Auslandskorrespondenten und auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich 9783412215057, 9783412208592

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Auslandskorrespondenten und auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich
 9783412215057, 9783412208592

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Medien in Geschichte und Gegenwart Herausgegeben von Jürgen Wilke Band 27

Martin Herzer

Auslandskorrespondenten und auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich

2012 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch die FAZIT-Stiftung, den Verein der Freunde und Förderer des Instituts für Publizistik der Universität Mainz und die Alumni-Stiftung der Mainzer Publizisten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Titelseite der New York Times vom 1. September 1939 (Ausschnitt)

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20859-2

Inhalt

1. Einleitung .............................................................................................................

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2. Forschungsstand und Quellenlage ...................................................................

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3. Auslandskorrespondenten in der Endphase der Weimarer Republik ........

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3.1 Staatliche Institutionen in Kontakt mit Auslandskorrespondenten 3.2 Arbeitsmöglichkeiten der Korrespondenten ....................................... 3.3 Kontakte zwischen NSDAP und Auslandskorrespondenten vor 1933 .....................................................................................................

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4. „Greuelhetzer“ oder Propagandawaffen? Grundlagen der nationalsozialistischen Pressepolitik gegenüber Auslandskorrespondenten ........

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5. Auslandskorrespondenten im Dritten Reich 1933 bis 1945 ........................

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5.1 Vorkriegszeit 1933 bis 1939: Unkoordinierte Zuständigkeiten – beschränkte Unabhängigkeit ...

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5.1.1 Staats- und Parteiinstitutionen in Kontakt mit Auslandskorrespondenten ............................................................ 5.1.2 Kontrolle und Überwachung....................................................... 5.1.3 Repression und Sanktionen ......................................................... 5.1.4 Betreuung und Information ......................................................... 5.1.5 Organisation der Auslandskorrespondenten ............................ 5.1.6 Repräsentanz und Arbeitsumstände ........................................... 5.1.7 Politische Betätigung und Widerstand ....................................... 5.1.8 Anbiederung und Kollaboration .................................................

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5.2 Kriegszeit 1939 bis 1945: Offensive Propaganda – schwindende Freiheiten ..............................

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5.2.1 Auswärtiges Amt und Propagandaministerium als einzig zuständige Institutionen für Auslandskorrespondenten ........ 5.2.2 Verschärfte Überwachung und Zensur ..................................... 5.2.3 Neue Formen von Repression und Sanktionen ....................... 5.2.4 Intensivierte Betreuung und Propaganda ..................................

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5.2.5 Kampf um die Unabhängigkeit der Organisation der Auslandskorrespondenten ............................................................ 5.2.6 Erschwerte Arbeitsumstände und Leben im Krieg ................. 5.2.7 Korrespondenten und deutsche Betreuer nach der Kapitulation ....................................................................................

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6. Schluss: Präsenz und Berichterstattung von Auslandskorrespondenten im Dritten Reich – Ein Beitrag zur Verstärkung oder Entlarvung nationalsozialistischer Auslandspropaganda?.................................................

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Quellenverzeichnis ...................................................................................................

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Literaturverzeichnis ..................................................................................................

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Danksagung ...............................................................................................................

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Abkürzungsverzeichnis ...........................................................................................

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1. Einleitung

Der Nationalsozialismus ist seit über 60 Jahren zentrales Thema deutscher Geschichtswissenschaft – eine logische Folge der fatalen Bilanz, welche die Hitler-Diktatur in Deutschland und Europa hinterlassen hat. Ein prominentes Feld der Forschung über das Dritte Reich war und ist dabei die nationalsozialistische Propaganda, die als eine Schlüsselvariable für die innen- und außenpolitischen Erfolge der Hitler-Diktatur identifiziert wurde. Tragendes Element dieser nationalsozialistischen Propaganda war die „Gleichschaltung“ und Lenkung der Massenmedien in Deutschland und der für selbige arbeitenden Journalisten. Dem nationalsozialistischen Medienlenkungsapparat und seinen Konsequenzen für Auswahl, Ausbildung und Arbeitsweise deutscher Journalisten ist in der Vergangenheit in zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen ausführlich auf den Grund gegangen worden. Doch deutsche Berichterstatter waren nicht die einzigen Medienvertreter, die im Zeitraum von 1933 bis 1945 in Deutschland dem Journalistenberuf nachgingen. Über die gesamte Dauer des Dritten Reichs arbeiteten Auslandskorrespondenten zahlreicher ausländischer Zeitungen und Rundfunksender in Deutschland und berichteten von dort in ihre Heimat über die Vorgänge in Hitlers Reich. Nach der „Gleichschaltung“ der deutschen Medien stellten die Meldungen und Berichte ausländischer Journalisten die einzige kontinuierliche, einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehende Informationsquelle über die Zustände in Deutschland dar, die nicht direkt von den Nationalsozialisten gesteuert wurde.1 Was Millionen von Menschen weltweit täglich in den Medien über das Dritte Reich lasen und hörten, lief zum Großteil durch den vergleichsweise kleinen „Flaschenhals“ von einigen hundert Korrespondenten in Berlin und anderen deutschen Städten. Somit hatten diese Berichter-

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Reiseberichte verschiedener Ausländer über ihre Erlebnisse im Dritten Reich stellen meist nur Momentaufnahmen dar. Vgl. Lubrich (Hrsg.) (2004). Vergleichbar mit der von den Korrespondenten geleisteten Sammlung und Übermittlung von Informationen an das Ausland ist nur die Arbeit der im Dritten Reich tätigen ausländischen Diplomaten. Deren Berichte lagen jedoch einem viel kleineren Leserkreis vor. Die Diplomatenberichte stellten lange Zeit eine von der Forschung wenig beachtete Quellengruppe dar. Eine breiter angelegte Analyse und auszugsweise Dokumentation der Meldungen ausländischer Diplomaten an ihre Heimatministerien liegt erst seit kurzem vor. Vgl. Bajor/Strupp (Hrsg.) (2011).

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statter entscheidenden Einfluss auf das Bild des nationalsozialistischen Deutschlands in der Welt. Sich dieses Umstandes bewusst, betrachteten die NS-Machthaber die Auslandskorrespondenten im Dritten Reich als wichtige Adressaten und zur gleichen Zeit auch als wichtige Elemente ihrer Propaganda und versuchten mit allen Mitteln, die Berichterstattung der ausländischen Journalisten zu beeinflussen und zu kontrollieren. Dies musste in ihrem Fall jedoch auf anderem Wege geschehen als bei deutschen Journalisten. Als ausländische Staatsbürger waren die Korrespondenten dem NS-Regime nicht in vergleichbarem Maße ausgeliefert wie ihre deutschen Berufsgenossen. Für die Korrespondenten bedeuteten die vielfältigen deutschen Beeinflussungsversuche trotzdem erhebliche Eingriffe in ihre Arbeit, auf die sie unterschiedlich reagierten. Erstaunlicherweise ist der nationalsozialistischen Pressepolitik gegenüber den im Dritten Reich arbeitenden Auslandskorrespondenten bisher in der publizistikwissenschaftlichen Literatur kaum nachgegangen worden. Das gilt auch für die Frage, wie die verschiedenen ausländischen Journalisten mit selbiger umgingen und wie ihre Arbeitsmöglichkeiten aussahen. Dies sind Forschungslücken, zu deren Schließung diese Arbeit ein Beitrag sein möchte. Thema der vorliegenden Untersuchung ist folglich die nationalsozialistische Pressepolitik gegenüber den von 1933 bis 1945 aus dem Deutschen Reich berichtenden Auslandskorrespondenten und die aus dieser Politik resultierenden Betätigungsmöglichkeiten der Journalisten. Anhand von Originalakten und der vorhandenen Memoirenliteratur, sowie unter Ergänzung durch Sekundärliteratur, werden Aufbau und Funktionsweise der mit der Betreuung der Korrespondenten beauftragten Institutionen im Dritten Reich dargelegt und die Inhalte ihrer Beeinflussungsversuche analysiert. Auf die gleiche Weise werden die Reaktionen der verschiedenen Korrespondenten auf die an sie gerichteten Maßnahmen herausgearbeitet und die Arbeitsumstände der Journalisten beschrieben. Der Verfasser möchte so ein Defizit in der Analyse der nationalsozialistischen Medienbeeinflussungsmaßnahmen beheben helfen und gleichzeitig einen Beitrag zur Forschung über die vom Dritten Reich betriebene Auslandspropaganda leisten. Der Verfasser hofft zudem, die ebenfalls lückenhafte Forschung zur historischen Entwicklung der Arbeit von Auslandskorrespondenten um einen Aspekt zu erweitern. Zu diesem Zweck gliedert sich die vorliegende Arbeit in sechs Kapitel. Nach der Einleitung folgt in Kapitel zwei ein Überblick zur knappen, über Auslandskorrespondenten im Dritten Reich bereits geleisteten Forschungsarbeit sowie über die verfügbaren Quellen zur Bearbeitung dieser Thematik. Im dritten Kapitel wird kurz auf die Situation der Auslandskorrespondenten gegen Ende der Weimarer Republik eingegangen. Ein Blick auf die seitens des 8

Staates verantwortlichen Stellen, die Arbeitsumstände der ausländischen Journalisten sowie die Kontakte der NSDAP mit Auslandskorrespondenten vor der „Machtergreifung“ ermöglichen ein Verständnis des Bruchs, den der 30. Januar 1933 für die Korrespondenten in Deutschland bedeutete. Da die Grundlagen der Pressepolitik des NS-Regimes gegenüber den Auslandsjournalisten im Dritten Reich über den gesamten Zeitraum der Hitler-Diktatur gleich blieben, wird deren Erörterung im vierten Kapitel vor die Beschreibung der konkreten Inhalte dieser Politik vorgezogen. Kapitel fünf beschäftigt sich daran anschließend ausführlich mit der NS-Auslandspressepolitik bezüglich der Auslandskorrespondenten, wobei sowohl Institutionen und Handlungen auf Seiten des Regimes als auch Verhalten und Arbeitsumstände auf Seiten der Journalisten detailliert dargelegt werden. Aufgrund der dynamischen Entwicklung der NS-Pressepolitik unterteilt sich Kapitel fünf in zwei Phasen, von denen sich die erste mit dem Zeitraum von der „Machtergreifung“ im Januar 1933 bis zum Kriegsausbruch im September 1939 und die zweite mit der Periode vom Kriegsausbruch bis zur deutschen Kapitulation im Mai 1945 befasst. Die erste Phase umfasst folglich die Vorkriegszeit, in der eine ganze Reihe von Staats- und Parteistellen in relativ unkoordinierter Weise die Korrespondenten bearbeitete. Trotz umfassender Überwachung und Repressionen blieben den Journalisten in dieser Zeit gewisse Freiheiten bei ihrer Arbeit. Die zweite Phase setzt sich mit der Kriegszeit auseinander, in der Auswärtiges Amt und Propagandaministerium zu den dominierenden – und untereinander rivalisierenden – Verantwortlichen für Auslandskorrespondenten im Reich avancierten. In dieser Phase wurde die Betreuung der Korrespondenten professionalisiert, institutionalisiert und propagandistisch wesentlich intensiviert. Als Resultat verringerten sich die Arbeitsspielräume der Journalisten bis Kriegsende immer mehr. Abschließend fasst eine Schlussbetrachtung in Kapitel sechs die Ergebnisse der Arbeit zusammen und geht der Frage nach, ob Präsenz und Berichterstattung ausländischer Journalisten im Dritten Reich letztendlich ein Beitrag zur Verstärkung oder Entlarvung nationalsozialistischer Auslandspropaganda gewesen sind.

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2. Forschungsstand und Quellenlage

Eine umfassende Studie über die von den Nationalsozialisten gegenüber im Deutschen Reich arbeitenden Auslandskorrespondenten betriebene Pressepolitik und die aus dieser Politik resultierenden Arbeitsmöglichkeiten der Journalisten liegt bisher nicht vor. In der deutschsprachigen Literatur zur nationalsozialistischen Pressepolitik und Auslandspropaganda werden die Korrespondenten zwar an einigen Stellen erwähnt, doch meist erschöpfen sich die Ausführungen auf knappe oder sehr punktuelle Beschreibungen.1 Oberflächlich bleiben ebenfalls die Werke einiger anglo-amerikanischer Historiker, die sich mit dem Wirken US-amerikanischer Journalisten in Europa vor und während des Zweiten Weltkriegs befassen.2 Desgleichen nur knappe Erkenntnisse über Auslandskorrespondenten aus den Vereinigten Staaten im Dritten Reich liefern Untersuchungen der Berichterstattung US-amerikanischer Zeitungen über den Holocaust.3 Während US-Korrespondenten folglich eine gewisse Beachtung in der Fachliteratur erfahren haben, so finden dort Korrespondenten anderer Nationalitäten so gut wie gar keine Erwäh-

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Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 69-74 und S. 152-155; vgl. Holzweißig (1967), S. 69-85; vgl. Abel (1968), S. 47-50; vgl. Hagemann (1970), S. 204; vgl. Bramsted (1971), S. 175-184; vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 104-107 und S. 157-159; vgl. Toepser-Ziegert (1984), S. 34-38; vgl. Michels (1992), S. 355-358; vgl. Schwarz (1993), S. 85-87; vgl. Schumacher (1998), S. 27-59; vgl. Krings (2005), S. 41-42; vgl. Ders (2010), S. 377-382. Grund hierfür ist oft die Unkenntnis der inneren Verfasstheit des nationalsozialistischen Staates und seines Propagandaapparates. Einige Veröffentlichungen weisen deshalb inhaltliche Fehler auf. Vgl. Hohenberg (1964), S. 292-294; Desmond verlegt die regelmäßigen Pressekonferenzen für Auslandskorrespondenten im AA und im RMVP fälschlicherweise in die Zeit direkt nach der „Machtergreifung“. Vgl. Desmond (1982), S. 419-432; vgl. Hosley (1984), S. 6578; vgl. Cloud/Olson (1996), S. 135-142; Hamilton schreibt den Namen des Auslandspressechefs der NSDAP, Ernst Hanfstaengl, konsequent falsch und gibt für den Zeitpunkt der Ausreise William Shirers aus Deutschland irrigerweise das Jahr 1939 an. Vgl. Hamilton (2009), S. 271-280. Diese Studien widmen sich nur teilweise den Korrespondenten in Deutschland und legen ihren Untersuchungsschwerpunkt eher auf die Entscheidungsprozesse zur redaktionellen Linie in den Heimatredaktionen in den USA. Vgl. Leff (2005), S. 49-76; vgl. Lipstadt (1983); vgl. Ders. (1986).

nung.4 Auch Biographien über im Dritten Reich tätige Auslandskorrespondenten enthalten nur dürftige Informationen über deren Arbeitsumstände.5 An diesem Punkt ebenso wenig hilfreich sind schließlich die bisher erschienenen Biographien über nationalsozialistische Funktionsträger, deren Aufgabenfeld im Dritten Reich die Betreuung der Korrespondenten einschloss.6 4

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Einige knappe Informationen über die Tätigkeiten italienischer Zeitungskorrespondenten im Dritten Reich finden sich in einer Arbeit von Charles Burdett über italienische Reiseberichte aus der Ära des Faschismus. Vgl. Burdett (2007), S. 182-214. Ebenfalls kurz auf italienische Korrespondenten geht Glauco Licata in seiner Geschichte des „Corriere della Sera“ ein. Vgl. Licata (1976), S. 288-295. Michael Tracey legt in seiner Biographie des englischen Journalisten Hugh Greene, der von Dezember 1933 bis Mai 1939 als Korrespondent des „Daily Herald“ in München und Berlin arbeitete, den Schwerpunkt auf dessen spätere Tätigkeit als Generaldirektor der BBC. Vgl. Tracey (1984), S. 44-69. Marianne Hicks‘ Biographie des „Daily Mail“-Journalisten R. Selkirk Panton, einziger Korrespondent australischer Nationalität im Dritten Reich, ist in ihrem Erkenntniswert ebenfalls begrenzt, da Hicks Pantons Zeit in Deutschland weitgehend anhand von dessen Briefwechseln analysiert. In diesen Briefen äußert sich Panton – wohlwissend, dass seine Post kontrolliert wurde – so gut wie gar nicht zu seinen Arbeitsbedingungen und Beziehungen zu Staats- und Parteistellen. Vgl. Hicks (2006), S. 187-188. Auch die von Steve Wick kürzlich veröffentlichte Studie über das Wirken des prominenten US-Korrespondenten William L. Shirer in Berlin leidet unter dieser Problematik, denn sie basiert fast ausschließlich auf dessen Briefwechseln. Deutsche Quellen beachtet Wick nicht und erklärt zudem im Nachwort seiner Arbeit, selbige sei „not a scholarly work“ und „more of an adventure story than a book of history“. Wick (2011), S. 237. Eine Biographie über Max Blokzijl, Korrespondent niederländischer Zeitungen in Berlin von 1918 bis 1940 und daran anschließend prominenter Kollaborateur mit dem Hitler-Regime in den Niederlanden wurde von René Kok unter dem Titel „Max Blokzijl: Stem van het nationaal-socialisme“ vorgelegt; eine deutsche Übersetzung dieser Untersuchung existiert bisher nicht. Wigbert Benz‘ biographische Kurzstudie über den Leiter der Presseabteilung des AA, Paul Karl Schmidt, geht auf dessen Aufgaben bezüglich der Auslandskorrespondenten nicht weiter ein. Vgl. Benz (2005). Auch die kürzlich erschiene Biographie Schmidts von Christian Plöger beinhaltet zu diesem Thema nur vereinzelte Informationen. Während Plöger Schmidts Rolle gegenüber der deutschen Presse ausführlich behandelt, werden seine Auftritte vor der Auslandspresse kaum erwähnt. Vgl. Plöger (2009). Die von Christian Härtel vorgelegte Biographie über Wilfrid Bade, der als Leiter des Referats 6 in der Presseabteilung der RMVP von 1933 bis 1938 für die Auslandskorrespondenten zuständig war, hat ihren Schwerpunkt auf späteren Tätigkeiten Bades als Leiter der Abteilung Zeitschriftenpresse des RMVP. Vgl. Härtel (2004). Die Biographie über Ernst Hanfstaengl, Auslandspressechef der NSDAP, von Peter Conradi fokussiert weniger dessen Arbeit bezüglich der Korrespondenten als vielmehr

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Einen tieferen Einblick in die von den Nationalsozialisten gegenüber Auslandskorrespondenten betriebene Pressepolitik liefern bisher nur drei Untersuchungen, deren Erkenntnisinteresse das Thema Korrespondenten allerdings nur streift. Zu nennen ist hier zunächst die Studie Peter Longerichs über die Arbeit der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop. Im Fokus dieser bürokratiegeschichtlichen Arbeit stehen das Funktionieren der Institutionen des nationalsozialistischen Staates sowie deren Interaktionen. Besonderes Augenmerk legt Longerich auf die Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes und anderen Abteilungen des von Joseph Goebbels geführten Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Ein Aspekt dieses Zwistes war auch die Zuständigkeit für Betreuung der im Reich tätigen Auslandskorrespondenten.7 Allerdings betont Longerich, hier „nur auf einige Aspekte“8 der deutschen Pressepolitik gegenüber den Korrespondenten eingehen zu können, auch umfasst seine Studie diesbezüglich nur die Kriegsjahre ab 1939. Ebenfalls nützliche Informationen über Auslandskorrespondenten in Hitler-Deutschland enthält eine Untersuchung des Niederländers Paul Stoop zur nationalsozialistischen auswärtigen Pressepolitik gegenüber den Niederlanden in den Jahren 1933 bis 1940. Diese geht auf Auslandskorrespondenten im Dritten Reich im Allgemeinen9 und die persönlichen Lebenswege einiger niederländischer Korrespondenten im Speziellen ein.10 Allerdings umfasst Stoops Untersuchung nur den Zeitraum bis zum Jahr 1940 und konzentriert sich auf niederländische Medien und Journalisten. Ein kurzer Aufsatz Stoops, der sich explizit mit den Auslandskorrespondenten im Dritten Reich vor 1939 beschäftigt, geht in seinem Inhalt nicht über seine Studie zur auswärtigen NSPressepolitik gegenüber den Niederlanden hinaus.11 Außer Longerich und Stoop hat sich Markus Huttner im Rahmen seiner Untersuchung der Handhabung des nationalsozialistischen Kirchenkampfes durch die britische Presse im Zeitraum 1930 bis 1939 mit – in diesem Fall insbesondere britischen – Auslandskorrespondenten in Berlin auseinandergesetzt. Huttner geht ebenfalls auf die Situation der Auslandskorrespondenten

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Hanfstaengls persönliche Beziehung zu Hitler sowie seine spätere Tätigkeit als Berater der US-Regierung während des Zweiten Weltkriegs. Auch folgt Conradi an vielen Stellen recht eng den Erinnerungen Hanfstaengls und lässt daher teilweise kritische Distanz vermissen. Vgl. Conradi (2004). Vgl. Longerich (1987), S. 279-298. Ebd., S. 279. Vgl. Stoop (1987), S. 302-328. Vgl. Ebd., S. 328-375. Vgl. Ders. (1988).

im Dritten Reich allgemein ein.12 Weiter erörtert er die Arbeitsumstände der Berlin-Korrespondenten der Londoner „Times“ und des „Manchester Guardian“.13 Der Schwerpunkt von Huttners Arbeit liegt jedoch auf einer quantitativen Analyse der Berichterstattung der genannten zwei Zeitungen bezüglich des Kirchenkampfes im Dritten Reich. In der Summe weisen alle drei genannten Untersuchungen größere Lücken bezüglich des Themas Auslandskorrespondenten im Dritten Reich auf und bieten Raum für umfassende Ergänzungen und Vertiefungen. Zentrale Quellengrundlage für eine Untersuchung der nationalsozialistischen Pressepolitik gegenüber im Dritten Reich tätigen Auslandskorrespondenten und deren Arbeitssituation sind zunächst von eben diesen Korrespondenten verfasste Memoiren und Erinnerungen an ihre Zeit in Hitler-Deutschland. Diese liegen in nicht unerheblicher Zahl vor, jedoch finden in der Literatur meist nur wenige, immer die gleichen und teilweise oberflächlich analysierten Erinnerungen als Quellengrundlage Verwendung.14 Größtes Interesse in der Literatur erfuhren bisher die Werke prominenter US-amerikanischer Journalisten, während die Erinnerungen von Journalisten anderer Nationalitäten selten beachtet wurden. Die meistzitierten Memoiren von Auslandskorrespondenten im Dritten Reich sind diejenigen von William L. Shirer15 und Louis P. 12

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Vgl. Huttner (1995), S. 98-135. Besonderen Fokus legt Huttner dabei auf die Beziehungen zwischen Korrespondenten und Mitgliedern des kirchlichen Widerstandes. Vgl. Ebd., S. 196-239 und S. 254-261. Dies ist in der gesamten oben angesprochenen Literatur – auch in den drei herausgehobenen Studien von Longerich, Stoop und Huttner – der Fall. Shirer arbeitete von August 1934 bis August 1937 als Vertreter der zur HearstGruppe gehörenden Nachrichtenagentur „Universal Service“ in Berlin. Nach der Auflösung dieser Agentur war Shirer von September 1937 bis Dezember 1940 Deutschlandkorrespondent der US-Rundfunkgesellschaft CBS. Dort gehörte er zu den „Murrow Boys“, einer Gruppe von Radiojournalismus-Pionieren um CBS-Europadirektor Edward R. Murrow. Seine 1941 unter dem Titel „Berlin Diary. The Journal of a Foreign Correspondent 1934-1941” veröffentlichten Erinnerungen gehören zu den bekanntesten Publikationen dieser Art und enthalten viele wertvolle Informationen über die Arbeit der ausländischen Journalisten im Dritten Reich. Vgl. Shirer (1941). 1984 legte Shirer im Rahmen einer mehrbändigen Autobiographie nach und veröffentlichte „20th Century Journey. The Nightmare Years 1930-1940“. Dieses Werk basiert im Wesentlichen auf dem „Berlin Diary“, enthält jedoch einige zusätzliche Informationen. Vgl. Ders. (1984). Nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte Shirer zudem größere Bekanntschaft durch eine populärwissenschaftliche, von Fachhistorikern jedoch kritisch beurteilte Geschichte des Dritten Reichs, die höchste Verkaufszahlen erreichte. Vgl. Shirer (1960).

