweit es sich hierbei um ein vom Prinzeps angeordnetes Recht handelte oder um eine vorrömische Praktik, die unter römischer Herrschaft lediglich formal vom Prinzeps gutgeheißen und weiterhin gewährt wurde, muss dabei freilich offenbleiben. Dazu bereits weiter oben in Kapitel III.1.2a. Vor allem Hadrian unterstützte die Städte im Römischen Reich großzügig bei infrastrukturellen Bauprojekten, wie Cass. Dio 69,5,3 betont; dazu s. Boatwright 2000; Quass 1993: 224; MacMullen 1959: 221.

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zeigen. Kompetentes technisches und administratives Personal, das obendrein mit kaiserlicher Autorität ausgestattet war, erledigte anfallende Aufgaben vor Ort in Rücksprache mit dem Kaiser und den Betroffenen. Zumindest für die Zeit der Antoninen lässt sich dieses Schema gut nachweisen. Im Hinblick auf den Umgang mit Überschwemmungsrisiken in der Wadilandschaft lässt sich feststellen, dass die Straße auch nach dem wiederholten Auftreten weiterer Schwierigkeiten nicht etwa verlegt, vernachlässigt oder gar ganz aufgegeben wurde. Vielmehr wurde nach einer für alle Parteien akzeptablen Dauerlösung gesucht, die die Gangbarkeit der Straße und somit die Verbindung zwischen Küste und Hinterland langfristig garantierte. So erklärte der jeweils regierende Kaiser die Angelegenheiten um die Wartung der Via Nova offenbar zur Chefsache (ex auctoritate imperatoris) und war stets um einen Ansatz zur dauerhaften Problembewältigung bemüht.688 Die nach den antoninischen Kaisern gesetzten Meilensteine, die noch immer dieselbe Formel aufweisen und den Prinzeps als Bauherrn nennen, belegen zum einen eine weiterhin starke Inanspruchnahme der Infrastrukturbauten in der Wadilandschaft, zum anderen das kontinuierliche kaiserliche Engagement bei Wiederaufbau und Wartung.689 Das permanente Bestreben, die durch die heftigen Sturzbäche angefallenen Schäden an den baulichen Strukturen wieder zu beheben, erinnern zudem an die wiederkehrenden Ausbesserungen an den Bewässerungsdämmen im Wadi Megenin. Die Zerstörungskraft der aus den Starkniederschlägen resultierenden Überschwemmungen verlangten in den Wadis Nordafrikas nach permanenter Pflege und einem Wiederaufbau, der trotz der widrigen Umstände und des mittelfristig eher mäßigen Erfolgs fortwährend mit staatlicher Unterstützung aufrechterhalten wurde. Insgesamt ist also davon auszugehen, dass die Gewinnchancen – also die landwirtschaftlichen Erträge im Binnenland und ihre Verschiffung nach Übersee690 – die hohen Wartungskosten und

688 Aus der anhaltenden Aufmerksamkeit, die die Kaiser dem Erhalt der Straße entgegenbrachten, schließt Teutsch 1962: 165, dass die Hafenstadt Rusicade lebenswichtig für die Kolonie Cirta gewesen sei. Die direkte Straßenverbindung zwischen beiden Gemeinden musste deshalb wohl unbedingt gewährleistet sein. 689 CIL VIII 22371 = ILS 5869: Imp(erator) Caesar / M(arcus) Antoni/us Gordia/nus Pius Fe/lix Invic/tus Aug(ustus) pon/tif(ex) maxi/mus trib(unicia) po/test(ate) II co(n)s(ul) / p(ater) p(atriae) proconsul / v[iam] imbri/bus et vetus/tate conlap/sam cum pon/tibus restituit; CIL VIII 22373: Imp(erator) Caes(ar) / M(arcus) Iulius Phi/lippus Pius / Felix Invic/tus Aug(ustus) ponti/fex maximus / tribuniciae / potestatis / co(n)s(ul) p(ater) p(atriae) [p]roco(n)s(ul) et / [M(arcus) Iul(ius)] Phili[pp(us)] / viam imbribus / et vetustate / conlapsam cum / pontibus restituerunt / XIIII. 690 Zu den häufig in staatlicher Hand liegenden Latifundien im klimatisch feuchteren, fruchtbaren Hinterland der nordafrikanischen Provinzen sowie zu deren Wirtschaftskraft und Bedeutung für die Versorgungsnetze im Römischen Reich s. Ballais 2009 mit Blick auf die natürlich bedingten Risiken in den Aurès und einer Rekonstruktion der klimatischen Entwicklungen in der Antike; zudem Tietz 2015: 223–226 v. a. zum ausgedehnten Gut von Henchir Mettich im heutigen Tunesien; außerdem ebd.: 226–229 zu Getreideanbau und -handel, bei dem auch die Provinzen in Nordafrika (v. a. Regionen im heutigen Tunesien und Libyen) eine entscheidende Rolle spielten; Mattingly 1996: 228–240 speziell zum intensiv betriebenen Olivenanbau in Nordafrika, insbesondere in den

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den damit verbundenen Aufwand aus Sicht des Geldgebers überstiegen, sich die wiederholt getätigten Investitionen und Anstrengungen also auszahlten. Allerdings ist als alternativer Erklärungsansatz nicht auszuschließen, dass das kaiserliche Engagement speziell im Fall der Via Nova auch aus Prestigegründen aufrechterhalten wurde. Möglicherweise konnten es sich die Kaiser aus Gründen der Herrschaftssicherung nicht erlauben, die Straße aufzugeben, selbst wenn ihr Erhalt letztlich unwirtschaftlich war. b. Straßen durch Gebirgsgegenden Im Südwesten der Iberischen Halbinsel bezeugt ein Meilenstein aus dem 3. Jahrhundert privat durch den Statthalter finanzierte Reparaturmaßnahmen an einer nachgeordneten Überlandstraße von Salpensa nach Castulo, die ebenfalls wegen „anhaltender Regenfälle“ (adsidui imbres) notwendig geworden waren.691 In jener Gegend gibt es zwar keine direkt vergleichbaren Wadis wie in Nordafrika, aber dennoch weisen viele Wasserläufe aus dem Gebirge torrentielle Regime auf, was sich wiederum auf die Wasserführung der Flüsse auswirkt, in die sie münden. Die inschriftlich erwähnte Straße lässt sich in etwa entlang des heutigen andalusischen Flusslaufs Guadalimar und seiner Zuflüsse verorten, der zum Flusssystem des Guadalquivir (Baetis) gehört. Für diese zerklüftete Gebirgsgegend ist in jedem Fall davon auszugehen, dass die „anhaltenden Regenfälle“ auf ein torrentielles Hochwasserereignis zu beziehen sind. Dementsprechend wird das Verb munire für die Straßenreparatur als strukturelle Verstärkung der Fahrbahn zu interpretieren sein. Zudem ließ der Statthalter, ebenfalls aus eigenen Mitteln, Stadtmauern erneuern (reficere), die aus Altersgründen eingefallen sein sollen. Auch für diese Schäden könnten wiederholte Starkregenereignisse und

dicht kultivierten Talsohlen der Trockentäler; Sherwin-White 1944 unter Berücksichtigung der trotz der ausgedehnten agrarischen Aktivitäten schwierigen hydrologischen Verhältnisse. Bei den Ausführungen des Letzteren ist freilich zu beachten, dass die hydrologischen Bedingungen im Maghreb für die antike Epoche seinerzeit noch nicht in dem Maße erforscht und bekannt waren, wie dies heute (z. B. Ballais 2009; Heide 1997; McCormick et al. 2012) der Fall ist. 691 CIL II 3270 = ILS 5513 = AE 1975, 526: Q(uinto) Torio Q(uinti) f(ilio) Culleoni / proc(uratori) Aug(usti) provinc(iae) Baet(icae) / quod muros vetustate / collapsos d(e) s(ua) p(ecunia) refecit solum / ad balineum aedificandum / dedit viam quae per Castul(onensem) / saltum Sisaponem ducit / adsiduis imbribus corrup/tam munivit signa Vene/ris Genitricis et Cupidi/nis ad theatrum posuit / HS centies quae illi summa / publice debebatur addito / etiam epulo populo remisit / municipes Castulonenses / editis per biduum circens(ibus) / d(ecreto) d(ecurionum) – „Dem Quintus Torius Culleo, Sohn des Quintus, dem kaiserlichen Statthalter der Provinz Baetica usw., der die aus Altersgründen eingestürzte Stadtmauer aus eigenen Geldmitteln neumachen ließ, der die Straße, die durch den saltus Castulonensis nach Sisapo führt und von anhaltenden Regenfällen beschädigt worden war, befestigen ließ …“. Der Rechtsstatus der Straße ist unbekannt; zur Frage der Zuständigkeit s. Rathmann 2003: 141, Fn. 807; zur historischen Kontextualisierung der Ehreninschrift und zur Person des Geehrten s. ausführlich Duncan-Jones 1974; Carrasco Serrano 1997.

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entsprechende Hochwasser verantwortlich gemacht werden, die die Struktur über die Zeit womöglich so sehr angegriffen hatten, dass es bei einem jener Flutereignisse schließlich zum Einsturz kam. Generell waren Stadtmauern in gebirgigen Gegenden mit stark ausgeprägten Hochwassern im Winterhalbjahr, wie es beispielsweise auch im Vorderen Orient der Fall war, neben Straßen und Brücken besonders anfällig für Flutschäden, da sie die Siedlungen oftmals direkt vor dem Wasserlauf abschirmten.692 In der Regel waren Reparaturmaßnahmen an Stadtmauern Bestandteil des kommunal koordinierten bürgerlichen Arbeitsdienstes, die dementsprechend von Stadtbürgern finanziert und teils auch durch deren physische Arbeit realisiert wurden.693 Eine ähnlich problematische Gebirgslandschaft für den Straßenunterhalt stellte der Alpenraum dar. Vor allem die hohen Passstraßen verlangten nach permanenter Wartung, denn auch dort konnten Sturzbäche ebenso wie Gebirgsstürze erhebliche Schäden an Brücken und Straßenbelag verursachen. Schon Strabon verweist auf die Schwierigkeiten, die die raue Natur der Alpen der römischen Infrastruktur bereitete: ἵδρυται δ᾽ ἡ πόλις κατὰ τὴν ὁδὸν τὴν ἐκ τῆς Ἰβηρίας εἰς τὴν Ἰταλίαν, θέρους μὲν εὔβατον οὖσαν, χειμῶνος δὲ καὶ ἔαρος πηλώδη καὶ ποταμόκλυστον. τινὰ μὲν οὖν τῶν ῥευμάτων πορθμείοις περᾶται, τινὰ δὲ γεφύραις ταῖς μὲν ξύλων πεποιημέναις, ταῖς δὲ λίθων · ποιοῦσι δὲ τὰς ἐκ τῶν ὑδάτων δυσκολίας οἱ χείμαρροι καὶ μέχρι τοῦ θέρους ἔσθ᾽ ὅτε ἐκ τῶν Ἄλπεων καταφερόμενοι μετὰ τὴν ἀπότηξιν τῶν χιόνων. Die Stadt [Nemausus] liegt an der Straße aus Iberien nach Italien, die im Sommer gut begehbar, im Winter und Frühling dagegen morastig ist und von Flüssen überspült wird. Manche der Wasserläufe freilich können mit Fähren überquert werden, manche auf Brücken, die teils aus Holz, teils aus Stein gemacht sind; die Schwierigkeiten, die das Wasser bereitet, rühren von den Gießbächen her, die nach der Schneeschmelze manchmal sogar bis zum Sommer aus den Alpen herabstürzen.694

Die Wucht der regelmäßig auftretenden Hochwasser im Frühsommer griff den Straßenbelag an und sorgte für Schlammablagerungen, die sich auf der Fernstraße absetzten. Die Brücken und der Fährbetrieb wurden durch die starken Hochwasser ebenfalls beeinträchtigt, worauf im nachfolgenden Kapitel näher eingegangen wird. Zwar ist gerade im Falle der Alpen bei geographischen Beschreibungen von einer starken Überfrachtung mit Topoi auszugehen – immerhin sollte das Bild der unüberwindba-

692 Prok. aed. 5,4,5–6 ( Juliopolis in Galatia). Ähnliches gilt auch für die Substruktionen der Stadtmauer von Augusta Emerita in der Lusitania, die die Mauer vor Unterspülungen durch Flutwasser schützen sollten; dazu Trillmich 1990: 303 und Rodríguez Martín 2004: 385, die beide sicherlich zu Recht zwischen dem Deich, auf welchem die Stadt errichtet ist, und dem gemauerten Uferschutz unterscheiden. 693 Dazu ausführlich Petzold 2019: 201–210 (außerhalb Roms) und 210–214 (in Rom). 694 Strab. 4,1,12 C 187. Übersetzung: Stefan Radt (Radt 2002).

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ren Landgrenze Italiens schon aus ideologischen Gründen aufrechterhalten werden, was bereits Polybios kritisch herausstellte.695 Dennoch muss, ohne die grundsätzliche Gangbarkeit der Alpenpässe zu ignorieren, von schwierigen natürlichen Verhältnissen für Bau und Unterhalt der Passstraßen mitsamt Straßenbrücken ausgegangen werden. Wiederum ist es eine Serie von Straßenbauinschriften, die für verschiedene Bereiche des Alpenraums bezeugen, mit welchen Schwierigkeiten die Instandhaltung der dortigen Infrastruktur verbunden war. Zum einen sind für das Gebiet der Ceutrones bei Axima am Fluss Isara (heute Isère) allein aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. zwei Bauinschriften überliefert, die recht ausführlich von schweren Flutschäden an Brücken, einer Straße und öffentlichen kommunalen Gebäuden berichten. Unter den erwähnten Straßen könnte sich wahrscheinlich auch die Passstraße über den Kleinen Sankt Bernhard Pass befinden, die spätestens 18 n. Chr. fertiggestellt wurde und von Mediolanum (Mailand) nach Vienna (Vienne) führte.696 Die erste Bauinschrift stammt aus der Anfangszeit der gemeinsamen Regierung von Marcus Aurelius und Lucius Verus von der antiken Straßenstation Bergintrum.697 Laut Text sollen die Sturzbäche „in ihr natürliches Flussbett zurückgeführt“ worden sein. Daraus könnte geschlossen werden, dass sie streckenweise entweder kanalisiert wurden oder ihr Bett zumindest so bereinigt und bearbeitet wurde, dass es bei künftigen Hochwassern nicht ohne weiteres überflutet werden konnte.698 Außerdem wurden in Erwartung kommender Sturzfluten weitere Uferbefestigungen oder Dämme (moles) errichtet.699 Auch beschädigte Tempel, Thermen und Brücken sollen mit eigenen fi-

695 Pol. 3,47,10; Herzig 2007: 183 mit Fn. 3 für weitere Literatur; allgemein zur toposbehafteten Verarbeitung der hochalpinen Landschaft in den römischen Quellen s. ebd.: v. a. 185 f. (insbesondere zu Strabon und zum epigraphischen Material) und nochmals zusammenfassend 197 f. 696 Strab. 4,6,7; 4,6,11; dazu Rémy 2009: 265 f. 697 CIL XII 107 = ILS 5868 = ILAlpes, 54 = AE 1996, 981 = AE 2009, 803: [Imp(erator) Caes(ar) Marcus] / [Aurelius Antoninus] / [Aug(ustus) trib(unicia) potest(ate) XVII] / [co(n)s(ul) III pont(ifex) max(imus) p(ater) p(atriae) et] / Imp(erator) Caes(ar) Lu[cius] / Aurelius Verus Au[g(ustus)] / [tr] ib(unicia) potest(ate) III co(n)s(ul) II / [vi]as per fines Ceutro/[n]um vi torrentium / [ev]ersas exclusis / [ flu]minibus et in na[tu]/[ra]lem alveum redu[ctis] / [m]olibus plurib[us locis] / [opp]ositis item po[ntes] / [tem]pla et balin[ea] / [pec(unia)] sua resti[tuer(unt)]; zu dieser Inschrift s. Rémy 2009: 268–273; Campbell 2010: 319; Campbell 2012: 117. Zu semantischen Aspekten des Inschriftentextes s. weiter unten in der Synthese (IV.1.1). 698 Vgl. Haas 2006: 136 mit Fn. 328. Er versteht die Passage in naturalem alveum reducere dahingehend, dass möglicherweise Ausbaggerungs- und Vertiefungsarbeiten durchgeführt wurden, durch die die Bäche fortan wieder kontrollierter hindurchfließen sollten, und verweist dabei auf die unter Augustus am Tiber durchgeführten Flussbettbereinigungen (Suet. Aug. 30,2). Für einen erweiterten Interpretationsansatz der Textstelle gemäß der juristischen Definition des cursus naturalis s. weiter unten im Synthesekapitel IV.1.1. 699 Haas 2006: 136 rekonstruiert die nur fragmentarisch erhaltene Textstelle allerdings mit demolibus plurimis locis und fasst dies dementsprechend als Verweis auf weitere große Schäden auf, die im Inschriftentext nicht näher benannt werden. Der Rekonstruktionsvorschlag molibus pluribus locis oppositis im CIL und in der AE 2009 (hier aufgefasst als „l’édification de digues en de nombreux endroits“) sowie gemäß der Auffassung von Rémy 2009: 268–273, Campbell 2012: 117,

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nanziellen Mitteln der Kaiser wiederhergestellt worden sein. Bei solch außergewöhnlich großen Schäden schritten außerplanmäßig die Kaiser ein, während für kleinere Reparatur- und Wartungsarbeiten wohl die Anliegergemeinden unter Koordination des Statthalters der Alpes Graiae aufkommen musste.700 Da die beschädigten öffentlichen Gebäude im Plural vermerkt sind, ebenso wie die Befestigungen der Straßen und Bäche, wird es sich um Maßnahmen gehandelt haben, die sich nicht örtlich auf Bergintrum beschränkten, sondern im gesamten oberen Isèretal durchgeführt wurden.701 Eine ähnliche, nur fragmentarisch erhaltene Inschrift aus der Regierungszeit des Commodus bezeugt ein weiteres schweres Flutereignis in derselben Gegend ein Stück weiter flussabwärts, das wohl durch ein Hochwasser der Isara selbst verursacht worden ist.702 In diesem Fall wird der Kaiser mit einer Ehrung bedacht, obwohl er keine finanzielle Hilfe leistete. Die Identität der Stiftenden, die die Baumaßnahmen sicherlich finanziert haben, bleibt hier unbekannt, da der Stein an der entsprechenden Stelle abgebrochen ist. In Frage kämen dafür die Anrainer, die Bewohner der Siedlung, oder am wahrscheinlichsten wohl die Gemeinde.703 Die Ehrung des Prinzeps ist in dem Zusammenhang lediglich als Akt der politischen Loyalitätsbezeugung gegenüber dem Kaiserhaus zu verstehen.704 In und um die antike Siedlung Axima herum, einem Hauptort der Ceutronen (deshalb auch als Forum Claudii Ceutronum belegt), dem heutigen Aime, haben sich archäologisch mehrere Meter dicke Anschwemmungen feststellen lassen, die die anhaltend starke Belastung durch Sturzfluten aus dem Gebirge bezeugen.705 Zudem dokumentiert eine Beneficiarierweihung aus der Siedlung Restaurierungsarbeiten (renovatio) an einem Tempelbau.706 Da der Hinweis auf die renovatio erst nach der Weiheformel v(otum) s(olvit) l(ibens) l(aetus) m(erito) anagebracht ist und zudem – im Gegensatz zum restlichen Inschriftentext – eine Häufung von Ligaturen aufweist, besteht die Möglichkeit, dass der Zusatz erst im Nachhinein auf dem Stein angebracht

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Campbell 2010: 319 und Hettinger 2014: 118 mit Übersetzungsvorschlag in Fn. 20 wird hier jedoch als plausiblere Rekonstruktion vorgezogen. Walser 1986: 39 f.; Rémy 2009: 272 f.; Campbell 2010: 319; Deeg 2019: 181. So Rémy 2009: 272. CIL XII 2343: [Pro salute et incolum]itate[ et Vic]toria / [Imp(eratoris) Caes(aris) M(arci) Aur(eli) Com]modi An[ton]ini Aug(usti) / Pii Sarm(atici) Germanici m]ax(imi) Britannici / […]um vii flum[inis(?) …] / [aquis deriv]atis et tr[ansitu restituto] / [–. Die außergewöhnliche Schreibung von vii ( fluminis) findet sich auch in einer anderen Inschrift aus jenem Großraum (Mediolanum): CIL V 5795 (vii ignis); dazu s. Rémy 2009: 267. Rémy 2009: 268. Vgl. Rémy 2009: 268. Rémy 2009: 264. Für archäologische Befunde bei Axima, die sich größtenteils unter dicken Schlammablagerungen verbargen, verursacht durch die wiederkehrenden Sturzbachhochwasser und das Übertreten der Isère, s. Segard 2009: 83–85 sowie den Kommentar in AE 2009, 803. AE 1910, 119 = ILGN 15 = CBFIR 44 = AE 1910, 119 = AE 2007, 885: Marti Aug(usto) / T(itus) Accius T(iti) f(ilius) Q(uirina) Se/cundus Eburo/duni b(eneficiarius) P(ubli) Memmi / Clementis / proc(uratoris) Aug(usti) / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito) / item templum de suo reno(vavit).

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wurde.707 Die Inschrift ist ins spätere 2. Jh. zu datieren, sodass der Zeitraum sich mit dem der beiden Kaiserinschriften deckt. Vielleicht war es zu einem Bergsturz mit anschließender Sturzflut gekommen oder einfach zu einem ungewöhnlich starken saisonalen Hochwasser, woraufhin Restaurierungsarbeiten anfielen. Der Beneficiarier T. Accius Secundus gibt in der Inschrift an, die Tempelerneuerung aus eigenen Mitteln finanziert zu haben. Bei dem Beamten handelte es sich um einen beneficiarius procuratoris Augusti, der also keine genuin militärischen Funktionen ausübte, sondern als persönlicher Vertrauensmann des Statthalters Dienste (finanz-)administrativer Art zu erledigen hatte.708 Da es sich bei dem Tempel nicht um einen Infrastrukturbau auf Provinzebene, sondern eher um einen Bau der Gemeinde handelte, kann die bauliche Erneuerung durch eigene Mittel am ehesten als euergetischer Akt gedeutet werden. Es wäre denkbar, dass parallel zu den Wiederaufbaumaßnahmen, die unter Marcus Aurelius und Lucius Verus an der öffentlichen Infrastruktur vorgenommen wurden, über private Stiftungen auch die beschädigten städtischen Bauten wiederhergestellt wurden. Vielleicht konnten die betroffenen Gemeinden und Stifter bei ihrer Beschaffung der Baumaterialien, Ingenieure und Arbeiter gar direkt von den staatlich koordinierten Reparaturmaßnahmen in der Nachbarschaft profitieren, indem sie auf dieselben Ressourcen zurückgriffen. Auf der entgegengesetzten Seite der Alpen sind aus der Gegend des heutigen Plöckenpasses an der Grenze zwischen Österreich und Italien weitere drei Bauinschriften überliefert, die insbesondere die gefährliche Enge der Passstraße beschreiben und deren schwierige Wartung bezeugen. Die erste stammt aus dem 2. Jahrhundert und bezieht sich auf Arbeiten, die die unwegsame Fahrbahn stabiler machen sollten.709 Verantwortlich für die Arbeiten war ein gewisser Respectus, der seinerseits Sklave eines dort Dienst habenden Zollpächters war. Eine weitere Inschrift aus der Regierungszeit des Valentinian und des Valens nimmt auf Verbreiterungsarbeiten an der Straße Bezug.710 707 So jedenfalls lautet der Kommentar in der Heidelberger Epigraphik-Datenbank http://edh-www. adw.uni-heidelberg.de/edh/inschrift/HD029805 (zuletzt aufgerufen am 14.12.2021), dem grundsätzlich zuzustimmen ist. 708 Walser 1986: 29; zum Aufgabenspektrum der beneficiarii procuratoris s. Ott 1995: 32–34. 709 CIL V 1864 = AE 1956, 262 = AE 1992, 727 = AE 1997, 580 = AE 2006, 123: Respectus T(iti) Iul(i) / Pers[e]i c(onductoris) p(ublici) p(ortorii) vecṭi/gạl[is] Ilḷỵr(ici) ser(vus) vil(icus) / stat(ionis) ̣ [T]im[av]ien[sis] / [it]ẹr in[vium …]/tẹr conṃe[antes pe]/riclitabant(ur) [ad ius]/tạm stabi[litatem …] / Sex(to) Eṛḅo[nio]; dazu Froehlich 2014: 82. Laut Haas 2006: 139 (mit Fn. 342) wurde diese Strecke später durch eine sicherere Trasse ersetzt. Für die zweite Hälfte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts konnte Heide 1997: 134 f. eine abrupt einsetzende Klimaverschlechterung im Alpenraum feststellen, die sich etwa anhand zurückgehender Breiten verschiedener Baumjahresringe für diese Periode feststellen lässt. Als möglicherweise auslösendes Ereignis schlägt sie den Ausbruch des neuseeländischen Vulkans Taupo im Jahr 186 vor. Vielleicht ist die spätere Trassenerneuerung am Plöckenpass mit der Verschlechterung der Klimaverhältnisse im genannten Zeitraum in Verbindung zu bringen. 710 CIL V 1862 = ILS 5885 = AE 1992, 729: Munificentia ddd(ominorum) Augg(ustorum)que / nnn(strorum) hoc iter ubi homines et / ạnimalia cum periculo / commeabant, apertum ẹst // curante Apinio Program/

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Nach einer Neuinterpretation Canali de Rossis nimmt der Text möglicherweise auf Wartungsarbeiten durch einen kaiserlichen curator unter der Aufsicht des procurator Matius aus der Anliegergemeinde Iulium Carnicum Bezug, die unter Anweisung der beiden Kaiser vollzogen wurden.711 Die dritte Inschrift ist im Kern eine Weiheinschrift an Jupiter und mehrere Wegegötter und lässt sich grob in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts datieren. Sie berichtet von Ausbesserungsarbeiten an der Passstraße und der zugehörigen Brücke, deren Querung den Reisenden zuvor immer Unbehagen bereitet haben soll.712 Zwar ist in keiner der drei Inschriften ein Flutschaden für die Ausbesserungsarbeiten erwähnt, doch lassen sich aus den Texten zwei relevante Aspekte herauslesen: Zum einen ist offenkundig, dass im gebirgigen Alpenraum die Unterhaltung von Straßen und Brücken eine besondere Herausforderung für das Verwaltungspersonal darstellte, da durch die Einwirkung der Naturgewalten wie Sturzfluten und Bergstürze regelmäßig aufwendige Wartungsarbeiten anfielen.713 Zum anderen ist zu erfahren, wer in solchen Fällen die Kosten zu übernehmen hatte. Bei großen Schäden gaben die Kaiser selbst Zuschüsse und finanzierten Wiederaufbaumaßnahmen an Infrastrukturbauten auf Provinzebene, während für die Wartung sowie für die Reparatur von Schäden lokalen Ausmaßes und an städtischen Bauten vor allem die Anliegergemeinden zusammen mit dem Zollpersonal und dem Statthalter aufkommen mussten – teils auch euergetisch motiviert und aus privaten Mitteln.714 So wurden die Instandhaltungsarbeiten an besonders wartungsintensiven Straßen und Brücken vermutlich über eigene Wegezölle finanziert,715 ähnlich den Wagenzöllen der Milevitaner in Nordafrika oder den Fährzöllen am Mäander. matio cur(atore) r(ei) p(ublicae) Iul(iensium) Kaṛ(norum) / ddd(ominis) nnn(ostris) Valentinia[n] ọ / et Valente Augg(ustis) IIII co(n)s(ulibus); dazu Froehlich 2014: 82; Haas 2006: 138 f.; außerdem Herzig 2007: 185 f. speziell zur Betrachtung der im Inschriftentext verarbeiteten Topoi bezüglich der Unwägbarkeiten beim Straßenbau. 711 Canali de Rossi 1999: 25–27 schlägt als alternative Lesung vor curante Apinio procran(te) / Matio, weil das Cognomen Programmatio laut seiner onomastischen Studie nirgends belegt ist. 712 CIL V 1863 = ILS 5886 = CLE 891 = AE 1992, 728 = AE 1994, 697: [I(ovi) O(ptimo)] M(aximo) / [Triviis Quadri]viis ceterisque dibu[s] / [a]ram c[u]m [signo] sollemne votum di[c(avit)] / Hermias succeptor operis aeterni / titulum immanem montem Alpinum / ingentem litteris inscripsit quot saipe / invium commiantium periclitante / populo ad pontem transitum non / placuit curiae et Attio Braetiano / q(uaestori) eorum viro ornato viam nov(am) / demonstrante Hermia multa ni/mis fide(n)s operisque paratus una/nimes omnes hanc viam explicuit; dazu ebenfalls Herzig 2007: 185 f., wiederum mit Blick auf die toposhaften Übertreibungen bei den Ausführungen zur schlechten Gangbarkeit der alpinen Passstraße; s. außerdem Haas 2006: 139 mit Fn. 342. Er macht darauf aufmerksam, dass die in der Inschrift genannte Strecke eine Neuanlage des in CIL V 1864 (s. weiter oben Fn. 709) genannten Trassenverlaufs darstellt; dazu vgl. Mainardis 1994. 713 Winkler 1985: 38; Froehlich 2014: 81 f. 714 Die Zollerhebung lag im Kompetenzbereich des Statthalters; dazu Walser 1986: 41. 715 So die naheliegende Vermutung von Froehlich 2014: 81–83 speziell für die östliche Alpenregion; zu den Interessen des cursus publicum sowie der Zollbeamten s. außerdem Haas 2006: 138 f. Auch könnte in derselben Gegend, nicht weit vom Plöckenpass entfernt, ein Brückenzoll erhoben

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In den Pyrenäen wurde ein ins 3. Jahrhundert datierter Meilenstein gefunden, der explizit auf Flutschäden am Straßenbelag hinweist. Die Lesung der nur fragmentarisch erhaltenen Inschrift ist umstritten (Text s. Fußnote).716 Etwa wird vermutet, dass der Text nach dem rekonstruierten restituit möglicherweise noch weiterging, sodass nach soluta nicht zwingend schon das Verb gestanden haben muss. Allerdings ist der Stein an der Stelle abgebrochen. Im älteren Rekonstruktionsvorschlag wird winterliches Flutwasser aus den Pyrenäen erwähnt, was in der jüngeren Textrekonstruktion einfach durch Flusswasser ersetzt wurde. Vor dem Hintergrund des schlechten Erhaltungszustands muss die Lesung wohl offenbleiben, doch ist auch unabhängig von der epigraphischen Nennung der Winterhochwasser schon allein aufgrund des Fundorts davon auszugehen, dass ein im Winterhalbjahr aufgetretener Sturzbach für die entsprechenden Schäden am Straßenbelag verantwortlich war. c. Straßen durch Feuchtgebiete In den klimatisch feuchteren, wasserreichen Regionen des Römischen Reichs stellten Sumpfgebiete und Marschlandschaften oder auch Strecken, die an mäandrierenden Wasserläufen entlangführten, besonders ungünstige Territorien für den Straßenbau dar. Dort wurden die Trassen auf aufgeschütteten Dämmen (aggeres) angelegt, also auf linearen Aufschüttungen im Gelände, über die die Fahrbahnen geführt wurden.717 Die teils hölzernen Substruktionen mussten dauerhaft vor Grundwasser sowie vor Flutund Regenwasser geschützt werden, sodass Entwässerungskanäle dort die Straßen flankierten.718 Neben der dauerhaften Entwässerung dienten die Kanäle dort zusätz-

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worden sein, was eine Inschrift nahelegt, in der von einem Caesaris Augusti arcari vicar(ius) die Rede ist (CIL V 1801). Er könnte mit dem Eintreiber des Brückenzolls identifiziert werden; ebd.: 78. Zu Brückenzöllen s. auch Dig. 19,2,60,8 (Labeo). CIL II 4911 = AE 1957, 311 = AE 1960, 158 = AE 2007, 698 (Text nach AE 1960): Iussu domini et princip[is nostri] / Magni Maximi victo[r]i[osissimi] / semper Augusti / Antonius Maximinu[s …] / novae provinciae Ma[ur(etaniae) C(aesariensis) et T(ingitanae)] / primus consularis e[t antea] / praeses viam ad fan[…] / rupibus famosam ia[m fluvi]/alibus aquis per viam […] / conplanavi solo paca[to et] / perdomito averso fl[umine] / inundatione soliti[s; alternativer Text nach AE 1957: Iussu domini et principis [imp.] / Magni Maximi victori[osiss.] / semper Augusti [p. m. tr. Pot. Cos.] / Antonius Maximinus [u. p. legat.] / novae provinciae Ma[uret. Ting.] / primus consularis et [praest.] / praeses viam ab fau[cibus] / rupibus famosam h[ibern]/alibus aquis pervas[tatam] / conplanavi solo pag[anico] / perdomito averso flu[mine] / inundatione solu[ta restituit]. Auch der lange Damm aus mykenischer Zeit, der durch das wasserreiche Gelände des Kopaïsbeckens hindurchführte, war vermutlich sowohl als Damm zum Hochwasserschutz konzipiert als auch als Straßenverbindung von der Stadt Gla bis zum Meer; dazu Knauss 1985: 52, der zusätzlich eine Nutzung als Treidelpfad für die antike Binnenschifffahrt in Betracht zieht. Dies war etwa bei der Via Appia auf der Strecke durch die Pomptinischen Sümpfe bei Terracina der Fall; Berechman 2003: 464; allgemein zu Entwässerungskanälen an römischen Straßendämmen sowie zu den Substruktionen selbst s. ebd.: 463 f. mit weiterführender Literatur.

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lich als Wasserweg, während die Straße zugleich als Treidelpfad genutzt wurde, wie beispielsweise auf der Teilstrecke der Via Appia, die durch die Pomptinischen Sümpfe führte.719 Trockenlegungsarbeiten entlang der Trasse durch die Sümpfe sind von der Republik bis in die Spätantike nachgewiesen, zumal die drainierten Areale bei mangelnder Pflege der Entwässerungseinrichtungen rasch wiedervernässten und dadurch auch die Passierbarkeit der Kommunikationswege erschwert wurde.720 Die Via Appia verlief nicht nur durch eben jenes ausgedehnte Sumpfgebiet, sondern querte bei Capua auch den Fluss Volturnus, der wegen seiner starken Hochwasser und Flussbettverlagerungen als besonders wild und furchterregend galt.721 Aus dieser Gegend liegt eine Serie von Meilensteinen und weiteren Bauinschriften vor, die über einen Zeitraum von etwa 200 Jahren wiederholt Straßenreparaturen dokumentieren. Bereits beginnend mit der Regierungszeit Nervas und dann wieder unter Antoninus Pius waren dort Straßenbauarbeiten vorgenommen worden.722 Unter Septimius Severus sind erneut Arbeiten zur Verstärkung der Straße bezeugt.723 Schon wenige Jahre später unter Caracalla wurde der Straßenbelag an jenem Streckenabschnitt ein weiteres

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So weiß Horaz, freilich satirehaft, von einer Reise durch eben jenes Sumpfgebiet zu berichten, bei dem er und seine Reisegruppe auf dem Weg von Rom nach Brundisium, der Via Appia folgend, eine Teilstrecke auf einem Boot zurücklegten. Das Boot wurde von einem Maultier gezogen; Hor. sat. 1,5,11–23. Zu dieser Doppelfunktion von Entwässerungskanälen entlang römischer Straßen s. Heinz 2003: 80 f. 720 Walsh et al. 2014; für Instandsetzungsmaßnahmen der Kommunikationswege zu republikanischer Zeit: AE 1997, 310 = AE 2001, 815; unter Theoderich: CIL X 6850 = ILS 827; CIL X 6851 = ILS 827; Cassiod. var. 2,32–33. 721 Stat. silv. 4,3,67; Sil. 8,529; Verg. Aen. 7,728–729; Ov. Met. 15,714–715; Lucan. 2,423; dazu s. Masi Doria 2004: 203; Biundo 2014: 101. An einer weiter von der Straße entfernten Stelle entlang des Flusses konnten archäologisch inzwischen römische Drainagearbeiten identifiziert werden, die mittels eingegrabener Amphoren realisiert wurden; dazu Biundo 2014: 102 f.; zur Technik der Amphorendrainage allgemein s. den Sammelband von Pesavento Mattioli 1998; für Grundzüge der diesbezüglichen Forschung s. auch Antico Gallina 2011 sowie weiter unten in Kapitel III.4.2 für konkrete Beispiele. 722 AE 2003, 343 (Nerva, 97 n. Chr.): Imp(erator) Nerva / Caesar Aug(ustus) / pontifex maximus / tribuniciae potestatis / co(n)s(ul) III / pater patriae / faciendum curavit / CXX; CIL X 3831 (Antoninus Pius, 139 n. Chr. oder etwas später): [Imp(erator) Caes(ar) divi Hadriani f(ilius)] divi Traiani [Parthici nep(os)] / [divi Nervae pron(epos) T(itus) Ae]lius Hadri[anus Antoninus] / [Aug(ustus) Pius pontif(ex) max(imus) co(n)s(ul)] II trib(unicia) potes[t(ate) II(?)] / [---] subversum res[tituit] – „Der Sohn des vergöttlichten Hadrian usw. stellte [den/die/das] umgestürzte [Straßenbelag? / Straßenbefestigung?] wieder her.“; dazu Chioffi 2005: 161. 723 CIL IX 5980 = X 6908 = ILS 5858 (201 n. Chr.): Imp(erator) Caes(ar) L(ucius) Septimius / Severus Pius Pertinax / Aug(ustus) Arabic(us) Adiabenic(us) / Parthic(us) maxim(us) pontif(ex) / maximus trib(unicia) pot(estate) VIIII / imp(erator) XI co(n)s(ul) II p(ater) p(atriae) desig(natus) III / proco(n)s(ul) et / Imp(erator) Caes(ar) M(arcus) Aurelius / Antoninus Pius August(us) / trib(unicia) pot(estate) IIII designat(us) co(n)s(ul) / proco(n)s(ul) et / P(ublius) Septimius Geta nobiliss(imus) / Caesar / murum ad defension(em) viae vetustate con/labsum restituerunt – „Imperator Caesar Lucius Septimius Severus Pius Pertinax usw. und Imperator Caesar Marcus Aurelius Antoninus Pius usw. und Publius Septimius Geta usw. stellten die aus Altersgründen verfallene Mauer zur Sicherung der Straße wieder her.“

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Mal erneuert (212 n. Chr.), im Umfeld einer Brücke eingefallene Dämme und Befestigungen wiedererrichtet (214 n. Chr.).724 Nach einer größeren zeitlichen Lücke liegt für die Regierungszeit des Diocletian und Maximinian wieder ein Meilenstein vor, diesmal allerdings ohne expliziten Verweis auf Reparaturmaßnahmen.725 Von Schäden, die durch das Flutwasser des Volturnus hervorgerufen wurden, ist in allen Fällen auszugehen.726 Um die Strecke von Rom nach Puteoli zu verkürzen, war bereits gegen Ende des 1. Jahrhunderts unter Domitian als Alternative zur Via Appia die sogenannte Via Domitiana angelegt worden. Sie führte direkt durch das marschige Küstengebiet, was technisch einen enormen Aufwand bedeutete.727 In sumpfigen Altarmen von Flüssen und an häufig unter Wasser stehenden Flussufern konnten als Geh- und Fahrweg insbesondere in den Nordwestprovinzen auch Bohlenwege aus massiven Holzkonstruktionen nachgewiesen werden.728 In einigen Fällen erfüllten die Straßendämme explizit zweierlei Funktionen, wie mehrere Inschriften bezeugen. So wurden beispielsweise in der zunehmend verlandenden Küstenlandschaft am Mäander-Delta in Kleinasien Straßendämme errichtet, die darauf abzielten, auch während der Zeit der saisonalen Hochwasser die verkehrstechnische Erreichbarkeit sicherzustellen. Eine in Milet gefundene, höchst poetische Inschrift zu Ehren eines städtischen Euergeten aus dem 4./5. Jahrhundert n. Chr. bezeugt den Bau eines Dammes (bzw. einer „Brücke“, γέφυρα), der das dahinterliegende Land gegen Hochwasser schützte und zugleich die Anbindung Milets ans Binnenland zu jeder Jahreszeit gewährleistete.729 Der Inschriftentext, ein Epigramm, setzt sich aus

724 CIL X 6876 = ILS 5859 (212 n. Chr.): Imp(erator) Caesar Aug(ustus) / M(arcus) Aure/lius Antoninus Pius Fe/lix Aug(ustus) Parthicus max(imus) / Britannicus max(imus) p(ontifex) m(aximus) p(ater) p(atriae) / co(n)s(ul) III desig(natus) IIII / viam inundatione aqu(a)e / interruptam restituit – „Imperator Caesar Augustus Marcus Aurelius usw. ließ die Straße, die von einer Überschwemmung durch Wasser durchbrochen worden war, wiederherstellen.“ Die Bauinschrift war einst an einer dort befindlichen Brücke über den Volturnus angebracht; dazu Chioffi 2005: 160–161, Nr. 198; CIL IX 5994 = CIL X 6922 (214 n. Chr.); auch dieser Stein wurde in unmittelbarer Nachbarschaft einer Brücke der Via Appia gefunden; Text abgedruckt weiter unten in Kapitel IV.1.1. 725 AE 2003, 344 (zwischen 293 und 305 n. Chr.): Impp(eratoribus) / Diocletiano et / Maximiano / Augg (ustis) et / Constantio et / Maximiano / nobilissimis / C(a)ess(aribus) / CXX. Die Inschrift wurde beim heutigen Borgo Appio gefunden, was etwas weiter flussabwärts liegt als Capua, aber ebenfalls noch am Fluss. 726 Chioffi 2008: 25; Biundo 2014: 101. 727 Die Anlage der Straße wurde in einem enkomiastischen Gedicht von Statius verewigt: Stat. silv. 4,3; dazu Biundo 2014 sowie ausführlich weiter unten in der Synthese (IV.1.1). 728 Für Beispiele aus der Germania Superior s. etwa Wirth 2011, wobei in diesem Fall nicht klar aus dem Befund hervorgeht, ob es sich um eine regelrechte Brücke über einen Altarm des Neckars oder lediglich um einen Bohlenweg durch sumpfiges Gelände handelte; Huther/Schallmayer 2005 für Bohlenwege auf dem Gelände eines immer wieder überschwemmten Weihebezirks eines Kohortenkastells (Osterburken) am vorderen Limes; dazu s. weiter unten Kapitel III.4.3. 729 Zur Inschrift s. Philipp 1979. Die Inschrift wurde auf einer Säulentrommel angebracht, die deutliche Spuren mehrerer Verwendungsphasen aufweist. Vermutlich stand zu der Zeit, als die Inschrift auf der Trommel angebracht wurde, das ursprüngliche Gebäude schon nicht mehr; ebd.: 199.

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zwei elegischen Distichen zusammen und ist zudem dicht von homerischen Formen durchdrungen, was auch die poetische Wortwahl erklärt. Vermutlich wurde also nicht zuletzt aus Gründen der Metrik auf das besser passende, dreisilbige γέφυρα (‚Brücke‘) zurückgegriffen, anstatt das nur zweisilbige χῶμα (‚Damm‘) zu verwenden.730 Aufgrund der benutzten Buchstabenformen – hoch, schmal und dicht gedrungen – ist die Ehrung wohl in die Spätantike zu datieren, grob auf einen Zeitraum zwischen dem 4. und 7. Jahrhundert, mit möglicher Tendenz hin zum 4./5. Jahrhundert. Auf jeden Fall ist klar, dass die Ehrung bereits in der christlichen Ära aufgestellt wurde, da der Text an Anfang und Ende von je einem Kreuz flankiert ist. Der Text dokumentiert die Ehrung eines hohen Magistraten mit dem Namen Bitianos durch die Stadtbürger: Δῆμος ὁ Μιλήτοιο σαόπτολιν ὧδε γεραίρει / Βιτιανὸν στήληι κύδιμον εὐνομίαις / οὗνεκα πρὸ πτόλιος γέφυραν ποιήσατ’ ὁδίταις / ἄλκαρ χειμερίων πληθομένων ὑδάτων. Die Gemeinde von Milet ehrt hier den Retter der Stadt, Bitianos, der wegen seiner Gesetzestreue berühmt ist, mit einer Stele, weil er als Inhaber eines hohen Amtes für die Reisenden einen Damm hat bauen lassen zur Wehr gegen die im Winter anschwellenden Wasser.731

Da die Gezeitenbewegungen um das antike Milet zu jener Zeit nur noch wenig ausgeprägt waren, hält Gerhard Tuttahs den ausschließlichen Bezug auf die Flusshochwasser am Mäander für wahrscheinlich.732 Diese Interpretation scheint schon wegen der Erwähnung der Wintermonate naheliegend.733 In jedem Fall war der Latmische Golf zu dem Zeitpunkt bereits weitgehend verlandet, sodass statt des Meerwassers sich längst der Mäander seinen Weg um die einstige Halbinsel bahnte (vgl. Abb. 5 in Kapitel III.1.3a).734 Gegen seine winterlichen Fluten musste die Verkehrsanbindung gesichert werden, wovon der Inschriftentext zeugt.735 Der erwähnte Brückendamm erfüllte demnach eine doppelte Funktion, nämlich die des Hochwasserschutzes und zugleich die der ganzjährigen Kommunikation über die Straßentrasse.736 730 Ich habe meinem Doktorvater Wolfgang Blösel für diese aufschlussreiche Beobachtung zu danken. 731 IMiletos 446 = SEG 31, 979 = AE 1981, 761; Inv.-Nr. 2287, DAI Abteilung Istanbul. Die Übersetzung ist entnommen aus Philipp 1979: 199. 732 Tuttahs 2007: 418. 733 In ihrer Wortstudie des Inschriftentextes stellt Philipp 1979: 202 klar, dass die Vokabel χειμέριος mindestens im spätantiken Sprachgebrauch sowohl ‚winterlich-stürmisch‘ als auch ‚zu Winters Zeit, im Winter‘ bedeuten konnte. 734 Brückner et al. 2013: 84–89; Tuttahs 2007: 419. 735 Pekáry 1968: 122 f. wies bereits darauf hin, dass die Straßen an den hochwasseranfälligen Flüssen Mäander (Asia) und Kaystros (Lydia) unwegsam und daher teuer in ihrer Instandhaltung waren. 736 Thonemann 2011: 317, mit Fn. 50; Tuttahs 2007: 419; vgl. Philipp 1979: 203 mit dem Hinweis, dass es sich, nach dem Wortlaut der Ehrung zu urteilen, um eine für die gesamte Gemein-

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Bemerkenswert am Inhalt der Ehrung ist, dass der Geehrte zwar als „Inhaber eines hohen Amtes“ bezeichnet wird, jedoch nichts von einer städtischen Beteiligung oder Finanzierung des Bauprojekts zu lesen ist. Vielleicht war der Bau, so Philipp, aus einer privaten Initiative heraus entstanden, möglicherweise unter Bitianos’ Führung.737 Die Inschrift stammt daher wahrscheinlich aus einer Zeit, in der die Stadt nicht mehr über genügend Mittel für solcherlei öffentliche Bauten verfügte und sich deshalb wohlhabende Stadtbürger der Aufgabe annehmen mussten.738 Mit ähnlichen Straßendämmen entlang des Mittel- und Unterlaufs des Mäanders ist zu rechnen, doch aufgrund der Vergänglichkeit solcher Strukturen wird wohl erst der systematische Einsatz von geowissenschaftlichen Prospektionsmethoden nähere Details zur Klärung dieser Frage liefern. Die Erwähnung eines Brückenbaus im direkten Zusammenhang mit Hochwasserschutz wie in der besagten Ehreninschrift mag zunächst befremdlich anmuten. Allerdings ist dies nicht der einzige Fall und er beschränkt sich auch nicht auf den griechischen Sprachraum. Eine lateinische Bauinschrift aus Ostia dokumentiert ebenfalls den Bau einer „Brücke“ (pons) unter Kaiser Commodus, die eine Hochwasserschutzfunktion erfüllt haben soll.739 Archäologische Spuren konnten bisher nicht mit dem epigraphisch bezeugten Bau in Verbindung gebracht werden, zumal offenbleibt, wie die Konstruktion konkret ausgesehen hat. Vielleicht handelte es sich lediglich um einen erhöhten Straßendamm, der möglicherweise zugleich als flutsicherer Treidelpfad fungierte. Vielleicht sind die allenthalben zu findenden Verweise auf ein Verstärken (munire) der Fahrbahn bei Straßenverläufen entlang eines Flusses oder Entwässerungskanals generell dahingehend zu interpretieren, dass die Gangbarkeit nicht zuletzt für den Treidelverkehr gesichert wurde – zumindest in jenen Regionen, in denen das Wasserregime diese Nutzung zuließ.740 Wo dies mit den verfügbaren Mitteln selbst mit großen Anstrengungen nicht verlässlich möglich war, wurden Wasserläufe wohl streckenweise

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de wichtige Verbindungsstraße gehandelt haben muss, die zudem nicht im (alten verlandeten) Hafenbereich zu verorten ist, sondern eher gen Hinterland, vielleicht in Richtung Mylasa. Ihre Beobachtungen stützt sie darauf, dass im Text weder Hafenanlagen noch die Heilige Straße Milets genannt sind. Vorschläge für eine Verortung des Dammes gibt Tuttahs zusammen mit dem Hinweis auf das Toponym, das ein heute in der Nähe befindlicher Straßendamm trägt (‚Sedde‘ = Damm); Tuttahs 2007: 419, mit Abb. 449. In diesem Zusammenhang ist auch auf den sich allgemein verändernden ‚epigraphic habit‘ der kleinasiatischen Poleis in der Spätantike hinzuweisen. Zu der Zeit wurde es in Kleinasien immer unüblicher, Liturgien und Ämter in Inschriften konkret zu benennen., dazu s. Pont 2017; Blanco Pérez 2021. Philipp 1979: 203. AE 1909, 67. Neben den bereits genannten Beispielen etwa CIL III 3201 = CIL III 10159 = CIL III p. 2328, 19 = ILS 5829a = ILJug. I 263 = AE 1961, 305 = AE 1964, 2; dazu Alföldy 1965: v. a. 326 für die mögliche Identifikation des Flusses.

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ganz umgeleitet oder in einen Kanal gefasst.741 Andere, ähnlich lautende Bauinschriften, könnten ebenfalls auf Straßendämme mit Flutschutzfunktion wie dem am Mäander Bezug nehmen, etwa wenn von munitiones, aggeres oder substructiones (meist als Verben) die Rede ist.742 Selbst im Falle von ripae wäre im Zusammenhang mit dem Straßenbau an künstlich erhöhte Uferdämme und Uferbefestigungen zu denken.743 Wahrscheinlich handelte es sich bei den als Brücken bezeichneten Straßendämmen, die laut Inschrift zugleich Hochwasser fernhalten sollten, um besonders lange, möglicherweise auch frei im Gelände verlaufende Dammkonstruktionen, die auf diese Weise gleichsam die Ebene „überbrückten“.744 So wurde auch sprachlich nicht strikt zwischen Brücke und Straßendamm unterschieden.745 In ihrer Rolle als verkehrssichernde Struktur bei Hochwasser entsprachen derlei Konstruktionen in der antiken Vorstellungswelt dann wohl am ehesten den Straßenbrücken. Auf sie wird im folgenden Kapitel einzugehen sein. Alternativ wäre bei der Flutschutzbrücke in Ostia auch an eine Art Wehr zu denken, wobei dies am Unterlauf des Tiber eher unwahrscheinlich ist. Insbesondere aus dem Osten des Reichs sind jedenfalls technisch äußerst komplexe Brücken-Wehr-Kombinationen aus römischer Zeit bekannt, die gleich vielerlei Zwecken dienten. Dabei handelte es sich um dammähnliche Sperranlagen quer zum Fluss, über die in manchen Fällen zugleich eine Straße verlief.746 Neben anderen Exemplaren hat sich im Iran die

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Die mehrere Kilometer lange Kanalisierung des Orontes bei Antiocheia etwa war Teil der Verbesserung der Schiffbarkeit, die mit den militärischen Operationen gegen die Parther in Zusammenhang standen. Die Verstetigung des Flussbettes trug sicherlich auch zur Absicherung der Treidelpfade bei; AE 1983, 927; dazu bereits in Kapitel III.2.3. Am ‚Eisernen Tor‘ an der Donau war der Flusslauf teilweise gar vollständig um besonders gefährliche Stromschnellen herumgeleitet worden, sowie zudem ein eigener Treidelpfad angelegt wurde, um die Schiffbarkeit jenes Streckenabschnitts zu garantieren und ein Umladen von Gütern für den Landtransport zu vermeiden; AE 1973, 475. So z. B. CIL IX 5994 = CIL X 6922; CIL VIII 10327 = ILS 5874; AE 1997, 310 = AE 2001, 815. Nahegelegt wird diese Überlegung auch durch die cippi am Tiber sowie durch die Amtspflichten der cura riparum. Die Kontrolle der Uferbereiche und die Sicherung gegen Überschwemmungen waren eine der Hauptaufgaben des Kuratoriums. Das Aussehen einiger der erhaltenen cippi (besonders derjenigen, auf denen die Inschrift längs statt quer angebracht war) legen ihre Verbauung als Krönung eines Uferdammes oder einer anders gearteten Uferbefestigung nahe, z. B. CIL VI 31543 = ILS 5893 = AE 1889, 121 = AE 1889, 152. Weitere Beispiele haben sich etwa in Großbritannien gefunden, so z. B. der Wigford Causeway in Lincolnshire, der unter den Römern im 1. Jahrhundert n. Chr. angelegt wurde, um einen Sumpf zu durchqueren, während ein früherer Verkehrsweg scheinbar um das Sumpfgebiet herumführte; dazu s. Rogers 2013: 70; generell zum Thema mit weiteren Beispielen ebd.: 125 f. Die verschiedenen künstlichen Konstruktionen, die im antiken Sprachgebrauch mit dem lateinischen Terminus pons bezeichnet wurden, reichen von erhöhten Dämmen, Wehren und Bohlenwegen bis hin zu Überführungen; dazu s. auch ThLL 10,1, s. v. pons, Sp. 2666–2671. S. außerdem Sauer 2006: 70 zur grundsätzlich breiteren Bedeutung der Begriffe γέφυρα/pons in der Antike zum einen als Brücke, zum anderen als Damm(-weg), der in manchen Fällen mit zusätzlichen Wasserdurchlässen versehen war (für lange Dammwege ist deshalb auch die Bezeichnung pons longus belegt; Catull. 17; Caes. Gall. 6,6,1; 8,14,4). Schnitter 1994: 76–78; Schnitter 1978: 32.

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Abb. 16 Dammbrücke Band-e-Amir im heutigen Iran (© Kai Wellbrock, vgl. Voss/Wellbrock 2011: 84, Abb. 1)

in der Forschung unter dem Namen Band-e-Amir bekannte Dammbrücke erhalten (Abb. 16). Im Inneren der Konstruktion sind zusätzlich 30 Wassermühlen integriert, die noch bis in die 1960er Jahre genutzt wurden.747 Solcherlei Konstruktionen gehen im Kern auf sāsānidische Dammkonstruktionen zu Bewässerungszwecken zurück und wurden von den Römern ebenso wie der Talsperrenbau nach deren Vorstoß in den Osten übernommen.748

747 Voss/Wellbrock 2011. Die ursprüngliche Konstruktion datiert wahrscheinlich ins 5. Jh. v. Chr. und damit in vorrömische Epoche. Die Datierung ist aufgrund der kontinuierlichen Nutzung allerdings schwierig zu klären. 748 Schnitter 1994: 76 f.; Schnitter 1978: 32. Teils ist die römische Handschrift jener Konstruktionen im heutigen Iran auch auf Zwangsarbeiter aus dem römischen Heer zurückzuführen, die unter dem Sāsānidenkönig Shapur 1. (242–272 n. Chr.) für Bauarbeiten an der Wasserinfrastruktur eingesetzt wurden; vgl. weiter oben Kapitel III.2.3d.

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III.3.2 Zwischen Flut und Trockenzeit: Brücken und schwankende Pegel Brücken über Flüsse und Bäche sind von allen hier behandelten Wasserbauten diejenigen, die am besten den Kern dieser Studie verkörpern: Auf den ersten Blick scheinen sie wenig mit Hochwasser zu tun zu haben, zumal sie selbst nicht unmittelbar vor Überschwemmungen schützen können und sollen.749 Dennoch hängt ihre Präsenz mit der Wahrscheinlichkeit zusammen, dass Hochwasser eintreten könnten. Somit sind Brücken in gewisser Weise auch Teil der Hochwasservorsorge. Sie sind für den tatsächlichen Eintritt einer Flut ausgelegt und gegen sie abgesichert, da sie Wege über Wasserläufe darstellen, die ihrerseits mehr oder weniger starken Pegelschwankungen unterliegen. Wo Brückenkonstruktionen fehlten, konnten seichte Furten und selbst kleinste Bäche – oder vielmehr gerade sie – bei starkem Hochwasser zu unüberwindbaren Hindernissen werden.750 Ailios Aristeides ließ es sich denn auch nicht nehmen, die ingenieurstechnischen Leistungen hinter der reichsumspannenden Infrastruktur im Besonderen hervorzuheben, als er gegen Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. die Errungenschaften Roms pries: „Ihr [die Römer] habt den ganzen Erdkreis vermessen, Flüsse überspannt mit Brücken verschiedener Art, Berge durchstochen, um Fahrwege anzulegen (…).“751 Aus der Bewunderung, die Aristeides jenen Anstrengungen entgegenbringt, macht er keinen Hehl, und insbesondere die Brückenbauten scheinen ihn in ihrer Vielgestaltigkeit beeindruckt zu haben. Die Vielfalt der baulichen Ausformung von Brücken war eine Antwort auf die unterschiedlichen Wasserregime und Landschaftsformen, die das Römische Reich zu jener Zeit umfasste. Außerdem waren Brücken allgegenwärtig. Sie fanden sich in städtischen Zentren ebenso wie außerorts, denn sie waren überall dort anzutreffen, wo sich in Flussauen, Schwemmebenen und Ästuarien Siedlungs- oder Wirtschaftsräume herausgebildet hatten.752

749 Ausnahmen bilden die gerade am Ende des vorigen Kapitels behandelten Damm- und Wehrbrücken, die eine Doppelfunktion als stabilisierende Straßensubstruktion und zugleich als Damm bzw. Wehr erfüllten. 750 Ov. am. 3,6,3–4: Nec tibi sunt pontes nec quae sine remigis / ictu concava traiecto cumba rudente vehat. – „Weder Brücken hast du, noch einen hohlen Kahn, der ohne Ruderschlag am Fährseil entlang zur Überfahrt [dich] zieht.“ 751 Aristeid. 26,101: ‚γαῖα δ᾽ ἔτι ξυνὴ πάντων‘ ὑμεῖς ἔργῳ ἐποιήσατε, καταμετρήσαντες μὲν πᾶσαν τὴν οἰκουμένην, ζεύξαντες δὲ παντοδαπαῖς γεφύραις ποταμοὺς, καὶ ὄρη κόψαντες ἱππήλατον γῆν εἶναι (…). Übersetzung: Richard Klein (Klein 1983). In ähnlicher Weise hatte bereits Plinius den planvollen Ausbau des Hafen- und Straßennetzes unter Trajan gelobt; Plin. paneg. 29,2; dazu s. Seelentag 2008: 105 f.; für die augusteische Zeit bereits Dion. Hal. ant. 3,67,5; dazu s. Kissel 2002: 144. 752 Gerade besonders bedeutende Städte wie beispielsweise Rom, Bordeaux, Köln, London oder Straßburg waren Flusssiedlungen, die teils auf Schwemmland gebaut waren; Allinne 2007: 71.

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a. Störung der Kommunikation Als integraler Bestandteil des römischen Straßennetztes sollten Brücken die Versorgung und Kommunikation sicherstellen, auch bei erhöhten Pegelständen.753 So waren römische Brücken meist dort anzutreffen, wo überregional wichtige Straßen entlangführten, zumal dafür entsprechend öffentliche Gelder für Bau und Wartung zur Verfügung standen.754 Allerdings müssen Steinbrücken nicht unbedingt zeitgleich mit den dazugehörigen Straßen errichtet worden sein. Eine gewisse Zeit lang könnten Furten, Holzstege oder Fähren die Querung ermöglicht haben, die dann erst viel später durch Steinbrücken ersetzt wurden.755 Neueren archäologischen Erkenntnissen zufolge waren Furten als Teil von römischen Überlandstraßen in vielen Fällen gar gepflastert.756 Auch an temporär eingerichtete Fährverbindungen wäre zu denken, die nur ad hoc während außergewöhnlich starker Hochwasser eingerichtet wurden. In Rom stand etwa das Velabrum bei heftigeren Tiberfluten regelmäßig unter Wasser, sodass dort zeitweise offenbar ein Fährverkehr zur Querung eingerichtet wurde.757 Vielleicht er753

Manche Aspekte zu Brücken und zum Brückenbau seien in der altertumswissenschaftlichen Forschung bisher dennoch eher wenig wahrgenommen worden, so zumindest noch Briegleb 2002: 105 und 107–108. Bereits Heinz 1988: 51 bemängelte die fehlende Zusammenarbeit von Archäologen und Althistorikern auf dem Gebiet und kritisierte außerdem die starke Konzentration auf architektonisch-ästhetische Aspekte in der altertumswissenschaftlichen Forschung zu Brücken, die wichtige Fragen zu Infrastruktur und Straßenführung bislang (d. h. bis Ende der 1980er Jahre) stark vernachlässigt habe. Ähnliches, obgleich weniger kritisch, stellt O’Connor 1993: xv fest. Es ist in der Tat auffällig, dass bis heute die grundlegenden Studien und Überblicksdarstellungen zu römischen Brücken in ihrer Rolle als Infrastrukturbauten fast allesamt von Straßenbauingenieuren stammen, so etwa die Werke von O’Connor 1993; Durán Fuentes 2004; Durán Fuentes 2009; Barow 2012. Ausnahmen bilden etwa die Ausführungen zum römischen Brückenbau bei Schneider 1982: 65–77, die Monographie des klassischen Archäologen Heinz 2003, der interdisziplinäre Sammelband von Tönsmann zu Brücken als „historische[n] Wege[n] über den Fluss“ (Tönsmann 2006), erschienen in der Reihe der Kasseler Technikgeschichtlichen Kolloquia, sowie der ebenfalls interdisziplinär angelegte Sammelband von Artru/Prell 2011 mit Beiträgen von Archäologen, Bauforschern, Wasserbauingenieuren und Historikern. Dennoch stehen auch dort die einzelnen Beiträge eher nebeneinander, als dass sie synthetisch miteinander in Verbindung gebracht worden wären. Trotz allem stellen die letzteren beiden Bände erste Versuche dar, fachübergreifend an die Thematik heranzutreten. 754 So etwa der Fall entlang der Via de la Plata in Hispanien; dazu Sánchez Barrero 2010: 59 f., wobei im Fall der Brücke über den Guadiana bei Mérida von einer bereits in vorrömische Zeit datierende Furt als Vorgänger auszugehen ist. 755 Zu diesen Überlegungen s. O’Connor 1993: 4. In der Stadt Rom war es der 176 v. Chr. errichtete Pons Aemilius, für den zum ersten Mal an einer Tiberbrücke Pfeiler aus Stein eingesetzt wurden, wobei die Fahrbahn selbst aus Holz gebaut war. Erst bei ihrer Umgestaltung im Jahr 147 v. Chr. wurde die hölzerne Konstruktion durch Steinbögen ersetzt; Liv. 40,51,4; Meiggs 1982: 220. 756 Bonnamour/Wirth 2001: 21. 757 Varro ling. 5,44; zur dort dargelegten Etymologie zum Toponym des Velabrum s. Melo 2019: 687 (zu Kapitel 44 bei Varro; das Toponym geht wahrscheinlich auf einen etruskischen Ortsnamen zurück); Plut. Romulus 5,5; Prop. 4,9,5–6; Tib. 2,5,33–34; zu den Quellenstellen bei Varro und Plutarch s. Ammerman 1998: 221. So sind die Erwähnungen von Bootsverkehr in Rom während Überschwemmungen sicherlich auch auf spontan eingerichtete Fährverbindungen zu beziehen,

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setzten auch im Fall von Brückenzerstörungen Fähren kurzzeitig Brückenkonstruktionen, um Verbindungswege weiterhin offenzuhalten. Andernfalls konnte ein schweres Hochwasser sogar als Grund dafür geltend gemacht werden, trotz Vorladung nicht vor Gericht erschienen zu sein: War die Strömung eines Flusses (vis fluminis) so stark, dass Brücken unpassierbar oder weggerissen worden waren und auch der Fährverkehr eingestellt oder keiner vorhanden war, war der Vorgeladene entschuldigt. Dies galt selbst noch nach dem eigentlichen Hochwasserereignis, sofern die Infrastruktur zur Querung des Flusses noch nicht wiederhergestellt war.758 Da Brücken insbesondere zur Querung von Wasserläufen dienten, war freilich kein alternativer Standort als der unmittelbar im Fluss gelegene möglich. Die Definition von Werner Heinz, die er in seiner Studie zu Römerbrücken anführt, bringt die baulichen Herausforderungen für Flussbrücken gut auf den Punkt, handelt es sich demgemäß doch um „Konstruktion[en], mit deren Hilfe es möglich ist, ein Hindernis zu überwinden, das aufgrund tatsächlicher oder möglicher Eigenbewegung einen Freiraum braucht, der nicht verstellt werden darf.“759 Die hohe Anfälligkeit von Brücken für Beschädigungen und für ihre vollständige Zerstörung durch Hochwasser ergibt sich also insbesondere aus ihrer Anlage quer zur Wasserströmung. Da nimmt es nicht wunder, dass Brücken in der antiken Literatur häufig zusammen mit Hochwasser führenden Flüssen genannt werden, fielen sie doch immer wieder der starken Strömung zum Opfer oder trugen zumindest starke Schäden durch sie davon.760 Eindrücklich beschreibt Lukrez die zerstörerische Kraft der durch Hochwasser angeschwollenen Flüsse: Sunt igitur venti ni mirum corpora caeca, quae mare, quae terras, quae denique nubila caeli verrunt ac subito vexantia turbine raptant, nec ratione fluunt alia stragemque propagant

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wenngleich nicht ausschließlich. Möglicherweise schließt dies Verbindungen quer über den Tiber ein, wo es die Strömung zuließ; zum Bootsverkehr in Rom bei Flut s. Cass. Dio 37,58,3; 53,20,1; 53,33,5; 54,25,2; 55,22,3; 57,14,7; 58,26,5; Zonaras 11,3; Amm. 29,6,18. 758 Dig. 2,11,2 (Ulpianus), dort v. a. 7–8: Vis fluminis etiam sine tempestate accipienda est: vim fluminis intellegimus, et si magnitudo eius impedimento sit sive pons solutus sit vel navigium non stet. – „Von ‚Gewalt des Flusses‘ (vis fluminis) ist auch ohne Sturm auszugehen: Unter ‚Gewalt des Flusses‘ verstehen wir auch, dass seine Fülle (magnitudo) ein Hindernis darstellt, weil entweder die Brücke stark beschädigt ist oder keine Fähre bereitsteht.“ Das Substantiv magnitudo bezogen auf einen Fluss und zumal im Zusammenhang mit seiner starken Strömung (vis) musste bedeuten, dass der betreffende Wasserlauf Hochwasser führte; dazu bereits ausführlicher in Kapitel II.1. Cicero sah es hingegen noch als umstritten an, ob die Einschränkung des Fährverkehrs wegen Hochwassers tatsächlich als Grund für Verzug geltend gemacht werden könnte; Cic. inv. 2,31,97. Zum durch Überflutung gestörten Wegerecht s. Campbell 2010: 319. 759 Heinz 1988: 51; vgl. Briegleb 2002: 105; Kissel 2002: 148; Sauer 2006: 68. 760 Neben vielen anderen Textstellen z. B. Verg. Aen. 8,728; Stat. silv. 4,3,78–79; Liv. 35,21,5; Tac. hist. 1,86,2; Caes. civ. 1,40,3; 1,48,2; Cass. Dio 55,22,3; Strab. 4,1,12 C 187.