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Lochner16. Genau wie viele andere US-Kollegen legten Shirer und Lochner ihre Erinnerungen über das nationalsozialistische Deutschland noch während des Krieges ab dem Jahr 1941 vor, als in den USA die Nachfrage nach Augenzeugenberichten über die Zustände im Land des Kriegsgegners groß war. Andere US-Korrespondenten, die ebenfalls in Büchern über ihre Erlebnisse im Dritten Reich berichten, sind Frederick T. Birchall17, Harry W. Flannery18, Joseph C. Harsch19, Pierre J. Huss20, Max Jordan21, Frederick Oechsner22, Sigrid Schultz23, Howard K. Smith24 und Otto D. Tolischus25. 16

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Lochner war ab Januar 1921 bis Mai 1924 zunächst Berlin-Korrespondent der Nachrichtenagentur „Federated Press“. Danach arbeitete er für das Berliner Büro der „Associated Press“, dessen Chef er von 1928 bis zu dessen Schließung im Dezember 1941 war. Lochner, der als Sohn deutscher Einwanderer in Illinois perfekt Deutsch sprach, gehörte zu den bestinformierten Korrespondenten in Deutschland, sowohl in der Weimarer Republik als auch im Dritten Reich. Er war wiederholt Präsident des Vereins der Ausländischen Presse in Deutschland und erhielt 1939 den Pulitzerpreis für seine Arbeit als Korrespondent. Er veröffentlichte Erinnerungen seiner Zeit in Deutschland sowohl während als auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Vgl. Lochner (1943); vgl. Ders. (1955). Nach 1945 gab er zudem die Goebbels-Tagebücher der Jahre 1942/43 heraus und publizierte weitere Sachbücher über Deutschland. Vgl. Ders. (1948). Nützlich für die vorliegende Untersuchung sind weiter Lochners Briefwechsel mit seinen in den USA lebenden Familienmitgliedern, die an verschiedenen Stellen, jedoch hauptsächlich von Morrell Heald, veröffentlicht und kommentiert worden sind. Vgl. Heald (Hrsg.) (2007); vgl. Lochner (1967a). Der Engländer Birchall war zwar kein dauerhaft in Berlin stationierter Korrespondent, doch als „Chief Foreign Correspondent“ der „New York Times“ verbrachte er in den 1930er Jahren viel Zeit im Berliner Büro dieser Zeitung. Vgl. Birchall (1940). Flannery kam im Oktober 1940 als Nachfolger für William Shirer als CBSKorrespondent nach Berlin und blieb dort bis September 1941. Vgl. Flannery (1942). Harsch arbeitete von September 1939 bis Frühjahr 1941 als Korrespondent für den „Christian Science Monitor“ in Berlin. Vgl. Harsch (1941). Huss war ab Anfang 1934 bis Dezember 1941 Chefkorrespondent der HearstNachrichtenagentur „International News Service“ (INS) in Berlin. Vgl. Huss (1943). Jordan begann im Sommer 1931 bei NBC Reden deutscher Staatsmänner für amerikanische Radiosendungen zu übersetzen. 1934 wurde er NBC-EuropaKorrespondent mit Sitz in Basel. Von dort reiste er immer wieder nach Deutschland, um von dort zu berichten. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete Jordan fast permanent in Berlin. Während seiner NBC-Zeit war Jordan der Hauptkonkurrent von CBS und William Shirer. Vgl. Jordan (1944). Oechsner war über den gesamten Zeitraum des Dritten Reichs bis zu seiner Internierung im Dezember 1941 Chefkorrespondent der „United Press“ (UP) in

Neben den US-amerikanischen Journalisten haben auch einige Korrespondenten aus verschiedenen Ländern Europas ihre Erfahrungen mit dem Dritten Reich in Buchform gefasst. Aufgrund der Umstände des Zweiten Weltkriegs erschienen diese Werke meist später als die der US-Kollegen – teilweise auch erst Jahrzehnte nach Kriegsende. Von den skandinavischen Korrespondenten haben der Schwede Arvid Fredborg26, der Däne Jacob Kronika27 und der Norweger Theo Findahl28 ihre Erinnerungen veröffentlicht.29 Da einige der skandinavischen Journalisten zu den wenigen nichtpronazistischen Korrespondenten gehörten, die bis Kriegsende 1945 aus Deutschland berichteten, geben ihre Veröffentlichungen einen interessanten Eindruck von den Zuständen nach der Abreise ihrer US-Kollegen im Dezember 1941. Gleiches gilt auch für die Erinnerungen der Schweizer Journa-

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Berlin. Sein Buch enthält auch Kapitel, die von vier anderen ehemaligen USamerikanischen Deutschland-Korrespondenten verfasst wurden. Es handelt sich hierbei um Joseph W. Grigg, Jack M. Fleischer, Glen M. Stadler und Clinton B. Conger. Vgl. Oechsner (1943). Schultz arbeitet von 1919 bis Sommer 1941 als Korrespondentin der „Chicago Tribune“ in Deutschland. Vgl. Schultz (1944). Smith war von Januar 1940 bis Dezember 1941 Korrespondent der Nachrichtenagentur „United Press“ (UP) in Berlin, parallel arbeitete er auch für CBS und die „New York Times“. Smiths Erinnerungen erschienen 1942 unter dem Titel „Last Train from Berlin“, für die vorliegende Arbeit wurde die deutsche Ausgabe dieses Buchs verwandt. Vgl. Smith (1982). Tolischus war von Anfang des Jahres 1933 bis zu seiner Ausweisung aus Deutschland im März 1940 Berlin-Korrespondent der „New York Times“. Danach arbeitete er zunächst in Skandinavien, dann in Tokio. Dort wurde er im Dezember 1941 von den Japanern bis Kriegsende interniert. Vgl. Tolischus (1940). Fredborg war von Februar 1941 bis Mai 1943 Korrespondent des „Svenska Dagbladet“ in Berlin. Vgl. Fredborg (1944). Kronika arbeitete von 1932 bis Kriegsende als Korrespondent der dänischen Zeitung „Nationaltidende“ und des schwedischen „Svenska Dagbladet“ in Berlin. Seine Erinnerungen decken den Zeitraum Februar bis Mai 1945 ab. Vgl. Kronika (1946). Findahls Erinnerungen an seine Zeit als Berlin-Korrespondent des norwegischen „Aftenposten“ umfassen die Kriegsjahre 1939 bis 1945. Vgl. Findahl (1946). Weitere skandinavische Korrespondenten publizierten ihre Erinnerungen, jedoch liegen diese nicht in Übersetzungen vor und wurden deshalb nicht für die vorliegende Arbeit verwandt. Der Schwede Bertil Svahnström veröffentlichte 1944 „Hakkorsets tidevarv“, die Finnin Ada Norna 1946 ein Buch mit dem Titel „Kun venäläiset tulivat Berliiniin: päiväkirjan lehtisiä Hitler-Saksan viime ajoilta“.

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listen Wilhelm Kalberer30 und Hermann Böschenstein31. Die Memoiren von französischen und britischen Journalisten können im Idealfall hingegen nur den Zeitraum von der „Machtergreifung“ 1933 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 abdecken, da spätestens nach der Kriegserklärung Englands und Frankreichs an das Deutsche Reich am 3. September 1939 alle Diplomaten und Journalisten dieser Nationen das Reichsgebiet verließen. Von Seiten der französischen Korrespondenten liegen die Erfahrungsberichte von Stéphane Roussel32 und Géraud Jouve33 vor, von Seiten englischer Journalisten Bücher von Sefton Delmer34 und George Ward Price35. Einen Einblick in die Arbeitsweise und Behandlung der Auslandskorrespondenten aus mit dem Dritten Reich verbündeten Staaten geben die Erinnerungen italienischer Journalisten. Beschreibungen ihrer Zeit in Deutschland haben Filippo Bojano36 und Christano Ridomi37 vorgelegt. Kein Ausländer 30 31 32

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Wilhelm Kalberer war bis Kriegsende als Berichterstatter einer Reihe von Schweizer Zeitungen in Berlin tätig. Vgl. Kalberer (1945). Böschenstein war Berlin-Korrespondent der „Basler Nachrichten“ von November 1935 bis Dezember 1937. Vgl. Böschenstein (1978). Roussel war von 1930 bis zu dessen Schließung 1938 Mitarbeiterin des Berliner Büros des „Le Matin“. Ihre Erinnerungen erschienen 1985 unter dem Titel „Les Collines de Berlin. Un regard sur l’Allemagne“. Für die vorliegende Arbeit wurde die deutsche Übersetzung dieses Buchs verwandt. Vgl. Roussel (1986). Jouve folgte Paul Ravoux nach dessen Ausweisung aus Deutschland im November 1937 auf dessen Posten als Chefkorrespondent der französischen Nachrichtenagentur „Havas“ und verblieb dort bis Ende August 1939. Vgl. Jouve (1941). Delmer, von 1928 bis Sommer 1933 Berlin-Korrespondent des „Daily Express“, beschreibt in seinen Erinnerungen zwar nur den Beginn der Hitler-Diktatur, doch dies in sehr aufschlussreicher Weise. Vgl. Delmer (1962). Price war zwar nie dauerhaft stationierter Korrespondent in Berlin, doch hatte er aufgrund seiner prodeutschen Berichterstattung für die ebenfalls deutschfreundliche Rothermere-Zeitung „Daily Mail“ exklusiven Zugang zu vielen Entscheidungsträgern im nationalsozialistischen Staat. Vgl. Price (1937); vgl. Ders. (1957). Bojano gehörte als Korrespondent des 1914 von Mussolini gegründeten Blattes „Il Popolo d’Italia“ sowie der staatlichen italienischen Nachrichtenagentur „Stefani“ zu den prominentesten Journalisten in Berlin. Seine 1944 veröffentlichten Erinnerungen „Per imitare il passo dell' oca“ geben einen bisher völlig unbeachteten Einblick in die Stellung italienischer Journalisten in Hitler-Deutschland. Für die vorliegende Arbeit wurde die englische Übersetzung von Bojanos Erinnerungen verwandt. Vgl. Bojano (1945). Ridomi, in den 1930er Jahren Deutschland-Korrespondent des „Corriere della Sera“ war ab Sommer 1937 in der italienischen Botschaft in Wien, nach dem „Anschluss“ Österreichs ab 1938 in der Botschaft in Berlin tätig und dort unter anderem mit Pressefragen betraut. Vgl. Ridomi (1972).

war hingegen der Deutsche Ernst Lemmer, der während des Krieges für mehrere Schweizer und eine ungarische Zeitung als Korrespondent in Berlin arbeitete.38 Wichtige Auskunft über die Lage der Korrespondenten zu Beginn der Hitler-Diktatur geben schließlich die von Paul Stoop herausgegebenen Geheimberichte des „Nieuwe Rotterdamsche Courant“- Korrespondenten Hendrik Jan Noordewier, die dieser zwischen 1933 und 1935 aus Berlin für die Niederländische Regierung schrieb.39 Neben den Veröffentlichungen der direkt betroffenen Auslandskorrespondenten haben zudem die Aufzeichnungen oder Erinnerungen von Personen, die mit den Journalisten befasst waren oder in Kontakt standen, einen hohen Quellenwert. Seitens des NS-Regimes sind hier die seit einigen Jahren in vollem Umfang vorliegenden Tagebücher des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels,40 zu nennen, der in vielen Fällen selbst Richtlinien für den Umgang mit den Korrespondenten festlegte. Aufschlussreich für die zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft angewandte Politik gegenüber den Korrespondenten sind außerdem die Erinnerungen von Ernst „Putzi“ Hanfstaengl, der von 1931 bis 1937 als AuslandsPressechef der NSDAP agierte.41 Ebenfalls wertvolle Informationen enthalten die Erinnerungen Martin Sommerfeldts, der von Herbst 1939 bis Ende 1944 als Verbindungsoffizier der Abteilung Wehrmachtpropaganda des OKW in der Abteilung Auslandspresse im Propagandaministerium tätig war. In dieser Funktion unterrichtete Sommerfeldt die Korrespondenten täglich in 38

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Lemmer engagierte sich in der Weimarer Republik in verschiedenen Funktionen in der DDP. Nach 1933 wurde er aus dem Reichsverband der Deutschen Presse ausgeschlossen, was einem Berufsverbot als Journalist gleichkam. Seine guten Kontakte zu Mitarbeitern des AA erlaubten es ihm, dieses Verbot durch den Status eines Auslandskorrespondenten zu umgehen. Nach 1945 machte Lemmer in der Bundesrepublik als CDU-Politiker Karriere und leitete von 1956 bis 1965 verschiedene Bundesministerien. Vgl. Lemmer (1968). Die Berichte Noordewiers haben den großen Vorteil, dass sie authentische historische Dokumente sind und nicht wie Memoiren auf Aufzeichnungen oder der bloßen Erinnerung basieren. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990). Fröhlich (Hrsg.) (2005). Hanfstaengl, Sohn einer wohlhabenden Münchner Verleger- und Kunsthändlerfamilie, studierte an der Harvard University. Seit den frühen 1920er Jahren engagierte er sich in der NSDAP und nahm 1923 am gescheiterten Putsch in München Teil. Aufgrund seiner guten Verbindungen ins Ausland, insbesondere in die USA, ernannte ihn Hitler, der besonders auch Hanfstaengls Klavierspiel genoss, 1931 zum Auslands-Pressechef. Nach der „Machtergreifung“ verlor Hanfstaengl in Konflikten mit anderen Nazi-Größen schnell an Einfluss, fiel in Ungnade und floh im März 1937 nach England. Vgl. Hanfstaengl (1970); vgl. Conradi (2004).

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den Pressekonferenzen des „Promi“ über die militärische Lage und stand in engem Kontakt mit den ausländischen Journalisten.42 Da sich die Auslandskorrespondenten in Berlin sehr viel in diplomatischen Kreisen bewegten,43 enthalten außerdem die Erinnerungen von im Dritten Reich tätigen Diplomaten Informationen über die Situation der Auslandsjournalisten und die Politik gegenüber selbigen seitens der deutschen Regierung. Zu nennen sind hier die Erinnerungen des amerikanischen Botschafters William E. Dodd44 und insbesondere seiner Tochter Martha Dodd,45 sowie auch das Tagebuch des während des Zweiten Weltkriegs in der italienischen Botschaft tätigen Diplomaten Michele Lanza.46 Neben den Erinnerungen von Journalisten, nationalsozialistischen Funktionsträgern und Diplomaten sind zudem überlieferte Akten einer Reihe von Staats- und Parteiinstitutionen aus dem Dritten Reich für die vorliegende Arbeit von Relevanz. Einige dieser Akten sind in Buchform veröffentlicht, so etwa die von Karl-Heinz Minuth herausgegebenen Akten der Reichskanzlei 42

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Sommerfeldt war in den 1920er Jahren zunächst als Journalist tätig gewesen. 1933 wurde er unter Göring Leiter der Pressestelle im Preußischen Staatsministerium und verfasste in dieser Funktion eine Göring-Biographie. Schon 1934 – wohl aufgrund von Differenzen mit den Nationalsozialisten – verließ Sommerfeldt diesen Posten und arbeitete bis 1939 in einem privaten Verlag. Vgl. Sommerfeldt (1952). Sämtliche Erinnerungen von Journalisten zeigen, dass fast ausnahmslos alle Korrespondenten in einem sehr engen, teils freundschaftlichen Verhältnis zu den Diplomaten ihrer jeweiligen Botschaft standen und mit diesen Informationen über die Lage in Deutschland austauschten. Je stärker der Druck auf bestimmte Ausländer im Reich wurde, desto enger schweißte dies Diplomaten und Korrespondenten zusammen. Als Beispiel hierfür sei genannt die enge Zusammenarbeit zwischen amerikanischen Botschaftsmitgliedern und Korrespondenten im Laufe des Jahres 1941, als sich die Behandlung von US-Bürgern von Seiten des deutschen Staates drastisch verschlechterte. Vgl. Smith (1982), S. 198. William Dodd amtierte von Juli 1933 bis Dezember 1938 als US-Botschafter in Berlin. Vgl. Dodd/ Dodd (Hrsg.) (1963). Martha Dodd begleitete ihren Vater bei dessen Berufung auf den Botschafterposten in Berlin mit nach Deutschland. In der Reichshauptstadt verbrachte sie viel Zeit mit amerikanischen und britischen Korrespondenten, deren charakterlicher Beschreibung sie in ihren Erinnerungen ein längeres Kapitel widmet. Für die vorliegende Arbeit wurde die deutsche Ausgabe von Dodds 1938 vorgelegten Beschreibungen ihrer Zeit in Deutschland verwandt. Vgl. Dodd (2005). Lanza veröffentlichte seine Erinnerungen unter dem Pseudonym Leonardo Simoni. Seit Oktober 1939 in der Berliner Botschaft stationiert verweigerte Lanza 1943 den Dienst für die Republik von Salò. Nach dem Krieg diente er in verschiedenen Ländern als italienischer Botschafter. Vgl. Simoni [Lanza] (1946).

der Regierung Hitler47 oder die von Willi A. Boelcke zusammengestellten Protokolle der täglichen Ministerkonferenzen im Propagandaministerium.48 Letztere geben einen Einblick in die Anweisungen, die Goebbels dort regelmäßig bezüglich des Umgangs mit Auslandskorrespondenten gab. Relevante unveröffentlichte Akten finden sich in der Abteilung R (Deutsches Reich) des Bundesarchivs am Bundesarchivstandort Berlin-Lichterfelde. Die für die vorliegende Untersuchung verwendeten Aktenbestände von nationalsozialistischen Staats- und Parteistellen ließen sich mithilfe von Onlinefindbüchern auf der Internet-Seite des Bundesarchivs durchsuchen. Hierbei bestand einerseits die Möglichkeit, die Aktenbestände bestimmter konkret mit Auslandskorrespondenten befasster Ministeriumsabteilungen oder Parteistellen zur Gänze durchzusehen. Weiter bot sich auch der Weg, den gesamten mittels Onlinefindbüchern erfassten Bestand an Bundesarchiv-Akten aus der Zeit 1933 bis 1945 mit der sogenannten „Argus“-Suche auf der Internet-Seite des Archivs nach bestimmten Stichworten wie „Auslandskorrespondenten“ zu durchsuchen. Dies ermöglichte es für die vorliegende Untersuchung, punktuell auch Akten aus Beständen einzubeziehen, die auf den ersten Blick in keinem Bezug zum Erkenntnisinteresse der Arbeit standen – so etwa Akten aus dem Reichsministerium der Finanzen und dem Reichswirtschaftsministerium. Akten mit Bezug zu Auslandskorrespondenten im Dritten Reich im Bundesarchivstandort Berlin-Lichterfelde verteilen sich auf eine Reihe von verschiedenen Staats- und Parteistellen, zudem sind sie oft nur in Bruchstücken erhalten. Für die vorliegende Arbeit verwendet wurden Akten aus den folgenden Beständen: In dem überlieferten Aktenmaterial des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (BArch, R 55) finden sich verteilt über verschiedene Abteilungen Informationen zu der von diesem Ministerium betriebenen Information und Überwachung der Korrespondenten. Von der konkret für die ausländischen Journalisten zuständigen Abteilung Auslandspresse sind jedoch nur wenige Aktensplitter erhalten. Weiter verwandt wurden Akten des Auswärtigen Amtes (BArch, R 901). In den überlieferten Akten der Presseabteilung dieses Ministeriums finden sich insbesondere Dokumente, welche die ausführliche Überwachung der Berichterstattung der Auslandskorrespondenten belegen. Auskunft über die vom Außenpolitischen Amt der NSDAP unter Führung Alfred Rosenbergs in der Vorkriegszeit hergestellten Kontakte mit und Veranstaltungen für Auslandskorrespondenten finden sich in den Akten dieser von 1933 bis 1943 bestehenden Parteistelle 47 48

Vgl. Minuth (Hrsg.) (1983). Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966); vgl. Ders. (Hrsg.) (1967).

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(BArch, NS 43). Ebenfalls vor Kriegsausbruch in Kontakt mit Auslandskorrespondenten war die Reichspressechef Otto Dietrich unterstellte Reichspressestelle der NSDAP, insbesondere die der Münchner Hauptgeschäftsstelle unterstellte „Auslandspressestelle der Reichsleitung“ (BArch, NS 42). Informationen über Interviews von Auslandskorrespondenten und ausländischen Journalisten mit Adolf Hitler finden sich in den Aktenbeständen der Reichskanzlei (BArch, R 43). Weitere wichtige Akten für die vorliegende Arbeit befinden sich im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin. Dort bestand die Möglichkeit, in Findbüchern nach entsprechenden Akten zu suchen. Da sich bei der Durchsicht des Findbuches zur Presseabteilung des Auswärtigen Amtes für den Zeitraum 1933 bis 1945 bereits eine große Anzahl relevanter Akten identifizieren ließ, wurde die Suche dort weitestgehend auf eben diese Akten der Presseabteilung beschränkt, die insbesondere für die Vorkriegszeit einen umfassenden Einblick in die Politik des Auswärtigen Amtes gegenüber Auslandskorrespondenten erlauben. Auf Basis des vorhandenen Quellenmaterials49 soll im Folgenden auf die nationalsozialistische Pressepolitik gegenüber den Auslandskorrespondenten und deren Arbeitssituation im Dritten Reich eingegangen werden. Zunächst wird dabei einführend die Lage in den Jahren vor der „Machtergreifung“ Hitlers erörtert.

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Aus Originalakten und anderen Quellen entnommene Zitate wurden ohne Änderungen vom Verfasser übernommen. Orthographische Fehler wurden nur korrigiert, wenn dies zur Vermeidung von inhaltlichen Missverständnissen nötig war. Ergänzungen des Verfassers sind mit eckigen Klammern gekennzeichnet. Zitate in Fremdsprachen wurden vom Verfasser – außer bei Zitaten in englischer und französischer Sprache – mit Übersetzungen in den Fußnoten versehen.

3. Auslandskorrespondenten in der Endphase der Weimarer Republik

Im Folgenden wird knapp auf die Situation der Auslandskorrespondenten in Deutschland gegen Ende der Weimarer Republik eingegangen. Beachtet werden dabei die für die Korrespondenten verantwortlichen staatlichen Institutionen, die Arbeitsumstände der ausländischen Journalisten sowie die von der NSDAP im Vorfeld des 30. Januar 1933 aufgebauten Kontakte zu Auslandskorrespondenten. Diese Darstellungen sollen verständlich machen, auf welche Voraussetzungen die Nationalsozialisten nach der „Machtergreifung“ bezüglich der Auslandskorrespondenten stießen und welchen Bruch Hitlers Herrschaft für deren Arbeit in Deutschland bedeutete.

3.1 Staatliche Institutionen in Kontakt mit Auslandskorrespondenten Zuständig für im Deutschen Reich arbeitende ausländische Journalisten1 war in der Weimarer Republik die „Vereinigte Presseabteilung der Reichsregierung“,2 die sich im damaligen Berliner Regierungsviertel am Wilhelmsplatz im Palais Prinz Leopold unweit der Reichskanzlei befand. Geleitet wurde die Abteilung vom „Chef der Presseabteilung der Reichsregierung“3 im Range 1

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Ausführlich mit der Organisation der ausländischen Presse in Berlin im Jahr 1932 beschäftigen sich Paul F. Douglass und Karl Bömer in ihrem Aufsatz „The Press as a Factor in International Relations“, der im Juni 1932 erschien. Vgl. Douglass/Bömer (1932), S. 269-272. Zur späteren tragenden Rolle Karl Bömers in der Betreuung von Auslandskorrespondenten im NS-Staat vgl. unten, S. 4647 und S. 166-171. Über die Organisation der amtlichen Pressepolitik und die Vereinigte Presseabteilung der Reichsregierung in der Weimarer Republik liegt eine allerdings knappe Untersuchung von Peter Bauer vor. Vgl. Bauer (1962). Letzter Chef der Presseabteilung vor der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten war ab August 1932 der Offizier Erich Marcks, der unter den Reichskanzlern Papen und Schleicher diente. Als Vertrauter Schleichers musste Marcks seinen Posten nach dem 30. Januar 1933 räumen und ging zurück in die Armee. Marcks fiel 1944 in den ersten Tagen nach der Invasion als General der

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eines Ministerialdirektors, der direkt dem Reichskanzler unterstand. Die Presseabteilung an sich war jedoch organisatorisch Teil des Auswärtigen Amtes. Personell besetzt war sie 1932 neben ihrem Chef mit zwei Vortragenden Legationsräten, zwei Legationsräten I. Klasse, vier Legationsräten, zehn weiteren untergeordneten Beamten sowie 79 nichtbeamteten Hilfskräften.4 Die übrigen Reichsministerien und Dienststellen des Reiches waren verpflichtet, bei Kontakten mit Journalisten immer erst mit der Presseabteilung der Reichsregierung Rücksprache zu halten.5 Organisatorisch war die Abteilung in zwei Unterabteilungen geteilt – eine für das Inland, eine für das Ausland. Selbige unterteilten sich wiederum in Referate. Die Unterabteilung Auslandspresse der Reichspresseabteilung besaß intern acht Referate, die inhaltlich auf bestimmte Länder oder Weltregionen spezialisiert waren.6 Die die Referate leitenden Referenten waren spezialisiert und befassten sich jeweils mit den Korrespondenten aus ihrem geographischen Zuständigkeitsbereich. Sie waren für die ausländischen Journalisten die persönlichen Ansprechpartner und somit in der unmittelbaren Mittlerposition zwischen Regierung und Korrespondenten. Die Referenten beantworteten den Journalisten Fragen, verteilten Informationen und vermittelten Interviews – freilich immer darauf bedacht, die Berichterstattung zugunsten der

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Artillerie und Kommandeur eines Armeekorps in der Normandie. Vgl. Fuchs (1990), S. 125. Von Marcks Vorgänger Walter Zechlin, Diplomat, SPD-Politiker und Pressechef von November 1926 bis Juni 1932, liegt ein Erfahrungsbericht über seine dortige Tätigkeit vor. Vgl. Zechlin (1956). Für eine Liste der Reichspressechefs in der Weimarer Republik vgl. Bauer (1962), S. 67-79. Vgl. BArch, R 2/11554 Aufzeichnung über die Auslandspressestelle, 2.11.1938. Jedoch hielten sich in der Praxis verschiedene Ministerien wiederholt nicht an diese Vorschrift. Vgl. BArch, R 43-I/2477 Protokoll der Ministerbesprechung, Punkt 2: Mitteilungen der Minister an die Presse, 4.11.1926. Vgl. Zechlin (1956), S. 22. Am 1. Mai 1932 betreuten folgende Referate der Auslandspresse-Unterabteilung Korrespondenten aus den jeweils folgenden Ländern und Sachgebieten: Referat 1: Belgien, Frankreich mit Kolonien, Schweiz und Völkerbund; Referat 2: Albanien, Bulgarien, Griechenland, Jugoslawien, Österreich, Rumänien, Tschechoslowakei und Ungarn; Referat 3: Italien mit Kolonien, Mexiko, Zentral- und Südamerikanische Republiken, Portugal mit Kolonien, Spanien mit Kolonien und der Vatikan; Referat 4: Großbritannien mit allen Kronkolonien, Mandatsgebieten und Herrschaftsgebieten ausgenommen Indien sowie Vereinigte Staaten von Amerika; Referat 5: Abessinien, Afghanistan, Ägypten, Arabien, Persien, Palästina, Syrien und Türkei; Referat 6: Danzig, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Russland und Ukraine; Referat 7: Dänemark, Finnland, Island, Niederlande ohne Kolonien, Norwegen und Schweden; Referat 8: China, Indochina, Japan, Niederländisch- und BritischIndien und Siam. Vgl. Douglass/Bömer (1932), S. 270.