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et cum mollis aquae fertur natura repente flumine abundanti, quom largis imbribus auget montibus ex altis magnus decursus aquai fragmina coniciens silvarum arbustaque tota, nec validi possunt pontes venientis aquai vim subitam tolerare: ita magno turbidus imbri molibus incurrit validis cum viribus, amnis, dat sonitu magno stragem volvitque sub undis grandia saxa, ruit qua quidquid fluctibus obstat. Also gibt es, kein Zweifel, verborgene Körper des Windes, die das Meer, das Land, die schließlich die Wolken des Himmels fegen und reißen dahin mit plötzlichem Wirbel verheerend, und die nicht auf andere Weise fließen und Unheil verbreiten, als wenn plötzlich die sanfte Natur des Wassers dahineilt überschäumenden Stroms, die mehrt mit reichlichem Regen hoch vom Berge herab des Wassers mächtiger Absturz, Brocken der Wälder in eins, ja ganze Gebüsche mittreibend, und die Brücke nicht kann, die feste, des kommenden Wassers plötzliche Wucht ertragen: So wirbelnd vom mächtigen Regen stößt die Pfeiler der Strom mit seinen kernigen Kräften, schafft mit großem Gebraus Verwüstung, und unter den Wellen wälzt er riesige Blöcke und stürzt, was der Flut in den Weg tritt.761

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Deutlich wird in der Textstelle vor allem die Plötzlichkeit, mit der das Flutwasser aus den Bergen geschossen kam und mit voller Wucht gegen die Brückenkonstruktionen prallte. Insbesondere entlang des Laufs von typischen Mittelmeerflüssen ergab sich daraus die Notwendigkeit, die Konstruktion von Vornherein an den höchsten Jahrespegelstand anzupassen, obgleich die Fluss- und Bachbetten einen großen Teil des Jahres nur sehr wenig bis gar kein Wasser führten: Die für den Mittelmeerraum so typischen torrentiellen Abflussregime mussten bei Planung und Ausführung der Bauten immer und von Anfang an im Auge behalten werden.762 Dasselbe galt für Brücken in steilen Gebirgsregionen. Welchen Einfluss Hochwasserregime auf Zustand und Erhaltung von Brückenbauten ausüben, lässt sich etwa an der heutigen Verteilung römischer Brücken auf der Ibe-

761 Lucr. 1,277–289. Übersetzung: Karl Büchner (Büchner 1986). 762 Briegleb 2002: 107; Schneider 2006: 2 f.; Barow 2012: 72; außerdem Heinz 1988: 51, der weiter unten (ebd.: 54) ergänzend anführt, dass auch wenig wechselhafte Pegelstände zu erheblichen Schäden am Brückenbau führen können, insbesondere dann, wenn es sich um Holzbrücken handelt. Das in regelmäßigen kurzen Abständen erfolgende Austrocknen und das erneute Anfeuchten der Holzbalken führt innerhalb kürzester Zeit zu Fäulnis an der betreffenden Stelle.

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rischen Halbinsel ablesen: Brücken römischen Ursprungs sind dort überwiegend im Norden und Nordwesten zu finden, während in den vom Mittelmeerklima geprägten Regionen und in gebirgigen Zonen tendenziell weniger römische Brücken erhalten geblieben sind. Die mediterran geprägten Hochwasserregime haben der alten Bausubstanz so sehr zugesetzt, dass sie im Laufe der Zeit vollständig durch neuere Konstruktionen ersetzt werden mussten.763 b. Überdimensionierte Römerbrücken? Ein wesentliches Merkmal römischer Brücken im Mittelmeerraum ist ihr großes Ausmaß. In Anbetracht der Wasserläufe, die die Brücken überspannen, erscheinen die Konstruktionen im ersten Moment oft überdimensioniert. Die berühmte Brücke von Alcántara im heutigen Spanien zum Beispiel,764 deren Ursprung bereits in der Römerzeit liegt, scheint zunächst unproportional zum Fluss Tagus (Tajo/Tejo), den sie quert. Erst bei Hochwasser erweisen sich die hohen Bögen als adäquat bemessen.765 Die mutmaßlich während der Herrschaft Trajans errichtete Brücke766 überspannt mit insgesamt sechs Bögen eine tiefe Schlucht, durch die der Tajo an der Stelle hindurchfließt. Bei Normalwasserstand sind die höchsten Punkte der Brückenbögen 48 m vom Wasserspiegel entfernt, sodass sie eine enorm große Durchlassöffnung für Flutwasser bilden.767 Allerdings ist die Brücke Teil einer Überlandstraße, die auf beiden Seiten der 763 Durán Fuentes 2009: 408. Freilich handelt es sich auch bei den erhaltenen Brücken nur noch im Kern und sehr partiell um Brücken aus original antiker Bausubstanz. Wegen ihrer andauernden Nutzung mussten einzelne Teile und nach und nach auch ganze Bogenreihen komplett erneuert werden. Eine Dokumentation heute noch bekannter größerer Reparatur- und Wiederaufbaumaßnahmen an der römischen Brücke von Mérida (Augusta Emerita) findet sich exemplarisch bei Álvarez Martínez 1983: 49–57. Die Aufstellung vermittelt einen guten Eindruck vom antiken Nachleben kontinuierlich genutzter Römerbrücken und führt zugleich vor Augen, welche Schwierigkeiten sich daraus für eine architekturgeschichtliche und archäologische Materialanalyse ergeben. 764 Dazu aus aktueller ingenieurswissenschaftlicher Sicht und reich bebildert Durán Fuentes 2009: 194–200. 765 So Durán Fuentes 2009: 273, der an dieser Stelle den spanischen Wasserbauingenieur Carlos Fernández Casado zitiert (nach C. Fernández Casado, Historia del puente en España: Puentes romanos, Madrid 1960): „A primera vista parece un puente desproporcionado a las condiciones hidráulicas del río, pero en cuanto se pone en relación con el nivel de máximas avenidas destaca su adecuación funcional.“; s. auch Durán Fuentes 2008: 229. 766 CIL II 759 = ILS 287. Eine nachantik angefertigte, ergänzende Bauinschrift in lateinischer Sprache an der Brücke (CIL II 760 = ILS 287a) nennt alle angeblich am Bau der Brücke beteiligten Gemeinden, oder aber die vom Bau profitierenden Gemeinden, die teils nur aus eben jener Inschrift bekannt sind. Ihr Aussagewert für die ursprüngliche Bauzeit unter Trajan wird daher in der Forschung stark angezweifelt, so etwa bei Rathmann 2003: 141, Fn. 804. Einen neuen Vorschlag zur Entstehungsgeschichte und Interpretation der nachantiken Inschriften liefern Carbonell Manils et al. 2007. 767 Schneider 2006: 12. Die Brücke ist damit die höchste bekannte Straßenbrücke auf dem ehemaligen Gebiet des Römischen Reichs.

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Schlucht auf der Höhe der Brücke verläuft. Neben der Geländesituation geben also auch die Trassenführungen der Straßen das Ausmaß und den Standort von Brücken vor. Als weiteres eindrückliches Beispiel für besonders großzügig bemessene Flussquerungen kann die Brücke über den Guadiana bei Mérida gelten, wobei in ihrem Fall nicht die Höhe, sondern die mit knapp 800 m außergewöhnliche Länge hervorsticht. Der Guadiana entspringt auf der zentralen Meseta der Iberischen Halbinsel. Sein Becken befindet sich zum größten Teil in der gemäßigten kontinentalen Zone, doch unterliegt sein Quellgebiet klimatischen Einflüssen, die denen der mediterranen Zonen sehr nahekommen. So stehen die regenreichen Wintermonate mit starken Niederschlägen im Oktober und November ausgesprochen trockenen Sommermonaten gegenüber.768 Die Differenz zwischen Hoch- und Niedrigwasser weist am heutigen Guadiana die größten Werte von allen Flüssen vergleichbarer Größe auf der Iberischen Halbinsel auf. Zudem ereignen sich im Flussbecken gegen Ende des Sommers immer wieder starke Stürme und Gewitterereignisse mit anhaltenden Regenfällen, die den torrentiellen Ereignissen in der Levante sehr ähneln. Sie sind ausschlaggebend für die teils heftigen Überschwemmungen.769 Durch die sehr unterschiedlichen Klimata, von denen das Abflussregime des Guadiana beeinflusst ist (nahezu mediterran auf der Meseta einerseits und gemäßigt-kontinental zum Atlantik hin andererseits), sind seine Charakteristika überhaupt einzigartig auf der Iberischen Halbinsel.770 Er durchfließt auf seinem Weg zum Atlantik zwei ausgedehnte Schwemmlandebenen, in denen kaum ein eindeutiges Beckenrelief zu erkennen ist. So ist sein Bett dort besonders breit und weitläufig, stellenweise bis zu einem Kilometer breit, seine Wassertiefe dafür umso geringer.771 Die augusteische Kolonie Augusta Emerita wurde in einer dieser beiden Schwemmlandebenen errichtet an der Stelle einer natürlichen Furt, wohl hauptsächlich zwecks ihrer Kontrolle.772 Eine Flussinsel erleichterte das Queren zusätzlich. Außerdem beschreibt der Guadiana an dieser Stelle eine ausladende Biegung, sodass der Fluss hier besonders träge dahinfließt. Sandbänke, Geröll und Untiefen sind an der Stelle allenthalben zu finden.773

768 Álvarez Martínez 1983: 9 f.; Potenciano de las Heras 2004: Kapitel 4, 27; Ortega Becerril 2007. 769 Für letztere Ausführungen zum Wasserregime s. Potenciano de las Heras 2004: 4–8. 770 Álvarez Martínez 1983: 8. 771 Álvarez Martínez 1983: 9. 772 Álvarez Martínez 1983: 13; Rodríguez Martín 2004: 366. Die schon in prähistorischer Zeit genutzte Handelsstraße Via de la Plata, die von den Erzbergwerken im Nordwesten Hispaniens bis ins Ästuar des Baetis führte, verlief durch diese Gegend. Dagegen verweisen Trillmich 1990: 302 und Pfanner 1990: 90 darauf, dass es an anderen Stellen viel günstigere Querungsmöglichkeiten über den Fluss gegeben hätte, zumal der Guadiana vor den Toren Augusta Emeritas zusätzlich in die Breite geht. 773 Álvarez Martínez 1983: 9.

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Die römische Brücke führt auf ihrem langen Weg auch über die mittig im Fluss gelegene Insel. Erst bei Hochwasser offenbart sich der praktische Nutzen der Brückenlänge, wenn lediglich die Fahrbahn noch aus dem Wasser ragt. Laut Walter Trillmich hatten sich die römischen Stadtplaner nach der Befriedung des emeritenser Territoriums gezielt die breite Furt als Bauplatz ausgesucht, um dort die technischen Möglichkeiten ihrer Ingenieure unter Beweis zu stellen, eben anhand der monumentalen überlangen Brückenanlage.774 Ästhetisch, so seine These, habe die Länge den Ingenieuren die Möglichkeit eröffnet, die Brücke in zwei „technisch und formal“ unterschiedlichen Bauweisen zu errichten:775 So weist der direkt an die Stadt anschließende Brückenabschnitt jeweils im oberen Teil der Pfeiler zusätzliche Durchlässe zur Entlastung bei Hochwasser auf (Abb. 17). Beim Teilstück am anderen Ende sind keine derartigen Durchlässe vorhanden. Auf diese Weise sei zudem verhindert worden, dass auf dem langen Weg über die Brücke „Monotonie“ auftrete.776 Neben den ästhetischen

774 Im Wesentlichen entspräche ein derartiges Vorgehen sicher dem römischen, v. a. kaiserzeitlichen Selbstbewusstsein. Auch in der bereits zitierten Romrede des Ailios Aristeides kommt die monumentale Wirkung solcher Bauten in der Landschaft deutlich zum Ausdruck (Aristeid. 26,101). 775 Trillmich 1990: 303. 776 Trillmich 1990: 303. Um die Länge und die unterschiedliche Bauart der Brückenabschnitte hat sich in der Forschungsliteratur eine heftige Kontroverse entsponnen, auf die hier im Einzelnen nicht weiter einzugehen ist. Nicht nur zur Unterschiedlichkeit der Bauweisen und des Aussehens, sondern auch zu verschiedenen anderen baulichen, stadtplanerischen und ästhetischen Details der Brücke haben sich insbesondere spanische Forscher teils sehr kontrovers geäußert. Zu den grundlegendsten Publikationen zur Brücke von Augusta Emerita mit Blick auf die hier behandelte Fragestellung zählen die von Álvarez Martínez 1983; Rodríguez Martín 2004; Durán Fuentes 2009: 115–127. Dort finden sich jeweils weitere Literaturhinweise sowie detaillierte Fotos und Zeichnungen. Rodríguez Martín 2004: 371 (mit Abbildungen) interpretiert die verschiedenen Brückenteilstücke im Gegensatz zu Trillmich als zu unterschiedlichen Ausbauphasen gehörig. Außerdem wird in der spanischen Forschungsliteratur allgemein von drei Teilstücken gesprochen, nicht nur von zweien; so z. B. Álvarez Martínez 1983: 29–47 mit einer detaillierten Beschreibung jedes zu seiner Zeit sichtbaren Bogens und Pfeilers; ebenso Pizzo 2010: 153–160. Die drei von Rodríguez Martín angenommenen Ausbauphasen beruhen auf der Annahme, dass sich während der römischen Besiedlungszeit zwei statt nur einer Insel im Flussbett befanden. Die drei Flussarme seien dann unabhängig voneinander und erst nach und nach mit Steinbrücken überspannt worden. Erst in einer späteren Umgestaltungsphase seien dann die drei Brücken zu einer einzigen zusammengeführt worden. Der mittlere Brückenabschnitt wird von ihm als der erste angesehen. Nur zwischen den beiden Flussinseln, die das ganzjährig Wasser führende Hauptbett des Ana flankierten, soll zunächst eine Brücke errichtet worden sein. Danach sei dann zunächst die Stadtmauer mit der größeren Flussinsel verbunden worden, die zudem – vielleicht jedoch erst während der Vereinigung aller drei Brücken – mit einer gemauerten Umrandung (als Wellenbrecher) versehen worden sei. Zum sogenannten Wellenbrecher wurden in der Forschungsliteratur ebenfalls vielfältige Überlegungen angestellt, die unter anderem zu der Ansicht geführt haben, sie als Reste einer Stadthafenanlage zu interpretieren; zur Forschungsdiskussion im Einzelnen s. Álvarez Martínez 1983: 65–70 mit weiterführender Literatur. Allerdings war der Ana nur eingeschränkt schiffbar, worauf schon Strabon ausdrücklich hinweist (Strab. 3,2,3 C 142). Der seichte Flusslauf, der an Augusta Emerita entlangführt, wird kaum für die Flussschifffahrt geeignet gewesen sein. Für Überlegungen zur Extension der Schiffbarkeit des Ana, insbesondere um Augusta Emerita, s. Parodi Álvarez 2014: 180–182; allgemeiner zur Schiffbarkeit des Ana in der Antike s.

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Abb. 17 Entlastungstore in den Pfeilern der römischen Brücke von Mérida (© Jasmin Hettinger)

Überlegungen waren die verschiedenartigen Bauweisen ebenso wie die Länge jedoch sicherlich vor allen Dingen an das Hochwasserregime des Ana angepasst. Eben weil die Brücke Teil der wichtigen Nord-Süd-Handelsroute Via de la Plata war, musste die Passierbarkeit des Flusses auch während der saisonalen Hochwasser gewährleistet sein. Die Entlastungsdurchlässe in den Pfeilern im Bereich des Talwegs weisen dabei auf eine ortsbezogene Kenntnis des Wasserregimes und des Fließverhaltens hin, denn dort war die Strömung erwartungsgemäß am stärksten, während der nur hin und wieder überflutete Uferstreifen auf der anderen Seite lediglich mithilfe einer einfachen Bogenkonstruktion (kleinere Bögen ohne Entlastungsöffnung) überbrückt wurde.777 auch Parodi Álvarez 2003. Als letztes Teilstück habe man das nur bei sehr starkem Flusshochwasser überschwemmte Gebiet von der zweiten Insel zum stadtfernen Ufer überbrückt; Rodríguez Martín 2004: 367–385. Der Befund, dass die drei Teilstrecken jeweils einen höheren Bogen in der Mitte aufweisen und die links und rechts anschließenden zunehmend kleiner werden, spricht zumindest nicht dagegen, könnte aber ebenso gut der Topographie geschuldet sein. Auf jeden Fall aber sind die jeweils mittleren Bögen in der Tat breiter und leicht höher gebaut, sodass der Hauptstrom des jeweiligen Flussarms ungehindert darunter hinwegfließen konnte. 777 Vgl. Álvarez Martínez 1983: 64, der die gesamte Brückenkonstruktion als einheitliches Projekt verstanden wissen will und die Unterschiedlichkeit der Teilstücke ebenfalls damit begrün-

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Außerhalb des stadtnahen Ufergebietes wurde nicht mittels Wasserbauten, sondern durch die Ausweisung von Überschwemmungsflächen auf die Hochwasser reagiert, was für die eher agrarisch und anderweitig wirtschaftlich genutzten außerstädtischen Zonen völlig ausgereicht haben dürfte.778 Ein ähnliches Beispiel, diesmal allerdings bezogen auf einen Wildbach in der Nähe der bithynischen Stadt Nikaia während der Regierungszeit des Justinian, liefert ebenso Hinweise auf ein besser an Topographie und Abflussregime angepasstes Bauen: Ταύτης δὲ τῆς πόλεως ἐς τὰ πρὸς δύοντα ἥλιον ὡς ἀγχοτάτω χειμάρρους ὡς τὰ πολλὰ ἐπισκήπτειν φιλεῖ, ἄπορον ὅλως ἐργαζόμενος τὴν ταύτῃ ὁδόν. καὶ γέφυρα μέν τις ἐνταῦθα πεποίηται τοῖς πάλαι ἀνθρώποις, ἢ προϊόντος χρόνῳ προσβάλλουσαν οὐδαμῆ ἐνεγκοῦσα τὴν τοῦ χειμάρρου ἐπιρροὴν (ἐπεὶ οὐκ ἐν ἐπιτηδείῳ διασκευασθεῖσα ἐτύγχανεν) ὑπεχώρησέ τε τῷ ῥοθίῳ βιαζομένῳ καὶ ἀπιοῦσα σὺν αὐτοῦ ᾤχετο, οὐδὲ ἴχνος αὐτῆς ἐν τῷ χώρῳ ἀπολιποῦσα, οὗ πρότερον ἦν. βασιλεὺς δὲ Ἰουστινιανὸς γέφυραν ἐπήξατο ἐνταῦθα ἑτέραν ἐς τόσον ὕψους τε καὶ εὔρους διήκουσαν, ὥστε δὴ αὐτῆς οὐδὲ κατὰ πολλοστημόριον τὴν προτέραν οὖσαν γεγονέναι δοκεῖν, ἣ τὸν χειμάρρουν, ἡνίκα μορμύρει, κατὰ πολὺ ὑπεραίρουσα ἐν τῷ βεβαίῳ διασώζεται τοὺς ταύτῃ ἰόντας. Westlich der genannten Stadt [Nikaia], und zwar in unmittelbarer Nähe, verursacht ein Gießbach vielfach Schaden, indem er den Weg dort völlig ungangbar macht. Die früheren Menschen hatten hier eine Brücke errichtet, die sich im Laufe der Zeit dem Ansturm des Gießbaches – sie war ja auch nicht sachgemäß errichtet – nicht mehr gewachsen zeigte, sondern der wilden Strömung nachgab und mit fortgeschwemmt wurde, ohne eine Spur an der alten Stelle zurückzulassen. Kaiser Justinian aber ließ dort eine andere Brücke errichten, so hoch und breit, daß das frühere Bauwerk nicht einmal ein winziger Teil der neuen Schöpfung gewesen zu sein scheint, eine Brücke, die jetzt den Gießbach, wenn er tobt, weit überspannt und die dortigen Fußgänger sicher hinübergeleitet.779

Hier wird zunächst wieder deutlich, dass auch unscheinbare Bäche saisonal eine geradezu ungeahnte Größe erreichen und eine Wucht entfalten konnten, die überproportional anmutende Brückenbauten notwendig machten. So sollen die Ausmaße det, dass der der Stadt abgewandte Abschnitt nur gelegentlich überhaupt von Flutwasser umspült wird; dazu auch Durán Fuentes 2009: 118. Somit wäre weder die These von Trillmich 1990: 303 (gegen „Monotonie“) als alleinige Erklärung ausreichend, noch die Möglichkeit, dass durch verschiedentliche Brückenreparaturen sich mit der Zeit die einzelnen Brückenabschnitte immer unähnlicher wurden, obgleich vermutlich beides zusätzlich eine Rolle gespielt haben wird. 778 In einer älteren archäologischen Untersuchung des Umlandes und der Uferzonen um Augusta Emerita konnten bis auf einige Befunde, die auf land- und vor allem auf weidewirtschaftliche Tätigkeiten hindeuten, nur wenige Spuren handwerklicher Tätigkeiten an den Ufern nachgewiesen werden, die in der Arbeit nicht weiter spezifiziert werden; s. Sánchez Barrero 2000. Zur Ausweisung einer legalen Flussbreite sowie weiterer freier Uferflächen (subseciva) s. Hettinger 2017 sowie ausführlich weiter oben Kapitel III.1.1a. 779 Prok. aed. 5,3,4–6. Übersetzung: Otto Veh (Veh/Pühlhorn 1977).

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der neuen Brücke die der alten um ein Vielfaches übertroffen haben. Es gibt keinen überzeugenden Grund, diese Aussage lediglich als justinianische Herrschaftspropaganda abzutun, obgleich sie vermutlich durchaus dazu dienen sollte, die Fürsorge und technische Überlegenheit des aktuellen Kaisers gegenüber der Vergangenheit besonders hervorzuheben. Wichtig ist auch der Hinweis darauf, dass der Neubau nun selbst während Hochwasserereignissen eine Überquerung des Wildbachs möglich machte, was wiederum an den Hochwasser führenden Ana in Hispanien und die lange Brücke über die Furt bei Augusta Emerita denken lässt. Die Anpassung der Brückenhöhe und -länge wird an einzelnen Flussläufen teils erst nach und nach auf der Grundlage langjähriger Erfahrungen der Anlieger am Fluss erfolgt sein.780 Für den kilikischen Fluss Kydnos bei Tarsos berichtet Prokop jedenfalls von einem ähnlichen Vorfall wie in Nikaia. Während eines Frühjahrshochwassers stieg der Wasserlauf dermaßen an, dass er weite Teile der Stadt für mehrere Tage unter Wasser setzte. Als Kaiser Justinian davon Kunde erhielt, ließ er Flussumleitungsmaßnahmen einleiten und insbesondere die städtischen Brücken für starke Hochwasser aufrüsten, indem er die Konstruktionen zusätzlich sichern und erweitern ließ.781 Von den Brücken ist heute keine Spur geblieben,782 doch lässt sich der Hinweis auf eine gezieltere Orientierung an starken Flusshochwassern so verstehen, dass die neuen Brücken nicht nur stabiler in ihrer materiellen Zusammensetzung waren, sondern zudem wohl wesentlich höher und länger hochgezogen wurden als die zerstörten Vorgängerbauten. c. Die technologische Trias des römischen Brückenbaus Im Wesentlichen war es die Kombination von drei Neuerungen auf technischer und materieller Ebene, die das Überwinden breiter Flüsse und reißender Wildbäche mithilfe von Brücken endlich das ganze Jahr über möglich machte: 1. der Keilsteinbogen, 2. die Spundwandtechnik und 3. der Baustoff opus caementicium, ein römischer Gussmörtel, auch bekannt als ‚römischer Beton‘.783 Dabei darf nicht verkannt werden, dass 780 Durán Fuentes 2008: 229 erwägt für die Brücke von Alcántara auch die Möglichkeit, dass der Bauingenieur sich bei den Anwohnern über die örtlichen Hochwassercharakteristika erkundigt haben könnte. 781 Prok. aed. 5,5,20: ἔπειτα δὲ τὰς γεφύρας παρὰ πολὺ εὐρυτέρας πεποιημένος κρείσσους ἀπειργάσατο εἶναι ἢ πλημμύροντι βιασθῆναι τῷ Κύδνῳ. ταύτῃ τε διεπράξατο φόβου καὶ κινδύνου ἐκτὸς ἐς πάντα τὸν χρόνον οἰκεῖσθαι τὴν πόλιν. – „Sodann wurden die Brücken wesentlich erweitert und derart verstärkt, daß sie auch einem Hochwasser gewachsen waren. So erreichte Justinian, daß die Stadt für alle Zeit ohne Furcht und Gefahr leben konnte.“ Übersetzung: Otto Veh (Veh/Pühlhorn 1977). 782 So die Feststellung von W. Pühlhorn (Veh/Pühlhorn 1977: 461). 783 Briegleb 2002: 105; Schneider 2006: 7; Schneider 1982: 76; Cech 2011: 90–93. Dazu kommen noch einige andere Entwicklungen auf dem Feld der römischen Bautechniken wie etwa die Verbreitung des römischen Putzes opus signinum, benannt nach der italischen Stadt Signia (Plin. nat. 35,165). Wegen seiner wasserdichten Eigenschaften fand er vor allem im römischen Wasser-

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erst die lange, prosperierende Friedenszeit unter römischer Herrschaft innerhalb eines ausgedehnten zusammenhängenden Gebietes die Voraussetzungen für die extensive Anwendung und Instandhaltung der neuen Techniken geschaffen hatte.784 Die drei genannten Bautechniken und Materialien waren freilich schon vor ihrer Verbreitung und Kombination in der römischen Kaiserzeit in ähnlicher Form bekannt und hatten bereits in kleinerem Ausmaß Anwendung gefunden. Die Verwendung betonartiger Baumasse ist schon für den Vorderen Orient grob ab der Zeit um 10.000 v. Chr. nachgewiesen. Auch im Mittelmeerraum wurde Zement zur Dichtung und zum Verputzen von Böden, Wänden und Decken seit der Bronzezeit genutzt und wird bei archäologischen Untersuchungen besonders häufig in hellenistischen Bauten als Dichtungsmörtel vorgefunden.785 Unter den römischen Autoren ist es Vitruv, der am ausführlichsten über römischen Beton aus sogenannter Pozzolanerde berichtet.786 Bei Pozzolanerde handelt es sich um eine Erdart, die für das Gebiet um den Vesuv bei Puteoli (daher der Name)787 dank der vulkanischen Aktivitäten typisch ist und dort in großer Menge vorkommt. Wurde diese pulverartige Erde zusammen mit Wasser, Sand und Bruchsteinmaterial angemischt, konnte man die noch elastische Masse in entsprechende Formen aus Holz788 geben und darin trocknen lassen.789 Nach ihrem Erhärten war die Masse standfest und wasserdicht. Dank der Pozzolanerde härtete die Masse selbst unter Wasser gut aus und behielt gerade in feuchtem Milieu ihre Härte dauerhaft bei, sodass sie sich besonders gut für Wasserbauten eignete. Gewöhnlich erhielt der Betonkern zuletzt noch eine Außenverkleidung aus Ziegelstein oder Marmor.790 Zu Lebzeiten Vitruvs stand die Ära des römischen Betonbaus

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bau Anwendung. Insbesondere in Zisternen, aber auch in feuchten Kellerräumen oder Becken für verschiedene Flüssigkeiten wurden die Böden und Wände mit opus signinum verputzt; dazu Vitr. 2,4–5; 5,11,4; 7,2–4; 8,6,14; Plin. nat. 35,12; 35,55. Zu wasserdichtem Putz sowie anderen bautechnischen Weiterentwicklungen im römischen Wasserbau s. Tölle-Kastenbein 1990: 84–105; umfassend zur römischen Wassertechnik auch Cech 2011: 94–144. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht behandelt Oyen 2017 den römischen Werkstoff opus caementicium. Analog zu Straßenbrücken unterscheiden sich auch die Wasserleitungen der Griechen und Römer vor allem in dem Punkt, dass griechische Leitungen verdeckt und unterirdisch verliefen, während sich die Leitungen aus römischer Herrschaftszeit nicht zuletzt durch lange Aquäduktbrücken auszeichneten, wo es etwa lange Täler und Schluchten zu überspannen galt; Fahlbusch 2017: 104; Barow 2012: 7; Sauer 2006: 69. Zur vorrömischen Nutzung von Gussmörtel s. Oleson/Jackson 2014: 2. Vitr. 2,6,1. Weitere Schriftquellen zu opus caementicium finden sich bei Oleson 2014. Vitr. 2,6,1; O’Connor 1993: 57. Holzverschalungen waren die verbreitetsten, doch konnten je nach Region auch Leichtbaukonstruktionen, Quadermauerwerk oder gewachsener Naturstein als Schalung verwendet werden; Lamprecht 1991: 137. Nach römischer Bauweise wurde der Beton jedoch nicht komplett gegossen, sondern in alternierenden Schichten von gedengelten Bruchsteinen und Erdmasse nach und nach in die Form gegeben. Vitr. 7,3,5–9; Barow 2012: 33; Lamprecht 1989: 83. Lamprecht 1989: 82. Die Setzmuster der Ziegel geben heute Aufschluss über die Entstehungszeit der Gebäude, da sich die Muster mit der Zeit veränderten.

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noch am Anfang, was vermutlich der Grund dafür ist, dass er in seinem Werk zur römischen Baukunst noch nicht alle späteren Anwendungsbereiche von opus caementicium schildert und allgemein nur recht kurz auf diesen Baustoff zu sprechen kommt.791 Während der Prinzipatszeit im 1. und 2. nachchristlichen Jahrhundert kam Beton wegen seiner Festigkeit, der wasserdichten Eigenschaft und nicht zuletzt wegen seiner kostengünstigen Herstellung und universellen Anwendbarkeit immer flächendeckender zum Einsatz, vor allem im Wasserbau, aber auch bei anderen Großbauten wie Stadtmauern, Lagerhallen oder Spielstätten. Besonders prominente Beispiele sind etwa das Amphitheatrum Flavium (Kolosseum) oder die Kuppel des Pantheons aus hadrianischer Zeit.792 So ersetzte der Baustoff nach und nach das alte Steinquadermauerwerk, welches zudem eine viel längere Bauzeit erforderte als Beton.793 Als zweiter wichtiger Faktor trug die Weiterentwicklung der Bogenkonstruktion zur stetigen Verbesserung des römischen Brückenbaus bei. Genauer gesagt war es die Bauweise des Keilsteinbogens aus gerundet trapezförmigen Bausteinen, auch ‚echter Bogen‘ genannt, der den Bedürfnissen römischer Brückenarchitektur entgegenkam: Die Anzahl der Pfeiler im Flussbett konnte endlich dadurch verringert werden, dass durch die Keilsteintechnik nun Bogenkonstruktionen mit erheblich größerer Spannweite möglich waren als zuvor. Mithilfe dieser Technik war es bei kleineren Bächen nun sogar möglich, das Bett ganz von Pfeilern freizuhalten und es mit einem einzigen großen Bogen komplett zu überspannen.794 Bisweilen bewirkte die große Bogenhöhe ein Anheben der darüber hinweggeleiteten Fahrbahn, sodass der Zugang zur Brücke Barow 2012: 12. Allgemein zu opus caementicium s. Lamprecht 2000; Lamprecht 1996; Lamprecht 1991; Lamprecht 1988; Lamprecht 1989. Neuerdings kommt der Forschung zu römischem opus caementicium wieder wachsendes Interesse zu. Nicht nur von Seiten der Ingenieurswissenschaften, sondern auch seitens der altertumswissenschaftlichen Forschung und insbesondere in dem Bereich der antiken Bauforschung, der klassischen Archäologie sowie der Technikgeschichte werden Zusammensetzung und Anwendungsbereiche des römischen Baustoffs in jüngerer Zeit intensiv erforscht. Für aktuelle und interdisziplinäre Studien zum Thema s. die Sammelbände von Brandon et al. 2014 und Ringbom/Hohlfelder 2011; sonst z. B. auch Wilson 2006: 226–229; Lancaster 2008: 260–266. Ein knapper Kommentar zum Einsatz von Beton speziell im römischen Brückenbau mit erklärenden Zeichnungen und weiteren baulichen Details findet sich bei Barow 2012: 33 und ebenso knapp, aber informativ auch bei O’Connor 1993: 57 f. 792 Orlando et al. 2017 (Amphitheatrum Flavium); Lancaster 2005: 158–161 (Kuppel des Pantheons). 793 Zur zunehmenden Beliebtheit von opus caementicium als Baumaterial der Römer und zu unterschiedlichen Anwendungsbeispielen s. Lamprecht 1989: 82 f. 794 Heinz 1988: 56; Kissel 2002: 148. Im 4. Jahrhundert v. Chr. sind in griechischen Bauten bereits kleine Keilsteinbögen an Fenstern bekannt. Sie weisen jedoch nur sehr kleine Spannweiten auf; dazu Briegleb 2002: 106. Griechische Straßenbrücken verfügten hingegen über trapezförmige Bögen (Kragsteintechnik), die als Vorgänger für die ‚echten Bögen‘ angesehen werden können, so O’Connor 1993: 1. Bauliche Details zur Entwicklung des römischen Keilsteinbogens und dessen Vorgänger erläutert Barow 2012: 75–80, anschaulich dargelegt mittels Bauzeichnungen und Fotographien. O’Connor 1993: 163–186 widmet den verschiedenen Varianten und Entwicklungsformen des römischen Bogens ein eigenes Kapitel, das sehr ausführlich, aber auch recht technisch die baulichen Einzelheiten der antiken Bogenarchitektur darlegt.

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auf beiden Seiten nur über Rampen möglich war. Allerdings war die Wölbung der Fahrbahn in der Mitte auch für die Drainage von Vorteil. Auf der Fahrbahn in der Brückenmitte konnte sich so kein Wasser ansammeln. Es wurde über Drainageauslässe an den Seiten direkt in den Fluss abgeleitet.795 Zudem stand dem Wasserstrom bei Hochwasser dann auch mehr Raum zum Passieren frei, da er durch die erhöhten breiten Bögen ungehindert hindurchfließen konnte. Reisenden erlaubte die gewölbte Fahrbahn schließlich eine Flussüberquerung auch bei erhöhten Pegelständen und sicherte somit ganzjährig den Verkehr, da die Rampen großzügig Flussbett und Uferbereich überspannten, die zeitweise geflutet sein konnten.796 Spundwände als letzte hier relevante bautechnische Neuerung wurden dazu genutzt, wasserdichte Holzkästen („Fangdämme“) zu erschaffen, die auf den Flussgrund hinabgelassen und dort dann zusätzlich mit Tonerde und anderen Stoffen fest abgedichtet wurden. In manchen Fällen wurde um den ersten Spundwandkasten ein weiterer herumgebaut, um eine sichere Abdichtung gegen Flusswasser zu gewährleisten. Dann wurde das Wasser innerhalb des Kastens entfernt und es konnte unterhalb des Flusspegels, aber dennoch im Trockenen, das Fundament für den Pfeiler angesetzt werden.797 Die Pfeiler wurden dabei so geformt, dass das ankommende Wasser möglichst rasch von ihnen weggeleitet wurde. Die römischen Befunde scheinen hier jedoch kein eindeutiges Urteil über eine Präferenz für eine bestimmte Grundform zuzulassen. Wurde im Zusammenhang mit der Brücke über den Melas (dazu weiter unten) vor allem über die ‚falsche‘ Ausrichtung der Strompfeiler diskutiert, das heißt, gegen die Fließrichtung des Wassers abgerundet und in Fließrichtung zugespitzt,798 beobachtet Manuel Durán Fuentes in seinen umfangreichen Studien römischer Brücken, dass die Wellenbrecher gegen die Fließrichtung in 76 % der von ihm untersuchten Fälle eine dreieckige Form aufweisen, während nur ein Viertel der Brücken die gerundete Form aufweist.799 Flussabwärts wurde an einer Vielzahl römischer Brücken speziell in Gallaecia zudem auf eine Verstärkung der Pfeiler verzichtet; die Pfeiler sind dort häufig gerade abgeglättet, was wenig auf die dort vorherrschende Hydrologie ausgerichtet gewesen sei.800 Weiter oben waren in die Pfeiler mancher Brücken zusätzliche Entlastungsdurchlässe eingelassen, um bei Hochwasser die Stauwirkung hinter der Brücke zu reduzieren und für eine schnelle Ableitung zu sorgen, wie etwa bei der Brücke über

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Zu diesen Aspekten s. Heinz 1988: 55. Briegleb 2002: 107. Vitr. 5,12,2–6. Nach modernen Erkenntnissen wäre dies die eigentlich effizientere Form, doch weisen römische Brücken häufig die umgekehrte Form (spitz gegen die Fließrichtung, abgerundet in Fließrichtung) auf; dazu s. Leiner 1991: 75–78; Froriep 1991: 54. 799 Durán Fuentes 2000: 276 (speziell in Gallaecia); Durán Fuentes 2009: 409 (allgemein). Der spitzbogige Grundriss, der seiner Aussage nach heute als der effizienteste gilt, sei an römischen Brücken nur selten festzustellen. 800 Durán Fuentes 2000: 276.

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den Guadiana bei Mérida (vgl. Abb. 17).801 Alternativ wurden, wo dies nötig erschien und möglich war, die Brückenpfeiler schlank gehalten, um den Durchfluss des Wassers nur minimal zu stören und Material einzusparen wie etwa an den Römerbrücken in Padua, dem antiken Patavium.802 Um die Fundamentierung der Brückenpfeiler im Flussbett zusätzlich zu erleichtern, wurde in manchen Fällen das Flusswasser nach Möglichkeit zeitweise umgelenkt. Literarisch hat Prokop für das 6. Jahrhundert das Verfahren mehrfach festgehalten, so beispielsweise im Rahmen der Kanalisierung des Orontes um Antiocheia herum, bei der zeitgleich Flussbrücken repariert und teils neu angelegt wurden: „Dort erneuerte der Herrscher [ Justinian] andere Brücken und legte weitere über den Fluss. Er lenkte zu diesem Zweck das Gewässer möglichst weit ab, um ihm erst später wieder sein altes Bett zurückzugeben.“803 Nach der Studie von Manuel Durán Fuentes wurde eine solche temporäre Ableitung von Flusswasser durch unterschiedliche Methoden erwirkt, um die Fundamente für die Pfeiler errichten zu können.804 Generell war es aber oft ausreichend, nur einen Teil des Flusswassers umzuleiten, entweder mittels Deichbauten oder mehrerer Gräben innerhalb des aktuellen Flussbettes.805 Bei Flüssen, die im Sommer nur verhältnismäßig wenig Wasser führten, war eine nur partielle Ablenkung des Wassers wahrscheinlich völlig ausreichend. d. Holz-, Schiffsbrücken und die Brücken Justinians über den Sangarios Viele römische Brücken waren vermutlich auch komplett aus Holz, sodass sich von ihnen heute keinerlei nennenswerte Reste erhalten haben.806 Sie waren sehr viel anfälliger für Hochwasserschäden und nicht selten berichten römische Geschichtsschrei-

801 Briegleb 2002: 107; Allinne 2007: 75. 802 Durán Fuentes 2009: 411; Durán Fuentes 2008: 230. 803 Prok. aed. 2,10,8: ἐνταῦθά τε νεοχμώσας γεφύρας ἑτέρας ζεύγματα τῷ ποταμῷ νέα ἐντέθεικε, περιαγαγὼν δὲ ὡς πορρωτάτω τῆς χρείας αὐτόν, εἶτα τὴν προτέραν ἀπέδωκε πορείαν τῷ ῥείθρῳ. Übersetzung: Otto Veh (Veh/Pühlhorn 1977). 804 Durán Fuentes 2004: 58. In anderen Fällen wurde, wo dies möglich war, das Flussbett durch Abtragen von Geröll und größeren Ufersteinen verbreitert, wie etwa beim Bau des Pont du Gard geschehen. Im berühmten Fall des Eisernen Tors unter Trajan an der Donau wurde aber tatsächlich der Fluss zeitweise anderswo hin umgelenkt. 805 Das Vorgehen wird hierbei ähnlich wie bei Caesar gewesen sein, als er zur Querung des Flusses Sicoris in Hispanien mehrere Gräben anlegen ließ, um auf diese Weise eine künstliche Furt zu schaffen; Caes. civ. 1,61,1. 806 Heinz 1988: 52 hält Holzbrücken für Vorgänger von Steinbrücken und bewertet sie eher als erste Variante römischer Brücken, die dann nach und nach durch stabilere Brücken in Steinbauweise ersetzt worden seien. O’Connor 1993: 132 hält dagegen, dass vermutlich sehr viel mehr Brücken in der Römerzeit aus Holz errichtet worden seien als allgemein angenommen. Wegen der Vergänglichkeit des organischen Baumaterials hätten sie sich lediglich nicht erhalten. Als starke Indikatoren für seine These nennt er neben anderen Argumenten die breite Verfügbarkeit von Holz als

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ber davon, dass der hölzerne Pons Sublicius in Rom bei Hochwasser vom Tiber wieder einmal fortgerissen worden ist.807 Einen besseren Schutz vor hohem Wasserdruck und Treibgut bot die Kombination von hölzernen Planken und steinernen Pfeilern. Brückenpfeiler aus Stein mit großen Bögen aus Holz und hölzerner Fahrbahn sind beispielsweise von Darstellungen auf der Trajanssäule bekannt und blieben neben reinen Steinbrücken auch weiterhin in Gebrauch.808 Wo es das Wasserregime nicht zuließ, das Flussbett zu breit oder zu tief war oder sich die Beschaffenheit des Bodens nicht zur Gründung von Brückenpfeilern eignete, wurden alternativ Schiffsbrücken fest installiert wie beispielsweise im Rhônedelta in Arles.809 In der weitläufigen Flussmündung war das Flussbett bereits zu tief und zudem machte es der Untergrund unmöglich, Pfeiler stabil auf dem Boden zu gründen. Auch ereigneten sich dort vermehrt starke Hochwasser, sodass sich eine aufschwimmende Schiffsbrücke anbot. Allerdings beschränkte das Aufschwimmen dieser permanenten Installation die Schiffbarkeit des Deltas. Eine weitere Schwierigkeit stellte der verlässliche Halt der Leinen dar. Letzteres Problem schildert noch Prokop für die einstige Schiffsbrücke über den Sangarios, auch Sagaris (heute Sakarya) genannt, die unter Justinian schließlich durch eine Steinbrücke ersetzt wurde:

Baumaterial, die weit entwickelte römische Zimmermannstechnik und die zahlreichen bildlichen Darstellungen von Holzbrücken in der römischen Kunst. Sein Argument, dass zudem viele Steinpfeiler hölzerne Substruktionen hatten, ist zwar zutreffend, stützt aber nicht zwingend seine These. Verschiedene aus Archäologie und Literatur bekannte Beispiele für hölzerne Römerbrücken diskutiert er in einem eigenen Kapitel (ebd.: 132–149, zum Pons Sublicius in Rom 141–142; s. zudem seine Tabelle B im Anhang, ebd.: 202). Trotz des ephemeren Charakters römischer Holzbrücken ist es auf der Grundlage von bildlichen Darstellungen und einigen in feuchtem Untergrund gut konservierten archäologischen Resten möglich, ein paar generelle Aussagen zur römischen Holzbrückenarchitektur zu treffen, die von Huther 2014b: 164–167 zusammengefasst und anschaulich erklärt werden. Zur Bauweise von Holzbrücken und Steinbrücken mit hölzerner Fahrbahn s. auch Barow 2012: 73. 807 Cass. Dio 37,58,3; Cass. Dio 50,8,3. Cass. Dio 53,33,5; Cass. Dio 55,22,3 (hier fehlt ein expliziter Hinweis auf den Pons Sublicius, aber mit „Brücke“ ohne weitere Angaben kann nur er gemeint sein); Tac. hist. 1,86. Zum Pons Sublicius s. auch weiter oben in Kapitel II.2. 808 Cichorius 1896: Szene XCIX „Traianus opfert an einer Donaubrücke“. Bei der Brückendarstellung handelt es sich um die berühmte Brücke des Apollodor von Damaskus, der im Auftrag Trajans eine feste Brücke über die Donau bauen ließ; Cass. Dio 68,13,1–4; Prok. aed. 4,6,7–18. Auch die beiden Römerbrücken in Trier über die Mosel, von denen die jüngere in der noch heute genutzten Steinbrücke aufgegangen ist, sind ursprünglich Holz-Steinpfeiler-Konstruktionen gewesen; Cüpperes 1969; Barow 2012: 83. Ihr heutiges Aussehen mit kompletten Keilsteinbögen aus Stein erhielt die Brücke erst im 14. Jahrhundert; Heinz 1988: 54. Caesars Rheinbrücke, die er während seiner gallischen Feldzüge schlagen ließ, war eine reine Holzbrücke; Caes. Gall. 4,17–19. Sie war allerdings eine Pionierbrücke und nur zum temporären Gebrauch errichtet worden, danach wurde sie planmäßig wieder abgerissen; dazu s. Heinz 1988: 52 und 58. 809 Zu den Vor- und Nachteilen von Schiffsbrücken s. Allinne 2007: 75 mit weiterführender Literatur zur Brücke in Arles. Eine der bekanntesten antiken Abbildungen einer Schiffsbrücke findet sich auf der Trajanssäule (Coarelli 1999: 49, Tafel 5, VI–VII/IV–V), ähnlich auf der Säule des Marcus Aurelius (Coarelli 2008: 114–117, Tafel III).

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Ὀ μέγας δὲ ποταμὸς οὗτος, ὅνπερ Σάγαριν καλοῦσι νῦν, σφοδρῷ μὲν κατιὼν ἐς ἄγαν τῷ ῥείθρῳ, ἐπὶ μέσης δὲ πεφυκὼς ἄβυσσος, εὐρυνόμενος δὲ θαλάσσῃ ἴσα, διαγέγονε μὲν τά γε εἰς γέφυραν ἀνεπαφὸς πᾶσιν, ἐξ οὗ γεγόνασιν ἄνθρωποι, ἀκάτων δὲ συνδέοντες πλῆθος καὶ φορμηδὸν αὐτὰς ἀλλήλαις ἐναρμοσάμενοι, ἐνταῦθα διαπορθμεύεσθαι τολμῶσι πεζοί, ὥσπερ ποτὲ δέει τοῦ Ξέρξου τὸν Ἑλλήσποντον ὁ τῶν Μήδων στρατός. ἀλλὰ καὶ τοῦτο οὐκ ἀνεπικινδύνως αὐτοῖς γίνεται. πολλάκις γὰρ ὁμοῦ τοῖς δεσμοῖς συλλαβὼν τὰς ἀκάτους ἁπάσας, εἶτα τὴν διάβασιν ἀνεχαίτισε τοῖς τῇδε ἰοῦσι. Der gewaltige Fluß, den man jetzt Sagaris nennt, schießt mit ungemein wilder Strömung dahin, ist in der Mitte unergründlich tief und weitet sich wie ein Meer. Seitdem es Menschen gibt, hat ihn noch niemand überbrückt, man bindet vielmehr eine Menge Kähne und zwar kreuzweise miteinander zusammen und wagt darauf zu Fuß den Fluß zu überqueren, wie einstmals aus Furcht vor Xerxes das Perserheer den Hellespontos überschritt. Indessen geschieht auch dies nicht ohne Gefahr; denn schon wiederholt riß der Fluß sämtliche Kähne samt den Haltetauen mit sich fort und machte dadurch den Übergang für die Passanten unmöglich.810

Der jahreszeitlich enorm schwankende Pegel des Flusses stellte eine große Herausforderung für eine permanente Querungsmöglichkeit dar. Der Sakarya ist mit beinahe 810 km Länge ein recht bedeutender kleinasiatischer Fluss.811 Er entspringt im phrygischen Hochland und nimmt auf seinem Weg in tiefere Lagen eine beträchtliche Anzahl an kleineren Zuflüssen in sich auf, bis er in Nordanatolien östlich von Nikaia ins Schwarze Meer mündet. Während der Hochwassersaison kann er in heutiger Zeit bis zu 6 m an Pegelhöhe hinzugewinnen, was ihn in der Antike saisonal praktisch unpassierbar machte. Das jedenfalls ist dem Bericht Prokops zu entnehmen. An seinem Unterlauf liegt in etwa 5 km westlicher Entfernung ein großer See, der antike Sapancasee, der sich weiter nördlich über den kleineren Fluss Melas (heute Çark Suyu) mit dem Sakarya vereinigt.812 Jener ca. 80 km2 große See unterlag noch im 19. Jahrhundert

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Prok. aed. 5,3,8–9. Isik et al. 2008: 174. Sein Name findet mehrfach in den homerischen Epen Erwähnung; Hom. Il. 2,187; 16,717. Er galt als Hauptfluss der Region und war tief im kulturellen Gedächtnis der Anrainer verwurzelt; Strab. 12,5,3 C 568. Diesen See wollte Plinius der Jüngere während seiner Amtszeit in Bithynien einst zu wirtschaftlichen Transportzwecken ausbauen; Plin. epist. 10,41–42 mit der Antwort Trajans. Die Hauptsorge der beiden bestand darin, dass der See nach Anbindung ans Meer ganz auslaufen könnte, sofern beim Kanalbau die Höhenunterschiede zwischen See und Meer nicht ausreichend beachtet würden. Der See liegt heute ca. 17 km von der Mittelmeerküste entfernt, mit welcher er verbunden werden sollte. Plinius weiß zudem von einem Graben zu berichten, der „von einem der Könige“ in früherer Zeit angelegt worden sei und über dessen Funktion und Erfolg er sich im Unklaren war; Überlegungen dazu bei Froriep 1991: 55–57; Leiner 1991: 68–75. Der Graben aus vorchristlicher Zeit konnte inzwischen mittels geowissenschaftlicher Methoden ermittelt werden, für einen Kanal aus römischer Zeit haben sich hingegen keinerlei Spuren finden lassen; zu diesen Forschungsarbeiten s. ausführlich Finkel/Barka 1997. Ob das kaiserzeitliche Projekt jemals in Angriff genom-

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ebenfalls starken Pegelschwankungen von etwa 4 m Zuwachs während der Hochwassersaison, sodass seine Wasserfläche um weitere 9 km2 anwachsen konnte.813 Bei ungewöhnlich starkem Pegelanstieg entwässerte der See zeitweise sogar nach Westen hin in den Golf.814 Seine heutigen Zuflüsse sind hauptsächlich kleine Gebirgsbäche im Süden und Westen. An seinem westlichen Ufer liegt außerdem ein Sumpfgebiet, das etwa 1 m höher gelegen ist als der See selbst. Auf der Höhe der Wasserscheide von Sakarya und Sapancasee (Mittelmeer-Schwarzmeer) erstreckt sich ein weiteres, etwas kleineres Sumpfgebiet.815 Etwa 4 km östlich des Sees befinden sich die baulichen Reste einer römischen Brücke, die in der Forschung gemeinhin mit der Brücke Justinians über den Sangarios identifiziert werden. Das imposante Bauwerk war einst insgesamt 340 m lang, maß 9 m in der Breite und verfügte über 13 hohe Bögen.816 Allerdings befinden sich die besagten baulichen Reste nicht an den Ufern des Sakarya, sondern an dem wesentlich kleineren Fluss Melas. Ausgehend von dem außergewöhnlich großen Ausmaß der Brücke wird in der Forschung gemutmaßt, dass ursprünglich ein viel größerer Fluss, vorzugsweise der Sangarios selbst, unter der Brücke hindurchgeflossen sein muss. Angeregt wurden die modernen Vermutungen von Nachrichten aus verschiedenen spätantiken und byzantinischen Quellen, die zum einen von wiederholten natürlichen Flussverlagerung des Sangarios berichten, zum anderen von einer künstlichen Verlagerung unter Justinian im Zuge des Brückenbaus.817 Ohne auf die ohnehin recht verworrene Quellensituation einzugehen, lassen sich in diesem Zusammenhang drei Feststellungen machen: Auslöser der Forschungskontroverse um die vermeintliche Sangariosbrücke sind 1. ihr übertrieben scheinendes Ausmaß sowie 2. Berichte über eine künstliche Flussverlagerung zur Zeit des Brücken-

men oder gar fertiggestellt wurde, ist auf Basis der derzeitigen Quellenlage nicht sicher bekannt (ebd.: 433). 813 Die Größenangaben sind dem Artikel von Froriep 1991 entnommen, die wiederum auf Angaben aus anderen Quellen, hauptsächlich aus Reiseberichten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, zurückgehen. Heute wird der Sakarya über ein Dammsystem reguliert, was die Hochwasserspitzen am Unterlauf seit 1975 erheblich gesenkt hat; dazu Isik et al. 2008: 174–176. Allerdings dokumentieren aktuelle geowissenschaftliche Arbeiten zum Flussbeckenmanagement am Sakarya das Fortbestehen häufig wiederkehrender extremer Hochwasserperioden, so etwa Yuksel/Sandalci 2007. 814 Froriep 1991: 53. 815 Finkel/Barka 1997: 430. 816 Şahin 1999: 645. 817 Zur Diskussion und zu den entsprechenden Quellentexten s. Froriep 1991; Leiner 1991; Finkel/Barka 1997. Entschieden dagegen spricht sich Şahin 1999 aus, der die baulichen Reste am Melas eher als Teil eines zusammenhängenden Wasserbaukomplexes Justinians an Melas, Sangarios und Sapancasee versteht, der Zollstationen, Hafenanlagen und Hochwasserregulierungseinrichtungen umfasst haben soll. Zuletzt hat sich Belke 2010 wohl zu Recht skeptisch gegenüber der gesamten Forschungskontroverse geäußert, da sie sich auf sehr unterschiedlich interpretierte Quellenmaterialien stützt. Zur militarisierten Herrschaftsrhetorik der byzantinischen Quelle s. zudem Kissel 2002: 148 f. ohne Bezugnahme auf die archäologische Forschungskontroverse.

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baus. Beide Aspekte sind – unabhängig vom konkreten archäologischen Befund – als Charakteristika von Brücken im Mittelmeerraum respektive als Methode für den Brückenbau bereits zur Sprache gekommen. Gerade bei den enorm schwankenden Pegeln des Sapancasees, der immerhin über den Melas entwässerte, könnte die überdimensioniert wirkende Brücke möglicherweise auf extreme Hochwasser des Sees ausgelegt gewesen sein, mit denen nicht zwingend alljährlich zu rechnen war.818 Die Brückenreste am Melas sind also nicht unbedingt die in den Schriftquellen bezeugte Brücke über den Sangarios zu identifizieren. Die künstliche Flussableitung, die Justinian im Zuge des Brückenbaus veranlasst haben soll, könnte alternativ auf eine reguläre Maßnahme zur Erleichterung der Bauarbeiten hindeuten, die möglicherweise nur temporärer Art war. Diese für die Sangariosbrücke überlieferte Maßnahme muss zudem nicht zwingend etwas mit den Brückenresten über den Melas zu tun haben, sofern es sich tatsächlich um verschiedene Bauten handelt. Die nicht beabsichtigten natürlichen Flussverlagerungen hingegen, von denen spätbyzantinische Quellen und Legenden zu berichten wissen, könnten ihrerseits dadurch hervorgerufen worden sein, dass die Brückenpfeiler unter der schriftlich bezeugten Sangariosbrücke mit der Zeit durch die hohe Sedimentfracht verlandete und schließlich als Damm wirkte, wie Sencer Şahin es für denkbar hält.819 Ein archäologisch nachgewiesenes Beispiel für eine solche Wirkung ist etwa in der römischen Brücke über den Mäander bei Milet zu finden, wo das Flussbett unter den Brückenbögen im Laufe der Zeit so sehr verlandete, dass die gesamte Brücke irgendwann wie ein Damm das Wasser aufstaute und den Fluss dauerhaft zur Seite hin ablenkte (Abb. 18).820 Wie bei allen Infrastrukturbauten war die Instandhaltung also auch bei Brückenbauten für ihr störungsfreies Funktionieren essentiell. Insbesondere bei Wasserbauten, die an natürliche Fließgewässer angeschlossen sind, bewirkt eine Vernachlässigung der Strukturen zugleich eine mehr oder weniger drastische Veränderung des natürlichen Wasserflusses – was in gleichem Maße schon für die Installation derartiger Anlagen gilt. So könnten Brücken den natürlichen Wasserfluss in manchen Fällen so sehr verändert haben, dass sich Überflutungsrisiken stellenweise gar verschärften.821 Oftmals bilden sich unbeabsichtigte Nebenwirkungen von Wasserbauten sukzessive heraus, bleiben lange Zeit unbemerkt und offenbaren sich erst nach geraumer Zeit,822 doch gerade dadurch können sie Landschaften gar nachhaltig und auf Dauer verändern.

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Anders lautet allerdings die Einschätzung von Leiner 1991: 78, der die Ausmaße der Melas-Brücke selbst angesichts der Hochwasser noch als überdimensioniert ansieht. 819 Şahin 1999: 654. 820 Tuttahs 2007: 422. 821 Allinne 2007: 74 f. 822 Generell dazu Chahim 2018; außerdem weiter unten in Kapitel IV.3.2.

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

Abb. 18 Flussverlagerung bei Milet, hervorgerufen durch die Verlandung des Flussbettes unter der Alten Mäanderbrücke (Tuttahs 2007: 422, Abb. 452)

III.3.3 Flussaufsicht und Pflege der Infrastruktur Jede technische Anlage bedarf einer ständigen Wartung. Dies gilt insbesondere für Installationen hydraulischer Art, was nicht zuletzt den Auswirkungen von Flusshochwassern geschuldet ist. Wie schon mehrfach erwähnt, kann Flutwasser eine hohe Konzentration an Sedimentfracht mit sich führen, die sich an Uferbereichen, unter Brückenbögen und vor allem im Schwemmfächer von Flussmündungen (und dementsprechend in Kanalmündungen und Hafenbecken) ablagert.823 Durch die Ablagerungen verengt sich der Weg des fließenden Wassers, sodass sich der Wasserspiegel teils schon wegen des erhöhten Grundes hebt und in der Folge das Überschwemmungsrisiko steigt. Andererseits verursachen starke Hochwasser freilich auch Gegenteiliges, namentlich Bodenerosion. Deshalb mussten Kanäle und Uferbefestigungen regelmäßig gewartet werden, um Erosionsschäden zu beheben und Ablagerungen zu entfernen.

823 Für antike Überlegungen zur sukzessiven Verlandung von flach gelegenen Flussmündungen s. Strab. 1,3,7 C 52–53. Insbesondere die Ablagerungen aus antiken Hafenbecken rings um das Mittelmeerbecken weisen signifikant hohe jährliche Wachstumsraten von bis zu 1–4 cm auf, was die von natürlich belassenen Küsten und Seeufern deutlich übersteigt; Lisé-Pronovost et al. 2019: 78.

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Beide Arten von Maßnahmen sind für verschiedene Gewässer sowohl schriftlich bezeugt als auch geoarchäologisch nachgewiesen. a. Die Ausbaggerung von Fahrrinnen und Hafenbecken Die schiffbaren Kanäle im Nildelta, die alljährlich den ausgeprägten Hochwassern standhalten mussten und dabei von dicken Sedimentschichten eingeschlämmt wurden, bedurften ganz besonders intensiver Reinigung und Wartung.824 Für das Jahr 80/81 n. Chr. ist ein Großprojekt zur Ausbaggerung des wichtigsten schiffbaren Nilkanals epigraphisch bezeugt: ἔτους τρίτου Αὐτοκράτορος Τίτου Καίσαρος Οὐεσπασιανοῦ Σεβαστοῦ ἐπὶ Γαΐου Τεττίου Ἀφρικανοῦ Κασσιανοῦ Πρίσκου ἡγεμόνος ὠρύγη Ἀγαθὸς Δαίμων ποταμὸς ἐπὶ τὰ τρία στερεὰ καὶ ἐπὶ τὸ ἀρχαῖον ἀπεκατεστάθη ἕως τῆς πέτρας καὶ ἐτέθησαν παρ’ ἑκάτερα τῶν τ[οί]χων πλάκες ἐπιγεγραμμέναι δεκατέσσαρες. Im dritten Jahr des Imperator Caesar Vespasianus Augustus, unter dem Statthalter Gaius Tettius Africanus Cassianus Priscus, wurde der Wasserweg Agathos Daimon in die drei Richtungen ausgehoben und in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt bis zum Felsgrund, und auf beiden Seiten des Uferwalls wurden vierzehn beschriftete Stelen aufgestellt.825

Stefan Pfeiffer geht davon aus, dass es sich dabei um den Kanal von Alexandria zum kanopischen Nil handelt.826 Von dort aus betraten die römischen Statthalter per Schiff ihre Provinz und an der Mündung des Kanals in den kanopischen Nilarm befand sich zudem eine große Zollstation zur Kontrolle des Warenim- und -exports von Ägypten.827 Aus diesem Grund scheint es auch naheliegend, dass die Inschrift keine regulären Instandsetzungsmaßnahmen dokumentiert, sondern vielmehr an eine außerplanmäßige Grundreinigung erinnert, die vom Statthalter koordiniert wurde. Der Kanal wird auch vorher noch hinreichend schiffbar gewesen sein.828 Die vierzehn cippi werden wohl zugleich die Ufergrenzen angezeigt haben, da vor der Ausbaggerung die

824 Zur Evolution des Nildeltas s. J.-Y. Carrez-Maratray, Péluse et l’angle oriental du Delta égyptien aux époques grecque, romaine et byzantine (BiEtud 124), Kairo 1999; J. Wunderlich, Untersuchungen zur Entwicklung des westlichen Nildeltas im Holozän (Marburger Geographische Schriften 114), Marburg 1989. 825 OGIS II 672 = IGRR I 1098 = SB V 8902 = I. Delta 332, Nr. 3 = TM 103025. Übersetzung entnommen aus Pfeiffer 2015: 274 f., Nr. 60. 826 Pfeiffer 2015: 275. Die Identifizierung des inschriftlich erwähnten Kanals ist allerdings umstritten; dazu s. Jördens 2009: 415 f. mit weiterführender Literatur zur Forschungsdiskussion. 827 Strab. 17,1,6 C 791–792. 828 Vgl. Pfeiffer 2015: 275 f.

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Fahrrinne vermutlich bereits an einigen Stellen verengt war.829 Von weiteren Instandhaltungsarbeiten an schiffbaren Kanälen im Nildelta zeugt auch eine Reihe weiterer entsprechender Bauinschriften aus römischer Zeit.830 Für die Regierungszeit Aurelians in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts ist überliefert, dass die Fahrrinne des Nils und des Tibers, die Hafenkanäle offenkundig eingeschlossen, gereinigt und ausgebaggert wurden.831 Die Maßnahmen standen in direktem Zusammenhang mit den Getreidelieferungen aus Ägypten und schlossen neben den Instandsetzungsarbeiten auch die Rekrutierung von zusätzlichen Flussschiffern auf Nil und Tiber ein, woraus klar wird, dass das umfassende Maßnahmenpaket auf unterschiedlichen Ebenen gleichzeitig eine nachhaltige Verbesserung der Lebensmittelversorgung Roms erwirken sollte. Hinsichtlich der Wartung wurde nicht nur das Flussbett vertieft, indem es von Ablagerungen befreit wurde. Auch das Ufer wurde ausgebaut und befestigt (Tiberinas exstruxi ripas, vadum alvei tumentis effodi). All diese Arbeiten sollten der Verbesserung der Schiffbarkeit dienen, die wegen der anhaltend starken Hochwasser und entsprechenden Anschwemmungen stark beeinträchtigt war. Auch dahinter verbargen sich wohl groß angelegte Reinigungs- und Wartungsarbeiten, die außerplanmäßig und demnach zusätzlich zu den regulären, kleiner dimensionierten Instandhaltungsarbeiten stattfanden. Aus Bohrproben aus den Hafenbecken von Ostia und Portus lässt sich schließen, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten außergewöhnlich tiefgehende, gründliche Beckenbereinigungen stattfanden.832 Von Zeit zu Zeit müssen also immer wieder systematisch die Böden der Hafenbecken, der Schifffahrtskanäle sowie des Tiberbettes großflächig ausgebaggert worden sein. Dass die Einschlämmung der Wasserwege und die Verlandung von Hafeninstallationen ein permanentes Problem darstellte, das deshalb zwangsläufig eine permanente Wartung nötig machte, wird am Beispiel Aurelians besonders deutlich: Im Zuge der bereits erwähnten Maßnahmen wurden neben anderen Göttern auch der Perennitas (‚Ewigkeit‘, oder hier besser als ‚Dauerhaftigkeit‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ zu übersetzen) Gelübde durch den Kaiser dargebracht: dis et Perennitati vota constitui. 829 Die Bereinigungen des Tiberbettes unter Augustus (Suet. Aug. 30,2) wurden ebenfalls mit der Setzung von Ufergrenzsteinen abgeschlossen; dazu Lonardi 2013: 82; Ausbüttel 1998: 125. Außerdem hatte Augustus selbst bereits Kanäle am Nil bereinigen lassen: Suet. Aug. 18; Camerieri/ Mattioli 2013: 21; s. Kapitel III.2.1a. 830 Zusammengestellt und besprochen bei Jördens 2009: 414–423. 831 SHA Aurel. 47. Bei allen Vorbehalten gegenüber der Aussagekraft der Historia Augusta bleibt festzuhalten, dass die behaupteten Rahmenbedingungen und Komponenten der Berichterstattung dem antiken Publikum im präsentierten Kontext zumindest plausibel erschienen sein müssen; zur historiographischen Einschätzung des Werks s. Johne 1998. 832 So zumindest werden bestimmte Auffälligkeiten, etwa chronologische Inversionen, in den Sedimentbohrkernen interpretiert, zumal natürlich induzierte Störungen (z. B. durch Tsunamis oder Flusshochwasser) andere Charakteristika in der Sedimentschichtung aufweisen müssten; Salomon et al. 2016b: 18 f.; Lisé-Pronovost et al. 2019: v. a. 88–90.

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Von juristischer Seite finden sich in den Digesten verschiedene Bestimmungen über die Befestigung der Ufer (de ripa munienda).833 Schon die Existenz und die schiere Anzahl solcher strengen Regelungen legt nahe, dass die eben zitierten epigraphisch und literarisch bezeugten Reinigungs- und Uferbefestigungsarbeiten nicht die einzigen Maßnahmen an Tiber und Nil gewesen sein dürften, sondern lediglich außerordentlich umfassende Arbeiten darstellten, die deshalb einer gesonderten Erwähnung für würdig befunden wurden. Bereits für die Republik sind literarisch Reinigungsaktivitäten für Flüsse und Entwässerungsgräben überliefert. Dazu wurden Privatunternehmer, sogenannte redemptores, beauftragt.834 Allerdings wird in der Forschung wohl zu Recht davon ausgegangen, dass es sich dabei noch nicht um regelmäßig durchgeführte Reinigungsarbeiten handelte, sondern die Bereinigung vielmehr nach Bedarf ausgeschrieben wurde. Noch unter Augustus scheint es sich bei der durch Sueton bezeugten Flussbettreinigung und -verbreiterung835 eher um eine einmalige Aktion gehandelt zu haben, da sie sonst kaum eigens betont worden wäre und es ein permanent damit betrautes Amt zu der Zeit offenbar noch nicht gab.836 Außerdem fällt auf, dass Sueton die Entlastungsfunktion während Überschwemmungen als Grund für die Maßnahmen nennt, obgleich die augusteischen Reinigungsarbeiten im Flussbett wahrscheinlich zugleich zur Verbesserung der Schiffbarkeit dienen sollten. Bereits einige Jahrzehnte zuvor waren durch die beiden Zensoren des Jahres 55/54 v. Chr. Ufergrenzsteine aufgestellt worden, die vermutlich ebenfalls mit einer Flussbettbereinigung einhergingen.837 Mit der Einrichtung der cura riparum et alvei Tiberis unter Tiberius scheint die Aufgabe dann aber regelmäßiger und möglicherweise regulär unter der Aufsicht des Kuratorenkollegiums durchgeführt worden zu sein.838 Ob zu dem Zweck eigenes Personal dafür eingestellt wurde oder weiterhin redemptores dafür engagiert wurden, ist für den Tiber nicht zweifelsfrei zu klären und war für andere Flüsse im Reich wahrscheinlich nicht einheitlich geregelt. Lonardi deutet eine Textstelle bei Juvenal dahingehend, dass selbst zu Juvenals Lebzeiten im Prinzipat des 1. und 2. Jahrhunderts noch redemptores für die Bereinigung von Flussbetten und Uferzonen zuständig waren, insbesondere nach Überschwemmungen: 833 834 835 836

Dig. 43,15 (Ulpian). Gell. 11,17; Fest. 373 L (s. v. retanda); dazu Lonardi 2013: 49 f. Suet. Aug. 30,2. Dazu s. allgemein Lonardi 2013: 48–51; zur Einschätzung der Tiberbereinigung unter Augustus s. außerdem Ausbüttel 1998: 12 (einmalige Aktion); Bianchi 2017: 105; Viganò 1972: 805 f. (temporär eingerichtete cura riparum); zu letzterer Diskussion bereits ausführlicher weiter oben in Kapitel III.2.1b. Immerhin scheint gerade Augustus große Anstrengungen unternommen zu haben, die großen Flüsse und Kanäle für die Versorgung der Stadt Rom (Tiber und Nil) von Ablagerungen freizuhalten; vgl. Suet. Aug. 18; dazu Camerieri/Mattioli 2013: 21. 837 CIL VI 31540 c = CIL I 766 c = ILS 5922 b: P(ublius) Serveilius C(ai) f(ilius) / Isauric(us) / M(arcus) Valerius M(arci) f(ilius) / Ma(ni) n(epos) Messall(a) / cens(ores) / ex s(enatus) c(onsulto) termin(arunt); dazu Lonardi 2013: 47 f. 838 Zur Einrichtung dieses Amtes ausführlich in Kapitel III.2.1.

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(…) Vivant Artorius istic et Catulus, maneant qui nigrum in candida vertunt, quis facile est aedem conducere, flumina, portus, siccandam eluviem, portandum ad busta cadaver, et praebere caput domina venale sub hasta. (…) Leben mögen dort Artorius und Catulus, bleiben mögen, die Schwarzes in Weißes verkehren, denen es leichtfällt, den Bau von Tempeln zu pachten, den Betrieb von Flüssen und Häfen, die Trockenlegung bei Überschwemmungen, den Transport von Leichen zur Verbrennung, und unter der Besitzrecht verleihenden Lanze das Haupt zum Verkauf darzubieten.839

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In der Tat scheint auch für die Kaiserzeit das Engagement von redemptores für allerlei Instandhaltungs-, Reinigungs- und Reparaturarbeiten selbst an öffentlichen Infrastrukturbauten wahrscheinlich. So ist für die Unterhaltung der Cloaca Maxima in Rom durch Plinius den Älteren noch für das 1. Jahrhundert n. Chr. der Posten des redemptor cloacarum bezeugt.840 Wie die Reinigungsmaßnahmen technisch realisiert wurden, bleibt unklar, doch leitet sich laut Festus retanda möglicherweise von rete („Netz“) ab, womit der Untergrund von Schlick und Ablagerungen befreit worden sein könnte.841 Zumindest am Tiber scheinen die corpora der urinatores in die Prozesse der Flussbettreinigung involviert gewesen zu sein.842 Ihre Berufsbezeichnung ist wahrscheinlich auf das Deponens urinari (untertauchen) zurückzuführen, sodass sie als professionelle Taucher aus dem Schifffahrts-, Fischerei- und Hafenbetrieb anzusehen sind.843 Es liegt nahe, diese Berufsgruppe allgemein mit Arbeiten in Verbindung zu bringen, die im Zuge von Bau- und Ausbesserungsarbeiten unter Wasser durchgeführt werden mussten, darunter auch die Fundamentierung und Reparatur von Brückenpfeilern.844

839 Iuv. 1,3,29–33. Übersetzung: Joachim Adamietz (Adamietz 1993); dazu Lonardi 2013: 50. 840 Plin. nat. 36,2,4. Das Abwassersystem und insbesondere die Cloaca Maxima wurde bei Bedarf sogar für den Schiffstransport genutzt, sodass auch deshalb eine regelmäßige Reinigung unabdingbar war; dazu s. Plin. nat. 36,6; 36,104–106; Cassiod. var. 3,30,2. 841 Festus (Fest. 373 L, s. v. retanda) erklärt den Begriff offenbar anhand des Beispiels der Trockenlegung der Pomptinischen Sümpfe, wobei der Text an der Stelle nicht vollständig erhalten ist; zur Etymologie s. auch Gell. 11,17,3–4; Lonardi 2013: 50. 842 Lonardi 2013: 50 f. mit weiterführender Literatur. 843 Zur Etymologie s. Varro ling. 5,27,126; Non. 7,474. Inschriftlich ist für Ostia verschiedentlich ein corpus urinatorum bezeugt: AE 1982, 131; CIL XIV 4620; ähnlich auch für den stadtrömischen Raum: CIL VI 29700; CIL VI 29702. 844 Lonardi 2013: 51 mit Fn. 235.

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b. Die öffentliche Flussverwaltung Aufsicht und Pflege der Schifffahrtswege, Hafeninstallationen und Uferbereiche unterstanden am Tiber seit dem Prinzipat des Tiberius den curatores riparum et alvei Tiberis und ihrem Mitarbeiterstab. An anderen Wasserläufen sowie in den Provinzen scheinen die Zuständigkeiten unterschiedlich geregelt gewesen zu sein und teils auf vorrömische Strukturen und Traditionen zurückzugehen. Klar ist in jedem Fall, das die Unterhaltung der städtischen Infrastruktur in der Verantwortung des Stadtrats und der Gemeindemitglieder lag, wobei vermutlich insbesondere in Krisenzeiten und in Phasen finanzieller Not die Unterhaltung zum Teil stark vernachlässigt wurde, was umso mehr für die Spätantike gilt. Unter Theoderich etwa mussten politische Amtsträger in Parma und Rom an die Reinigung der städtischen Abflusskanäle erst schriftlich erinnert und mit Nachdruck zur Durchführung aufgefordert werden.845 Ein äußerst stark befahrener Fluss, der zudem ähnlich wie der Nil für die Lebensmittelversorgung der urbs entscheidend war, war der Baetis (Guadalquivir) in der Provinz Baetica. Die Schlüsselrolle des Flusses für Rom ist bereits im Provinznamen zu erkennen. An seinem Unterlauf befanden sich mehrere wichtige Hafenstädte, worunter die caesarische Kolonie Hispalis (Sevilla) als die herausragendste gelten kann. Ihre Bedeutung als Hafenstadt und Handelszentrum verdankte sie ihrer geographischen Lage: Sie lag am Kopf eines heute längst verlandeten Ästuardeltas846 und war dadurch auch für große Hochseeschiffe erreichbar.847 Seit der Kaiserzeit verließen von dort aus große Warenmengen – darunter vor allem mit Olivenöl befüllte Amphoren – das Land, um nach Ostia oder auch in andere Provinzen verschifft zu werden.848 Töpfereien und Lebensmittelproduzenten säumten die Uferbereiche und das Mündungsgebiet des Flusses.849 Bei einer derart regen Handels- und Schifffahrtsaktivität entlang des Flusslaufs ist anzunehmen, dass heftigere Hochwasserereignisse zu Überschwemmungen der wirtschaftlich relevanten Strukturen und Bereiche führten, die einer Vor- und

845 Cassiod. var. 3,30; 8,29–30; Meyer-Flügel 1992: 294 f. 846 Zum Verlandungsprozess des Baetis-Ästuars s. Kapitel III.1.3b. 847 Strab. 3,2,3 C 142. Aus diesem Grund schließt Wawrzinek 2014: 10 Hispalis aus ihrer Studie zu römischen Flusshäfen aus; vgl. Ordoñez Agulla 2003: 63: „Este sentido de ciudad de desembocadura, de fácil acceso al mar, como punto de máxima penetración de las naves de alto porte marítimo, permite considerar a Hispalis más como un puerto de mar que un puerto fluvial (…).“ 848 Strab. 3,2,5–6 C 143–144. Zur herausragenden Rolle des Olivenöls als wichtigstes baetisches Exportprodukt s. Fear 1996: 1; Mattingly 1996: 245; Mattingly 1988; Fellmeth 2001: 68. Viele der tituli picti auf den hispanischen Olivenölamphoren Dressel 20, die im Monte Testaccio in Rom gefunden wurden, enthalten Verweise auf ihren baetischen Ursprungsort Hispalis; dazu s. Remesal Rodríguez 1998; ein aktualisierter Bericht zum Stand der fortlaufenden archäologischen Untersuchungen am Monte Testaccio findet sich etwa bei Blázquez Martínez/Remesal Rodríguez 2014. 849 Fear 1996: 1 f.; allerdings waren und sind im Binnenland die landschaftlichen Charakteristika des nördlichen und des südlichen Ufers sehr unterschiedlich.

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Fürsorge bedurften, und dass zudem auch während des restlichen Jahres für ein reibungsloses Mit- und Nebeneinander gesorgt werden musste. Über die Verwaltungsstrukturen entlang des Baetis ist trotz allem noch wesentlich weniger bekannt als für den Tiber. Immerhin liegen verschiedene Inschriften vor, die zumindest einen Eindruck davon vermitteln, welche Interessensgruppen und Funktionsträger auf Fluss und Ufer am Unterlauf vertreten waren. So wurde beispielsweise unter Marcus Aurelius und Lucius Verus in Hispalis ein gewisser Sextus Iulius Possessor als procurator Augustorum ad ripam Baetis mit einer Ehreninschrift bedacht, die von den scapharii Hispalenses gestiftet worden war.850 Als Grund für die Stiftung werden die innocentia und iustitia des Geehrten angegeben. Wegen des direkten Bezugs zu einem der Schifferkollegien851 sowie wegen der Amtsbezeichnung, die das Baetisufer bereits im Namen trägt, stellt sich die Frage, inwieweit das Amt des procurator ad ripam Baetis mit dem des curator riparum et alvei Tiberis vergleichbar war. Zwei weitere Inschriften aus der Gegend des Baetis, darunter eine zweite aus Hispalis sowie eine aus Obulco, komplettieren möglicherweise das Bild jener procuratio.852 Das Amt des Prokurators habe laut Salvador Ordóñez Agulla Aufgaben im Bereich des Hochwasserschutzes eingeschlossen. Außerdem vermutet er, dass der Uferprokurator für die Instandhaltung von Uferbefestigungen und Sperranlagen zuständig war, wobei die Existenz der Letzteren zweifelhaft bleibt.853 Betrachtet man die

850 CIL II 1180 = ILS 1403 = AE 1991, 993 = ILER 1294 = CILA 2,23: Sex(to) Iulio Sex(ti) f(ilio) Quir(ina) Possessori / praef(ecto) coh(ortis) III Gallor(um) praeposito nume/ri Syror(um) sagittarior(um) item alae primae Hispa/norum curatori civitatis Romulensium Mal/vensium tribuno mi[l(itum) leg(ionis)] XII Fulminat[ae] / curatori coloniae Arcensium adlecto / in decurias ab Optimis Maximisque / Imp(eratoribus) Antonino et Vero Augg(ustis) adiu/tori Ulpii Saturnini praef(ecti) annon(ae) / ad oleum Afrum et Hispanum recen/sendum item solamina transfe/renda item vecturas navicula/riis exsolvendas proc(uratori) Augg(ustorum) ad / ripam Baetis scapharii Hispalen/ses ob innocentiam iustitiam/que eius singularem. 851 Der cursus des Geehrten umfasste des Weiteren den Posten des adiutor praefecti annonae ad horrea Ostiensia et Portuensia sowie einige Jahre später das Amt des procurator annonae in Ostia und ein weiteres handelsbezogenes Amt in Alexandria (AE 1983, 976 = AE 1987, 1026). 852 CIL II 2129 = II 2/7, 97 = ILS 1404 = CILA III, 299 = HEp 13, 2003/2004, 355 (aus Obulco am Baetis): [… Quintiu]s(?) Q(uinti) f(ilius) Q(uinti) n(epos) Q(uinti) pron(epos) Q(uinti) abn(epos) Gal(eria) Hispan[us] / […]tus aedil(is) flamen IIvir pontif(ex) municipi(i) P[ontif(iciensis)] / […] curator Baetis praef(ectus) cohortis PI[…] / […]rum equitatae comes et adsessor legati ad / […]s et adsessor proco(n)s(ulis) provinciae Galliae / [Narbon(ensis)] compluribus immunitatibus et beneficiis INTER DIFFVSE / [… p]rincipib(us) honoratus tabernas / […] et post horreum solo empto ab re publica d(e) s(ua) p(ecunia) d(ono) d(edit); CIL II 1177 = ILER 6386 = CILA 2, 21 (aus Hispalis): C(aio) Caecilio C(ai) Caecili / Silvani filio Virgilliano / e(gregio) v(iro) proc(uratori) Aug(usti) ripae prov(inciae) / Baeticae pr[–. 853 Zu den genannten Äußerungen s. Ordóñez Agulla 2003: 63. In dem Zusammenhang beruft er sich auf die spezielle Lesung einer Textstelle bei Philostrat (Philostr. Apoll. 5,6), in welcher der antike Autor darüber berichtet, dass der Baetis an allen Städten vorübergeleitet würde (διῆχθαι τὸν ποταμὸν ἐς τὰ ἄστη πάντα), was Ordóñez Agulla mit „el río está canalizado por todas las ciudades“ übersetzt. Explizit wird im Text allerdings kein zwingend künstlicher Kanal erwähnt. Außerdem geht Genaro Chic García für den damals schiffbaren Teil des Baetis von Schleusen

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Titulatur des geehrten Possessor genauer, fallen allerdings einige Unterschiede zur Amtsbezeichnung der cura riparum et alvei Tiberis auf. Statt der Pluralform wird in den Ehreninschriften des Possessor lediglich auf das Baetisufer im Singular verwiesen (ad ripam).854 Wäre der Prokurator tatsächlich für die Instandhaltung der Uferbefestigungen und Sperrwerke des Baetis zuständig gewesen, müssten grundsätzlich beide Ufer in seinem Kompetenzbereich gelegen haben, da eine zufriedenstellende Amtsausführung sonst kaum möglich gewesen wäre. Das Flussbett (alveus) scheint außerdem überhaupt nicht zum Zuständigkeitsbereich der procuratio gehört zu haben, da ein Verweis darauf im Titel gänzlich fehlt. Wäre das Amt tatsächlich eigens zur Aufsicht und Pflege über die wasserbaulichen Installationen entlang des Flusslaufs ins Leben gerufen worden, müssten gerade das Flussbett und die vermuteten Kanäle den hauptsächlichen Zuständigkeitsbereich dargestellt haben – auch in der Amtsbezeichnung. Eine Inschrift aus Carales (Cagliari) auf Sardinien, die Rufus, einen procurator Caesaris Hadriani ad ripam ehrt, könnte für die Interpretation der Inschriften zur Baetis-procuratio aufschlussreich sein.855 Die Ehrung stammt aus trajanischer Zeit und ist nicht auf ein imperiales Amt bezogen, da Hadrian lediglich als Caesar bezeichnet wird und Trajan gar nicht genannt ist. Andreina Magioncalda zufolge habe dieser Posten am ehesten die Verwaltung der privaten hadrianischen Güter vor Ort zur Aufgabe gehabt, zumal die fehlende Ortsangabe ohnehin auf ein Ehrenamt lokalen Charakters hinweise.856 Außerdem spielte sich auch die restliche Karriere des geehrten Rufus außerhalb des Militärdienstes und eher auf munizipaler Ebene in der Heimatstadt ab ohne greifbares Interesse an höheren zivilen Posten.857 Ebenso könnte es sich also bei

und Sperrwerken aus (Chic García 1990: 29–42 mit einer Übersichtskarte der hypothetischen Sperrwerke und Kanalisierungen ebd.: 33). Seine Annahme stützt sich jedoch im Wesentlichen auf eine alternative Interpretation der lateinischen Vokabel portus (hier: von porta / portunus / angiportus in ihrer Bedeutung als „Pforte“; ebd.: 32) sowie auf frühe archäologische Beobachtungen entlang des Flusslaufes, die lediglich bei einer Befahrung des Guadalquivir per Schiff von Jorge E. Bonsor (Bonsor 1931) aufgezeichnet wurden. Inwieweit es sich um bauliche Reste aus römischer Epoche handelte, konnte dabei freilich nicht festgestellt werden. 854 Das gibt bereits Le Gall 1953: 262 zu bedenken. 855 CIL X 7587 = ILS 1402: …]im[….] / [..]u[l(io)] L(uci) f(ilio) Quir(ina) / Rufo praef(ecto) coh(ortis) / subcuratori viae / Aemiliae trib(uno) leg(ionum) / XIIII Gemin(ae) et X Vict(ricis) / proc(uratori) Plotinae Aug(ustae) / proc(uratori) Caes(aris) Hadriani / ad ripam pontifici C[aralitanorum(?)] / IIIIvir(o) i(ure) d(icundo) q(uin)q(uennali) / T(itus) Cutius [–]IVL[–; dazu v. a. Magioncalda 2007. 856 Magioncalda 2007: 208 f. Le Gall 1953: 262 vermutet hingegen, dass der Name des Gewässers aus administrativen Gründen nicht genannt wurde. So nimmt er an, dass Rufus für alle kaiserlichen Güter zuständig gewesen sei, die über Ufer verfügt hätten. Einen solchen Schritt hält er deshalb für naheliegend, weil es sich bei Ufergrundstücken um ähnliche Naturräume und Topographien gehandelt habe. Ausgerechnet für den Mittelmeerraum einerseits und die hispanischen Flüsse der Atlantikfront andererseits scheint es jedoch wenig überzeugend, von einer „Ähnlichkeit“ der Uferzonen zu sprechen. 857 Magioncalda 2007: 210.

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dem in Obulco inschriftlich bezeugten [pro?]curator Baetis um ein lokales Amt zur Verwaltung privater kaiserlicher Besitzungen gehandelt haben.858 Nun waren die Kaiser des zweiten Jahrhunderts, die entweder selbst aus Hispanien stammten oder ihre familiären Wurzeln in Hispanien hatten, wahrscheinlich durch ihren Landbesitz und den Handel mit den dort produzierten Gütern sozial aufgestiegen und eröffneten, einmal an der Macht, auch anderen Baetici den Weg in die höchsten Kreise Roms.859 Die hispanischen Kaiser werden enge Beziehungen in ihre alte Heimat gepflegt und dort auch weiterhin über Besitzungen verfügt haben. Spätestens unter Marcus Aurelius wurde außerdem Olivenöl in die staatlich geförderte annona aufgenommen, was nicht zuletzt den baetischen Olivenölhändlern und Schiffern zugutekam.860 Nicht zu vergessen sind zudem die ertragreichen baetischen Erzminen, die ebenfalls den Status kaiserlicher Domänen hatten, sowie eine Reihe anderer kaiserlicher Güter, deren Status schon während des ersten nachchristlichen Jahrhunderts zunehmend dem Status staatlicher Besitzungen gleichkam.861 Seit severischer Zeit ist durch die Aufschrift auf diversen baetischen Olivenölamphoren ein eigener fiscus rationis patrimonii provinicae Baeticae bekannt, was sicherlich das Ergebnis einer längeren Entwicklung unter den aus Hispanien stammenden Kaisern darstellt.862 Ihre Produkte wurden über den Wasserweg nach Hispalis transportiert und von dort aus weiter zu ihrem finalen Bestimmungsort gebracht.863 Eine enge Zusammenarbeit der kaiserlichen Domänenverwalter mit den Schifferkollegien ver-

858 Vgl. Le Gall 1953: 262. 859 Mattingly 1996: 245. 860 Zu den Privilegien für navicularii und mercatores olearii, die unter den Antoninen verliehen und sukzessive erweitert wurden, s. Schmidts 2011: 109 mit weiterführender Literatur. Im Amphitheatrum Flavium in Rom waren die Ränge 11 und 12 laut zweier Inschriften aus dem späten 2. oder dem frühen 3. Jh. für die Gaditaner (wohl überwiegend Händler oder Schiffer aus Gades) reserviert; CIL VI 32098 l–m. 861 Zu den kaiserlichen Besitzungen in Hispanien s. Etienne 1949: 165–175. 862 Etienne 1949: 152–165; Schmidts 2011: 56. 863 So ist aus severischer Zeit aus dem Hafenbereich von Hispalis die Ehrung eines diffusor olei ad annonam urbis bekannt (AE 2001, 1186 = AE 2008 sub 156 = AE 2008, 157 = HEp. 10, 2000, 576 = HEp. 17, 2008, 122). Außerdem ist auf baetischen Ölamphoren aus dem Monte Testaccio in Rom der Vermerk r(ecognitum) Hispal(is) mehrfach bezeugt (so z. B. CIL XV 3973.4317). Bereits etwas flussabwärts bei Ilipa Magna wurden die weiter zu transportierenden Waren wohl zu größeren Ladungen zusammengefasst, umgeladen und erst dann auf größeren Transportschiffen weiter nach Hispalis gebracht. Davon ist auszugehen, weil der Tidenhub, der bis Ilipa hin spürbar war (Strab. 3,5,9 C 174–175), die Passage flussabwärts für kleinere Flussschiffe erschwerte. In umgekehrter Richtung, flussaufwärts, musste eingehende Ware jedenfalls in Ilipa auf kleinere Flussschiffe umgeladen werden. So ist für den Hafen von Ilipa aus severischer Zeit ein dispensator portus Ilipensis bekannt (CIL II 1085 = ILS 1406). Seine Aufgabe bestand vermutlich unter anderem darin, das Umladen und den Weitertransport der eingehenden Waren zu überwachen. Da er der Dedikant ist und es sich bei dem Geehrten um den Statthalter der Baetica handelt, ist eine enge und reguläre Zusammenarbeit der beiden Amtsinhaber anzunehmen.

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mag vor dem Hintergrund nicht zu verwundern.864 Als Schlussfolgerung ist daher am ehesten anzunehmen, dass vermutlich auch die Aufgabe der inschriftlich bezeugten baetischen Uferprokuratoren lediglich in der Verwaltung der Kaiserdomänen und der Domänen kaisernaher Personen bestand sowie in der Transportorganisation der dort produzierten Güter über den Wasserweg. Eine Gleichsetzung ihrer Kompetenzen mit denen der curatores riparum et alvei Tiberis scheint insgesamt wenig wahrscheinlich. Die administrative Zuständigkeit für öffentliche Flüsse, wasserbezogene Infrastrukturen und Straßen lag in der Baetica bei den Dekurionenräten, wie es aus den Stadtrechten ersichtlich ist, und lag somit überwiegend bei den einzelnen Kommunen.865 Das Stadtrecht legte auch fest, dass konkret anfallende Arbeiten unter der Mitwirkung der männlichen Munizipialbürger zu realisieren waren: als unvergütete Arbeitsleistung für den Zeitraum von fünf Tagen jährlich.866 In ähnlicher Weise waren die Anwohner und Nutznießer der Via Nova in Nordafrika für die Wartung der Straße zuständig und mussten für die Reparatur aufkommen, so nachweislich bei Flutschäden, wobei dort aufgrund der klimatischen und administrativen Besonderheiten später freilich eine Sonderregelung vereinbart wurde.867 Die Verpflichtung der jeweiligen Anrainer,

864 Ähnlich nimmt Le Gall 1953: 261 an, dass der aus einer griechischsprachigen Ehreninschrift bekannte procurator Caesaris ad ripas Tiberis aus claudischer Zeit nicht mit dem Präfekten der Tiberaufsicht identifiziert werden kann: CIG III 3991 = ILS 8848 = IGR III 263 (ἐπίτρο[π]ον Καίσαρος προς ὄ[χ]θαις Τιβέρεως). Bei der Amtsbezeichnung handelt es sich allerdings um eine Rückübersetzung Le Galls ins Lateinische, denn die komplett griechischsprachige Inschrift wurde in Galatien gefunden. Sein Argument lautet, dass zwar auch der Geehrte, L. Pupius Praesens, ritterlicher Herkunft war, sodass die Zuordnung zum praefectus-Posten formal passen würde. Allerdings spricht für ihn die ausschließliche und explizite Nennung des Caesars eher dafür, dass Praesens dem Kaiser direkt unterstellt war. Der Tiberpräfekt unterstand in claudischer Zeit hingegen den Kuratoren der cura riparum et alvei Tiberis; ebd.: 262. 865 Zur caesarischen Lex Ursonensis: CIL II 5439 = ILS 6087 = Crawford 1996: Nr. 25. In § 77 wird ausdrücklich festgelegt, dass das Recht zur Neuanlage, Veränderung oder Reparatur von Straßen, Kanälen und Wassergräben dem ordo decurionum untersteht; dazu Petzold 2019: 153 f. Zur flavischen Lex Irnitana: AE 1984, 454 = AE 1986, 332 = AE 1986, 333 = AE 1987, 491–492bis = AE 1988, 704 = AE 1989, 415 = AE 1990, 527 = AE 1991, 991a-c = AE 1993, 25–29 = AE 1993, 998–999 = AE 1994, 912 = AE 1995, 776 = AE 2006, 64 = CILA 5, 1201 = HEp 3, 1993, 352 = HEp 5, 1995, 726 = HEp 6, 1996, 878 = HEp 9, 1999, 520 = HEp 11, 2001, 474 = HEp 11, 2001, 475 = HEp 14, 2005, 329 = HEp 15, 2006, 330 mit einer Textedition und Übersetzung ins Deutsche von Wolf 2011. Bezüglich der Zuständigkeiten für Straßen, Flüsse und hydraulische Strukturen s. insbesondere § 82–83; zur Finanzierung öffentlicher Projekte auch § 79; zu den hier relevanten Zuständigkeitsbereichen § 19,6; dazu auch kurz Boatwright 2000: 47. Eine Charakterisierung der Unterschiede zwischen beiden baetischen Stadtgesetzen bietet Wolf 2011: 21 f.; speziell mit Blick auf die Unterschiede bei Bau und Wartung von Wasserinfrastrukturen Petzold 2019: 153–159. 866 Zur bürgerlichen Verpflichtung unterelitärer Schichten zum öffentlichen, unentgeltlichen Arbeitsdienst im Sinne des Gemeinwohls (Penthemeros) s. insbesondere Petzold 2019: 131–226 mit einer Zusammenfassung ebd.: 225 f.; speziell in Verbindung mit hydraulischen Baumaßnahmen und aufgeschlüsselt nach Provinzen ebd.: 132–184; im Rahmen des Straßenbaus, ebenfalls nach Provinzen geordnet, ebd.: 184–201. 867 Petzold 2019: 196 f.; Rathmann 2003: 78–80; Pekáry 1968: 160–164; Teutsch 1962: 165; zur schließlich vereinbarten Sonderabgabe zugunsten der Stadt Milev s. auch Sánchez 2004: 38.

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

Straßen und Wege physisch oder monetär auf eigene Kosten instand zu halten, galt grundsätzlich bereits seit republikanischer Zeit.868 In gesonderten Fällen konnten auch lokale Euergeten für Bau- und Reparaturmaßnahen aufkommen, je nach Rechtsstatus der betreffenden Straße oder des Straßenabschnitts und wohl auch je nach Ausmaß der anfallenden Arbeiten.869 Die von Interessensverbänden, vom Staat oder den Kommunen organisierte Wartung der Straßen und der wasserbaulichen Strukturen, insbesondere der Schifffahrtswege samt Treidelpfaden und Hafeninfrastruktur, wurde durch gesetzliche Regelungen, die bis in den Bereich des privaten Landbesitzes hineinreichten, zusätzlich unterstützt. Ein Erlass zum Hafen von Ephesos etwa beinhaltete das Verbot, Schutt und ähnliches im Hafenbecken zu verklappen, um so einer unerwünschten vorschnellen Minderung der Tiefe entgegenzuwirken.870 c. Die Unterhaltung privater Ufergrundstücke Jeder private Landbesitzer trug insofern zur Instandhaltung der Schifffahrtswege bei, als er gesetzlich dazu verpflichtet war, Flussbett und Uferstreifen von Einbauten und anderen Hindernissen freizuhalten.871 Außerdem gebot der Privatmann einer vorschnellen Veränderung und Verlandung der Fahrrinne dadurch Einhalt, dass er auch in eigenem Interesse einen Deich als Erosions- und Hochwasserschutz anlegte. Wo ein Privatgrundstück besonders flutgefährdet war, war das Errichten eines Uferschutzes selbst dann noch ausdrücklich erlaubt, wenn durch die Deich- oder Dammanlagen der natürliche Wasserfluss an der Stelle dauerhaft verändert wurde.872 Dies ist insofern ein Zugeständnis an die Landbesitzer, als es generell untersagt war, Wassermenge und Fließeigenschaften eines öffentlichen Wasserlaufes künstlich zu verändern, da dies gegebenenfalls die Schiffbarkeit oder die Möglichkeiten zur agrarischen und ge-

868 Cato agr. 2,4; dazu s. Pekáry 1968: 119 f.; Petzold 2019: 226. 869 So kam im 3. Jh. n. Chr. beim hispanischen Castulo der amtierende Statthalter der Baetica privat für die Reparatur und Befestigung einer kleinen Straße mit unbekanntem Rechtsstatus auf: CIL II 3270 = ILS 5513 = AE 1975, 526; zur Frage der Zuständigkeit v. a. Rathmann 2003: 141, Fn. 807; zur Inschrift bereits weiter oben in Kapitel III.3.1b zu flutanfälligen Straßen. 870 IvEphesos I 23 = Freis 1984: 178, Nr. 100. 871 Dig. 43,12,1pr (Ulpian). 872 Dig. 43,13,1,7 (Ulpian). Die Voraussetzung für eine solche Veränderung war, dass dadurch keine anderen Parteien Nachteile irgendeiner Art erlitten; vgl. Dig. 43,12,1,15,1pr (Ulpian) über den gemeinnützigen Effekt von (privat angelegten) Uferbefestigungen unter Wahrung der Schiffbarkeit; dazu Lonardi 2013: 49; Arnaud 2011: 341. Ebenso wird die Notwendigkeit (necessitas) einer Uferbefestigung an Privatgrundbesitz in den Schriften der Feldmesser anempfohlen, die in ihrem Arbeitsalltag mit den unmittelbaren Auswirkungen von Flusshochwassern zu tun hatten: Hyginus 1, C 90-18-20 = L 124,3–7 = T 87,4–8; vgl. Siculus Flaccus, C 116,23–26 = L 150,24–28 = T 114,25–29; dazu Castillo Pascual 2012: 2.

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Abb. 19 Treidelszene auf dem Fragment eines römischen Grabsteines (© Fondation Calvet, Avignon)

werblichen Wasserentnahme beeinträchtigt haben würde.873 Explizit zum Schutz vor Flutwasser waren sogar punktuelle Umleitungen oder Modifikationen am natürlichen Wasserfluss erlaubt, wiederum solange kein anderer Schaden dadurch nahm.874 Dämme hingegen, die den gesamten Fluss quer zur Fließrichtung stauten, wie sie des Öfteren von Fischern zur Steigerung ihrer Fangquoten errichtet wurden, wurden unter Theodosius als Behinderung des Warenverkehrs per Wasserweg strikt verboten.875 Neben der Freihaltung der Fahrrinne selbst waren außerdem Lein- oder Treidelpfade durch private Grundbesitzer stets in Ordnung zu halten oder zumindest nicht negativ zu beeinträchtigen, da ohne Treideln eine Binnenschifffahrt vielerorts nicht möglich gewesen wäre.876 Aus offensichtlichen Gründen war das Treidelwesen auf die Zugänglichkeit und Gangbarkeit der Uferbereiche angewiesen, wie es schon die zahlreichen Reliefdarstellungen von Treidelszenen aus römischer Zeit erahnen lassen (Abb. 19).877 Vielleicht zielte die juristische Regelung, die den privaten Uferschutz gegen Erosion ausdrücklich gestattete, nicht nur auf die Unversehrtheit des Ufergrundstücks und der

873 Zu den juristischen Regelungen und Verboten zugunsten der Schifffahrt, darunter die nur eingeschränkt mögliche Veränderung des eigenen Ufergrundstücks, s. Arnaud 2011: 338–343; speziell zum Verbot, Wasserläufe umzuleiten s. Morley 2015; Dig. 43,12,1,12 (Ulpian); dazu s. etwa Chic García 1990: 14 (speziell zur Schiffbarkeit des Baetis). 874 Dig. 43,13,1,7 (Ulpian); dazu s. Honoré 1982: 33. 875 Cassiod. var. 5,16–18 und 5,20; dazu s. Meiggs 1982: 153. 876 Besonders deutlich wird dies bei Auson. Mos. 39–44 (s. weiter oben in Kapitel II.1); zum Treidelwesen s. auch Dion. Hal. ant. 3,44,3; Hor. sat. 1,5,11–23; Prok. BG 1 (bzw. 5), 26,8–9;13. 877 Zur Binnenschifffahrt und zum Treidelwesen auf dem Gebiet des Römischen Reichs s. Höckmann 1997. Zur Bedeutung des Treidelwesens für die Schifffahrt auf der Mosel mit einer diesbezüglichen Neuinterpretation einer Textstelle in der Mosella des Ausonius s. Schwinden 2020: 23–26. Zum Treidelverkehr und den entsprechenden Schiffstypen speziell am Unterlauf des Tibers unter besonderer Berücksichtigung der archäologischen Quellen s. Theis 2017.

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

Fahrrinne ab, sondern auch auf die Pflege der Uferstreifen für den Treidelverkehr.878 Jedenfalls war es Grundbesitzern nur dann erlaubt, das eigene Grundstück vor Erosion zu schützen, wenn die Schiffbarkeit dadurch nicht behindert oder verschlechtert wurde, wozu auch die Verschlechterung der Leinpfade für den Treidelverkehr zählte.879 Wie provisorisch manch ein Grundstücksbesitzer beim Uferschutz vorging, karikiert Martial für einen ehemaligen Tiberschiffer: Iam senior Ladon Tiberinae nauta carinae proxima dilectis rura paravit aquis. quae cum saepe vagus premeret torrentibus undis Thybris et hiberno rumperet arva lacu, emeritam puppim, ripa quae stabat in alta, inplevit saxis obposuitque vadis. sic nimias avertit aquas. quis credere posset? auxilium domino mersa carina tulit. Schon älter geworden, kaufte sich Ladon, der Kapitän eines Schiffs auf dem Tiber, einen Hof ganz in der Nähe des geliebten Wassers. Als ihn der unstete Tiber oftmals mit reißenden Fluten bedeckte und mit einem winterlichen See die Felder ruinierte, da füllte er den ausgedienten Kahn, der auf dem hohen Ufer stand, mit Steinen und stellte ihn dem Wasser entgegen. So drängte er das Hochwasser ab. Wer hätte das glauben können?880

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Wurde im Nachhinein festgestellt, dass durch eine solche Umgestaltung des Ufers die Schiffbarkeit – zu denken ist auch hier nicht zuletzt an die Treidelpfade – verschlechtert worden ist, war der Urheber selbst dafür verantwortlich, die Maßnahme rückgängig zu machen und den vorigen Zustand wiederherzustellen.881 Dabei wurde ein Erosionsschutz von Grundbesitz im ländlichen Raum auf unterschiedliche Weise erreicht. Als 878 Dig. 43,15,1,1 (Ulpianus): Ripas fluminum publicorum reficere munire utilissimum est. – „Die Ufer öffentlicher Flüsse wiederherzustellen und zu befestigen ist äußerst nützlich.“ Vielleicht ist der Widerstreit zwischen zwei Prioritäten (Schiffbarkeit und Uferschutz), den Arnaud 2011: 344 (auch 341) hier sicher zu Recht in der juristischen Diskussion zu beobachten glaubt, dadurch aufzulösen. Zur zunehmenden Bedeutung des künstlichen Uferschutzes während der Klimaverschlechterung zwischen ca. 150 und 250 n. Chr. (dazu s. Arnaud 2011: 345 f.) mehr weiter unten in Kapitel IV.1. 879 Dig. 43,12,1,14 (Ulpianus): Si pedestre iter impediatur, non ideo minus iter navigio deterius fit. – „Wenn der Leinpfad behindert wird, wird dadurch der Schifffahrtsweg nicht weniger schlechter gemacht.“; dazu s. Lonardi 2013: 48. 880 Mart. 10,85. Übersetzung: Paul Barié und Winfried Schindler (Barié/Schindler 2013); vgl. Cod. Iust. 7,41,1; dazu s. auch das Edikt Hadrians über die private Instandhaltung der Deiche im regulierten Kopaïsbecken (Oliver 1989: 266, Nr. 110). 881 Dig. 43,12,1,19 (Ulpianus); Lonardi 2013: 48.

Sicherung der Kommunikation und Versorgung

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natürlichste Form des Uferschutzes vor den schädlichen Einflüssen des Flutwassers wurde die Bepflanzung des Ufers mit bestimmten Baum- und Pflanzenarten angesehen. Schilf, so Columella, solle in seinem Wachstum nicht dem Zufall überlassen werden.882 Vielmehr galt es, ihn planmäßig entlang von Uferstreifen einzusetzen, um damit das Ufer zu schützen. Für Pappeln und Erlen galt dasselbe.883 Ebenso wurde mit Lehm überzogenes Flechtwerk zum besseren Halt des Uferschutzes gegenüber Flutwasser eingesetzt.884 In manchen Gegenden wurden offenbar auch Steinwälle errichtet.885 Der Schutz der Uferstreifen vor Anschwemmungen und Erosion bei gleichzeitiger Zugänglichkeit und Gangbarkeit war also insgesamt von großer Bedeutung. Daneben war es geboten, nicht etwa durch eigene Nachlässigkeit die Nachbargrundstücke zu schädigen und so wurde jede Vernachlässigung der Wartungsarbeiten an privaten Uferbefestigungen unter Strafe gestellt.886 Auch an den Deichen und Uferbefestigungen der staatlich unterhaltenen Bewässerungsanlagen in Ägypten standen deren Beschädigung, mutwillige Zerstörung sowie das Entfernen der Baumbepflanzung unter Strafe: Auf Dammkronen wurden gezielt Sykomoren angepflanzt, um die Struktur zu festigen und sie dadurch sicherer gegen das Flutwasser des Nils zu machen. Die Strafen umfassten je nach sozialer Stellung des Schuldigen und der Schwere des Vergehens auch die Verurteilung zum öffentlichen Arbeitsdienst oder zum Dienst in den Minen.887 In den Statuten eines Zusammenschlusses von pagi zu einer Bewässerungsgemeinschaft an den Ufern des mittleren Iberus (Ebro) auf der Iberischen Halbinsel ist ebenfalls verschiedentlich von Strafen die Rede, im Wesentlichen Arbeitsdienste und Geldstrafen, die unter der Aufsicht interner curatores fristgerecht abgeleistet werden mussten.888 Den curatores oblag es nach Versammlungen auch, abwesende Mitglieder der Bewässerungsgemeinschaft über ihre vereinbarten Gemeinschaftsdienste zu unterrichten, worunter allerlei generelle Instandhaltungsarbeiten fielen.889 Schon zugunsten der jeweiligen Unterlieger innerhalb des Bewässerungssystems galt es, in

882 Colum. praef. 28. 883 Cato agr. 6,3 (Schilfrohr und Pappeln); Plin. nat. 16,173 (Schilfrohr und Erle); Colum. 4,32,1 (zur Schilfbepflanzung an Flussufern, allerdings ohne direkten Verweis auf ihre Wirkung als Uferschutz). 884 Plin. nat. 35,169. 885 Castillo Pascual 2012: 3. 886 Dazu s. ewa Oliver 1989: 266, Nr. 110 (Brief Hadrians an die Koroneier bezüglich der Instandhaltung des Uferdammes in der Kopaïs; s. Kapitel III.2.2). 887 Dig. 47,11,10 (Ulpianus). 888 Text und Übersetzung der Lex rivi Hiberiensis bei Beltrán Lloris 2006; die betreffenden Passagen sind § 1b-c (ebd.: 171), wobei der Großteil des Textes an der Stelle verloren ist. Allgemein zur Organisation und Finanzierung von Bewässerungsgemeinschaften im römischen Westen Willi 2021; Beltrán Lloris 2014; Eck 2008; zur landwirtschaftlichen Bewässerung in Italien s. auch Petzold 2019: 173–177. 889 Beltrán Lloris 2006: 171 f. (§ 2a).

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

regelmäßigen Abständen sämtliche Gräben von Bewuchs, Schlamm und jeglicher Art von Ablagerung zu befreien und Beschädigungen an den hydraulischen Anlagen zu beheben.890 Die Kanalreinigung bezog sich auf Be- und Entwässerungskanäle verschiedener Größe (rivi und incilia, auch supercilia, was wohl auf Terrassierungen gegen Erosion zu beziehen ist).891 Die Reinigung des Kanalsystems wurde durch das sukzessive Ablassen des Wassers beginnend am 15. Juli eingeleitet, was mit der Zeitspanne des niedrigsten Wasserstandes des Flusses im August zusammenfiel.892 So konnten die Anlagen bequem betreten und gesäubert werden. d. Resümierende Bemerkungen zur Instandhaltung hydraulischer Infrastrukturen Bereits der Bau von hydraulischen Strukturen wurde vorzugsweise während der Niedrigwasserperioden in den Sommermonaten vollzogen.893 In Catos Agrarschrift wird hingegen der beginnende Herbst als idealer Zeitraum für Reinigungs- und Ausbesserungsarbeiten an landwirtschaftlichen Gräben identifiziert, unmittelbar vor dem Einsetzten der regenreichen Herbststürme.894 Ähnlich abhängig von der Jahreszeit waren die Instandhaltungsarbeiten an den Kanalnetzen der ägyptischen Bewässerungsanlagen, die allerdings wegen ihrer großen Bedeutung für die Stadt Rom in staatlicher Hand lagen.895 Das Phänomen der Versinterung und der Anschwemmung machte in der mediterranen Landwirtschaft eine strikte Organisation der Wartungsmaßnahmen an Be- und Entwässerungsgräben nötig, die zudem im Gegensatz zur Straßenwartung jährlich anfiel.896 Ähnliches gilt für Flüsse, Kanäle und Hafenbecken. Grundsätzlich ist für Fra-

890 891 892 893

Beltrán Lloris 2006: 173 f. (§ 2b-§ 3b) und 176–178 (§ 3c-§ 4). Ähnlich bereits Cato agr. 2,4. Beltrán Lloris 2006: 177. Dies wird beispielsweise in einer Bauinschrift (AE 1983, 927) aus Syrien bei Antiocheia deutlich, der auf Kanal- und Flussumleitungsarbeiten verweist, die von der Kaisertitulatur ausgehend auf die Zeit zwischen Mai und August des Jahres 75 n. Chr. zu datieren sind. 894 Cato agr. 155; offenbar bezog sich Cato auf den Zeitraum kurz vor der Tagundnachtgleiche im Herbst, die als Stichtag für das Einsetzen der Herbststürme galten; dazu Heide 1997: 39. Zur Rolle der Saisonalität bei der Unterhaltung von landwirtschaftlichen Grabensystemen s. Arroyo Sánchez 2010: 402; neuerdings auch ausführlich zum Thema der Bewässerung im römischen Westen Willi 2021. 895 Bonneau 1993: 122. So lag generell die Verantwortung für die Unterhaltung der Bewässerungsanlagen immer beim jeweiligen politischen Souverän, der von jener Wirtschaftsform profitierte. Zur Instandhaltung des Kanalnetzes s. ausführlich ebd.: 119–135; auch Petzold 2019: 137–145; Pekáry 1968: 120 f. Unter römischer Herrschaft wurden die Wartungsarbeiten am Bewässerungssystem nach und nach neu organisiert unter wachsender Beteiligung der ortsansässigen Bevölkerung an der Wartung der Bewässerungskanäle nach Art des Penthemeros; speziell dazu Petzold 2019: 138 f. 896 Hughes 2005: 33; Pekáry 1968: 121.

Städtische Siedlungsmuster und Bauformen am Fluss

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gen der Kanal- und Flussverwaltung sowie der Wartung jedoch von großen Übereinstimmungen mit der Straßenverwaltung auszugehen, zumal es sich sowohl bei Straßen als auch bei öffentlichen, schiffbaren Flüssen um (über-)regionale Verkehrswege handelte. Ein Interdikt über Reparaturarbeiten an öffentlichen Straßen, das Ulpian überliefert, war ausdrücklich auch auf öffentliche Flüsse anzuwenden.897 Bei künstlichen Kanälen, etwa zur Flussregulierung, galt ihrerseits durchweg die Gesetzgebung zu flumina publica, sofern es sich um Kanäle handelte, durch die ein öffentlicher Fluss permanent als Ganzes hindurchgeleitet wurde.898 Be- und Entwässerungskanäle waren davon also ausgeschlossen. Bewässerungsgemeinschaften besorgten die Unterhaltsmaßnahmen an den von öffentlichen Gewässern abhängigen Infrastrukturen autonom. Besitzer von Ufergrundstücken hielten an öffentlichen wie nicht-öffentlichen Flüssen in eigenem Interesse den Uferschutz aufrecht und bei gemeinnützigen (Wasser-)Bauten im öffentlichen Raum wurden Bürger der entsprechenden Gemeinde an Bauarbeiten und -kosten beteiligt. Wo staatliche Interessen nicht wie etwa in Ägypten deutlich überwogen, ist zudem davon auszugehen, dass weitgehend vorrömische Organisationsstrukturen zur Pflege und Aufsicht von flutgefährdeten Infrastrukturen an Wasserläufen toleriert und weiter aufrechterhalten wurden.899 Wo besondere Sachkenntnis und Technologie gefragt war, stellte der römische Staat ausnahmsweise spezialisiertes Personal aus den Truppen zur Verfügung.900 III.4 Städtische Siedlungsmuster und Bauformen am Fluss III.4.1 Zwischen Nähe und Distanz: Zur Anlage von Siedlungen am Fluss Die Fallstudien in den vorigen Kapiteln haben sich tendenziell eher auf außerstädtische und ländlich geprägte Kontexte konzentriert. Zudem handelte es sich überwiegend um Maßnahmen, die in irgendeiner Form staatlich initiiert, koordiniert oder anderweitig durch Rom gefördert wurden. Als Quellen dienten daher vor allem epigraphisches Material, antike Literatur und Fachtexte sowie bauliche Reste von öf-

897 Dig. 43,15,1,1 (Ulpianus): Sicuti igitur de via publica reficienda interdictum propositum est, ita etiam de ripa fluminis munienda proponendum fuit. – „Was also gemäß dem Interdikt bezüglich der Reparatur von viae publicae vorgeschlagen wird, wird ebenso für die Befestigung der Flussufer vorgeschlagen.“ Deshalb vermutet Lonardi 2013: 83 speziell für den Tiber eine ähnliche Verwaltungsstruktur und Aufgabendefinition bei der cura riparum et alvei Tiberis wie bei der imperialen cura viarum. 898 Dig. 43,12,1,8 (Ulpianus). 899 So das Ergebnis der Studie von Petzold 2019: 183, allgemeiner auf römische Anlagen zur Wasserver- und Wasserentsorgung bezogen. 900 Zu dem Umstand, dass im Straßenbau ingenieurstechnisch aufwendige Spezialarbeiten nicht im Rahmen der sonst üblichen Bürgerdienste erfolgte, wozu insbesondere der Straßendamm- und Brückenbau zählte, s. Petzold 2019: 226.

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

fentlichen Wasserbauten oder ihnen unmittelbar angeschlossenen Strukturen. Vorsorgende Maßnahmen angesichts zu erwartender Flutrisiken wurden jedoch zum einen auch unabhängig von staatlichen Initiativen allein auf lokaler Ebene ergriffen, etwa durch die Kommunen im Rahmen der städtischen Infrastruktur, zum anderen wurde nicht jeder Eingriff überhaupt in einer Form dokumentiert, die sich – über die teils schwer zu deutenden archäologischen Zeugnisse hinaus – heute noch greifen ließe. Allerdings lag selbst der Schwerpunkt der städtischen Siedlungsarchäologie bislang nur selten auf der Erforschung des Umgangs mit Wasserüberschuss und Flutrisiken, sodass trotz verschiedentlicher Vorstöße bis heute die Zusammenhänge zwischen Stadtplanung und Flutrisiko für den antiken Stadtraum noch nicht ausreichend untersucht worden sind.901 Dabei zeigen entsprechende Studien, dass hydrologische Risiken direkte Auswirkungen auf die antike Stadt- und Bauplanung hatten, wobei freilich gerade in diesen Kontexten die jeweils lokal verankerte kulturelle Bedeutung von Wasser und Flusslandschaft nicht zu vernachlässigen ist.902 So sollen hier zum Abschluss dieses Fallbeispielkapitels einige wesentliche Erkenntnisse aus den entsprechenden siedlungsarchäologischen Studien knapp zusammengefasst werden, die sich gezielt mit römischen Techniken der Hochwasservorsorge speziell im städtischen Raum auseinandergesetzt haben. Daran lassen sich auch verschiedene Abstufungen im antiken Umgang mit Hochwasserrisiken zeigen: von der Fluttoleranz bis hin zur Siedlungsaufgabe. Doch zu Beginn ist zunächst ganz allgemein auf die Standortwahl von Stadtanlagen einzugehen, zumal sich gewisse Siedlungsmuster in der römischen Epoche deutlich zugunsten eines flussnahen Standorts veränderten. Auf dem Nilmosaik von Praeneste903 ist bildlich dargestellt, was andernorts im Römischen Reich archäologisch nachweisebar ist: Städtische Siedlungen finden sich allenthalben über die Hügel verteilt und ragen im unteren Teil des Bildes, welches den Unterlauf des Nils repräsentiert, wie Inseln aus dem Wasser. Dieses Bild fasst Herodot in Worte, der das ägyptische Deltagebiet während der Zeit der Nilschwelle mit dem Ägäischen Meer vergleicht: ἐπεὰν δὲ ἐπέλθῃ ὁ Νεῖλος τὴν χώρην, αἱ πόλιες μοῦναι φαίνονται ὑπερέχουσαι, μάλιστά κῃ ἐμφερέες τῇσι ἐν τῷ Αἰγαίῳ πόντῳ νήσοισι: τὰ μὲν γὰρ ἄλλα τῆς Αἰγύπτου πέλαγος γίνεται, αἱ

901 Im Gegensatz dazu wurde speziell für den ländlichen Raum von Seiten der Landschaftsarchäologie der Umgang mit Feuchtgebieten in römischer Zeit, seien es nun Flussauen, Sümpfe oder Marschen entlang der Küste, mittlerweile gut erforscht. Auf die unterschiedliche Schwerpunktsetzung von Landschaftsarchäologie einerseits und städtischer Siedlungsarchäologie andererseits verweisen neben anderen bereits Rogers 2012: 165 f.; Allinne 2005: 27. Letztere spricht sich deshalb für eine gezielte „archéologie de la crue en milieu urbain“ aus und führt diesen Ansatz in ihrer Dissertation anhand mehrerer römischer Städte entlang der Rhône exemplarisch vor; s. dazu in konzentrierter Form auch Allinne 2007. 902 Rogers 2013: 228 f.; Allinne 2005: 290. 903 Steinmeyer-Schareika 1978; Jones 2005: 101–104. Das Nilmosaik stammt aus dem Fortuna-Heiligtum in Praeneste und wurde im 17 Jh. entdeckt.

Städtische Siedlungsmuster und Bauformen am Fluss

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δὲ πόλιες μοῦναι ὑπερέχουσι. πορθμεύονται ὦν, ἐπεὰν τοῦτο γένηται, οὐκέτι κατὰ τὰ ῥέεθρα τοῦ ποταμοῦ ἀλλὰ διὰ μέσου τοῦ πεδίου. Wenn der Nil das Land überschwemmt, ragen nur die Städte über das Wasser hinaus, am meisten ähnlich den Inseln im ägäischen Meer. Denn aus dem übrigen Gebiet von Ägypten wird Meer, die Städte allein überragen es. Zu dieser Zeit fährt man auch nicht mehr im Strombett, sondern mitten über die Felder.904

Auch die Anfänge Roms sind auf den legendären sieben Hügeln zu suchen, die den frühen Siedlern bei Überflutungen der sumpfigen Ebene Schutz boten.905 In einigen eher trockenen Gegenden des Römischen Reichs ist archäologisch nachzuweisen, dass Siedlungen je nach Gelände und Topographie eher in einigen hundert Metern Entfernung vom nächsten Wasserlauf und zudem auf Anhöhen angelegt wurden. In den Torrententälern am heutigen Fluss Jiloca (Aragón) zum Beispiel befanden sich die römischen Siedlungen durchschnittlich etwas mehr als 200 m vom nächsten Wasserlauf oder der nächsten Wasserquelle entfernt, wobei diese Distanz im Vergleich zu den vorrömischen Siedlungsplätzen noch recht gering war. Während der Bronzezeit hatten die keltiberischen Siedler die unmittelbare Nähe zu Flussmündungen und Zusammenflüssen in der Gegend wohl auch aus fortifikatorischen Gründen grundsätzlich gemieden. Die wirtschaftlichen Bedürfnisse hatten sich in römischer Zeit verändert und die Nähe sowie der Zugang zum Wasser hatten an Bedeutung gewonnen, insbesondere wegen des Bevölkerungsanstiegs, der zunehmenden Urbanisierung und der nun überwiegend ackerbaulichen Aktivitäten. Die römischen Siedlungsplätze breiteten sich zudem, im Gegensatz zu den keltiberischen, bis in die alluvialen Flussebenen hinein aus.906 Dennoch blieb, was bei Torrententälern wenig verwunderlich ist, eine gewisse Sicherheitsdistanz dabei immer gewahrt. Ähnliche Siedlungsmuster ließen sich für den Oberlauf des Ana feststellen. Auch dort befanden sich die römischen Siedlungen, die zudem nicht sehr zahlreich und eher ländlichen Charakters waren, in einigem Abstand zum Fluss. Ihr Wasser bezogen sie aus Quellen und kleineren Bächen.907 In den wasserreichen, von zahlreichen großen und kleineren Flüssen durchzogenen germanischen Provinzen ist hingegen zu beobachten, dass die Siedlungen direkt am Fluss lagen.908 Bei der Anlage der Militärlager und Städte wurde deshalb meist der stei-

904 Hdt. 2,97.1. Übersetzung: Josef Feix (Feix 2006). 905 Aug. civ. 18,12. Die sieben Hügel sind freilich kanonisch, wovon zudem nicht allesamt als Hügel, sondern einige vielmehr als Geländesporne zu bezeichnen sind. Ungeachtet dessen sind die frühesten Besiedlungsspuren Roms tatsächlich auf jenen Erhebungen zu finden; dazu s. Heinzelmann 2001: Sp. 1084 mit weiterführender Literatur. 906 Zu den archäologischen Befunden in den keltiberischen Torrententälern s. Carrero et al. 1998: v. a. 14–16. 907 Aguilar Saénz et al. 1994: 122. 908 Für die Siedlungsmuster in den germanischen Provinzen angesichts des Hochwasserrisikos s. zusammenfassend Küster 2013: 159.

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lere Prallhang als Bauplatz gewählt, da er außerhalb der hochwassergefährdeten Zone lag. Diese Wahl wurde maßgeblich von den Bedürfnissen der Siedler mitbestimmt, unter denen sich Verwaltungspersonal und Militärs sowie sonst größtenteils Händler und Handwerker befanden. Generell war die Nähe zum Fluss wichtig für das Funktionieren der Städte, sodass bei ihrer Anlage andere Überlegungen dominierten als bei der Anlage landwirtschaftlicher Gehöfte. Über steil ansteigende Straßen und Gassen waren die niedriggelegenen Uferbereiche mit den flutsicheren Stadtteilen verbunden, die ihrerseits in besonders robuster Bauweise errichtet dichtgedrängt auf den Anhöhen lagen. Ähnlich verhielt es sich an anderen großen Flüssen im Reich, so etwa am Mäander oder am Baetis. Auch dort fanden sich die meisten großen Siedlungen, die zudem wichtige Handelszentren waren, am steileren Nordhang des jeweiligen Flusses auf hochwassersicherem Grund.909 Am Po war das Siedlungsmuster ebenfalls an Relief und Becken des Flusses angepasst, sodass Unterlauf und Schwemmfächer nur sehr wenige, weit voneinander entfernte Siedlungen fernab der Ufer zählten, während sich weiter flussaufwärts Stadt an Stadt reihte.910 III.4.2 Drainage, Substruktion, Aufschüttung: Vorbereitung des Baugrunds Abgesehen von der Wahl des Siedlungsplatzes setzten römische Baumeister und Ingenieure verschiedene Techniken und Materialien ein, mit denen Hochwasserschäden vorgebeugt und Flutrisiken umgangen werden sollten. Wo der gewünschte Baugrund wasserreich und sumpfig war und zudem nicht hoch genug lag, um vor Flussüberschwemmungen sicher zu sein, wurde das Bodenniveau künstlich erhöht. Die Aufschüttungen bestanden teils aus natürlichen Materialien wie beispielsweise Kies, Kalkstein, Geröll und Erde, teils aber auch aus künstlichen Materialien wie etwa Amphorenscherben oder Bauschutt.911 Nach dem großen Brand in Rom von 64 n. Chr. weiß Tacitus zu berichten, dass Kaiser Nero den Schutt aus den Brandrückständen nach Ostia bringen ließ.912 Es ist zwar nicht auszuschließen, dass religiöse Vorstellungen es geboten, die Rückstände des Brandunglücks möglichst weit aus der Stadt wegzuschaffen, und möglicherweise war das Wegführen auch mit einer rituellen Rei-

909 Thonemann 2011: 10–13 (Mäander); Ferrer Albelda et al. 2008: 221 (Baetis). 910 Calzolari 1988: 20 f. 911 Dazu liegen aus unterschiedlichsten archäologischen Untersuchungen verschiedenartige Befunde vor, so beispielsweise aus Rom (Wilson 2013: 269), aus verschiedenen Siedlungsplätzen in Norditalien und Gallien (Allinne 2005; Allinne 2007), im heutigen London und Southwark in Britannien (Rogers 2013: 46–51), am Römerkastell Osterburken, insbesondere auf dem Areal des Beneficiarierweihebezirks, in Obergermanien (Huther 2014a: 155–170) oder aus dem Kontext des Straßenbaus in Nordafrika, wo wegen der Starkregenfälle Straßentrassen erhöht wurden (Ballais 2009: 95 f.), um nur einige wenige Beispiele zu nennen. 912 Tac. ann. 15,43,4.

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nigung Roms verbunden. Für den Hafenausbau im marschigen Umland von Ostia könnten die künstlichen Aufschüttungen aber vor allem einen praktischen Nutzen im neuen Hafengelände gehabt haben.913 Ähnliche Aufschüttungen, bei denen Bauschutt von abgerissenen Vorgängerbauten als Füllmaterial verwendet wurden, ließen sich in unterschiedlichen archäologischen Kontexten reichsweit nachweisen.914 Auch die Gründung von Gebäuden auf einem Pfahlrost verhinderte das frühzeitige Einsinken und Absacken. Anstelle von Steingebäuden wurden an Flussufern daher häufig Pfahlbauten errichtet, was auch in Schriftquellen belegt ist.915 Noch heute ruht etwa der Trierer Dom auf spätrömischen Holzpfählen – eine Technik, die noch bis ins 19. Jahrhundert von Zimmerleuten häufig eingesetzt wurde.916 Besonders bei öffentlichen Monumentalbauten ließ sich die Gründung auf Kies vielfach nachweisen. Bei derart schweren und raumgreifenden Gebäuden war ein Bauen ohne entsprechende Vorbehandlung des Baugrunds schlicht nicht möglich.917 Archäologisch konnten für die Römerzeit verschiedene weitere Techniken zur Abdichtung gegen die Bodenfeuchte aus dem Untergrund festgestellt werden, durch die etwa einer Fäulnis der Holzbauten entgegengewirkt werden sollte.918 Einige davon kamen auch im Weihebezirk von Osterburken zum Einsatz, der im nachfolgenden Abschnitt näher betrachtet wird. Dort ließen sich jedoch weder eine einheitliche Bauweise noch eine zeitliche Abfolge für bestimmte Abdichtungstechniken feststellen. Vielmehr entschieden die Bauleute wohl von Einzelfall zu Einzelfall, welche Methode angewendet werden sollte. Neben dem Einsatz von Tonpackungen wurde etwa auch auf die Abdichtung mit Moos zum Kalfatern zurückgegriffen, in manchen Fällen sogar mit Bleiplättchen und -manschetten.919 Besonders für landwirtschaftlich genutzte Flächen wurde Flechtwerk verwendet, das zur Vorbereitung des Ackerlands für die kommende Kultivierung großflächig in den Untergrund gesetzt wurde. Diese Form der Drainage war sehr aufwendig und arbeitsintensiv, wurde aber immer wieder in Kauf genommen. Zur Vorbereitung von Siedlungsplätzen auf feuchten Untergründen wur-

913 Vgl. in diesem Sinne bereits Meiggs 1973: 263. 914 Allinne 2005: 298 f. konnte eine reichsweite Häufung derartiger großräumiger Aufschüttungsprojekte in der ersten Hälfte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts beobachten. Daraus schließt sie, dass es sich dabei nicht allein um private oder kommunale Initiativen gehandelt haben könne, die als Antwort auf lokale Hochwasserrisiken durchgeführt worden seien. Sie führt Ihren Gedanken an der Stelle jedoch nicht weiter aus. 915 Isid. orig. 1,71; Vitr. 2,9,10–11. 916 Huther 2014b: 163 f. Der Hafentempel der Colonia Ulpia Traiana (Xanten) am ehemaligen Rheinufer wurde wegen des wasserreichen, sumpfigen Bodens ebenfalls auf einem Pfahlrost aus Eichenstämmen errichtet, auf dem als eigentlicher Baugrund eine flächige Schicht aus opus caementicium angelegt wurde; dazu s. Schalles 2004: 106. 917 Allinne 2005: 299. 918 Zu den verschiedenen Techniken zur Abdichtung der Gründungshölzer gegen die Bodenfeuchte s. Huther 2014b: 160–163. 919 Huther 2014b: 161.