Reichsregierung zu beeinflussen. Ein Referent war zusätzlich beauftragt, die Kommunikation zwischen Pressestelle und den zwei Organisationen ausländischer Journalisten in Berlin abzuwickeln.7 Nach der Ankunft in Berlin war der jeweilige Länderreferent in der Auslands-Unterabteilung der Presseabteilung auch der erste Anlaufpunkt für einen neuen Korrespondenten. Der Journalist legte dem Referenten entsprechende Unterlagen seines Arbeitgebers vor, die ihn als Auslandskorrespondent auswiesen. Der Referent begutachtete diese Dokumente und konnte sie gegebenenfalls auch als unzureichend zurückweisen. Akzeptierte der Referent die Unterlagen, so stellte er dem Korrespondenten entsprechende Papiere aus, die ihn als offiziell akkreditierten Auslandskorrespondenten im Deutschen Reich auswiesen.8 Am 18. März 1932 waren insgesamt 406 ausländische Journalisten in Besitz einer solchen Akkreditierung der Reichsregierung.9 Diese Zahl dürfte jedoch nicht der tatsächlichen Zahl der im Reich arbeitenden ausländischen Medienvertreter entsprochen haben. Einerseits waren bei weitem nicht alle offiziell akkreditierten Journalisten auch als permanente Berlin-Korrespondenten tätig, andererseits arbeiteten im Reich auch ausländische Journalisten ohne Akkreditierung der Presseabteilung der Reichsregierung. Je nach Neuigkeitswert der Entwicklungen in Deutschland hielten sich mal mehr, mal weniger Korrespondenten in Berlin oder anderen deutschen Städten auf. Laut Schätzung der Berliner Polizei befanden sich zu Beginn der 1930er Jahre im Durchschnitt etwa 300 ausländische Korrespondenten in Berlin.10 Die Akten der Reichskanzlei zeigen, dass die deutsche Regierung auch schon vor der nationalsozialistischen Machtübernahme die Auslandskorrespondenten im Reich genau im Auge hatte. Ein als „Geheim!“ klassifizierter Bericht der Presseabteilung der Reichsregierung „betreffend der in Berlin tätigen englischen Korrespondenten und der von ihnen vertretenen Zeitungen und Nachrichtenagenturen“ vom Januar 1925 legt dar, welche der Korrespondenten „im allgemeinen als zuverlässig zu bezeichnen“ waren und welche dagegen negativ auf sich aufmerksam gemacht hatten. So vermerkt der Bericht über den Berliner Korrespondenten der „Morning Post“, dass dieser entsprechend der Einstellung seiner ultrakonservativen Leserschaft mit „der 7 8 9

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Vgl. Bauer (1962), S. 47- 48. Vgl. Douglass/Bömer (1932), S. 270. Die größten Gruppen stellten dabei die Korrespondenten aus den USA (73), England (27), Frankreich (27), Rumänien (21), Schweden (20), Österreich (18); Niederlande (16), Tschechoslowakei (15), Dänemark (14), Italien (14), Polen (14), Schweiz (12), Ungarn (11) und Russland (10). Vgl. Ebd. Vgl. Ebd.

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von seiner Redaktion gewünschten deutschfeindlichen Tendenz“ schreibe. Ebenfalls unbeliebt hatte sich der Vertreter der „Daily Mail“ gemacht: „Bei dem hiesigen Vertreter „Rothay Reynolds“ ist der Gegensatz zwischen seinem persönlich liebenswürdigen Auftreten und seiner oft bissigen und hämischen Berichterstattung über Deutschland zu beachten.“ Zufriedener war man dagegen mit der Londoner „Times“, deren Hauptkorrespondent H.G. Daniels zuletzt „für eine vorsichtige deutsche Einwirkung zugänglicher geworden“ sei und deren Köln-Korrespondent eine „sehr deutschfreundliche Orientierung“ aufweise – wahrscheinlich aufgrund seiner Ehe mit einer Rheinländerin, wie der Bericht vermutet. Weiter verzeichnet der Bericht teilweise die Informanten der Korrespondenten und gibt an, wer öfter und wer seltener mit der Presseabteilung der Reichsregierung in Kontakt trat.11 Während der Amtszeit des Außenministers Gustav Stresemann12 von 1923 bis 1929 existierte eine wöchentliche Presseveranstaltung der Reichsregierung für ausländische Korrespondenten. Stresemann selbst empfing die Vertreter der Auslandspresse jeden Freitagnachmittag im Palais Friedrich Leopold zu einer Tee- und Kaffeestunde.13 War er verhindert, so wurde er dort vom Reichspressechef vertreten.14 Während der Zusammentreffen stand es den Korrespondenten frei, jede sie interessierende Frage zu stellen, wobei Stresemann je nach der politischen Lage auf manche Themen nur ausweichend einging. Dabei waren seine Ausweichmanöver aber so geschickt, dass die Korrespondenten mit seinen Antworten in der Regel stets zufrieden waren. Insgesamt erfreuten sich die freitäglichen Treffen, als auch Stresemanns Person selbst, bei den Auslandskorrespondenten größter Beliebtheit.15 Seine 11

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Vgl. BArch, R 43-I/2482 Aufzeichnung betreffend der in Berlin tätigen englischen Korrespondenten und der von ihnen vertretenen Zeitungen und Nachrichtenagenturen nach dem Stande vom 25.1.1925. Louis P. Lochner attestiert Stresemann: „Von allen Männern der Öffentlichkeit, die mir je in Deutschland begegnet sind, besaß keiner eine so glückliche Hand in der Behandlung der Presse.“ Lochner (1955), S. 147. Auch Werner Stephan bestätigt diese Einschätzung. Vgl. Stephan (1983), S. 170. Diese Konferenzen waren Stresemann offenbar sehr wichtig. So schreibt Lochner, Stresemanns Staatssekretär Carl von Schubert habe ihm gegenüber geklagt, dass Stresemann Freitagnachmittags für nichts mehr zu haben sei und alle anderen Verpflichtungen für sein Treffen mit den Auslandskorrespondenten aufschiebe. Vgl. Lochner (1955), S. 148. In seinen Memoiren schreibt Stephan irrtümlicher Weise, die Teestunden hätten mittwochs stattgefunden. Vgl. Stephan (1983), S. 169. Vgl. Bauer (1962), S. 56. Lochner über Stresemann: „Er verstand es meisterhaft, unter den Nachrichtenleuten von rund fünfundzwanzig Ländern Freunde zu gewinnen.“ Locher

letzte Teestunde hielt Stresemann im September 1929 fünf Tage vor seinem Tod unter offensichtlich großer körperlicher Anstrengung ab. Für die anwesenden Korrespondenten war diese letzte Zusammenkunft mit dem totkranken Außenminister ein tiefbestürzendes, „qualvolles Erlebnis“.16 Nach Stresemanns Tod und mit dem Beginn der Ära der Präsidialkabinette am 30. März 1930 kühlte sich das Verhältnis zwischen Korrespondenten und Reichsregierung etwas ab. Stresemanns Tee- und Kaffeestunden wurden von seinem Nachfolger Julius Curtius zwar fortgesetzt, jedoch war dessen Verhältnis zu den ausländischen Journalisten distanzierter.17 Mit Curtius‘ Rücktritt im Oktober 1931 endeten die Teestunden vollends. Die täglich von der Unterabteilung Inlandspresse der Presseabteilung der Reichsregierung für deutsche Journalisten abgehaltenen Pressekonferenzen durften ausländische Journalisten nicht besuchen.18 Zudem kam es zu Versuchen und Drohungen, missliebige Journalisten aus dem Reich auszuweisen.19 Insgesamt hatten die Korrespondenten aber weiterhin größte Freiheiten in ihrer Berichterstattung aus dem Reich und standen zum Teil mit führenden deutschen Politikern in regelmäßigem Kontakt.20 Neben der Pressestelle der Reichsregierung standen auch noch andere staatliche Institutionen mit den Auslandskorrespondenten in Interaktion. Dazu gehörten die Pressestellen der Preußischen Regierung, der Stadt Berlin sowie die anderer Reichsministerien. Problematisch gestaltete sich zu Beginn der 1930er Jahre die Besetzung der Pressetribüne des Reichstags. Dort waren ursprünglich nur 15 Sitze für ausländische Korrespondenten vorgesehen, die aber aufgrund des Andrangs ausländischer Journalisten während der Krisenjahre der Republik nicht ausreichend waren. Durch Intervention beim Direktor des Reichstags erreichten die Korrespondenten eine Erweiterung auf schließlich 83 Sitz- und Stehplätze für Auslandskorrespondenten. Zum Betreten der Tribüne benötigten die Korrespondenten einen entsprechenden Ausweis. Wer genau diese Ausweise erhielt, regelten die Organisationen der Aus-

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(1955), S.148. Vgl. zu der Atmosphäre der Teestunden auch Stephan (1983), S. 169-171. Lochner (1955), S. 156. Vgl. Curtius (1948), S. 149-151; vgl. Lochner (1955), S. 135. Vgl. Douglass/Bömer (1932), S. 269. So gab es in der Presseabteilung der Reichsregierung beispielsweise im Dezember 1932 Pläne, den russischen Journalisten Dimitri Ishewski auszuweisen. Vgl. PA AA, R 211650 Vermerk v. Sacken, 13.3.1933. Über das Ausmaß dieser Pläne und die Frage, ob Journalisten tatsächlich aus dem Reich gewiesen wurden, finden sich in den Akten und in der Literatur keine genaueren Angaben. Vgl. Desmond (1982), S. 420; vgl. Huttner (1995), S. 98-99. Vgl. Lochner (1955), S. 252.

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landsjournalisten, der Direktor des Reichstags und die Pressestelle der Reichsregierung in gegenseitiger Absprache.21

3.2 Arbeitsmöglichkeiten der Korrespondenten Die Arbeitssituation der Auslandskorrespondenten in der Endphase der Weimarer Republik war außerordentlich gut.22 Abgesehen von leichten Verschlechterungen im Verhältnis zur Reichsregierung waren die Journalisten wie oben beschrieben in ihrer Berichterstattung völlig frei. Die politischen Entwicklungen in Berlin waren schnell und turbulent, was die Arbeit der Journalisten spannend und abwechslungsreich gestaltete – eine Tatsache, die viele Korrespondenten genossen.23 Die ausländischen Journalisten besaßen in vielen Fällen gute Kontakte in alle gesellschaftlichen Bereiche und konnten von sich behaupten, hautnah die politischen Entscheidungsprozesse in der Reichshauptstadt und Weltstadt Berlin zu verfolgen.24 Die Ehefrau des bekannten „Chicago Daily News“-Korrespondenten Edgar Ansel Mowrer bemerkt hierzu: „Germany was in the main stream of history and that means a lot to a journalist.”25 Finanziell ging es einem erheblichen Teil der Korrespondenten ebenfalls gut, insbesondere die Berichterstatter renommierter Medien erhielten hohe Gehälter. Aber auch die weniger gut verdienenden Journalisten profitierten von oft vorteilhaften Wechselkursen ihrer Heimatwährungen mit der Reichsmark, der ihnen in Deutschland einen höheren Lebensstandard ermöglichte, als er mit gleichem Gehalt in ihren Heimatländern möglich gewesen wäre.26 Korrespondenten leisteten sich großzügige Wohnungen in der Nähe der Wilhelmstraße im Berliner Regierungsviertel und veranstalteten oder besuchten regelmäßig eine große Zahl von Gesellschaften, Empfängen oder 21 22 23 24 25 26

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Vgl. Douglass/Bömer (1932), S. 271-272. Vgl. Birchall (1940), S. 21-22. Vgl. Roussel (1986), S. 43. Vgl. Lochner (1955), S. 232; vgl. Delmer (1962), S. 143. Mowrer (1937), S. 178. Am extremsten war dieses Phänomen während der galoppierenden Inflation 1923. George Seldes, von 1920 bis 1930 Korrespondent der „Chicago Tribune“ in Berlin, berichtet in seinen Erinnerungen, dass während der Inflation alle USKorrespondenten reiche Männer waren. So kaufte sich der Hearst-Journalist Karl von Wiegand ein Schloss am Starnberger See. Vgl. Seldes (1987), S. 171.

Bällen, bei denen sie mit den politischen und kulturellen Eliten Berlins verkehrten.27 Eine wichtige Institution im vielseitigen Gesellschaftsleben Berlins war in den 1920er und frühen 1930er Jahren der am 30. Juni 1906 gegründete „Verein der Ausländischen Presse zu Berlin“, dem am 1. Mai 1932 150 Mitglieder aus 34 Nationen angehörten. Der Verein hatte sein Hauptquartier im Hotel Russischer Hof, aufgenommen wurden nur Vollzeit-Journalisten, die ausschließlich für ausländische Medien arbeiteten. Die jährlich wechselnde Präsidentschaft hatte 1932 der Niederländer Max Blokzijl inne.28 Die Mitgliedschaft kostete eine einmalige Aufnahmegebühr von 75 Reichsmark, sowie monatliche Gebühren in Höhe von 8 Reichsmark. Dafür bot der Verein seinen Mitgliedern Unterstützung beim Leben und Arbeiten in Berlin: Er half beim Abschließen von Versicherungen und verteile Karten für kostenlose oder vergünstigte Besuche von Theatern und Opernhäusern.29 Höhepunkte des Vereinslebens waren das im Frühsommer stattfindende Jahresbankett sowie der die Wintersaison der Berliner Gesellschaft einleitende Ball des Vereins Ende November oder Anfang Dezember. Zu beiden Veranstaltungen erschienen große Teile des führenden Personals des Berliner Diplomatischen Corps, der Reichsregierung und sonstige politische und kulturelle Prominenz. Gefeiert wurde jeweils bis in die frühen Morgenstunden.30 Deutsche Politiker wie Stresemann und Brüning hielten während ihrer Amtszeiten als Außenminister beziehungsweise Reichskanzler auf dem Jahresbankett des Vereins vielbeachtete Reden31 zur aktuellen politischen Lage und betonten, „mit großer Freude“ den Einladungen der ausländischen Journalisten nachzukommen.32 Neben dem Verein der Ausländischen Presse zu Berlin existierte in Berlin eine zweite Organisation von Auslandskorrespondenten. Der „Verband Ausländischer Pressevertreter zu Berlin“ hatte im Jahr 1932 108 Mitglieder aus 33 27 28 29

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Vgl. Delmer (1962), S. 75-78 und S. 129-130; vgl. Mowrer (1937), S. 273. Vgl. BArch, R 43-I/2482 Blokzijl an Reichskanzler Schleicher, 11.12.1932. Die am häufigsten vertretenen Nationen im Verein waren die Vereinigten Staaten (32), Frankreich (17), England (13) und die Niederlande (12). Vgl. Douglass/Bömer (1932), S. 271. Vgl. Lochner (1955), S. 229-234. Lochner war von 1928 bis 1931 Präsident des Vereins und beschreibt in seinen Erinnerungen nicht ohne Stolz den großen Organisationsaufwand für Bankett und Ball sowie deren glamouröse Atmosphäre. Vgl. Lochner (1943), S. 220. Vgl. BArch, R 43-I/2482 Entwurf einer Tischansprache des Herrn Reichskanzlers bei dem Bankett des Vereins der Ausländischen Presse im Hotel Adlon am 28.5.1932.

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verschiedenen Staaten. Der Verband gründete sich 1922 als Reaktion auf die Politik des Vereins der Ausländischen Presse, nur „vollwertige“ Auslandskorrespondenten aufzunehmen. Im Verband der Auslandspresse organisierten sich folglich die ausländischen Journalisten, die auch für deutsche Medien arbeiteten oder nur nebenberuflich als Korrespondenten tätig waren – etwa ausländische Studierende, die neben dem Studium für Zeitungen in ihrer Heimat schrieben. Zudem nahm der Verband auch Deutsche auf, die hin und wieder für ausländische Medien tätig waren. Als Präsident des Verbandes fungierte 1932 Zeno Kuziela, der für ukrainische und kanadische Blätter aus Berlin berichtete.33 In gesellschaftlichem und journalistischem Prestige war der Verband dem Verein der Ausländischen Presse deutlich nachgeordnet.34 Insgesamt bot die Endphase der Weimarer Republik einem Auslandskorrespondenten – so resümiert der im September 1928 nach Berlin versetzte Sefton Delmer – alles, was ein Journalist sich wünschen konnte: „Sex, Mord, politische Intrigen, Geld, Geheimnis und Blutvergießen“. In der Rückschau, so Delmer in etwas übertriebener Form, erscheine ihm dieser Abschnitt seines Lebens „als eine Art pompejanisches Gelage am Vorabend des Vesuvausbruchs.“35

3.3 Kontakte zwischen NSDAP und Auslandskorrespondenten vor 1933 In den 1920er Jahren kam es zwischen Auslandskorrespondenten und der Führungsspitze der NSDAP offenbar zu keinen relevanten regelmäßigen Kontakten. Dies erklärt sich mit der zu dieser Zeit nachrangigen Bedeutung der Nationalsozialisten in der deutschen Politik. Nach dem misslungenen Putsch in München 1923 wurde Hitler nach Einschätzung des in den 1920er Jahren in Deutschland tätigen Korrespondenten der „Chicago Tribune“, George Seldes, „overlooked, discounted and forgotten by the press“.36 Andererseits sahen auch die Nationalsozialisten, ihrem Selbstverständnis nach eine genuin deutsche Bewegung, keinen Grund, den Kontakt mit Vertretern des Auslands zu suchen. In den 1920er Jahren lag der Fokus Hitlers auf der deut33 34 35 36

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Vgl. Ebd., Verband Ausländischer Pressevertreter an Reichskanzler Brüning, 5.5.1932. Vgl. Douglass/Bömer (1932), S. 271. Delmer (1962), S. 75. Seldes (1987), S. 138.

schen Innenpolitik, für deren Bearbeitung er zunächst keine Fühlungnahme mit ausländischen Korrespondenten benötigte. Dieser Zustand änderte sich mit der Reichstagswahl vom 14. September 1930, bei der die NSDAP schlagartig mit einem Stimmenanteil von 18,3 Prozent zweitstärkste politische Kraft in Deutschland wurde. Als Reaktion darauf und auf die danach weiter steigende Bedeutung der Nationalsozialisten wuchs das Interesse der Auslandskorrespondenten an der NSDAP und Anfragen ausländischer Journalisten bei der Partei wurden regelmäßig und zahlreich.37 Mit einer gewichtigeren Rolle in der deutschen Politik und der Machtübernahme als realistischer Perspektive wurde zudem auch den Führern der NSDAP klar, dass zur Erreichung der Ziele der Partei eine positive Publizität in ausländischen Medien förderlich war.38 Tragender Koordinator der Interaktion zwischen NSDAP und Auslandskorrespondenten war in den frühen 1930er Jahren bis zur „Machtergreifung“ Ernst „Putzi“ Hanfstaengl, den Hitler 1931 zum Auslandspressechef seiner Partei ernannte.39 Sein Büro hatte Hanfstaengl im „Braunen Haus“ der NSDAP in München, wo ebenfalls 1931 eine Auslandspressestelle eingerichtet wurde.40 Hanfstaengl beantwortete in Eigenregie – oft aber in direkter Rücksprache mit Hitler – Anfragen ausländischer Journalisten und bemühte sich, nach seinem Amtsantritt mit möglichst vielen Korrespondenten in München und Berlin in Kontakt zu kommen. Die Mehrzahl der Auslandsjournalisten stand dem aggressiven Programm der Nationalsozialisten dabei kritisch gegenüber und Hanfstaengl musste viel Mühe aufbringen, das „Vorurteil abzubauen, der Auslandspressechef der berüchtigten NSDAP müsse ein wütender Nazi oder gar ein Judenfresser sein“.41 Der hünenhafte Hanfstaengl fiel den Korrespondenten sowohl vor als auch nach Januar 1933 zunächst vor allem durch seine außergewöhnliche Körpergröße auf.42 Den meisten war er sympathisch, aber nicht alle nahmen ihn aufgrund seiner „clownish stupidity“ 43 und seines Spitznamens ernst.44 Hanfstaengl, der an 37 38 39

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Vgl. Bojano (1945), S. 7; vgl. Oechsner (1943), S. 46; vgl. Dresler (1937), S. 5-6. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 255. Dies geht aus den Erinnerungen zahlreicher Auslandskorrespondenten hervor, die Hanfstaengl für diesen Zeitraum als den zentralen Ansprechpartner in der NSDAP nennen. Vgl. Oechsner (1943), S. 47; vgl. Kaltenborn (1967), S. 283; vgl. Ridomi (1972), S. 99-100; vgl. Schultz (1944), S. 87-88; vgl. Jordan (1944), S. 69. Vgl. Dresler (1937), S. 10. Wie diese Auslandspressestelle aufgebaut und ausgestattet war, ließ sich nicht rekonstruieren. Hanfstaengl (1970), S. 254. Vgl. Oechsner (1943), S. 48. Shirer (1941), S. 17.