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den hingegen bevorzugt großflächige Tonplanierungen angelegt, wie etwa in Xanten oder im Limeskastell Butzbach.920 Allein die Einnivellierung des planierten, abgedichteten Bauplatzes stellte einen großen Aufwand dar und erforderte hohes technisches Geschick. Insgesamt variierten die Materialien regional je nach ihrer Verfügbarkeit vor Ort und je nach ihrer Eignung als Baustoff unter den vorherrschenden örtlichen Verhältnissen.921 Besondere Aufmerksamkeit wurde in der archäologischen Forschung der Drainage mittels Amphoren in Zweitnutzung gewidmet. Als Methode zur Baugrundvorbereitung und zur dauerhaften Drainage fand sie vor allem in Norditalien, Gallien und Hispanien Anwendung.922 Allerdings ist sie ausschließlich aus archäologischen Quellen bekannt. In der augusteischen Kolonie Caesaraugusta (Saragossa) in der hispanischen Tarraconensis923 konnten mehrere großflächige Amphorenfelder freigelegt werden, die sich nach eingehenden Untersuchungen als Entwässerungsinstallationen entpuppten.924 Die Kolonie lag an den Ufern des Iberus (Ebro) und in der Nähe zweier bedeutender Zuflüsse, den heutigen Flüssen Gállego und Huerva. Der Siedlungskern wurde direkt oberhalb der Mündung des Huerva angelegt, wobei der komplette Mündungsbereich äußerst flutanfällig war. Die Schraffur auf Abbildung 20 markiert die flutgefährdeten Areale am Ebroufer sowie am Zusammenfluss des Huerva mit dem Ebro. In dem Bereich extra muros wird ein kleiner Flusshafen vermutet sowie weitere Wirtschaftsgebäude und Teile der Hafensiedlung. Zudem befand sich die Stadt an einer natürlichen Furt des Iberus, die sich durch eine flache, weitläufige Schwemmfläche mit sehr veränderlichen Flussmäandern auszeichnete und während der Hochwassersaison ebenfalls schnell überflutete.925 Erst vor kurzem wurden die disparaten Bodenbefunde und die baulichen Reste der römerzeitlichen Stadt systematisch daraufhin untersucht, inwieweit das Hochwasserrisiko für die Stadtplanung von Caesaraugusta eine Rolle gespielt haben könnte. Die Synthese aller Grabungsergebnisse, die zwischen 1920 und den 2000er Jahren erbracht wurden, lassen erkennen, dass das Überschwemmungsrisiko auf dem niedriggelegenen Areal zwischen dem Huerva und dem Ebro ein entscheidender Faktor für die Stadtteilentwicklung war.926

920 Huther 2014b: 162 mit weiterführender Literatur zu den einzelnen Beispielen. 921 Allinne 2005: 300. 922 Dazu s. insbesondere die Beiträge im Sammelband von Pesavento Mattioli 1998, die unterschiedliche Aspekte und Untersuchungsräume beleuchtenden; für generelle Bemerkungen zu diesem Phänomen s. außerdem Antico Gallina 2011. 923 Strab. 3,2,15 C 151; 3,4,10 C 161; 3,4,13 C 162; Mela 2,88. 924 Dazu s. ausführlich Allinne et al. 2012; Erice Lacabe 2011. 925 Aguarod Otal/Erice Lacabe 2003: 143; Erice Lacabe 2011: 145; Allinne et al. 2012: 49. Auch die dort befindlichen Altarme füllten sich bei besonders schweren Flutereignissen zeitweise wieder, was freilich zugleich dafür sorgte, dass die flutgefährdeten Böden um Caesaraugusta besonders ertragreich waren. 926 Allinne et al. 2012: 53.

Abb. 20 Caesaraugusta am Ebro. Die flutgefährdeten Bereiche extra muros sind schraffiert. (Allinne et al. 2012: 51, Abb. 2)

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Die Existenz eines Flusshafens direkt am Ebroufer, der sich möglicherweise unmittelbar unterhalb des Kaiserforums befunden haben soll,927 bleibt bis heute umstritten, da die archäologischen Befunde keine eindeutige Identifizierung als Hafenanlage zulassen.928 Am rechten Ufer des Ebro beim Zusammenfluss mit dem Huerva extra muros konnten hingegen zwei kleinere Areale systematisch und intensiv archäologisch erforscht werden, namentlich ein Bereich innerhalb des Klosters Santo Sepulcro und ein weiterer direkt neben dem Platz Las Tenerías. In Abbildung 21 entsprechen die hier diskutierten Amphorenfelder den Nummern 1 und 2 auf dem Plan. Die Pfeile zeigen den vermuteten Verlauf des Paläoflussbettes des Huerva an. Bei den Grabungen von Santo Sepulcro zwischen 1999 und 2005 konnte ein Teilstück der antiken Stadtmauer mitsamt ihrer Substruktion freigelegt werden.929 Schon einige Jahrzehnte zuvor waren an der Stelle zahlreiche Amphorenfunde in etwa 4,5 m Tiefe (gemessen vom Straßenniveau aus) gemacht worden, die sich mehr als einen Meter unterhalb der Stadtmauer befanden.930 Damals wurde der Befund noch dahingehend gedeutet, dass es sich bei der Fundstelle der Amphoren um ein Lager handelte, welches bei einem starken Flusshochwasser vollständig überflutet und mit Ablagerungen eingeschwemmt worden sei.931 Die geoarchäologischen Untersuchungen zu Beginn der 2000er Jahre ergaben, dass die Amphoren zusammen mit Asche- und Holzkohleresten, anderer Keramik und fluvialen Sedimenten die untere Fundschicht bilden. Die darüberliegenden Schichten enthielten Einschwemmungen, die tatsächlich von einem starken Hochwasser herrührten. Dieses Hochwasser muss sich nach 100 n. Chr. ereignet haben.932 Durch Grabungen, die ab 2003 etwas weiter südöstlich des Klosters an der Plaza de las Tenerías durchgeführt wurden, konnte der Befund von Santo Sepulcro mit den neuen Befunden abgeglichen werden.933 Etwa 4 m unterhalb des heutigen Straßenniveaus fanden sich die römischen Schichten, wovon die unterste aus künstlichen Aufschüttungen aus Kies und Ton bestand. In dieser Schicht wurde auch ein augusteischer Aureus sichergestellt.934 Die direkt darüberliegende Schicht stellte eine weitere künstliche Erhöhung

927 Aguarod Otal/Erice Lacabe 2003: 148–151; Erice Lacabe 2011: 145–151. 928 Zur Diskussion mit weiterführender Literatur s. Aguarod Otal/Erice Lacabe 2003: 148 f.; Erice Lacabe 2011: 147 f.; Wawrzinek 2014: 433, Katalog-Nr. B 169; zur römischen Flussschifffahrt auf dem Ebro s. außerdem Castillo Pascual 2014. 929 Erice Lacabe 2011: 147 f.; Allinne et al. 2012: 58 f. 930 La Figuera y Lezcano 1927; Iñíguez 1957. Die Amphoren waren während flavischer Zeit an ihrem Fundort platziert worden, so Allinne et al. 2012: 58, gestützt auf Beobachtungen von M. Beltrán Lloris et al., Caesaraugusta I: Campaña 1975–1976 (Excavaciones arqueológicas en España 108), Madrid 1980. Diese Forscher vermuteten bereits einen Zusammenhang mit der Drainage des Areals. 931 Iñíguez 1957: 260. 932 Erice Lacabe 2011: 148; Allinne et al. 2012: 58. 933 Cebolla Berlanga et al. 2004; Aguarod Otal/Erice Lacabe 2003: 149–151; Allinne et al. 2012: 59–61. 934 Cebolla Berlanga et al. 2004: 469–471.

Abb. 21 Caesaraugusta. Die beiden im Text besprochenen Amphorenfelder extra muros sind 1. Santo Sepulcro und 2. Las Tenerías. (Allinne et al. 2012: 52, Abb. 3)

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des Bodenniveaus dar. Sie war jedoch wesentlich feiner gearbeitet und bestand teilweise aus Bruchsteinmauerwerk. Dominiert wurde das Grabungsareal aber von 814 Amphoren, die flächig und regelmäßig auf einem mehrere zehn Quadratmeter großen und von Stützmauern umgebenen Areal angeordnet waren. Mit der Öffnung nach unten und in leicht abgeschrägter Lage gen Norden gerichtet sollten sie verhindern, dass Grund- und Flutwasser von unten an die Fundamente der darüber befindlichen Gebäude gelangte.935 Auch die im Kloster Santo Sepulcro gefundenen Amphoren waren ähnlich regelmäßig angeordnet. Außerdem fanden sich noch weitere kleinere Amphorenfelder dieser Art an verschiedenen anderen Stellen auf dem Areal zwischen Ebro und Huerva. Die erste Bodenaufschüttung kann dank des Aureus in die augusteische Gründungszeit datiert werden, während die zweite, aufwendigere Baugrunderhöhung in tiberische Zeit datiert wird, in welcher die öffentlichen Gebäude der Stadt, insbesondere das Forum, großzügig umgestaltet wurden.936 Fraglich bleibt, ob es sich bei den Amphorenfeldern von Santo Sepulcro und las Tenerías um dasselbe Feld handelt, oder ob von mehreren kleineren Drainagefeldern auszugehen ist, die eher im Rahmen verschiedener, nicht miteinander in Verbindung stehender Bauprojekte angelegt wurden. Letzteres hält Allinne für wahrscheinlicher angesichts der recht großen Distanz zwischen den beiden Fundorten und der Tatsache, dass derartige Drainageanlagen zur Vorbereitung wasserreichen Baugrunds in der römischen Welt allgemein weitverbreitet waren.937 Zudem handelte es sich um eine kostengünstige Methode, die sehr einfach umzusetzen war.938 In Caesaraugusta war sie jedenfalls die nachweislich verbreitetste Methode zur Baugrunddrainage und -erhöhung zwischen dem 1. und 3. nachchristlichen Jahrhundert.939

935 Neben dem Auffangen der von unten hinaufsteigenden Feuchtigkeit sorgte das kompakte Amphorenfeld auch für eine Stabilisierung des sumpfigen Untergrunds, zumal dann, wenn die Amphoren vor der Deponierung mit ton- und sandhaltiger Erde sowie Kies aufgefüllt wurden; zur Funktionsweise der Amphorenfelder zur Drainage speziell in Caesaraugusta s. Allinne et al. 2012: 66–70. 936 Allinne et al. 2012: 61. 937 Dazu s. Allinne et al. 2012: 61. Grundlegendes zur technischen Umsetzung und zur Verbreitung dieser Methode im Römischen Reich im Sammelband von Pesavento Mattioli 1998; zu möglichen religiösen Konnotationen dieser Technik s. auch Antico Gallina 2010. 938 Auch gestapelte Amphorenscherben dienten vielerorts zur Erhöhung des Bodenniveaus und zum Schutz gegen aufsteigendes Grundwasser, so etwa in Lugdunum (Lyon); Allinne 2007: 76. 939 Allinne et al. 2012: 64.

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III.4.3 Wasserwelten: Zwischen Fluttoleranz, Anpassung und Siedlungsaufgabe Am vermuteten Paläoflussufer des Huerva in Caesaraugusta fanden sich außerdem Reste von gemauerten Deichen, die sowohl gegen Erosion als auch gegen Überschwemmungen schützen sollten. Dies ist eine in römischen Kontexten eher selten anzutreffende Technik. Sonst finden sich an schiffbaren Flüssen im innerstädtischen Bereich eher aufgeschüttete Uferdämme mit künstlicher Neigung zum Wasser hin, die Schiffen auch als Anlandeplätze dienen konnten.940 In anderen Fällen wurden Uferbereiche an Flusshäfen häufig durch Holzpalisaden vor Erosion geschützt, wie es beispielsweise für den Flusshafen von Hispalis am Baetis nachweisbar ist.941 Überhaupt kamen leichte Holzbauweisen häufig für Hafeninstallationen zum Einsatz, gerade wegen ihres vergänglichen Charakters.942 Im Gegensatz zu solidem Kaimauerwerk aus Beton waren die Palisaden besser auf Mäanderbewegungen von Flüssen und Erosion ausgelegt.943 Nach Flussverlagerungen konnten auf diese Weise recht schnell und ohne größere finanzielle Ausgaben neue Anlandeplätze am veränderten Uferbereich oder im neuen Flusslauf angelegt werden. So ist es mehrfach für den Mittelmeerhafen Portus Pisanus und die Flusshäfen auf dem ager Pisanus in Pisae am Arno belegt.944 Geoarchäologisch lässt sich ohnehin beobachten, dass in römischer Zeit zwar vielfach kleinere Eingriffe in den Wasserhaushalt durchgeführt und Flüsse teilreguliert wurden, doch in der Regel eher umgekehrt die Bauart der ufernahen Strukturen an die vor Ort herrschende hydrologische Situation angepasst wurde.945 Auf die Lage am Wasser waren aber nicht nur Hafeninstallationen angewiesen, sondern auch Tempel und Heiligtümer, zumal wenn sie als überregionale Kultzentren größere Besucherströme zählten und demnach wirtschaftlich und politisch bedeutsam für die Region waren.946 Freilich spielte in vielen Fällen schon aus kultischen Gründen die unmittelbare Nähe zum Wasser eine entscheidende Rolle. So wurden am Beneficiarierweihebezirk von Osterburken am obergermanischen Limes zugunsten 940 Allinne et al. 2012: 70. So beispielsweise bezeugt an den Flusshäfen von Rouen, Rue de Charettes (Wawrzinek 2014: 356, Katalog-Nr. A 67.1). 941 Cabrera Tejedor 2016: 694. 942 Dazu s. den archäologischen Katalog der römischen Flusshäfen bei Wawrzinek 2014: 210–440. 943 Allinne 2005: 299. 944 Dazu ausführlich Allinne et al. 2016. 945 Allinne 2005: 297. Im Vergleich etwa zur vorrömischen Besiedlungszeit Britanniens, in der auch schon Veränderungen an Wasserläufen vorgenommen wurden, erreichte das Ausmaß der römerzeitlichen Eingriffe in den Wasserhaushalt dennoch eine ganz neue Qualität und Reichweite; Rogers 2013: 218. 946 Zur Wichtigkeit des direkten Zugangs zu Wasser im Kultbetrieb aus sowohl sakraler als auch profaner Notwendigkeit heraus s. Cazanove 2015: 185 f. Zur Nähe von Tempeln und Heiligtümern zu Flüssen oder anderen Gewässern s. außerdem Hermon 2017: 78–80; Edlund-Berry 2006: 173; konkret am Tiber Diosono 2010: 97 mit Verweis auf die Vielzahl an Marktflecken entlang des Tiberlaufes, die zugleich Heiligtümer beherbergten und deren konkreter Standort direkt auf kleine Hafenanlagen oder auch auf natürliche Anlandeplätze zurückgeführt werden können.

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des Standorts zwischen Quellheiligtum und Bach die regelmäßigen Einschwemmungen, die durch heftige Hochwasser hervorgerufen wurden, trotz aller Schwierigkeiten über den Zeitraum vieler Jahrzehnte hinweg in Kauf genommen.947 Im Auxiliarkastell von Osterburken, dessen römischer Name nicht überliefert ist,948 waren neben einer Auxiliareinheit auch Beneficiarier untergebracht, das heißt vom eigentlichen Militärdienst freigestellte Truppenangehörige, die dem direkten, persönlichen Befehl des Statthalters unterstanden (beneficiarii consularis), und ihn vor Ort vertraten.949 Nach Ablauf ihrer sechsmonatigen Amtszeit950 war es üblich, einen Weihestein zu stiften, der auf dem Stationsareal vor dem Tempel aufgestellt wurde.951 An der kontinuierlichen Nutzung und permanenten Umgestaltung des Areals, insbesondere jedoch am provisorischen Umgang mit den eingeschwemmten Weihesteinen lässt sich erkennen, welchen Stellenwert die Präsenz des Wassers für die Bedeutung der Kultstätte trotz aller davon ausgehenden Probleme hatte. Die Anlage des Weihebezirks war in der Talniederung eines Baches (Kirnau) erfolgt in unmittelbarer Nähe der beiden Kastellbäder und nur wenige hundert Meter vom Kastell entfernt.952 Die natürliche Beschaffenheit des Tals hat sich während der letzten zweitausend Jahre durch Hochwasser und Erosion sehr stark verändert, doch sind die aktuellen hydrologischen Verhältnisse den antiken Verhältnissen noch immer ähnlich.953 Auch scheinen die römischen Siedlungsreste in der Talsenke die frühesten

947 Die unmittelbare Nähe zu dem kleinen Wasserlauf hatte über die gesamte Nutzungszeit hinweg regelmäßig heftige Überschwemmungen des Weiheareals zur Folge; Nenninger 2001: 193. Außerdem war der Kastellstandort Osterburken ideal für militärische und kommerzielle Zwecke, sodass auch aus diesen Gründen das latente Flutrisiko und die durch Hochwasser hervorgerufenen Hangabspülungen in Kauf genommen wurden; Huther 2014a: 57. 948 Zum Kastell von Osterburken s. Gaubatz-Sattler/Seidenspinner 2001. 949 Zu den als beneficiarii consularis bezeichneten Soldaten und ihrem Aufgabenspektrum s. Ott 1995: 30–32; Nelis-Clément 2000: 87–132. Speziell zur Verwaltungsstruktur der Provinz Germania Superior s. Klee 2013: 75–97, dort v. a. 77–80 zu den Funktionen der Beneficiarier als Teil des Statthalterstabes. 950 Für Überlegungen zur sechsmonatigen Amtszeit, durch die vermutlich die Unparteilichkeit gefördert und die persönliche Verwicklung in lokale Angelegenheiten minimiert werden sollte, s. Ott 1995: 105 f. 951 Klee 2013: 78; Huther/Schallmayer 2005: 216. Entdeckt wurde der Bezirk zufällig während Brückenbauarbeiten in den 1980er Jahren (dazu Huther 2014a: 23–25), bei denen einer der Weihesteine im oberen Bereich durchbohrt wurde. Prompt sprudelte Wasser aus dem Bohrloch hervor, welches die Bauarbeiter mittels eines Holzpfropfens zu stopfen suchten; ebd.: 7. Der ehemalige Standort des Weihebezirks ist bis heute morastiges Gelände; ebd.: 33 und 57–58. Diese Umstände erschwerten auch die Grabungsarbeiten, die etwa 3,5 bis 4 m unter dem aktuellen Bodenniveau stattfanden. Während der Arbeiten musste ständig Wasser abgepumpt werden. Die Grabungsarbeiter waren sofortiger Flutungsgefahr ausgesetzt, sobald auch nur eine der Pumpen ausfiel (ebd.: 23). 952 Huther/Schallmayer 2005: 214; Huther 2014a: 23. 953 Die Baubefunde aus der Römerzeit dokumentieren, dass diese Schwierigkeiten mit dem Untergrund schon damals bestanden. Ständige Setzungen und Verschiebungen der Gebäude verlangten permanente Ausbesserungsarbeiten sowie Um- und Neubaumaßnahmen; Huther 2014a: 57 f.

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zu sein, denn darunter fanden sich ausschließlich natürliche Bodenschichten bis hinunter auf den mittleren Muschelkalk. Eine vorrömische Siedlungsphase kann vor dem Hintergrund ausgeschlossen werden.954 Die erste und zudem einzige Weihung, die nicht explizit von einem Beneficiarier stammt, ist zugleich die älteste und bezeugt die Verehrung von Quellnymphen an der Stelle.955 Nach der Vorverlegung der Limeslinie in den 160er Jahren führte dann die dauerhafte Stationierung von Auxiliartruppen zusammen mit einer Beneficiarierstation zum Ausbau des Heiligtums.956 Insgesamt spielte die Präsenz des Quell- und Flusswassers auf dem gesamten Areal eine wesentliche Rolle und hatte sowohl den Standort des Heiligtums vorgegeben, als auch die nachfolgenden Bauphasen maßgeblich mitbestimmt oder teils sogar erforderlich gemacht.957 Die anderen öffentlichen Bauten wie etwa die Bäder und das Kastell lagen hingegen allesamt am oberen Rand des Schwemmfächers am Fuß der Talsporne.958 Die etwa seit Mitte der 150er Jahre von einer steinernen Exedra eingefasste Quelle des Heiligtums entwässerte über einen künstlichen Abfluss in die Kirnau959 Der Zugang erfolgte direkt über den Torfboden, ein abgesteckter Weg war zu der Zeit noch nicht vorhanden. Im Einmündungsbereich der Quelle in den Bach war zudem während der kompletten Besiedlungsphase eine Flutungsfläche unbebaut geblieben, für die eine Mindestgrenze von 37 bis 40 m zum Bach hin angenommen wird. Möglicherweise handelt es sich dabei um die Ausmessung der diesseitigen ripa, die zusammen mit dem Bachbett und einer weiteren Uferfläche auf der anderen Seite insgesamt das

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Die Altstadt Osterburkens liegt auf einer bis zu 5 m dicken Schwemmschicht begründet, die als Baugrund bis heute erhebliche Schwierigkeiten birgt; ebd.: 33 mit Fn. 73. Huther 2014a: 33. AE 1996, 1166: Nimphis sa[nctis?] / Iulius Adna[mantus? / d]ecurio v(otum) s(olvit) [l(ibens) m(erito)]; dazu s. Huther/Schallmayer 2005: 214. Sie wird aufgrund des Fundkontextes auf die Mitte des 2. Jahrhunderts und in jedem Fall noch deutlich vor die Vorverlegung der Limeslinie um 160 n. Chr. datiert. Der Stifter weist sich selbst als decurio aus. Die Weihung ist zugleich die einzige Osterburkener Weihung an die Quellnymphen. Alle nachfolgenden Weihungen, die bereits aus der Zeit der Beneficiarierstation stammen, sind anderen Göttern des römischen Pantheons gewidmet. Meist ist dabei Jupiter (Iuppiter Optimus Maximus) an erster Stelle genannt, zusammen mit dem genius loci; s. CBFIR 145–175. Zur provinzialen Entwicklung Obergermaniens und zur Vorverlegung der Rheingrenze in den Osten s. Klee 2013: 59–74. Huther 2014a: 155 mit Fn. 712. Auf dem Areal von Beneficiarierweihebezirken sind häufig Nymphäen als eine Komponente anzutreffen wie beispielsweise an der gut ergrabenen Straßenstation von Obernburg; s. dazu die Publikationen zur Grabung von B. Steidl, Die Station der beneficiarii consularis in Obernburg am Main. Vorbericht über die Ausgrabungen 2000/2002, Germania 83/1 (2005), 67–94; B. Steidl, Überraschung unter dem Lehm. Die Entdeckung einer römischen Polizeistation in Obernburg am Main, Mitteilungen der Freunde der Bayerischen Vor- und Frühgeschichte 97 (2001), 2–10; B. Steidl, Garant für Recht und Ordnung. Die Benefiziarierstation von Obernburg am Main, Das archäologische Jahr in Bayern (2000), 81–83. Huther 2014a: 57. Huther/Schallmayer 2005: 214.

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Flussausmaß (modus fluminis) konstituierte.960 In den 160er Jahren wurden in unmittelbarer Nähe zum Quellheiligtum das erste Stationshaus für die Beneficiarier sowie ein erster größerer Tempel an der Quelle errichtet.961 Zudem wurde nun ein Bohlenweg angelegt, der den Zugang zum Tempel trockenen Fußes sicherstellen sollte.962 In diesem Zeitraum wurden auf dem Tempelvorplatz auch die ersten Weihealtäre der Beneficiarier aufgestellt.963 Nachdem es immer wieder zu Überflutungen des Areals sowie zu Einschwemmungen gekommen war, begann man sukzessive, das Areal mit weiteren Bohlenwegen auszustatten und die Tempel- sowie die Stationsgebäude besser an den Wasserüberschuss anzupassen: Steingebäude ersetzten nach und nach die Holzbauten, die Bohlen wurden durch Steinpflasterungen ersetzt und der Bauschutt wurde immer wieder einplaniert und überbaut, was zu einer schrittweisen Erhöhung des Baugrunds führte.964 Vor allem an den Holzfunden ließen sich zahlreiche Spuren einer systematischen Zerlegung für eine Wiederverwendung feststellen. Ihren Hauptzweck erfüllten die neuverbauten Reste als Fundierung für neue Gebäude, als Material zur Aufschüttung durchfeuchteter Stellen auf dem Gelände und als Unterbau für einplanierte Wege und Weihealtäre. Die Wiederverwendung abgerissenen Baumaterials schien, wie es überall im Römischen Reich zu beobachten ist, auch im römischen Osterburken in den Niederungen die gängige Praxis gewesen zu sein und lässt sich dementsprechend in allen Ausbauphasen nachweisen.965 Mit Bauteilen, die eine genuin kultische Funktion erfüllten, verfuhr man jedoch anders. Für den ältesten Weihestein des Bezirks, der einzigen Nymphenweihung vor Ort, lässt sich im Gegensatz zu den als Spolien wiederverwendeten Holzbauteilen und dem anderen Bauschutt beobachten, dass die Weihung bis zuletzt in ihrer ursprünglichen Verwendung als Kultbild Teil des Weihebezirks blieb, obgleich der Stein im Zuge der Umgestaltungsmaßnahmen mehrfach transferiert wurde.966 Nach weiteren kleineren Umgestaltungsmaßnahmen wurde 226 n. Chr., wahrscheinlich als Reaktion auf eine schwere Überschwemmung mit starker Einschlämmung, so-

960 Durch anwachsende alluviale Ablagerungen wurde das Bachbett der Kirnau immer mehr eingeengt, was die Mäanderbildung zunehmend einschränkte; Huther 2014: 157. Zum modus fluminis s. weiter oben Kapitel III.1.1. 961 Huther 2014a: 45–47. 962 Huther/Schallmayer 2005: 214. 963 Die früheste erhaltene Weihung geht zurück auf das Jahr 174 n. Chr.; CBFIR 152 = AE 1985, 693. 964 Huther/Schallmayer 2005: 215; Huther 2014a: 148–154 (v. a. zur Zweitverwendung der Holzfunde). Überall auf dem Grabungsareal ließen sich zudem Baureste nachweisen, die ursprünglich früheren Ausbauphasen angehört hatten und in Zweitverwendung meist als Füllmaterial genutzt wurden. 965 Huther 2014a: 151; allgemein zu diesem Phänomen Allinne 2005: 298 f. 966 Dazu Huther 2014a: 44 f. Der Weihestein kann nach seiner Bearbeitung und Größe zu urteilen kein Altarstein gewesen sein wie die anderen Weihungen. Seine Funktion als Kultbild ist daher äußerst wahrscheinlich.

Städtische Siedlungsmuster und Bauformen am Fluss

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gar ein neuer Tempel mit Säulenhalle im Bezirk aufgebaut.967 Als Weihebezirk für die dort stationierten Beneficiarier muss das Heiligtum noch bis mindestens 238 n. Chr. genutzt worden sein.968 Es wurde demnach über mehrere Jahrzehnte hinweg an dem flutgefährdeten Standort festgehalten. Statt also Station und Weihebezirk vom Quellheiligtum zu trennen und wie die meisten anderen Gebäude auf flutsicherem Areal zu gründen, wurden immer wieder Neubauten, Reinigungsaktionen und Umgestaltungen in Kauf genommen. Was die Weihealtäre angeht, verfuhr man mit dem Problem des Einschwemmens und Versinkens im Morast kurzerhand so, dass man die älteren Weihesteine teils abräumte, teils aber auch in Plinthen (Basen) für neue Weihesteine umarbeitete.969 Dies war wohl schon deshalb naheliegend, weil es nicht nur Arbeit und sicherlich auch Kosten sparte, sondern auch weil die älteren Altäre immer tiefer in der Schwemmerde versanken und daher ohnehin nur noch der obere Teil aus dem Boden ragte. So befanden sich die Weihungen aus der letzten Phase, ebenso wie der letzte Tempelbau, in einer 70 cm höher gelegenen Schicht als die früheren Altarsteine.970 Nur diese jüngsten Weihesteine waren oben abgeschlagen worden. Alle anderen müssen zum Aufstellungszeitpunkt der jüngsten Steinreihe also schon im Schlamm versunken und nicht mehr zu sehen gewesen sein.971 Die beharrlich durchgeführten Umgestaltungsmaßnahmen verdeutlichen die ungebrochene Bereitschaft der in Osterburken stationierten Beneficiarier, sich auf die natürlichen Verhältnisse des Ortes auch nach schlimmeren Hochwasserereignissen immer wieder neu einzustellen und das Gelände nicht aufzugeben. Im Gegenteil scheinen die immer wieder erfolgten Tempelneubauten darauf hinzudeuten, dass neben der günstigen Lage der Zollstation am Bach ganz in der Nähe einer Brücke auch gerade die übermäßige Präsenz des Quell-, Grund- und Bachwassers für die Verortung des Heiligtums ausschlaggebend war. Man arrangierte sich deshalb mit dem sich permanent verändernden Baugrund des Heiligtums teils durch immer neue Provisorien, teils durch Neubauten. Ganz anders war die Situation etwa in Arelate (Arles), wo gegen Ende des 2. Jahrhunderts ein ganzer Stadtteil intra muros wegen der häufig wiederkehrenden Überschwemmungen der Rhône schließlich komplett aufgegeben wurde.972 Den archäologischen Befunden nach zu urteilen handelte es sich hierbei sowie bei den wenigen anderen Stadtteilen entlang der Rhône ohne erkennbaren Hochwasserschutz zumeist 967 Huther/Schallmayer 2005: 215. Alle in der Phase neu errichteten Gebäude waren wiederum auf Materialien gegründet, die aus älteren Bauphasen stammten und einplaniert worden waren. 968 Dies ist durch einen konsuldatierten Weihestein bezeugt: CBFIR 174. 969 Huther/Schallmayer 2005: 215. 970 Huther/Schallmayer 2005: 216. 971 Huther/Schallmayer 2005: 216. Auch ein umgefallener, aber dennoch in situ verbliebener Altarstein auf dem Weiheareal deutet darauf hin, dass er wohl spätestens zum Zeitpunkt seines Umsturzes im Morast versunken sein muss; CBFIR 164 = AE 1996, 1158. 972 Allinne 2005: 291.

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Fallbeispiele für den römischen Umgang mit Flusshochwasser

um privat bebaute Wohnviertel. Ob die mangelnde Anpassung einem fehlenden Risikobewusstsein geschuldet war oder andere Gründe – etwa fehlende finanzielle Mittel oder Bauexperten – dafür verantwortlich zu machen sind, bleibt freilich offen. Möglicherweise wurden entsprechende Vorsorgemaßnahmen im jeweiligen archäologischen Befund nicht als solche erkannt oder sind nicht mehr nachzuweisen.973 Letztlich werden auch private Initiativen, örtliche Gegebenheiten und nicht zuletzt kulturell oder religiös bedingte Beweggründe bei Umgestaltungsprojekten von wasserdurchdrungenen Landschaften eine wesentliche Rolle gespielt haben, die von Fall zu Fall ganz individuell gelagert waren.974

973 Dazu Allinne 2005: 297–299. 974 Rogers 2013: 217.

IV. Synthese: Betrachtungen zur Environmental Coherence IV.1 Äußerungen des Risikobewusstseins IV.1.1 Semantik und Diskurswandel um Wasserbauten Als Caesar im Jahr 55 v. Chr. mit seinen Truppen den Rhein überqueren wollte, begnügte er sich nicht einfach mit einer Schiffsbrücke, wie sie auf Pionierfeldzügen häufig zum Einsatz kamen. Neben der größeren Sicherheit, die eine feste Holzbrücke dem Heer bieten könne, entspreche sie auch viel eher seiner Würde und der des römischen Volkes, so sein Argument.1 Wasserbauten wurden in vielen historischen Kontexten zur Demonstration von Herrschaft über bestimmte Gebiete eingesetzt.2 Die permanente Installation vor Ort verlangte aber auch permanente Wartung, was wiederum die dauerhafte Anwesenheit von Personal mit entsprechender Expertise erforderte. Dadurch entstanden neue Abhängigkeiten, die sich in den Wasserbauten manifestierten. Daher verwundert es nicht, dass Caesar die Querung des Rheins hinein ins barbaricum mit der Installation einer festen Holzbrücke zu inszenieren suchte. Die Brücke wurde 1

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Caes. Gall. 4,17,1–2: Caesar his de causis quas commemoravi Rhenum transire decreverat; sed navibus transire neque satis tutum esse arbitrabatur neque suae neque populi Romani dignitatis esse statuebat. Itaque, etsi summa difficultas faciendi pontis proponebatur propter latitudinem, rapiditatem altitudinemque fluminis, tamen id sibi contendendum aut aliter non traducendum exercitum existimabat. – „Caesar war aus den erwähnten Gründen entschlossen, über den Rhein zu gehen, doch meinte er, ein Übergang mit Schiffen biete weder genügend Sicherheit noch sei er mit seiner und des römischen Volkes Würde vereinbar. Wenn sich also ein Brückenschlag wegen Breite, reißender Strömung und Tiefe des Flusses auch als äußerst schwierig erwies, meinte er doch, er müsse ihn versuchen oder das Heer anders überhaupt nicht über den Fluss setzen.“ Übersetzung: Otto Schönberger (Schönberger 1990); zur kurzen Bauzeit von angeblich nur zehn Tagen s. Plut. Caes. 22. Dazu s. insbesondere Engels/Schenk 2015; Förster/Bauch 2015a; Reden 2015a; Mukerji 2015; Mukerji 2013; Tölle-Kastenbein 1990: 187–199; Radkau 2012: 107–159. Der Konnex zwischen politischer Herrschaft und dem Errichten von großen Wasserbauten brachte Wittfogel 1957 seinerzeit sogar zu dem Schluss, dass der Einsatz von Hydrotechnik despotische Regierungsformen („hydraulische Gesellschaften“) fördere, insbesondere in der von ihm als nicht-westlich und undemokratisch erachteten Welt; dazu s. auch Reden/Wieland 2015b: 12–14.

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Synthese: Betrachtungen zur Environmental Coherence

zwar nach der Rückkehr der Truppen sogleich wieder abgerissen, doch während der wenigen Tage ihrer Existenz symbolisierte sie gleichsam den Anspruch Roms auf das Gebiet, das durch den Brückenschlag für die Truppen mit einem Mal leicht zugänglich wurde.3 Außerdem symbolisierte die Bücke die Unterwerfung des Rheins als Naturgewalt. Noch deutlicher hat Caesars Projektidee, den Tiber um Rom herumzuleiten gezeigt, wie groß sein Vertrauen in die römische Technologie und speziell in den Wasserbau war.4 Obgleich die Flussumleitung nie realisiert wurde, bezeugt schon allein Caesars Plan einen starken Glauben an die Dominanz Roms über die Natur, wohl noch zusätzlich beflügelt durch Caesars Vertrauen auf sein eigenes Genie.5 Caesar war jedoch nicht der einzige römische Machthaber, der dieser Überzeugung war. Wenig überraschend benutzten auch andere führende Politiker monumentale Infrastrukturbauten dazu, ihre politische Herrschaft zu legitimieren und ihre zivilisatorische Macht über Menschen, Regionen und Naturgewalten gleichermaßen zur Schau zu stellen, was in der Forschung aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet wurde.6 Dieser ideologische Nexus zwischen politischer und technologischer Macht ist ein besonderes Charakteristikum der römischen Kaiserzeit, obgleich es in republikanischer Zeit bereits vergleichbare Ambitionen und mehrere Projekte ähnlicher Tragweite gegeben hatte.7 Während Aquädukte, Kanäle, Straßen und Brücken sichtbare Äußerungen der römischen Herrschaft über die Natur darstellten, ergänzten literarische Werke und Lobreden das Bild römischen Selbstvertrauens und technologischen Fortschritts, das durch die Kaiser vorangetrieben wurde.8 Schließlich verein-

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Caes. Gall. 4,19,4. Cic. Att. 13,33,4; Plut. Caes. 58,8; dazu Aldrete 2007: 182–184; Wilson 2013: 270. Abgesehen von dem größenwahnsinnig anmutenden Projekt Caesars, den Tiber um das Ianiculum herumzuleiten, wurden einige seiner anderen Großprojekte tatsächlich von späteren Kaisern realisiert, so beispielsweise die Drainage sowohl der Pomptinischen Sümpfe (Suet. Caes. 44,3; Plut. Caes. 58; CIL X 6850; 6851 = ILS 827) als auch des Fuciner Sees (Suet. Caes. 44,3; Suet. Claud. 20,1; Plin. nat. 36,124–125) oder der Bau eines Hochseehafens in Ostia (Suet. Claud. 20), die alle bereits von Caesar ins Auge gefasst worden waren und von verschiedenen Nachfolgern umgesetzt wurden. Für die entsprechende Forschungsdiskussion zur römischen Infrastruktur mit weiterführender Literatur s. etwa Kissel 2002; Murphy 2004: v. a. 138–144 zum Aspekt der Demonstration des Herrschaftsanspruchs über die Natur; zum Aspekt der politischen Legitimation s. Schneider 2015; Schneider 2014; zum Aspekt der Infrastruktur als Herrschaftsinstrument s. Kolb 2014a; Kolb 2006. Zu denken ist in dem Zusammenhang z. B. an den Bau der Via Appia und der Aqua Appia im späten 4. Jh. v. Chr. unter Appius Claudius Caecus (zur Via Appia s. Liv. 9,29,6; Diod. 20,36,2; Frontin. aqu. 5,1; Eutr. 2,9,2; zur Aqua Appia s. Frontin. aqu. 4,1), die Regulierung des Albaner Sees ebenfalls im 4. Jh. v. Chr. (Liv. 5,15; Cic. div. 1,100), die Einrichtung des künstlichen Auslasses am Veliner See im 3. Jh. v. Chr. durch Manius Curius Dentatus (Cic. Scaur. 12,27), die Entwässerung eines Teils der Pomptinischen Sümpfe im 2. Jh. v. Chr. durch Marcus Cornelius Cethegus (Liv. per. 46) oder an den Bau des Kanals im Rhônedelta, realisiert durch Legionäre der Truppen des Marius gegen Ende des 2. Jh. v. Chr. (Plin. nat. 3,34). Murphy 2004: 194.

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ten Bauinschriften, die an den Infrastrukturbauten selbst angebracht waren, beides in sich: die materielle und zugleich die sprachliche Bekundung imperialer Dominanz.9 Gleichzeitig betonten sie den gemeinnützigen Charakter der Bauten für das römische Volk.10 Der letzte Aspekt war von großer politischer Bedeutung. Während der Konsolidierungsphase des Prinzipats unter der julisch-claudischen Dynastie musste der Prinzeps weiterhin große Anstrengungen unternehmen, seine Vorrangstellung gegenüber den anderen Senatoren zu legitimieren.11 Da die ersten Kaiser noch immer auf Widerstand aus den Reihen des Senats stießen, war es für sie von großem Interesse, ihre Leistungen und Errungenschaften für die res publica eigens in Szene zu setzen. Wenn die unteren, nicht-senatorischen Schichten von den Vorteilen des Prinzipats für ihr eigenes Alltagsleben überzeugt werden konnten, war ein guter Teil der notwendigen politischen Akzeptanz bereits gesichert. Daher ist es für kaiserliche Bauinschriften typisch, dass sie Verweise auf das Gemeinwohl enthalten.12 Unter den Kaisern der ersten beiden Jahrhunderte des Prinzipats stechen Claudius und Trajan ganz besonders mit Investitionen in die öffentliche Infrastruktur Italiens wie etwa Straßen und Häfen heraus.13 In Hafenbauinschriften beider Kaiser sind Gemeinnützigkeit einerseits und Dominanz über Naturgewalten andererseits geschickt miteinander verknüpft.14 Die erste bekannte kaiserzeitliche Inschrift, die einen römischen Hochwasserschutzbau dokumentiert, ist die claudische Kanalinschrift von 46 n. Chr. aus dem Hafen von Ostia. Dort ist davon die Rede, dass Claudius die urbs – selbstverständlich Rom – von 9

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Kuhoff 1993: 31 f., auch 149 f. bezogen auf die Inschriften an den stadtrömischen Wasserleitungen. Während die Bauwerke selbst von ihm als „Medium einer unmittelbaren und dauerhaften Form der herrscherlichen Selbstdarstellung“ bezeichnet werden, mag er in Münzen und Inschriften eine darüberhinausgehende, „weiterwirkende Verkündigung der kaiserlichen Leistung“ sehen. Gegen die Pauschalität dieser Annahmen spricht sich Horster 2001: 3–5 aus. Ihrer Meinung nach hätte sich der vermeintlich intendierte Wille zur kaiserlichen Selbstdarstellung in den öffentlichen Bauten vor allem in der gezielten Auswahl bestimmter Gebäudetypen äußern müssen, der sich allerdings nicht erkennen lasse. Kuhoff 1993: 31 zur Überlegung, dass Inschriften an Zweckbauten zur Zurschaustellung der kaiserlichen „Einlösung der Regierungspolitik“ gedient hätten. Plinius der Ältere und Frontinus stellen dieser Ideologie folgend programmatisch heraus, dass – im Gegensatz etwa zu den „nutzlosen“ ägyptischen Pyramiden – römische Großbauten in erster Linie dem Wohl der gesamten Gesellschaft und der Öffentlichkeit dienten; Plin. nat. 36,75; Front. aqu. 119; dazu s. auch Osgood 2011: 173 f. mit besonderer Betonung der Gemeinnützigkeit der unter Kaiser Claudius realisierten Bauprojekte. Schneider 2014: 21 f. Schneider 2014: 38. Infrastrukturbauten bedurften daher ihrer öffentlichen Sichtbarkeit und mussten zudem einer bestimmten Herrscherpersönlichkeit zugeordnet werden können. Zu den gemeinnützigen Bauprojekten des Claudius s. Osgood 2011: 168–189; unter Trajan s. Seelentag 2008; Seelentag 2004: 298; Strobel 2019: 387–392; zusammenfassend Knell 2010: 139–141. CIL XIV 85 = ILS 207 (Claudius); CIL VI 964 = CIL XIV 88 = ILS 5797a = AE 2002, 279 (Trajan). Die Texte beider Inschriften sind bereits weiter oben in Kapitel III.2.1b mit Übersetzung abgedruckt.

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Synthese: Betrachtungen zur Environmental Coherence

der Überschwemmungsgefahr „befreit“ (liberavit) habe. Das Verb liberare wird sonst meist in militärischen Kontexten gebraucht, wenn von hostes, also von fremden, auswärtigen Feinden Roms, die Rede ist.15 Zu denken ist auch an die Assoziationen des Begriffs libertas als Freiheit von Tyrannis.16 Ganz so, als ob das Flutwasser ein Eindringling und Staatsfeind wäre, habe also der Kaiser dank seines Ingenieursprojekts Rom vor dem Schlimmsten bewahrt. Mit anderen Worten kämpfte die römische Technologie unter Claudius’ Herrschaft erfolgreich gegen die Kräfte der Natur.17 Trotz des fragmentierten Überlieferungszustands der trajanischen Bauinschrift und der darauf zurückzuführenden schwierigen Lesung scheint auch sie einen Verweis auf außergewöhnliche Verdienste des Kaisers bezüglich der Hochwassersicherheit enthalten zu haben, die durch ingenieurstechnische Leistungen im Kanalbau erreicht worden sein soll.18 Selbst das Bildprogramm auf den trajanischen Münzen war offenkundig der „Bezwingung der Natur“ gewidmet.19 Ähnlich militärische Begrifflichkeiten gegenüber regulierten Flüssen lassen sich in der Literatur insbesondere des ersten sowie des beginnenden zweiten Jahrhunderts greifen.20 In der Dichtung, der Historiographie und der panegyrischen Literatur wurden Flüsse mit Deichen oder mittels anderer baulicher Maßnahmen „bezwungen“ (coercere) und dadurch kontrollierbarer und weniger schädlich gemacht,21 sie wurden gebändigt, gedemütigt, besiegt und unterworfen.22 Schließlich war bereits die Befahrung der sanierten Cloaca Maxima durch Augustus’ Feldherrn Agrippa ein symbolischer Akt, der zum Ausdruck bringen sollte, dass Siege zivilisatorischer Art fortan vor allem auf dem Feld des städtischen Infrastrukturausbaus zu erringen waren.23 Insge-

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Zu Ursprung und Genese des hostis-Begriffes s. Allély 2012: 17 f. mit Verweis auf entsprechende Quellentexte und weiterführende Literatur. Stand zunächst das Charakteristikum der fremden Herkunft im Vordergrund, engte sich der Begriff später ein und brachte das feindschaftlich geprägte Verhältnis gegenüber dem Fremden zum Ausdruck. Zur Verwendung des libertas-Begriffes in der augusteischen Epigraphik, auf die in der claudischen Inschrift möglicherweise Bezug genommen wird, s. Donati 2014. Eine derart militarisierte Rhetorik findet sich unter Claudius ebenso bei Aquäduktinschriften wieder; dazu s. Osgood 2011: 184. Für eine alternative Rekonstruktion der im CIL überlieferten Inschrift s. Horster 2001: 271 f. Dazu Seelentag 2008: v. a. 108 f. Als frühes Beispiel führt Schneider 2014: 47 die panegyrischen Werke Tibulls (v. a. Tib. 1,7) an. Tac. ann. 1,76: remedium coercendi fluminis; Tac. ann. 13,53: aggerem coercendo Rheno; Suet. Aug. 30,1: ad coercendas inundationes. Neben vielen anderen Beispielen etwa Mart. 9,5,1: summus Rheni domitor; Sil. 3,599: compescet ripis Rhenum; Stat. silv. 4,3,84: victor perpetuus [über den Fluss Volturnus]; Verg. Aen. 8,728: pontem indignatus Araxes. Araxes als der Fluss, der unter dem Joch der Brücke des Augustus zu leiden hat, ist bei Vergil allerdings auch als eine Anspielung auf die Vorgängerbrücke zu verstehen, die einst Alexander der Große über den Fluss hatte schlagen lassen. Insofern hat jene Textstelle gleich in doppelter Hinsicht herrschaftspolitische Aussagekraft; dazu s. auch Vout 2003: 182. Cass. Dio 49,43,1. So konnten sich die römischen Kaiser fortan auch in Friedenszeiten als Sieger inszenieren, indem sie die Bezwingung der Naturgewalten mittels entsprechender Metaphern und Motiven darstellten; dazu s. auch Seelentag 2004: 380–393, v. a. 389–392.

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samt ist freilich nicht zu vergessen, dass zumindest die großen Grenzflüsse zugleich fremde Regionen repräsentierten, die meist durch ausgedehnte militärische Operationen unter römische Herrschaft gelangt waren. Die Darstellung ihrer Unterwerfung in künstlerischer Form ist in erster Linie expansionspolitisch zu deuten.24 Das wahrscheinlich bekannteste poetische Werk aus dem Prinzipat des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, das die Regulierung eines Flusslaufs thematisiert, ist das Lobgedicht auf die Via Domitiana, verfasst von Statius.25 Die im Jahr 95 n. Chr. fertiggestellte Straße war von Domitian mit dem Ziel angelegt worden, den Reiseweg zwischen Rom und Puteoli zu verkürzen und die Reisebedingungen zu verbessern, indem er ihren Verlauf nach dem Passieren der antiken Hafenstadt Sinuessa an der Südgrenze Latiums mitten durch das marschige Küstengebiet führen ließ.26 Die alte Route entlang der Via Appia zweigte bei Sinuessa zunächst in Richtung Capua ab und führte dann südwärts weiter bis Puteoli, wodurch sie eine erheblich längere Strecke aufwies. In einer geradezu modernistisch anmutenden Passage hebt Statius die höhere Reisegeschwindigkeit hervor, die aufgrund des besseren Zustands der Straße und wegen der Abkürzung über Cumae erreicht worden sei. Gemäß seiner Bemerkung habe der flavische Kaiser den Golf von Neapel endlich näher an Rom heranrücken lassen. Er habe den Menschen der Reichshauptstadt die Welt zugänglicher gemacht und ebenso umgekehrt.27 Interessanterweise waren sowohl Geschwindigkeit und Mobilität als auch technische Leistungen und die Erschließung weit entfernter Gegenden typische Topoi in der Literatur und Poesie der klassischen Moderne, wie sie im frühen 20. Jahrhundert aufkam.28 Mit vergleichbarer Begeisterung liefert Statius eine detaillierte Beschreibung unterschiedlicher Techniken römischen Straßenbaus, wie sie zur Zeit Domitians üblich war. Auch darin äußerst sich der Stolz des Autors auf die römische Technologie und Beherrschung der Natur. Seine Konzentration auf technische Details können als Imitation zeitgenössischer imperialer Epigraphik angesehen werden. Er verleiht Domitians Werken sogar das Prädikat, „besser und mächtiger als die Natur“

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Zur Symbolhaftigkeit von Flüssen im Sinne einer „triumphal geography“ s. Murphy 2004: 140– 148; zum Propagandacharakter römischer Flussgottdarstellungen s. Ostrowski 1991: 34 f. (generelle Bemerkungen) und 47–59 (Beispiele aus der Zeit zwischen der späten Republik und Kaiser Constantin). Stat. silv. 4,3. Cass. Dio 67,14,1. Stat. silv. 4,3,24–26. Smolenaars 2006: 223 vergleicht Statius’ Ansichten sogar mit den Gedichttexten von Gabriele d’Annunzio aus den 1920er Jahren, da beide Autoren ausdrücklich Geschwindigkeit, Fortschritt und die moderne Technologie feierten. Zeitgleich hatten in den Jahren um 1900 ein beinahe unumstößlicher Technikglaube und eine ausgeprägte Planungseuphorie die Mitglieder der politischen und unternehmerischen Eliten erfasst, zusammen mit größeren Teilen der Bourgeoisie, dazu s. etwa Hannig 2015: 46; auch Brüggemeier 2015, der im Zusammenhang mit dem Bau städtischer Kanalisationen im 19. Jh. von einer regelrechten „Wassermanie“ spricht (ebd.: 153).

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(natura melior potentiorque) zu sein. Hinter dieser Bezeichnung mag sich eine Anspielung auf die offizielle imperiale Rhetorik seiner Zeit verbergen.29 Im Rahmen der Trassenlegung für die Via Domitiana wurde auch eine Brücke über den Fluss Volturnus geschlagen. Dieser ingenieurstechnischen Leistung trägt Statius dadurch Rechnung, dass er den Flussgott Volturnus, gegen den höchsten Brückenbogen gelehnt, selbst zu Wort kommen lässt. Als größter Fluss Süditaliens galt der Volturnus einst als einer der wildesten und zerstörerischsten Flüsse:30 ‚Camporum bone conditor meorum, quis me vallibus aviis refusum et ripas habitare nescientem recti legibus alvei ligasti! et nunc ille ego turbidus minaxque, vix passus dubias prius carinas, iam pontem fero perviusque calcor; qui terras rapere et rotare silvas assueram (pudet!), amnis esse coepi; sed grates ago servitusque tanti est, quod sub te duce, te iubente, cessi, quod tu maximus arbiter meaeque victor perpetuus legere ripae. et nunc limite me colis beato nec sordere sinis malumque late deterges sterilis soli pudorem; ne me pulvereum gravemque caelo Tyrrheni sinus obluat profundi (qualis Cinyphius tacente ripa Poenos Bagrada serpit inter agros), sed talis ferar ut nitente cursu tranquillum mare proximumque possim puro gurgite provocare Lirim‘

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‚Edler Schöpfer meiner Ebenen, du hast mich, der ich in unwegsamen Tälern floss und nicht zwischen Ufern zu wohnen wusste, in die Regeln eines rechten Bettes festgebunden. Jetzt trage ich, der ich reißend und drohend war, und früher kaum schwankende Schif-

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Smolenaars 2006: 225. Es wurde gar gemutmaßt, dass das Gedicht des Statius ein offizieller Panegyrikus auf Domitian gewesen sein könnte, der möglicherweise während des Festakts zur Einweihung der Via Domitiana vor Publikum vorgetragen wurde; dazu s. Coleman 1988: 105. Für einen kurzen Überblick über die natürliche Entwicklung seiner Flusslandschaft sowie über die Hydrologie in seinem Einzugsgebiet s. Biundo 2014: v. a. 98–99. Zum unkontrollierten Fließverhalten des Flusses, wie es aus Quellentexten bekannt ist, s. auch Masi Doria 2004: 203.

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fe duldete, schon eine Brücke und den Wanderer, der mich betritt. Ich, der ich gewohnt war, Land wegzureißen und Wälder zu fällen, – oh Schande – ich wurde allmählich ein Fluss. Ich bedanke mich dafür. Die Knechtschaft ist mir viel wert, weil ich mich deiner Führung und deinem Befehl gefügt habe, weil man von dir ewig lesen wird, dass du der größte Herrscher und der Besieger meines Ufers warst. Und jetzt sorgst du dafür, dass ich in glücklichen Bahnen dahineile, lässt es nicht zu, dass ich verschmutze und hältst weithin die schlimme Schande des unfruchtbaren Bodens von mir fern, damit nicht das Wasser in der Bucht des tyrrhenischen Meeres mich, den Schlammigen und Luftverpestenden, reinigen muss. – Nicht dem kinyphischen Bagrada gleiche ich, der in schweigenden Ufern durch die punischen Felder schleicht. – Nein, so gleite ich dahin, dass ich mit meinem glänzenden Lauf das ruhige Meer und mit meinem reinen Wasser den benachbarten Liris übertreten könnte.‘31

Dies ist nicht der Ort für eine detaillierte Interpretation der Textpassage, doch sollten die wichtigsten Aussagen bezüglich der Umgestaltung der Flusslandschaft kurz herausgestellt werden.32 Sie nämlich illustrieren deutlich, welch großes Selbstbewusstsein die römischen Eliten gegenüber Naturgewalten an den Tag legten und wie die Kaiser des ersten Jahrhunderts Wasserbauten zum Zweck ihrer eigenen Herrschaftsrepräsentation nutzten.33 Der Fluss gibt sich als versklavter Untertan des Kaisers. Insbesondere Zeile 73 bis 80 beschreiben die Transformation des einst wilden, unregulierten Flusses in seinem Zustand vor dem Brückenbau in den nun gebändigten und zivilisierten Flusslauf nach den Kanalisierungsarbeiten. In den Zeilen 72, 83 und 84 wird Domitian als conditor („Gründer“), als maximus arbiter („höchster Richter“) und victor perpetuus („Besieger auf Lebenszeit“) bezeichnet in Bezug auf die künstlich erschaffenen Uferbefestigungen und das gereinigte Flussbett. Bringt man beide Aspekte zusammen, wird klar, dass Domitian den barbarischen Volturnus bekämpft und schließlich besiegt haben soll, indem er ihm künstliche Grenzen setzten ließ. Deshalb kann der Kaiser mit einigem Recht als „guter Schöpfer meiner [d. h. des Volturnus’] Felder“ (camporum bone conditor meorum) bezeichnet werden. Der Kaiser erschafft, gottgleich, neue Landschaften durch den Gebrauch raffinierter römischer Technologie, von denen sowohl Mensch als auch Natur – in dem Fall in Gestalt des Flussgottes – profitieren. Statius geht sogar so weit, dem personifizierten Fluss die Worte amnis esse coepi („endlich habe ich begonnen, ein Fluss zu sein“), in den Mund zu legen, um so zum Ausdruck zu bringen, dass erst die Tat des Kaisers aus den ungebändigten Wassern einen klar definierten

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Stat. silv. 4,3,72–94. Übersetzung: Heinz Wissmüller (Wissmüller 1990). Mit dem Lobgedicht des Statius und insbesondere mit der fiktiven Rede des Flussgottes haben sich intensiv Coleman 1988: 102–135; Newlands 2002; Smolenaars 2006; Biundo 2014: 104–106, Kissel 2002: 147 f. und Seelentag 2004: 389 f. auseinandergesetzt. In Bezug auf das Gedicht des Statius s. Seelentag 2004: 389 f.; allgemein Schneider 2014: 47.

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Fluss gemacht habe, der diese Bezeichnung überhaupt erst verdiene. So spricht der gezähmte Volturnus sogar mit Dank (grates ago) von seiner Knechtschaft (servitus) gegenüber dem Prinzeps.34 Zusätzlich wird mindestens ein Triumphbogen den Weg über die Brücke gekennzeichnet haben wie dies für monumentale Brückenbauten üblich war, und was den triumphalen Charakter des Bauwerks nochmals unterstreichen sollte.35 Unter Trajan wurde die Propagierung des Prinzeps als Naturbezwinger nochmals intensiver betrieben und erreichte, wie bereits angesprochen, als Teil der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung eine neue Qualität.36 Vor allem im italischen Mutterland schien Trajan die Zuständigkeiten des Kaisers im infrastrukturellen Bereich systematisch auszubauen, indem Aufgaben, die bisher von örtlichen Honoratioren betreut und durchgeführt worden waren, nun in seinem Namen koordiniert und aus seinen Mitteln realisiert wurden.37 Schließlich ist wohl auch die Schenkung der Tyche-Statue durch Trajan an die hochwassergeplagte Stadt Antiocheia in Syrien dahingehend zu deuten, dass er die am Orontes realisierten römischen Wasserbauprojekte damit zu einem feierlichen Abschluss bringen wollte.38 Die Dominanzrhetorik gegenüber Flüssen und Flutwasser blieb auch lange über die Herrschaftszeit Trajans hinaus bis in

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Obwohl die Lobpreisungen der technischen und zivilisatorischen Leistungen des Kaisers aus dem Mund des Flussgottes ehrlich und geradezu begeistert klingen, stellt Newlands 2002: 301–309 heraus, dass die Rede auch einen leicht negativen Unterton aufweist. Sie kommt zu dem Schluss, seine Worte seien „necessarily compromised“ (ebd.: 306), denn da Volturnus als Sklave des Kaisers spreche, könne er seine Meinung bezüglich der Kanalisierung und Überbrückung nicht völlig frei und unbefangen äußern. Schon allein dieser Umstand könne als versteckte Kritik an Domitians Herrschaft verstanden werden. Ihrer Meinung nach könnten in der Rede des Flussgottes aber noch mehr kritische Untertöne entschlüsselt werden, die weit über die persönliche Kritik am Kaiser hinausgingen. Diese Aspekte berührten religiöse Anschauungen der Naturkräfte im Allgemeinen, wie sie in der antiken römischen Kultur vorherrschten, da in die Natur einzugreifen und sie zu verändern als Sakrileg angesehen wurde (ebd.: 304). Nach dieser Lesart könnte die Passage noch als implizite Kritik an Domitian und als Anspielung auf seinen ihm nachgesagten Größenwahn aufgefasst werden, ebenso wie als Anspielung auf seine repressiven politischen Praktiken. Zur Entsühnung von künstlichen Eingriffen in Flussläufe s. auch weiter oben Kapitel II.2, außerdem Kapitel III.2.1a zu philosophischen Ansätzen gegenüber einer von Menschen gestalteten Natur. Seelentag 2004: 390 f. Seelentag 2008; für eine eingehende Untersuchung der unter Trajan stark veränderten Herrschaftsdarstellung des Prinzeps in allen Einzelaspekten s. Seelentag 2004: v. a. 389 f. zum Aspekt der Naturbezwingung als Teil herrschaftlicher Selbstdarstellung insbesondere bei Trajan. Dazu Seelentag 2008: 113 f.; zu den einzelnen Maßnahmen s. Strobel 2019: 387–392; für die Einbindung lokaler Eliten in die Unterhaltung der gemeinschaftlichen Infrastrukturbauten s. Kolb 2014b. In diesem Zusammenhang wurde die providentia als lobenswerte Eigenschaft des Prinzeps besonders hervorgehoben; Plin. epist. 8,17,2; CIL X 6310 = ILS 282; CIL VI 31298 = CIL VI 40497; zur Zuschreibung der providentia als trajanische Eigenschaft s. Seelentag 2008: 111 f. Downey 1961: 73–75. Auch wenn das Motiv der antiochenischen Stadt-Tyche, die den Fluss Orontes unterwirft, bereits in hellenistischer Tradition stand, war die Stiftung der Statue sicher programmatisch für den trajanischen Wasserbau und die daran gekoppelte Herrschaftsinszenierung.

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die Spätantike hinein bestehen, was sich neben weiteren Inschriftentexten auch in der Literatur sowie in der Bildkunst äußert.39 Auf sie ist an dieser Stelle jedoch nicht weiter im Detail einzugehen, da hier stattdessen auf einen konkurrierenden Entwicklungsstrang aufmerksam gemacht werden soll, der angesichts des bisher Dargelegten überraschen muss. Alle bisher genannten Beispiele entsprechen im Wesentlichen dem Bild des omnipotenten römischen Herrschers aus dem frühen und hohen Prinzipat sowie dem Dominat. Der Kaiser galt als Ordner und Beherrscher von Mensch und Natur, in dessen Macht es stand, selbst die wildesten Naturkräfte zu unterwerfen, und der dadurch seine monarchische Existenz legitimierte.40 Dieser Herrschaftsanspruch war zwar nicht auf Flüsse beschränkt, doch ist davon auszugehen, dass mittels wasserbezogener Bauten wie Kanälen oder Brücken der kaiserliche Allmachtsanspruch besonders manifest inszeniert werden konnte, da Flüsse als göttliche Wesen mit eigener Dynamik und Handlungsmacht verehrt wurden und in Kunst und Literatur zudem meist als kraftstrotzende Männer dargestellt wurden.41 Mit Marcus Aurelius und Lucius Verus scheint jedoch zumindest auf bestimmte Regionen und Gewässer bezogen ein verhaltener Sinneswandel eingesetzt zu haben, der sich im Wortlaut mehrerer Bauinschriften vorsichtig äußert. Die erste überlieferte Bauinschrift, die eine veränderte Haltung gegenüber Wasser als Naturkraft nahelegt, stammt aus der frühen Regierungszeit der beiden Kaiser. Sie wurde in den Alpes Graiae nahe der Siedlung Bergintrum (Bourg-St. Maurice) bei Axima (Aime) als Spolie in eine Kirchenwand verbaut vorgefunden.42 Der Stein ist beschädigt und der Text daher unvollständig, doch ist genügend erhalten geblieben, um den Wortlaut mit einiger Wahrscheinlichkeit zu rekonstruieren:

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Schließlich spielt die inszenierte Unterwerfung von Flüssen mithilfe römischer Ingenieurstechnik während der gesamten imperialen römischen Herrschaftszeit eine herrschaftspolitisch tragende Rolle für die jeweiligen Machthaber; für Darlegungen und Quellenbelege dazu s. etwa Kissel 2002; Seelentag 2004: v. a. 389–391; Montero Herrero 2012: 91–163. Freilich war die Idee der Beherrschung des orbis terrarum durch Rom durchaus älter als das Prinzipat und daher nicht auf den Prinzeps allein beschränkt (Kissel 2002: 143 f.), doch eröffneten sich der römischen Ingenieurskunst aufgrund mehrerer synchron verlaufender bautechnischer Entwicklungen in der Umbruchszeit von Republik zu Prinzipat neue Möglichkeiten im Wasserbau, die sich im Verlauf des 1. Jahrhunderts noch weiterentwickelten; dazu s. Tölle-Kastenbein 1990: 84–105; Briegleb 2002: 105; Schneider 2006: 7; Schneider 1982: 76. Vgl. Kissel 2002: 144. Zu römischen Darstellungsformen von Flussgöttern s. ausführlich Ostrowski 1991: 26–34; zudem Montero Herrero 2012: 319; Giuseppe 2010: 72. CIL XII 107 = ILS 5868 = AE 1996, 981 = AE 2009, 803; dazu s. Rémy 2009; Walser 1986: 39 f.; Campbell 2010: 319; zur geographischen Einbettung und den Baumaßnahmen bereits ausführlich in Kapitel III.3.1. In einer ähnlich lautenden Bauinschrift aus derselben Gegend, die aus der Regierungszeit des Commodus stammt (CIL XII 2343), wird auf die Umleitung von Wasser oder Gewässern verwiesen (aquis derivatis), die nach starken Regenfällen erfolgt sein soll; s. Walser 1986: 39 f. mit einer leicht veränderten Lesung des Inschriftentextes, der jedoch die grundsätzliche Aussage und Interpretation nicht beeinflussen. Lediglich die Lesung po[ntes] wird dort durch F[oro Cl(audii) – gemäß der Lesung bei Dessau ersetzt.