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der Harvard University studiert hatte, wurde nicht müde, die Korrespondenten über diesen Umstand und seine außergewöhnliche Kenntnis der angelsächsischen Welt zu belehren.45 Nichtsdestotrotz vermerkt Christano Ridomi, zu Beginn der 1930er Jahre Deutschland-Korrespondent des „Corriere della Sera“, positiv über Hanfstaengl, dass dieser sich als einziger führender Nationalsozialist nicht ständig in braune Uniformen kleidete und lautstarke Propaganda von sich gab. Mit einer breiten Allgemeinbildung und profunder Kenntnis von Kunst und Musik, „Hanfstaengl aveva piuttosto l’aria di un artista“ und „quando il discorso si scostava dalla politica, Putzi si manifestava uomo di cultura e di brillante conversazione“.46 Auch Martha Dodd, Tochter des US-Botschafters William Dodd, und Lilian T. Mowrer, Ehefrau des USJournalisten Edgar Mowrer, hoben diese Aspekte der Persönlichkeit von Hitlers Auslandspressechef hervor, die ihn alles in allem etwas fremd unter seinen nationalsozialistischen Mitstreitern wirken ließen.47 Insgesamt bemühte sich Hanfstaengl in seiner Tätigkeit nach eigenem Bekunden, weit verbreitete Nagativmeinungen unter den Korrespondenten über die Radikalität der NSDAP abzubauen und ihnen stattdessen etwas von der Begeisterung zu vermitteln, die Hitler aus der deutschen Bevölkerung entgegenschlug. Vor allem ersterem Zweck diente die erste Auslandspressekonferenz der NSDAP, die Hanfstaengl Ende 1931 in Anbetracht des Skandals um die sogenannten „Boxheimer Dokumente“ initiierte. Um Hitlers Dementi zu einer Verwicklung in den Fall wirksam der internationalen Öffentlichkeit zu kommunizieren, lud Hanfstaengl ein Dutzend prominente britische und USamerikanische Korrespondenten in das Berliner Hauptquartier der Parteiführung im „Hotel Kaiserhof“ ein.48 Laut Hanfstaengls Erinnerungen war die Pressekonferenz ein Erfolg, da Hitler in seiner Ansprache Eindruck auf die Korrespondenten machte und die gewünschte Berichterstattung folgte.49 Die44

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Die Bezeichnung „Putzi“, unter der Hanfstaengl in der NSDAP und auch unter den Korrespondenten bekannt war, hatte Hanfstaengl nach eigenen Angaben seiner Kinderfrau zu verdanken. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 272. Vgl. Bojano (1945), S. 8. „machte Hanfstaengl eher den Eindruck eines Künstlers“ und „wenn die Diskussion von der Politik abschweifte, dann offenbarte er sich als Mann von Kultur und brillanter Unterhalter“ (Übersetzung des Verfassers). Ridomi (1972), S. 101. Vgl. Dodd (2005), S. 32-33; vgl. Mowrer (1937), S. 300 sowie auch Jones (1951), S. 397. Zu einer den obigen Einschätzungen entsprechenden Bewertung von Hanfstaengls Persönlichkeit kommt auch dessen Biograph Conradi. Vgl. Conradi (2004). Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 256-257; vgl. Oechsner (1943), S. 48-49. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 258.

sen Eindruck bestätigt die bei der Konferenz als einzige Frau anwesende „Chicago Tribune“-Korrespondentin Sigrid Schultz. Sie beobachtete, dass ihre männlichen Kollegen von Hitler beeindruckt wurden.50 Für die meisten Teilnehmer war die Konferenz das erste Zusammentreffen mit Hitler, bei dem der Parteiführer im Übrigen keine Fragen beantwortete, sondern eine halbstündige ausschweifende Ansprache zu verschiedenen politischen Themen hielt.51 Um Hitler den Auslandskorrespondenten als Begeisterer der Massen näherzubringen regelte Hanfstaengl zudem, dass ausgesuchte Korrespondenten den „Führer“ bei seinen Flug- und Autoreisen sowie Auftritten während des Wahlkampfes zu den Reichstagswahlen im Juli und November 1932 begleiten konnten. Das Interesse an diesen Reisen war seitens der Korrespondenten sehr groß, es wurden aber jeweils nur sehr wenige Auslandsjournalisten mitgenommen.52 Im Frühjahr 1932 reiste Sefton Delmer, Korrespondent des Beaverbrook-Blattes „Daily Express“, mit Hitler,53 der Korrespondent des italienischen „Corriere della Sera“, Christano Ridomi, im Herbst des gleichen Jahres.54 Auch Filippo Bojano von Mussolinis Parteizeitung „Popolo d’Italia“ begleitete Hitler auf dessen Wahlkampftouren.55 Hauptansprechpartner während dieser Reisen war Auslandspressechef Hanfstaengl, Hitler blieb dagegen schweigsam und war für die ihn begleitenden Journalisten selten zu sprechen.56 Ebenfalls zumeist über Hanfstaengl liefen die Anfragen von Auslandskorrespondenten für Interviews oder Unterredungen mit Hitler. In den Jahren 1931 und 1932 gab Hitler einige Interviews an prominente Korrespondenten und ausländische Journalisten.57 Teilweise forderte Hanfstaengl hierfür Geld58 50 51 52 53 54 55 56 57

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Vgl. Schultz (1944), S. 88. Vgl. Oechsner (1943), S. 48-49. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 265-266. Vgl. Delmer (1962), S. 141-156. Vgl. Ridomi (1972), S. 99-103. Vgl. Bojano (1945), S. 8-9. Vgl. Ridomi (1972), S. 102-103. Darunter Filippo Bojano vom „Popolo d’Italia“, Sefton Delmer vom „Daily Express“, Sigrid Schultz von der „Chicago Tribune“, Hubert Renfro Knickerbocker von der „New York Evening Post“ und dem „Philadelphia Public Ledger“, Louis P. Lochner von der „Associated Press” und Hans von Kaltenborn, Hearst-Korrespondent. Vgl. Bojano (1945), S. 8; vgl. Delmer (1962), S. 114; vgl. Schultz (1944), S. 89; vgl. Hanfstaengl (1970), S. 254-255; vgl. Kaltenborn (1967), S. 283. Im Falle von Oechsner und UP verlangte Hanfstaengl 1500 Dollar. UP verzichtete daraufhin auf das Interview. Vgl. Oechsner (1943), S. 49. Ebenfalls Geld

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und ließ die Journalisten mindestens eine Woche auf Rückmeldung warten, um Hitlers Wichtigkeit zu unterstreichen.59 Wurde einem Korrespondenten ein Interview zugestanden, so legte Hanfstaengl Inhalte und Fragen im Vorhinein in Absprache mit dem jeweiligen Journalisten fest.60 Trotzdem kam es dabei auch immer wieder zu Pannen, also Interviews, die in ihrem Ergebnis in keiner Weise den Vorstellungen Hitlers oder Hanfstaengls entsprachen. Das berüchtigtste Interview dieser Art gab Hitler im November 1931 der USJournalistin Dorothy Thompson, die daraufhin ein Portrait des „Führers“ mit dem Titel „I saw Hitler“ in der Zeitschrift „Cosmopolitan“ veröffentlichte. Thompson leitete ihren Artikel wie folgt ein: „When I finally walked into Adolf Hitler’s salon in the Kaiserhof Hotel, I was convinced that I was meeting the future dictator of Germany. In something less than fifty seconds I was quite sure that I was not. It took just about that time to measure the startling insignificance of the man who set the world agog.” Weiter bezeichnete Thompson Hitler als “formless, almost faceless; a man whose countenance is a caricature”, “the very prototype of the Little Man” und als “drummer boy”.61 Auch wenn sie mit ihrer Eingangsprognose letztendlich völlig falsch lag, so war der Artikel doch 1931 “von geradezu verheerender Wirkung”62 für die NSDAP, fand weltweite Beachtung und hinterließ Hitler so erbost, dass er für längere Zeit keine US-Journalisten mehr empfing.63 Neben Hanfstaengl betrieben zu Beginn der 1930er Jahre ansonsten allem Anschein nach keine weiteren führenden Mitglieder der nationalsozialistischen Bewegung systematischen Aufwand, um in einen regelmäßigen Kontakt mit einer größeren Zahl von Auslandskorrespondenten zu kommen.64 Die Journalisten ihrerseits bauten sich Verbindungen zu verschiedenen Führungspersönlichkeiten der NSDAP auf, hielten trotz wachsendem Interesse aber meist Distanz.65 Eine Ausnahme bildete hier der „Daily Express“Korrespondent Sefton Delmer, der sich seit Ende der 1920er Jahre – zum Missfallen einiger Kollegen – das Vertrauen zahlreicher NS-Größen erarbeitet hatte und mit diesen mehr oder weniger regelmäßig in engem Kontakt stand.

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forderte Hanfstaengl von NBC-Korrespondent Max Jordan, der dies aber gleichfalls ablehnte. Vgl. Jordan (1944), S. 69. Vgl. Kaltenborn (1967), S. 284. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 255. Ein Abdruck des Artikels findet sich in dem von Thompson 1932 veröffentlichten kurzen Buch „I Saw Hitler“. Thompson (1932), S. 13-15. Hanfstaengl (1970), S. 250. Vgl. Kaltenborn (1967), S. 284. Es kam aber zu verschiedenen Treffen und Interviews zwischen Korrespondenten und NSDAP-Führern. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 281-282. Vgl. Kaltenborn (1967), S. 284.

Delmer genoss „Hitlers besondere Gunst“66 und Goebbels kommentierte ihn in seinem Tagebuch: „Intelligenter Journalist“.67 Zudem traf Delmer sich seit April 1931 mit SA-Stabschef Ernst Röhm regelmäßig zu Besprechungen. Dieser kümmerte sich auch um die Teilnahme des britischen Korrespondenten an verschiedenen Veranstaltungen der NSDAP.68 Es ist davon auszugehen, dass Hitler und seine Chefpropagandisten die Erfahrungen mit Auslandskorrespondenten – und hierbei besonders die negativen – im Hinterkopf hatten, als sie nach dem 30. Januar 1933 über den Umgang mit diesen nachdachten. Auf die Grundlagen der nationalsozialistischen Pressepolitik gegenüber Auslandskorrespondenten wird im nachfolgenden Kapitel eingegangen.

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Hanfstaengl (1970), S. 266. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 2/III, S. 69 (28.11.1932). Vgl. Delmer (1962), S. 107.

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4. „Greuelhetzer“ oder Propagandawaffen? Grundlagen der nationalsozialistischen Pressepolitik gegenüber Auslandskorrespondenten

Bevor im Folgenden auf die zwei Phasen der nationalsozialistischen Pressepolitik gegenüber im Dritten Reich tätigen Auslandskorrespondenten eingegangen wird, sollen zunächst die Grundlagen dieser Politik dargelegt werden. Da diese Grundlagen über die Gesamtdauer der Hitler-Diktatur unverändert blieben, wird ihre Darstellung an dieser Stelle eingeschoben. Grundlagen der Pressepolitik gegenüber Auslandskorrespondenten im Dritten Reich waren zwei zueinander in Widerspruch stehende Rollen, welche die Korrespondenten nach Ansicht der NS-Propagandisten bezüglich Deutschlands spielten. In ihrer ersten Rolle waren die Auslandskorrespondenten mehrheitlich gefährliche und verachtungswürdige Feinde des Nationalsozialismus und des Deutschen Reichs. Hatten sich die Nationalsozialisten schon vor 1933 oft ungerecht von ausländischen Journalisten behandelt gefühlt,1 so war man seit 1933 und während der darauffolgenden Jahre bis 1945 der festen Überzeugung, dass große Teile der Auslandspresse in ihrer Berichterstattung systematisch alles taten, „um die Welt gegen uns aufzuwiegeln und aufzuhetzen“.2 Hinter einer „Welle von Haß, von Lüge und Verleumdung“ in den Medien rund um den Globus versteckte sich nach Ansicht der Hitler-Anhänger „die Hand des Juden, der seinen ganzen Einfluß in der Weltpresse aufbietet“ um Deutschland in der Welt zu diskreditieren.3 In zahlreichen Veröffentlichungen prangerten führende nationalsozialistische Medienfachleute die „Greuelhetze“ und „Lügennachrichten“ ausländischer Medien an4 und die im Auswärtigen Amt und im Propagandaministerium zuständigen Abteilungen erarbeiteten Dokumentationen über den „Propagandakrieg gegen Deutschland“.5 Goebbels tobte regelmäßig in den Ministerkonferenzen 1 2 3 4 5

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Vgl. hierzu oben, S. 32. Bömer (1934), S. 1. Dietrich (1938), S. 35. Vgl. Bömer (1934); vgl. Dietrich (1938); vgl. Lehmann (1940). So der Titel einer von der Presseabteilung des RMVP erstellten Dokumentation aus dem Jahr 1936. Vgl. BArch, R 55/1474 "Der Propagandakrieg gegen Deutschland", Ausarbeitung mit Beispielen aus der Auslandspresse und dem Auslandsrundfunk, Januar 1936. Auch das Auswärtige Amt legte Aktensammlungen zum Thema „Greuelpropaganda und Boykottmaßnahmen gegen Deut-

und privat in seinem Tagebuch über die von Auslandskorrespondenten verbreitete „Greuelpropaganda“. Unter anderem bezeichnete der Propagandaminister verschiedene Korrespondenten dort als „Affen“,6 „Schafsköpfe“,7 „Deutschenhasser“,8 „Strauchdiebe“,9 „Pressereptile“ sowie „wahre Ekel“. 10 Auch wenn die NS-Führung wusste, dass die Korrespondenten nicht für jeden Deutschland-kritischen Bericht oder Kommentar in ihren Heimatredaktion verantwortlich waren,11 so sah man in ihnen doch die Berliner Exponenten einer Deutschland größtenteils feindlich gesinnten Weltpresse.12 Insbesondere Adolf Hitler selbst fühlte, wie mehrere Journalisten übereinstimmend berichten, eine starke Abneigung gegen die Auslandskorrespondenten. Der Diktator hatte laut Frederick Oechsner, dem langjährigen „United Press“Chefkorrespondenten in Berlin, „a dislike for and distrust of foreign journalists which he never overcame and which he never tried to overcome”.13 Auch Christano Ridomi, Korrespondent des italienischen “Corriere della Sera” stellt fest: „Hitler non vedeva volentieri accanto a sé giornalisti esteri.”14 Auf Grundlage solcher Antipathien wäre es nur konsequent gewesen, wenn die Nationalsozialisten den Großteil der in Deutschland tätigen Auslandskorrespondenten einfach aus dem Reich ausgewiesen hätten oder doch zumindest mit schärfsten Mitteln gegen deren Berichterstattung vorgegangen wären. Doch daran hinderte sie die zweite Rolle, die nationalsozialistische Propagandisten den Korrespondenten in Deutschland zuschrieben – die Rolle einer nützlichen, wenn nicht unentbehrlichen Propagandawaffe. Schlüsselerlebnis der Nationalsozialisten war dabei der Erste Weltkrieg. Adolf Hitler führt in

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schland und unsere Gegenmaßnahmen“ an. Die im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes unter diesem Titel erhaltenen Aktenbestände der Presseabteilung umfassen für den Zeitraum von 1933 bis 1939 20 Bände. Vgl. PA AA R 121207 bis PA AA 121226. Weitere 17 Aktenbände für den Zeitraum von 1933 bis 1938 finden sich dort zum Thema „Propaganda gegen Deutschland und Gegenpropaganda“. Vgl. PA AA R 121235 bis PA AA 121251. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 2/III, S. 154 (25.3.1933). Ebd., S. 304 (1.11.1933). Ebd., Teil I, Bd. 4, S. 256 (8.8.1937). Ebd., S. 265 (15.8.1937). Ebd., Teil I, Bd. 9, S. 348 (1.6.1941). Vgl. Dietrich (1938), S. 23. Vgl. Huss (1943), S. 78. Oechsner (1943), S. 48. „Hitler sah ausländische Journalisten nicht gerne neben sich.“ (Übersetzung des Verfassers) Ridomi (1972), S. 108. In ähnlicher Weise wie Oechsner und Ridomi schrieb 1943 auch Pierre J. Huss, ehemaliger Berlin-Chefkorrespondent von INS: „Hitler always has had a chip on his shoulder against the foreign press and in the past couple of years has come to hate us.“ Huss (1943), S. 27.

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„Mein Kampf“ zur Propaganda des Deutschen Reichs während der Kriegsjahre 1914 bis 1918 aus: „Gab es bei uns überhaupt eine Propaganda? Leider kann ich darauf nur mit Nein antworten. Alles, was in dieser Richtung wirklich unternommen wurde, war so unzulänglich und falsch von Anfang an, daß es zum mindesten nichts nützte, manchmal aber geradezu Schaden anstiftete.“15 Joseph Goebbels ging in diesem Punkt noch weiter und erklärte im November 1939 vor Offizieren der Abteilung Wehrmachtpropaganda des Oberkommandos der Wehrmacht: „Wir hatten im vergangenen Weltkrieg die beste Armee der Welt; aber wir verloren den Krieg, weil wir zwar genug Feldherren, aber nicht einen Staatsmann und überhaupt keine Propaganda hatten“.16 Die eigentliche Ursache der deutschen Niederlage von 1918 war somit nach Goebbels nicht militärischer Art, sondern lag im katastrophalen Unvermögen der deutschen Propaganda begründet.17 Ein Aspekt dieses kriegsentscheidenden Propagandaversagens bezog sich auch auf die Auslandskorrespondenten in Deutschland. Nach Kriegsausbruch war die Reichsregierung 1914 scharf gegen die Korrespondenten vorgegangen, hatte deren journalistische Freiheiten eingeschränkt und unter anderem eine umständliche Vorzensur für Korrespondentenberichte eingeführt. All dies verlangsamte die Berichterstattung der ausländischen Journalisten massiv und machte sie vor allem unglaubwürdig – mit der verhängnisvollen Konsequenz, dass „der pressepolitisch geringe Wert der aus Deutschland hinausgehenden Nachrichten der Auslandskorrespondenten zu einem nicht unerheblichen Teil die Schuld daran hatte, daß die Schlacht auf nachrichtenpolitischem Gebiet schon zu einer Zeit verloren war, als das deutsche Heer noch immer 15

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Hitler (1933), S. 194. Die Propaganda der Kriegsgegner sei dagegen so überlegen und hervorragend gewesen, dass Hitler an ihr nach eigenem Bekunden „unendlich gelernt“ habe. Vgl. Ebd. Sommerfeldt (1952), S. 44. Diese Argumentationsweise der Nationalsozialisten war keineswegs neu. Die NS-Propagandisten griffen hier – wie auch in anderen Bereichen – auf schon vorgedachte Erklärungen zurück. Die Missgriffe deutscher Propaganda sowie die Überlegenheit der feindlichen Propaganda im Ersten Weltkrieg wurden bereits während und in den Jahren nach Kriegsende von einer großen Anzahl von Autoren konstatiert und als schwerwiegend eingestuft. Für einen Überblick über diese Literatur vgl. Bömer (1929), S. 194-207 und Wilke (1997), S. 79-82. Die explizite These, wonach Deutschland den Ersten Weltkrieg nicht militärisch, sondern propagandistisch verloren habe, stellte Ludendorff schon 1919 in seinen Kriegserinnerungen auf. Dort heißt es: „Das Heer fand keinen Bundesgenossen in einer starken, von der Heimat ausgehenden Propaganda. Deutschland versagte im Kampf gegen die Psyche der feindlichen Völker, während sein Heer auf den Schlachtfeldern siegreich war.“ Ludendorff (1919), S. 303.

einen Sieg nach dem anderen erfocht.“18 Als die deutsche Führung diesen Fehler im Laufe des Krieges erkannte und die Zensurbestimmungen lockerte, war es demnach zu spät, die propagandistisch bedingte Niederlage noch abzuweisen.19 Auch wenn sich Deutschland 1933 noch in keinem Krieg befand, so waren die nationalsozialistischen Propagandaexperten doch überzeugt, die Lehren des ersten Weltkriegs auch auf Friedenszeiten übertragen und in der Auseinandersetzung mit dem Ausland anwenden zu können.20 Die Logik der Nationalsozialisten war dabei wie folgt: Während Nachrichten, die im Sinne der nationalsozialistischen Diktatur waren, bei Veröffentlichung durch amtliche deutsche Stellen dem Ausland unglaubwürdig erschienen, so konnten die gleichen Nachrichten, verbreitet von Auslandskorrespondenten, im Ausland als glaubwürdig eingestuft werden.21 Dies galt während Friedenszeiten, aber umso mehr nach Kriegsausbruch 1939 und dann insbesondere für die Korrespondenten neutraler Länder wie den USA. So betonte Goebbels in einer der täglichen Ministerkonferenzen im Propagandaministerium am 14. August 1940, „welche Waffe gerade die in Deutschland vertretene amerikanischen Presse darstellt, wenn es um die Unterbindung von Feindlügen gehe“.22 Mit dem Fortlauf des Krieges und der zunehmenden außenpolitischen Isolation Deutschlands scheint den Korrespondenten sogar eine immer gewichtigere Funktion in der Auslandspropaganda zugeschrieben worden zu sein. Bei ei18

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Vgl. PA AA R 27886 Geheime Denkschrift zur Frage der Einführung einer Vorzensur für Auslandskorrespondenten vom 31.7.1942; verfasst vom Leiter der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, Paul Karl Schmidt. Vgl. Ebd. Vgl. Bömer (1934), S. 1. Auch diese Überlegung war keine Erfindung der Nationalsozialisten. Schon 1918 beschrieb Paul Eltzbacher in seinem Buch „Die Presse als Werkzeug der auswärtigen Politik“, wie er sich eine wirkungsvollere Auslandspropaganda als die deutsche des Ersten Weltkriegs vorstellte. Unter anderem empfahl Eltzbacher die Nutzung von Auslandskorrespondenten zur indirekten Beeinflussung der öffentlichen Meinung in anderen Ländern. Von ausländischen Journalisten – bewusst oder unbewusst – verbreitete Propaganda hatte laut Eltzbacher eine sehr hohe Glaubwürdigkeit, da den Korrespondenten „jede Absicht der Beeinflussung des Auslandes fernzuliegen scheint“. Eltzbacher (1918), S. 92. Die führenden nationalsozialistischen Auslandspropagandisten waren mit Eltzbachers Überlegungen vertraut. So setzt sich Karl Bömer, der spätere Leiter der Abteilung Auslandspresse im RMVP und Vordenker nationalsozialistischer Auslandspressepolitik, in seinem 1929 veröffentlichten „Handbuch der Zeitungswissenschaft“ lobend mit dem damals in Fachkreisen sehr bekannten Werk Eltzbachers auseinander. Vgl. Bömer (1929), S. 196. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 459. Protokoll der Ministerkonferenz vom 14.8.1940.

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nem Treffen zwischen dem stellvertretenden Leiter der Auslandspresseabteilung des RMVP, Franz Wulff, und Vertretern des Reichskirchenministeriums im Juni 1944 schlugen letztere vor, wie in der Vergangenheit über das DNB Informationen zur Lage der Kirchen in Deutschland an das Ausland zu übermitteln. Wulff riet davon ab, da nach Ansicht seines Ministeriums mittlerweile fast keine ausländische Zeitung mehr Meldungen aus offiziellen deutschen Quellen druckte. Stattdessen schlug er die Kontaktierung von Auslandskorrespondenten vor und erklärte, der „einzige Weg, auf dem heute noch etwas zu machen sei und auf dem gearbeitet werde, gehe über die ausländischen Pressevertreter in Berlin. Diese erhielten Spezialanregungen und deren Meldungen würden von der Auslandspresse auch gedruckt.“23 Entsprechend dieser Überlegungen war es daher überaus zweckmäßig, Auslandskorrespondenten im Reich zu halten und diesen mit einer „liberalen“ Pressepolitik größere Freiheiten zu lassen – letzteres sicherte die Glaubwürdigkeit von deren Berichten. Dass dabei immer wieder negative Nachrichten Deutschland verließen, wurde in Kauf genommen. Solcherlei „Ausrutscher“ ließen sich zudem mit gezielten „Anregungen“ zur „richtigen“ Berichterstattung reduzieren. In der nachfolgenden Erörterung der konkreten Inhalte nationalsozialistischer Pressepolitik gegenüber Auslandskorrespondenten wird sich zeigen, dass diese Politik stets von den zwei oben ausgeführten, gegensätzlichen Rollenbildern der Journalisten – gefährliche „Greuelhetzer“ oder nützliche Propagandawaffen – beeinflusst war. Je nach Korrespondent und Kontext wurde dabei manchmal das eine, manchmal das andere Rollenbild mehr beachtet, ein Journalist also streng bestraft oder großzügig behandelt. Im Folgenden wird nun zunächst die erste Phase der nationalsozialistischen Pressepolitik gegenüber den Auslandskorrespondenten im Dritten Reich von 1933 bis 1939 behandelt.

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BArch, R 5101/23746 Vermerk zur Weitergabe von kirchenpolitischen Informationen an die Auslandspresse, Juni 1944.

5. Auslandskorrespondenten im Dritten Reich 1933 bis 1945

5.1 Vorkriegszeit 1933 bis 1939: Unkoordinierte Zuständigkeiten – beschränkte Unabhängigkeit Die erste Phase der nationalsozialistischen Pressepolitik gegenüber Auslandskorrespondenten in Deutschland war gekennzeichnet von einer größeren Anzahl von Staats- und Parteistellen, die ihre jeweils eigenen Aktivitäten zur Bearbeitung der ausländischen Journalisten im Reich betrieben. Zu der unübersichtlichen Menge dieser Institutionen bemerkt Géraud Jouve, ab Dezember 1937 Berlin-Korrespondent der französischen Nachrichtenagentur „Havas“, dass es nach seiner Ankunft in Berlin unmöglich gewesen sei, jeder zuständigen Stelle die Aufwartung zu machen – anderenfalls, so Jouve, „j’aurais passé plusieurs mois à courir la capitale dans tous les sens“.1 Ergebnis der vielfältigen Einflussnahme von unterschiedlichen Stellen, die nach Einschätzung des niederländischen Korrespondenten Hendrik Noordewier teilweise in einer „blinden internen Konkurrenz“2 zueinander standen, war eine in der Summe oft wenig koordinierte Pressepolitik gegenüber den Korrespondenten. Die folgenden Unterkapitel gehen auf die Elemente und Details dieser Politik ein und erörtern die daraus resultierenden Arbeitsmöglichkeiten der Journalisten. 5.1.1 Staats- und Parteiinstitutionen in Kontakt mit Auslandskorrespondenten Zunächst werden dabei die Abteilungen und Ämter innerhalb der Staats- und Parteiinstitutionen behandelt, die sich mit Auslandskorrespondenten beschäftigten.3 Die neue Qualität der Pressepolitik in der NS-Diktatur spiegelte am 1 2 3

Jouve (1941), S. 94. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 45. Geheimbericht Noordewiers vom 11.6.1933. Da die vorliegende Arbeit keine institutionen- oder bürokratiegeschichtliche Untersuchung ist, beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen – entsprechend des Erkenntnisinteresses der vorliegenden Arbeit – auf grundlegende Informationen über die für Korrespondenten zuständigen Staats- und Parteistellen. Dabei werden diejenigen Aspekte dieser Stellen vernachlässigt, die nicht zum Verständnis der Pressepolitik gegenüber ausländischen Korrespondenten im Dritten Reich notwendig sind. Der bisher ausführlichste, jedoch nicht vollständige Überblick über für Auslandsjournalisten relevante Stellen in NS-

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augenscheinlichsten das am 13. März 1933 gegründete Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter der Leitung des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels. Diese neue, „bis dahin nirgends auf der Welt zu findende aufklärend und propagandistisch wirkende Reichsbehörde“4 genuin nationalsozialistischer Art sollte Presse, Rundfunk, Film, Theater, Musik, Kunst und Propaganda in einer Hand zusammenfassen und lenken. Von vornherein war dabei geplant, dass das Ministerium sich nicht nur mit Deutschland, sondern auch mit dem Ausland befassen sollte. So erklärte Goebbels wenige Monate nach der „Machtergreifung“ im Mai 1933: „Die Hauptaufgabe des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda muß die Beeinflussung der öffentlichen Meinung des Auslandes sein.“5 Mit dieser Forderung setzte sich Goebbels bei Hitler scheinbar durch. In einer Chefbesprechung am 24. Mai 1933 einigten sich Hitler, Goebbels und Außenminister Neurath darauf, dass dem Propagandaministerium – neben einigen anderen Geschäftsbereichen von verschiedenen Ministerien – auch das Herz der bisherigen offiziellen Regierungspressearbeit, die Vereinigte Pressestelle der Reichsregierung, eingegliedert werden würde – zuungunsten des Auswärtigen Amtes, bei dem die Abteilung bisher verortet war. Neurath betonte allerdings, dass für die Arbeit seines Ministeriums eine eigene Presseabteilung weiterhin eine „zwingende Notwendigkeit“ sei, was Hitler und Goebbels dem Außenminister auch zubilligten. Die Abgrenzung zwischen den Tätigkeiten der beiden Abteilungen beschrieb Hitler wie folgt: „Die Aufgabe der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes ist die, der öffentlichen Meinung der Welt eine ganz bestimmte offizielle politische Meinung der Reichsregierung mitzuteilen, Aufgabe des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, dafür zu sorgen, daß die Kenntnis von dieser offiziellen Stellungnahme unter den Völkern propagandistisch untermauert wird.“ Das Auswärtige Amt sollte demnach in Zukunft nur noch regierungsamtliche Stellungnahmen abgeben, während das Propagandaministerium die aktive Auslandspropaganda übernahm.6 Wie oben geschildert bestand die Presseabteilung der Reichsregierung zum Zeitpunkt der Machtübernahme aus 19 Beamten und 79 nichtbeamteten Hilfskräften. In Verhandlungen über den konkreten Herauslösungsprozess dieser Abteilung aus dem Auswärtigen Amt einigte man sich auf folgende

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Deutschland, den die nachfolgenden Ausführungen umfassend erweitern, findet sich bei Huttner (1995), S. 88-98. Vgl. Müller (1940), S. 6. Minuth (Hrsg) (1983), Teil I, Bd. 1, S. 477. Dokument Nr. 138, Chefbesprechung vom 24. Mai 1933, 17 Uhr. Vgl. Ebd., S. 478-479.