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Synthese: Betrachtungen zur Environmental Coherence

[Imp(erator) Caes(ar) Marcus] / [Aurelius Antoninus] / [Aug(ustus) trib(unicia) potest(ate) XVII] / [co(n)s(ul) III pont(ifex) max(imus) p(ater) p(atriae) et] / Imp(erator) Caes(ar) Lu[cius] / Aurelius Verus Au[g(ustus)] / [tr]ib(unicia) potest(ate) III co(n)s(ul) II / [vi] as per fines Ceutro/[n]um vi torrentium / [ev]ersas exclusis / [flu]minibus et in na[tu]/[ra] lem alveum redu[ctis] / [m]olibus plurib[us locis] / [opp]ositis item po[ntes] / [tem]pla et balin[ea] / [pec(unia)] sua resti[tuer(unt)] Die Kaiser Marcus Aurelius und Lucius Verus usw. stellten die Straßen, die durch Ceutronengebiet führten und von der Wucht der Sturzbäche aufgewühlt worden waren, wieder her, indem sie aus eigenen Geldmitteln die übergetretenen Flüsse wieder in ihr natürliches Flussbett zurückführten und ihnen mehrere Dämme entgegenstellten, ebenso stellten sie die Tempel und Thermen aus eigenen Geldmitteln wieder her.

Der Text dokumentiert Wiederaufbauarbeiten nach einem torrentiellen Hochwasser an mehreren reißenden Gebirgsbächen in der Region um Axima. Diese Bäche hatten ihr ohnehin unstetes Bett verlassen und dabei Passstraßen, Brücken, Tempel und Bäder zerstört. Ausgehend von den teils rekonstruierten Kaisertitulaturen müssen die Bauarbeiten in den Jahren 162/3 n. Chr. abgeschlossen worden sein. Es wird auch berichtet, dass neben der Wiederherstellung der beschädigten Bauten an mehreren Stellen zusätzliche Uferbefestigungen oder Molen (moles), vielleicht gemauerte Uferdämme, errichtet wurden zum künftigen Schutz. Ein Detail ist hier jedoch von besonderem Interesse: die auf die Gebirgsbäche bezogene Angabe in naturalem alveum reductis („in [ihr] natürliches Bett zurückgeführt“), was sich auf die Reinigungs- und Wiederaufbaumaßnahmen bezieht. Bereits Jochen Haas hat zu Recht auf diese eigentümliche Ausdrucksweise aufmerksam gemacht.43 Er möchte die damit verbundenen Arbeiten als Ausbaggerungsarbeiten identifizieren, wie sie am Tiber unter Augustus zur Flutkontrolle durchgeführt worden waren.44 Solcherlei Vertiefungsarbeiten könnten durchaus mit der Anlage der neuen Molen verrichtet worden sein.45 So könnte das „natürliche Bett“ so zu verstehen sein, dass es sich dabei zwar um den Weg handelte, den das Flutwasser üblicherweise einschlug, nach Abschluss der Arbeiten jedoch mittels Uferbefestigungen viel klarer definiert war. Der Weg des bisherigen Abflusses würde demnach als das „natürliche Bett“ der Gebirgsbäche verstanden, in welches sie künstlich „zurückgeführt“ (reducere) worden waren. Eine dauerhafte natürliche Verlagerung der Betten nach dem Flutereignis wurde dadurch also ausgeschlossen oder gar rückgängig gemacht.

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Haas 2006: 136, Fn. 138. Suet. Aug. 30,1–2. Allerdings fehlt im Rekonstruktionsvorschlag von Haas 2006: 136 jeglicher Hinweis auf den Bau zusätzlicher moles, weil er an der Stelle demolibus plurimis locis rekonstruiert. Die alternative Lesung als moles (gemäß CIL und AE) wird von ihm weder zitiert noch diskutiert.

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Mit einer leicht anderen Nuance könnte die Passage aber noch enger im Rahmen der juristischen Definitionen für alveus und ripa interpretiert werden.46 Wenn nach Ansicht der römischen Juristen als cursus naturalis derjenige des vorigen Sommerhalbjahrs angesehen wurde, entsprachen die künstlich „auf ihr natürliches Bett reduzierten“ Bäche in Ausmaß und Verlauf möglicherweise ihrem Aussehen im vorigen Sommer – die winterlichen Flutungsbereiche entlang der Ufer also nicht eingeschlossen, da ausschließlich von alveus die Rede ist.47 Eventuell vorgefallene Verlagerungen des Flussbettes werden damit also auch ignoriert. Da im Gegensatz zu den Bächen (flumina) vom Bachbett (alveus) lediglich im Singular die Rede ist, wäre es außerdem denkbar, dass in den flumina mehrere Ströme ein und desselben Wasserlaufs zu sehen sind, die sich während des Hochwassers spontan herausgebildet hatten. In jedem Fall beanspruchen Marcus Aurelius und Lucius Verus für sich, die Gebirgsbäche wieder in ihr natürliches Bett zurückgeleitet zu haben, wodurch sie sich als Hüter der natürlichen Ordnung präsentieren. Auch in dieser Aussage ist wenig überraschend die Idee der Naturbeherrschung durch die Kaiser enthalten, doch statt einen Sieg oder die Unterwerfung der Naturkräfte zu propagieren, wird vielmehr der Natur selbst ein gewisses Anrecht auf Normativität zugesprochen. Der Wasserlauf wurde zu etwas zurückgeleitet, das mindestens in juristischem Sinne als „natürlich“ (naturalis) angesehen wurde, und das es deshalb zu schützen oder wiederherzustellen galt – wobei hier freilich der Wasserbauer definierte, was in diesem Fall als das Natürliche anzusehen war. Es ist dennoch überraschend, dass eine solch juristisch geprägte Vorstellung in einem Inschriftentext erwähnt wird. Aus den Jahrzehnten nach der Herrschaftszeit des Marcus Aurelius liegen weitere epigraphische Texte vor, die auf eine ähnliche Haltung gegenüber Flusswasser verweisen. Die erste erwähnenswerte Inschrift ist wieder eine Inschrift aus Ostia, die für das Jahr 190 n. Chr. eine Einrichtung zum Hochwasserschutz unter Commodus bezeugt und im Rahmen des Kapitels über flutgefährdete Straßen bereits behandelt wurde: [Imp(erator) Caes(ar) M(arcus) Aur(elius) Commodus] / [Antoninus Pius Fe]lix Aug(ustus) / Sarm(aticus) Germ(anicus) max(imus) Brit(annicus) p(ontifex) m(aximus) trib(unicia) / [p]otest(ate) XV imp(erator) VIII co(n)s(ul) VI p(ater) p(atriae) / pontem arcendae / [i] nundationis gratia / fecit dedicavitque.

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So macht Haas 2006: 136, Fn. 138 selbst auf die beinahe wörtliche Übereinstimmung mit den Ausführungen im Cod. Iust. 7,41,1 (Kaiser Gordianus an Marcus im 3. Jh. n. Chr.: … fluminis naturalem cursum opere manu facto alio non liceat avertere …) aufmerksam, ohne allerdings konkreter auf die juristischen Diskussionen um flumina und torrentes bzw. alvei und ripae einzugehen. In dem Zusammenhang spricht er auch von einer „nichtanthropogene[n] ‚Renaturierung‘“ (ebd.). Zur Definition des naturalis cursus fluminis bezogen auf den Flussverlauf und das Fließverhalten „wie im vorigen Sommer“ (quam priore aestate) s. Dig. 43,13,1,8 (Ulpianus); dazu außerdem ausführlich weiter oben in Kapitel III.1.1c.

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Synthese: Betrachtungen zur Environmental Coherence

Imperator Caesar Marcus Aurelius Commodus usw. ließ (diese) Brücke [bzw. diesen Brückendamm] zur Überschwemmungsabwehr errichten und weihen.48

Die Brücke oder vielmehr der Damm wurde angeblich zur „Abwehr“ von Überschwemmungen errichtet. Von einer „Befreiung“ wie noch auf der Kanalinschrift des Claudius ist hier keine Rede mehr.49 Unter Commodus wird nun Rückhalt anstelle von Unterdrückung des Flutwassers propagiert, denn das Wasser wird lediglich abgewehrt (arcere), nicht jedoch besiegt. In Anbetracht der unter Commodus realisierten großzügigen urbanen Veränderungen Ostias verwundert diese sprachliche Zurückhaltung umso mehr.50 Diese semantische Nuance ist zugegebenermaßen ein schwaches Indiz für ein möglicherweise verändertes Mensch-Natur-Verhältnis. Doch zusammen mit ähnlichen, ebenfalls inschriftlich dokumentierten Ausdrucksweisen aus den Jahrzehnten, die auf die Herrschaft des Commodus folgten, gewinnt diese Interpretation an Gewicht. So behaupten die Kaiser Septimius Severus, Caracalla und Geta, zur „Verteidigung“ (ad defensionem) einer aus Altersgründen zerfallenen Straße im Umfeld des Volturnus eine zusätzliche Stützmauer beigestellt zu haben,51 während sie im Golf von Neapel, ebenfalls ad defensionem, eine neue Mole an einer Küstenstraße errichten ließen, die durch eine meerseitige Überspülung (adluvione maris) zerstört worden sei.52 Die „Wucht des Flusses“ (vis fluminis) bei Canusium soll Wiederaufbaumaßnahmen an Brückenbögen auf der Via Traiana nötig gemacht haben.53 Dieselben Kaiser ließen zudem wenige Jahre später den Pons Apollinis, der bei Castrum Novum vermutlich über mehrere Arme des Castelsecco führte, von Grund auf neu errichten, nachdem sein Vorgängerbau „durch die Gewalt des Meeres und der Flüsse“ (maris et fluminum violentia) umgewor-

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AE 1909, 67. Dazu s. auch Hettinger 2014: 113–115. Zur „Neugründung Ostias“ unter Commodus s. Bolder-Boos 2014: 112–117. CIL IX 5980 = X 6908 = ILS 5858. AE 1893, 84. AE 1969/1970, 135: [Imp(erator) Caes(ar) L(ucius)] Septimi/[us Severus Pi]us Pert(inax) Aug(ustus) / [Arab(icus) Adiab(enicus) P]ạrt(hicus) max(imus) / [Britannic(us) ma]x̣(imus) pont(ifex) max(imus) / [trib(unicia) pot(estate) XVIII im]p(erator) XII co(n)s(ul) III / [p(ater) p(atriae) ̣ proco(n)s(ul)] et / [Imp(erator) Caes(ar) M(arcus) Au]ṛelius An/[toninus Aug(ustus) Pi]ụs Fel(ix) trib(unicia) / [pot(estate) XIII co(n)s(ul) III p(ater) p(atriae)] / [… funda]menta(?) ar/[cus …]ṾM pon/[tem … vi(?) flu]mi/[nis. Dieser Rekonstruktionsvorschlag scheint aufgrund des Fundkontexts naheliegend, obgleich der Text stark fragmentiert vorliegt. So steht laut AE außer Zweifel, dass die Inschrift Baumaßnahmen an einer Brücke schilderte. Unklar bleibt nur, welches Verb bzw. welche Abschlussformel den Text beendete. Der Ausdruck vi fluminis als Ursache für einen Bauschaden findet sich auch an einer Inschrift aus Nordafrika, die auf ein unbestimmtes Datum ab dem 3. Jahrhundert datiert wird; AE 1909, 9; Haas 2006: 135, Fn. 326. Ähnlich lässt sich der Hinweis auf die vis fluminis auch in den Texten der Juristen greifen (z. B. Dig. 2,11,2,3; 2,11,2,6–8, Ulpian), was wiederum an die Benutzung des juristischen Begriffs naturalis alveus auf der Inschrift aus dem Alpenraum denken lässt.

Äußerungen des Risikobewusstseins

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fen worden war.54 All jene Arbeiten wurden im Zuge umfassenderer Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten zur Förderung der Gangbarkeit des öffentlichen Wegenetzes zu Beginn des 3. Jahrhunderts in Mittelitalien durchgeführt. Die Kaiser agierten nun „zur Verteidigung“ (ad defensionem) der öffentlichen Infrastruktur gegen die Naturkräfte. Die violentia („Gewalt“), also der Angriff oder der erste Schlag, kam von außen, vom Flutwasser ausgehend. Doch gerade im Zusammenhang mit dem Brückenneubau wäre eine triumphale Darstellung des Bauprojekts zugunsten der kaiserlichen Herrschaftsinszenierung naheliegend gewesen, die hier allerdings ausbleibt. Was außerdem auffällt, ist das Fehlen einer strikten Hierarchie mit den römischen Herrschern an der Spitze. Die Texte scheinen eher einen Zweikampf unter Gleichgestellten zu suggerieren ohne eine klare Dominanz des Prinzeps. Der Inschriftentext an einer Brücke über den Volturnus, der nach weiteren Straßenwartungsarbeiten unter Caracalla angebracht worden ist, kann die gedämpfte Repräsentationslust Caracallas im Gegensatz zu Domitian gut demonstrieren. Darin lässt der Prinzeps lediglich verlauten, er habe die durch eine Überschwemmung mit Wasser unterbrochene Straße (viam inundatione aquae interruptam) wiederhergestellt, während die Brücke unerwähnt bleibt.55 Obwohl – oder vielmehr gerade weil – all jene Maßnahmen Teil einer großflächigeren Straßenwartungsaktion waren, müssen die Inschriftentexte als repräsentative Dokumente für eine bestimmte Zeitspanne in der römischen Geschichte angesehen werden, in der die Kontrolle über die Naturgewalt Wasser mithilfe der Ingenieurstechnik offenbar nicht im Fokus der öffentlichen Herrschaftsrepräsentation stand. Lediglich auf einer Inschrift rund um die Überflutungen des Lacus Fucinus ist ebenfalls – aus hadrianischer Zeit im Gedenken an Trajan – von der violentia des Seewassers die Rede. Doch geht es dort um die einst vom See unter Wasser gesetzten Äcker, die dank der Initiative Trajans „wiedergewonnen“, in gewisser Weise also zurückerobert werden konnten.56 Zwei weitere Formulierungen auf Inschriften von Caracalla sollten hier nicht ausgelassen werden, da sie eine eigentümliche, neue Konzeption der Rolle des Prinzeps gegenüber der Natur oder zumindest gegenüber Flüssen propagieren. Aus der Nähe 54

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AE 1973, 226; dazu Haas 2006: 135, Fn. 326. Aus dem Kontext ist zu erschließen, dass es sich um den Wiederaufbau einer an derselben Stelle zerstörten Brücke handelt, obgleich hier das bloße Verb facere anstatt reficere oder restituere verwendet wird, wie Horster 2001: 51 mit Fn. 143 herausstellt. Allerdings wird durch den Verweis auf einen Neubau a fundamentis auch deutlich, dass die Bautätigkeit tatsächlich weit über eine Reparatur hinausging. Vermutlich war die Brücke so stark beschädigt oder beinahe vollständig weggeschwemmt worden, dass einzig ein Neubau an der Stelle infrage kam. Damit könnte zusätzlich erklärt werden, warum an dieser Stelle im Inschriftentext explizit die violentia der Naturgewalten betont wird. Vielleicht war im Kern auch ein ohnehin schon fortgeschrittenes Verfallsstadium der Apollonbrücke der eigentliche Grund für ihre Zerstörung, welche im Nachhinein nur den konkreten Anlass für ihren Neubau schuf. CIL X 6876 = ILS 5859; dazu Haas 2006: 135, Fn. 326. CIL IX 3915 = ILS 302. Möglicherweise bezieht sich der Text eher auf Trajans Nachfolger Hadrian, dazu s. weiter oben in Kapitel III.2.2b.

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von Caudium im westlichen Samnium ist eine Bauinschrift überliefert, die auf Baumaßnahmen an einem Flusslauf Bezug nimmt: Imp(erator) Caesar / M(arcus) Aurellius(!) Antoni/nus Pius Aug[u]stus / Felix Parth[ic(us)] max(imus) / Germanicus max(imus) / pont(ifex) max(imus) [trib(unicia)] potest(ate) / XVII imp(erator) I[II c]o(n)s(ul) IIII / p(ater) p(atriae) pro[c]o(n)s(ul) / [mu]n[i]tione[s alvei] co[n]lab/sa[s] cu[m su]b[st]ructio/ne restituit [et] l[a]be ag/ge[res c]adent[es p] rocur/sui flumini[s red]di[d]it. Imperator Caesar Marcus Aurellius (sic!) usw. ließ die Flussbett(?)befestigungen,57 die zusammengebrochen waren, mit einem Unterbau wiederherstellen und gab dem Flusslauf die durch den Sturz [Erosion? Bergrutsch? Beben? reißende Strömung?] abbröckelnden Deiche wieder zurück.58

Durch den Gebrach des Dativs erscheint der Fluss als Empfänger der kaiserlichen beneficia. Er wird hier nicht mehr als besiegter Feind angesehen, sondern eher als Untertan, dem der Prinzeps zu Wohltaten und Hilfsleistungen verpflichtet ist. Wieder wird der Flusslauf als normative Einheit behandelt wie schon bei der Inschrift des Marc Aurel und des Lucius Verus, da Caracalla ihm die Deiche „zurückgegeben“ haben soll. Dies ist zwar eine etwas eigentümliche Formulierung, doch macht sie dennoch deutlich, dass der Flusslauf als etwas angesehen wurde, das des Wiederherstellens würdig erschien. Freilich wurde dies durch die Errichtung menschengemachter Konstruktionen erreicht und dasselbe gilt für alle zuvor genannten Beispiele. Doch der entscheidende Punkt ist hier die Semantik, die Art und Weise, auf die hier auf die Wasserbauten Bezug genommen wird und wie sie legitimiert werden. Ähnlich, wenn auch weniger eindeutig, könnte dies schließlich auf die Lykos-Inschrift aus Syrien zutreffen, die folgendermaßen lautet: Imp(erator) Caes(ar) M(arcus) Aurelius / Antoninus Pius Felix Augustus / Part(hicus) maximus Brit(annicus) max(imus) Germ(anicus) maximus / pontifex maximus / montibus inminentibus / Lyco flumini caesis viam delatavit / per [[leg(ionem) III Gallicam]] / Antoninianam suam.

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In beiden Eintragungen im CIL wird alternativ auch die Lesung marginem ripae conlabsum diskutiert. Zumindest im Kontext des restlichen, gesicherten Wortlauts sowie im Vergleich mit ähnlichen Bauinschriften scheint der Gebrauch von ripae anstelle von alvei tatsächlich naheliegender, sodass es sich bei den umgestürzten Konstruktionsteilen vielmehr um Uferbefestigungen statt Befestigungen des Flussbettes gehandelt haben könnte. Zudem soll sich der Inschriftenstein ursprünglich in der Nähe einer Brücke der Via Appia befunden haben. Auch in diesem baulichen Kontext ist das Vorhandensein einer erhöhten Uferbefestigung, die später einstürzte, wahrscheinlich. CIL IX 5994 = CIL X 6922.

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Imperator Caesar Marcus Aurelius Antoninus Pius Felix Augustus usw. verbreiterte die Straße [Treidelpfad?], indem er die dem Fluss Lycus überhängenden Berge niederhauen ließ durch seine [[legio III Gallica]] Antoniniana.59

In dieser Inschrift wird auf das verbreitete Bild zurückgegriffen, dass störend überhängende Berge einfach „niedergehauen“ werden, was zweifellos die Dominanz des Prinzeps zum Ausdruck bringen soll.60 Der Fluss Lykos hingegen kann hier sogar indirekt als Profiteur der kaiserlichen Bemühungen präsentiert werden.61 Beide Inschriftentexte erinnern in gewisser Weise an die Lobrede, die Statius dem Fluss Volturnus in den Mund legte, doch werden die Flüsse in den letzten beiden Fällen nicht auf ein Sklavendasein für den Kaiser reduziert, da eine Anspielung auf ihre Unterwerfung oder Domestikation fehlt. Eine Bauinschrift des Prinzeps, die sich nicht damit brüstet, durch römische Technologie erfolgreich sämtliche Naturmächte unterworfen und gezähmt zu haben, ist in der Hinsicht ungewöhnlich. Dass es sich im letztgenannten Fall nicht um die Umgestaltung des Flusses Lykos selbst, sondern seiner Uferstraße handelte, mag vielleicht der Ausgangspunkt für diese Form der Darstellung gewesen sein und auch scheint es insgesamt so, als habe man der Eigendynamik des Wassers und anderer Naturkräfte gerade im fortgeschrittenen zweiten Jahrhundert anders Respekt gezollt als statischen natürlichen Hindernissen wie etwa Gebirgen.62 Interessanterweise macht Bonneau im Rahmen ihrer Forschungen zu den Nilfluttheorien eine Beobachtung, die sich damit in Übereinstimmung bringen ließe. Die Quellentexte, die sich mit der Theorie des Rückstaus im Nildelta befassen, zeigen ebenfalls einen semantischen Wandel an. Wurde in den frühesten Texten der Nil lediglich „behindert“ oder „aufgehalten“, sich ins Meer zu ergießen, kam seit der

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CIL III 206 = CIL III p. 973 = ILS 5865. Ausführlich dazu Francke 1830: 115–119. Zur Beteiligung der Truppen am Ausbau der Infrastruktur unter Bezugnahme auf diese Inschrift s. Horster 2001: 444, wobei Francke 1830: 117 f. für die Stelle der Rasur davon ausgeht, dass dort der Name des verantwortlichen Truppenbefehlshabers stand, der bei Caracalla später wohl in Ungnade gefallen ist. Mit via ist nicht etwa das Flussbett selbst, sondern vielmehr die Uferstraße gemeint, die vermutlich zum Treideln genutzt wurde, wobei Francke 1830: 118 vom erhaltenen Wortlaut ausgehend gar annimmt, dass eher zwei Trassen gemeint waren: eine unten am Ufer entlang verlaufende, die schon vorher bestanden hatte und nur verbreitert worden sei, sowie eine neue zweite Trasse, die direkt durch den Berg gehauen worden sei. Zur Inschrift s. außerdem Kissel 2002: 146. So z. B. CIL III 8267; s. auch CIL IX 5947; dazu Kissel 2002: 146. Zwar liegt hier anders als im vorigen Fall kein Dativus ethicus, sondern ein Ablativus absolutus vor, doch ist der Fluss Lykos im Gegensatz zu den Felsüberhängen hier nicht das direkte Ziel der Umgestaltungsmaßnahmen. Er fällt ihnen jedenfalls nicht „zum Opfer“ oder muss selbst den Arbeiten weichen. In früheren Jahrhunderten schien man in der Literatur noch nicht zwischen statischen und dynamischen Naturphänomenen unterschieden zu haben, so charakterisiert etwa Varro in seinen geographischen Ausführungen Flüsse ebenso wie Küsten und Gebirge häufig als wilde Tiere oder unbändige Lebewesen; zu den Flussbeschreibungen bei Varro, auch in Abgleich mit späteren lateinischen Autoren geographischer Werke, s. Sallmann 1971: 221–223.

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Synthese: Betrachtungen zur Environmental Coherence

Zeit Plutarchs im 2. nachchristlichen Jahrhundert die viel offensivere Ausdrucksweise des gewaltsamen „Zurückdrängens“ in Mode.63 Schon allein der Perspektivwechsel vom hier als passiv empfundenen, heilbringenden Nilwasser hin zum unkontrollierbaren Meerwasser und den Sturmwinden lässt sich möglicherweise auf eine veränderte Wahrnehmung von Naturkräften zurückführen, die sich seit Marc Aurel auf kaiserlichen Bauinschriften greifen lässt. Fluss- und Meerwasser wird darin eine überraschend selbstbewusste, geradezu aggressive Verhaltensweise gegenüber menschengemachten Strukturen wie Straßen und Brücken zugesprochen, wie dies für entsprechende Inschriften aus vorherigen Epochen nicht üblich war. Im Fall der Nilflut sind es freilich in erster Linie die Etesien-Winde, denen ein äußerst offensives Vorgehen gegenüber dem Flusswasser des Nils beschieden wird.64 Dies mag jedoch damit zusammenhängen, dass das Nilwasser grundsätzlich nutzbringend und daher positiv konnotiert war, während andere Naturgewalten, darunter Flutwasser aus anderen Flüssen und Sturzbächen, die über enorme Eigendynamik und Kraft verfügten, im Gegensatz dazu als störend und bedrohlich empfunden wurden. Vielleicht ist die Zurückhaltung auch damit zu erklären, dass es im fortgeschrittenen 2. und beginnenden 3. Jahrhundert generell weniger Neubauten gab, zumal nach dem Bauboom unter Hadrian womöglich keine dringende Notwendigkeit mehr für größere Bauprojekte bestand.65 Reparaturmaßnahmen boten da verhältnismäßig wenig Anlass zur überbordenden Selbstinszenierung. Dennoch wäre eine entsprechende Darstellung prinzipiell möglich gewesen und ist vor allem in späteren Zeiten auch wieder vermehrt zu finden.66 Vielmehr lassen sich vergleichbare Tendenzen auch in anderen

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Bonneau 1964: 153. Zu dieser sowie zu den alternativen Nilfluttheorien ausführlich weiter oben in Kapitel II.3.1. Horster 2001: 243 spricht in diesem Zusammenhang von einer „Sättigung an Gebäuden“, die sie am zahlenmäßigen Rückgang entsprechender Bauinschriften festmacht; dazu auch Bruun 2007: 214. So ist beispielsweise auf einer stark fragmentierten Straßenbauinschrift aus den hispanischen Pyrenäen, die vermutlich bereits ins späte 3. Jahrhundert datiert, wieder von uneingeschränkter Niederwerfung (perdominare) eines feindlichen Flusses (aversus flumen) durch die Anlage eines zusätzlich befestigten Straßenbelags die Rede; CIL II 4911 = AE 1957, 311 = AE 1960, 158 = AE 2007, 698. Es liegen konkurrierende Lesungen vor (dazu bereits weiter oben in Kapitel III.3.1 mit beiden Textversionen), aber die hier relevanten Passagen sind unproblematisch. Ähnlich militärisch lesen sich verschiedene Brückenbauinschriften, z. B. ILS 832, worin in Versform von Reparaturen am Ponte Salario über den Anio im Jahr 565 berichtet wird, durchgeführt unter dem Oströmer Narses, worin die Zähmung der ungestümen Wogen (rapidas undas) geschildert wird, dessen Ströme der Bauherr dort gelehrt habe, das harte Joch zu tragen (docuit durum flumina ferre iugum); dazu Kissel 2002: 149. Nicht zuletzt sind auch die Beschreibungen der justinianischen Wasserbauten durch Prokop eine panegyrische Darstellung der kaiserlichen Macht über den Menschen und die Naturgewalten, wozu insbesondere die Brücke über den Sangarios zu zählen ist (Prok. aed. 5,3,8–9); zu weiteren Quellen, die die Bewunderung der jeweiligen Betrachter beim Anblick des Sangarios-Brückenbaus ausdrücken s. in diesem Zusammenhang insbesondere Kissel 2002: 148 f. Außerdem CIL X 6850 = ILS 827 und CIL X 6851 = ILS 827 zu Drainagearbeiten an den offenbar wiedervernässten Pomptinischen Sümpfen; Cassiod. var. 2,32; 2,33; Fiebiger/Schmidt 1917:

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Quellen aus jener Zeit greifen, die Flüsse und Flusswasser zum Thema haben. So ist bereits anhand der Flussbreitendiskussion und der Alluvionsklage deutlich geworden, dass das Interesse an Flusshydrologie seitens der Feldmesser und Juristen beständig zunahm. Vielleicht ist damit auch zu erklären, warum selbst in Inschriftentexten aus jener Zeit vereinzelt sogar juristische Begrifflichkeiten verwendet wurden.67 Wasserläufen wurde mehr Raum zum Ausufern gewährt, was sich gut mit dem kaiserlichen Gestus der Wohltaten gegenüber Flüssen in Einklang bringen ließe. Da im Laufe des zweiten Jahrhunderts subseciva offenbar vermehrt als Überflutungsfläche freigelassen wurden und die neuen semantischen Nuancen in den besprochenen Bauinschriften etwa im selben Zeitrahmen aufkamen, könnten beide Entwicklungen miteinander in Zusammenhang stehen. Überhaupt scheint die Idee der Naturnachahmung immer mehr in den Vordergrund gerückt zu sein. Darin lässt sich möglicherweise ein bestimmtes stoisches Ideal greifen, das insbesondere zur Zeit Marc Aurels vorherrschend war.68 In seiner Regierungszeit, dem Zeitalter der Zweiten Sophistik, war die Philosophie zur Hauptquelle für rhetorische Werke geworden.69 Als Konsequenz dieser neuen Mode könnten sich gewisse Ideale aus der kaiserlichen Auffassung der Stoa auch in epigraphischen Texten

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98 f. Auffällig ist, dass hier explizit die Abgrenzung zu allen vorigen Kaisern gewagt wird, unter denen die Straße angeblich überschwemmt wurde (per omnes retro principes inundaverant), was die Gangbarkeit verschlechterte. Zur Formel super omnes principes, die erstmals für Marcus Aurelius auf Kaiserinschriften nachzuweisen ist und gehäuft unter Caracalla und den Tetrarchen auftritt, s. Scheithauer 1988: 156. Charakteristisch ist für spätere Bauinschriften zudem, dass in den einst entwässerten Landstrichen von Überschwemmungen durch Morast und Sümpfe statt allein durch Wasser die Rede ist; CIL V 7992 = ILS 5860 = AE 2007, 264; CIL V 7992a = AE 2007, 264; CIL X 6850 = ILS 827; CIL X 6851 = ILS 827; CIL X 6852 = ILS 827. Allerdings waren sumpfige Untergründe generell einer der Hauptgründe für die Beschädigung von Straßenbelägen; Zucca 1992: 615, Fn. 88. Auch dies ist, neben den Beobachtungen aus den geowissenschaftlichen Studien, ein Hinweis auf zunehmende Wiedervernässung trockengelegten Landes am Ausgang der Spätantike im beginnenden Mittelalter; zur Wiedervernässung der trockengelegten Ebenen um die abgesenkten Seen zu Beginn des Mittelalters s. Grewe 1998: 92 (Lacus Fucinus); Alvino/Leggio 1997: 98 (Lacus Velinus); Marinelli 2010: 23 und 49 Lacus Velinus). Im Mittelalter kommt schließlich gar der Topos der von Sümpfen verschlungenen Stadt auf; dazu Traina 1988: 101. So gesehen in CIL XII 107 = ILS 5868 = AE 1996, 981 = AE 2009, 803 (naturalis alveus); AE 1969/1970, 135 (vis fluminis); AE 1909, 9 (vis fluminis). Nach Auffassung von Horst 2013: 83 muss das von Kaiser Marcus Aurelius selbst in griechischer Sprache verfasste Werk Meditationes als Teil einer neu ausgerichteten οἰκείωσις-Theorie verstanden werden, die seinerzeit in Mode gekommen war. Diese Theorie beschreibt die Art und Weise, wie sich der Mensch in seiner Umwelt positionieren und sein eigenes Leben zu seiner Umwelt in Beziehung setzen kann. Grundsätzlich könne dies auf „egoistische“ oder auf „altruistische“ Weise geschehen (ebd.: 58). Die in den Meditationes vertretene Wahrnehmung der Natur lasse sich eher mit der altruistischen, die Natur nachahmenden Strömung der Stoa in Einklang bringen; z. B. M. Aur. 11,16,3. Hahn 2007: 403. Die antike Rhetorik war grundsätzlich von der Philosophie inspiriert und inhaltlich von ihr beeinflusst, doch erfreute sich die stoische Lehre zu Marc Aurels Zeiten zunehmender Beliebtheit, nicht zuletzt, weil sie vom Kaiser selbst vertreten und verbreitet wurde.

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niedergeschlagen haben, sofern es sich um Inschriften im Auftrag des Kaiserhauses handelte. Denkbar wären aber auch noch andere Zusammenhänge. Künstliche Flussregulierungen und Drainagen sowie dauerhafte Wasserentnahmen zur Wasserversorgung und Bewässerung könnten in der Zeit um 200 n. Chr. vielleicht durch erste Fehlleistungen der Technik überschattet worden sein oder auch durch langfristige Landschaftsveränderungen, die unbeabsichtigt aus den künstlichen Umgestaltungsmaßnahmen resultierten und möglicherweise neue Risiken schufen.70 Als Reaktion auf erste negative Erfahrungen mit Ausfällen der Hydrotechnik könnte sich auf sprachlicher Ebene eine entsprechende Zurückhaltung gegenüber der Gewalt unkontrollierten Wassers breitgemacht haben. Der veränderte Umgang mit Flüssen könnte also möglicherweise auf unbeabsichtigte Nebeneffekte des Technikgebrauchs zurückzuführen sein. Zudem bedarf Infrastruktur permanenter Pflege und Wartung, sodass nicht auszuschließen ist, dass eine Vernachlässigung der Instandhaltungsarbeiten mit der Zeit zu Verschlechterungen und gar zu Ausfällen der Hydrotechnik geführt hatte, zumal seit Marc Aurel ohnehin eine sukzessive Verschlechterung der Bedingungen im öffentlichen Bausektor auszumachen ist.71 So fielen in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts mehrere ungünstige Faktoren zusammen wie etwa die Pestwelle, die sich sukzessive von Osten nach Westen ausbreitete, oder die Kriegszüge, die das militärische Fachpersonal in Anspruch nahmen, welches in Friedenszeiten vorrangig mit dem Bau und der Pflege der öffentlichen Infrastruktur betraut war.72 Auch fehlende Gelder und eine mangelnde Bereitschaft seitens der Munizipaleliten, in die Wartung kostenintensiver Infrastrukturbauten zu investieren, könnten ein Rolle gespielt haben. 70

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Zur Schaffung neuer, unbeabsichtigter Risiken durch anthropogene Landschaftsveränderungen unter Einsatz verschiedener Technologien s. etwa Disco 2002: 207, der herausstellt, dass die anthropogene Veränderung der Landschaft durch landwirtschaftliche oder andere Tätigkeiten im Laufe der Geschichte immer schon ungewollte Nebeneffekte verursachte, mit denen sich die Betroffenen nach und nach zusätzlich auseinanderzusetzen hatten; vgl. Sonnabend 1999: 237; Reichholf 2018: 52–55. In seiner Studie mit dem provokanten Titel „Engineers don’t solve problems“ widmet sich Chahim 2018 dem Phänomen der mit zeitlicher Verzögerung eintretenden Technikfolgen am Beispiel der aktuellen und seit Jahrzehnten andauernden ingenieurstechnischen Bemühungen um die Entwässerung des Untergrunds von Mexiko-Stadt. Allgemein zum Phänomen der Technikfolgen s. Renn 2014. MacMullen 1959: 221. Zum römischen Militär als Hort bautechnisch ausgebildeten Personals s. O’Connor 1993: 42 f. Die Idee einer Krise des 3. Jahrhunderts n. Chr. wurde erstmals in Edward Gibbons’ Buch „The Decline and Fall of The Roman Empire“ diskutiert, veröffentlicht 1776. Darin projiziert der Autor eher die politische Situation des British Empire seiner eigenen Zeit auf das Römische Reich. Seither hat die altertumswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der sogenannten Krise des 3. Jahrhunderts eine schier unüberschaubare Zahl an Publikationen hervorgebracht. Für eine Nachzeichnung der wichtigsten Positionen und Entwicklungen dieser Forschungsdiskussion s. Liebeschuetz 2007; für neuere historisch-archäologische Untersuchungen s. den Sammelband von Martin Auer und Christoph Hinker (Auer/Hinker 2021); darin insbesondere die Synthese von Karl Strobel (Strobel 2021).

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Außerdem ist für den Zeitraum zwischen 150 und 250 n. Chr. eine partielle Klimaverschlechterung festzustellen, die sich nicht zuletzt in einer erhöhten hydrologischen Aktivität in bestimmten Regionen des Reichs äußerte.73 Diese Regionen sollten in künftigen Studien wohl gezielter daraufhin untersucht werden. Für den Alpenraum etwa, für den epigraphisch mehrere Straßenbauarbeiten im Nachgang an Flutereignisse bezeugt sind, scheint ein Zusammenhang zwischen Niederschlag, Flutereignissen und Infrastrukturmaßnahmen nicht abwegig. Im Rahmen einer geowissenschaftlichen Studie des Alpenraums ließ sich für die Zeit seit der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. eine erhöhte Niederschlagsrate in den Herbstmonaten ausmachen,74 die zu einer Häufung ausgeprägter Hochwasserereignisse im Gebirge führte, und die deshalb für eben jene epigraphisch nachweisbaren Straßenausbesserungsarbeiten in dem Zeitraum verantwortlich gemacht werden könnte.75 Eine zunehmende Anfälligkeit der Straßenbeläge gegenüber den sich häufenden Regen- und Flutereignissen in mehreren Regionen des Reichs könnte mittelfristig schließlich die Wahrnehmung der menschlichen Dominanz über die Natur verändert haben.76 Das schleichende Ende des sogenannten römischen Klimaoptimums könnte seinen Teil dazu beigetragen haben.77 Schließlich könnte aber auch die Expansion des Reichs dazu beigetragen haben, dass sich römische Wasserbauer und Landvermesser immer unbekannteren hydrologischen 73

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Arnaud 2011: 345 f. führt die Tatsache, dass Uferbefestigungen, Erosion und Flussverlagerungen in den Rechtstexten zunehmend mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde, auf die klimatische Situation in diesem Zeitraum zurück. Zur Klimaverschlechterung s. insbesondere Haas 2006, der herausarbeiten konnte, dass zumindest die klimatisch bedingten Veränderungen, die schließlich im 3. Jh. zu ernsthaften Schwierigkeiten führten, bereits in der Mitte des 2. Jh. ihren Ursprung hatten, sodass die krisenhaften Umstände der späteren Kaiserzeit nicht ausschließlich auf das 3. Jh. beschränkt betrachtet werden sollten; vgl. Sirocko 2010; Jongman 2007: 195 f. Wirth et al. 2013: 4027–4029 konnten einen Anstieg der Herbsthochwasser in der südlichen Alpenregion feststellen, die bereits gegen Mitte des 2. Jh. n. Chr. einsetzte und ihren Höhepunkt kurz nach 200 n. Chr. erreichte. Auf dem pluviometrischen Diagramm für die Südseite der Alpen, das die vergangenen 2000 Jahre abdeckt (ebd.: 4028), sind insgesamt fünf nachweislich besonders intensive Hochwasserereignisse („most intense events“) markiert, wovon eines auf die Zeit kurz nach 200 n. Chr. datiert werden konnte. Ebenfalls macht bereits Heide 1997: 134 f. auf ein deutlich verschlechtertes Klima im Alpenraum für die zweite Hälfte des 2. Jh. n. Chr. aufmerksam, was sich dort z. B. in Form eines verringerten Baumwachstums äußerte. Ein solcher Zusammenhang wurde bereits von Haas 2006: 136 f. angenommen. Beginnend gegen Mitte des 2. Jh. n. Chr. konnte er eine Häufung der Straßenreparaturen im alpinen Raum feststellen, die bis gut ins 3. Jh. hinein andauerte. Eine ganze Reihe von Meilensteinen dokumentiert wiederholte Reparaturen der Straßenbeläge und Straßenbrücken, die jeweils direkt von den Kaisern ausgingen; dazu s. Walser 1986: 39 f.; Walser 1983. Aus diesem Grund nimmt Haas an, dass eine erhöhte Flussaktivität die häufigen Reparaturarbeiten in der Periode nötig gemacht hatte. Möglicherweise ist in den ähnlich lautenden Straßen- und Brückenbauinschriften aus Mittelitalien und Numidien, die wiederholt die Formeln vi torrentium bzw. vi fluminis und Ähnliches als Ursache für die Bauschäden angeben, letztlich auch eine Resignation gegenüber den beständig neu anfallenden Schäden auszumachen. Sie hat jedoch nicht ausschließlich mit einer Klimaverschlechterung zu tun, sondern ist wohl zumindest in Nordafrika durch die dort ohnehin schwierigeren hydrologischen Verhältnisse bedingt. Dazu weiter oben in Kapitel I.4.

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Regimen gegenübersahen, bei denen sie an die Grenzen ihrer erprobten Fähigkeiten stießen und zunehmend mit Fehleinschätzungen und Rückschlägen zu kämpfen hatten. IV.1.2 Lokales Wissen, fehlendes Erfahrungswissen und Wissen aus Mythen Das einst für den mittelitalischen Fluss Pisaurus vereinbarte Ausmaß sollte, wie Agennius Urbicus berichtet, fortan dem des höchsten üblichen Wasserstandes entsprechen.78 Obgleich nicht explizit im Text erwähnt, verweist diese Information doch auf die praktische Verwendung lokalen Wissens der Anlieger. Ein eigens zum Zweck der Flussbreitenmessung in die Gegend beorderter Feldmesser wird kaum über Wissen um spezifische lokale Gegebenheiten verfügt haben. Er muss sich die nötige Information vor Ort von den Anliegern eingeholt haben, so wie es etwa in den Digesten von Ulpian gefordert wird.79 Dies zeigt zweierlei Dinge. Erstens zeugt es von einer gewissen Wertschätzung des Erfahrungswissens der ortsansässigen Bevölkerung, welches also in die Praktiken der öffentlichen Raumaufteilung einfloss. Aus tetrarchischer Zeit ist für Grenzfestlegungen in Ägypten auch über Papyrustexte bezeugt, dass Feldmesser bei ihrer Arbeit von mehreren offiziellen Amtsträgern als Repräsentanten verschiedener administrativer Ebenen begleitet wurden.80 Die Vertreter der örtlichen Gemeinden konnten bei der Gelegenheit sicherlich zu lokalem Wissen und sonstigen örtlichen Verfahrensweisen befragt werden. Es bleibt zu vermuten, dass schon in vortetrarchischer Zeit unter ähnlichen Voraussetzungen Geländebegehungen und Grenzfestlegungen durchgeführt wurden.81 Zweitens zeugt das Beispiel des Pisaurus von der Einsicht, sich bei hydrologischen Fragen möglichst an lokal-regionalen Gegebenheiten und Wissensbeständen zu orientieren. Mit auffallender Vehemenz wird allein im Feldmesserkorpus immer wieder betont, dass beim Arbeitseinsatz im Gelände nicht nur die örtlichen topographischen und klimatischen Gegebenheiten zu beachten sind, sondern ebenso selbstverständlich lokalen Praktiken und Regeln Folge zu leisten ist.82

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Agennius Urbicus, C 40,31–32 = L 84,8–10 = T 44,22–23. Dig. 43,12,1,1 (Ulpianus). Esders 2013: 183. Die Grenzfestlegung und die Vermittlung in Streitfällen vor Ort lag zwar beim Vermessungspersonal, das nach Autopsie eine Rechtsempfehlung auszusprechen hatte (Commentum, C 74,4–14 = L 25,34–26,25 = T 70,19–34), doch wird die Geländebegehung immer im Beisein der Streitparteien und vermutlich weiterer Zeugen stattgefunden haben. So vermutet Esders 2013: 184, dass das Modell der iuratores, die bei der Begehung als Ratsmitglieder der betroffenen ortsansässigen Gemeinden zugegen waren, im spätantiken ägyptischen Vermessungswesen lediglich aus den westlichen Provinzen übernommen worden sein könnte, wo man iuratores vermutlich schon längere Zeit bei Grenzziehungen eingesetzt habe. Allein die lateinische Bezeichnung für das Amt lege eine Implementierung aus dem lateinischsprachigen Westen des Reichs nahe. Dazu z. B. Siculus Flaccus, C 106,6–7 = L 139,9–10 = T 103,9–10: Maxime autem intuendae erunt consuetudines regionum, et ex vicinis exempla sumenda. – „Am meisten aber werden die regionalen

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Erfahrungswissen, sowohl das eigene als auch das der ortsansässigen Bevölkerung, diente demnach als Grundlage für das Ausüben der Vermessungstätigkeit.83 Dass dies jedoch nicht von Anfang an galt, sondern das Ergebnis eines längeren Lernprozesses war, konnte am Beispiel des Ana ebenso wie etwa für die Dämme im Wadi Megenin gezeigt werden. Das Fallbeispiel der Bewässerungsdämme im Wadi Megenin84 hat, ähnlich wie auch die beständig anfallenden Reparaturarbeiten an der Via Nova offengelegt, dass die ungewohnten hydrologischen Verhältnisse vor Ort die römischen Amtsträger vor besondere Herausforderungen stellten. Anders als etwa die auffallend regelmäßig fließenden, nicht sehr flutanfälligen Flüsse an der Atlantikküste Iberiens85 warteten die gefluteten Torrententäler in Nordafrika mit Eigentümlichkeiten auf, auf die die Gromatiker in ihren Schriften deshalb in verschiedenen Zusammenhängen eigens hinwiesen.86 Offenbar schien es den Autoren aus gegebenem Anlass ratsam, darauf gesondert aufmerksam zu machen. Jedenfalls waren nicht nur falsch deklarierte Latifundiengrenzen ein Ärgernis und sicher mit erheblichem Nachbearbeitungsaufwand verbunden, sondern waren Baumaßnahmen in Nordafrika an wichtigen Überlandstraßen oder komplexen Dammsystemen auch mit enormen Mehrkosten verknüpft. Vielleicht war es in Nordafrika, aber auch in anderen hydrologisch schwierigen Gebieten, vermehrt zu Fehlkalkulationen und Streitigkeiten gekommen, weil die römischen Infrastrukturbauten oder mehr noch die römische Bodenordnung mittelfristig mit der natürlichen Flussdynamik vor Ort kollidierten. So lässt sich an den Dämmen im Wadi Megenin aufzeigen, dass die römischen Bautechniken und Baumaterialien außerhalb ihres gewohnten Kontexts eingesetzt nicht mehr griffen, sondern im Gegenteil Folgeschäden verursachten, die mit lokal längst bewährten Technologien vermutlich vermeidbar gewesen wären. Die fehlende Environmental Coherence kam den offiziell Verantwortlichen teuer zu stehen und zog einen langwierigen Prozess der Reparatur und Korrektur nach sich.87

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Gepflogenheiten zu beachten sein, so wie es sich am Vorbild der Ortsansässigen zu orientieren gilt.“; s. auch Iulius Frontinus, C 12,16–22 = L 32,7–15 = T 16,5–14 zur Unterschiedlichkeit der topographischen und klimatischen Verhältnisse; Hyginus 1, C 90,10–12 = L 123,11–15 = T 86,12–16 zu unterschiedlichen, in den Provinzen gebräuchlichen Maßeinheiten neben den römischen; Hyginus 1, C 92,24–25 = L 127,4–5 = T 90,5–6 zu regionalen Eigenheiten und Unterschiedlichkeiten bei der Markierung von Grundstücksgrenzen; Hyginus 1, C 94,25–27 = L 129,8–11 = T 92,13–16 mit einer Ermahnung an praktizierende Feldmesser, sich bei der Arbeit vor Ort immer an den Praktiken der ortsansässigen Bevölkerung und an den lokalen Bräuchen zu orientieren. Campbell 2005: 331; Dilke 1971: 65. Vita-Finzi/Brogan 1965; Schnitter 1994: 71 f. So die vorteilhafte Charakterisierung bei Iust. 44,1,7; Strab. 3,3,4 C 153. Agennius Urbicus, C 34,19–25 = L 78,4–12 = T 38,3–11; C 46,4–7 = L 88,24–28 = T 49,3–8. Shaw 1984: 151–155. Der zweite Damm, der bereits einen durch Wadihochwasser unbrauchbar gewordenen Damm ersetzen sollte, konnte seinerseits den heftigen Hochwassern nicht lange standhalten. Noch in römischer Zeit schlug eine Flut eine breite Bresche mitten in den Damm; s. Vita-Finzi/Brogan 1965: 68.

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Derart aufwendige Korrekturen künftig zu vermeiden, musste nicht zuletzt im Interesse des Staats liegen. Vielleicht findet sich deshalb gerade in den Schriften der Juristen und Feldmesser fortlaufend der Verweis auf lokal verankerte Praktiken, denen – sicher zunächst im Gegensatz zum imperialen Herrschaftsgedanken – Beachtung geschenkt werden sollte. So verbirgt sich hinter den vehement geäußerten Hinweisen der Gromatiker wahrscheinlich ein längerer schmerzhafter Lernprozess, der mit der Expansion des Reichs wohl oder übel einherging. Schließlich weist auch die im Nachhinein bestimmte Flussbreite für den Ana auf Bitten betroffener Landbesitzer darauf hin, dass bei der Anlage der Kolonie Augusta Emerita und der Zenturiation ihres Territoriums noch nicht genügend auf die hydrologischen Gegebenheiten des Flusssystems geachtet worden war, weil diese zum Zeitpunkt der Koloniegründung wahrscheinlich noch nicht bekannt waren. Allerdings lassen die literarischen Verweise auf lokale Praktiken zugleich auf eine zunehmende Vereinheitlichung und reichsweite Diffusion gewisser feststehender Wissensbestände schließen.88 Auf ganz andere Weise lässt sich lokal verankertes Erfahrungswissen über örtliche Naturphänomene und das richtige Verhalten ihnen gegenüber in Mythen greifen. Zur Anpassung an Hochwasserrisiken gehört auch das implizite Erinnern und Einüben bestimmter rettender Verhaltensmaßnahmen. In vielen Sintflutmythen, die auch in Rom kursierten, spielt beispielsweise ein einzelner hoher Berg eine entscheidende Rolle für die überlebenden Flutheroen. Nur der Gipfel des höchsten Berges soll nach den Regenfällen noch aus dem Wasser geragt haben, sodass er als einzig möglicher Anlandeplatz des oder der Überlebenden galt.89 Die Identität des Berges ist dabei variabel, jedoch häufig auf einen realen Berg oder ein Gebirge in einer real existierenden Landschaft bezogen. Am häufigsten werden das Tempetal in Thessalien sowie die beiden Berge Parnassos und Helikon in den griechischen Landschaften Phokis und Boiotien genannt, wobei es sich dabei strenggenommen um zwei ganze Bergmassive handelt. Dank der vielen Varianten von Sinflutmythen, denen diese Landschaften als Schauplatz dienten, galten ihre Namen bald als Sinnbild für Überschwemmungsgebiete, ohne dass eine nähere Erläuterung nötig gewesen wäre.90 In vielen Fällen bleibt der Berg jedoch anonym. Seine Eigenschaft als höchste und einzige Erhebung aus den Wassermassen kommt dabei den Erretteten zugute. Das 88 89 90

Vgl. König/Whitmarsh 2007: 12: „The concept of the local only becomes operative when globalization is already at work.“ Allgemeine Überlegungen zur Diffusion von Innovationen finden sich bei Dreher 2013. Ov. met. 1,316 f.; Manil. 4,831–833; Lucan. 5,75–76; Hygin. fab. 153,1; Paus. 1,40,1; 10,6,1; Apollod. 1,47; Isid. orig. 13,22,2–4; Nonn. Dion. 3,207; Hor. carm. 1,2,7–8; Hom. Il. 20,215–218. So bezeichnet Cicero im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit rund um die Entwässerung des Lacus Velinus das Becken von Reate unkommentiert als Tempe bzw. Tempetal der Reatiner (sua Tempe); Cic. Att. 4,15,5. Zum Phänomen der realen, aus Mythen bekannten Orte, die zu „mnemotechnischen Topoi“ werden, s. Assmann 2018: 314.

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Motiv, dass sich die einzigen Überlebenden auf Berge flüchten, ist dabei sicherlich eine Anleihe aus realen Flutereignissen, bei denen sich die Talbevölkerung auf höheres Gelände zurückzog. So schildert Ovid, dass bei der Sintflut zu Zeiten des Deukalion sich viele zunächst auf Anhöhen und Hügel gerettet hätten und, statt direkt zu ertrinken, erst nach tagelangem Hungern verendet seien.91 Auch dies erinnert an reale Situationen, wie sie in der antiken Historiographie beschrieben werden. Oft wurden Menschen in ihren Häusern vom Hochwasser überrascht und von der Außenwelt abgeschnitten. Bei länger andauernder Flut wurden dann die Lebensmittel knapp, sodass Hungersnöte ausbrachen.92 Bei Platon sind es wiederum keine konkret benannten Flutheroen, sondern vielmehr Hirten, die sich beim Einsetzen der Sintflut auf den Bergen bei ihren Herden aufgehalten hatten und aus diesem Grund dem Tod durch Ertrinken entgingen.93 Schließlich sind auch hieraus reale Begebenheiten abzuleiten. Weitere Details aus den Sintflutmythen legen ebenfalls Verbindungen zu eingeübten Verhaltensmustern aus der Zeit vor, während und nach echten Flutereignissen nahe. Die aufgeblasenen Tierfelle aus der Dardanos-Sage könnten möglicherweise auf einfache Schwimmhilfen und Fortbewegungsmittel hindeuten.94 Doch besonders ein bekanntes Detail aus dem Mythos zu Deukalion und Pyrrha, die auf Beschluss der Götter als einziges Paar die Sintflut überlebten, könnte einfache Hochwasserschutzmaßnahmen zum Vorbild gehabt haben, genauer gesagt die Aufforderung, Steine hinter sich zu werfen.95 Durch das Aufschütten von Steinen und Geröll wurde zwangsläufig das Bodenniveau erhöht, wodurch wiederum ein flutsicherer Bauplatz für eine neue Siedlung geschaffen wurde. Obgleich dies äußerst vage bleibt, könnte es sich bei der Steinaufschüttung um eine Reminiszenz an tatsächlich durchgeführte Baugrunderhöhungen nach einem verheerenden Flutereignis handeln, um die Fortexistenz der Überlebenden – gleichsam des neuen Menschengeschlechts – zu sichern.96 Was die Aufrechterhaltung eines rudimentären Risikobewusstseins angeht, ist anzunehmen, dass etwa der Deukalion-Mythos als Theaterstück oder sonstiges gemeinsam begangenes Jahresfest in ritualisierter Form aufgeführt wurde.97 Außerdem wird beispielsweise berichtet, dass die Samothraker nach dem Rückgang der Flut Grenzsteine 91 92 93 94

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Ov. met. 1,311–312. Tac. hist. 1,86,2; Amm. 29,6,18. Plat. leg. 677 a-b; Plat. Tim. 22d. Lykoph. Alex. 74–75; s. Caduff 1986: 39–43. Zu luftgefüllten Schwimmhilfen, z. B. aus Tierhäuten, s. etwa Caes. civ. 1,48. Auf einem assyrischen Relief aus Khorsabad ist beispielsweise ein Soldat mit aufgeblasenem Schwimmschlauch bei einer Flussüberquerung dargestellt; dazu ausführlich Rollinger 2013. Ov. met. 1,411–413; Lukian. salt. 39; Hyg. fab. 153,2–3; Apollod. 1,48. In der Kopaïs – und somit in der Nähe des Schauplatzes des Deukalion-Mythos um Helikon und Parnass – galten Aufschüttungen größerer Steine tatsächlich als archäologisches Indiz für ihren künstlichen Ursprung, da an ihrem Fundort am östlichen Beckenrand sonst nur feinkörnige Seeablagerungen natürlicherweise vorkommen; Knauss 1985: 45. Vgl. Lukian. salt. 39.

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aufgestellt und Altäre geweiht hätten, die exakt an der Stelle errichtet worden seien, an denen das Flutwasser seinerzeit haltgemacht habe.98 Demnach fungierten die Altäre nicht nur als Opferplätze, sondern markierten zugleich die Ausmaße der schwersten Flut, die sich als Sintflut in das kulturelle Gedächtnis der Lokalbevölkerung eingeschrieben hatte. Die Altäre könnten also durchaus als Markierung für den Beginn der hochwassersicheren Zonen auf den Anhöhen verstanden werden. Die Dankesopfer, die fortan regelmäßig in Gedenken an das schlimme Flutereignis an ihnen dargebracht wurden, werden den Ortsansässigen dabei geholfen haben, sich dauerhaft an die Ausmaße der Flut zu erinnern, zumal die Funktion der Altäre dadurch nicht so schnell in Vergessenheit geraten konnte.99 Entweder aus eigener Erfahrung oder aus der Erfahrung anderer ordnet Aristoteles die Sintflut seinerseits eher bestimmten Landschaftstypen als konkreten Weltgegenden zu, indem er explizit mäandrierende Flüsse als Ausgangspunkt der Flut nennt.100 Dies ist insofern wenig verwunderlich, als er mit seinem Werk zur Meteorologie ohnehin anstrebt, Naturbeobachtungen zu systematisieren und zu verallgemeinern.101 Die Erfahrung schlimmer Flusshochwasser an dicht besiedelten und kultivierten Mittelund Unterläufen von nicht oder kaum regulierten Flüssen geht in jedem Fall aus seiner Aussage hervor. So scheinen Sintfluterzählungen abschließend und allgemein betrachtet unter anderem die Funktion erfüllt zu haben, die kollektive Erinnerung an schwere, real vorgefallene Überschwemmungen aufrechtzuerhalten, das Wissen über deren Entstehung und Auswirkungen weiterzugeben sowie über einfache Schutzmaßnahmen zu informieren.102 Auf diese Weise scheint ein gewisses Risikobewusstsein in gemeinsamen Flutmythen transportiert worden zu sein, auch wenn dies sicherlich nicht die primäre Funktion der Mythen war. Als Erzählung und Theaterstück wurde das Fluterlebnis regelmäßig reproduziert, sodass es möglicherweise auch als Schulung für all jene dienen konnte, die die letzte schlimme Überschwemmung selbst gar nicht miterlebt hatten.103 98 99

Diod. 5,47,2–5. Über die kultische Vergegenwärtigung des vergangenen Ereignisses und die Verknüpfung mit einem realen Ort wurde das Fluterlebnis gleichsam verstetigt, losgelöst von der verhältnismäßig kurzen Erinnerungsphase einzelner Individuen; Assmann 2018: 299; Leary 2015: 79. 100 Aristot. meteor. 352a-b. 101 Kullmann 2014: 61–73. 102 Dazu s. Assmann 2006: 39 f.; Leary 2015: 79 f.: „Informal knowledge systems, such as storytelling, myth, folklore, ceremonies, music and artistic representations, provide a highly effective way of encoding environmental information and transferring knowledge of appropriate responses over long periods of time. This can include information about how to deal with, and what to expect from, the changing coastline, as well as ways of expressing human emotions to the loss of land; or even ways of keeping destructive, and perhaps tragic, events alive in people’s minds. They can also act as a creative cue for thought about future decisions. In this way, experience of the realities of environmental change becomes built into social life and forms part of a worldview.“ 103 In diesem Zusammenhang spricht Leary 2015: 79 auch von der Möglichkeit zur „intergenerational communication“.

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Zugleich wurde über die gemeinschaftliche Beschäftigung mit dem Mythos das dadurch im Gedächtnis bewahrte Ereignis gleichsam in einen zeitlosen Zustand überführt und somit von seiner einmaligen Kontingenz befreit.104 In Rom etwa wurde der Festzug der Lupercalia, der die Via Sacra hinaufführte, damit erklärt, dass bei Hochwasser auch die früheren Talbewohner auf die Hügel gestiegen seien.105 Überhaupt lässt bereits der Gründungsmythos Roms, der mit einer Tiberüberschwemmung beginnt, eine enge Verbundenheit und Identifikation der Stadtrömer mit ihrer sumpfigen Heimat erahnen.106 Jedenfalls haben Naturbeobachtungen vielerorts zur Entstehung von lokal verankerten Mythenstoffen und Kulten beigetragen.107 Daher können Mythen und darin eingebettete Kulte, die als Aition für regionale oder lokale Naturphänomene fungierten, zugleich als Symptom einer Environmental Coherence der ortsansässigen Bevölkerung gedeutet werden, die die Eigenheiten ihrer Umwelt im Laufe der Zeit immer besser kennengelernt und sich kulturell zu eigen gemacht hatte. IV.1.3 Manifestationen kalkulierten Risikos und Technologietransfer Die Anfänge der römischen Kultur lagen im Mittelmeerraum und von dort erhielt sie ihre tiefste Prägung. Auch wenn das Römische Reich besonders zur Zeit seiner maximalen Ausdehnung ein weitaus größeres Gebiet umfasste, blieb seine Kultur im Kern doch immer eine mediterrane,108 was sich nicht zuletzt an ihrem technologischen Umgang mit Flüssen und Flusshochwasser zeigt. Trotz wiederholter Ermahnungen im Corpus Agrimensorum Romanorum, sich an lokalen Bräuchen zu orientieren, blieben manche technologischen Grundsätze so tief im Denken und Handeln der historischen Akteure verankert, dass selbst das Kennenlernen neuer Technologien und Konzepte die gewohnten Praktiken nicht abzulösen vermochte. Dies wird beispielsweise in der Vernachlässigung der Pegelmessung deutlich, die auch nach der politischen Eingliederung Ägyptens ins Reich weiterhin fortbestand. Freilich wurde am Nil die traditionsträchtige Technik der Pegelmessung, die bereits in pharaonischen Zeiten ihren Ursprung hatte, auch unter den Römern fortgeführt und das Netz von Messstationen gar noch weiter ausgebaut. Allerdings gab es keinerlei Bestrebungen, das Prinzip der Wasserhöhenbestimmung auch auf andere Flüsse zu übertragen. 104 Zur kulturellen Vorprägung in Bezug auf Fragen zur Lebensführung und zum alltäglichen Handeln, die in Form von Mythen vermittelt wird, s. Assmann 2000: 190–196; vgl. Assmann 2018: 299; Leary 2015: 79. 105 Aug. civ. 18,12. 106 Liv. 1,4,4–5; Plut. Rom. 3,4. 107 Vgl. etwa Thonemann 2011: 96–98 zur Entstehung von Mythen und nachantiken Sagen am Mäander auf Grundlage von geologischen und anderweitigen Naturbeobachtungen; generell zu Mythen als naturkundliche Aitiai s. auch Sonnabend 1999: 91–94. 108 Vgl. Hughes 1994: 8 f.

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Lediglich aus Rom ist ein Inschriftenfragment von einem ehemaligen Brückenkopf (Pons Aurelius?) bekannt, an dem möglicherweise der Tiberpegel abgelesen werden konnte.109 Dabei handelt es sich um eine invers angeordnete Zahlenreihung mit Linien in der Vertikalen im Abstand von je einem römischen Fuß, wobei allerdings nur noch die Marken VI und VII erhalten sind. Darunter ist eine treppenförmige, s-ähnliche Markierung angebracht, deren Bedeutung unbekannt ist. Es wurde verschiedentlich gemutmaßt, dass es sich um eine Art Frühwarnsystem gehandelt haben könnte, anhand dessen eine drohende Flut habe abgelesen werden können.110 Die Anordnung der Zahlen in umgekehrter Reihenfolge (VI befindet sich auf dem Fragment über VII) suggeriere zudem ein Herunterzählen bis zum Erreichen eines festgelegten Höchststands.111 Von diesem Einzelfund ausgehend nimmt der Autor der Erstpublikation gegen Ende des 19. Jahrhunderts außerdem an, dass es sich um ein Hydrometer zur Bestimmung normierter Tiberpegel handele und es also auch an anderen Stellen entlang des Tiberufers ähnliche Messvorrichtungen gegeben habe müsse, ebenso wie an anderen Brücken im Reich.112 Als Vorbild sieht Domenico Marchetti die ägyptischen Nilometer an, sodass der Fund in seinen Augen vor allem von der großen Bereitschaft der Römer zeuge, Neues zu imitieren und sich prompt selbst zunutze zu machen.113 Allerdings ist bei derart weitereichenden Interpretationen äußerste Vorsicht geboten, zumal der Fund in Le Galls Worten lediglich „une trouvaille singulière“ darstellt und sich daher kaum dafür eignet, handfeste Überlegungen zur Existenz von antiken Messreihen des Tiberpegels anzustellen.114 Auch wenn eine solche Funktion des Fundstücks nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, ist es doch ebenso möglich, dass es sich eher um ein Schaustück zur öffentlichen Belustigung in Anspielung auf die ägyptischen Nilometer handelte und keinen wirklich praktischen Nutzen verfolgte. Schon Marchetti zeigt sich verwundert über die hydrographisch wenig geeignete Stelle seiner Anbringung, da gerade dort heftige Wasserbewegungen ein Ablesen erschwert haben müssen.115 Auch die exponierte und gut sichtbare Lage am Brückenkopf116 spricht letztlich eher für eine 109 Marchetti 1892. 110 Wilson 2013: 270; Marchetti 1892: 143. 111 Marchetti 1892: 143 f. Am Mundloch des Fluttunnels im syrischen Seleukeia Pieria waren dahingegen keine Zahlenangaben an der eingeritzten Linie angebracht. Lediglich das ebenfalls in den Felsen gehauene Auge deutet auf eine Funktion als Wasserstandsanzeiger zur Warnung vor dem Überlaufen; dazu s. Grewe 1998: 114 mit Fn. 225 für weitere vergleichbare Beispiele aus römischer Zeit. Hätte es systematische Pegelmessungen an Gewässern gegeben, wären an den entsprechenden Stellen Zahlenangaben zu erwarten gewesen, die jedoch fehlen. 112 Marchetti 1892: 145; auf den Tiber beschränkt s. Wilson 2013: 270; Aldrete 2007: 81 f. Zu den technischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines Nullpunkts als Ausgang für die Höhenmessungen äußert sich freilich keiner der Autoren. Bei den Nilometerbrunnen entsprach der Nullpunkt dem des Grundwasserspiegels zum Gründungszeitpunkt; dazu s. Bonneau 1993: 183. 113 Marchetti 1892: 142 und 145; vgl. Aldrete 2007: 81. 114 Le Gall 1953: 296. 115 Marchetti 1892: 143. 116 Marchetti 1892: 141.

Äußerungen des Risikobewusstseins

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Funktion als öffentliches Schaustück, das vielleicht die kulturelle und politische Verbundenheit Roms mit Ägypten demonstrieren sollte, wobei sich diese Funktion ebenso wenig belegen lässt. Fest steht jedenfalls, dass in den Schriftquellen und insbesondere in den Texten der Gromatiker und Juristen, die sich mit Fragen der Flussverwaltung und -messung beschäftigen, keine Pegelbestimmungen thematisiert werden. Nur die Bemerkung Cassius Dios darüber, dass das neu ins Leben gerufene Fünfmannkollegium der curatores riparum et alvei Tiberis die moderate Wasserführung des Tibers beaufsichtigen sollte, könnte in Richtung einer Überwachung des Pegelstands hinweisen.117 Wie dies allerdings praktisch durchgeführt worden sein soll, darüber verliert der Autor kein Wort, wohl aber zeugen die cippi entlang des Flussufers davon, dass eben jene Kuratoren durchaus für das Abstecken der Flussgrenzen Sorge trugen.118 So blieb die römische Landvermessung vielmehr der Festlegung des modus fluminis, später der latitudo, treu, was sich nicht zuletzt in der Lobrede des Plinius auf Trajan offenbart: Statt vom Pegel ist selbst beim Nil von alveus und modus fluminis die Rede, als auf das Ausbleiben der Nilflut angespielt wird.119 Zwar dienten letztlich beide Methoden der Flussvermessung in erster Linie fiskalischen Zwecken, doch erfüllten sie diese Zwecke auf unterschiedliche Weise, zumal außerhalb von Ägypten eine exakte Vorhersage der Fluthöhe zur Bestimmung der erwartbaren Ernteerträge für die Besteuerung keine Rolle spielte. Andernorts galten andere Schlüssel zur Steuerfestlegung.120 In der kulturellen Verortung der beiden Messmethoden offenbart sich einmal mehr die Environmental Coherence der historischen Gesellschaften, in deren Mitte sich die Methoden jeweils herausbildet hatten. Waren am Nil die enorm hohen Hochwasserstände, die zudem wochenlang anhielten, das prägende Charakteristikum des Flusses, fiel am Großteil der anderen Flüsse in der mediterranen Kernzone des Römischen Reichs wohl eher die variierende Breite im Jahresverlauf ins Gewicht. Die Breitenunterschiede fielen dem antiken Betrachter vermutlich weitaus deutlicher ins Auge als die Veränderung des Pegels. Zudem konnten amphibische Territorien wie sumpfige Weiden und Flussauen als typische Charakteristika naturnaher Flüsse am ehesten mittels der Grenzbestimmung ihrer Ufer geodätisch erfasst und juristisch fassbar gemacht werden, womit erklärt werden könnte, warum die Flussbreitenmessung und Flussbreitenfestlegung in den Schriften der Feldmesser und Juristen solch großen Raum

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Cass. Dio 57,14,8. Möglicherweise kam unter den Antoninen gar die Aufsicht über Fluttore an den Hafenkanälen in Portus dazu, deren Existenz allerdings nicht gesichert ist, sondern lediglich aufgrund von Sedimentuntersuchungen neuerdings vermutet wird; Lisé-Pronovost et al. 2019. Falls solche Tore tatsächlich vorhanden gewesen sein sollten, muss ihre Steuerung freilich noch zusätzliche Kontrolle über den Flusspegel gewährleistet haben; ebd.: 91. 119 Plin. paneg. 31,4; dazu ausführlich in Kapitel III.1.1c. 120 Jördens 2009: 96.

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einnahm.121 Und insbesondere da, wo öffentliche Wasserläufe in manchen Jahren zum Trockenfallen neigten, war es je nach Rechtslage wichtig, entweder das übliche Flussbett oder aber die flutbaren Uferbereiche dauerhaft zu markieren. Der Nil als diarrheischer Fluss (‚Fremdlingsfluss‘) war hingegen einem völlig anderen Jahreszyklus und Fließverhalten unterworfen. Zwar war die Kunst der Landvermessung auch an den Ufern des Nils aufgrund der beständigen Erosion unabdingbar, doch war dort hinsichtlich des Flutgeschehens die Höhe des Wasserstands fiskalisch die dominierende Größe. Um Ernteeinbußen und Rechtsklagen zu vermeiden, wurde zunächst an einigen ausgewählten Flüssen im Reich ein zusätzliches Areal (subseciva) zur Überflutung ausgewiesen, das außerhalb der vereinbarten Flussbreiten lag. Wahrscheinlich wurde mit der Zeit immer offenbarer, dass es aufgrund der großen Dynamik der natürlichen Flussläufe auch an anderen Flüssen grundsätzlich vorteilhaft sein konnte, einen großzügig bemessenen Bewegungsraum für Schwemmerde und Wasser – und somit für die andauernden Mäanderbewegungen – auszuweisen. Dadurch wurde dem Verwaltungspersonal die Revision bestehender Kataster erspart, die mit großem Aufwand verbunden war. Ähnliche Tendenzen ließen sich schließlich auch im Umgang mit Schwemmland in Flussdeltas feststellen, dessen Rechtsstatus etwa im Delta des Mäanders immer wieder pauschal durch den Kaiser in den Status von Gemeindeland überführt wurde, ohne es vorher vermessen und in ein Kataster aufgenommen zu haben. Im Grunde lagerte Rom dadurch den rechtsverbindlichen Akt des Bodenerfassens und den damit verbundenen Aufwand auf einzelne Gemeinden aus, die dann selbstbestimmt über das Neuland verfügen konnten. Insgesamt lässt sich an der funktionalen Erweiterung der Flussbreitenbestimmung ablesen, dass altbekannte Praktiken auch auf neue Kontexte angewendet wurden. So war die Ausweisung von subseciva ein verbreitetes Mittel in der Landvermessung, das offenbar zunehmend entlang von Flussufern eingesetzt wurde, die zum Überfluten und Verlagern ihrer Betten neigten. Was den konkreten Prozess des Anlegens von Subsekanten angeht, spielte wohl nicht zuletzt auch die zu diesem Zweck verfügbare Technologie eine entscheidende Rolle. Die groma als gängiges Messgerät der nach ihr benannten Gromatiker war ideal beschaffen für das Visieren von geraden Linien und rechten Winkeln im Feld.122 Die Anlage von regulären Zenturiationsnetzen war mithilfe der groma daher problemlos möglich. Topo121

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Für die juristischen Definitionen von Flussbett (alveus) und Ufer (ripa) s. weiter oben Kapitel III.1.1; außerdem insbesondere Dig. 43,12; 43,13; 43,14; Campbell 2009; Arnaud 2011. Zur geodätischen Technik der Flussbreitenmessung s. Iunius Nipsus (Text bei Bouma 1993); in kurzer Erwähnung auch bei Balbus, C 204,23–25 = L 92,16–93,1; für Diskussionen der Festlegung von Flussbreiten im Corpus Agrimensorum Romanorum s. außerdem Hermon 2013; Castillo Pascual 2012; Campbell 2010. Für Ausführungen über das Aussehen und die mögliche Funktionsweise sowie für antike Darstellungen und archäologische Funde zur groma s. Heimberg 1977: 12–15; Lewis 2001: 120–133; Opdenberg 2007; Grewe 2009; Schulzki 1998 mit weiterführender Literatur.

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graphische Störungen, die etwa in Form von Wasserläufen und Sümpfen innerhalb dieses Netzes zu Tage traten, wurden deshalb ebenfalls mithilfe von geraden Linien – Subsekanten – vom restlichen intakten Vermessungsnetz abgetrennt. Dazu musste demnach nicht einmal das Vermessungsinstrument gewechselt werden. Dies erleichterte sicherlich die Arbeit des Gromatikers vor Ort und erforderte zudem keine Einweisung in ein weiteres Spezialinstrument. Mit demselben altbekannten Gerät konnten auch solcherlei Arbeiten im Zuge einer limitatio mitverrichtet werden. Die genaue Handhabung der groma bleibt jedoch im Dunkeln und selbst die Rekonstruktionsversuche, die auf der Grundlage archäologischer Funde angestellt wurden, können keinesfalls als gesichert gelten.123 Schließlich erfolgte auch die optische Erfassung der neu ausgewiesenen Flächen über bewährte Mittel: Das Aufstellen von cippi blieb in situ das Mittel, bodenrechtliche Belange kundzutun. Und auch das Einzeichnen der linea subsecans auf Katasterkarten war eine Praktik, die schon lange bekannt war, nur schien es mit dem fortschreitenden 2. Jahrhundert n. Chr. immer üblicher zu werden, insbesondere entlang von öffentlichen Flussläufen Subsekanten eigens einzuzeichnen, zumal in der Zeit vorher vielen Flüssen noch keine juristische Breite zugestanden worden zu sein scheint.124 Darin könnte auch eine Ausweitung der römischen Environmental Coherence auf neue Provinzen und neue Flussregime erkannt werden, die mit der Festigung der politischen und administrativen Herrschaft über neue Territorien einherging. IV.2 Umgangsformen mit der natürlichen Dynamik von Flusslandschaften IV.2.1 Flussdynamik bei Juristen, Feldmessern und Wasserbauern Die naturnahe Beschaffenheit der Wasserläufe in der Antike hat klar zu fassende Spuren in den bodenrechtlichen Umgangsformen mit Flüssen und den entsprechenden Rechtsgrundsätzen hinterlassen.125 Die durch die natürliche Flussdynamik zufällig entstehenden Inseln (insula in flumine nata) waren eine der typischen ErscheinunDazu Lewis 2001: 124 f.; Grewe 2009. Opdenberg 2007: 105 f. sieht die groma als in erster Linie kultische Gerätschaft der Vermesser an, die kaum zum Einsatz im Feld taugte. Allerdings ist seiner These kritisch anzumerken, dass in den Feldmesserschriften die groma mehrfach im Zusammenhang mit praktischen Vermessungsarbeiten genannt wird (Hyginus 2, C 136,20 = L 170,5 = T 135,4; C 142,36 = L 180,8 = T 144,16; Liber Coloniarum, C 176,4 = L 225,7), freilich ohne dabei auf ihre konkrete Handhabung einzugehen; Lewis 2001: 125. Zudem ist in den Schriften der Feldmesser die alternative Bezeichnung des Geräts als ferramentum weitaus gebräuchlicher. 124 Hyginus 1, C 90,31–92,2 = L 125,5–11 = T 88,4–10 (quibusdam regionibus); C 86,30–33 = L 120,7–12 = T 83,7–12 (aliquibus regionibus); im Gegensatz dazu einige Jahrhunderte später Agennius Urbicus, C 40,9–11 = L 83,9–12 = T 43,12–15 (in adsignationem mensurae antiquae); dazu s. Hettinger 2017: 203–205 sowie weiter oben in Kapitel III.1.1b. 125 Ausführlich zum Thema s. weiter oben in den Kapiteln I.5 und III.1. 123

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gen in Verbindung mit Flüssen, die ausführlich in der juristischen Literatur diskutiert wurden.126 Dabei war ihre Inbesitznahme und Kultivierung meist nur von begrenzter Dauer, bis das nächste Hochwasserereignis die Flusslandschaft wieder großflächig verändert, die Flussinsel vergrößert oder gar ganz weggeschwemmt hatte.127 Von diesem Spezialfall einmal abgesehen bewegten auch andere Phänomene der Flussdynamik die Gemüter der römischen Juristen und Feldmesser, die unter der Bezeichnung alluvio, meist ausgelöst durch inundationes, in ihren Schriften thematisiert wurden. Sowohl die Erosion als auch die dadurch hervorgerufenen Mäanderbewegungen stellten in vielen Fällen bereits Auswirkungen der menschlichen Inbesitznahme der Landschaft dar. Unter römischer Herrschaft intensivierten sich derartige Phänomene vielerorts noch. Durch Waldrodungen und Drainagen veränderte sich die Fluss-, Auen- und Seenlandschaft in vielen Teilen des Reichs in verhältnismäßig kurzer Zeit grundlegend.128 Flusshochwasser trugen unter solchen Umständen ganz besonders dazu bei, dass Flusslandschaften stetig ihr Aussehen veränderten. Angesichts dieser beständigen Dynamik war es für die Juristen von gewisser Relevanz, möglichst allgemeingültige Grundsätze und Regelungen im Umgang mit diesen natürlichen Veränderungsprozessen zu finden, obgleich dies bei der hohen Diversität der Landschaftsformen im Reich kaum möglich war.129 Feldmesser hatten sich ihrerseits mit den Auswirkungen von Flusshochwassern im realen Raum zu arrangieren, um ihrer Profession nachgehen zu können. Grenzen und rechtliche Zugehörigkeiten mussten immer wieder neu ausgehandelt und rechtlich festgesetzt werden. Die Alltäglichkeit dieser Dynamik hat sich denn auch im Denken und in der Wahrnehmung der antiken Menschen niedergeschlagen. In ihrer Vorstellung waren Flüsse mit dem Personal aus der Landvermessung gleichzusetzen, da beide für beständig wechselnde Besitzverhältnisse sorgten: Alluvio agrum restituit eum, quem impetus fluminis totum abstulit. itaque si ager, qui inter viam publicam et flumen fuit, inundatione fluminis occupatus esset, sive paulatim occupatus est sive non paulatim, sed eodem impetu recessu fluminis restitutus, ad pristinum dominum pertinet:

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So z. B. Dig. 41,1,30,2 (Pomponius). Castillo Pascual 2012; Masi Doria 2004; Maganzani 2014. Juristische Belege, die sich diesem Phänomen widmen, sind etwa Dig. 41,1,56 (Paulus); Dig. 41,1,30,1 (Pomponius). Auch in den Feldmessertexten wird das Phänomen thematisiert, z. B. bei Iulius Frontinus, C 6,5–20 = L 16,5–20,2 = T 6,15–8,6; Agennius Urbicus, C 38,22–31 = L 82,7–21 = T 42,3–17. Strabon erwähnt beispielsweise die Flussinseln im Baetis (heute Guadalquivir), die sehr fruchtbar und ertragreich waren und daher intensiv bewirtschaftet wurden (Strab. 3,2,3 C 142). Dazu s. insbesondere Kapitel I.5; außerdem Campbell 2012: 9–13; Thommen 2009: 87–89; Hughes 1994: 82–84; Anthony et al. 2014. Campbell 2009; Masi Doria 2004: 204 mit dem Versuch einer nachantiken Rezeptionsgeschichte der entsprechenden Rechtsgrundsätze; s. außerdem Morley 2015 für dezidiert kritische Überlegungen bezüglich der von ihm als statisch empfundenen Wahrnehmung hydrologischer Phänomene durch die römischen Juristen.

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flumina enim censitorum vice funguntur, ut ex privato in publicum addicant et ex publico in privatum: itaque sicuti hic fundus, cum alveus fluminis factus esset, fuisset publicus, ita nunc privatus eius esse debet, cuius antea fuit. Alluvio [d. h. die Anschwemmungsklage] stellt denjenigen Acker (in seinem Rechtsstatus) wieder her, der durch die Wucht eines Flusses vollständig abgetragen wurde. Folglich gehört der Acker, wenn er sich zwischen einer öffentlichen Straße und einem Fluss befunden hat und durch Flutwasser besetzt gehalten wird, aber nach dem Rückzug des Flutwassers wiederhergestellt ist, wieder dem früheren Eigentümer, ganz gleich, ob er Stück für Stück (vom Flutwasser) eingenommen wurde oder nicht: Die Flüsse übernehmen nämlich die Rolle der Landschätzer [censitores], da sie ja vom privaten Besitz etwas dem öffentlichen Besitz hinzugeben und vom öffentlichen dem privaten: Daraus folgt also, dass das (genannte) Landgut, welches öffentlich war, solang daraus ein öffentliches Flussbett gemacht ward, nun wieder demjenigen als Privatbesitz gehören soll, dem es vorher gehörte.130

Umgekehrt wurde die Tätigkeit des Landvermessers mit dem Verhalten mächtiger Ströme assoziiert, da beide aus Sicht der antiken Beobachter nach eigenem Gutdünken über Grenzen bestimmten, indem sie neue setzten, alte entfernten und somit maßgeblich über die öffentlichen und privaten Besitzverhältnisse an ihrem Wirkungsort entschieden.131 So charakterisiert noch Cassiodor im 6. Jahrhundert die Arbeit der Feldmesser mittels folgender Analogie: Iudex est utique artis suae, forum ipsius agri deserti sunt: fanaticum credis, quem tortuosis semitibus ambulare conspexeris. indicia siquidem rerum inter silvas asperas et dumeta perquirit, non ambulat iure communi, via illi est lectio sua, ostendit quod dicit, probat quod didicit, gressibus suis concertantium iura discernit et more vastissimi fluminis aliis spatia tollit, aliis rura concedit. Er [der Feldmesser] jedenfalls ist der Richter seiner eigenen Kunst, verlassene Äcker sind sein Forum: Du glaubst ihn, den du auf verworrenen Schleichpfaden umherstreifen gesehen haben wirst, von einer Gottheit besessen. Wenn er nämlich zwischen rauen Wäldern und dichtem Gestrüpp genauestens nach sachlichen Hinweisen forscht, wandert er nicht nach üblichen Regeln umher, sondern jener Weg dort ist seine Lektüre; er beweist, was er sagt, er prüft nach, was er erfahren hat, mithilfe seines Umherschreitens entscheidet er Rechtsstreitigkeiten, und nach Art eines mächtigen Stromes nimmt er den einen Raum weg, den anderen gesteht er Land zu.132

Da ist es wenig verwunderlich, dass die Technologie der Landvermessung ihre Ursprünge in den ersten Hochkulturen am Ufer der großen Flüsse Mesopotamiens und

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Dig. 41,1,30,3 (Pomponius). Dilke 1971: 46. Cassiod. var. 3,52,8; zu dieser Textstelle s. Meyer-Flügel 1992: 379 f.

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Ägyptens hatte.133 Gerade an den größeren Strömen im Reich wurden häufig Neuvermessungen fällig.134 Landbesitz und Schifffahrtswege wurden dadurch gleichermaßen beeinträchtigt. Dennoch kollidierten die Belange der Landbesitzer teilweise mit denen der Flussschiffer, die nur bedingt miteinander in Einklang zu bringen waren. Besonders in den Digesten lässt sich eine Rivalität zwischen der Notwendigkeit des Uferschutzes an Privatgrund und der ungestörten Schiffbarkeit greifen, die sich im Laufe des 2. und 3. Jahrhunderts offenbar immer mehr zuspitzte.135 Aus den kurzen Sentenzen der Juristen lassen sich keine Details dieses Widerstreites greifen, zumal ein privat angelegter Uferschutz, der einer zu starken Erosion entgegenwirken sollte, an sich auch vorteilhaft für die Verstetigung des Schifffahrtswegs war. Dennoch scheinen gewisse Unannehmlichkeiten für die eine oder die andere Seite verblieben zu sein, was vielleicht damit zusammenhängt, dass Schiffer zur bequemeren Schiffbarkeit ganzjährig in Breite und Tiefe möglichst gleichbleibende Fahrrinnen und Treidelpfade vorzufinden hofften, während Landbesitzer wohl lieber auf einen Erosionsschutz vertrauen wollten, der von Hochwasser überspült werden konnte und lediglich fruchtbare Schwemmerde zurückhalten sollte.136 Gerade die zunehmend intensive Bewirtschaftung morastiger ufernaher Grundstücke hat letztlich zur Verschärfung der Probleme beigetragen, sodass über Jahrzehnte oder Jahrhunderte eingeübte Praktiken des Umgangs mit solchen Uferzonen plötzlich nicht mehr griffen, die Environmental Coherence also nach und nach verloren ging und nach der Herausbildung einer neuen verlangte. Jedenfalls konnten neben den offensichtlichen Veränderungen des natürlichen Flusslaufes (etwa durch permanente künstliche Bauten im oder am Flussbett) auch weniger offenkundige anthropogene Eingriffe langfristige Veränderungen der Landschaft hervorrufen, die nicht zu unterschätzen sind. Infolge massiver Waldrodungen und großflächiger Entwässerungsprojekte, wie sie nachweislich bereits seit der Bronzezeit und vermehrt unter römischer Herrschaft durchgeführt wurden, veränderte sich der Wasserhaushalt ganzer Regio-

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Hdt. 2,109; Cassiod. var. 3,52; Dilke 1971: 19–22; Campbell 2000: xlv–liii. Strab. 13,4,12 C 629; 17,1,3 C 787; Cassiod. var. 3,52; Agennius Urbicus, C 38,32–40,11 = L 82,22–83,12 = T 42,18–43,15. Zum Interessenskonflikt zwischen römischen Schiffern und Landbesitzern s. Arnaud 2011: v. a. 343–346. Interessenskonflikte zwischen Bauern und Schiffern waren beispielsweise noch im 19. Jahrhundert an der norddeutschen Küste üblich. Für die Nutzung des agrarischen Landes hinter den Flussdeichen war eine kontrollierte Überflutung zur Hochwassersaison wünschenswert, weswegen die Deiche als Sommerdeiche bezeichnet wurden. Für Flussschiffer hingegen war es günstiger, wenn die Beschaffenheit der Fahrrinne das ganze Jahr über möglichst gleichblieb, was letztlich zu Differenzen zwischen beiden Interessensgruppen führte; dazu s. Ehrhardt/Fischer 2018: 477–480.

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nen nachhaltig.137 In vielen Fällen geschah und geschieht dies auch heute noch ohne ein vollständiges Verständnis für die tiefgreifenden Konsequenzen solcher Eingriffe in natürliche Systeme.138 Dabei sind gerade die Langzeitauswirkungen und die ungewollten Nebeneffekte technischer Eingriffe kaum vermeidbar und daher nicht zu unterschätzen.139 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es für technisches Personal in der Landvermessung und Rechtsprechung ganz selbstverständlich zur Eigenart eines Flusses gehörte, beständig seinen Lauf zu verlagern und dadurch auch das Aussehen des Flussbettes und der angrenzenden Böden sowohl kurzzeitig als auch auf lange Sicht zu verändern. Entsprechende Bewältigungspraktiken bildeten sich vor diesem Hintergrund gar bis zur Professionalisierung heraus (Gromatiker, Flussaufsichtspersonal, Juristen), in gewisser Weise als Teil einer notwendig gewordenen, neuen Environmental Coherence. Die Eindämmung von Hochwasserschäden an Ackerland und anderem Nutzland wurde mithilfe einfacher Uferbefestigungen zu erreichen versucht. Allerdings war die effektive Realisierung solcher Uferbefestigungen an manchen Flüssen und zudem allein aus privaten Mitteln wohl nur eingeschränkt möglich. Außerdem war die Schwemmerde zur Ackerdüngung für die Landwirtschaft wichtig, sodass das Flutwasser wohl gar nicht vollständig vom Grundstück ausgeschlossen werden sollte. Lediglich exzessiver Erosion sollte künstlich vorgebeugt werden. So mussten sich Betroffene – sowohl Landbesitzer und Schiffer als auch Gromatiker und Juristen – wohl oder übel mit dem Thema Erosion in gebotener Ausführlichkeit auseinandersetzen. Des Weiteren hatten auch Wasserbauer ihre Konstruktionen an die hydrologischen Gegebenheiten vor Ort anzupassen. Bei Brücken etwa waren Bauweise und Baumaterial an das Hochwasserregime angepasst, sodass sie auch starkem Wasserdruck noch standhalten konnten und das meiste Wasser ungehindert abfließen konnte. Schiffsbrücken waren eine andere Möglichkeit, trotz der Pegelschwankungen das andere Ufer zu erreichen. Uferbereiche und Hafenbecken von Mündungshäfen, die in besonderem Maße beständig von Verlandung bedroht waren, wurden wie beispielsweise beim Portus Pisanus mithilfe einfacher Holzpalisaden befestigt. Nach Flussverlagerungen konnten sie bei Bedarf rasch wiederaufgebaut und um neue Anlandeplätze ergänzt werden. An Binnenhäfen wurden ebenfalls meist leicht zu ersetzende Faschinen und einfache Holzkonstruktionen angelegt, die dem hohen Wasserdruck dennoch standzuhalten vermochten. Techniken, die ufernahen Baugrund trockenhalten sollten, waren vielfältig und setzten in der Regel auf regional verfügbares Material sowie auf gebrauchte

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Giardina 1981: 107–110; Nenninger 2001: 191; Meiggs 1982: 376 f.; Thommen 2009: 27–30; Hughes 2005: 43 f., jeweils mit weiterführender Literatur. Naiman et al. 2005: 190 mit weiterführender Literatur zu konkreten Fallbeispielen aus heutiger Zeit. Für allgemeine Betrachtungen zu Technikfolgen und ihrer Abschätzung s. Renn 2014, der herausstellt, dass „Ambivalenz […] das Wesensmerkmal jeder Technik“ sei (ebd.: 8).

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Amphoren in Zweitnutzung. Flexibilität und die Möglichkeit zur einfachen Reparatur schienen in vielen Kontexten, die archäologisch untersucht wurden, die bevorzugte Strategie zu sein. Daneben trugen freilich auch massivere Wasserbauten zum Flutschutz bei, insbesondere bei Mündungshäfen im Mittelmeerraum. Dort wurde durch Reinigung und Ausbaggerung dem Verlanden durch Einschwemmungen entgegenzuwirken versucht, im Falle Seleukeia Pierias gar mit der Umleitung eines Sturzbachs am Hafenbecken vorbei. Langfristig jedoch war der sukzessiven Verlandung in den Deltas nicht beizukommen, sodass Häfen verlegt wurden und Neubauten die alten Hafenstrukturen nach und nach ersetzten. IV.2.2 Saisonalität als Grundlage für Hochwasservorsorge Die jahreszeitlich variierende Wasserführung war und ist ein natürliches Charakteristikum von Flüssen und Seen. Dies hat sich auch in den juristischen Definitionen der römischen Rechtsgelehrten niedergeschlagen, die spürbar an der Schaffung eindeutiger Rechtsgrundsätze interessiert waren. Besonders die ganzjährige Wasserführung war ein wesentliches Charakteristikum dessen, was einen öffentlichen Fluss oder einen See ausmachte.140 Daher hatte die Rechtsprechung auch die Uferbereiche nicht zu vernachlässigen, die der zeitweiligen Ausdehnung des Flusses offenstanden und deshalb ebenfalls meist als öffentlich oder zumindest als öffentlich zugänglich galten.141 Dass die saisonal bedingten Pegelschwankungen in die Handlungslogiken der Nutzer von Flüssen und Uferbereichen eingeflossen waren, zeigt sich etwa in den Statuten von Bewässerungsgemeinschaften,142 in Bauinschriften der Wasserinfrastruktur143 oder in den Empfehlungen der Agrarschriftsteller:144 Reinigungs- und Ausbesserungsarbeiten waren in der Niedrigwassersaison zu verrichten, wenn sonst überschwemmte Stellen gut erreichbar waren, um auf später im Jahr zu erwartende Hochwasser vorbereitet zu

140 Fluss: z. B. Dig. 43,12,1,3 (Ulpianus); auch 43,12,1,2 (Ulpianus). See: Dig. 43,14,1,3 (Ulpianus): Lacus est, quod perpetuam habet aquam. – „Ein See ist (der), der fortwährend Wasser führt.“; im Gegensatz dazu standen Teiche: Stagnum est, quod temporalem contineat aquam ibidem stagnantem, quae quidem aqua plerumque hieme cogitur. – „Ein Teich ist (der), der zeitweise eben dort stehendes Flutwasser enthält, wovon zweifellos zumeist im Winter auszugehen ist.“ 141 Zur Definition: Dig. 43,12,3,1 (Paulus); Dig. 43,12,1,5 (Ulpianus); Dig. 43,12,1,7 (Ulpianus); 43,12,1,12 (Ulpian). Zur Nutzung: Dig. 1,8,5pr. (Gaius); Dig. 41,1,30 (Pomponius); Inst. 2,3. 142 Beltrán Lloris 2006: 177 (zur Kanalreinigung und -instandsetzung im Hochsommer gemäß der Lex rivi Hiberiensis); Bonneau 1993: 122 (zu saisonalen Instandsetzungsmaßnahmen an Bewässerungsanlagen am Nil unter staatlicher Aufsicht). 143 AE 1983, 927. 144 Cato agr. 155 (zur Reinigung der Entwässerungsgräben vor Einsetzen der Herbststürme); Suet. Vesp. 1,4 (zu Saisonarbeitskräften auf dem ager Reatinus, die vermutlich für die Ernte und ebenso für Wartungsarbeiten an den Abzugsgräben zuständig waren); zur agrarischen Saisonarbeit s. Tietz 2015: 239–242; Tietz 2020.

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sein. Darin zeigt sich eine an die örtlichen hydrologischen Gegebenheiten angepasste Environmental Coherence. Von solch saisonal regulierten Praktiken ausgehend konnte Flutwasser, wo dies sinnvoll war, zur Bewässerung oder zum saisonalen Warentransport per Wasserweg genutzt werden. Hochwasser war für manche Tätigkeiten und in vielen Gegenden also auch mit wirtschaftlichen Vorteilen ganz unterschiedlicher Art verbunden. In Städten oder an wichtigen Überlandstraßen dienten Brücken zur ganzjährigen Querung von Flüssen und sumpfigen Uferbereichen, selbst wenn diese zeitweise trockenfielen oder im Sommer auf ein kleines Rinnsal reduziert waren. Wo eine Brücke fehlte und stattdessen Furten für die Flussquerung zur Verfügung standen, kamen zeitweise Fährkähne zum Einsatz.145 So lassen die Umstände rund um die Mäanderklage darauf schließen, dass während der häufigen Überschwemmungen verstärkt Fähren von den χῶραι eingesetzt wurden, deren Einnahmen wiederum zum Ausgleich angefallener Flutschäden benutzt wurden.146 In diesem Fall war die Verfahrensweise in eine seit langem regional verwurzelte, kultische Praktik eingebunden, die ihrerseits zwei Erkenntnisse preisgibt. Zum einen zeigt es sich, dass die heftigen Hochwasserereignisse schon in vorrömischer Zeit Teil des Alltags der Kommunen am Mäander waren, zum anderen wird aber auch deutlich, dass eben darum die Lokalbevölkerung längst ein von allen Anrainergemeinden akzeptiertes Verfahren zur Schadensbehebung und zur Einigung bei kommunalen Rechtsstreitigkeiten entwickelt hatte. Die Hochwasser mitsamt ihren negativen Auswirkungen fanden sich dort eingebunden in die lokale Kultur im Sinne einer Environmental Coherence, was für Rom den Vorteil brachte, dass sich die Provinzialgemeinden am Mäander weitestgehend selbst um die Behebung von Flutschäden und die Beilegung von Streitigkeiten sorgten. Überhaupt ist es äußerst auffällig, dass es ganz im Gegensatz zu schweren Erdbeben und ähnlichen Schadensereignissen kaum Fälle gibt, in denen der römische Senat oder der Prinzeps von Städten in den Provinzen um Fluthilfe gebeten wurden. Einzig für die Stadt Rom selbst gibt es in der Historiographie Berichte über regelmäßige Überschwemmungen.147 Dort konnten und mussten sich angesehene Amtsträger und der Prinzeps um Katastrophenhilfe bemühen. Andernorts schien es jedoch keinen derart 145

Für archäologische Hinweise auf gut ausgebaute, gepflasterte Furten s. Bonnamour/Wirth 2001: 21; zu behelfsmäßig eingerichteten Fährverbindungen in der im Winter feuchten und häufig überschwemmten Gegend des Velabrum in Rom s. Ammerman 1998: 221; Varro ling. 5,44; Plut. Romulus 5,5; Prop. 4,9,5–6; Tib. 2,5,33–34. Zudem lassen verschiedene Äußerungen in den Quellen auf die Praktik schließen, dass in manchen Fällen je nach Bedarf ein Fährverkehr über zeitweise angeschwollene Bäche und überschwemmte Niederungen eingerichtet wurde; Dig. 2,11,2,7–8 (Ulpianus); Cic. inv. 2,31,97; Cass. Dio 37,58,3; 53,20,1; 53,33,5; 54,25,2; 55,22,3; 57,14,7; 58,26,5; Zonaras 11,3; Amm. 29,6,18; dazu s. auch weiter oben Kapitel III.3.2a. 146 Ausführlich zu diesem Fallbeispiel s. weiter oben Kapitel III.1.2a. 147 Vgl. dazu die tabellarische Zusammenstellung von kaiserlichen Hilfsmaßnahmen nach Naturkatastrophen bei Deeg 2019: 261–277 (Anhang 2) mit den Nr. 1, 5, 7, 23, 25, 77, 96, 106, 122, 125, 138, 144 und 147 für Überschwemmungen in Rom.

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dringenden Bedarf an auswärtiger Katastrophenhilfe nach Überschwemmungen gegeben zu haben, denn sonst müssten ähnlich wie bei anderen Naturkatastrohen im Prinzipat auch nach extremen Hochwasserereignissen städtische Gesandtschaften an den Prinzeps herangetreten sein, um Hilfe zu erbitten.148 Das Einschreiten Roms bei Überschwemmungen des Lacus Fucinus in Alba Fucens oder im Becken von Reate kann nicht als vollständig von stadtrömischen Angelegenheiten losgelöst betrachtet werden, da dort insbesondere in Rom ansässige oder eng mit Rom in Verbindung stehende Personenkreise der politischen Führungselite ihren Interessen nachgingen.149 Da die an anderen Gewässern ausgeübten Alltagspraktiken ebenso wie die Brücken und die hydraulische Infrastruktur auf reguläre Pegelschwankungen ausgelegt und angepasst waren, verwundert das auffällige Ausbleiben von Hilfegesuchen aus den Städten des Reichs insgesamt jedenfalls wenig. Die dauerhafte Präsenz der Wasserläufe in der Landschaft, sei es nun mit oder zeitweise ohne fließendes Wasser, sorgte wohl zugleich dafür, dass die Anrainer und andere Nutzer auf die Pegelschwankungen vorbereitet waren, zumal in der Kaiserzeit offenbar an immer mehr Flüssen cippi dauerhaft die Ufer begrenzten. Das latente Flutrisiko war dadurch nicht nur den saisonal angepassten Alltagspraktiken inhärent, sondern auch vor Ort im Raum für alle sichtbar. IV.2.3 Zur antiken Wertschöpfung aus amphibischen Landschaften Die klassischen antiken Kulturen gelten als Stadtkulturen und auch Rom hatte einst als Stadtstaat seine Vormachtstellung erst in Mittelitalien und nach und nach im gesamten Mittelmeerraum errungen. Dennoch gründeten seine Wirtschaftskraft und seine Lebensgrundlage auf der landwirtschaftlichen Produktion, insbesondere in seinen Provinzen. Insofern stellten Rom und mit der Zeit ganz Italien einen Sonderfall dar, denn ohne sein agrarisch genutztes, in unmittelbarer Nähe befindliches Hinterland war sonst keine antike Stadt überlebensfähig.150 Durch großflächige Rodungen und Drainagen wurden neue, offene Nutzflächen hinzugewonnen, die zuvor noch stark bewaldet waren oder ausgedehnte Sumpf- und Marschgebiete gebildet hatten, wie etwa um den

148 Zu den Gesandtschaften, die sich nach schweren Naturkatastrophen um Beihilfe aus Rom bemühten, s. Deeg 2019: 202 f.; Winter 1998: 153 f.; knapp zusammenfassend auch Storchi Marino 2009: 220 als Teil eines vom Kaiser koordinierten Hilfsnetzwerks. 149 Alba Fucens: Die Drainagearbeiten wurden teils aus privaten Mitteln bestritten (Suet. Claud. 20,2), wohinter wohl am ehesten stadtrömische Personenkreise zu vermuten sind; dazu Leveau 1993: 6–8; Wilson 2000: 306; Reate: Cicero und mit ihm vermutlich eine Reihe anderer römischer Amtsträger verfügte über zahlreiche Klientelverbindungen nach Reate. Hinzu kommt, dass die praefectura von Reate dem praetor urbanus in Rom unterstand und deshalb ohnehin eng an stadtrömische Angelegenheiten geknüpft war; CIL IX 4677; Cic. nat. deor. 2,6,5; Cic. Scaur. 27; Val. Max. 1,8,1b; Fest. 232 L. 150 Tietz 2015: 217 f.; Schuler 1998: 1.

Umgangsformen mit der natürlichen Dynamik von Flusslandschaften

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Fuciner und den Veliner See oder im Kopaïsbecken. Freilich waren die Gewinnung von Ackerland und die Verbesserung der Gangbarkeit des Territoriums nicht die einzigen Intentionen. Auch die Mückenplage und die damit einhergehende Malariaausbreitung sollten durch Drainagen wohl gelindert werden. Und obwohl die genauen Zusammenhänge in der Antike nicht bekannt waren, wurde in der Literatur die Verbindung zwischen Sumpf, ungesunden Dämpfen und Krankheit angenommen.151 Die anthropogene Veränderung des Wasserhaushalts auf regionaler Ebene, ausgelöst etwa durch Kahlschlag und Entwässerung, könnten die Ausbildung von Sümpfen mancherorts allerdings noch entscheidend gefördert haben.152 Trotz allem wurde gerade an den Beispielen des Lacus Fucinus und des Kopaïsbeckens auch deutlich, dass ein vollständiges Ablassen des Seewassers selbst vor dem Hintergrund wiederkehrender Überschwemmungen weder intendiert war noch wirtschaftlich sinnvoll für die umliegenden Landbesitzer und Gemeinden gewesen wäre. Vielmehr blieben in den antiken Gesellschaften wie allgemein in den vorindustriellen Kulturen solche marginalen sumpfigen oder bewaldeten Böden nicht vollständig ungenutzt, sondern stellten im Gegenteil eine wichtige Ergänzung zum Ackerbau dar. Als Weideland oder zur Gewinnung von Rohstoffen, die eine besonders hohe Bodenfeuchtigkeit brauchten (z. B. Röhricht), waren Sumpflandschaften wie auch Auenwälder sehr gefragt.153 Zudem dominierten sumpfig-morastige Landschaften um Flüsse, Seen und Küsten, die weder ganz dem Wasser noch ganz dem Land zugeordnet werden konnten, vielerorts das Landschaftsbild und wiesen dazu eine große typologische Vielfalt auf.154 Eine Environmental Coherence zwischen den vorherrschenden Landschaftsformen einerseits und einer ihr entsprechenden Form der Bewirtschaftung durch den Menschen andererseits scheint hier wiederum vorzuliegen. Die in der modernen Forschung häufig als „gescheitert“ angesehenen römischen Drainagearbeiten erfüllten nach antikem Verständnis wohl durchaus ihren beabsichtigten Zweck, auch wenn zu deren Realisierung enorme Anstrengungen unternommen werden mussten, die sich teils über mehrere Jahrzehnte hinzogen und tatsächlich meh-

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Vitr. 1,4,11–12; die besondere Luftqualität der inmitten einer sumpfigen Ebene gelegenen Stadt Ravenna betonend Celsus (Dig. 17,1,16, bei Ulpian); Walsh et al. 2014: 29 f.; zur komplexen Bedeutung, die dem Malariarisiko in wirtschaftlich genutzten Sumpfgebieten zukam, s. Traina 1988: 101–108; zum Verhältnis von Sümpfen und nahegelegenen Siedlungsplätzen, sowohl Vor- als auch Nachteile aufzeigend, ebd.: 93–101; Lagóstena Barrios 2019b: 110–115. Letzterer zeigt allerdings auch, dass vielen Sümpfen trotz ihrer literarischen Darstellung als gesundheitsschädigende Orte zugleich eine ausgesprochen hohe Fruchtbarkeit zugeschrieben wurde; ebd.: 115–117. Walsh et al. 2014: 30. Dazu allgemein Traina 1988: 15–18; Traina 1985; Hermon/Watelet 2014; Lagóstena Barrios 2019b v. a. mit Blick auf Weinbau in Feuchtgebieten (ebd.: 117–119); außerdem Schuler 1998: 113–116 zur Nutzung und rechtlichen Stellung von marginalen Böden im antiken Kleinasien; Walsh et al. 2014 zur Herausbildung eines lokalen „environmental knowledge“ im Umfeld mediterraner Sumpflandschaften am Beispiel der Pomptinischen Sümpfe in römischer Zeit. Dazu ausführlich Traina 1988: 77–108; Walsh et al. 2014: 29 f.

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Synthese: Betrachtungen zur Environmental Coherence

rere Anläufe benötigten. Insgesamt zeugt die tendenziell negative Bewertung römischer Seeabsenkungen durch moderne Forschende also nicht zuletzt von grundlegenden Differenzen zwischen der antiken und der heutigen wirtschaftlichen Wertschätzung marginaler Sumpflandschaften samt ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung.155 Allerdings wird die tatsächliche ökologische Nutzung und Wertschätzung von Feuchtgebieten in der Antike dadurch verdeckt, dass in der römischen Literatur bestimmte Diskurse greifbar sind, die eine ideologische Dichotomie zwischen der zivilisierten Stadt und dem wilden Sumpf propagieren.156 Um römische Handlungsmuster gegenüber wasserreichen, überflutungsgefährdeten Territorien im ländlichen Raum in ihrem Entstehungskontext nachvollziehen zu können, ist es daher umso wichtiger, sich diese Differenzen im praktischen Umgang bewusst zu machen. Ergänzend dazu hat Traina sowohl für die griechische als auch die lateinische Sprache bereits zeigen können, dass in der klassischen Antike einerseits sprachlich keine eindeutige Unterscheidung zwischen Sümpfen und Seen vorgenommen wurde, andererseits jedoch ein differenziertes Vokabular für Feuchtgebiete verschiedener Art existierte.157 Die mentale wie praktische Einbindung marginaler Landschaftsformen in die antike Lebens- und Wirtschaftsweise lässt sich also auf unterschiedlichen Ebenen greifen. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang auch, dass natürliche Auen und Sümpfe als Retentionsraum wirken, da sie Flutwasser zurückhalten und erst nach und nach freigeben, sodass als unbeabsichtigter Nebeneffekt der Wertschätzung von Feuchtgebieten Hochwasser auf natürliche Weise und ohne direktes Zutun des Menschen abgemildert wurden. IV.3 Rivalitäten IV.3.1 Konkurrierende Interessen an Fluss und Ufer Die Etymologie des Begriffs ‚Rivale‘ wird allgemein auf das lateinische rivalis zurückgeführt als Bezeichnung für jemanden, der an der Mitnutzung eines Wasserlaufs (rivus) berechtigt ist und zu dem deshalb ein von Konkurrenz geprägtes Verhältnis 155

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Vgl. Leveau 1993: 15; Farinetti 2008: 124; Schuler 1998: 113–116; Grewe 1998: 93; Horden/ Purcell 2000: 186–190 und 249; für römische Paradigmen zur Einbindung von Wasserläufen und wasserreichen Böden in städtische Kontexte s. Rogers 2012: v. a. 165 f. in Differenz zu ländlichen Kontexten; ausführlich dazu Rogers 2013 und Rogers 2020; neuerdings auch Ingate 2020 für eine Neubewertung der Paradigmen zur Einbeziehung von Feuchtgebieten in die römische Stadtplanung, unabhängig von modernen Standards. So etwa Liv. 22,2; Vitr. 1,4,1; 1,4,11; Walsh et al. 2014: 30; ausführlich Traina 1988: 124–128; Lagóstena Barrios 2019b. Traina 1988: 54–75; dazu s. auch Cañizar Palacios 2015 für eine Analyse der lateinischen Textquellen in Bezug auf die römische Konzeption von Feuchtgebieten sowie López Medina 2015 speziell für juristische Definitionen von Seen und Feuchtgebieten in römischer Zeit aus den Digesten.

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besteht.158 In dieser Herleitung spiegelt sich, obgleich sie sich nicht direkt durch antike Quellen belegen lässt, das wohl seit jeher spannungsgeladene Verhältnis zwischen den Nutzern eines rivus im Sinne eines kleinen Be- und Entwässerungskanals159 oder eben im Sinne eines fließenden Gewässers im Allgemeinen. Der im Römischen Reich größtenteils öffentliche Charakter von Flüssen und angrenzenden Böden sowie der ausdrückliche Rechtsgrundsatz, dass auch private Ufergrundstücke zur öffentlichen Nutzung zugänglich zu bleiben hatten, impliziert, dass immer wieder Konflikte rund um das Nutzungsrecht aufkamen. Wohl vor allem an schiffbaren Flüssen und Kanälen wie etwa dem Tiber, dem Pisaurus oder dem Schifffahrtskanal zwischen Alexandria und dem kanopischen Nil markierten zumindest streckenweise Ufergrenzsteine die öffentlichen Bereiche.160 Auf städtischer Ebene lag es im Ermessen des Stadtrats, über Anlage, Aufsicht und Pflege der hydraulischen Infrastruktur zu entscheiden. Der ordo decurionum hatte dafür Sorge zu tragen, dass Flussaufsicht und Pflege der kommunalen Infrastruktur besorgt wurden. Am Unterlauf des Tibers wurde unter Kaiser Tiberius, um zwischen den konkurrierenden Gruppen wie Schiffern und Treidlern, Landbesitzern und Fischern sowie weiteren Nutzern zu vermitteln, das Amt der curatores riparum et alvei Tiberis geschaffen. Ihnen oblagen besonders die Koordination und Aufrechterhaltung eines möglichst störungsfreien Hafenbetriebs zwischen Rom und der Tibermündung. Zu ihren Aufgaben gehörten deshalb die Pflege und Instandhaltung der Uferzonen, des Flussbettes und der Hafenkanäle, welche von Hindernissen freizuhalten waren, die die Schiffbarkeit beeinträchtigt hätten. Aus diesem Grund waren die Tiberkuratoren auch für Maßnahmen zur Hochwasservorsorge zuständig, ebenso oblag ihnen die Koordination erforderlicher Nachsorge- und Wiederaufbaumaßnahmen nach zerstörerischen Überschwemmungen. Selbst unter Augustus scheint es hingegen noch kein dauerhaftes Amt für die Bereinigung des Flussbettes und der Uferbereiche gegeben zu haben, was für die schnell wachsende Stadt zunehmend zu Problemen mit Überschwemmungen führte, und was sich auch auf sprachlicher Ebene äußerte: So setzte sich in augusteischer Zeit die Bezeichnung inundatio gegenüber früheren Bezeichnun-

158

Vgl. Bernhardt et al. 2019: 2. Über den Umweg des Französischen soll die Bezeichnung ins Deutsche gelangt sein in seiner nunmehr primären Bedeutung des ‚Nebenbuhlers‘, insbesondere in Liebesbeziehungen. 159 Zum Begriff rivus als künstlicher Be- und Entwässerungsgraben s. Fest. 273 L; im Sinne eines kleineren Baches im Gegensatz zu einem größeren Fluss s. Dig. 43,12,1,1 (Ulpianus), wohingegen künstliche Kanäle, durch die ganze Flüsse hindurchgeleitet wurden, als fossae bezeichnet wurden: Dig. 43,12,1,8 (Ulpianus). Dazu s. auch Masi Doria 2004 sowie ausführlich weiter oben in Kapitel III.1.1c. 160 Tiber: neben vielen anderen z. B. CIL VI 31545 = ILS 5926; AE 1961, 138; Pisaurus: Siculus Flaccus, C 124,14–15 = L 157,23 = T 122,5–6; Nilkanal: OGIS II 672 = IGRR I 1098 = SB V 8902 = I. Delta 332, Nr. 3 = TM 103025 = Pfeiffer 2015: 274 f., Nr. 60.

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gen wie beispielsweise aqua magna immer mehr durch und fand vermutlich als neues Schlagwort Eingang in das umfassende Reformprogramm des Prinzeps. Unter Trajan kam schließlich die Aufsicht über die Abwasserkanäle noch hinzu, da bei Hochwasser auch Rückstau in der Kanalisation zu Überschwemmungen führen konnte. Mit der Integration der cura cloacarum in die Tiberaufsicht erreichte die systemische Herangehensweise der Stadtverwaltung Roms an das latente Flutrisiko eine neue Qualität, denn seit diesem Zeitpunkt waren die Beobachtung und Kontrolle aller derjenigen strukturellen Komponenten, die entscheidend zur Ausbildung von Überschwemmungen in Rom oder den Mündungshäfen beitragen konnten, unter dem Dach einer Behörde vereint. Auf dieser Grundlage sollte zumindest theoretisch eine Abstimmung untereinander deutlich vereinfacht worden sein. Vermutlich blieb die ungestörte Schiffbarkeit und Verladetätigkeit in den Hafenzonen die Hauptsorge der Tiberaufsicht, war Rom doch wesentlich von der Lebensmittelversorgung per Schiff aus weiter entfernt gelegenen Regionen angewiesen. Die Priorität, die der Schifffahrt im Interesse Roms und somit des römischen Staats zuteilwurde, hat wiederum deutliche Spuren in den Schriften der römischen Juristen hinterlassen.161 Im Interesse Roms wurden an flumina publica keine autonom durchgeführten Veränderungen des Flussverlaufs, des Fließverhaltens oder der Fahrrinne geduldet und bereits realisierte Veränderungen sollten vom Verursacher umgehend auf eigene Kosten rückgängig gemacht werden. Zur Binnenschifffahrt gehörte unweigerlich das Treidelwesen, ohne das ein Befahren gegen den Strom oft gar nicht möglich gewesen wäre. Ufergrundstücke, die an für den Warentransport wichtigen Flüssen lagen, konnten demnach nicht nach Gutdünken des Besitzers vor Erosion und Flutschäden geschützt werden. Die Gangbarkeit hatte ebenso wie die Möglichkeit zum Anlanden, um Waren aufzunehmen und zu löschen, im Sinne Roms oberste Priorität. Möglicherweise ist hierin für die Flutsicherheit Roms die entscheidende Krux zu suchen, die eine Einfassung des Tibers in erhöhte Uferwälle verhinderte. Die Hafeninstallationen der Stadthäfen Roms waren gut ausgebaut, allerdings bestanden sie nicht aus durchgehenden Kais. An den seichteren Stellen konnte bei Hochwasser wohl nahezu ungehindert Flutwasser in die niedrigeren Teile der Stadt eindringen. Doch in dem Fall scheint es ein Abwägen zwischen der Flutsicherheit einerseits und der Versorgungssicherheit sowie der leichten Uferzugänglichkeit andererseits gegeben zu haben, das zugunsten der Schifffahrt und der Ufernutzung ausfiel. Die zeitliche Komponente scheint bei der Ausbildung einer Environmental Cohrerence eine nicht unwesentliche Rolle gespielt zu haben: Die bisweilen zerstörerischen, aber dennoch eher kurzzeitigen Überschwemmungen wurden zugunsten der langfristig vorteilhaften freien Zugänglichkeit des Flusses in Kauf genommen. Andernfalls wäre die Versorgung der Stadt Rom mit Le-

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Arnaud 2011.

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bensmitteln und Luxusgütern in der gewohnten Intensität und Frequenz mithilfe der damals verfügbaren Schifffahrtstechnologie nicht aufrechtzuerhalten gewesen.162 Die konkrete Anwesenheit verschiedener Parteien am Flusslauf barg ebenfalls Konfliktpotenzial. Beispielsweise sollten durch kleinere Modifikationen des Wasserflusses oder der Uferbereiche keine Nachbargrundstücke in Mitleidenschaft gezogen werden, was Rechtsschriften immer wieder betonen. Verstöße führten zu Strafverfahren und Strafzahlungen. Oberlieger weiter flussaufwärts waren besonders zur Vorsicht aufgefordert, da ihre Nachlässigkeit flussabwärts bei den Unterliegern unvorteilhafte Nebeneffekte hervorrufen konnte. Die Verhandlungen um die Eindämmung des Lacus Velinus zu Zeiten Ciceros und erneut unter Tiberius haben gezeigt, wie komplex sich Aushandlungsprozesse zwischen Ober- und Unterliegern bisweilen gestalten konnten. Allerdings können diese beiden Fälle wohl nur bedingt als allgemeingültige Beispiele fungieren, denn erstens stand in ihnen der identitätsstiftenden Fluss der Hauptstadt des Imperiums im Zentrum, zweitens waren jeweils die politisch mächtigsten Personenkreise des Reichs an den Streitigkeiten beteiligt und drittens war die Stadt Rom als Wohn- und Wirkungskort jener Personenkreise unmittelbar davon betroffen. An tatsächlich umgesetzten Kanalisierungen und Flussumleitungen in den Provinzen, etwa am Orontes bei Antiocheia oder im Torrentental eines Sturzbachs bei Seleukeia Pieria ist aus den Schriftquellen freilich nichts darüber bekannt, ob es im Vorfeld lokale Widerstände gegen die Bauprojekte gegeben hat. Letztlich dienten beide Projekte in erster Linie der Verbesserung der Truppenversorgung und des Truppentransports auf dem Wasserweg, sodass ein Widerstand wohl kaum erfolgreich gewesen wäre. In der römischen Historiographie wird nichts über diese Bauprojekte berichtet. Im Ausbau der hydraulischen Infrastruktur in den Provinzen äußert sich außerdem das Phänomen der „unpersönlichen Herrschaft“ (impersonal rule) des römischen Prinzeps über die weit von Rom entfernten Gebiete des Reichs.163 Im Gegensatz etwa zu den ingenieurstechnischen Maßnahmen zur Flutregulierung im Kopaïsbecken ist es im Fall der beiden syrischen Bauprojekte jedenfalls äußerst unwahrscheinlich, dass die Provinzialbewohner in eigenem Interesse an Rom herangetreten waren, um einen baulichen Schutz vor Einschwemmungen und Flussverlagerungen zu erbitten. Hier standen die militärstrategischen Interessen des Prinzeps im Vordergrund. Vorteile für die ortsansässige Bevölkerung waren hier wohl allenfalls willkommene Nebeneffekte, die jedoch zugleich eine neue Qualität der Abhängigkeit von Rom mit sich brachten.

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Ähnlich die Überlegungen von Aldrete 2007: 9 zur Abwägung zwischen Schaden und Nutzen des Tiberwassers, insbesondere zur Versorgung der Großstadt mit Wasser und Lebensmitteln. Ebenso betont er zu Recht den sakralen Charakter des Wassers aus dem Tiber in der Vorstellung der Römer. Zum Konzept der unpersönlichen Herrschaft mittels hoch entwickelter Infrastrukturbauten, die nur durch geschultes Personal, meist aus dem Umfeld des urhebenden politischen Machthabers, unterhalten werden kann, s. Mukerji 2015; Mukerji 2013.

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IV.3.2 Technikfolgen: Von der schnellen Lösung zum Langzeiteffekt Im karstigen Kopaïsbecken im griechischen Boiotien standen ökonomische Interessen der umliegenden Gemeinden (oder deren Eliten) an erster Stelle. Über Jahrhunderte, beginnend mit der mykenischen Bronzezeit, lassen sich verschiedene Drainage- und Kanalisierungsprojekte nachweisen, mit denen die saisonal auftretenden Überschwemmungen des Beckens kontrolliert werden und zugleich Wasservorräte zur Bewässerung angelegt werden sollten.164 Im 1. Jahrhundert n. Chr. waren auf Initiative eines städtischen Euergeten Drainagearbeiten um Akraiphia durchgeführt worden, die aber aufgrund ihrer Beschränkung allein auf das Gemeindeterritorium keine nachhaltige Abhilfe gegen die wiederkehrenden Fluten schaffen konnte. Wohl erst als Hadrian persönlich die Gegend bereiste, wurden großflächige Regulierungsmaßnahmen geplant und durchgeführt, die weite Teile des Beckens umfassten. Viele der in dieser Studie aufgezeigten Maßnahmen zur Hochwasservorsorge waren ingenieurstechnischer Natur und beruhten nicht zuletzt auf Innovationen, die erst in römischer Zeit verfeinert wurden und Verbreitung fanden. Vielerorts ließ sich beispielsweise der römische Beton sehr effektiv zum Flutschutz und für andere Wasserbauten einsetzen.165 Die Talsperren im Nahen Osten, die Staudämme auf der Iberischen Halbinsel oder die Kanalbauten in Ostia, Portus und Ephesos, ebenso wie die Kombination aus Talsperre, Flusstunnel und Ableitungskanal im Hafen von Seleukeia Pieria, zeugen vom großen Erfolg der neuen Bautechniken. Allerdings bedurften solcherlei Strukturen einer regelmäßigen Wartung. Zudem waren andere Wasserbauten, beispielsweise Flussbrücken, ebenfalls periodisch Flusshochwassern ausgesetzt und mussten ihrerseits wegen Flutschäden hin und wieder ausgebessert, repariert oder gar von Grund auf neugebaut werden. Darin offenbart sich der kompromittierende Charakter des Siedelns am Fluss im Allgemeinen und des Einsatzes technischer Lösungen für die Flutproblematik im Besonderen. Hatte man sich erst einmal auf das potentielle Risiko eingelassen, welches die ansonsten günstige Lage in Flussnähe in sich barg, mussten die Schutzvorkehrungen permanent unterhalten werden. Struktureller Hochwasserschutz bleibt somit niemals auf eine einmalige Bauaktion beschränkt, sondern erfordert für die Dauer seines Gebrauchs permanente Wartung, die meist nur durch eigens dafür angelerntes Personal zu leisten und auf die Akzeptanz sowie die Mitwirkung der Nutzer und Nutznießer angewiesen ist. Dies hat sich besonders anschaulich an den Beispielen der Via Nova und des Kopaïsbeckens gezeigt. Waren es bei der Regulierung des Kopaïsbeckens insbesondere die unbeabsichtigten Technikfolgen, die für Streitigkeiten zwischen Ober- und Unterliegern sorgten, stellten im Fall der Via Nova schon der Bau selbst und die daraus

164 Zu dieser Doppelfunktion der hydraulischen Anlagen in der Kopaïs s. Knauss 1992: 40. 165 Dazu ausführlich weiter oben Kapitel III.3.2c.

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entstehenden Wartungsarbeiten den eigentlichen Streitpunkt dar. In beiden Fällen schuf jedoch die ungünstige Topographie zusammen mit einem unberechenbaren Hochwasserregime letztlich die Ausgangslage, mit der die Anwohner sich zu arrangieren hatten. Diese durch naturräumliche Bedingungen gegebene Unsicherheit war dabei nicht nur ein weiterer Faktor, der zu den üblichen nachbarschaftlichen Aushandlungsprozessen noch hinzukam. Vielmehr regte schon allein das Risiko, das von den extremen Pegelschwankungen ausging, zum Handeln an, wodurch das Wasser zum treibenden Faktor in den langjährigen Auseinandersetzungen wurde. Die nordafrikanische Überlandstraße, die nun einmal durch besonders raues Gelände führte, war nach ihrer Anlage ein permanenter Zankapfel zwischen den Anliegergemeinden, sodass sich schließlich der Kaiser einschalten musste. Der teure Bau sollte trotz der wiederkehrenden schweren Flutschäden zur Nutzung erhalten bleiben. Dazu mussten nicht zuletzt wegen der Finanzierungsfrage jeweils die Zuständigkeiten geklärt werden, die sich im Falle der Via Nova besonders schwierig gestalteten. So wurden die Zuständigkeiten zwischen privaten Anliegern und Städtebund insofern möglichst gerecht aufgeteilt, als die Pflege des Straßenbelages den Anliegern oblag, während die aufwendigen und kostenintensiven Brückenbauten vom Städtebund als Gemeinschaft übernommen wurden. Nachdem es mehrfach erneut zu Beschwerden wegen zu hoher Wartungskosten gekommen war, wurde einige Zeit später eine Straßennutzungsgebühr für Wagen erhoben, die einer der Gemeinden zugutekam. Dadurch sollte endlich die Finanzierung der Wartungsarbeiten geklärt werden. Finanzierung, Aufsicht und Wartung mussten auch für das regulierte Kopaïsbecken geklärt werden. Außerdem zeigten sich dort ungewollte Nebeneffekte eines funktionierenden Hochwasserschutzes: Kommunale Nachbarschaftsstreitigkeiten um Grenzen und Nutzungsrechte. So waren gerade durch den gelungenen Einsatz von Technik neue Streitherde und Abhängigkeiten entstanden, die vor allem politischer und juristisch-administrativer Natur waren, rein technologische Belange jedoch kaum betrafen. Die „unpersönliche Herrschaft“ Roms in Form von Infrastrukturbauten schuf neue Pflichten für den Prinzeps und neue Abhängigkeiten der Stadtgemeinden in der Kopaïs.166 Ähnlich wie an der Via Nova waren verschiedene Kaiser über Jahrzehnte hinweg mit dem Fall beschäftigt. Letztlich waren die Langzeitfolgen des Technikeinsatzes auch andernorts auf dem Territorium des Römischen Reichs zu spüren. Die Drainage größerer Gebiete zur Gewinnung von Ackerland erhöhte in der Folge im gesamten Reich das Hochwasserrisiko. Verstärkt kam es zu Erosion, was sich schon in der Allgegenwärtigkeit der Alluvionsklage in den technischen Schriften der Feldmesser und Juristen zeigt, die zudem immer weiter verfeinert und ausdifferenziert wurde. Während der Römerzeit erhöhte sich der Anteil an Schwemmerde in vielen Flüssen massiv, wodurch es verstärkt zum Delta-

166 Deeg 2019: 157 f.

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vorbau und zur Ausbildung von Flussmäandern kam.167 So wird deutlich, dass auch landwirtschaftliche Techniken, die keine monumentalen Wasserbauten hervorbrachten, zu anthropogenem Landschaftswandel führen und dabei sogar das Hochwasserrisiko weiter verschärfen konnten. Die antiken Beobachter waren sich dieser hausgemachten Gefahren durchaus bewusst, doch überwogen auch hier die Vorteile, die aus Rodungen und Ausweitungen des Ackerlandes entstanden. In manchen Fällen traten die Nebenwirkungen des Technikeinsatzes auch erst nach Auflassen der römischen Infrastrukturen zutage. So lässt sich im Umfeld einstiger Regulierungswerke, z. B. am Lacus Fucinus und Lacus Velinus, am Ausgang der Spätantike und zu Beginn des Frühmittelalters ein Wiedervernässen und eine sukzessive Veränderung der Landschaft feststellen. Dadurch veränderten sich zwangsläufig auch deren Nutzungsmöglichkeiten. Was mittelfristig die gewünschten Erfolge erzielte, konnte also auf lange Sicht dennoch erhebliche Nachteile für die Bevölkerung bringen. Auch darin offenbart sich die Ambivalenz von Technik.168 Nicht minder offenbaren sich hier zudem die unterschiedlich getakteten Zeithorizonte von Gesellschaften (z. B. der des Römischen Reichs), von einzelnen Individuen (z. B. von Planern und Erbauern) sowie von leblosem Material (hier die baulichen Strukturen): Planer und Erbauer haben vor allem die aktuelle Gesellschaft im Sinn, während die Strukturen selbst, einmal errichtet, teils noch Jahrhunderte später präsent sind und dementsprechend auch nachfolgende Gesellschaften maßgeblich beeinflussen können – sei es als funktionstüchtiger Bau, als Ruine oder gar als Steinbruch. Letzteres hängt wiederum davon ab, ob die jeweilige Gesellschaft die Infrastruktur aufrechterhalten kann oder will und, falls zutreffend, in welchem Maße. Dieser Aspekt kann gemäß Ian Hodder als „human-thing entanglement“ konzeptionell gefasst werden.169 Aus ähnlichen Überlegungen hält es Leveau auch für unangebracht, bei den großen römischen Entwässerungsanlagen von „Erfolgen“ oder „Misserfolgen“ zu reden: Letztlich seien Neben- und Langzeitwirkungen sowie die gegenseitige Abhängigkeit bei derartigen Großbauprojekten normal und gehörten dazu.170 Im Falle der nordafrikanischen Bewässerungsdämme im Wadi Megenin traten die ingenieurstechnischen Schwierigkeiten hingegen schon recht früh zutage.171 Das Stan-

167 Für die vergleichsweise hohe Erosionsaktivität im antiken Mittelmeerraum können verschiedene natürliche und anthropogene Einflussfaktoren verantwortlich gemacht werden, wobei das menschliche Zutun die ohnehin vorhandenen starken Verlandungsprozesse zusätzlich intensiviert hat; dazu zusammenfassend z. B. Müllenhoff 2005: 10–12 mit Hinweisen auf weiterführende Studien. 168 Renn 2014; Chahim 2018. 169 Zu den unterschiedlichen Zeitskalen von Dingen, einzelnen Menschen und Gesellschaften, die das Nutzungsverhältnis in ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis verwandeln, s. Hodder 2012; Hodder 2011. Der ‚entanglement‘-Aspekt ist ein wichtiges Wesensmerkmal von Technik. 170 Leveau 1993: 8. 171 Vita-Finzi/Brogan 1965; Schnitter 1994: 71 f.; außerdem weiter oben Kapitel III.2.3d.

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dardmaterial des römischen Wasserbaus, das wasserfeste opus caementicium, bewährte sich in dem ungewohnten Umfeld nicht auf Dauer.172 Und auch im kleineren Umfang äußerten sich unterlassene Wartungsmaßnahmen in Form von graduellen Veränderungen der Landschaft. Unbeabsichtigt bildete sich aufgrund der verlandeten Brückenbögen aus der Mäanderbrücke bei Milet schließlich ein Damm heraus, der den südlichen Flussarm dauerhaft ablenkte. So konnten punktuelle technische Eingriffe in den Wasserhaushalt lokal begrenzt ebenfalls nachhaltige landschaftliche Veränderungen bewirken, die von den Erbauern in der Form niemals intendiert waren. Dies gilt selbst da, wo eine Wartung erfolgte. Insofern kann Environmental Coherence nur als fortlaufender Prozess begriffen werden, der sich beständig neuen natürlichen, technologischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen hat, um nicht irgendwann einmal überholt zu sein. IV.3.3 Flutereignisse zwischen transzendenter Deutung und aktiver Vorsorge Ein wichtiges grundsätzliches Anliegen der vorliegenden Studie war es, aufzuzeigen, welchen Erkenntnisgewinn die Einbeziehung von Quellen aus dem Verwaltungsund Planungskontext bieten können: die antike Fachschriftstellerei ebenso wie die schriftlosen materiellen Quellen, vom Reliefbild über bauliche Reste bis hin zu archäologischen Bodenbefunden und geowissenschaftlichen Modellierungen. Hatte in der historischen Katastrophenforschung zur römischen Kaiserzeit vor allem in ihren Anfängen noch eine Konzentration auf die Historiographie und auf Quellen aus dem Umfeld der kaiserlichen Herrschaftsrepräsentation vorgeherrscht, die deshalb nur wenige Aussagen über Vorsorge treffen konnte, konnten in der vorliegenden Arbeit neue Aspekte antiken Vorsorgehandelns offengelegt werden, die sich hauptsächlich in anderen Quellenbeständen finden ließen. Sie legen nahe, dass eine aktive, routinierte und meist auch effektive Auseinandersetzung mit Hochwasser überall in den Alltagspraktiken verankert war, was sich vor allem anhand der materiellen Quellen und der technischen Schriften zeigen ließ. Allein, in letzteren Quellen werden die Praktiken meist nicht explizit als Vorsorgemaßnahme gegen Hochwasserschäden bezeichnet. Brücken etwa, oder die Kombination aus Furt und Fähre, die an ein und demselben Fluss je nach Pegel zum Einsatz kommen konnte, werden selbst in den antiken Schriftquellen nicht als Maßnahmen für Flutzeiten bezeichnet und sind dennoch mit wechselnden Pegelständen zu assoziieren. Ebenso wenig wurden solch diverse Mittel und Maßnahmen wie beispielsweise Flussabschnittsgefährte, Fährzölle, Bewässerungsstaudämme oder gar die sommerlichen Kanalreinigungen in den Quellen explizit mit Hochwasservorsorge in Verbindung

172

Shaw 1984: 151–155.