Vorgehensweise bezüglich des Personals: Von den Beamten gingen acht Stellen7 auf den Haushalt des RMVP über, zehn verblieben beim AA. Von den nichtbeamteten Hilfskräften übernahm das „Promi“ 63 Mitarbeiter, das AA nur 16 Personen. Insgesamt traten also 71 Mitglieder der Presseabteilung der Reichsregierung zum Propagandaministerium über.8 Im Jahr 1933 gliederte sich das Propagandaministerium zunächst in sieben Abteilungen. Die Presseabteilung der Reichsregierung wurde als Abteilung IV (Presse) geführt. Bezeichnet wurde die Abteilung während des weiteren Bestehens des Ministeriums sowohl als „Presseabteilung der Reichsregierung“, „Abteilung IV“ oder einfach als „Presseabteilung“.9 Neuer Pressechef der Reichsregierung wurde Walther Funk, der gleichzeitig im Ministerium auch als Staatssekretär fungierte. Ansonsten übernahm Goebbels einen erheblichen Teil der Mitarbeiter der Presseabteilung, die auch schon vor 1933 dort gearbeitete hatten und teilweise in anderen Parteien als der NSDAP engagiert gewesen waren – offenbar konnte er ihre Sachkompetenz nicht entbehren. So wurde Kurt Jahncke Abteilungsleiter und gleichzeitiger stellvertretender Reichspressechef, obwohl er seit 1919 der DNVP angehört hatte. Auch dessen Stellvertreter Werner Stephan, der gleichzeitig das Referat 1 Inlandspresse der Abteilung leitete, war kein NSDAP-Mann, sondern bis 1933 DDPMitglied. Stephan berichtet in seinen Erinnerungen, beim Übergang in das Propagandaministerium seien an der Presseabteilung zu seiner Überraschung „gar keine Änderungen“10 vorgenommen worden. Weiterhin erfüllte die Abteilung laut Stephan die „durch die Geschäftsordnung der Reichsregierung festgelegte Aufgabe, die Minister über den Inhalt der deutschen und ausländischen Presse, die Korrespondenten über die Maßnahmen und Ziele des Kabinetts aufzuklären.“11 Im April 1936 wurde Jahncke, laut Stephan „ein bür7 8 9

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Hierbei handelte es sich vor allem um die hohen Beamtenposten. Vgl. BArch, R 2/11554 Aufzeichnung über die Auslandspressestelle, 2.11.1938. Später kamen zu dem stetig wachsenden Ministerium noch weitere Abteilungen hinzu, bis 1941 der Höchststand von 17 Abteilungen erreicht wurde. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 138. Für die nachfolgenden Ausführungen zum Personal der Abteilung vgl. Härtel (2004), S. 44. Stephan (1983), S. 215. Ebd., S. 216. Stephan arbeitete nach dem Krieg als Bundesgeschäftsführer der FDP und erster Geschäftsführer der Friedrich-Naumann-Stiftung. Inwieweit seine Memoiren die Kontinuität in der Pressestelle überzogen darstellen, um die eigene Rolle im Dritten Reich herunterzuspielen, muss dahingestellt bleiben. Der Ministerialrat im RMVP Georg Wilhelm Müller betont im Widerspruch zu Stephan in seiner 1940 veröffentlichten Informationsschrift über Aufbau und Arbeit des Propagandaministeriums, Goebbels habe selbiges nach 1933 zum Großteil mit „alten Kämpfern“ bestückt. Jedoch gilt es bei dieser Aussage wie-

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gerlicher Mitläufer, kein brauner Kämpfer“12 allerdings – wohl auf Initiative der Partei – durch den bisherigen DNB-Chefredakteur und überzeugten Nationalsozialisten Alfred-Ingemar Berndt abgelöst.13 Konkret zuständig für die im Deutschen Reich tätigen Auslandskorrespondenten war in der Presseabteilung des Propagandaministeriums das Referat 6, das sich in die Aufgabenbereiche a) Auslandspresse und b) Literarisches Büro sowie Pressekulturpolitik gliederte. Hauptsächlich war das Doppelreferat aber mit Fragen der Auslandspresse beschäftigt und unterteilte sich dementsprechend intern in unterschiedliche, geographisch begründete Bereiche und Sachgebiete, die von verschiedenen Mitarbeitern bearbeitet wurden.14 Entsprechend eines Geschäftsverteilungsplans des RMVP von 1936 betreute das Referat die Vertreter der Auslandspresse im Reich und vergab die Akkreditierungen an diese, kümmerte sich um deren Reisen innerhalb Deutschlands, verteilte an sie Freifahrtscheine, behandelte Passfragen und war verantwortlich für Aufenthalts- und Durchreiseerlaubnisse ausländischer Journalisten. Darüber hinaus war das Referat aber auch noch für andere Fragen zuständig. Ebenfalls in seinen Verantwortungsbereich fielen die Auslandskorrespondenten der deutschen Presse, Reisen deutscher Journalisten im Ausland, deutsche Zeitungen im Ausland und ausländische Zeitungen in Deutschland sowie deren Verbote, Pressedienste für das Ausland, Devisenbeschaffung und Verteilung für die deutsche Presse, Presseabkommen mit fremden Staaten und Organisationen, ständige Aufgaben für DeutschÖsterreich, Jugoslawien und die Schweiz sowie der „Deutsche AuslandsClub“.15 Leiter des Referats 6 und damit Kontaktmann der Auslandskorrespondenten im RMVP war Wilfrid Bade, der am 1. Mai 1933 zum Regierungsrat auf

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derum zu bedenken, dass ein Nationalsozialist wie Müller das RMVP sicherlich als besonders nationalsozialistisch hervorheben wollte und dabei Kontinuitäten zur Zeit vor 1933 verschwieg. Vgl. Müller (1940), S. 10. Für weitere Informationen zur Frage von Kontinuität und Wandel in der Abteilung vgl. auch Härtel (2004), S. 43-44. Stephan (1983), S. 221. Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 91; vgl. Stephan (1983), S. 241. Zu Person und Werdegang Berndts vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 75-80. Im Detail waren dies die folgenden Bereiche: 1. Allgemeines und Südosteuropa (Österreich, Ungarn, Tschechoslowakei, Rumänien, Balkanstaaten); 2. Nordeuropa, Osteuropa, Ostasien, Orient sowie Journalisten-, Pass- und Polizeisachen; 3. Britisches Reich und USA; 4. Lateinamerika, Italien, Spanien, Portugal, Südamerika; 5. Frankreich, Belgien, Schweiz, Niederlande. Vgl. Härtel (2004), S. 45 und S. 242, Anm. 15. Vgl. Ebd., S. 52-53.

Widerruf ernannt worden war. Bade ist einer der wenigen Mitarbeiter der mittleren Führungsebene im nationalsozialistischen Propagandaapparat, über den eine Biographie vorliegt. Seit 1930 Mitglied der NSDAP arbeitete Bade vor seinem Eintritt in das RMVP ab 1928 für das Verlagshaus Scherl als Korrespondent in München und engagierte sich in der Reichspressestelle der NSDAP. Sein Biograph Härtel betont bezüglich dessen Umgangs mit ausländischen Journalisten die „Janusköpfigkeit“ Bades, der einerseits kultiviert, weltoffen und musisch begabt, andererseits ein absolut linientreuer Nationalsozialist war.16 Neben seiner Tätigkeit im Ministerium war er „in hohem Maße literarisch tätig“17 und veröffentlichte unter anderem Gedichte, Sachbücher, Romane und Drehbücher.18 In den Erinnerungen der Journalisten wird Bade – so er denn überhaupt Erwähnung findet – negativ dargestellt. Margret Boveri nennt ihn einen Scharfmacher19 und William Shirer schildert in seinem „Berlin Diary“ einen heftigen Streit mit Bade, in seinen Augen ein „fanatical Nazi careerist“.20 Für seine Arbeit mit den Auslandskorrespondenten war Bade nur bedingt qualifiziert: Er hatte keinerlei Auslandserfahrung oder besondere Sprachenkenntnisse.21 Sein eigentliches Interesse galt der kulturpolitischen Berichterstattung. Im Zuge der Restrukturierung des „Promi“ 1938 übernahm er das Hauptreferat Zeitschriftenpresse, später stieg er bis zum Leiter der neu geschaffenen Abteilung Zeitschriftenpresse auf.22 Neben Bade standen den Auslandskorrespondenten im Referat 6 offenbar noch länderspezifische Ansprechpartner zur Verfügung, mit denen sich einige Journalisten zu täglichen Routinegesprächen trafen.23 Entsprechend den Abmachungen aus der Chefbesprechung vom 24. Mai 1933 behielt auch das von Konstantin Freiherr von Neurath geführte Auswärtige Amt eine – wenn auch nicht mehr mit der Presseabteilung der Reichsregierung vergleichbare – Presseabteilung. Nachdem dies von Hitler genehmigt wurde, musste das AA dieses Zugeständnis aber nochmals in gemeinsamen Verhandlungen mit dem Reichsministerium der Finanzen und dem Propagandaministerium verteidigen. In einer Besprechung am 1. Juni 1933 im „Promi“ argumentierten die Vertreter des Finanzministeriums zunächst, da nun das Propagandaministerium mit der Pressestelle der Reichsregierung für 16 17 18 19 20 21 22 23

Vgl. Ebd., S. 60-61. Stephan (1983), S. 216. Vgl. Härtel (2004), S. 235. Vgl. Boveri (1965), S. 546. Shirer (1941), S. 44. Vgl. Härtel (2004), S. 71. Vgl. Ebd., S. 78. Vgl. Böschenstein (1978), S. 129.

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die sämtliche Presse des In- und Auslandes zuständig sei, gebe es keinen Raum mehr für eine besondere Presseabteilung des AA. „Vielmehr dürfte nunmehr für das AA ein Pressereferat genügen, wie es auch die übrigen Ressorts hätten, unter Berücksichtigung des Umstandes, daß dieses Referat den Zwecken und Bedürfnissen des AA entsprechend umfangreicher auszubauen sei.“24 Mit dem Argument, für die Arbeit des AA sei nicht nur ein erweitertes Pressereferat, sondern eine eigene Presseabteilung unabdingbar, setzte sich Neuraths Unterhändler schließlich durch. In die Presseabteilung des AA wurden 10 Beamte und 16 nichtbeamtete Hilfskräfte aus der Presseabteilung der Reichsregierung übernommen. Insgesamt hatte die Abteilung folglich 26 Mitarbeiter.25 Diese verteilten sich auf sieben Referate und waren neben der Betreuung von Auslandskorrespondenten mit dem Anlegen einer Zeitungsausschnittsammlung und der Unterrichtung der leitenden Beamten über die Berichterstattung der Auslandspresse beschäftigt. Zudem beteiligte sich die Abteilung auch an der Festlegung von Sprachregelungen über die Themen deutscher Außenpolitik.26 Zu diesem Zweck traten Vertreter der Presseabteilung des AA bei der Reichspressekonferenz im Propagandaministerium auf.27 Leiter der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes in der Stellung eines Vortragenden Legationsrates wurde 1933 Gottfried Aschmann, der zuvor als stellvertretender Leiter der Presseabteilung der Reichsregierung fungiert hatte. Bei Aschmann, der später auch zum Gesandten ernannt wurde, handelte es sich laut Werner Stephan um einen weltläufigen, klugen und kühlen Karrierediplomaten,28 der vor seiner Tätigkeit in der Presseabteilung an verschiedenen deutschen Missionen im Ausland gearbeitet hatte. „Havas“-Korrespondent Jouve charakterisiert ihn als steif-konservativen „survivant de l’ancien régime“,29 in ähnlicher Weise berichtet Stephan, Aschmann sei von „ungewöhnlicher Unverbindlichkeit“30 gewesen. Der NSDAP stand der Nichtparteigenosse distanziert gegenüber und zeigte im Umgang mit der Partei Unsicherheit.31 Aschmann, den Hermann Böschenstein von den „Basler Nachrichten“ als „unnahbar“32 für die Auslandspressevertreter bezeichnet, trat wohl meist nur 24

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BArch, R 2/11554 Aufzeichnung über die Auslandspressestelle, 2.11.1938. Punkt 3) Auszug aus einem Vermerk über eine Besprechung im ProMin. am 1.6.1933. Vgl. Ebd. Aufzeichnung über die Auslandspressestelle, 2.11.1938. Vgl. Jacobsen (1968), S. 23; vgl. Longerich (1987), S. 150-151. Vgl. Wilke (2007), S. 125. Vgl. Stephan (1983), S. 216. Jouve (1941), S. 94. Stephan (1983), S. 207. Vgl. Longerich (1987), S. 153; vgl. Stoop (1987), S. 303. Böschenstein (1978), S. 97.

zu besonderen Anlässen mit den ausländischen Journalisten in direkten Kontakt – etwa bei der Einführung neuer Korrespondenten oder schwerwiegenden Abmahnungen wegen unerwünschter Berichterstattung.33 Dagegen verkehrten Aschmanns Stellvertreter Gustav Braun von Stumm regelmäßig34 und die Länderreferenten der Abteilung täglich mit den Korrespondenten aus ihrem geographischen Zuständigkeitsbereich. Wie ihr Abteilungsleiter waren die Referenten nach Einschätzung Böschensteins konservativ-deutschnationale Diplomaten, mit denen die Korrespondenten bemüht waren, ein gutes Verhältnis zu halten, ohne dabei große Sympathie für sie zu empfinden.35 Neben die staatlichen Institutionen Propagandaministerium und Auswärtiges Amt trat im Dritten Reich eine Reihe von Parteistellen, die ebenfalls bezüglich Auslandspropaganda und Betreuung von Auslandskorrespondenten ambitioniert waren. Zwei Monate nach der „Machtergreifung“ verfügte Hitler die Schaffung des Außenpolitischen Amtes der NSDAP unter der Leitung von Alfred Rosenberg. Dieser hatte für den Fall einer nationalsozialistischen Machtübernahme eigentlich auf den Außenministerposten gehofft – doch dort stand ihm Neurath im Weg. Als Chef des Außenpolitischen Amtes und „Beauftragter des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP“ gab Hitler Rosenberg einen Rahmen für dessen außenpolitische Aktivitäten vor.36 Sämtliche Pressearbeit in den verschiedenen Rosenberg unterstellten Dienststellen wurde nach dessen Vorgabe vom „Presseamt des Reichsleiters Rosenberg“ erledigt. Dieses Presseamt unterteilte sich entsprechend der Doppelfunktion Rosenbergs als APA-Chef einerseits und als „Beauftragter des Führers“ andererseits in zwei selbstständige Abteilungen, deren Leiter Rosenberg direkt verantwortlich waren. Dies war zum einen das „Amt Presse, Abteilung Der Beauftragte des Führers“, zuständig für die deutsche Presse. Zum anderen kümmerte sich das „Amt Presse, Abteilung Außenpolitisches Amt“ um sämtliche Belange der Auslandspresse. Letzteres, im allgemeinen Schriftverkehr des APA zumeist „Presseamt“ genannt, war nach Rosenbergs Anweisungen zuständig für die Bearbeitung und Auswertung der Auslandspresse (mit Ausnahme der kulturpolitischen Fragen), die Unterrichtung des Reichsleiters über die Auslandspresse, die Vertretung der Ämter und Abteilungen des Außenpolitischen Amtes vor der Auslandspresse, die Weiterlei33 34 35 36

Vgl. Jouve (1941), S. 33-34; vgl. Mowrer (1937), S. 296. Vgl. Roussel (1986), S. 103; vgl. Bojano (1945), S. 33-34. Zur Person Braun von Stumms vgl. unten, S. 180-181. Vgl. Böschenstein (1978), S. 97-98. Vgl. PA AA, R 121651 Kronika an Bogs, 22.4.1933; vgl. PA AA, R 123155 Dosch-Fleurot an Drechsler, 19.1.1935. Vgl. Jacobsen (1968), S. 45-46.

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tung von Aufsätzen und Interviews des Reichsleiters und seiner Mitarbeiter an die Auslandspresse, die Unterrichtung der Vertreter der Auslandspresse über Vorhaben des Reichsleiters und seiner Dienststellen sowie für Herausgabe des vertraulichen „gelben Dienstes“.37 Rosenberg startete die Arbeit in seinem Amt mit großen Ambitionen, doch die innen- und außenpolitischen Zwänge und innerparteilichen Machtkämpfe nötigten ihn immer wieder, seine Ansprüche zurückzuschrauben und dementsprechend organisatorisch umzudisponieren. Der innere Aufbau des APA änderte sich mehrfach, Ämter und Referate wurden geschaffen und wieder aufgelöst. Grundsätzlich gliederte sich das APA aber immer in eine wechselnde Zahl von Ämtern, die im Durchschnitt mit fünf bis sechs Mitarbeitern besetzt waren. Eine Ausnahme bildete hier das Presseamt, das kontinuierlich bestand und 1937 mit 22 Mitarbeitern besetzt war.38 Im APA insgesamt arbeiteten im Februar 1935 zunächst 47, im Juni 1937 dann 6539 und schließlich Ende 1938 80 Personen40 – diese Zahlen verdeutlichen, dass das Presseamt mit seiner außergewöhnlich starken personellen Besetzung wesentlich handlungsfähiger war als andere Ämter des APA. Und noch in anderer Hinsicht fiel das Presseamt aus dem üblichen Rahmen. Während es Rosenberg sonst nicht gelang, für sein Amt kompetentes Personal anzuwerben, so hatte er mit dem Zeitungswissenschaftler Karl Bömer einen ausgewiesenen Fachmann für Auslandspressefragen verpflichtet.41 Der hochambitionierte Bömer setzte darauf, als Mitarbeiter eines zukünftigen Außenministers Rosenberg Karriere zu machen.42 Vor seinem Eintritt in das APA hatte Bömer nach Wirtschaftsstudium, Promotion und einer kurzen Volontärzeit ab April 1926 im Deutschen Institut für Zeitungskunde in Berlin gearbeitet. Im April 1927 übernahm er die Leitung der Auslandsabteilung des Instituts und unternahm in den Folgejahren Studienreisen in die USA, Frankreich, Großbritannien, Tschechoslowakei und Österreich, wo er auch Vorträge an einer Reihe von teilweise renommierten Universitäten hielt.43 Bömer veröffentlichte in den 1920er und 1930er Jahren zahlreiche wissenschaftliche Publikationen über die internationale Presse. Insbesondere sein 1931 erschienenes „Handbuch der Weltpresse“ und die von ihm erstmals 1932 herausge37 38 39 40 41 42 43

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Vgl. BArch, NS 43/49 Richtlinien für die Errichtung des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, 1.4.1933. Vgl. Jacobsen (1968), S. 66. Vgl. BArch, NS 43/49 Knauer an Chef des Amtes Rosenberg, 21.6.1937. Vgl. Jacobsen (1968), S. 66. Vgl. zu Person und Werdegang Bömers auch Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 69-73. Vgl. Huss (1943), S. 103. Vgl. BArch, R 55/23488 Lebenslauf Karl Bömer.

gebene „Internationale Bibliographie des Zeitungswesens“ waren Standardwerke, die in den 1930er Jahren mehrmals Neuauflagen erlebten.44 Bömer trat am 1. Januar 1932 in die NSDAP ein45, hielt seine politischen Überzeugungen jedoch vor seinen Kollegen am Institut für Zeitungskunde verborgen. Nach der „Machtergreifung“ hatte er sich dann als Nationalsozialist „entpuppt“46 und kurzzeitig als stellvertretender Direktor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes gearbeitet. Im Mai 1933 trat er in Rosenbergs APA ein. Der Nationalsozialismus förderte nebenbei auch Bömers akademische Karriere. Ab 1933 war er Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik, der späteren Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Universität Berlin. Im Jahre 1937 wurde er zudem außerordentlicher Professor an der Universität Berlin und erhielt dort eine neugeschaffene Professur für ausländische Publizistik. Auch seine Reisen ins Ausland setzte er nach 1933 fort und hielt Gastvorlesungen in England und den Niederlanden, außerdem wurde er im „Press Congress of the World“ zum Vizepräsidenten gewählt.47 Rosenberg war mit der „geschickten Leitung“48 seines APA-Presseamtes durch Bömer sehr zufrieden, auch seinen Mitarbeitern galt Bömer als menschlich angenehmer Chef.49 Aus dem überlieferten Postverkehr des Presseamtes und der Memoirenliteratur ergibt sich, dass Bömer der zentrale Ansprechpartner für Auslandskorrespondenten im APA war.50 Daneben standen aber auch die anderen Mitarbeiter des Presseamtes mit Korrespondenten in regelmäßigem Kontakt.51 Diese waren in der Regel ebenfalls sachkundig und kompetent, da ein Teil von ihnen zuvor schon unter Bömer in der Auslandsabteilung des Instituts für Zeitungskunde gearbeitet hatte. Nach seinem Antritt als Presseamtsleiter hatte Bömer sie mit zum APA gebracht. Einer dieser Mitarbeiter war beispielsweise der Referent und Leiter des Pressearchivs des

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Vgl. Ebd., Liste veröffentlichter Werke Karl Bömers. Vgl. Ebd., Lebenslauf Karl Bömer. Boveri (1965), S. 547. Vgl. BArch, R 55/23488 Lebenslauf Karl Bömer. BArch, NS 43/49 Kurzer Tätigkeitsbericht des Außenpolitischen Amtes der N.S.D.A.P, S. 15, ohne Datum. In dem Bericht ist die Rede von einem Rückblick auf die eineinhalb jährige Tätigkeit des APA, folglich dürfte er gegen Ende des Jahres 1934 verfasst worden sein. Vgl. Jacobsen (1968), S. 62. Vgl. Huss (1943), S. 133. Vgl. BArch, NS 43/9 Anordnung zum Empfang mit Reichserziehungsminister Bernhard Rust, 12.11.1934; vgl. BArch, NS 43/327 Aufzeichnung Drescher über eine Besprechung mit dem Berliner Vertreter der Litauischen staatlichen Telegraphen-Agentur „Elta“, 23.11.1938.