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gebracht. Dennoch trugen sie dazu bei, die Hochwasserperiode möglichst unbeschadet zu überstehen. So war der aktive Umgang mit Flusshochwasser – oder besser: mit wechselnden Wasserständen – derart in der antiken Lebenswelt verwurzelt, dass er der althistorischen Katastrophenforschung letztlich weitgehend verborgen geblieben ist. Viel prominenter sind in den Schriftquellen hingegen die Auseinandersetzungen um die religiöse Deutungsmacht bereits vorgefallener Flutereignisse dokumentiert. Bereits in der Einleitung zu dieser Studie (I.2.3) wurde festgehalten, dass sich die althistorische Katastrophenforschung gerade in ihren Anfängen besonders auf mentale und religiöse Bewältigungsmuster konzentriert hat. Besonders eindrücklich hat Holger Sonnabend religiöse Deutungen von Flussüberschwemmungen (aus der Antike) und technisch-administrative Lösungsansätze (aus der Moderne) einander im direkten Vergleich gegenübergestellt.173 Für die modernen Verhältnisse stellt er als entscheidende Charakteristika den Aspekt des Vorbereitetseins auf künftige Katastrophen heraus, die er in baulichen Schutzkonstruktionen ebenso manifestiert sieht wie etwa fortlaufende Naturbeobachtungen und Messungen, aus denen sich Prognosen erstellen lassen. Katastrophenschutzpläne für den Ernstfall zählt er ebenfalls dazu.174 Dem stellt er als symptomatisches Fallbeispiel die nicht zuletzt wegen „religiöser Bedenken“ gänzlich ausgebliebene Tiberregulierung unter Tiberius nach dem Hochwasser von 15 n. Chr. entgegen (auf sie wird gleich noch näher einzugehen sein), ohne die administrativen Neuerungen und die wenige Jahrzehnte später in Angriff genommenen Regulierungsmaßnahmen am Unterlauf in den Blick zu nehmen.175 So habe man sich in Rom letztlich weiterhin an den „tradierten Empfehlungen der Sibyllinischen Bücher“ orientiert, um auch im Kontext der Tiberüberschwemmungen die pax deorum aufrechtzuerhalten,176 obwohl eine bauliche Vorsorge „technisch möglich gewesen“ wäre.177 Darin lässt sich freilich leicht eine Teleologie erkennen, laut der sich eine passive Haltung gegenüber Naturgefahren in der Vormoderne mit der Zeit zu einer aktiven 173 174 175

176 177

Sonnabend 1999: 236–245; Aldrete 2007: 196–198 und 232–239. Zu dieser Aufzählung s. Sonnabend 1999: 236 f. Sonnabend 1999: 237–242, speziell zu den „religiösen Bedenken“ in einem eigenen Kapitel (ebd.: 238–241); vgl. ebd.: 244. Die fehlenden Berichte zur Katastrophenvorsorge in den von ihm konsultierten Quellen deutet er letztlich dahingehend, dass eine solche Vorsorge „politisch nicht erwünscht“ gewesen sei, vornehmlich deshalb, weil sich der Herrscher als Katastrophenhelfer in besonderem Maße zu seinen eigenen Gunsten habe profilieren können (ebd.: 242). Dieser Gedankengang ist freilich nicht völlig von der Hand zu weisen und geht im Kern auf die berühmte Klage Kaiser Caligulas zurück, laut der sich in dessen Herrschaftszeit zu wenige Katstrophen ereignet hätten; Suet. Cal. 31; dazu Deeg 2019: 73. Auch dem Gedanken Sonnabends, dass das „Toben der natürlichen Elemente“, hier wohl insbesondere bezogen auf Hochwasser, vielleicht gar nicht zwangsläufig überhaupt als Katastrophe angesehen worden sei (Sonnabend 1999: 242), ist grundsätzlich zuzustimmen; für Ausführungen dazu s. bereits weiter oben in der Einleitung zur Konzeption dieser Arbeit (I.2.1). Leider führt Sonnabend diesen letztgenannten Gedanken an der Stelle nicht weiter aus. Sonnabend 1999: 241. Sonnabend 1999: 242.

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Haltung gegenüber Naturrisiken in der Moderne entwickelt habe.178 Allerdings ist die qualitative Vergleichbarkeit der gegenübergestellten Praktiken kritisch zu hinterfragen. So scheint es heuristisch wenig sinnvoll, kulturelle Praktiken der transzendenten Deutung mit Praktiken aus dem konkreten Verwaltungs- und Planungskontext direkt vergleichen zu wollen, um daraus eine epochenübergreifende Entwicklung abzuleiten. Ferner ist zu bedenken, dass Deutungen im Nachgang an ein Schadensereignis aufkommen, während Diskussionen um Prävention prospektiv auf ein Schadensereignis blicken – obschon sie durchaus durch einen Schadensfall angeregt worden sein können. Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Studie weniger die Deutungen als vielmehr die technisch-administrativen alltagspraktischen Aspekte des römischen Umgangs mit Flüssen in den Mittelpunkt gestellt, was mithilfe eines äußerst heterogenen Quellenmaterials realisiert wurde. Religiöse Praktiken wurden darin vor allem im Verbund mit eben jenen alltagspraktischen Umgangsformen offenbar, etwa in Gestalt von Opferzeremonien und Weihungen zur Eröffnung von Wasserbauten zwecks ihrer Entsühnung, die durch das Aufstellen von Altären oder das Anbringen von Baudekor auf Dauer gestellt wurde. Nach dem römischen do ut des-Prinzip, demzufolge die Interaktion zwischen Götter- und Menschenwelt als fortlaufend reziproker Prozess stattzufinden hatte,179 waren solcherlei Praktiken fester Bestandteil des römischen Alltagslebens und somit auch des alltäglichen Umgangs mit Hochwasser und Flutrisiko. Eine aktive Hochwasservorsorge außerhalb oder besser komplementär zur religiösen Sphäre gab es also auch im Römischen Reich, was erst offenbar wird, wenn die Quellenauswahl in entsprechenden Studien dahingehend erweitert wird und nicht auf der antiken Deutungsebene verharrt oder allein bei der staatlichen Katastrophenhilfe im Nachgang an eine Überschwemmung stehenbleibt. Besonders in den technischen Schriften – den Feldmesserschriften und den Rechtskorpora – finden sich kaum bis gar keine Verweise auf religiöse Praktiken, was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass religiöse Opferungen und vergleichbare Angelegenheiten nicht zum professionellen Aufgabenrepertoire der Juristen oder Gromatiker gehörte.180 178

Auf diese Art und Weise wird dies in mehreren soziologischen Studien meist älteren Datums noch dargestellt; s. etwa Luhmann 1991: 16 f.; Bröckling 2008: 40; Makropoulos 1990; Makropoulos 2001; diesen Standpunkt für die Alte Geschichte kritisch hinterfragend nun Deeg 2019: 207; dazu weiter oben in der Einleitung (I.2.3). Auch bei Hannig 2015: 34 klingt diese Auffassung letztlich noch an, obgleich er die Gültigkeit jenes Postulats offen anzweifelt und für mittlerweile überkommen erklärt; dazu Hannig 2019: 14 mit Fn. 22 für entsprechende Studien aus der geschichtswissenschaftlichen Forschung. 179 Gragg 2004: 70 f.; das Prinzip findet sich implizit etwa im Gebet Catos wieder im Kontext der suovetaurilia eines Landbesitzers (Cato agr. 141). 180 Vgl. Meissner 1999: 29, der darauf verweist, dass sich die antike Literatur für religiöses Personal von Schriften mit eher praktischer Ausrichtung in ihrer Schwerpunktsetzung grundsätzlich unterschied, da jeweils ganz verschiedene Details von Relevanz waren, während andere Aspekte wiederum gar nicht behandelt wurden.

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Ähnlich steht es um die bereits angesprochene transzendente Deutung von Hochwassern speziell in Rom. Bei der von Tacitus überlieferten Senatsdebatte nach dem verheerenden Tiberhochwasser von 15 n. Chr. wird besonders deutlich, wozu eine zu stark an den Postulaten des Modernenarratives orientierte Quelleninterpretation führen kann: Das dem Modernenarrativ verpflichtete Postulat, die Vormoderne habe die Religion über all ihr Handeln gestellt und wegen ihres Götterglaubens keine aktiven Vorsorgemaßnahmen gegen Naturgefahren vorangetrieben, ließ eine weiterführende Recherchearbeit in den Quellen offenbar überflüssig erscheinen.181 Seitens der Reatiner schien bereits alles gesagt zu sein.182 Eine breitere Quellenanalyse hat in der vorliegenden Arbeit jedoch zu einer Reihe weiterer Interpretationsmöglichkeiten geführt, die die breit rezipierte Lesung jener Textstelle neu kontextualisiert. Diese Lesung soll keinesfalls suggerieren, dass religiöse Vorstellungen beim Tiberregulierungsprojekt tatsächlich keinerlei Rolle gespielt hätten. Aber da unter Tiberius’ Nachfolgern vor allem das Mündungsgebiet des Tibers nachhaltig umgestaltet und von einem komplexen Netz künstlicher Schifffahrtskanäle durchzogen wurde, kann nicht von einer grundsätzlichen Zurückhaltung gegenüber einer Umgestaltung des Flusses die Rede sein. Vielmehr spielten wohl doch eher andere Gründe bei der Entscheidung gegen die Regulierung des Einzugsgebietes eine Rolle, wozu vermutlich technologische und finanzielle Defizite zu zählen sind. Noch war der römische Wasserbau unter Tiberius nicht so weit ausgereift wie unter den nachfolgenden Kaisern: Die Eindämmung des einst von Dentatus geschaffenen Auslasses am Veliner See war mit den vorhandenen technischen Mitteln in tiberischer Zeit womöglich gar nicht zu realisieren. Außerdem wäre das Projekt (von bisher nie dagewesenem Ausmaß) auch in seinen Auswirkungen kaum abzuschätzen gewesen und daher zu riskant. Vor allem aber sind politische Überlegungen des Prinzeps gegenüber den Oberliegern wohl ausschlaggebend gewesen, ebenso wie weitere, nicht zuletzt persönliche Gründe zwischen dem Prinzeps und verschiedenen anderen Protagonisten in der entsprechenden Senatsdebatte. Trotz der dauerhaften Einrichtung eines neuen Amtes zur Tiberaufsicht im Nachgang an die Flut von 15 n. Chr., in dessen Kompetenzbereich es fiel, negative Auswirkungen von Flusshochwassern niedrig zu halten, kam es in Rom jedoch auch weiterhin immer wieder zu schweren Flutereignissen, was ein Blick in die Historiographie und andere Schriftquellen bestätigt.183 Seiner Verwunderung darüber, dass die Hauptstadt des Römischen Reichs nicht einmal mithilfe der durchaus vorhandenen Ingenieurstechnik vor Überschwemmungen sicher gemacht worden sei, hat neben Sonn-

181 182 183

Sonnabend 2013: 34–36; Engels 2002: 203, Fn. 27; Montero Herrero 2012: 302–307; Aldrete 2007: 188; Campbell 2012: 118 f.; dazu Kapitel III.2.1a. Tac. ann. 1,79,3. Cass. Dio 58,26,5; Tac. hist. 1,86; Plut. Otho 4,7; Suet. Otho 8,5–6; Aur. Vict. 13 und 32; Plin. epist. 8,17; SHA Hadr. 21,6; SHA Pius 9,3; Fasti Ostienses; SHA M. Aur. 8; Cass. Dio 79,25,5; Amm. 29,6,17–18; Beda chron. 589; Claud. Gild. 41–43.

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abend insbesondere Aldrete Ausdruck verliehen, der selbst immerhin die bisher umfassendste Studie über Überschwemmungen in der antiken Stadt Rom vorgelegt und entsprechende Quellen eingehend untersucht hat: [T]he construction of the ancient Roman dock facilities demonstrates that the Romans did indeed possess the engineering skills necessary to have constructed embankments of sufficient size to prevent flooding, if they had chosen to do so. Therefore, the inability to protect the city from inundations of the embankments they did erect is not the result of a failure of engineering but must instead be viewed as a conscious choice.184

Über die Hintergründe jener „bewussten Entscheidung“ stellt er mehrere Überlegungen an, die ihm jedoch kein einheitliches Bild zu ergeben scheinen. Er nennt verschiedene stadtplanerische und bautechnische Faktoren innerhalb Roms, beispielsweise die gute Absicherung der Lebensmittel- und Wasserversorgung für die Stadtbevölkerung, die nur mäßig von Fluten betroffen gewesen sei und für die es im Notfall rasch zu organisierende Alternativen gegeben habe.185 Dem ist ausgehend von seiner Quellengrundlage grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings schätzt Aldrete in seinem Fazit erstens den Flutschutz in der Stadt Rom generell als völlig unzureichend ein186 und zweitens interpretiert er die in seinen Augen fehlende Motivation für den Bau eines effektiveren Hochwasserschutzes zwar nicht ausschließlich, aber letztlich auch als religiös bedingt: This investigation has inevitably led to one question: why didn’t the Romans do more to prevent flooding when they had the means to do so? (…) Finally, uncertainty over the best method for flood prevention and religious scruples over altering the Tiber also played a role in the inability to commit to a comprehensive flood prevention scheme.187

Sicherlich geht er nicht fehl in der Annahme, dass dem Tiber als Fluss der Hauptstadt des Weltreichs eine nicht zu unterschätzende sakrale Bedeutung zukam. Als Identitätsstifter und Mittler zwischen Göttern und Menschen kam ihm sowohl in der republikanischen Tradition des Vorzeichenwesens eine wichtige politische Deutung zu als auch im politischen System des Prinzipats, wenn auch unter veränderten Voraussetzungen. Vor allem in politisch unruhigen Zeiten schien den Hochwassern besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden zu sein, sowohl von religiösen Amtsträgern als auch von der Stadtbevölkerung.188 Deeg betont in diesem Zusammenhang folgerichtig, dass magische Rituale, die etwa als Antwort auf ein Schadensereignis durchgeführt wurden, ge-

184 Aldrete 2007: 196–198. 185 Aldrete 2007: 232–239. 186 Das macht er schon im Titel seines Schlusskapitels deutlich, das mit „The Romans’ Failure to Make Rome Safe from Floods“ überschrieben ist (Aldrete 2007: 232). 187 Aldrete 2007: 238. 188 Dazu s. weiter oben Kapitel II.2.

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mäß der antiken Vorstellung als präventive Maßnahme anzusehen sind – sollten sie doch in der Zukunft zu erwartende Schäden abwenden.189 Dasselbe gilt für magische Schutzamulette und vergleichbare Gegenstände. Zu denken ist hier etwa an das Ablakkon, welches Tiberius den Einwohnern Antiocheias zum Schutz vor Überflutungen übergab.190 So mag so manch antike Handlungsweise auf den ersten Blick nur wenig nachvollziehbar erscheinen, wie beispielsweise auch die Praktik, neu errichtete Wasserbauten zu entsühnen. Allerdings wurde durch derlei Entsühnungskulte die technische Leistungsfähigkeit der Bauten keineswegs gemindert, wohl aber wurde der Bau dadurch in seinen kulturellen Entstehungs- und Nutzungskontext eingebunden:191 Die Environmental Coherence der Technik im Einklang mit Gesellschaft und Umwelt wurde rituell inszeniert oder besser noch demonstrativ evoziert.192 Praktiken können – und sollten – daher nicht getrennt von ihrem kulturellen und historischen Kontext betrachtet werden, weil sonst selbst bei einer wissenschaftlichen Betrachtung die Gefahr besteht, unbewusst mit modernen und daher für frühere Gesellschaften inadäquaten Vorstellung an antike Handlungslogiken heranzutreten. Der Environmental Coherence-Ansatz, der technische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Aspekte gleichermaßen in den Blick nimmt, hat sich in dieser Studie deshalb als hilfreich erwiesen. In jedem Fall sollte klargeworden sein, dass erst die analytische Einbettung der römischen Vorsorgemaßnahmen in ihren kulturellen und historischen Kontext es ermöglicht hat, die Maßnahmen in ihrer Funktion und Reichweite nachzuvollziehen. Treffend mahnt Rogers mit Blick auf die römische Stadtplanung an: „Most analyses of the workings of ancient Rome draw on modern attitudes to planning, public health, safety and hygiene when there would have been a different set of attitudes and stimuli in operation in the past.“193 Doch eben dies könnte Aldrete dazu verleitet haben, sich über die „Unfähigkeit“ der römischen Stadtverwaltung zu wundern, durchgängig hohe Uferbefestigungen in Rom angebracht und die Stadt somit sicherer vor Überschwemmungen gemacht zu haben. Implizit setzt er damit ähnlich wie

189 Deeg 2019: 136. 190 Ioh. Mal. 10,9; Downey 1961: 654; Deeg 2019: 58; allgemein zu Amuletten als Schutz von Wasserbauten s. Montero Herrero 2012: 129. 191 So wurden nach antikem Verständnis alle natürlich induzierten (potentiellen) Extremereignisse in einen kosmologischen Gesamtkontext gebracht, der transzendente Komponenten enthielt; Traina 1988: 29–33; Sonnabend 1999: 158 f.; allgemeiner bezogen auf das gesellschaftlich notwendig erscheinende Bedürfnis von „Kultreligionen“ oder „Ritualreligionen“, das Funktionieren des Universums fortlaufend rituell aufrechtzuerhalten, s. Assmann 2000: 152–155. 192 Mittels Opferungen und Riten, etwa zur Einweihung und Entsühnung von Wasserbauten, wurde wohl im Sinne von Jan Assmann (Assmann 2000: 152–155) ein gesamtgesellschaftlicher Anspruch darauf geltend gemacht, trotz der technischen Veränderungen auch weiterhin im Einklang mit der gemeinschaftlich genutzten Technik und Umwelt zu leben („rituelle Kohärenz“). 193 Rogers 2013: 19; ähnlich bereits Traina 1988: 109; zu den Kriterien römischer Risikoabwägung bezogen auf Wasserbauten s. auch Walsh 2013: 116 f. sowie neuerdings Ingate 2020; Rogers 2020.

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Sonnabend voraus, dass ein effizienter Hochwasserschutz nur technisch-baulicher Natur sein könne. Den Verbesserungen auf administrativer Ebene, die mit dem Amt der Tiberaufsicht erreicht und sukzessive erweitert wurden, gesteht er keine entsprechende Bedeutung zu. Außerdem lässt sein Urteil erkennen, dass er dem Hochwasserschutz oberste Priorität beimisst gegenüber der vielfältigen gewerblichen Nutzung des Tibers und seiner Ufer im Stadtraum Roms, die ohne die öffentliche, ungehinderte Zugänglichkeit von Fluss und Ufer nicht hätte aufrechterhalten werden können. Freilich ist mit Olivia F. Robinson trotz allem davon auszugehen, dass mindestens im stadtrömischen Bereich nur noch wenige frei zugängliche Uferflächen vorhanden waren, da sich dort Werften, Kaimauern, Uferbefestigungen und Lagerhallen nahezu nahtlos aneinanderreihten.194 Dafür vermutet sie hinter jenen Strukturen, die wohl mehrheitlich im Laufe des 1. Jahrhunderts n. Chr. entstanden, eine zusätzliche zweite Funktion, nämlich die des Flutschutzes.195 Dass in der Historiographie dennoch weiterhin von Überschwemmungen in Rom berichtet wird, zeugt zwar sicherlich davon, dass die Strukturen keinen besonders stark ausgeprägten Hochwassern standzuhalten vermochten,196 doch zeugt es auch davon, dass die Nähe zum Flussufer für viele Gewerbe und Alltagsaktivitäten so grundlegend war, dass gelegentliche Überflutungen in Kauf genommen wurden.197 Das „außergewöhnliche Normale“ von Flusshochwassern innerhalb und außerhalb der Stadt Rom äußert sich in dem Umstand, dass keinerlei Hilfsgesuche von anderen Städten im Reich bekannt sind, die nach Fluthilfe verlangt hätten. Die Fälle von Reate und Alba Fucens scheinen in der Hinsicht zu sehr in politische Angelegenheiten und persönliche Verbindungen hochrangiger stadtrömischer Personenkreise verwickelt, als dass sie als reine Hilfegesuche von auswärts gewertet werden könnten.198 Und selbst bei der kaiserlichen Einbindung in die Bauaktivitäten rund um die Via Nova oder im Kopaïsbecken handelte es sich nicht etwa um eine von den Provinzialen eingeforderte Katastrophenhilfe als unmittelbare Folge einer Überschwemmung, sondern vielmehr um die Bitte um Vermittlung in kommunalen Nachbarschaftsstreitigkeiten sowie um die Forderung von professioneller ingenieurstechnischer und finanzieller Unterstützung bei der Errichtung und beim Unterhalt suprakommunaler Infrastrukturbauten. 194 Robinson 1994: 90. 195 Robinson 1994: 89. 196 Dennoch liegen für die Prinzipatszeit des 1. und 2. Jh. n. Chr. insgesamt weniger Flutberichte vor als für die Zeit der mittleren und späten Republik. Neben Veränderungen des politischen Stellenwertes von Prodigien im Prinzipat können durchaus die Umgestaltung des Tiberdeltas sowie die koordinierte Flussunterhaltung durch die Tiberkuratoren als dafür verantwortliche Faktoren angesehen werden; vgl. Heide 1997: 153; s. dazu Kapitel III.2.1. 197 Vgl. Aldrete 2007: 9, der durchaus selbst diesen Gedanken äußert, ihn im Fazit allerdings nicht als wesentlichen Entscheidungsfaktor näher ausführt. 198 Zum Lacus Velinus und Reate s. Kapitel III.2.1a; zum Lacus Fucinus und Alba Fucens s. Kapitel III.2.2b; zu den direkten Verbindungen zu stadtrömischen Angelegenheiten s. zudem im vorigen Kapitel IV.2.2, Fn. 149.

V. Römische Hochwasservorsorge zwischen Management und Prävention: Ein Fazit

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stand die Frage, wie im Römischen Reich auf alltäglicher Basis mit Flusshochwassern und Flutrisiken umgegangen wurde. Die Feststellung, dass die Erforschung präventiver Praktiken angesichts latent drohender Naturgefahren bisher eher vernachlässigt worden ist, gab Anlass zur Bearbeitung dieser Fragestellung.1 Insbesondere die verbreitete Lehrmeinung, dass Vorsorge gegenüber Naturrisiken vom römischen Prinzeps als politisch nicht erstrebenswert angesehen worden sei und sich entsprechende Vorsorgemaßnahmen deshalb kaum herausgebildet hätten, sollte kritisch überprüft werden.2 Ausgangspunkt war der erklärungsbedürftige Umstand, dass die insgesamt gut bezeugten Hilfsmaßnahmen, die der Prinzeps im Katastrophenfall leistete, außerhalb der Stadt Rom keine Fluthilfen nach Flussüberschwemmungen umfassten. Somit war zu untersuchen, inwieweit Überschwemmungen überhaupt in diejenige Kategorie von Naturkatastrophen einzureihen sind, die – außerhalb Roms – maßgeblich durch kaiserliche Hilfsleistungen bewältigt wurden. Da es sich bei Flusshochwasser zudem um ein saisonal auftretendes Phänomen handelte, das überall im Reich in unterschiedlicher Ausprägung auftrat, blieb angesichts der eben genannten Feststellung zu vermuten, dass Hochwasser und potentiell davon ausgehende Überflutungen Teil des Alltags waren. Praktiken zur Flutvorsorge und zur Minderung des Überflutungsrisikos sollten demnach in die römischen Nutzungsformen von Flüssen und Uferbereichen von vorn herein eingebunden gewesen sein. Außerdem prägten Wasserläufe ohnehin ganzjährig die Landschaft, wodurch auch die flutgefährdeten Zonen weitgehend feststanden. Dies wiederum legt nahe, dass ein vorsorgendes Handeln sich primär auf diese Zonen konzentriert haben dürfte, um das Überflutungsrisiko zu mindern.

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Vgl. Deeg 2019: 203–207. Darunter besonders prominent Sonnabend 1999: 242; weitaus differenzierter und vorsichtiger auch Deeg 2019: 207–210, 245. Für beide ist freilich hervorzuheben, dass sich ihre Aussagen auf Naturkatastrophen im Allgemeinen beziehen, nicht ausschließlich auf die wesentlich besser zu bewältigenden Flussüberschwemmungen im Besonderen.

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Römische Hochwasservorsorge zwischen Management und Prävention: Ein Fazit

Risiko wurde in der vorliegenden Studie als Bedrohung verstanden, von der die historischen Akteure selbst glaubten, sie prinzipiell aktiv bewältigen zu können. Der Begriff der Vorsorge fungierte seinerseits als Oberbegriff eines jeden zukunftsgerichteten Handelns zur Schadensbewältigung. Vorsorgehandeln äußert sich soziologischen Konzepten zufolge zudem in zweierlei Modi: zum einen in Form von Prävention als Kontingenzvermeidung, zum anderen in Form von Management als Kontingenzbewirtschaftung. Während Management sich auf das tatsächliche Eintreten einer absehbaren Risikosituation konzentriert und sich mit den potentiellen Folgen zu arrangieren sucht, zielt Prävention darauf ab, bereits das Eintreten einer risikobehafteten Situation zu unterbinden. In der Arbeit wurde also grundsätzlich von einer aktiven Auseinandersetzung der antiken Akteure mit natürlich induzierten Risiken ausgegangen. Dies steht im Gegensatz zu der verbreiteten Auffassung, dass eine aktive Risikobewältigung durch Prävention ein spezifisches Charakteristikum der Moderne sei, wie es im Rahmen der Meistererzählung der Moderne häufig postuliert wurde.3 In der Studie wurde dieses gängige Postulat auf übergeordneter Ebene kritisch hinterfragt. Durch den Perspektivwechsel weg vom Schadensereignis hin zum vorsorgenden Umgang mit Hochwasserrisiko ergab sich als Konsequenz ein erweitertes Quellenrepertoire sowie ein praxeologischer Zugang zu den Quellen: Neben antiken Katastrophenberichten und panegyrischen Dankesbezeugungen für die zumeist kaiserlichen Restaurierungsmaßnahmen stand eine Vielzahl an schriftlichen und schriftlosen Quellen zur Verfügung, die Aufschluss über die Einbindung von Gewässern und flutgefährdeten Zonen ins antike Wirtschafts- und Alltagsleben gaben. Daraus eröffnete sich die Möglichkeit, das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Kultur, Technologie und Flusslandschaft nachzuzeichnen, durch das der römische Umgang mit Flusshochwasser geprägt war. Für die analytische Erforschung der antiken Vorsorgepraktiken wurde in der Studie auf das Environmental Coherence-Konzept von Heymann zurückgegriffen.4 Dieses Konzept zielt auf eine dichte und zugleich detaillierte Beschreibung der Mensch-Umwelt-Beziehung innerhalb ihres historischen Kontexts ab, die zudem als äußerst dynamischer Prozess begriffen wird. Kulturelle Vorprägungen und gesellschaftliche Verhaltensmuster waren also ebenso Teil der Untersuchung wie etwa politische Institutionen, der Stand der Technik, wirtschaftliche Interessen und geographische Gegebenheiten. Das Analysekonzept eignete sich deshalb auch gut für vergleichende Studien innerhalb des Römischen Reichs, beispielsweise vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Klimata und Hochwasserregime, aber auch angesichts der verschiedenen vorrömischen Kultursubstrate. Der Studienzeitraum erstreckte sich vom Prinzipat des Augustus bis zur Regierungszeit Caracallas, wobei in Einzelfällen auf mittel- und spätrepublikanische Ent-

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Dazu z. B. Scheller 2017: v. a. 306. Heymann 2009; Heymann 2014; Heymann 2019.

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wicklungen rekurriert und je nach Fallbeispiel teils bis in die Spätantike ausgegriffen wurde. Als Analysegrundlage diente ein Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung von Wasserläufen im Römischen Reich und auf die Auswirkungen, die ein Hochwasser in dem Rahmen hervorrufen konnte. Es zeigte sich, dass die wenig regulierten und dadurch stark mäandrierenden Flussläufe samt ihrer Uferbereiche einer Vielzahl unterschiedlicher Nutzungen unterlagen, wobei die Schifffahrt bei größeren Gewässern die dominierende war. Zwischen Treidelschifffahrt, Ackerbewässerung und Düngung ließen sich neben negativen sehr wohl auch positive Auswirkungen von Flusshochwassern ermitteln, sodass eine klare Unterscheidung zwischen regulären Hochwassern und extremen Überschwemmungen weder möglich war noch heuristisch sinnvoll erschein. Zum Einstieg in die Studie wurde in einem ersten Schritt die sprachlich-diskursive Einbindung von Flusshochwassern in die römische Kultur betrachtet. So variierten die lateinischen Begrifflichkeiten für Hochwasser je nach zeitlichem und sachlichem Kontext, was wiederum auf die Ambivalenz von Hochwasserereignissen verweist. Grundsätzlich ließ sich im Quellenmaterial jedenfalls ein reziprokes Verhältnis zwischen divinisierten Gewässern einerseits und den sie nutzenden Gemeinschaften andererseits erkennen. Abschließend wurden antike Wissensbestände über die natürlichen Ursachen für Flusshochwasser zusammengetragen, die sich zum einen aus den zahlreichen Schriften zu den Nilfluttheorien und aus der geographischen Literatur sowie aus Inschriften erschließen ließen, zum anderen aber auch aus Topoi in den antiken Sintflutmythen. Die in diesen Quellen enthaltenen Aussagen ließen auf einen insgesamt reichen und differenzierten Fundus an naturkundlichem Erfahrungswissen zu Flutcharakteristika schließen. Im Hauptteil der Arbeit wurden verschiedene kulturelle Praktiken zur Hochwasservorsorge aus unterschiedlichen Gegenden des Römischen Reichs untersucht, wobei je nach Fallbeispiel jeweils juristische, ingenieurstechnische, administrativ-organisatorische und städtebauliche Aspekte herausgearbeitet wurden. Bodenrechtlich dienten etwa die Ausweisung zusätzlicher Uferstreifen oder die großzügige Bemessung legaler Flussbreiten primär der Hochwasservorsorge. Ausgehend von dieser Erkenntnis ließ sich sogar eine Eintragung auf dem sogenannten ‚Kataster von Lacimurga‘ neuinterpretieren: Erstmals konnte eine bislang als Straße identifizierte Linie als (anderweitig in den Quellen belegte) Maximalbreite des Flusses Ana erkannt werden. Wo trotz solcher Sicherheitsvorkehrungen noch Schäden auftraten, regelten allgemeine Rechtsgrundsätze die Streitfragen. Unter jenen Schäden war die Inbesitznahme neu angeschwemmten Landes ein ebenso häufig auftretender Streitpunkt wie die Frage nach Zuständigkeiten für die Wiederherstellung von weggeschwemmten Grenzmarkierungen oder beschädigten Uferbefestigungen. Auf Gemeindeebene wurde die Schadensbehebung in manchen Fällen gar aus Steuern bestritten, die unmittelbar aus der Fluss-, Straßen- oder Brückennutzung stammten. Die Städte am Mäander etwa griffen dazu auf die Einnahmen aus dem Fährbetrieb zurück, wobei diese Praktik zugleich in regi-

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onale kultische Bräuche eingebunden war: Als Schadensverursacher wurde der Fluss Mäander selbst von den Anliegergemeinden rituell zu Strafzahlungen verurteilt. Auf dieser Grundlage sahen sich die Gemeinden dann dazu legitimiert, sich für die Schadensbegleichung an den Fähreinnahmen des Flusses zu bedienen. Aus dem ingenieurstechnischen Bereich lässt sich eine große Bandbreite an unterschiedlichen wasserbaulichen Maßnahmen nachweisen, die primär archäologisch und epigraphisch überliefert sind. Literarische Nachweise fehlen oftmals völlig, doch dafür sind die materiellen Quellen umso aufschlussreicher. Die Bandbreite des in der Studie analysierten Flut- und Erosionsschutzes, der entweder durch Inschriften direkt nachweisbar oder durch heutige ingenieurstechnische Einschätzung wahrscheinlich ist, reicht von einfachen Uferbefestigungen über Drainagen bis hin zu umfangreichen Kanalanlagen, Flussumleitungen, Tunneln und Talsperren. Darunter sind zum Beispiel die komplexen Flutschutzanlagen von Seleukeia Pieria oder die Wasserbauten von Antiocheia in Syrien schon wegen ihrer schieren Größe und Langlebigkeit besonders hervorzuheben. Selbst bis zu einem gewissen Grad steuerbare Seeabsenkungen haben römische Wasserbauer realisiert, so etwa am Fuciner See. Der Koordination und dem Unterhalt der technischen Infrastruktur wurde ein eigenes Kapitel gewidmet, da auch bei länger andauernden Überschwemmungen oder im Falle größerer Flutschäden die Kommunikation und Versorgung über Wasserwege und Straßen möglichst aufrechtzuerhalten war. In Gegenden, wo besonders heftige Hochwasser auftreten konnten, mussten Straßenbeläge durch Substruktionen verstärkt und zudem häufig repariert werden. Auffallend schlank gehaltene Brückenpfeiler oder fensterartige Durchlässe in ihnen sollten bei Hochwasser für zusätzliche Entlastung sorgen. Ebenso mussten Bewässerungs- und Schifffahrtskanäle robust und flutsicher konstruiert werden, damit die gewerblichen Aktivitäten auf Fluren und Flüssen sichergestellt waren. Dazu war ihre regelmäßige Wartung und Pflege (zum Beispiel durch Ausbaggerung und Säuberung) nötig, die strikt reglementiert war. In Rom wurde eigens die cura riparum et alvei Tiberis geschaffen, die mit der Überwachung des Flussbettes und der Uferbereiche betraut war. Vorkehrungen zur Minderung potentieller Flutschäden zu treffen war eine der Hauptaufgaben des Amtes, freilich immer abgestimmt auf die verschiedenen Interessensgruppen, die die Hafenkanäle und Flussufer gewerblich nutzten. Andernorts übernahmen Stadträte oder andere lokale Institutionen diese Aufgabe. Vornehmlich aus (geo-)archäologischen Studien wurde als letzter Aspekt die Einbindung von Flutrisiken in Stadtplanung und Städtebau untersucht. Zum einen folgte die städtische Topographie in der Regel den hydrologischen Gegebenheiten des Siedlungsplatzes, indem Niederungen, wenn möglich, gemieden wurden oder Baugrund künstlich erhöht wurde. Zum anderen wurden Bautechniken ausgebildet, die auf wasserdurchtränktem oder flutgefährdetem Baugrund für eine störungsfreie Drainage sorgten. In manchen Gegenden Galliens, Norditaliens oder Hispaniens besonders verbreitet war etwa die Entwässerung mittels kopfüber in den Boden eingelassener

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Amphoren. Dadurch wurden die Gefäße einer Zweitnutzung zugeführt, die im Grunde langlebiger war als ihre primäre Bestimmung zum Lebensmitteltransport. Komplexere Baustrukturen wie Brücken oder Hafenanlagen, die unmittelbar im und am Wasser errichtet werden mussten, wurden entweder aus wasserfesten Materialien wie opus caementicium gefertigt oder aus leichten Holzkonstruktionen, die nach einer Flut problemlos und gegebenenfalls an anderer Stelle rasch wiedererrichtet werden konnten, so etwa der Portus Pisanus. Insgesamt konnte also ein umfassendes vorsorgendes Handeln gegenüber dem latenten Flutrisiko in der römischen Antike festgestellt werden, das prinzipiell beide Modi der Vorsorge einschloss: Sowohl Praktiken des Managements als auch der Prävention waren aus den Quellen zu erschließen, wobei das Management klar überwog. Antike Hochwasservorsorge im Sinne der vorliegenden Arbeit umfasste also vor allem die Bereitschaft, sich auf die saisonalen Pegelschwankungen einzulassen und sich in erster Linie auf ein Management der variierenden Wasserstände und der wechselhaften Flussverläufe zu konzentrieren, und weniger auf meist kosten- und wartungsintensive präventive Maßnahmen, für die außerdem spezialisiertes Ingenieurswissen vonnöten war. In der Synthese wurden die systematisch aufgearbeiteten Flutvorsorgepraktiken abschließend aus drei übergeordneten Perspektiven unter Zuhilfenahme des Environmental Coherence-Konzepts betrachtet. 1. Äußerungen des Risikobewusstseins: Über den gesamten Studienzeitraum ließen sich verschiedene Entwicklungen in der auf Flutschutzbauten bezogenen Rhetorik feststellen. Während zu Beginn des Prinzipats Flüsse noch „besiegt“ und „bezwungen“ wurden, übte man in der Formulierung von Wasserbauinschriften seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts deutliche Zurückhaltung. Nun wurden den ausgeuferten Flüssen Dienste erwiesen, indem man ihnen mittels Deichbauten „die Ufer zurückgab“. Noch drastischer fand sich dieser Wandel in Bauinschriften der Severer dokumentiert, die auf die „Verteidigung“ der Ufer angesichts der „Gewalt“ der Flüsse hinweisen. Vermutlich hatten klimatische Veränderungen zu diesem Wandel beigetragen, die gepaart mit ersten Ausfällen der Wasserbauten oder deren Nebenwirkungen regional zur Intensivierung von Flutsituationen führten. Bereits wenige Jahrzehnte später ist jedoch wieder eine generelle Rückkehr zur Dominanzrhetorik im Umfeld von Wasserbauten zu beobachten. Was die Bewältigung unterschiedlicher Hochwasserregime im Reich angeht, die je nach geographischer Lage, Topographie und anderen Faktoren stark variierten, ließ sich besonders in den Feldmesserschriften ein gewisser Lernprozess greifen, der lokal verankertem Erfahrungswissen mit der Zeit immer mehr Relevanz beimaß. Möglicherweise hatten sich bewährte Methoden des Wassermanagements, die die römischen Bauingenieure und Gromatiker aus dem italischen Mutterland mitbrachten, in ungewohnten geographischen Kontexten wiederholt als ungeeignet erwiesen. Mit anderen Worten: Es fehlte wohl anfänglich die Environmental Coherence zwischen der exportierten Technik und den örtlichen Gegebenheiten, die sich die Verantwortlichen

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durch Experimentieren und Beobachten sowie im Austausch mit der ortsansässigen Bevölkerung erst aneignen mussten. Eine Praktik, bei der diese Form der Wissensaneignung allerdings nicht zum Tragen kam, war die Pegelmessung. Trotz der Bedeutung des Nilpegels für die Vorausberechnung der Steuerbeiträge aus Ägypten wurde das Prinzip der Pegelermittlung nicht auf andere Fließgewässer übertragen. Stattdessen hielten die Feldmesser an der Ausmessung von Flussbreiten fest, so wie in juristischen Abhandlungen die rechtskräftige Definition von Flussbett und Flussufer durchgehend relevant und zugleich umstritten blieb. Anscheinend entsprach es der Environmental Coherence des römischen Betrachters naturnaher Auenlandschaften und Trockentäler eher, anstelle des Wasserstandes in erster Linie die jahreszeitlich variierenden Flussbreiten zu registrieren. Diese wurden denn auch mittels cippi im Raum markiert und auf öffentlich aushängenden Katasterkarten festgehalten. 2. Einbindung der Flussdynamik in den Alltag: Flüsse in der römischen Antike waren weitaus naturnäher als die heutigen großräumig umgestalteten Flusslandschaften und regulierten Fließgewässer. Sie verhielten sich dynamischer (durch Flussverlagerungen und Mäanderbildung) und bildeten vielerorts sumpfige Flussauen und Feuchtgebiete aus, die als integraler Bestandteil antiker Flusssysteme zu begreifen sind. Entsprechende Formen der Bewirtschaftung und Wertschätzung sind daher auch in den Quellen greifbar. Was in einigen Forschungsarbeiten als „Scheitern“ antiker Drainageprojekte bezeichnet wird, etwa im Falle des Fuciner Sees oder des Kopaïsbeckens,5 kann also primär auf die fundamental unterschiedliche Wertschätzung von Seen mit angeschlossenen Sumpfgebieten in der Antike und heute zurückgeführt werden. Ein vollständiges Trockenlegen war in den genannten Fällen unter den antiken Lebensumständen nie intendiert. Da das Überschwemmungsrisiko in beiden Beispielregionen nach jahrelangen Anstrengungen anscheinend tatsächlich langfristig abgemildert werden konnte, sind die Projekte also durchaus als effektiv anzusehen. Dass die natürliche Dynamik von Fließgewässern und der amphibische Charakter von Uferzonen als fester Bestandteil der damaligen Flusslandschaften betrachtet wurde, ließ sich auch an der Art und Weise gut greifen, wie Feldmesser und Juristen entsprechende Phänomene (Erosion, Inselbildung und Flussverlagerungen) fortwährend diskutierten. Von der Jahreszeit abhängige Nutzungsformen von Flüssen, Bächen und Uferbereichen sorgten schließlich dafür, dass flutbedingte Schäden auf ein Minimum reduziert werden konnten und ohne staatliche Hilfe zu bewältigen waren. Lediglich bei großräumigen, komplexen Umgestaltungsmaßnahmen leisteten insbesondere die Kaiser der ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderte umfangreiche finanzielle, materielle und personelle Unterstützung. So war Flusshochwasser wegen seines saisonalen Auftretens eine weitaus besser zu bewältigende Form von Naturphänomen als beispielsweise Vulkanausbrüche, Erdbeben oder meerseitige Flutwellen. Antikes

5

In diesem Sinne z. B. Osgood 2011: 188 f.; Jones 2014B; Radke 1979; Deeg 2019: 157.

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Vorsorgehandeln gegenüber Flusshochwasser lässt sich also nicht einfach aus dem Verhalten gegenüber anderen Naturrisiken extrapolieren. Insofern sind Flusshochwasser im Sinne von Gerhard Waldherr noch viel mehr als das „außergewöhnliche Normale“ anzusehen als die von ihm so bezeichneten Erdbebenereignisse im antiken Mittelmeerraum.6 3. Rivalitäten: Flüsse und Uferzonen erfuhren in der Antike eine vielgestaltige Nutzung durch unterschiedliche Interessensgruppen, weshalb ihre freie Zugänglichkeit essentiell wichtig war. Statt einem baulichen Hochwasserschutz absolute Priorität zuzugestehen, wurde versucht, zwischen den oft konträren Interessen zu vermitteln. Dazu entstand in Rom das Amt der Tiberaufsicht, während andernorts meist der Stadtrat oder andere lokale Institutionen für entsprechende Aufgaben zuständig waren. Was auf den ersten Blick also wie ein unbegründetes Zögern gegenüber künstlichen Flussregulierungen aussehen mag, war wohl weniger religiös oder technologisch begründet als vielmehr dem Umstand geschuldet, dass Flüsse und Ufer im römischen Alltag vielerlei Funktionen gleichzeitig erfüllten und deren Nutzung und Umgestaltung deshalb hart umkämpft und zudem juristisch streng reguliert war. Dass frühere Studien, die sich vor allem auf die staatliche Katastrophenhilfe konzentrierten, zu anderen Schlüssen kamen, überrascht wenig angesichts ihrer andersgearteten Herangehensweise, die ein deutlich eingeschränkteres Quellenreservoir behandelte: Hilfsmaßnahmen seitens des Prinzeps werden vor allem in historiographischen Quellen thematisiert, die ihrerseits kaum Informationen über Vorsorgemaßnahmen enthalten. Zur Erforschung der Letzteren war deshalb die Konsultation anderer Quellenbestände nötig. Vor allem die technischen Schriften der Gromatiker, Juristen und Agronomen waren aufschlussreich, ähnlich gaben cippi und Bauinschriften vereinzelte Blicke frei auf römische Umgangsformen mit Hochwasser führenden Flüssen. Die Schriftquellen konnten zudem durch schriftlose materielle Quellen ergänzt werden, was das Spektrum der Erkenntnisse über antikes Risikoverhalten erweiterte, vor allem mit Blick auf jene Praktiken und Projekte, die in den antiken Schriftwerken keinerlei Spuren hinterlassen haben (z. B. Drainagemethoden, Baugrunderhöhungen, Brückenbautechniken). Zu betonen ist zudem, dass selbst viele schriftlich belegten Vorsorgepraktiken in den Quellen nicht explizit als solche gekennzeichnet sind und deshalb nicht leicht zu identifizieren sind (z. B. Einrichtung eines temporären Fährverkehrs, hohe Brücken über Trockentäler und Rinnsale). Resümierend lässt sich festhalten, dass die Aufmerksamkeit in der antiken Hochwasservorsorge zwar in vielerlei Hinsicht vor allem den agrarisch genutzten ufernahen Böden galt, doch auch für städtische Zonen ein großes Repertoire an wasserbaulichen wie nicht-technischen Vorsorgemaßnahmen existierte. Im Wesentlichen entsprachen die gängigsten Praktiken – von Rechtsnormen über die Ausweisung von Überschwem-

6

Waldherr 1997.

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mungsflächen bis hin zur künstlichen Flussregulierung und dem Wasserrückhalt – den heutigen Methoden der Hochwasservorsorge. Die eigentlichen Unterschiede zwischen dem römischen und dem heutigen Umgang mit Flusshochwasser sind daher vor allem im kulturellen Bereich angesiedelt. Diese kulturellen Unterschiede im Umgang mit Flusshochwasser auf mentaler wie auf alltagspraktischer Ebene sind besonders hervorzuheben. Viele römische Verhaltensweisen und Handlungslogiken im Hinblick auf Flusshochwasser sind nicht zu verstehen, ohne eine breitere Perspektive auf die antike Lebenswelt einzunehmen. Das Leben und Wirtschaften am Fluss muss als Ganzes betrachtet werden, um die feststellbaren Reaktionen, Regelungen und Prinzipien nachvollziehen zu können. Vor allen Dingen können Effizienz und Reichweite römischer Hochwasservorsorgemaßnahmen nicht auf der Grundlage moderner Paradigmen bewertet werden, da dies der antiken Lebenswelt, in welche die Maßnahmen zwangsläufig eingebettet waren, nicht gerecht würde, sei es nun im kultischen oder im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Die Anwendung des Environmental Cohrence-Konzepts hat sich in dieser Hinsicht als äußerst hilfreich erwiesen. Die auf den Fluss bezogenen gewerblichen Tätigkeiten und Strukturen waren zwar einerseits besonders flutgefährdet, andererseits aber auch auf die Ufernähe oder gar den direkten Zugang zum Wasser angewiesen. Das Risiko, von gelegentlichen extremen Hochwassern betroffen zu sein, wurde also offenbar in Kauf genommen, solange der Nutzen zu überwiegen schien. Daher hingen menschliche Aktivitäten am Wasser aufs Engste mit der Inkaufnahme des Überflutungsrisikos zusammen. Doch kann keine Rede davon sein, dass dies ein Zeichen mangelnden Gefahrenbewusstseins oder gar ein Zeichen von Hilflosigkeit und Resignation war.7 Treffend stellt schon Lübken fest: Gerade die Geschichte von Flussüberschwemmungen lässt sich aber nicht schreiben, ohne auf die Wechselseitigkeit dieser Beziehung einzugehen. Nur weil die Gesellschaft vom Fluss profitierte, konnten Überschwemmungen überhaupt zu einem Problem werden. Nähe zum Wasser bedeutete eben nicht nur Exponiertheit gegenüber Naturgefahren, sondern bot auch und gerade ökonomische Anschlussmöglichkeiten. Das eine war ohne das andere oft nicht zu haben, und die Menschen […] waren sich dieser Wechselwirkung durchaus bewusst.8

Vor diesem Hintergrund wird klar, dass eine reine Katastrophengeschichte zu Überschwemmungen im Römischen Reich immer nur eine Seite der Medaille beleuchten wird, während die Seite der Risikofreude, des Anpassungswillens und der Berechnung eines möglichen Nutzens im Verborgenen bleibt. Die vorliegende Studie möchte in

7 8

Vgl. Schmidt 2000; Rohr 2003: 37. Lübken 2014: 23.

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der Hinsicht einen Beitrag dazu leisten, dass jene Seite der Medaille – die der Vorsorge – in kommenden Forschungsarbeiten als unverzichtbares Komplement zur Katastrophengeschichte wahrgenommen wird: als eine an die antiken Lebensumstände angepasste Form der aktiven Bewältigung von Naturrisiken.

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Geographisches Register Die Verweise auf „Rom“ beziehen sich hier ausschließlich auf die Stadt Rom und umfassen lediglich die Stellen im Buch, in denen stadtrömische Ereignisse (insbesondere Hochwasser) oder konkrete stadtgeschichtliche Entwicklungen thematisiert werden. Geographische Namen aus dem griechischen Sprachraum werden in lateinischer Umschrift, aber in der Regel nicht in latinisierter Form wiedergegeben. Achaia 98 f., 280 Acheloos 113 Fn. 118, 114 Fn. 124, 115 Fn. 128, 197 Fn. 171 Africa 111 Fn. 106, 293 Africa Proconsularis 101 Fn. 48 Afrika 44, 69, 85 Fn. 347; – Nordafrika 68 Fn. 255, 69, 72, 74, 83–86, 99, 101 Fn. 48, 127, 140, 156 Fn. 13, 173, 187 Fn. 126, 205 Fn. 209, 252, 267, 288, 291–295, 297–303, 308, 343, 352 Fn. 911, 376 Fn. 53, 383 Fn. 76, 385, 407 f. Ägäis 350 f. Ägypten 30 Fn. 74, 43, 94, 110, 121–127, 130, 135, 167 f., 170–172, 181 Fn. 101, 196 Fn. 159, 226 Fn. 320, 280, 335 f., 347–351, 367 Fn. 10, 384, 389–391, 396, 422 Akarnanien 113 Fn. 118 Akraiphia 242 Karte 6, 245–248, 406 Alba Fucens 22 Fn. 43, 115 Fn. 128, 254 Karte 7, 255, 261 f. Alcántara 320, 325 Fn. 780 Alexandria 137 Fn. 229, 276, 335, 340 Fn. 851, 403 Alpen 22 Fn. 43, 44, 69, 85 Fn. 347, 130, 134 f., 136 Fn. 225 f., 294 Fn. 657, 304–308, 376 Fn. 53, 383; – Alpenvorland 85 Fn. 347, 133 Alpes Graiae 59 Fn. 213, 135, 306, 373

Amiternum 107 Amphitheatrum Flavium (Kolosseum) 327, 342 Fn. 860 Ana (Gadiana) 126 Fn. 180, 151–162, 152 Karte 2, 154 Abb. 1, 164–166, 176, 317 Fn. 754, 321, 322 Fn. 776, 323, 325, 329, 351, 385 f., 419 Anatolien 21 Fn. 40, 114, 180, 291 Angitia 261 Fn. 498 f. Antiocheia (Karien) 118, 178 Karte 3, 180 Antiocheia (Syrien) 22 Fn. 43, 114, 118, 269 f., 269 Karte 8, 283–289, 314 Fn. 741, 329, 348 Fn. 893, 372, 405, 420 Apenninen 130, 133 f., 206 Apollonbrücke über den Volturnus 377 Fn. 54 Apollontempel (Palatin) 110, 218 Fn. 269, 226 Fn. 316 Apulia 56 Arabischer Golf 139 Aralsee 139 Fn. 241 Arausio (Orange) 60 Fn. 219, 155–162, 161 Abb. 4, 165 Araxes 116 Fn. 133, 368 Fn. 22 Arelate 363 Argolis 126 Fn. 180 Aricia 106 Arles s. Arelate Ärmelkanal 117 Fn. 138

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Armenien 139 Arno 219, 359 Arretium 107 Asi Nehri s. Orontes Asien (Kontinent) 69 Asien (Provinz) 123 Fn. 162, 183–187 Fn. 124, 281, 312 Fn. 735 Atesis 101 Athen 144 Fn. 270, 280 Athen (Boiotien) 246 Äthiopien 122, 124, 127 f., 130, 137 Fn. 229 Atlantik 72, 86 Fn. 357, 138, 141, 200 f., 321, 341 Fn. 856, 385 Augusta Emerita (Mérida) 64 Fn. 237, 117 Fn. 140, 151–160, 152 Karte 2, 154 Abb. 1, 166, 291, 304 Fn. 692, 317 Fn. 754, 320 Fn. 763, 321, 322 Fn. 776, 324 Fn. 778, 325, 329, 386 Augustusforum 81 Fn. 327 Aurès 68 Fn. 255 f., 86 Fn. 356, 294 Fn. 657 f., 302 Fn. 690 Avens (Velino) 206, 208–210, 212–214, 216 f. Aventin 106 Axima 135, 136 Fn. 224, 305 f., 373 f. Babylonien 139 Baetica 59 Fn. 216, 76 Fn. 293, 137, 151 Fn. 3, 200–206, 303 Fn. 691, 339, 342 Fn. 863, 343, 344 Fn. 869 Baetis 76 Fn. 293, 78 Fn. 303, 143 Fn. 261, 192, 199 Fn. 180, 200 Karte 4, 200–205, 202 Abb. 6, 303, 321 Fn. 772, 339–342, 345 Fn. 873, 352, 359, 394 Fn. 127 Bagradas (Medjerda) 100, 205 Fn. 209 Baiae 117 Bergintrum 305 f., 373 Bithynien 252, 331 Fn. 812 Bordeaux 316 Fn. 752 Borgo Appio 311 Fn. 725 Britannien 27 Fn. 65, 62 Fn. 231, 74, 352 Fn. 911 Butzbach 354 Caelius 82 Caesaraugusta (Saragossa) 354–359 Caieta 77 Fn. 297 Calabria 56 Campania s. Kampanien Campus Martius s. Marsfeld Capua 106, 183 Fn. 113, 310, 311 Fn. 725, 369

Çark Suyu s. Melas (Kleinasien) Cascate delle Marmore 208 f., 215, 217, 219 f., 222, 224 Castulo 96 Fn. 31, 303, 344 Fn. 869 Çevlik 268 China 20 Fn. 32, 140 Fn. 141 Cirta (Constantine) 299 Karte 9, 297–303 Clanis 218 f., 232 Cloaca Maxima 14, 233 Fn. 359, 338, 368 Clusium 104 Colorado River 139 Fn. 241 Constantine s. Cirta Corduba 78 Fn. 303, 200 Karte 4 Corese 215 Fn. 250 Cremona 82, 157 Fn. 17 Cures Sabini 214 Fn. 244 Dara 290 Didyma 197 Donau 87 Fn. 361 f., 103 Fn. 59, 115 Fn. 130, 138, 227, 260 Fn. 495, 314 Fn. 741, 329 Fn. 804, 330 Fn. 808 Druentia 133 Fn. 211 Durance s. Druentia Ebro s. Iberus Echinai 197 Fn. 171 Eisentor (Antiocheia) 283–286 Eisernes Tor (Antiocheia) s. Eisentor Eisernes Tor (Donau) 227, 260 Fn. 495, 314 Fn. 741, 329 Fn. 804 El Arrouch 96 Fn. 31 Eleusis (Boiotien) 99, 246 Elis, 114 Ephesos 22 Fn. 44, 281, 244, 406 Eridanos s. Po Etrurien 233 Etsch s. Atesis Euböischer Golf 243 Eupalinos-Tunnel 268 Euphrat 14 Fn. 8, 72, 115 Fn. 130, 121 Fn. 151, 138 f., 269 Europa 69, 184 Fn. 116, 234 Fn. 365, 244; – Europäische Kommission 244 – Mitteleuropa 68, 70 f., 91 – Nordeuropa 62 – Westeuropa 264 Forum Romanum 105 Fn. 75 Florentia 219

Geographisches Register

Formiae 77 Fn. 297, 107 Forum Claudii Ceutronum 306 Fucinus Lacus 22 Fn. 43, 73 Fn. 284, 115 Fn. 128, 116 Fn. 132, 213 Fn. 243, 237 Fn. 381, 253–264, 254 Karte 7, 266, 377, 381 Fn. 66, 400 f., 408, 415 Fn. 198 Galatia 304 Fn. 692 Gallaecia 328 Gállego 354 Gallia Narbonensis 155, 340 Fn. 852 Gallia Togata 135 Gallien 44, 74, 158 Fn. 17, 160, 187 Fn. 124, 352 Fn. 911, 354, 420 Genil s. Singilis Germania Inferior 103 Fn. 59 Germania Superior 103 Fn. 59, 311 Fn. 728, 360 Fn. 949 Germanien 75 Fn. 289 Gla 245, 309 Fn. 717 Golf von Neapel s. Neapel Griechenland 16 Fn. 15, 30, 43, 72, 113 Fn. 118, 126, 241, 245 Fn. 413 Grönland 68 Guadalimar 303 Guadalquivir s. Baetis Guadiana s. Ana Hagios Demetrios 247 Fn. 428 Helikon 248 Fn. 433, 265 Fn. 516, 386, 387 Fn. 96 Hellespont 117 Fn. 139, 331 Henchir Mettich 100 Fn. 44 Herakleia 196 Fn. 166 Herkyna 246, 248 Himella (Salto) 206, 208 Hispalis (Sevilla) 63 Fn. 234, 78 Fn. 303, 98, 178 Fn. 89, 200, 200 Karte 4, 202 Abb. 6, 339–340, 342, 359 Hispania Tarraconensis 103 Fn. 59 Hispania Ulterior 151 Fn. 3 Hispanien 44, 63 Fn. 232, 81 Fn. 322, 83, 96 Fn. 31, 126 Fn. 180, 138, 152 Karte 2, 200 Karte 4, 290 Fn. 640, 291, 294 f., 295 Fn. 663, 317 Fn. 754, 321 Fn. 772, 325, 329 Fn. 805, 342, 354, 420; – Südhispanien 74, 295 Hispellum 232 Fn. 354 Huerva 354–359

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Iber Onubense (Baetica) 137 Iberische Halbinsel 7, 43, 72, 84 Fn. 342, 86 Fn. 357, 138, 141, 143 Fn. 261, 151, 265 Fn. 517, 291, 303, 321, 347, 406 Iber, Iberus (Ebro) 137, 347, 354 Ilerda 90 Fn. 9, 137 Ilipa Magna 78 Fn. 303, 200 Karte 4, 342 Fn. 863 Interamna Nahars 206, 207 Karte 5, 215–219 Ionien 102 Isara (Isère) 135, 305 f. Isère s. Isara Isthmos von Korinth 276 Fn. 572 Italica 200 Karte 4, 202 Abb. 6 Italien 42 Fn. 137, 43, 81 Fn. 323, 83, 101 Fn. 50, 126, 130, 140, 153, 157 Fn. 17, 176, 177, 205 Fn. 209, 219, 241, 248 Fn. 453, 259, 260 Fn. 495, 278, 291, 293, 304 f., 307, 347 Fn. 888, 352 Fn. 911, 367, 400; – Mittelitalien 69, 73, 140, 207 Karte 5, 254 Karte 7, 377, 383 Fn. 76, 400 – Norditalien 354, 420 – Süditalien 370 Iulium Carnicum 308 Japan 20 Fn. 32 Jordanien 268 Juliopolis 304 Fn. 692 Justinianopolis 197 f. Kampanien 72, 165 Fn. 40 Karien 118, 179, 180 Fn. 100 Karthago 214 Fn. 245, 100 Kaystros 31, 32 Fn. 83, 199 Fn. 180, 275, 281 f., 282 Karte 14, 296, 312 Fn. 735 Keltiberien 351 Kephissos 241, 246, 248 Kilikien 79, 275, 325 Kirnau 360–362 Kleinasien 22 Fn. 44, 43, 85, 102, 126, 177, 281, 311, 313 Fn. 737, 401 Fn. 153 Köln 186 Fn. 120, 316 Fn. 752 Kolosseum s. Amphitheatrum Flavium Kopai 242 Karte 6, 245 Fn. 412, 246 f. Kopaïs 60 Fn. 220, 246, 248, 252, 264 Fn. 513 f., 265–266, 298, 301, 347 Fn. 886, 387 Fn. 96, 406 f. Kopaïsbecken 60, 64 Fn. 237, 73 Fn. 284, 115 Fn. 128, 227, 228 Fn. 325, 241–253, 242 Kar-

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Geographisches Register

te 6, 263 f., 265 Fn. 516, 300 f., 309 Fn. 717, 346 Fn. 880, 401, 405–407, 415, 422 Korinth 276 Fn. 572 Koroneia 242 Karte 6, 246–251, 252 Fn. 452, 265 Fn. 516 Kydnos 79, 113, 137, 275 Lacimurga 151, 152 Karte 2, 157–162, 158 Abb. 2, 160 Abb. 3, 164 Lakissa 64 Fn. 237 Lamasba 83 Fn. 340 Lambaesis 298, 299 Karte 9, 300 Fn. 678, 301 Fn. 684 Lanuvium 106 Latmischer Golf 192, 197 Fn. 169, 281, 312 Lerna 114 Levante 173, 321 Libyen 86 Fn. 356, 292, 302 Fn. 690 Liguria 101 Fn. 50 Ligustinus Lacus 200 Karte 4, 200–206, 202 Abb. 6 Lincolnshire 314 Fn. 744 Liris 254 Karte 7, 255, 263, 371 London 316 Fn. 752, 352 Fn. 911 Lugdunum 358 Fn. 938 Lydien 180 Fn. 100 Lykos 378 f.; als generischer Name für Flüsse 113 Lyon s. Lugdunum Mäander 31, 32 Fn. 83, 62 Fn. 226, 85, 119 Fn. 162, 177–188, 178 Karte 3, 189 Fn. 133, 191–193, 193 Abb. 5, 196–200, 205, 275, 280 f., 301, 308, 311–314, 333, 352, 389 Fn. 107, 392, 399, 419 f.; – Mäanderbrücke bei Antiocheia 117 f. – Mäanderbrücke bei Milet 333 f., 409 Maghreb 86 Fn. 356, 294 Fn. 658, 303 Fn. 690 Magnesia 196 Fn. 166 Mailand s. Mediolanum Main 361 Fn. 957 Manthites 22 Fn. 44 Mantua 82 Marnas 282 Fn. 602 Marruvium 261 Marsfeld 80, 82, 92 Fn. 18, 116 Fn. 130, 231 Fn. 346, 276 f. Mediolanum 136 Fn. 224, 305, 306 Fn. 702

Medjerda s. Bagradas Melas (Boiotien) 241 Melas (Kleinasien) 328, 331–333 Mérida s. Augusta Emerita Mesopotamien 14 Fn. 8, 121, 139, 167 Fn. 46, 395 Messogis 180 Milet 126 Fn. 182, 178 Fn. 89, 178 Karte 3, 179, 185, 192–200, 193 Abb. 5, 281, 311 f., 313 Fn. 736, 333 f., 409 Milev 298 Fn. 669, 299 Karte 9, 300 f., 308, 343 Fn. 867 Minervia Chullu 298 Fn. 669 Misenum 117 Fn. 139 Mittelmeer, Mittelmeerraum 15 Fn. 12, 20, 27, 28 Fn. 67, 29, 30 Fn. 74, 44, 63 Fn. 233, 68–71, 75 Fn. 289, 84 Fn. 342, 86, 90 Fn. 9, 113, 117 Fn. 138, 121 f., 125–127, 131, 137, 140, 143, 145 Fn. 273, 146 f., 164, 173 f., 179, 192 Fn. 146, 199 Fn. 180, 200 f., 230 Fn. 341, 267, 269 f., 281, 291, 293, 319 f., 326, 331 Fn. 812, 332 f., 334 Fn. 823, 341 Fn. 856, 359, 389, 398, 400, 408 Fn. 167, 423 Mogontiacum 87 Fn. 362 Mosel 330 Fn. 808, 345 Fn. 877 Musa Dağı 270 Mykale 185 Fn. 118 Mylasa 313 Fn. 736 Myous 178 Karte 3, 179, 192–195, 193 Abb. 5, 196 Fn. 166, 281 Naher Osten s. Vorderer Orient Nar (Nera) 103 Fn. 59, 206 f., 207 Karte 5, 215, 217–220 Nauplia 64 Fn. 237 Neapel 113; – Golf von 369, 376 Neckar 76 Fn. 293 Nera s. Nar Neuseeland 307 Fn. 709 Nikaia 101 Fn. 48, 324 f., 331 Nikomedien 252 Nil 20, 21 Fn. 36, 72, 85 f., 113 Fn. 120, 121–130, 135, 137 Fn. 229, 139, 147, 167, 169–172, 222 Fn. 286, 226 Fn. 320, 280, 335–337, 339, 351, 379, 389, 391 f., 398 Fn. 142, 403; – Nilflut/-schwelle 14 Fn. 8, 17 Fn. 17, 20, 86 Fn. 357, 94, 98, 121–131, 134, 137, 147 f.,