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APA, Hans Keeding, der auf der Grundlage seiner Arbeit an der Universität Berlin dem APA ein umfassendes Pressearchiv aufbaute.52 Der zweite Mann in den Reihen der NSDAP mit Ambitionen auf den Außenministerposten war Joachim von Ribbentrop. Doch wie sein Konkurrent Rosenberg musste auch Ribbentrop seine Ansprüche 1933 zurückstellen. Am 20. April 1934 ernannte Hitler ihn zum „Außenpolitischen Berater und Beauftragten der Reichsregierung für Abrüstungsfragen“. Hiernach begann Ribbentrop, sich im Gebäude des „Verbindungsstabes des Führers“ gegenüber dem Auswärtigen Amt in der Wilhelmstraße ein Büro einzurichten,53 für das er bis Ende 1934 13 Mitarbeiter einstellte. Nach seiner Ernennung zum „Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter des Deutschen Reiches” am 1. Juni 1935 wurde aus diesem Büro die „Dienststelle Ribbentrop“, deren Personalbestand in der folgenden Zeit stark anstieg.54 Ihren Höchststand erreichte die Mitarbeiterzahl 1936 mit über 150 Sekretärinnen und Referenten. Nach seiner Ernennung zum Botschafter in London nahm Ribbentrop einen Teil seiner Leute mit in die britische Hauptstadt, die Zahl der Mitarbeiter der Dienststelle in Berlin sank daraufhin.55 Zeitgleich zu Ribbentrops steigender Bedeutung für die Außenpolitik des Dritten Reichs wuchs auch sein Interesse daran, sich in die Auslandspropaganda und die Auslandspressearbeit im Dritten Reich einzumischen und seinen Standpunkt gegenüber den inländischen und ausländischen Journalisten offensiver zu kommunizieren. Ab dem 1. Juni 1935 besaß die Dienststelle Ribbentrop ein Pressereferat, das von Theodor Böttiger aufgebaut und geleitet wurde. Böttiger war nach der „Machtergreifung“ kurzzeitig außenpolitischer Redakteur und stellvertretender Chefredakteur des Goebbels-Blattes „Der Angriff“ gewesen und hatte dann ab März 1934 als freier Journalist für verschiedene Zeitungen über außenpolitische Themen berichtet.56 Bei seiner Arbeit in der Dienststelle wurde Böttiger vom persönlichen Referenten Ribbentrops, Rudolf Likus, unterstützt. Nach Ribbentrops Ernennung zum Botschafter in London folgte ihm Böttiger als Pressereferent nach Großbritannien, seine Arbeit in Berlin wurde vom erst 22-jährigen Günther Lohse übernommen. Dieser hatte zuvor für die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ und

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Vgl. BArch, R 55/30082 Berndt an Müller, 8.12.1937. Ribbentrop zog in die Räume des Büros des Auslandspressechefs Hanfstaengl ein, dessen Auszug aus dem Verbindungsstab ein eindeutiger Indikator für dessen sinkende Gunst bei Hitler war. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 357. Vgl. Jacobsen (1968), S. 263. Vgl. Ebd., S. 265. Vgl. Ebd., S. 272.

verschiedene Scherl-Blätter gearbeitet.57 Lohse machte auf die mit ihm verkehrenden Menschen „einen äußerst gewandten, aber auch sehr selbstbewussten, um nicht zu sagen, selbsteingenommenen Eindruck“, wirkte sachkundig, aber nicht immer sympathisch.58 Die wichtigsten Aspekte des Aufgabengebiets des Pressereferats umfassten die Auswertung von internationalen Zeitungen, über deren Inhalt die Mitarbeiter Ribbentrop täglich Vortrag hielten. Zudem veröffentlichte es Rundrufe Ribbentrops an die Presse. Weiter nahmen Böttiger und dann Lohse an der täglichen Konferenz zur Vorbesprechung der Reichspressekonferenz teil und hatten dort den Auftrag, den Standpunkt ihrer Dienststelle zu vertreten. Auch bei den Referentenbesprechungen der Presseabteilungen des AA und des „Promi“ waren sie zugegen.59 Die Erinnerungen der Auslandskorrespondenten zeigen, dass diese sowohl mit dem Pressereferat60 als auch mit den einzelnen Länderreferenten61 in der Dienststelle Ribbentrop in Kontakt waren und auf Empfänge Ribbentrops eingeladen wurden.62 In der Selbsteinschätzung Lohses konnte sein Referat „vielseitige Erfahrungen im Umgang mit Auslandsjournalisten“63 vorweisen und organisierte Veranstaltungen, die gezielt an die Korrespondenten gerichtet waren.64 Akten aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes zeigen zudem, dass die Dienststelle Ribbentrop – offenbar durch Informanten und die Auswertung von Abhörprotokollen – bestens über die Meinungen und Einschätzungen der in Berlin tätigen Auslandskorrespondenten informiert war.65 Jedoch baute die

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Vgl. Ebd., S. 293. Nach dem Amtsantritt Ribbentrops als Außenminister wurde Lohse in die Presseabteilung des AA übernommen und war dort als Leiter des Referats Deutsche Presse einer der wichtigsten Mitarbeiter des Abteilungsleiters Paul Karl Schmidt. Vgl. Longerich (1987), S. 157. Vgl. PA AA, R 121284 Abschrift einer Aktennotiz des Presseamtes des APA, 14.6.1937. Vgl. Jacobsen (1968), S. 293-294. Für detailliertere, für die vorliegende Arbeit jedoch nicht relevante Beschreibungen der Tätigkeit des Pressereferats vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 144-149. Vgl. Oechsner (1943), S. 53. Vgl. Jouve (1941), S. 88. Vgl. Ebd., S. 56; vgl. Roussel (1986), S. 243. PA AA, R 121284 Abschrift einer Aktennotiz des Presseamtes des APA, 14.6.1937. Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 147-148. Vgl. PA AA, R 27090 Vertrauliche Berichte aus dem Büro Ribbentrop. Aus den lose in der Akte zusammengestellten Berichten ist nicht erkenntlich, auf welcher Quellenbasis und von wem diese verfasst wurden. Jedoch geben die Berichte zum Teil so genaue Einblicke in Privatgespräche, dass diese nur durch das

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Dienststelle keine umfassenden Strukturen – etwa einen ausschließlich für ausländische Journalisten zuständigen Bereich – für den Kontakt mit Korrespondenten auf. Deshalb scheint es dort im Umgang mit Auslandsjournalisten keine institutionalisierten Abläufe gegeben zu haben. Verbindungen mit Korrespondenten blieben nach Art und Intensität unterschiedlich und variierten je nach Interesse der Journalisten und der einzelnen Dienststellenmitarbeiter. Eine weitere Parteiinstitution, die sich um die im Dritten Reich tätigen Auslandskorrespondenten bemühte, war die Reichspressestelle der NSDAP unter Reichspressechef Otto Dietrich. Diese war als oberste Instanz für alle Presseveröffentlichungen der NSDAP auch für die Information der ausländischen Journalisten über sämtliche die Partei betreffenden Angelegenheiten zuständig.66 Die Reichspressestelle der NSDAP wurde bereits am 1. April 1931 gegründet und war danach im „Braunen Haus“ in München angesiedelt.67 Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme spaltete sich die Pressestelle in zwei Dienststellen in Berlin und München. Dietrich folgte Hitler als dessen persönlicher Pressechef in die Reichshauptstadt und richtete dort das „Pressepolitische Amt“ in der Wilhelmstraße ein. Geleitet wurde das Amt von Helmut Sündermann und gliederte sich in vier Hauptstellen.68 Das Pressepolitische Amt war die Verbindungsstelle des Reichspressechefs zu den Pressereferenten der Reichsleitung, den Gaupresseämtern sowie zur gesamten Parteipresse und gab Weisungen Dietrichs an den Presseapparat der NSDAP weiter.69 Allgemein betrieb das Amt nach Longerich kaum eigenständige Pressearbeit, sondern diente Dietrich vielmehr als Ausgangsbasis für den Versuch, im Propagandaministerium seinen Einfluss geltend zu machen.70 In den Anfangsjahren der NS-Diktatur entwickelte das Pressepolitische Amt offenbar

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Abhören von Wohnungen und Telefonen und durch Informanten gewonnen sein können. Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 170. Offizieller Titel der Pressestelle war zunächst „Pressestelle bei der Reichsleitung der NSDAP“. Nach Dietrichs Ernennung zum Reichspressechef der NSDAP wurde sie in „Reichspressestelle der NSDAP“ umbenannt. Vgl. Dresler (1937), S. 7. Diese Hauptstellen waren „Informations- und Nachrichtenwesen“, „Pressepolitischer Apparat“, „Pressebetreuung“ und „Nationalsozialistische Parteikorrespondenz“. Vgl. Ebd., S. 10. Vgl. Ebd. Vgl. Longerich (1987), S. 121. Für eine detaillierte Beschreibung der Aktivitäten des Pressepolitischen Amtes der Reichspressestelle in Berlin vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 180-183; Dresler (1937), S. 10-11 und Krings (2010), S. 235-240. Diese Aktivitäten betrafen jedoch nicht die Auslandskorrespondenten im Dritten Reich und werden daher hier nicht weiter thematisiert.

keinerlei Aktivitäten bezüglich der Auslandskorrespondenten. Sogenannte „Nachmittagsbesprechungen“ für Journalisten, die das Amt organisierte,71 wurden von ausländischen Journalisten offenbar nicht besucht.72 Erst 1937 engagierte Dietrich in Berlin Karl Bömer als „Beauftragten des Reichspressechefs der NSDAP für Auslandsfragen“.73 Jedoch finden sich in der Literatur als auch in den Akten keinerlei Hinweise auf relevante Aktivitäten Bömers bezüglich ausländischer Korrespondenten in dieser Position. Die zweite Dienststelle der Reichspressestelle der NSDAP war die alte Zentrale der Pressestelle in München, die auch nach dem Weggang Dietrichs den Titel „Hauptgeschäftsstelle“ behielt, allerdings nie mehr die gleiche Bedeutung wie vor der „Machtergreifung“ erlangte. Deren Leiter Adolf Dresler war deshalb stets bemüht, nach dem Abzug der NSDAP-Führung nach Berlin seiner Dienststelle ein gewisses pressepolitisches Gewicht zu erhalten. Eine diesbezügliche Maßnahme waren die ab dem 19. November 1935 von der Hauptgeschäftsstelle wöchentlich abgehaltenen Pressekonferenzen, die im Jahr 1937 durchschnittlich etwa 180 Teilnehmer hatten und an der auch die in München vertretenen Korrespondenten der Auslandspresse teilnahmen. Der Ablauf der Konferenzen strukturierte sich in Mitteilungen der Hauptgeschäftsstelle der Reichspressestelle und daran anschließende detaillierte Referate zu aktuellen Sachthemen.74 Der Hauptgeschäftsstelle der Reichspressestelle der NSDAP in München unterstand zudem die dort bereits 1931 gegründete „Auslandspressestelle der Reichsleitung der NSDAP“, die somit ebenfalls ein Überbleibsel aus der Zeit war, als die NS-Pressepolitik noch in München gemacht wurde.75 Leiter der Auslandspressestelle war Rolf Hoffmann. Mit drei ihm unterstehenden Refe71 72

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Vgl. Wilke (2007), S. 140. Anderenfalls hätte eine solche Einrichtung sicherlich Eingang in die Memoiren eines der Korrespondenten in Berlin gefunden – jedoch finden sich in den verschiedenen Erinnerungen keinerlei Hinweise auf die Veranstaltung. Vgl. BArch, R 55/23488 Lebenslauf Karl Bömer. Vgl. Dresler (1937), S. 9; vgl. Krings (2010), S. 235. Es ließ sich nicht klären, wann die Auslandspressestelle in den Zuständigkeitsbereich der Reichspressestelle der NSDAP geriet. So berichtet Auslandspressechef Hanfstaengl in seinen Erinnerungen, im Jahr 1935 sei die Auslandspressestelle in München seine Dienststelle gewesen. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 359. Auf Basis dieser Aussage lässt sich mutmaßen, ob die Münchner Auslandspressestelle zunächst dem Auslandspressechef Hanfstaengl unterstand und dann, nachdem er Hitlers Gunst verloren hatte und ins Ausland geflohen war, der Reichspressestelle der NSDAP zugeschlagen wurde. 1937 war die Auslandspressestelle nachweislich in die Hauptgeschäftsstelle der Reichspressestelle der NSDAP in München eingegliedert. Vgl. Dresler (1937), S. 10.

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renten entwickelte dieser nach 1933 eine rege Tätigkeit. Diese bestand aus der Auswertung und Beeinflussung der ausländischen Presse einerseits sowie der Unterrichtung verschiedener Staats- und Regierungsstellen über die Inhalte der Presseberichterstattung im Ausland andererseits.76 Hoffmann war der Ansprechpartner für die in München dauerhaft tätigen Auslandskorrespondenten, betreute aber auch umfassend ausländische Journalisten, die nur für kurze Zeit in München weilten. Über diese Journalisten führte er eine ausführliche Kartei77 und stattete sie mit Informationsmaterialien aus. Außerdem war Hoffmanns Auslandspressestelle zuständig für die organisatorische Bewältigung der Besuche ausländischer Journalisten während der jährlichen Reichsparteitage in Nürnberg. Zu diesem Zweck fertigte die Pressestelle Listen eingeladener Auslandskorrespondenten und ausländischer Berichterstatter an, beschaffte Unterkünfte und stimmte sich mit anderen Staats- und Parteistellen über deren Betreuung ab.78 Neben der Beschäftigung mit Auslandskorrespondenten war die Auslandspressestelle auch noch in vielen anderen Bereichen tätig. So führte Hoffmann eine umfassende Korrespondenz mit ausländischen Privatpersonen und Institutionen, die er mit nationalsozialistischem Propagandamaterial versorgte und die ihn wiederum mit Informationen aus ihren Ländern belieferten. Diese Informationen verarbeitete die Auslandspressestelle zusammen mit einer großen Menge lektorierter ausländischer Zeitungen täglich zum Pressebericht „Das Ausland“, der verschiedenen Staats- und Parteistellen zuging.79 Über Kontaktleute im Ausland versuchte die Auslandspressestelle weiter, Artikel in ausländische Zeitungen zu lancieren und erstellte ständig Aufsätze, die sie in- und ausländischen Publikationen kostenfrei zur Verfügung stellte.80 Ebenfalls eine Rolle in der Bearbeitung der Auslandskorrespondenten in den Anfangsjahren der nationalsozialistischen Diktatur spielte der Aus76 77 78 79

80

52

Vgl. Ebd.; vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 174-175; vgl. Krings (2010), S. 233234. Die entsprechenden Karteikarten befinden sich in BArch, NS 42/37 und NS 42/48 bis NS 42/51. Die entsprechenden Listen und Briefwechsel finden sich in BArch, NS 42/30. Der volle Titel des Presseberichts lautete „Das Ausland: Informations- und Presseberichte des Amtes Auslandspresse bei der Reichspressestelle der Reichsleitung der NSDAP“ und umfasste etwa zwischen fünf und zehn Seiten. Einige Exemplare dieses Berichts finden sich in BArch, NS 42/31. Für eine detaillierte Beschreibung der Tätigkeiten der Auslandspressestelle der Hauptgeschäftsstelle in München vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 174-180. Da diese Tätigkeiten keinen weiteren Bezug zu der Betreuung von Auslandskorrespondenten hatten, werden sie an dieser Stelle nicht weiter erörtert.

landspressechef der NSDAP Ernst Hanfstaengl, der in den frühen 1930er Jahren die ersten regelmäßigen Kontakte seiner Partei mit ausländischen Journalisten hergestellt hatte.81 Hanfstaengl, der vor der „Machtergreifung“ stets in Zivil aufgetreten war, trug nach der „Machtergreifung“ immer öfter braune Uniform, ein Umstand, der bei den Korrespondenten für Belustigung sorgte.82 Im Frühjahr 1933 bezog Hanfstaengl im „Verbindungsstab des Führers“, schräg gegenüber der Reichskanzlei einige Büroräume. Für seine „Auslandspressestelle der NSDAP bei der Reichsleitung der NSDAP“83 suchte er sich Mitarbeiter aus, die nach seinem Bekunden bis auf seinen Stellvertreter Konsul Harald Voigt keine Parteimitglieder waren.84 Zudem unterstand Hanfstaengl laut dessen Erinnerungen auch die von Rolf Hoffmann geleitete Auslandspressestelle in München.85 In seinen Erinnerungen macht Hanfstaengl keine genaue Angabe über die Zahl seiner Mitarbeiter, die jedoch kaum höher als ein Dutzend Personen gelegen haben dürfte. Im April 1934 zog Hanfstaengls Büro aus dem Verbindungsstab in das Gebäude Ecke Wilhelmstraße/Unter den Linden, unweit des Hotel Adlon,86 ein deutliches Zeichen für den sinkenden Einfluss des Auslandspressechefs, der schließlich von seinen parteiinternen Konkurrenten derart bei Hitler diskreditiert wurde, dass er sich Anfang 1937 zur Flucht aus Deutschland genötigt sah.87 Aus vorhandenen Aktenbeständen, aus Memoiren verschiedener Korrespondenten als auch aus Hanfstaengls Erinnerungen selbst ist erkennbar, dass selbiger in den ersten Jahren nach der „Machtergreifung“ mit einer größeren Anzahl von Korrespondenten in Kontakt stand. Der Auslandspressechef hielt Veranstaltungen und Empfänge für ausländische Journalisten ab,88 vermittelte Interviews89 und gab amtliche Erklärungen an und über Korrespondenten ab.90 Schließlich ebenfalls eine Rolle weniger in der Betreuung, so doch in der Überwachung der Auslandskorrespondenten im Dritten Reich spielte das 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90

Zur Person Hanfstaengls und dessen Wirken vor dem 30.1.1933 vgl. Kapitel 3.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Lochner (1955), S. 140-141. So die vollständige Bezeichnung für Hanfstaengls Pressestelle. Vgl. BArch, R 43-II/475 Von Hauerberger an Reichskanzlei, ohne Datum. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 290-291. Vgl. hierzu oben, S. 51, Anm. 75. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 357. Zu den kuriosen Gründen und Umständen von Hanfstaengls Flucht vgl. Lochner (1955), S. 137-140 und Hanfstaengl (1970), S. 362-375. Vgl. BArch, NS 454 Artikel aus der „Kreuz Zeitung“ vom 29.3.1935. Vgl. Oechsner (1943), S. 51-53. Vgl. BArch, NS 454 Artikel aus „The Times“ vom 11.6.1934.

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Preußische Geheime Staatspolizeiamt, welches nach 1933 zur Zentrale der aus der regulären Polizei herausgelösten politischen Polizei avancierte. Das Berliner Gestapa besaß eine mit Presseaufgaben betraute Abteilung, der eine Dienststelle Auslandspresse untergeordnet war. Diese Dienststelle wurde 1934 im Zuge der Reorganisation des geheimen Staatspolizeiamtes stark ausgebaut – ein Schritt, der Anspruch und Interesse der politischen Polizei an der Überwachung der Auslandspresse im Reich unterstrich. Dem Berliner Gestapa untergeordnet waren Stapostellen im ganzen Reich. Gemeinsam betrieben sie die sicherheitspolizeiliche Überwachung und Bespitzelung der Korrespondenten, analysierten deren Berichterstattung und waren in die Organisation der Ausweisungen unliebsamer ausländischer Journalisten aus dem Reich eingebunden.91 In einigen wenigen Fällen gab die Gestapo auch auf Anfrage von Korrespondenten Informationen an diese weiter.92 Neben den gerade ausgeführten Institutionen gab es zudem im Dritten Reich weitere, jedoch weniger bedeutsame Stellen, die sich um die Auslandskorrespondenten bemühten und mit diesen regelmäßig in Kontakt traten. In diese Kategorie fielen vor allem die Pressestellen aller Reichsministerien und verschiedenster Parteiorganisationen, von denen der Schweizer Korrespondent Wilhelm Kalberer explizit die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, die Deutsche Arbeitsfront, die Reichsjugendführung, die Reichsführung SS und SA und die NS-Frauenschaft aufzählt. Ebenfalls in Kontakt waren die ausländischen Journalisten mit den Presseverantwortlichen des Oberkommandos der Wehrmacht, sowie mit den Presseattachés der verschiedenen in Berlin ansässigen Botschaften und Gesandtschaften. Einige dieser diplomatischen Vertretungen veranstalteten regelmäßige Pressegespräche.93 Zudem bemühten sich auch Vereinigungen und Gesellschaften, die Deutschland bestimmten Ländern näherbringen wollten, um die Pressevertreter eben dieser Länder in Deutschland.94 So stellte etwa die Deutsch-Japanische Gesellschaft Kontakte zu den japanischen Auslandskorrespondenten im Dritten Reich her. Die Journalisten Job Tamaki, Torao Otsuka und Morimichi Okanouye diskutierten dort im „Presse-Ausschuss“ mit den anderen Gesellschaftsmitgliedern, wie der Nachrichtenaustausch zwischen Japan und Deutschland intensiviert werden könnte, um die beiderseitige Abhängigkeit von anglo-amerikanischen Agenturen zu reduzieren.95 91 92 93 94 95

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Vgl. Huttner (1995), S. 96-98. Vgl. Ebd., S. 111-112. Vgl. Kalberer (1945), S. 4. Vgl. Jouve (1941), S. 95. Vgl. BArch, R 64-IV/154 Protokoll der 1. Sitzung des Presse-Ausschusses am 20.12.1935.

Für die ausländischen Radiokorrespondenten war zudem das Personal der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft in Berlin von großer Bedeutung für ihre Arbeit. Mehr noch als ihre Kollegen der Zeitungen und Nachrichtenagenturen waren die Rundfunkkorrespondenten auf die technische Unterstützung des deutschen Rundfunks angewiesen. Die RRG in Berlin stellte den Korrespondenten alle Einrichtungen zur Verfügung, die sie für das Einsprechen und Übermitteln ihrer Radioberichte benötigten. Vor Kriegsausbruch 1939 unterhielten die Journalisten dabei laut „NBC“-Korrespondent Max Jordan sehr gute Beziehungen zur RRG, die sich im Prinzip nicht von denen in der Weimarer Republik unterschieden: „We got the programs we wanted and were given all the help we needed in arranging them.“96 Da die Berichte der Korrespondenten mitunter – vor allem im Fall der US-amerikanischen Journalisten – über große Distanzen übertragen werden mussten, wurden sie mit reichweitestarken Kurzwellensignalen verschickt. In ihrer täglichen Arbeit hatten die Korrespondenten daher vor allem mit den Mitarbeitern des der RRG untergeordneten Deutschen Kurzwellensenders in Berlin zu tun, von wo aus die Berichte in der Regel ohne vorherige Aufzeichnung „live“ übertragen wurden. Da die Arbeit im Kurzwellensender oft internationalen Bezug hatte, besetzten die Nationalsozialisten dessen Leitung mit entsprechend qualifiziertem Personal. Intendant des Senders wurde 1933 Kurt von Boeckmann, der zuvor in München den Bayrischen Rundfunk geleitet hatte. Boeckmann war bei den ausländischen Journalisten offenbar beliebt, nach Aussage Jordans „not a nazi“ und nur von den neuen Machthabern in sein Amt berufen „to make up for their own deficiencies“.97 Aufgrund seiner „pleasant manners, his knowledge of languages and his rare adaptability“ hielt Jordan Boeckmann für eine Idealbesetzung auf seinem Posten, zudem war er freundlich im Umgang: „It was nice to deal with him“.98 In etwas weniger regelmäßigem Kontakt standen die Radiokorrespondenten außerdem zum Direktor der RRG. Dieser war von 1933 bis 1937 Eugen Hadamovsky, den Jordan als wenig sympathischen „subaltern type of a fellow“ beschreibt. In seiner ordenbehangenen SS-Uniform „he constantly tried to ’play big’“.99 Auch über Hadamovskys Nachfolger Heinrich Glasmeier fällt Jordans Urteil negativ aus: „He represented the very type of middle-class burgher whom the nazis found the easiest bait, flagwaving, bragging, conceited. His simple-mindedness was pathetic.”100 Sowohl mit Hadamovsky als 96 97 98 99 100

Jordan (1944), S. 135-136. Ebd., S. 136. Ebd. Ebd., S. 135. Ebd., S. 159.

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auch mit Glasmeier hatte Jordan hin und wieder politische Diskussionen, in denen die beiden dem US-Journalist „Verbesserungsvorschläge“ für seine Berichterstattung machten. Glasmeier organisierte Jordan zudem ein kurzes Zusammentreffen mit Reichspropagandaminister Goebbels.101 Jedoch blieben solche Vorkommnisse die Ausnahme, in der Summe war die RRG hauptsächlich für den technischen Teil der Arbeit der ausländischen Radioleute von Bedeutung. Informationen politischen Inhalts erhielten sie wie ihre Printkollegen von den oben genannten Stellen.102 Wie bereits ausgeführt war die Vereinigte Presseabteilung der Reichsregierung in der Weimarer Republik die maßgebliche Institution zur Betreuung der in Deutschland tätigen ausländischen Korrespondenten. Da diese Presseabteilung mit ihren Kompetenzen und einem Großteil ihres Personals nach der „Machtergreifung“ an das Propagandaministerium überging, liegt die Folgerung nahe, dass nach 1933 das RMVP führend in der Bearbeitung der Auslandspresse allgemein und der Auslandskorrespondenten im Speziellen war. Diese These findet sich auch in der diesbezüglich bisher verfassten Literatur. Dort geht man für die Vorkriegszeit von der Vormachtstellung des „Promi“ in der Auslandspressearbeit aus, während anderen Institutionen jeglicher Einfluss in diesem Bereich abgeredet wird. So führt etwa Seabury aus: „In the early days of Nazi Germany, Ambassador Aschmann’s Press Division of the Foreign Office had quickly slippend into obscurity.“ Weiter behauptet Seabury, die einstmals so einflussreiche Stimme des AA in der Auslandspressearbeit “had been drowned out by the strident tones of Goebbels’s Propaganda Ministry, where more imaginative minds had undertaken to embellish and purvey domestic news to the outside world.”103 Plöger vertritt in seiner Biographie des späteren Presseabteilungsleiters des AA, Paul Karl Schmidt, sogar die Auffassung, vor dem Amtsantritt Ribbentrops habe im Auswärtigen Amt „de facto“ keine eigenständige Presseabteilung existiert.104 Nach Longerich war die Presseabteilung des AA vor 1938 “fast völlig bedeutungslos” und galt als “Dôme des Invalides“ und Abstellgleis für nicht mehr beförderungswürdige Beamte.105 Ihre Stellung gegenüber dem Apparat des „Promi“ sei

101 102 103 104 105

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Ebd., S. 159-160. Vgl. Ebd., S. 136. Seabury (1954), S. 75. Vgl. Plöger (2009), S. 142. Diese These Longerichs stellt allein die Tatsache in Frage, dass der ab 1933 stellvertretende Leiter der Presseabteilung des AA, Gustav Braun von Stumm, diesen Posten auch unter Ribbentrop bis Kriegsende 1945 behielt und folglich so unfähig in seiner Arbeit nicht gewesen sein kann.

von „Machtlosigkeit“ geprägt gewesen.106 Gleiches galt laut Longerich ebenfalls für das Presseamt des APA. Diesem „gelang es nicht, nennenswerten Einfluß auf die auswärtige Pressepolitik zu nehmen“,107 so Longerichs Erkenntnis. Die überlieferten Akten zeigen jedoch, dass diese Einschätzungen – jedenfalls bezüglich der Betreuung von Auslandskorrespondenten – nicht zutreffend sind. Vielmehr musste sich das Propagandaministerium von 1933 bis zum Kriegsausbruch damit abfinden, dass eine ganze Reihe anderer Staatsund Parteistellen Einfluss auf die Auslandspresse und insbesondere die im Reich tätigen ausländischen Korrespondenten nahm. Von den oben beschriebenen Institutionen waren dabei insbesondere das Auswärtige Amt und das Außenpolitische Amt der NSDAP von mindestens ebenso großer Bedeutung wie das „Promi“.108 Aus den Akten geht hervor, dass das Propagandaministerium in der Vorkriegszeit immer wieder ohne Erfolg auf seine Führungskompetenz betreffend der Betreuung ausländischer Korrespondenten hinwies und andere Stellen abmahnte, nicht unter Umgehung der Presseabteilung des RMVP mit ausländischen Journalisten in Kontakt zu treten. So betonte Reichspressechef Walther Funk in einem Rundschreiben an alle amtlichen Pressestellen und die Geheimen Staatspolizeiämter der Länder vom 21. November 1933: „Die Abteilung IV des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda hat als Presse-Abteilung der Reichsregierung die Aufgabe und die Pflicht dafür zu sorgen, daß die Politik der Reichsregierung nach einheitlichen Grundsätzen in der Presse des In- und Auslandes vertreten wird.“ Bisher sei diese „dringend notwendige Einheitlichkeit“ in der Auslandspressearbeit aber nicht zustande gekommen, weil verschiedene Stellen sich eigenmächtig mit ausländischen Journalisten beschäftigt hätten. Funk verlangte daher, „daß alle Dienststellen, die sich in irgend einer Form mit der Auslandspresse oder deren Vertretern befassen, diese Abteilung [die Presseabteilung des RMVP, Anmerkung des Verfassers] zur Mitarbeit heranziehen, zum mindesten aber sie über schwebende Fragen ständig auf dem Laufenden halten“.109 Obwohl Funk mit diesem Rundschreiben keineswegs die alleinige Zuständigkeit des „Promi“ für die Auslandskorrespondenten im Reichsgebiet beanspruchte, sondern nur in alle diese betreffende Vorgänge eingebunden werden wollte, stießen seine 106 Vgl. Longerich (1987), S. 150. 107 Ebd., S. 121. Longerichs Einschätzungen sind an einigen Stellen von anderen

Autoren übernommen worden, so z.B. von Schumacher (1998), S. 31. 108 Vgl. hierzu Huttner (1995), S. 91-92. 109 PA AA, R 121608 Funk an alle amtlichen Pressestellen und die Geheimen

Staatspolizeiämter der Länder, 21.11.1933.

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Forderungen offenbar auf taube Ohren. So sah sich Funk genötigt, in weiteren Rundschreiben „erneut und dringend“ zu bitten, „grundsätzlich Einladungen an ausländische Journalisten nur im Einvernehmen mit dem Auslandsreferat der Presseabteilung der Reichsregierung vorzunehmen“.110 Entsprechende gleichlautende Ermahnungen verschickte das RMVP nach Februar 1937 nochmals im Juli 1937111 und im Oktober 1938112 – offenbar ohne Erfolg. Die Akten zeichnen zudem ein Bild, wonach im Propagandaministerium oftmals Ahnungslosigkeit bezüglich Auslandskorrespondenten und Auslandspresse herrschte. So galt für zahlreiche neu in Berlin angekommene Korrespondenten die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes als erste Anlaufstelle113 – beim Propagandaministerium meldeten sich viele überhaupt nicht. Dies führte in einem Fall sogar zu diplomatischen Verwerfungen zwischen der deutschen Regierung und der sowjetischen Botschaft in Berlin. In mehreren Verbalnoten protestierte die Botschaft Anfang Februar 1937 beim Auswärtigen Amt wegen der „Schlechterstellung der Sowjetjournalisten“. Dem „Prawda“-Korrespondenten Klimow war zuvor vom Propagandaministerium eine Eintrittskarte für eine Reichstagssitzung verweigert worden – mit der Begründung, Klimow sei dem Ministerium völlig unbekannt. Dieses Argument hielt man in der sowjetischen Botschaft für vorgeschoben und betonte, Klimow sei nach seiner Ankunft in Berlin „ordnungsgemäß“ durch den Botschaftssekretär der sowjetischen Botschaft bei der Presseabteilung des AA dem Abteilungsleiter Aschmann und dem zuständigen Länderreferenten Schönberg vorgestellt worden. Weiter führt die Verbalnote aus: „Genau so, wie sein Vorgänger Herr Hoffmann, bekam Herr Klimow bei dieser Einführung keine Anweisung von den genannten Herren, dass er auch im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda offiziell eingeführt werden soll und dass diese letztere Einführung die Vorbedingung seiner Tätigkeit als Berichterstatter sei.“ Daraufhin „begann Herr Klimow praktisch seine Tätigkeit als Berichterstatter der „Prawda“, ohne dabei auf irgendwelche Schwie-

110 BArch, R 43 II/475 Funk an die Obersten Reichsbehörden, die Reichsstatt-

halter, die Landesregierungen und die Reichsleitung der NSDAP, 25.2.1937.

111 Vgl. Ebd., Funk an die Obersten Reichsbehörden, die Reichsstatthalter, die Lan-

desregierungen und die Reichsleitung der NSDAP, 30.7.1937. 112 Vgl. Ebd., Dietrich an die Obersten Reichsbehörden, die Reichsstatthalter, die

Landesregierungen und die Reichsleitung der NSDAP, 31.10.1938.

113 Vgl. Jouve (1941), S. 33-34.

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rigkeiten zu stossen.“ Erst beim Einfordern der Karte für den Reichstag habe Klimow erstmals von der Relevanz des RMVP erfahren.114 Ein weiter Fall dokumentiert die Ahnungslosigkeit des Propagandaministeriums, diesmal gegenüber dem Presseamt des Außenpolitischen Amtes der NSDAP. Anfang September 1933 erhielt Hans Keeding, Referent im Presseamt des APA und Leiter des dortigen Pressearchivs, einen Anruf aus dem Propagandaministerium. Am Telefon war der Adjutant Goebbelsʼ, Knauer, und erkundigte sich, ob dem APA ein Journalist mit dem Namen Jules Sauerwein bekannt sei – dieser habe bei Goebbels für ein Interview angefragt. Keeding belehrte daraufhin Knauer, dass Sauerwein „einer der bedeutendsten Journalisten Frankreichs“ sei, zwar Jude, „aber von so großer Bedeutung als politischer Journalist, daß eine von ihm nachgesuchte Unterredung nicht abgelehnt werden kann“. Auf Basis dieses Ratschlags aus dem APA führte Goebbels das Interview dann durch.115 Die Informationen über Sauerwein entnahm Keeding dem Pressearchiv des APA, das nach Einschätzung AlfredIngemar Berndts, dem Leiter der Presseabteilung des RMVP, das beste Pressearchiv Deutschlands war. Die Archive des Propagandaministeriums für Auslandspresse waren hingegen so defizitär, dass die Presseabteilung des Ministeriums in der Vorkriegszeit die Archive des APA mitbenutzten musste – und dies laut Berndt „täglich und stündlich“.116 Ohne das Archiv des APA war das „Promi“ offenbar nicht in der Lage, den politischen Standpunkt und die Tendenz der Berichterstattung ausländischer Journalisten systematisch einzuschätzen und zu überwachen. Aus den obigen Ausführungen lässt sich schlussfolgern, dass das Propagandaministerium mit seiner Pressestelle der Reichsregierung nicht in der Lage war, seinen auf dem Papier bestehenden Führungsanspruch in der Betreuung der Auslandspresse im Reich durchzusetzen. Andere Stellen nahmen hier ebenfalls Einfluss, im Falle des AA und des APA auf gleichem Niveau wie das RMVP. Teilweise waren Goebbelsʼ Propagandisten sogar auf die Hilfe anderer Stellen angewiesen. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass dem „Promi“ zwar faktisch exklusive Kompetenzen bezüglich der Auslandskorrespondenten zustanden,117 114 Vgl. PA AA, R 121608 Verbalnote der Botschaft der UdSSR in Berlin an das

Auswärtige Amt, 7.2.1937.

115 Vgl. BArch, NS 43/204 Vermerk Keeding, 5.9.1933. 116 BArch, R 55/30082 Berndt an Leiter IB, 20.1.1938. 117 So etwa die Vergabe von Freifahrtscheinen für die Reichsbahn, die offizielle

Akkreditierung bei der Reichsregierung oder ab 1934 die endgültige Entscheidung über die Ausweisung von missliebigen Korrespondenten. Vgl. hierzu oben, S. 42 und unten, S. 98.

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es dem Ministerium aber gleichzeitig an sachkundigem Personal für Auslandspressearbeit mangelte. Goebbels legte nach 1933 sein Hauptaugenmerk auf die Medien des Inlandes, bei deren Lenkung das RMVP unzweifelhaft den Ton angab. Mitarbeiter wie Wilfrid Bade, die ohne jede Kenntnis des Auslandes im neu geschaffenen Propagandaministerium plötzlich Auslandskorrespondenten betreuen sollten, waren dagegen den erfahrenen Diplomaten des AA um Presseabteilungsleiter Gottfried Aschmann oder den Auslandszeitungswissenschaftlern um Karl Bömer im APA unterlegen. Eine nicht zu vernachlässigende, doch weniger bedeutsame Konkurrenz in Sachen Auslandskorrespondenten ging für RMVP, AA und APA von der Dienststelle Ribbentrop, der Reichspressestelle der NSDAP und Auslandspressechef Ernst Hanfstaengl aus. Ribbentrops Büro beziehungsweise Dienststelle bestand erst seit 1934 und wurde nach dessen Amtsantritt als Botschafter in London 1936 wieder zurückgebaut. In diesem kurzen Zeitraum errichtete die Dienststelle keine wirklich festen Strukturen zur Beschäftigung mit ausländischen Journalisten. Zudem legte sie ihren Schwerpunkt auf die Beeinflussung der Sprachregelungen für die deutsche Presse.118 Dietrich fokussierte seine Ambitionen als Reichspressechef der NSDAP auf inländische Pressearbeit in Konkurrenz zu Propagandaminister Goebbels.119 Und Hanfstaengl, schon 1934 bei Hitler in Ungnade gefallen, verließ Deutschland im Frühjahr 1937.120 5.1.2 Kontrolle und Überwachung Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gab es für Auslandskorrespondenten im Dritten Reich keine generelle Vorzensur. Dies galt gleichermaßen für Zeitungsjournalisten wie für Radioberichterstatter.121 Damit praktizierten die Nationalsozialisten eine großzügigere Pressepolitik als vergleichbare totalitäre Diktaturen wie die Sowjetunion und folgten den propagandistischen Lehren, 118 119 120 121

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Vgl. Huttner (1995), S. 89; vgl. Jacobsen (1968), S. 293. Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 51. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 355-358 und S. 374-375. Vgl. Jordan (1944), S. 234; vgl. Shirer (1984), S. 165. Es kam aber vor, dass in Einzelfällen Berichte von Radiokorrespondenten vorzensiert wurden oder diese unter Vorwänden am Einsprechen oder Übertragen ihrer Berichte gehindert wurden. Vgl. Ders. (1941), S. 139. Ausführungen bei Stoop, die so zu verstehen sind, also ob Radiokorrespondenten schon seit 1933 einer generellen Vorzensur unterlagen, sind dagegen nicht zutreffend. Vgl. Stoop (1987), S. 314 und S. 378379.

die sie aus dem ersten Weltkrieg gezogen hatten.122 Jedoch war die nationalsozialistische Pressepolitik gegenüber Auslandskorrespondenten weit weniger „liberal“, als sie auf den ersten Blick aussah. Denn die Nationalsozialisten übten eine umfangreiche Nachzensur aus, bei der Korrespondenten für missliebige Berichte auf verschiedene Weisen umgehend abgestraft wurden.123 Zu diesem Zweck betrieben die im vorherigen Kapitel beschriebenen Staats- und Parteistellen umfassende Anstrengungen, um die im Reich tätigen Auslandskorrespondenten sowie deren Berichterstattung zu kontrollieren und zu überwachen. Grundlage einer solchen Überwachung war zunächst, sämtliche Korrespondenten in Deutschland zu erfassen und zu registrieren. In der Weimarer Republik lief der Prozess der Registrierung wie oben bereits umrissen ab. Der potentielle Korrespondent beantragte bei einer deutschen diplomatischen Vertretung seines Landes ein Visum für eine journalistische Tätigkeit in Berlin. Legte er entsprechende Unterlagen vor, erhielt er dieses Visum. Angekommen in Berlin hatte er seinen Länderreferenten in der Presseabteilung der Reichsregierung aufzusuchen, dem er ebenfalls entsprechende Unterlagen überreichte. Der Referent begutachtete diese Dokumente und konnte diese gegebenenfalls auch als unzureichend zurückweisen. Akzeptierte er die Unterlagen, so stellte er dem Korrespondenten entsprechende Papiere aus, die ihn als offiziell akkreditierten Auslandskorrespondenten im Deutschen Reich auswiesen.124 Zudem hatten sich die Korrespondenten an das Fremdenamt des Polizeipräsidiums Berlin zu wenden, wo sie – nachdem das Präsidium mit der Presseabteilung der Reichsregierung Rücksprache gehalten hatte – eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Lief diese ab, so fragte das Fremdenamt bei der Presseabteilung nach, ob gegen eine Aufenthaltsgenehmigungsverlängerungen Einwände vorlägen. War dies nicht der Fall, so wurde die Genehmigung verlängert. Die Polizei stattete die Korrespondenten zudem mit einem polizeilichen Presseausweis aus, mit dem sie sich bei offiziellen Veranstaltungen als Pressevertreter ausweisen konnten.125

122 Vgl. hierzu Kapitel 4 der vorliegenden Arbeit. 123 Zur Wirkung dieses Systems der Nachzensur auf die Arbeit der Korrespon-

denten vgl. unten, S. 195-197.

124 Vgl. Douglass/Bömer (1932), S. 270. 125 Der entsprechende Postverkehr zwischen der Presseabteilung der Reichsre-

gierung und dem Fremdenamt des Polizeipräsidiums Berlin für den Zeitraum vor der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ findet sich in PA AA, R 121687.

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Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ blieb diese Vorgehensweise zunächst noch einige Monate erhalten.126 Allerdings war ab August 1933 nicht mehr die reguläre, sondern die von den Nationalsozialisten aus dem Polizeiapparat ausgegliederte politische Polizei in Form des Geheimen Staatspolizeiamtes in Berlin für die polizeiliche Registrierung von Auslandspressevertretern zuständig.127 Nachdem die Presseabteilung der Reichsregierung dann in die Zuständigkeit des Propagandaministeriums übergegangen war, sorgte man dort dafür, dass in Zukunft einzig das „Promi“ allein über die Akkreditierung ausländischer Journalisten im Reich wachte. Am 21. November 1933 teile Reichspressechef Walther Funk allen amtlichen Pressestellen und den Geheimen Staatspolizeiämtern mit, „daß die polizeilichen Presseausweise der ständigen Vertreter ausländischer Zeitungen und Zeitschriften eingezogen und neue Ausweise nur im Einverständnis mit der PresseAbteilung der Reichsregierung, Unterabteilung Auslandspresse, ausgestellt werden. Durchreisende oder nur zeitweilig in Deutschland anwesende Auslandsjournalisten erhalten ein besonderes Ausweisschreiben der PresseAbteilung der Reichsregierung. Es sind deshalb nur solche Auslandsjournalisten als autorisierte Vertreter anzusehen, die sich im Besitz eines der beiden Ausweise befinden.“128 Mit dieser Vorgehensweise verringerte das Propagandaministerium den Einfluss der politischen Polizei, da es die offiziellen Presseausweise nun selbst ausgab.129 Zudem betrieb Goebbelsʼ Ministerium so gewissermaßen eine Generalinventur der Auslandskorrespondenten im Reich. Das „Promi“ erhielt eine aktuelle Liste aller Korrespondenten, unliebsamen Journalisten konnte der neue Ausweis verweigert werden, was diese theoretisch zur Aufgabe ihrer Tätigkeit in Deutschland zwang.130 126 Dies geht aus dem Postverkehr zwischen der Presseabteilung der Reichsre-

127 128 129

130

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gierung und dem Fremdenamt des Polizeipräsidiums Berlin in den Anfangsmonaten der nationalsozialistischen Diktatur hervor. Vgl. PA AA, R 121688. Vgl. PA AA, R 121608 Geheimes Staatspolizeiamt an die Presseabteilung der Reichsregierung im Auswärtigen Amt, 7.8.1933. Ebd., Funk an alle amtlichen Pressestellen und die Geheimen Staatspolizeiämter der Länder, 21.11.1933. Das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin blieb aber weiter für das Erteilen und Entziehen von Aufenthaltsgenehmigungen zuständig, tat dies aber spätestens ab 1934 nur noch auf Anweisung des Propagandaministeriums. Vgl. PA AA, R 121688 Geheime Staatspolizei an Auswärtiges Amt, 2.11.1934. Praktisch gab es jedoch auch Korrespondenten, die – zumindest zu Beginn der NS-Diktatur – in Deutschland tätig waren, ohne beim RMVP oder dem AA gemeldet zu sein. Der niederländische Korrespondent sozialdemokratischer Zeitungen Levinus J. van Looi meldete sich 1933 sogar explizit bei den beiden Ministerien ab, nur um danach mehr oder weniger heimlich weiter aus dem

In Reaktion auf Funks Rundschreiben meldete die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes Mitsprachewünsche bezüglich der Zulassung von Korrespondenten an und bat „vor der Erteilung neuer Ausweise an hiesige ausländische Pressevertreter sowie der besonderen Ausweisschreiben an nur vorübergehend in Deutschland anwesende Auslandsjournalisten die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes zu beteiligen.“131 Inwieweit diesem Anliegen seitens des „Promi“ Rechnung getragen wurde, lässt sich nicht aus den Akten entnehmen. Da jedoch die Botschaften im Ausland weiterhin dafür zuständig blieben, ausländischen Journalisten Visa für ihre Einreise nach Deutschland auszustellen,132 konnte das AA auf diesem Wege einen gewissen Einfluss auf die Zulassung von ausländischen Pressevertretern im Reich nehmen. Auf Basis der Liste der akkreditierten Journalisten erstellte das Propagandaministerium eine Kartothek, in der jeder Korrespondent auf einer oder mehreren Karten verzeichnet war. Die Karten enthielten neben einigen Basisinformationen zu Arbeitgeber und Aufenthaltsdauer in Deutschland auch Einschätzungen über die bisherige Berichterstattung, das journalistische Prestige und den politischen Standpunkt des Korrespondenten gegenüber dem Nationalsozialismus.133 So las der AP-Korrespondent Louis P. Lochner nach 1945 auf seinen Karteikarten, dass er sich „Gegenüber dem Nationalsozialismus sehr skeptisch, in der Form aber, solange er auf deutschem Boden weilte, einwandfrei“ verhalten habe.134 Auch die anderen mit Auslandskorrespondenten beschäftigten Regierungs- und Parteistellen führten ähnliche Register über die ausländischen Journalisten im Reichsgebiet. Im Falle der Reichspressestelle der NSDAP ist ein solches in Form von Karteikarten alphabetisch angelegtes Register teilweise erhalten geblieben. Die Karten beschreiben das „Sündenregister“135 der Korrespondenten, welches mit immer neuen, mit Datum und Quelle versehe-

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Dritten Reich zu berichten. Erst im Juli 1934 wurde van Looi schließlich aus Deutschland ausgewiesen, nachdem deutsche Stellen auf ihn aufmerksam geworden waren. Vgl. Stoop (1987), S. 333-335. PA AA, R 121608 Presseabteilung des Auswärtigen Amtes an Pressechef der Reichsregierung, 2.12.1933. Visa an Journalisten vergaben die Botschaften im Ausland teilweise eigenmächtig, teilweise in Rücksprache mit der Presseabteilung der Reichsregierung. Vgl. PA AA, R 121688 Deutsche Botschaft Paris an Crull, 17.8.1934. Das Sammeln derartiger Informationen wurde von der Presseabteilung der Reichsregierung auch schon in der Zeit der Weimarer Republik betrieben, war aber allem Anschein nach weniger umfassend und systematisch als während der NS-Diktatur. Vgl. hierzu oben, S. 23-24. Lochner (1955), S. 252. Ebd.

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nen Eintragungen aktuell gehalten wurde.136 So verzeichnet die Karteikarte des französischen „Havas“-Korrespondenten in Berlin, Paul Ravoux, für das Jahr 1933: „zeichnet sich durch die besondere Gehässigkeit seiner Meldungen aus, sucht überall seine Giftspritzer anzubringen“. Zufriedener war man dagegen mit Ravouxs Berichterstattung über den Reichsparteitag 1937, denn „R. wurde auf dem Reichsparteitag vom Führer auf der Burg mit empfangen und veröffentlichte einen begeisterten Artikel darüber“. Ravouxs Karteikarte vermerkt auch dessen Ausweisung im Oktober 1937.137 Dem schwedischen „Aftonbladet“-Korrespondenten Christer Jäderlund attestiert dessen Karteikarte, die Göring-Biographie Erich Gritzbachs „durchaus sachlich“ besprochen zu haben, während die Karte negativ konstatiert, dass Jäderlund ein Stipendium eines jüdischen Verlages gewonnen hatte.138 Vernichtend fallen die Karteieinträge über den Schweizer Korrespondenten der Basler „National-Zeitung“ aus. Edward Behrens sei, so ein Vermerk, „größter Hetzer gegen Deutschland“ und wurde laut einem weiteren Eintrag 1934 aus Deutschland ausgewiesen.139 Zudem vermerken die Karteikarten, ob die Korrespondenten positiv oder negativ über Reichsparteitage berichteten140 und welche Journalisten trotz Einladung nicht zu den Veranstaltungen in Nürnberg gekommen waren.141 Auf Basis der Register über die Auslandskorrespondenten war es den verschiedenen Stellen möglich, Informationen über einen Journalisten abzurufen und dessen Verhalten oder Berichterstattung in einen Kontext einzuordnen. Die Register – so sie denn vollständig waren – versetzten in die Lage, schnell den politischen Standpunkt und die Bedeutung eines Korrespondenten festzustellen und so beispielsweise zu beurteilen, ob ein kritischer Artikel nur ein Ausrutscher oder Teil der allgemeinen Berichterstattungstendenz des Korrespondenten war. Wesentliches Element der Überwachung von im Dritten Reich tätigen Auslandskorrespondenten und Vorbedingung umfassender Einträge auf Re136 Als Quellen für die Eintragungen auf den Karten dienten der Reichspressestelle

137 138 139 140 141

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neben eigenen Erkenntnissen auch Informationen, die sie von anderen mit Auslandskorrespondenten befassten Stellen – wie etwa den Presseabteilungen des RMVP und des AA oder dem Presseamt des APA – erhielten. Als Informationsquellen für die Korrespondenten-Register konnten zudem die Mitgliederverzeichnisse der Berufsvertretungen der ausländischen Journalisten genutzt werden, die von diesen regelmäßig aktualisiert herausgegeben wurden. Vgl. BArch, NS 42/37 Karteikarte Paul Ravoux. Vgl. BArch, NS 42/51 Karteikarte Christer Jäderlund. Vgl. Ebd. Karteikarte Edward Behrens. Vgl. BArch, NS 42/48 Karteikarte Jacob Kronika. Vgl. BArch, NS 42/49 Karteikarte Georg P. Karanastassis.

gisterkarten war die kontinuierliche Kontrolle der Berichte und Meldungen, die die Korrespondenten aus Deutschland in ihre Heimatländer sandten und dort in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht wurden. Diese Kontrolle erfolgte auf verschiedenen Wegen. Einer dieser Wege waren die deutschen diplomatischen Vertretungen im Ausland, die die Presse ihres Gastlandes analysierten142 und darüber in regelmäßigen Abständen Berichte an das Auswärtige Amt und das Propagandaministerium sandten.143 Je nach Situation, Land und Auslandsmission variierte die Frequenz dieser Berichte zwischen wenigen Tagen und einem Monat.144 In ihren in der Regel mehrseitigen Darstellungen zeichneten die Auslandsmissionen ein Bild der Stimmungen in der Presselandschaft ihres Gastlandes bezüglich deutscher Innen- und Außenpolitik. Dabei gingen sie sowohl auf Artikel einheimischer Journalisten wie von Auslandskorrespondenten in Deutschland ein. Über diese mehr oder weniger routinemäßigen Berichte hinaus setzten sich die diplomatischen Vertretungen zudem mit AA und „Promi“ in Verbindung, wenn ein Auslandskorrespondentenbericht ihre besondere Aufmerksamkeit erregt hatte, etwa weil er sich besonders „böswillig“ mit dem Dritten Reich auseinandersetzte. Teilweise versandten die Botschaften neben ihren Berichten auch Zeitungsausschnitte oder Abschriften von Artikeln.145

142 Die an den deutschen Auslandsvertretungen für Pressefragen zuständigen

Mitarbeiter unterstanden seit 1933 dem Propagandaministerium. Vgl. Minuth (Hrsg) (1983), Teil I, Bd. 1, S. 478. Dokument Nr. 138, Chefbesprechung vom 24. Mai 1933, 17 Uhr. Das AA war nur für die technische Weiterleitung des Schriftverkehrs dieser Mitarbeiter zuständig und nahm Durchdrucke zu den Akten. Longerich folgert daraus, dass das AA keinen Einfluss auf die Pressepolitik an den Botschaften nehmen konnte und sieht darin einen weiteren Nachweis für die Vormachtstellung des RMVP in Auslandspressefragen. Vgl. Longerich (1987), S. 150. Huttner kritisiert diese Einschätzung zu Recht unter anderem mit dem Hinweis, dass in wichtigen Fällen oft andere Botschaftsangehörige oder die Missionschefs selbst Presseberichte verfassten. Vgl. Huttner (1995), S. 92, Anm. 33. Zudem schildert Stephan, dass sich die Presseleute des Propagandaministeriums nie wirklich gegen die oft sachkundigeren Diplomaten in den Auslandsvertretungen hätten durchsetzen können. Vgl. Stephan (1949), S. 190-191. 143 Dieses Vorgehen war nicht grundsätzlich neu. Bereits in der Weimarer Republik schrieben die deutschen Auslandsvertretungen Presseberichte, allerdings oft unregelmäßig oder nur zu besonderen Ereignissen. Vgl. Schumacher (1998), S. 43-44. 144 Vgl. BArch R 43-II/473 Auswärtiges Amt an Reichskanzlei, 23.6.1936. 145 Vgl. PA AA, R 123155 Deutsche Botschaft Washington, D.C. an Auswärtiges Amt, 21.1.1938.