Geographisches Register

169, 170 Fn. 59, 171, 181 Fn. 101, 350, 379 f., 391, 419 Nordafrika s. Afrika Nordeuropa s. Europa Nordwestprovinzen 44 Fn. 145, 140 Fn. 242, 311 Novanus 133 Fn. 210 Numidien 96 Fn. 31, 297, 383 Fn. 76 Nysa 180 Fn. 96 Obernburg 361 Fn. 957 Ocriculum 233 Olympia 244 Fn. 406 Onopniktes s. Parmenios Orange s. Arausio Orchomenos 241 Fn. 399, 242 Karte 6, 244 Fn. 404, 247–249, 265 Fn. 516 Orokassias 283 Orontes 22 Fn. 43, 114, 118, 269 Karte 8, 269 f., 283, 286–289, 296, 314 Fn. 741, 329, 372, 405 Oropos 186 Fn. 122 Osterburken 62 Fn. 229, 311 Fn. 728, 352 Fn. 911, 353, 359–363 Österreich 307 Ostia 64, 77 Fn. 297, 90 Fn. 11, 93 Fn. 21, 120 Fn. 147, 127, 207 Karte 5, 227, 230–232, 234 Fn. 364, 235 Fn. 369, 237 Fn. 380 u. Fn. 382, 260 Fn. 495, 275 Fn. 566, 276–278, 279 Abb. 13, 297 Fn. 667, 313 f., 336, 338 Fn. 843, 339, 340 Fn. 851, 352 f., 366 Fn. 5, 367, 375 f., 406 Padua s. Patavium 329 Pantheon 327 Parmenios (Onopniktes) 283–287 Parnass 386, 387 Fn. 96 Patavium (Padua) 329 Peloponnes 44 Peneios 114 Pergamon 186 mit 122 Petra 31 Fn. 82, 268 Petronia amnis 116 Phalaros 246, 249 f. Phrygien 179, 331 Picenum 56, 107 Pisae 359; Portus Pisanus 27 Fn. 65, 359, 397, 421 Pisaurus 153, 166, 175 f., 384, 403

479

Plöckenpass 307, 308 Fn. 715 Po (Eridanos) 82 f., 94 Fn. 94, 129 f., 134–136, 139 f., 167 Fn. 43, 199 Fn. 180, 275, 278 f., 325; – -ebene 44, 82 f., 133, 135, 140 Pomptinische Sümpfe 209, 213 Fn. 243, 276 Fn. 572, 277, 309 Fn. 718, 310, 338 Fn. 841, 366 Fn. 5 u. Fn. 7, 380 Fn. 66, 401 Fn. 153 Pons Sublicius 104 f., 109 Fn. 94, 330 Pons Aemilius 105 Fn. 75, 317 Fn. 755 Pont du Gard 117 Fn. 140, 329 Fn. 804 Ponte Mercato 215 Fn. 250 Pontsa 247 Fn. 428 Portus 93 Fn. 21, 207 Karte 5, 227, 231 Fn. 345, 234–236, 237 Fn. 382, 275, 277 f., 279 Abb. 13, 336, 391 Fn. 118, 406 Praeneste (Nilmosaik) 62 Fn. 226, 124 Fn. 166, 350 Priene 179 Fn. 90, 193 Abb. 5, 196 Fn. 166, 200, 280 Provence 265 Fn. 516 Puteoli 117, 183 Fn. 113, 276, 311, 326, 369 Pyrenäen 137, 309, 380 Fn. 66 Raetia 103 Fn. 59 Ras Skikda s. Rusicade Ravenna 278 Fn. 588, 401 Fn. 151 Reate (Rieti) 206–224, 207 Karte 5, 225 Fn. 307, 277 Fn. 575, 386 Fn. 90, 400, 415 Rhein 74, 103 Fn. 59, 138, 186 Fn. 120, 280, 365 Rhodos 238 Fn. 389 Rhône 27 Fn. 65, 72, 87 Fn. 361, 138, 165, 280, 350 Fn. 901, 363 Rieti s. Reate Rom (Stadt) 13 f., 17 Fn. 21, 18 Fn. 22, 22 f., 43, 48 Fn. 159, 67, 73, 79 Fn. 306, 81 Fn. 324, 82, 91–93, 97 Fn. 36, 101 Fn. 50 f., 103–112, 120, 122, 127, 137, 145, 157 Fn. 15, 167 f., 171, 184 Fn. 115, 186, 206–240, 207 Karte 5, 253–262, 254 Karte 7, 276–278, 297, 304 Fn. 693, 310 Fn. 719, 311, 316 Fn. 752, 317, 318 Fn. 757, 330, 337 Fn. 836, 338 f., 342 Fn. 860 u. Fn. 863, 348, 352, 366–369, 389–391, 399 f., 403–405, 410, 412–415, 417, 420, 423 Rotes Meer 139 Rouen 359 Fn. 940 Rubico 115 Fn. 130 Rusicade (Ras Skikda) 297 f., 299 Karte 9, 302 Fn. 688

480

Geographisches Register

Sabinerland 206, 208, 209 Fn. 224, 214 f., 222 f. Sagaris s. Sangarios Sakarya s. Sangarios Saldae 267 Salpensa 303 Salto s. Himella Salviano Monte 255, 259 Samnium 56, 253, 278 Samos 268, 280 Sanlúcar de Barrameda 202 Abb. 6, 203 Sangarios (Sagaris, Sakarya) 329–333, 380 Fn. 66 Sankt Bernhard Pass (Kleiner St. Bernhard) 305 Saône 64 Fn. 236, 120 Fn. 147 Sapancasee 252, 331 f. Saragossa s. Caesaraugusta Sarno 72 Schwarzes Meer 331 f. Seleukeia Pieria 31 Fn. 82, 267–269, 269 Karte 8, 272, 274, 288, 296, 390 Fn. 111, 398, 405 f., 420 Senus Gallicus 201 Septem Aquae 215 f. Sevilla s. Hispalis Sicoris 329 Fn. 805 Signia 325 Silpios 283, 289 Singilis (Genil) 76 Fn. 293 Southwark 352 Fn. 911 Spanien 320 Staurin 283 f. Straßburg 316 Fn. 752 Stymphalia 114 Subiaco s. Sublaqueum Sublaqueum (Subiaco) 291 Sudan 122 f. Sulmo 133 Syria s. Syrien Syrien (Syria) 139, 269 Fn. 535, 283, 287 Fn. 622, 348 Fn. 893, 372, 378, 420 Tagus 320 Tarsos 275, 325 Taupo 307 Fn. 709 Tempe 215 Fn. 253, 386 Fn. 90 Terracina 276, 277 Fn. 575, 309 Fn. 718

Thamugadi 301 Theben 185 Fn. 118 Thessalien 99, 215 Fn. 253, 386 Thisbe 245 Fn. 410, 265 Fn. 516 Tiber 13 f., 17, 22 f., 25 Fn. 51, 31 Fn. 81, 73 f., 77 Fn. 297, 82, 93, 98 Fn. 40, 103–112, 134 Fn. 215, 135 Fn. 220, 137, 140, 142, 172 Fn. 67, 176 Fn. 83, 206–240, 207 Karte 5, 275–278, 279 Abb. 13, 296, 305 Fn. 698, 314, 318 Fn. 757, 330, 336–340, 346, 349 Fn. 897, 359 Fn. 946, 366, 374, 389–391, 403–405, 410, 412–415, 420, 423; – Tiberinus pater 103 Fn. 61, 120 – portus Tiberinus 239 Tigris 14 Fn. 8, 72, 121 Fn. 151, 138 Tinia 232 Trier 330 Fn. 808 Tripolis 292 Tripontium 277 Fn. 575 Troja 41 Fn. 126 Tunesien 302 Fn. 690 Turano s. Turanus Turanus (Turano) 206, 208, 210 f. Türkei 72, 268 Ucubi 157 Fn. 16, 158 Fn. 18 Uganda 122 Ulla 103 Fn. 59 Umbrien 103 Fn. 59, 222 Ureu 100 Fn. 44 USA 139 Fn. 241 Velabrum 184 Fn. 115, 317, 399 Fn. 145 Velino s. Avens Velinus Lacus 73 Fn. 284, 115 Fn. 128, 206– 227, 207 Karte 5, 381 Fn. 66, 386 Fn. 90, 405, 408, 415 Fn. 198 Venetia 101 Fn. 50 Vesuv 15 Fn. 12, 326 Via Anicia 232 Fn. 353 Via Appia 97 Fn. 36, 209, 277, 309 Fn. 718, 310 f., 366 Fn. 7, 369, 378 Fn. 57 Via Campana 120 Fn. 147 Via Curia 209, 212 f. Via de la Plata 317 Fn. 754, 321 Fn. 772, 323 Via Domitiana 311, 369–372 Via Flaminia 209, 214, 297 Via Nova 288, 297–303, 299 Karte 9, 343, 385, 406 f., 415

Geographisches Register

Victoriasee 122 Vienna (Vienne) 305 Vienne s. Vienna Volturnus 95 Fn. 30, 116 Fn. 133, 165 Fn. 40, 310 f., 368 Fn. 22, 370–372, 376 f., 379

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Vorderer Orient (Naher Osten) 27 Fn. 65, 72, 83, 84 Fn. 342, 114, 127, 146, 289 f., 406 Wadi Megenin 86 Fn. 356, 290–296 Wigford Causeway 314 Fn. 744 Xanten 353 Fn. 916, 354

Personenregister Die römischen Kaiser sind unter ihren gängigen Namen ohne volle Titulatur aufgelistet. Auch die antiken Autoren sind anhand ihrer üblichen Bezeichnung auffindbar und nicht mit vollem Namen gelistet. Andere Personen sind, sofern zutreffend, unter ihrem Gentilnamen zu finden. Flussgötter sind unter den jeweiligen Flussnamen im geographischen Register gelistet. Ablakkon 118, 286 f., 414 T. Accius Secundus 307 Aelius Aristides s. Ailios Aristeides M. Aemilius 254 Fn. 460 Aemilius Iuncus 249 Aemilius Macer ( Jurist) 238 Fn. 386, 299 Fn. 675 L. Afranius 90 Fn. 9 Agennius Urbicus 49 Fn. 164, 50, 52 f., 57 Fn. 206 f., 83 Fn. 338, 84 Fn. 346, 85 Fn. 347, 86 Fn. 356, 93 Fn. 23, 94 Fn. 24, 96 Fn. 32, 135 Fn. 222, 153 Fn. 4, 155, 156 Fn. 12 f., 159, 162, 165, 176, 190 Fn. 138, 191 Fn. 139, 278 Fn. 589, 293, 384, 385 Fn. 86, 393 Fn. 124, 394 Fn. 127, 396 Fn. 134 Agrippina 258 Ailios Aristeides 124 Fn. 166, 127, 316, 322 Fn. 774 Alexander der Große 245, 248 Fn. 434, 368 Fn. 22 Alexander Severus 238 Fn. 386 Amphiktyon 99 Anastasius 640 Ancus Marcius 104 Antoninus Pius 22 Fn. 44, 77 Fn. 297, 95 Fn. 30, 100 Fn. 48, 136 Fn. 223, 164 Fn. 36, 186 Fn. 133, 247, 248 Fn. 435, 251 Fn. 448, 265 Fn. 516, 274, 300 f., 310

M. Antonius 124 Fn. 166, Apollodor von Damaskus (Architekt) 227, 330 Fn. 808 Apollon 115; – Apollon Termintheus 194 f., 195 Fn. 157 f. – Apollon Didymeus 195 Fn. 157 f. Appian 110 Fn. 100 Aquilo 145, 146 Aristophanes 121 Fn. 149 Aristoteles 123, 127 Fn. 188, 388 L. Arruntius 218 f., 227, 229 C. Asinius Gallus 218, 226 f. Asklepios 115 Ateius Capito 218, 227, 229 Attalos II. 281 Augeias 114 Augustus 18 Fn. 22, 24 Fn. 47, 38, 43, 47 Fn. 159, 48 Fn. 159, 54 Fn. 189, 55, 80, 90, 92, 108, 110 f., 111 Fn. 108, 112 Fn. 112, 157 Fn. 17, 169 Fn. 56, 187 Fn. 124, 196, 198, 213, 218 Fn. 269, 226, 228, 229 Fn. 335, 332 Fn. 356, 240, 254, 260, 278 Fn. 588, 298, 305 Fn. 698, 336 Fn. 829, 337, 368, 374, 403, 418 Aurelian 336 Sex. Aurelius Victor 98 Ausonius 77, 345 Fn. 877 Avienus 201 Q. Axius 215 f.

484

Personenregister

Ba’al 146 Fn. 279 L. Baian(i)us 203 Balbus (Feldmesser) 50, 55, 166 Fn. 42, 392 Fn. 121 Bitianos 312 f. Caesar 48 Fn. 159, 90 Fn. 9, 111 Fn. 106, 115 Fn. 130, 137, 144 Fn. 270, 187, 254, 276, 329 Fn. 805, 330 Fn. 808, 365 f. Caligula 117, 257 Fn. 477, 410 Fn. 175 Calpurnius Longus 248 Fn. 435, 249 Caracalla 38 f., 93 Fn. 21, 238 Fn. 386, 252 Fn. 446, 310, 376–378, 379 Fn. 59, 381 Fn. 66, 418 P. Carisius 151 Cassiodor 98, 167 Fn. 45, 238 Fn. 389, 395 Cassius Dio 80, 87 Fn. 362, 105, 110, 151 Fn. 3, 184 Fn. 114, 225, 228 f., 232 f., 237 Fn. 381, 263, 391 Catilina 223 Fn. 291 Cato d. Ä. 46, 348 Fn. 894 Charon 188 Fn. 126 Chnum 168 Fn. 51 Cicero 25 Fn. 50, 84 Fn. 343, 96 f., 145 Fn. 275, 215–217, 220, 222 f., 276 Fn. 572, 277 Fn. 573, 318 Fn. 758, 386 Fn. 90, 400 Fn. 149, 405 Claudius 93 Fn. 21, 116 Fn. 132, 213 Fn. 243, 228, 231, 236–238, 255, 257–259, 262 f., 275– 277, 282 Fn. 602, 367 f., 376 App. Claudius Caecus 366 Fn. 7 Cleopatra 124 Fn. 166 Columella 46, 82 Fn. 333, 85, 145 Fn. 273, 347 Commodus 93 Fn. 21, 135, 136 Fn. 224, 237, 306, 313, 373 Fn. 42, 375 f. Constantin 101, 369 Fn. 24 L. Cornelius Balbus d. J. 82 P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus (Numantinus) 44 M’. Curius Dentatus 208 f., 213 f., 220, 224, 241, 366 Fn. 7, 412 Diocletian 55, 311 Dama 202 Fn. 196, 203 Dardanos 143, 387 Deukalion 96, 99, 143, 387 Dionysos 194 Domitian 55, 274 Fn. 555, 311, 369–372, 377 Cn. Domitius 107

Ennius 103 Fn. 61 Epameinondas 245 f., 248, 252 Eupalinos 268 Eutychides von Sikyon 289 Fn. 634 C. Flaminius 214 Festus 338 Frontinus (curator aquarum) 48, 227 Fn. 323, 366 Fn. 7, 367 Fn. 10 Frontinus (Feldmesser) 49 Fn. 164, 50–53, 56 Fn. 203, 57 Fn. 204 u. Fn. 206, 94 Fn. 26, 155 Fn. 8 u. Fn. 10, 176 Fn. 81, 189 Fn. 130, 385 Fn. 82, 394 Fn. 127 Gabinius 110 f., 187 Fn. 124 Gaius ( Jurist) 76 f., 93 Fn. 22, 190 Fn. 139, 229 Fn. 339, 398 Fn. 141 Gilgamesch 143, 144 Fn. 266 Hadad 146 Fn. 279 Hades 102 Hadrian 22 Fn. 44, 48, 83 Fn. 340, 100 Fn. 48, 119, 205, 222 Fn. 289, 227 f., 231 Fn. 345, 241, 246–249, 252 Fn. 451, 254 Fn. 460, 255, 258 Fn. 485, 261–263, 264 Fn. 514, 265 Fn. 516, 269, 274 Fn. 555, 281– 283, 300, 301 Fn. 687, 310 Fn. 722, 327, 341, 346 Fn. 880, 347 Fn. 886, 377, 380, 406 Hannibal 133 Herakles 114 f., 244, 245 Fn. 410 Hercules 114 Fn. 126, 115 f., 225, 262 Herodot 41 Fn. 131, 123, 126 Fn. 184, 192 Fn. 147, 350 Hesiod 124 Himerios 280 f. Homer 41 Fn. 127, 312, 331 Fn. 811 Horatius Cocles 104 Horaz 310 Fn. 719 C. Hostilius Mancinus 254 Fn. 460 Hydra 114 Hyginus 1 (= maior; Feldmesser) 49 Fn. 164, 53 f., 83 Fn. 338, 86 Fn. 355, 94 Fn. 28, 155 Fn. 11, 156 Fn. 12, 163–165, 171, 176 Fn. 81, 190 Fn. 134, 344 Fn. 872, 385 Fn. 82, 393 Fn. 124 Hyginus 2 (= gromaticus; Feldmesser) 49 Fn. 164, 53–55, 57 f., 157 Fn. 15 u. Fn. 17, 170 Fn. 63, 393 Fn. 123 Invidia 117 Iohannes Malalas 283 Fn. 609, 287 Fn. 618

Personenregister

Iohannes Tzetzes 121 Fn. 149 Iris 145 f. Isidor von Sevilla 98, 178 Fn. 89 Isis 125 Iunius Nipsus bzw. Nypsus s. Nipsus C. Iulius Epikrates 196 Ti. Iulius Ferox 172 Fn. 66, 231, 236, 238 Fn. 387, 239 Sex. Iulius Maior 300 Sex. Iulius Possessor 340 Jakob 99 Jupiter 102, 145 f., 146 Fn. 279, 308, 361 Fn. 955 Justinus 138 Justinian 44, 48, 98, 112 Fn. 112, 197 Fn. 169, 198, 275, 283–286, 324 f., 329–333 Juvenal 97 Fn. 37, 337 Kalliope 289 Kekrops 99 Krates 245 f. Laokoon 41 Fn. 126 Lars Porsenna 104 Livius 81, 90 Fn. 11, 107, 183 Fn. 113, 187 Fn. 125, 254 Fn. 460 Lucius Verus 135, 247, 251, 305, 307, 340, 373–375, 378 Lucullus 115 Fn. 130 Lukan 58 Fn. 208, 121 Fn. 149, 125 Fn. 176, 133 Fn. 209 Lukrez 79 Fn. 310, 318 Lysipp 289 Fn. 634 Macer s. Aemilius Macer C. Marcius Censorinus 226 Marcus Aurelius 87 Fn. 362, 115 Fn. 130, 135 f., 247, 251, 305, 307, 310 Fn. 723, 311 Fn. 724, 330 Fn. 809, 340, 342, 373–375, 381 Fn. 66 u. Fn. 68 Martial 346 Matius 308 Maximinian 311 Midas 203 Moses 99 Narcissus 258 Nearchos 85 Fn. 350, 126 Fn. 184 Neptun 102 f., 116 f., 142, 145, 146 Fn. 279, 224 Fn. 305 Nerik 183 Fn. 110

485

Nero 259, 352 Nerva 51 Fn. 175, 119, 233 f., 239, 310 Fn. 722 Niphates 89 Fn. 1 Nipsus (Nypsus) 49 Fn. 164, 50, 55, 166 Fn. 42, 392 Fn. 121 Noah 97, 99, 101 Nonius Datus 59 Fn. 214, 252, 267 Notus 145 L. Octavius Aurelianus Didasius 100 Obsequens 105 Fn. 74, 254 Fn. 460 Oceanus s. Okeanos Ogygius bzw. Ogyg(i)os Oinopides von Chios Okeanos (Oceanus) 102, 116, 124, 145 Fn. 278, 224 Fn. 305 Onesimus 262 Fn. 501 Otto von Bayern 264 Fn. 514 Ovid 82, 131, 133, 145–147, 387 Pacuvius 145 Fn. 276 Palladius 46 Fn. 152 Paulus ( Jurist) 173 Fn. 72, 175, 294 Fn. 658, 394 Fn. 127, 398 Fn. 140 Paulus Diaconus (Paul Warnefried) 101 Pausanias 179, 194, 200, 245 Perennitas 336 M. Petreius 90 Fn. 9 Phaëthon 134 Philostrat 340 Fn. 853 Platon 142, 387 Plinius d. Ä. 42 f., 77 Fn. 299, 80, 86, 103, 134 f., 169, 208 Fn. 217, 232, 233 Fn. 358, 259, 278, 294 f., 338, 367 Fn. 10 Plinius d. J. 65, 96 f., 163 Fn. 35, 170–172, 232 Fn. 354, 234–236, 239, 252, 316 Fn. 751, 331 Fn. 812, 391 Plutarch 144 Fn. 270, 276 Fn. 572, 317 Fn. 757, 380 Polybios 43 f., 129 f., 135, 138 f., 305 Cn. Pompeius 110 Fn. 99 Pompeius Trogus 138 Porphyrios 168 Fn. 51 Poseidon 41 Fn. 126, 103, 142, 146 Fn. 279 Poseidonios von Apameia 43 Fn. 140 Prokop 44, 79, 137, 275 Fn. 563, 283 Fn. 610, 284, 290 f., 325, 329–331, 380 Fn. 66 Ptolemaios XII. Auletes 110 Fn. 99 Pyrrha 96, 143, 387

486

Personenregister

Pyrrhos 214 Fn. 245 Remus 13 Respectus 307 Romulus 13, 184 Fn. 115, 399 Fn. 145 Sex. Roscius 84 Fn. 343 Rufus 341 Seianus 227 Fn. 321 C. Seius 204 Seleukos I. Nikanor 270 Seneca d. J. 96 Fn. 33, 125, 222 Fn. 286 Septimius Severus 310, 376 Siculus Flaccus 49 Fn. 164, 50, 55, 155 Fn. 8, 157 Fn. 15, 165 Fn. 40, 175 Fn. 80, 176, 190 Fn. 139, 213 Fn. 240 u. Fn. 242, 344 Fn. 872, 384 Fn. 82, 403 Fn. 160 Skylakios 280 f. Statius 311 Fn. 727, 369–371, 379 Strabon 43, 77 Fn. 299, 83, 121 Fn. 150, 128, 134, 137 f., 151 Fn. 2, 155 Fn. 7, 169, 180–182, 183 Fn. 113, 184 Fn. 116, 185–187, 191, 192 Fn. 148, 203, 222 Fn. 286, 245 Fn. 412, 253 Fn. 458, 304, 305 Fn. 695, 322 Fn. 776, 394 Fn. 127 Sueton 93, 111 Fn. 106, 222, 228 f., 254, 257–259, 337 Sulla 144 Fn. 270 Tacitus 105, 218, 220–222, 225, 227, 228 Fn. 326 f., 237 Fn. 381, 258 f., 280, 352, 412 Tarquinius Priscus 14 Fn. 7 Tarquinius Superbus 14 Fn. 7, 104 C. Tettius Africanus Cassianus Priscus 335 Thales von Milet 126 Fn. 182 Theoderich 98, 167 Fn. 45, 277 Fn. 575, 310 Fn. 720, 339 Theodosius I. 287, 345 Theodosius II. 48 Theophylaktos Simokates 121 Fn. 149 Thetys 102 Tiberius 118, 217, 220 Fn. 278, 221 Fn. 285, 225–227, 229, 236, 238 Fn. 387, 286 f., 337, 339, 403, 405, 410, 412, 414

Timaios 129 L. Titius 203 f. Titus 270 f., 273, 288 Fn. 626 Torlonia, Alessandro di 255, 258 Fn. 479, 263 Fn. 506 Trajan 48, 51 Fn. 175, 54 f., 62 Fn. 226, 64 f., 93 Fn. 21, 115 Fn. 130, 117 Fn. 136, 119, 163, 170, 171 Fn. 65, 172 Fn. 66, 205, 227 f., 231, 234, 235 Fn. 370, 236–239, 252, 255, 260 f., 269 Fn. 534, 275 Fn. 565, 276 Fn. 570, 277, 287–289, 316 Fn. 751, 320, 329 Fn. 804, 330 Fn. 808, 331 Fn. 812, 341, 367 f., 372, 377, 391, 404 Q. Turius Culleo 303 Fn. 691 Ulpian 78 Fn. 303 u. Fn. 305, 79 Fn. 308, 91 Fn. 11, 93 Fn. 22, 172 Fn. 69, 173 Fn. 69 u. Fn. 71 f., 174 Fn. 74, 175, 184 Fn. 115, 189 Fn. 128 u. Fn. 132, 190 Fn. 135, 191 Fn. 140, 250 Fn. 445, 251 Fn. 446, 318 Fn. 758, 337 Fn. 833, 344 Fn. 871 f., 345 Fn. 873 f., 346 Fn. 878 f. u. Fn. 881, 347 Fn. 887, 349, 375 Fn. 47, 376 Fn. 53, 384, 398 Fn. 140 u. Fn. 141, 399 Fn. 145, 401 Fn. 151, 403 Fn. 159 M. Ulpius Traianus (pater) 287 f. Sex. Aurelius Victor 98 Vacuna 209 Fn. 224, 223, 225 Valens 283, 307 Valentinian 48, 307 Varro 46, 216, 220 Fn. 278, 317 Fn. 757, 379 Fn. 62 Velleius Paterculus 214 Fn. 244 Vergil 47 Fn. 158, 58 Fn. 208, 82 f., 278, 368 Fn. 22 Vespasian 55, 155, 156 Fn. 12, 158 Fn. 18, 161 Fn. 27, 169 Fn. 56, 213, 231, 270, 271 Fn. 548, 273, 288 Fn. 626, 335 M. Vipsanius Agrippa 117 Fn. 139, 368 Vitruv 47 f., 57 Fn. 207, 80 Fn. 315, 291, 326 Xerxes 117 Fn. 139, 331 Zeus 102, 146 Fn. 279, 183 Fn. 110, 184 Fn. 116

Sachregister Gebäude und Baukomplexe aus der Stadt Rom sind im geographischen Register namentlich aufgelistet. Konkrete Wasserbauten wie z. B. der Flusstunnel von Seleukeia Pieria lassen sich gezielt über das geographische Register unter dem jeweiligen Ortsnamen auffinden. Besonders prominente Bauten, die über einen Eigennamen verfügen (z. B. „Eisentor“ von Antiocheia), sind dort zusätzlich unter ihrem Namen aufgeführt. Abfluss 126, 208, 212, 215, 242, 244, 255, 361, 374; – Oberflächenabfluss 71, 140, 297, 299 – -rate 73, 297 – -regime 72, 75 Fn. 289, 112, 113 Fn. 118, 134, 139 Fn. 241, 140 f., 156 Fn. 13, 271, 319, 321, 324 – -spitzen 241 Fn. 399 – -typ 73, 179 – -verhalten 136 – -volumen 73 Acker 203, 395; – -bau (Landbau) 21 Fn. 36, 39, 46 f., 74, 83, 85 Fn. 357, 118 Fn. 146, 185, 265, 281, 295, 351, 401 – -fläche 48, 71, 166, 220 – -land (Boden) 75 Fn. 289, 84 f., 133, 146, 153 Fn. 6, 156 Fn. 12, 160, 188, 196, 199, 245 f., 250, 255, 264 Fn. 513, 265 Fn. 516, 280, 353, 397, 401, 407 f. actio de alluvione (Alluvionsklage) 84 Fn. 347, 86, 93 (ius alluvionis), 188–192, 381, 407 actio de aqua pluvia arcenda (Regenwasserklage) 293 f., 294 Fn. 658 adsignatio (Landzuweisung) 67, 163, 177, 208 Fn. 222, 213 ager occupatorius 164

ager publicus (öffentliches Land) 161 Fn. 27, 176, 198 Fn. 175, 213 Fn. 242 ager quaestorius 213 Agrarschriften, Agrarschriftsteller 46 f., 58 Fn. 211, 84 f., 348, 398 Alluvion (Alluvium, Anschwemmungen) 46, 68 Fn. 255, 177–192, 198 Fn. 175, 199, 270 Fn. 541, 281 f., 294, 306, 336, 347 f., 395 Alluvionsklage s. actio de alluvione alveus derelictus 190 Amphoren 113, 339, 342; – -drainage 310 Fn. 721, 352, 354–358, 398, 421 – -produktion 76 Fn. 293 Amulett 118, 414 Anio Novus 257 Fn. 477 Anschwemmung s. Alluvion Aqua Claudia 257 Fn. 477 Aquäduktbrücke 117 (Pont du Gard), 284 („Eisentor“), 326 Fn. 784 Arbeitsdienst s. Penthemeros Architekten, antike 47 f., 57 Fn. 207, 116, 237 Fn. 380 Ästuar 199 Fn. 180, 200–206, 321 Fn. 772, 339 (Baetis); 316 (allgemein) Aue, Auenlandschaft (Flussaue) 224 Fn. 303, 265 Fn. 517, 296, 316, 350 Fn. 901, 391, 394, 402, 422

488

Sachregister

Aufschüttungen 64 Fn. 235, 309, 352–358, 362, 387 auspicium 108; – auspicium peremnium 115 Fn. 130 Bauschutt (Schutt) 226 Fn. 320, 282, 344, 352 f., 362 Beneficiarier 186 Fn. 120, 306 f.; – -weihebezirk 62 Fn. 229, 352 Fn. 911, 359–363 (Osterburken) Bergsturz 307 Beton s. opus caementicium Bewässerung 14 Fn. 8, 20, 29 Fn. 71, 64, 83, 84 Fn. 344, 121, 138 f., 169, 208, 212, 222 Fn. 286 u. Fn. 289, 291 Fn. 645, 292, 294 Fn. 658, 295, 302, 315, 347–349, 382, 385, 398, 399, 406, 408 f., 419 f. Binnengewässer 75, 102, 294 Fn. 657 Binnenschifffahrt s. Schifffahrt Bittgang s. supplicatio Blitz 102, 106 f., 145 f., 183 Bogenarchitektur 325–328 (als bautechnische Innovation) Bogenstaumauer 286, 290 f. Bohlenweg 62, 311, 314 Fn. 745, 362 Boot 77, 80, 82, 192 Fn. 148, 218, 230 Fn. 341, 310 Fn. 719, 317 Fn. 757 Brand 352 (Rom 64 n. Chr.); Weltenbrand 96 Fn. 33 Bronce de Bonanza s. tabula Baetica Bronzezeit 63 Fn. 233, 64 Fn. 237, 244, 246 Fn. 423, 251 Fn. 445, 270 Brücken 59, 64 Fn. 237, 104 f., 109 Fn. 94, 117 f., 160, 180, 214, 215 Fn. 250, 238, 260 Fn. 495, 308, 310–314, 316–334, 363, 365, 368 Fn. 22, 370–372, 376, 377 f., 380 Fn. 66, 399; – Schiffsbrücke 115 Fn. 130, 117, 329 f., 365, 397 – -bau 30 Fn. 78, 62 Fn. 226, 67, 79, 104 Fn. 71, 116 f., 118 Fn. 145, 160 Fn. 25, 166 Fn. 42, 224 Fn. 305, 287 Fn. 625, 288, 299, 313, 316, 317 Fn. 753, 319, 324–334, 349 Fn. 900, 360 Fn. 951, 371 f., 380 Fn. 66, 383 Fn. 76, 407, 423 – -pfeiler 95, 329 f., 333, 338, 420 centuria (Zenturie) 153, 155, 157, 158 Fn. 18, 159–164, 167, 209, 212 f.

centuriatio 55, 153 Fn. 5, 159, 209, 212 f., 279 Fn. 590, 386, 392 Christentum 101 f. Christianisierung 16 Fn. 16, 38 Fn. 116 cippus (Grenzstein, Ufergrenzstein) 59, 77 Fn. 297, 85 Fn. 348, 157 Fn. 16, 158 Fn. 18, 175 f., 224 Fn. 301, 226–228, 231, 236, 238 f., 261, 314 Fn. 743, 335, 336 Fn. 829, 337, 387, 391, 393, 400, 403, 422 f. Codes Iustinianus 48, 94 Fn. 25, 174 Fn. 74, 205 Fn. 209, 346 Fn. 880, 375 Fn. 46 Codex Theodosianus 48 Commentum 49 Fn. 164, 50, 52 f., 57 Fn. 206, 83 Fn. 338, 86 Fn. 355, 93 Fn. 23, 94 Fn. 24, 135 Fn. 222, 155 Fn. 11, 176 Fn. 81 u. Fn. 83, 213 Fn. 242, 224 Fn. 301 f., 287 Fn. 589, 384 Fn. 81 Constitutio Antoniniana 60 Fn. 218 cornucopia (Füllhorn) 113 f. Corpus Agrimensorum Romanorum (Feldmesserschriften) 32 Fn. 84, 45 Fn. 148 f., 49–58, 60, 84 Fn. 347, 86, 93, 135 f., 151 Fn. 2, 152, 157 Fn. 17, 159, 166 Fn. 40, 175, 224, 249 Fn. 439, 384, 389, 392 Fn. 121, 393, 411, 421 cura riparum et alvei Tiberis 17 Fn. 20, 227– 240, 314 Fn. 743, 337, 341, 343 Fn. 864, 349 Fn. 897, 420 curator aquarum 48, 51, 227 Divination 37, 110 Fn. 102 Damm (Staudamm) 30, 34, 64 Fn. 238, 82 f., 84 Fn. 342, 114, 115 Fn. 128, 136 Fn. 223, 145, 266–275, 344–347, 290– 296, 302, 305, 374, 385, 406, 408 f.; – Alcantarilla 291 Fn. 645 – Assuan-Staudamm 168 Fn. 49 – Caesaraugusta 359 – Cornalvo 291 – Esparragalejo 291 Fn. 645 – Gletscherdamm 136 – Kopaïs 244–246 – Mäander 179 – Nil 169 – Proserpina 64 Fn. 237, 291 – Sangarios 332 Fn. 813, 333 – Straßendamm 179 Fn. 93, 296, 309–315, 316 Fn. 749, 349 Fn. 900

Sachregister

Dammbrücke 238, 376 (Tiber), 315 (Bande-Amir) Deich 30 Fn. 74, 169, 222 Fn. 286, 245–252 (Kopaïs), 266, 273, 296, 304 Fn. 692, 329, 344, 346 Fn. 880, 347 (Nil), 359 (Caesaraugusta), 368, 378, 396 Fn. 136, 421, Deltavorbau 63, 143, 192–206, 249 Fn. 437, 281 Dichtungsmörtel s. opus signinum Digesten 48, 90 Fn. 11, 174, 204, 238 Fn. 386, 251 Fn. 446, 337, 384, 396, 402 Fn. 157 Dolinen s. Katavothren Drainage (Entwässerung) 14, 83, 31 Fn. 83, 82, 115, 116 Fn. 132, 172 Fn. 69, 205, 206–228, 241–266, 276 Fn. 572, 277, 280, 281 Fn. 594, 294 Fn. 658, 296, 309 f., 313, 328, 337, 348 f., 352–358, 366 Fn. 5, 380 Fn. 66, 382, 386 Fn. 89, 394, 396, 398, 400–403, 406–408, 420, 422 f. Düden s. Katavothren Düngung 85, 167, 397 Eiszeit 75 Fn. 289, 201 Entsühnung s. expiatio Entwässerung s. Drainage Equirria 82 Erdbeben 13, 15 f., 19 Fn. 29, 20–22, 24 Fn. 48, 25 Fn. 53, 38 Fn. 116, 41 Fn. 126, 61 Fn. 225, 66, 103 Fn. 58, 108, 112, 136, 142, 146, 284, 289, 399, 422 f. Ernte 82 Fn. 332, 83, 122, 135, 146, 169, 188, 398 Fn. 144; – -ausfälle 171 Fn. 65, 245, 246 – -einbußen 164, 169, 219, 392 – -erträge 122, 168 f., 170, 391 Erosion 21 Fn. 36, 46, 71, 75 Fn. 289, 76 Fn. 293, 83 Fn. 338, 84 f., 113 Fn. 118, 143, 156, 176 Fn. 81, 179, 181, 183, 188, 189, 192 Fn. 146, 198, 205 f., 279, 281, 296, 334, 344–348, 359 f., 378, 383 Fn. 73, 392, 394, 396 f., 404, 407, 408 Fn. 167, 420, 422 expiatio (Entsühnung) 21 Fn. 38, 106, 116 f., 224 f., 259 Fn. 487, 372 Fn. 34, 411, 414 Fachschriftsteller, Fachschriftstellerei 39, 40 Fn. 123, 42, 45–58, 409 Fähre 187 Fn. 126, 304, 317 f., 399, 409 Fährbetrieb 184, 186 Fn. 120, 187 Fn. 126, 304, 419 Fähreinnahmen 185, 420

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Fangdamm 328 Faschinen 397 Feldmesser s. Gromatiker Feuchtgebiet 46, 62, 67, 75, 171 Fn. 65, 264, 265 Fn. 516 f., 309–315, 350 Fn. 901, 401 Fn. 153, 400–402, 422 Feuer 102, 106 Finanzierung 245, 248 Fn. 432, 258 Fn. 479, 298–301, 313, 343 Fn. 865, 347 Fn. 888, 407 Fischer, Fischerei 75–77, 230 Fn. 341, 265, 338, 345, 403 Floß, Flößerei 78 Fn. 303, 86 Flotte, Flottenstützpunkt 117 Fn. 139, 269, 278 Fn. 588, 288 flumen publicum 76, 173, 175, 182 Flussbestrafung 102, 177–187 Flussbett (alveus) 19, 75, 124, 136 Fn. 223, 162–177 (juristische Definitionen), 179 Fn. 90, 189 f., 226, 228 f., 240, 246, 266, 296, 305, 310, 314 Fn. 741, 322 Fn. 776, 327–330, 333 f., 336, 337 f., 341, 344, 356, 371, 374 f., 378 f., 392, 395–397, 403, 420, 422 Flussbreite 54 f., 151–177, 182 Fn. 109, 191, 235 Fn. 370, 238, 324 Fn. 778, 381, 384, 386, 391 f., 419, 422 Flussgott 61, 113–116, 117 Fn. 136, 120, 181, 184 f., 224, 289, 369–373 Flussinsel (insula in flumine nata) 75, 85, 190, 196, 199, 321 f., 393 f. Flusskorrektion s. Flussregulierung Flusslandschaft 26, 29 Fn. 72, 38, 57, 85, 102, 121 Fn. 153, 135, 139, 188, 287 Fn. 624, 350, 370 Fn. 30, 371, 393–402, 418, 422 Flussregulierung (Flusskorrektion) 30, 34, 60, 64, 74 Fn. 287, 206–227, 241–253, 275, 349, 382, 423 f. Flussüberquerung 115, 118, 120, 321, 328, 387 Fn. 94, 399 Flussumleitung 31 Fn. 82, 64 Fn. 237, 240, 244, 268, 272, 276, 325, 348 Fn. 893, 366, 405, 420 Flussverlagerung (Flussmäander) 75, 113 Fn. 118, 160, 167, 213, 292, 354, 359, 362 Fn. 960, 392, 394, 408, 422 Flutrisiko 20 Fn. 31, 62, 67, 118, 253 Fn. 458, 255, 350, 352, 360 Fn. 947, 400, 404, 411, 417, 420 f.

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Sachregister

Fluttor 235, 278, 391 Fn. 118 forma s. Katasterkarte forma urbis 232 Fn. 356 fossa Corbulonis 74 Fn. 288 fossa Drusiana 74 Fn. 288 fossa Mariana 280 Fn. 592 fossa Traiana 65, 227 Fn. 325, 233, 234 Fn. 361, 236 f. Fremdlingsfluss 72, 122, 177, 392 Frühjahr 70, 73, 79, 83, 130 f., 134, 140, 144, 146, 180, 242, 275, 283, 325 Frühsommer 73, 130 f., 134–137, 140, 144, 278, 304 Füllhorn s. cornucopia Gefrierpunkt 69 Gegenortverfahren 267 f. Gewichtsmauer 286, 290 Fn. 637 u. Fn. 639 f. Gewitter 137, 140, 144, 146, 321 Gezeiten (Tiden) 43 Fn. 140, 78 Fn. 303, 83, 86, 124 f., 199 Fn. 180, 200 f., 277, 312, 342 Fn. 863 Gießbach s. Sturzbach Glacial lake outburst flood (GLOF) 136 Gletscher 69, 134 Fn. 213, 136 (Gletscherflut) GLOF s. Glacial lake outburst flood Graben 64, 172 Fn. 69, 209, 212 f., 222, 234, 245, 271, 286, 329, 331 Fn. 812, 337, 343 Fn. 865, 348, 398 Fn. 144, 403 Fn. 159 Grenzfluss 180 Grenzstein s. cippus groma 50 Fn. 167, 392 f. Gromatiker (Feldmesser, Landvermesser) 29 Fn. 72, 32, 45 f., 49–58, 63 Fn. 232, 67, 71 Fn. 281, 84, 93, 153, 155, 156 Fn. 13, 162, 166, 174, 180, 189 f., 206, 209, 213, 293, 344 Fn. 872, 381, 383–386, 391–395, 397, 407, 411, 421–423 Grundbesitz, Grundbesitzer 46, 57 Fn. 205, 83, 84, 163 Fn. 35, 188, 344 Fn. 872, 345 f. Gutshof s. villa rustica Hangrutschung 75 Fn. 289, 360 Heilgott 115, 195 Herbst 70, 73, 134, 137, 140, 144–146, 348, 383, 398 Fn. 144 Höchstpreisedikt 78 Fn. 304 Hochwasserentlastung 64 f., 234, 237, 255, 271, 275, 322 f., 328, 337, 420

Hochwassermarken 273 Hochwasserwelle 123, 126 f., 136, 169 Fn. 52, 217, 270 Hundsstern s. Sirius Hungersnot 15 Fn. 11, 80, 81 Fn. 322, 169, 171 Fn. 65, 387 insula in flumine nata s. Flussinsel insulae (Mietskasernen) 79–81 interitus rei 190 inundatio (als Rechtsgegenstand) 93, 190 ira deorum 119 ius alluvionis s. actio de alluvione ius gentium 76 Jazygen 87 Fn. 362 Kais 233, 404 Kanal 30, 59 Fn. 216, 84 Fn. 341, 84 Fn. 344, 114, 139, 172 Fn. 69, 209, 211, 219, 226, 244 f., 252 f., 266–296, 301, 331 Fn. 812, 334, 341, 343 Fn. 865, 348 f., 366, 373, 398, 409, 420; – Abflusskanal 84, 231, 238 Fn. 389, 257, 339 – Bewässerungskanal 20 Fn. 34, 83, 169, 222 Fn. 286, 348 – Entwässerungskanal 84, 208, 216, 245 Fn. 411, 253–262, 309 f., 313 f., 403 – Hafenkanal 31 Fn. 83, 64 f., 93 Fn. 21, 227–240, 367 f., 376, 391 Fn. 118, 403, 420 – Schifffahrtskanal 74 Fn. 288, 83, 335 f., 403, 412, 420 Kanalisierung 74, 114 f., 205, 210 Fn. 232, 212 f., 219, 212, 245, 305, 329, 340 Fn. 853, 341 Fn. 853, 369 Fn. 28, 371, 372 Fn. 34, 404–406 Karst 72 f., 114, 126, 142, 215 Fn. 253, 241 f., 243 Fn. 401, 253 Fn. 456, 406 Kataklysmos 96, 125 Fn. 176 KatasterKarte (forma) 55, 59 f., 155 Fn. 9, 156–159, 161 Fn. 27, 165–167, 176 Fn. 81, 189 Fn. 133, 198, 393, 422 Katastrophenschutz 16, 410 Katavothren (Dolinen, Düden, Poljen) 72 f., 253 Fn. 458, 242–247 Klimaoptimum, römisches 68, 168 Fn. 47, 294 Fn. 657, 383 Krankheiten 81, 401 Landvermesser s. Gromatiker Landzuweisung s. adsignatio Leinpfad s. Treidelpfad Lex Manciana 205 Fn. 209

Sachregister

Lex portorii provinciae Asiae 183 Fn. 113 Lex rivi Hiberiensis 83 Fn. 340, 84 Fn. 344, 222 Fn. 289, 347 Fn. 888, 398 Fn. 142 Lex Ursonensis 77 Fn. 297, 84 Fn. 341, 343 Fn. 865 Liber coloniarum 50, 55 f., 175 Fn. 80, 212 f., 261, 393 Fn. 123 Liber diazografus 53 Limes, obergermanisch-raetisch 62 Fn. 229, 311 Fn. 728, 345, 359, 361 linea subsecans s. subsecans linea ludi Apollinares 81 ludi Martiales 81 Fn. 327 Mäander (Flussmäander) s. Flussverlagerung Magie 46 Fn. 151 Malaria 81, 114, 179, 192 Fn. 148, 195 Fn. 158, 401 mancipatio fiduciae causa 203 Melioration 30 Fn. 77, 83, 199, 213 Meteorologie 147, 388 mirabilia 108 f. Mole 305, 374, 376 Monsun 122 Mückenplage 179, 192 Fn. 148, 401 mutatio alvei 190 Nymphäum 116 Fn. 134, 282 Fn. 602, 289, 361 Fn. 957 Nymphen 102 f., 120, 185 Fn. 118, 361 f. opus caementicium (römischer Beton) 260 Fn. 494, 273, 284, 292, 294, 325–327, 353 Fn. 916, 359, 406, 409, 421 opus signinum (Dichtungsmörtel) 260 Fn. 494, 325 Fn. 783, 326 Ozeantheorie 124 f. pagus 205, 216, 298 Fn. 669 u. Fn. 673, 347 Palisaden 359, 397 Passat 127 Fn. 189 pax deorum 106, 120, 410 Pegel 24, 70 f., 73, 86, 91 Fn. 12, 95 Fn. 28, 120–124, 128, 130, 133–135, 137, 142, 144 f., 151, 167–177, 184 Fn. 115, 207 f., 228 Fn. 329, 241–244, 253, 288, 292, 316 f., 319, 328, 331– 333, 389–391, 397 f., 400, 407, 409, 421 f. Penthemeros (Arbeitsdienst) 304, 343 Fn. 866, 347, 348 Fn. 895 Pfahlrost 353 Pfeiler s. Brückenpfeiler Pflugschar 75 Fn. 289

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Phallus 117 f. Polder 244–246 Poljen s. Katavothren portentum 119 Pozzolanerde 326 prodigium 16 Fn. 16, 23 Fn. 47, 105–112, 119, 142 Fn. 259, 235 Fn. 367 Progradation 192, 200, 275 publicani 184 Fn. 113, 186 f. Qanat 255, 267 quindecemviri sacris faciundis 110 Regen 13, 70–73, 79, 80 Fn. 315, 82 Fn. 333, 86, 95 f.; 98 Fn. 40, 99 f., 124, 127 f., 131–134, 136 f., 139 f., 142, 144, 146, 163, 169 Fn. 56, 175 Fn. 78, 179, 208, 273, 283 Fn. 608, 286, 292, 294, 298, 303, 319, 321, 373 Fn. 42, 383, 386; – Frühjahrsregen 136, 238 Fn. 389 – Herbstregen 137, 242 Fn. 399, 348 – Sommerregen 123, 127 Fn. 189, 128, 138 – Starkregen 66, 70–73, 95, 100 f., 137, 140 f., 144–146, 179, 268, 293, 297, 299–301, 303, 352 Fn. 911 – Steinregen 106 – Winterregen 70, 84, 96 Fn. 31, 137, 139, 242 Fn. 399, 283 Fn. 608, 293, 321 – -gott 146 – -theorie 123, 127 f., 130 – -wasserklage s. actio de aqua pluvia arcenda – -wolken s. Wolken Reinigung (Kanal-/Flussbettbereinigung) 74, 84, 208, 222, 226, 228 f., 238, 239 Fn. 392, 240, 244, 245 Fn. 411, 274, 295, 305, 335–339, 348, 363, 371, 374, 398, 403, 409 res publica quattuor coloniarum Cirtensium 298 Rückstau 84, 124, 126, 127 Fn. 185, 220, 238, 379, 404 scamnum, scamnatio 212 f. Schiedsgericht 181, 184 Fn. 116, 186 Fn. 122 Schiffbarkeit 46, 74, 77 f., 83 f., 86 Fn. 357, 114, 133 Fn. 211, 135, 191, 242 Fn. 304, 228, 232, 233 Fn. 358, 234, 240 Fn. 394, 250, 255, 269, 275–277, 280, 288, 295, 314 Fn. 741, 322 Fn. 776, 330, 335–337, 340 Fn. 853, 344, 345 Fn. 873, 346, 349, 359, 396, 403 f. Schifffahrt; Binnenschifffahrt 48, 186 Fn. 120, 309 Fn. 717, 345, 404

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Sachregister

Schlammablagerung 275 Fn. 565, 304, 306 Fn. 705 Schleusen 83, 209, 232, 258, 340 Fn. 853 Schnee 70, 73, 130, 132–135, 145 Fn. 274, 242 Fn. 399 Schneeschmelze 66, 96, 124, 128–137, 139 f., 144, 242 Fn. 399, 278, 304 Schneetheorie 124, 128–130 Seebeben 22 Fn. 43, 142 Senatusconsultum de agro Pergameno 186 Fn. 122 Seuche 15 Fn. 11, 21, 81 Sibyllinische Bücher 110, 218, 226, 410 Sintflut 30 Fn. 77, 96–99, 101, 102 Fn. 53, 103 Fn. 59, 143–147, 148 Fn. 285, 215 Fn. 253, 386–388, 419 Sirius (Hundsstern) 129 f., 134 f., 139 Sommer 19, 69–71, 73, 83, 86, 90 Fn. 9, 98 Fn. 40, 113 Fn. 118, 122, 127, 129–131, 134–140, 144, 146, 170, 173–175, 179 f., 228, 232, 241, 242 Fn. 400, 265 Fn. 516, 267, 271, 278, 295, 304, 321, 329, 348, 375, 396 Fn. 136, 398 Fn. 142, 399, 409 Sommersonnenwende 170 Fn. 59 Sonneneinstrahlung 72; – -theorie 124, 128 f. – -uhr 80 Speisungsart 73, 134, 137, 140, 141 Karte 1, 208 Fn. 214 Spundwandtechnik 325, 328 Starkregen s. Regen Staudamm s. Damm Stoa, stoische Lehre 43, 96, 125, 128, 220, 222 Fn. 286, 381 Straßen 59, 67, 75 Fn. 292, 79 f., 93 Fn. 21, 136 Fn. 232, 159, 179 Fn. 93, 188 Fn. 126, 209, 212, 260 Fn. 495, 278, 283, 296–315, 316 Fn. 749 u. Fn. 751, 317, 320 f., 326 Fn. 784, 327 Fn. 794, 343 f., 348 f., 352, 356, 361 Fn. 957, 366 f., 369, 374–377, 379 f., 380 Fn. 66, 383, 385, 395, 399, 407, 419 f.; – Passstraßen 304–308, 347 Straßenbelag 79, 95, 277 Fn. 575, 381, 383, 407, 420 strigae 212 f. Strömung 75, 77, 80, 86, 145 f., 277, 288, 290 Fn. 636, 318, 323 f., 331, 365 Fn. 1, 378, 381 Fn. 68

Sturm 70, 78 Fn. 304, 105 Fn. 74 f., 134 Fn. 215, 144 Fn. 266, 145 Fn. 276, 163, 277, 318 Fn. 758, 380 Sturzbach (Wildbach, Gießbach) 131 f., 268, 270 f., 273, 283 f., 286, 306 Fn. 705, 309, 324 f., 398, 405 Sturzflut 22 Fn. 43, 71, 136, 275, 286, 305–308 Styx 188 Fn. 126 subsecans linea (Subsekante) 155, 159–162, 165, 167, 392 f. subsecivum 153, 155 f., 159–163, 160 Abb. 3, 161 Abb. 4, 165, 167, 175, 206, 324 Fn. 778, 381, 392 superstitio 118 Fn. 145, 218 supplicatio (Bittgang) 106 f., 112 Fn. 110 Süßwasser 102, 127, 194, 201 tabula Baetica (Bronce de Bonanza) 202–206 Tagundnachtgleiche 174 (Herbsttagundnachtgleiche) Talisman 118, 286 Talsperre 30, 31 Fn. 82, 34, 44, 47, 64 Fn. 238, 240, 266, 270–274, 283–286, 290 f., 292 Fn. 646, 315, 406, 420 Tauwetter 70 Tiden s. Gezeiten Töpferei 76, 339 Torrentental s. Wadi Treibgut 80, 97, 117, 330 Treideln, Treidelschifffahrt 77, 240 Fn. 394, 276 f., 313, 345 f., 379 Fn. 59, 404, 419 Treidelpfad (Leinpfad) 74, 231, 239 f., 297, 309 Fn. 717, 310, 313, 314 Fn. 741, 344–346, 379, 396 Trockental s. Wadi Trockenzeit 113 Fn. 118, 123, 173, 180, 316 Tsunami 22 Fn. 43, 336 Fn. 832 Tunnel 30, 31 Fn. 82, 116 Fn. 132, 255, 257, 258 Fn. 480, 259–262, 266–274, 296, 390 Fn. 111, 406, 420 Tyche 114, 289, 372 Überschwemmungsfeldbau 86, 294 Ufer (ripa) 13, 17, 34 f., 39, 55, 62, 67, 91, 94, 99, 102, 115 Fn. 128, 117, 125 f., 129 Fn. 200, 131–134, 138, 151, 153 Fn. 5, 155, 159 f., 162–165, 167, 172, 174–177 (juristische Definitionen), 179–181, 186 Fn. 120, 189, 196, 198 f., 207

Sachregister

Fn. 212, 209, 214 f., 219, 222, 226, 229–233, 239, 244–246, 250, 253–255, 258, 266, 270, 278 f., 296, 311, 314, 323 f., 328, 329 Fn. 804, 332, 334–337, 339–349, 352–354, 356, 359, 361, 370 f., 375, 379, 390–392, 395, 397–400, 402 f., 405, 415, 417, 419–423; – -grundstück 46, 59, 156, 191, 341 Fn. 856, 344–349, 396, 403 f. – -nähe 24, 91 f., 167, 179, 219 Fn. 275, 246, 359, 396 f., 423 f. – -nutzung 31 Fn. 81, 74–87, 229 Fn. 339, 230 Fn. 343, 238, 404 – -schutz (Befestigung) 191 Fn. 140, 229, 232, 235 Fn. 365, 236, 238, 240, 246, 248, 250, 266, 304 Fn. 692, 305, 314, 334 f., 337, 340 f., 344–349, 370 f., 374, 378 Fn. 57, 383 Fn. 73, 396 f., 414 f., 419 f. – -grenzstein s. cippus usucapio 189 f. usufructus 164 Verdunstung 72, 123, 129, 139 Fn. 241, 242 Fn. 400 villa rustica 46, 47 Fn. 157, 214 Vulkanausbruch 15 Fn. 11, 307 Fn. 709, 326, 422 Wadi (Torrentental, Trockental) 72, 74, 100, 141, 268, 273, 284, 291 Fn. 640, 292–295, 299–303, 385, 405, 408

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Waldrodung 75 Fn. 289, 143, 143 Fn. 261, 200, 253 Fn. 458, 394, 396, 400, 408 Wettergott 102, 145, 146 Fn. 279, 183 Fn. 110, 184 Fn. 116 Wiedervernässung 220 Fn. 277, 244, 277 Fn. 575, 310, 380 Fn. 66, 408 Wildbach s. Sturzbach Wind 70, 145 f., 171, 319, 380; – Etesien 124, 126 f., 137, 380 Windtheorie 126 f. Winter 69–71, 73, 101, 113 Fn. 118, 118, 129, 132 f., 134 Fn. 213 f., 135, 139, 144, 145 Fn. 273, 146, 173–175, 179 f., 214 Fn. 243, 228, 232, 241, 244, 246, 265, 267, 271, 283, 287 Fn. 618, 292, 295, 297, 304, 309, 312, 321, 346, 375, 398, 399 Fn. 145 Witterung 44 Fn. 145, 68 f., 140 Fn. 242, 145 Fn. 273, 163 Fn. 35, 214 Fn. 243, 235 Fn. 367 Wolken (Regenwolken) 127 f., 145 f., 319 Wolkenbruch 73 Zenturie s. centuria Zephyrus 126 Fn. 181 Ziegel 80 Fn. 315, 255, 326 Ziegelei 76 f. Zoll 78 Fn. 304, 120 Fn. 147, 183–188, 249, 307–309, 332 Fn. 817, 335, 363, 409

geographic a historic a

Begründet von Ernst Kirsten, herausgegeben von Eckart Olshausen und Vera Sauer. Die Bände 1–8 sind in den Verlagen Dr. Rudolf Habelt (Bonn) und Adolf M. Hakkert (Amsterdam) erschienen.

Franz Steiner Verlag

ISSN 1381–0472

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Gerhard H. Waldherr Erdbeben – Das außergewöhnliche Normale Zur Rezeption seismischer Aktivitäten in literarischen Quellen vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. 1997. 271 S., kt. ISBN 978-3-515-07070-6 10. Eckart Olshausen / Holger Sonnabend (Hg.) Naturkatastrophen in der antiken Welt Stuttgarter Kolloquium zur historischen Geographie des Altertums 6, 1996 1998. 485 S. mit zahlr. Abb., kt. ISBN 978-3-515-07252-6 11. Bert Freyberger Südgallien im 1. Jahrhundert v. Chr. Phasen, Konsequenzen und Grenzen römischer Eroberung (125–27/22 v. Chr.) 1999. 320 S. mit 16 Abb., kt. ISBN 978-3-515-07330-1 12. Johannes Engels Augusteische Oikumenegeographie und Universalhistorie im Werk Strabons von Amaseia 1999. 464 S., kt. ISBN 978-3-515-07459-9 13. Lâtife Summerer Hellenistische Terrakotten aus Amisos Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des Pontosgebietes 1999. 232 S. und 64 Taf., kt. ISBN 978-3-515-07409-4 14. Stefan Faller Taprobane im Wandel der Zeit Das Śrî-Lankâ-Bild in griechischen und lateinischen Quellen zwischen Alexanderzug und Spätantike 2000. 243 S., kt. ISBN 978-3-515-07471-1 15. Otar Lordkipanidze Phasis The River and City in Colchis 2000. 147 S. und 8 Taf., kt.

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ISBN 978-3-515-07271-7 Marcus Nenninger Die Römer und der Wald 2001. 268 S. mit 3 Abb., kt. ISBN 978-3-515-07398-1 Eckart Olshausen / Holger Sonnabend (Hg.) Zu Wasser und zu Land – Verkehrswege in der antiken Welt Stuttgarter Kolloquium zur historischen Geographie des Altertums 7, 1999 2002. 492 S. mit zahlr. Abb., kt. ISBN 978-3-515-08053-8 Maria Francesio L’idea di città in Libanio 2004. 157 S., kt. ISBN 978-3-515-08646-2 Frauke Lätsch Insularität und Gesellschaft Untersuchungen zur Auswirkung der Insellage auf die Gesellschaftsentwicklung 2005. 298 S., kt. ISBN 978-3-515-08431-4 Jochen Werner Mayer Imus ad villam Studien zur Villeggiatur im stadtrömischen Suburbium in der späten Republik und frühen Kaiserzeit 2005. 266 S., kt. ISBN 978-3-515-08787-2 Eckart Olshausen / Holger Sonnabend (Hg.) „Troianer sind wir gewesen“ – Migrationen in der antiken Welt Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 8, 2002 2006. 431 S. mit 58 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08750-6 Jochen Haas Die Umweltkrise des 3. Jahrhundert n. Chr. im Nordwesten des Imperium Romanum Interdisziplinäre Studien zu einem Aspekt der allgemeinen Reichskrise im Bereich der beiden Germaniae sowie der Belgica und der Raetia

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2006. 322 S., kt. ISBN 978-3-515-08880-0 Klaus Tausend Verkehrswege der Argolis Rekonstruktion und historische Bedeutung 2006. 226 S. mit 6 Abb., 22 Ktn. und CD-ROM, kt. ISBN 978-3-515-08943-2 Gerhard H. Waldherr / Anselm Smolka (Hg.) Antike Erdbeben im alpinen und zirkumalpinen Raum / Earthquakes in Antiquity in the Alpine and Circum-alpine Region Befunde und Probleme in archäologischer, historischer und seismologischer Sicht / Findings and Problems from an Archaeological, Historical and Seismological Viewpoint. Beiträge des Interdisziplinären Workshops Schloss Hohenkammer vom 14.–15. Mai 2004 2007. 189 S. mit 125 s/w-, 3 Farbabb. und 5 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09030-8 Klaus Tausend Im Inneren Germaniens Beziehungen zwischen den germanischen Stämmen vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr. Mit Beiträgen von Günter Stangl und Sabine Tausend 2009. 282 S. mit 14 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-09416-0 Eckart Olshausen / Vera Sauer (Hg.) Die Landschaft und die Religion Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 9, 2005 2009. 422 S. mit 94 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09422-1 Frank Stini Plenum exiliis mare Untersuchungen zum Exil in der römischen Kaiserzeit 2011. 378 S., kt. ISBN 978-3-515-09894-3 Eckart Olshausen / Vera Sauer (Hg.) Die Schätze der Erde – Natürliche Ressourcen in der antiken Welt Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 10, 2008 2012. 425 S. mit 55 Abb., 1o Tab. und CD-ROM, kt. ISBN 978-3-515-10143-1 Tonnes Bekker-Nielsen (ed.)

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Space, Place and Identity in Northern Anatolia 2014. 271 S. mit 120 s/w-, und 27 Farbabbildungen, kt. ISBN 978-3-515-10748-8 Ekaterina Nechaeva Embassies – Negotiations – Gifts Systems of East Roman Diplomacy in Late Antiquity 2014. 306 S., kt. ISBN 978-3-515-10632-0 Eckart Olshausen / Vera Sauer (Hg.) Mobilität in den Kulturen der antiken Mittelmeerwelt Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 11, 2011 2014. 565 S. mit 26 Abb. und 22 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-10883-6 Kristina Winther-Jacobsen / Latife Summerer (Hg.) Landscape Dynamics and Settlement Patterns in Northern Anatolia during the Roman and Byzantine Period 2015. 354 S., 40 s/w-Abbildungen, 9 Farbabbildungen, 8 Tabellen, 79 s/w-Fotos und 61 Farbfotos, kt. ISBN 978-3-515-11214-7 SØren Lund SØrensen Between kingdom and koinon Neapolis/Neoklaudiopolis and the Pontic cities 2016. 224 S. mit 20 Abb. und 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11312-0 Florin-Gheorghe Fodorean Pannonia, Dacia and Moesia in the Ancient Geographical Sources 2016. 208 S. mit 18 Abb. und 19 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11262-8 Tonnes Bekker-Nielsen / Ruthy Gertwagen (Hg.) The Inland Seas Towards an Ecohistory of the Mediterranean and the Black Sea 2016. 419 S. mit 59 s/w-, 17 Farbabbildungen und 17 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11439-4 Orietta Dora Cordovana / Gian Franco Chiai (Hg.) Pollution and the Environment in Ancient Life and Thought 2017. 296 S. mit 10 s/w-, 1 Farbabb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11667-1 in Vorbereitung

38. Iris von Bredow Kontaktzone Vorderer Orient und Ägypten Orte, Situationen und Bedingungen für primäre griechisch-orientalische Kontakte vom 10. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. 2017. 394 S. mit 7 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-11860-6 39. Klaus Tausend Pylos und sein Heer Untersuchungen zum spätmykenischen Militärwesen Mit Beiträgen von Fritz Blakolmer, Andreas Konecny und Michaela Zinko 2018. 361 S. mit 31 Abb. und 6 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-12120-0 40. Athena Trakadas In Mauretaniae maritimis Marine Resource Exploitation in a Roman North African Province 2018. 667 S. mit 99 Abb. und 62 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10417-3

41.

Philipp Deeg Der Kaiser und die Katastrophe Untersuchungen zum politischen Umgang mit Umweltkatastrophen im Prinzipat (31 v. Chr. bis 192 n. Chr.) 2019. 317 S., kt. ISBN 978-3-515-12374-7 42. Christopher Schliephake / Natascha Sojc / Gregor Weber (Hg.) Nachhaltigkeit in der Antike Diskurse, Praktiken, Perspektiven 2020. 265 S. mit 23 Abb., kt. ISBN 978-3-515-12733-2 43. Altay Coşkun (Hg.) Ethnic Constructs, Royal Dynasties and Historical Geography around the Black Sea Littoral 2021. 381 S. mit 28 Abb., 2 Tab. und 5 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-12941-1

Gab es in der Antike ein aktives Handeln gegenüber Naturrisiken? Jasmin Hettinger widmet sich den Vorsorgepraktiken, die sich im Laufe der Zeit in unterschiedlichen Regionen des Römischen Reichs herausbildeten, um sich vor Flusshochwasser zu schützen. Dazu untersucht sie anhand von literarischen, epigraphischen, archäologischen und geowissenschaftlichen Quellen, wie unter römischer Herrschaft Flüsse verwaltet, genutzt und wasserbaulich verändert wurden. Die gängigsten Praktiken – von Rechtsnormen über die Ausweisung von Überschwemmungsflächen bis hin zur künstlichen Flussregulierung – entsprachen den heutigen

ISBN 978-3-515-13266-4

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Methoden der Hochwasservorsorge. Auch das Wissen über natürliche Flutursachen war durchaus differenziert. Die eigentlichen Unterschiede zwischen dem römischen und dem heutigen Umgang mit Flusshochwasser sind im kulturellen Bereich zu verorten. Flüsse waren zugleich göttliche Wesen, zu denen ein reziprokes Verhältnis gepflegt wurde: Jeder Wasserbau musste entsühnt werden. Außerdem wurden Flüsse und ihre Ufer auf vielfältige Weise genutzt, sodass die naturnahen Flüsse, die beständig ihren Lauf veränderten, den Menschen ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Bereitschaft zur Vorsorge abverlangten.

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