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In ihren Berichten blieben einige Auslandsmissionen eher sachlich, während andere polemische Kritik an der Berichterstattung der ausländischen Korrespondenten vorbrachten. So erboste sich das Generalkonsulat Chile in einem Bericht vom 6. Oktober 1936, der jüngste „United Press“-Bericht aus Berlin „verrät wieder einmal, wie sehr es der Berliner U.P.-Niederlassung darauf ankommt, in möglichst abfälliger und hämischer Form über deutsche Ereignisse zu berichten, ein Bestreben, das hier nahezu täglich bei Meldungen dieses Büros beobachtet werden kann.“146 Sachlich gehalten blieb dagegen ein Telegramm des Londoner Botschafters Leopold von Hoesch an das Auswärtige Amt vom 11. April 1934, in dem er auf einen Bericht des Berliner „Times“-Korrespondenten Norman Ebbutt hinweist. Die in dessen Bericht enthaltenen Informationen, „daß verhaftete Geistliche sich ohne Vernehmung seit etwa 14 Tagen in Konzentrationslager befinden sollen, daß angeblich ihre Köpfe geschoren worden seien, und daß sie Sträflingskleidung tragen und Zwangsarbeit leisten müssen, erweckt hier, besonders im Zusammenhang mit zahlreichen Meldungen aus letzter Zeit über Verschärfung des Kirchenstreites und behauptete Ausbreitung sogenannter heidnischer Religion, einen äußerst ungünstigen Eindruck.“147 In einigen Fällen hatten die Diplomaten in ihren Berichten aber auch „Positives“ zu vermelden. So stellte die Deutsche Botschaft in Madrid in ihrem Pressebericht für April 1936 fest, dass der Berliner Korrespondent des „Diario ABC“ die Feierlichkeiten in Berlin zum „Führergeburtstag“ in „begeisterten Worten“ beschrieben habe.148 Die deutschen Auslandsmissionen gaben jedoch nicht nur Rückmeldung über die Berichterstattung bereits in Deutschland tätiger Korrespondenten. Sie versorgten AA und „Promi“ auch mit Informationen über Journalisten, die in Kürze in Berlin eintreffen würden, um dort den Posten eines Deutschland-Korrespondenten für ihr Heimatmedium anzutreten.149 So schrieb die Botschaft Madrid am 1. März 1933 über César González-Ruano, den neuen Korrespondenten des „Diario ABC“: „Es dürfte für seine Haltung uns ge146 Vgl. Ebd., Deutsches Generalkonsulat Chile an Auswärtiges Amt, 6.10.1936. 147 PA AA, R 121280 Hoesch an Auswärtiges Amt, 11.4.1935. 148 Vgl. PA AA, R 123155 Pressebericht der Deutschen Botschaft in Spanien für

den Monat April 1936. 149 Oft basierten diese Einschätzungen auf persönlichen Gesprächen, die Missions-

mitglieder mit den Journalisten geführt hatten. Es war offenbar üblich, dass die Journalisten im Rahmen der Beantragung ihres Visums bei dem jeweiligen Missionsleiter vorsprachen und um die Ankündigung ihrer Ankunft bei den verantwortlichen Stellen in Berlin baten. Dieses Verfahren war zudem nicht neu. Schon in der Weimarer Republik hatten deutsche Auslandsvertretungen das AA mit Informationen über die neu in Deutschland ankommenden Korrespondenten versorgt. Vgl. PA AA, R 121707 Dieckhoff an Strohrer, 29.10.1923.

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genüber viel von der Aufnahme abhängen, die man ihm in den Berliner, vor allem amtlichen Kreisen bereitet. Da er mit seiner Familie nach Berlin geht, aber nur über ein Gesamtmonatseinkommen von 2.000,- Peseten verfügt, wird er vielleicht auch für gelegentliche Erleichterungen dieser oder jener Art empfänglich sein.“150 In eine ähnliche Richtung stößt ein Bericht des Deutschen Generalkonsulates Chicago vom 20. September 1933 über den neuen Berlin-Korrespondenten der „Chicago Daily News“, der zuvor aus Japan berichtet hatte. Vertraulich wurde dem Generalkonsulat mitgeteilt, dass Junius B. Wood „aus kleinen Verhältnissen stamme und nun emporgekommen, grossen Wert darauf lege, eine Rolle zu spielen und auch gesellschaftlich anerkannt zu werden. Mir wurde mitgeteilt, dass diese seine Neigung in Japan von gewissen Kreisen mit recht gutem Erfolg ausgenutzt worden sei und dass es sich empfehle, auch in Deutschland dieser Neigung Rechnung zu tragen.“151 Teils waren die Auslandsvertretungen auch bemüht, den neuankommenden Korrespondenten einen guten Start in Deutschland zu ermöglichen und Gutwillen für sie bei den amtlichen Stellen in Berlin hervorzurufen. So betonte die Deutsche Botschaft in Moskau am 2. Juni 1933, der neue Berliner Vertreter der sowjetischen Nachrichtenagentur „TASS“, Bespalow, sei „unverkennbar nicht jüdischer, sondern nationalrussischer Herkunft“ und „machte persönlich einen guten Eindruck“. Man solle ihm doch daher bitte freundlich begegnen.152 Neben diplomatischen Vertretungen fungierten zudem die Auslandsbüros des Deutschen Nachrichtenbüros als Informationsquellen über die Berichterstattung der Korrespondenten. Im internen Dienst der Agentur berichteten die DNB-Auslandskorrespondenten kontinuierlich über die Pressestimmen des Landes, in dem sie arbeiteten – in der Regel knapper und mit weniger Hintergrundinformationen als die Diplomaten, dafür aber oft zeitnäher. Meist gaben die DNB-Berichte eher die generellen Berichterstattungstendenzen in den Medien eines Landes wieder, doch konzentrierten sie sich zu bestimmten Ereignissen oder Veranstaltungen konkret auf die Berichterstattung der Aus150 PA AA, R 211650 Deutsche Botschaft in Spanien an Auswärtiges Amt,

1.3.1933.

151 PA AA, R 121652 Deutsches Generalkonsulat Chicago an Auswärtiges Amt,

20.9.1933. 152 Vgl. PA AA, R 121651 Deutsche Botschaft in Moskau an Auswärtiges Amt

Berlin, 3.6.1933. Das gleiche forderte die Deutsche Gesandtschaft in Helsinki in einem Schreiben vom 14. September 1939 für den neuen Berlin-Korrespondenten der größten finnischen Zeitung „Helsingin Sanomat“, Petäjäniemi. Dieser wurde der Gesandtschaft „als ordentlicher Mann geschildert“, von dem eine „durchaus sachliche Berichterstattung“ zu erwarten sei. Vgl. PA AA, R 121674 Deutsche Gesandtschaft in Helsinki an Braun von Stumm, 14.9.1939.

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landskorrespondenten in Deutschland. So berichtete das DNB-Büro Washington, D.C. in einem Bericht vom 11. Oktober 1938, dass eine kurz zuvor von Hitler gehaltene Rede in den USA „in allen Blättern mit vollem Wortlaut abgedruckt“ worden sei. Die generelle Tendenz der Korrespondentenberichte aus Berlin zu der Rede sei positiv, nur die AP versuche, „daraus ein neues Hetzargument zu machen“.153 Das DNB-Büro Paris vermeldete am 8. November 1938 über die Berichterstattung französischer Berlin-Korrespondenten zu einer von Ribbentrop gehaltenen Rede: „Der Berliner Havas-Berichterstatter schreibt, die deutschen politischen Kreise messen der Rede Reichsaussenministers von Ribbentrop vor der Auslandspresse eine ausserordentliche Bedeutung zu und legten besonderen Wert auf die Worte des Ministers über die deutsch-französischen Beziehungen“.154 Ebenfalls analysierte nach der Volksabstimmung über die Zugehörigkeit des Saarlandes am 13. Januar 1935 ein DNB-Bericht aus Rom die Berichterstattung der italienischen Korrespondenten in Berlin – mit wenig zufriedenstellendem Ergebnis: „Der Berliner Korrespondent des „Lavoro Fascista“ will das Saarergebnis und die von der Deutschen Front angewandten Methoden dadurch diskreditieren, dass er das demokratische System einer Volksabstimmung für eine geschichtliche Willensbekundung nicht gelten lässt. Auch der Saarbericht von Bojano im „Popolo d’Italia“ ist auf eigenartige Zurückhaltung eingestellt.“155 Neben den diplomatischen Vertretungen und den DNB-Büros im Ausland verfügten die mit den Auslandskorrespondenten beschäftigten Stellen auch im Inland über Möglichkeiten, die Berichte der ausländischen Journalisten direkt in Deutschland zu kontrollieren. Die Presseabteilung der Reichsregierung im Propagandaministerium besaß in der Vorkriegszeit ein Lektorat für Auslandspresse, in dem 1938 15 Lektoren, vier Schreibkräfte und 19 Hilfskräfte in einer Klebestube beschäftigt waren. Das Lektorat sichtete täglich eine große Anzahl von Zeitungen aus verschiedenen Ländern und sammelte relevante Zeitungsausschnitte in einem Archiv.156 Ein Lektorat besaßen nachweislich auch das APA, wo laut Rosenberg täglich etwa 300 Zeitungen ausgewertet wurden,157 und die Auslandspressestelle der Reichspressestelle der NSDAP in München, die jeden Tag etwa 170 Tageszeitungen und etwa 100 Wochen- und Monatszeitschriften lektorierte.158 Im Mittelpunkt der TäEbd., DNB-Bericht aus Washington, DC, 11.10.1938. BArch, R 901/60404 DNB Bericht aus Paris, 8.11.1938 PA AA, R 121688 DNB-Bericht „Zur Information“, 15.1.1935. Vgl. BArch, R 2/11554 Aufzeichnung zur Auslandspressestelle, 2.11.1938. Vgl. BArch, NS 43/49 Tätigkeitsbericht des Außenpolitischen Amtes der N.S.D.A.P nach eineinhalbjähriger Tätigkeit, ohne Datum. 158 Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 175. 153 154 155 156 157

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tigkeiten der verschiedenen Lektorate stand das Verfolgen der allgemeinen Tendenz der ausländischen Berichterstattung über Deutschland, wobei jedoch auch Augenmerk auf die Artikel der Korrespondenten gelegt wurde. Ihre Erkenntnisse aus dem Lektorieren der ausländischen Presse fassten die verschiedenen Stellen zu Berichten zusammen, die sowohl intern als auch in den Führungskreisen von Staat und Partei verteilt wurden und dort einen Eindruck von der Stimmung der Auslandspresse vermittelten.159 In der Summe sorgten die Berichte der diplomatischen Vertretungen und des DNB aus dem Ausland sowie der verschiedenen Lektorate im Inland dafür, dass die entsprechenden Stellen in der Lage waren, die Berichterstattung aller relevanten Auslandskorrespondenten quasi lückenlos zu verfolgen und auszuwerten. Jedoch gaben sich die Nationalsozialisten nicht mit ausführlicher Registrierung und Kontrolle der Berichterstattung der Korrespondenten zufrieden. Die NS-Propagandisten waren bestrebt, so viele Informationen über die Arbeit und das Leben der ausländischen Journalisten zu sammeln wie möglich. Sie interessierten sich für den politischen Standpunkt der Korrespondenten, für die Informationen, die sie untereinander oder mit ihren Heimatredaktionen austauschten und am allermeisten für die Kontakte zu Informanten, die oft Grundlage kritischer Berichte und Meldungen der Korrespondenten waren. Um an all diese Informationen zu gelangen, betrieb das Dritte Reich eine umfassende geheimpolizeiliche Überwachung der Auslandskorrespondenten. Diese lässt sich für die Vorkriegszeit aus den Memoiren und überlieferten Akten allerdings lediglich in groben Zügen rekonstruieren. Eine Überwachungsmaßnahme war das Abhören der Telefone der Auslandskorrespondenten. Wie umfassend diese Kontrolle betrieben wurde, lässt sich nur schätzen. Eine unvollständig erhaltene Liste der in Deutschland tätigen Auslandskorrespondenten der Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums aus der Zeit nach Kriegsbeginn 1939 verzeichnet 154 maschinengeschriebene und 30 handschriftlich ergänzte Namen von Korrespondenten. In der Liste ist weiter vermerkt, dass für 59 dieser Journalisten eine Abhörgenehmigung160 vorlag, also für weniger als ein Drittel der Korrespondenten.161 Da die Überwachung der ausländischen Pressevertreter nach

159 Vgl. BArch, NS 43/49 Tätigkeitsbericht des Außenpolitischen Amtes der

N.S.D.A.P nach eineinhalbjähriger Tätigkeit, ohne Datum; vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 176. 160 Wer diese Genehmigungen erteilte, geht aus der Liste nicht hervor. 161 Vgl. BArch, R 55/20943 Unvollständige Liste der Auslandskorrespondenten, ohne Datum. Da die Liste Namen von Auslandskorrespondenten verzeichnet, die nur während des Krieges in Deutschland tätig waren, muss die Liste aus der

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Kriegsbeginn massiv verstärkt wurde,162 lässt sich vermuten, dass von 1933 bis 1939 eher eine geringere Zahl von Korrespondenten abgehört wurde. Zudem wurden die Telefonleitungen der Journalisten teilweise nur in Intervallen von einigen Wochen angezapft.163 Wahrscheinlich beschränkten sich die Abhörmaßnahmen zumeist auf die Vertreter wichtiger Zeitungen und Nachrichtenagenturen. Abgehört wurden dabei sowohl die Büro- als auch die Privattelefone der Journalisten.164 Aufgrund von technischen Problemen und dem verräterischen Knacken in der Leitung waren sich die Korrespondenten jederzeit über die Telefonüberwachung bewusst. Außerdem beeindruckten die für die Betreuung der Korrespondenten zuständigen Beamten und Parteileute die Journalisten immer wieder mit Wissen, das sie nur aus abgehörten Telefongesprächen erlangt haben konnten.165 Zuständig für das Abhören der Telefone war das zu Hermann Görings Luftfahrtministerium gehörige Forschungsamt, geschaltet wurden die Abhörmaßnahmen vom Postministerium.166 In unterschiedlichem Umfang gab das Forschungsamt seine Erkenntnisse aus den abgehörten Gesprächen danach an die mit den ausländischen Journalisten befassten Stellen weiter.167 Nachweislich begann das Abhören der Telefone der Auslandskorrespondenten direkt nach der nationalsozialistischen Machtübernahme. So erklärte Göring in einer Ministerbesprechung am 29. März 1933, „Greuelmeldungen“ über Aktionen gegen Juden in Deutschland „seien hauptsächlich durch einen Vertreter der Hearst-Presse, Deuss, nach Amerika gekabelt worden. Durch Abhören seiner Telephongespräche sei das einwandfrei erwiesen.“168 Als weitere Kontrollmaßnahme neben dem Abhören von Telefonen nennen die Korrespondenten, dass im Reichspostministerium ihre Post vor dem

162 163 164 165

166 167 168

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Zeit nach dem 1. September 1939, sehr wahrscheinlich aus den Jahren 1942 bis 1944, stammen. Vgl. hierzu Kapitel 5.2.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Fredborg (1944), S. 29. Vgl. Lochner (1943), S. 238-239. Vgl. Ebd.; vgl. Roussel (1986), S. 103; vgl. Fredborg (1944), S. 29. Allgemein ließen die deutschen Stellen gegenüber den Korrespondenten meist offen durchblicken, dass ihr Leben und Arbeiten in Deutschland überwacht wurde. Vgl. Stoop (1987), S. 317-318. Vgl. BArch, R 901/58155 Erfahrungsbericht des Referates PZ Generalkonsul Reinhardt vom 19.5.1940. Vgl. BArch, NS 43/9 Duckwitz an Leibbrandt, 20.8.1934. Minuth (Hrsg.) (1983), Teil I, Bd.1, S. 272. Dokument Nr. 78, Ministerbesprechung vom 29. März 1933, 16.15 Uhr.

Weiterversand geöffnet wurde.169 Auch beobachtete die Gestapo Privatwohnungen und Büros ausländischer Journalisten. Martha Dodd, Tochter des USBotschafters William E. Dodd, berichtet, dass die Wohnungen von „Chicago Daily News“-Korrespondent Edgar Mowrer und „Times“-Korrespondent Norman Ebbutt observiert und abgehört wurden.170 Stéphane Roussel, Korrespondentin des „Le Matin“, schildert in ihren Erinnerungen, bei einer zweitägigen Reise nach München „auf Schritt und Tritt“ von zwei Beamten der Gestapo verfolgt worden zu sein.171 Während des Reichstagsbrandprozesses in Leipzig im Herbst 1933 durchsuchte die Geheimpolizei täglich die Hotelzimmer der über den Prozess berichtenden ausländischen Journalisten, während diese der Verhandlung beiwohnten.172 Über die Reisetätigkeiten und Aufenthaltsorte der Korrespondenten informierte sich das Propagandaministerium zudem auf sehr geschickte Art und Weise. Das Ministerium vergab an die Korrespondenten stark vergünstigte Fahrkarten für die Reichsbahn.173 Bei der Ausgabe dieser Karten notierte sich das „Promi“ genau Route und Zeitspanne der Reise der Journalisten.174 Die verschiedenen an den Korrespondenten interessierten Regierungsund Parteiinstitutionen platzierten und rekrutierten zudem unabhängig voneinander Spitzel im Privat- und Arbeitsumfeld der ausländischen Journalisten.175 Bei besonderen Anlässen wie dem Reichstagsbrandprozess waren die Späher unter den Kellnern, Pförtnern und sonstigem Personal in den Hotels und im Gerichtsgebäude so zahlreich, dass man sie kaum übersehen konnte.176 Weiter war es unter den Korrespondenten allgemein bekannt, dass in vielen ausländischen Redaktionsbüros in Berlin Spitzel saßen. Martha Dodd schildert, dass deutsche Spione „unter dem einen oder anderen Vorwand als Übersetzer, Sekretärinnen, Informanten oder was auch immer“ von den amtlichen Stellen in die Büros eingeschleust wurden. Deren Funktion, so Dodd „war so offensichtlich, dass man Witze darüber riß“.177 So hatte die Gestapo im Berliner Büro der Nachrichtenagentur „International News Service“ einen Kontaktmann namens Freiherr von Wöllwarth, der „stets ausgezeichnet in169 Vgl. Lochner (1943), S. 238. In welchem Ausmaß und unter wessen Kontrolle

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dies in der Vorkriegszeit geschah, ließ sich aber aus den für diese Untersuchung herangezogenen Quellen nicht rekonstruieren. Vgl. Dodd (2005), S. 116. Vgl. Roussel (1986), S. 218. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 78. Geheimbericht Noordewiers vom 30.9.1933. Vgl. PA AA, R 121667 Brauweiler an Auswärtiges Amt, 7.5.1938. Vgl. Fredborg (1944), S. 31. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 45. Geheimbericht Noordewiers vom 11.6.1933. Vgl. Ebd., S. 78. Geheimbericht Noordewiers vom 30.9.1933. Dodd (2005), S. 115.

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formiert“ über die Vorgänge dort war. Wöllwarth meldete im November 1933 mehrere Fälle an das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin, in denen sich der US-Korrespondent Karl von Wiegand abfällig über den Nationalsozialismus geäußert hatte. Wiegand hatte unter anderem eine Schweigeminute vor einer Rede Hitlers in den Siemenswerken am 10. November 1933 in Berlin mit den Worten kommentiert: „selbst Hitler, Goebbels und Göring mußten solange still sein“.178 In vielen Fällen setzten die Nationalsozialisten Spitzel auch als agents provocateurs ein, die sich gegenüber den Auslandskorrespondenten als Gegner der Hitler-Diktatur präsentierten und die Journalisten so zu regimekritischen Äußerungen anregen sollten. Auf diesem Weg versuchten die deutschen Stellen herauszufinden, was die Korrespondenten wirklich über das „neue Deutschland“ dachten.179 In einigen Fällen fungierten Auslandskorrespondenten auch selbst als Spitzel für die Nationalsozialisten. Korrespondenten, die Mitglieder im Verein der Ausländischen Presse waren, spionierten auf den Sitzungen des Vereins für verschiedene deutsche Stellen. Deshalb war man im Büro Ribbentrop bestens über die dortigen Diskussionen zur Ausweisung des „Times“Korrespondenten Norman Ebbutt informiert180 und der indische Korrespondent Habibur Rahman verriet dem Auswärtigen Amt während der Sudetenkrise 1938 die Inhalte der Briefwechsel zwischen der tschechischen Gesandtschaft und dem Verein der Auslandspresse.181 Ergebnis der ausführlichen Erfassung der Auslandskorrespondenten in verschiedenen Registern, der kontinuierlichen Verfolgung ihrer Berichterstattung und schließlich der vielfältigen sicherheitspolizeilichen Überwachung war, dass die Nationalsozialisten umfassend über das Leben und die Arbeit zwar nicht jedes ausländischen Journalisten, aber doch der von ihnen als wichtig erachteten Korrespondenten in Deutschland informiert waren. Exemplarisch hierfür ist ein Bericht aus dem Aktenbestand des Presseamtes 178 BArch, R 43-II/472 Geheimes Staatspolizeiamt Rt. Nd. Prst. 58./33.73 an

Reichskanzler, 16.11.1933. Das große Interesse der Nationalsozialisten an den Vorgängen in den Büros der Korrespondenten dokumentiert auch, dass nach Kriegsausbruch 1939 und der damit verbundenen Abreise der französischen und britischen Journalisten aus Deutschland die Gestapo die verlassenen Redaktionsbüros der Nachrichtenagenturen „Havas“ und „Reuter“ durchsuchte. Vgl. Schumacher (1998), S. 60-61. 179 Vgl. Jouve (1941), S. 33. 180 Vgl. PA AA, R 27090 Vertraulicher Bericht über die Sitzungen des Vereins der Ausländischen Presse in Zusammenhang mit der Ausweisung Norman Ebbutts, ohne Datum. 181 Für diesen Dienst erhielt Rahman vom AA Geld. Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 106.

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des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, der eine genaue Kenntnis über die Vorgänge im Berliner Büro der „New York Times“ im Herbst 1934 nachweist. So wusste das APA, dass der Korrespondent Frederick Birchall Anfang September eine Reise nach Genf plante, in deren Anschluss er kurzzeitig in die USA zurückkehren würde, um private Angelegenheiten zu regeln und um seine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland zu erneuern. Dieser Umstand schien dem Verfasser des Berichts „ganz besonders wichtig zu sein in Anbetracht der bisherigen deutschfeindlichen Haltung dieses New York Times Journalisten, die ihm selbst bei seinen Kollegen den Titel des „kleinen Giftmischers“ eingetragen hat.“ Zudem war dem APA auch bekannt, dass ein weiterer Berlin-Korrespondent der „New York Times“, Otto D. Tolischus, gerade auf Urlaub in Litauen war und ebenfalls bald seine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland verlängern musste. Schließlich war das APA informiert, dass „die auch äusserlich sehr schmierige jüdische Journalistin Libby Benedict aus New York mit Sonderauftrag in Berlin eingetroffen ist und im Continental – Hotel Wohnung genommen hat.“182 5.1.3 Repression und Sanktionen Als Ausländer ohne deutsche Staatsangehörigkeit waren die Auslandskorrespondenten im Dritten Reich in einer grundlegend anderen Situation als ihre deutschen Berufsgenossen. Das Schriftleitergesetz mit all seinen die Arbeit deutscher Journalisten einschränkenden Bestimmungen galt für die Korrespondenten nicht. Weiter hatten die ausländischen Journalisten die Regierung ihres Heimatlandes hinter sich, welche sich im Ernstfall – mehr oder weniger – schützend vor sie stellen konnte. Trotzdem entwickelten die Nationalsozialisten ein umfassendes System von Repression und Sanktionen, welche sie bei Bedarf gegen die Korrespondenten einsetzten. Warum und wann Sanktionsmaßnahmen gegen Auslandskorrespondenten aus Sicht der Nationalsozialisten nötig waren, erklärte Reichspressechef Otto Dietrich am 7. März 1938 in einer Rede vor ausländischen Diplomaten und Journalisten in Berlin. Dietrich betonte zunächst die grundsätzlich wohlwollende Einstellung der NS-Regierung gegenüber den Korrespondenten und führte aus, diese sehe „die Aufgabe des Auslandskorrespondenten darin, daß er seinen Landsleuten das unvoreingenommene, wahrheitsgetreue Bild eines fremden Landes und Volkes vermittelt. Wer seine Aufgabe so auffaßt, der 182 BArch, NS 43/204 Bericht über Vorgänge im Berliner Büro der „New York

Times“ (Hervorhebungen im Original), 26.8.1934.

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darf jederzeit unserer Unterstützung gewiß sein, denn dann achten wir in ihm den publizistischen Vertreter eines Organs der öffentlichen Meinung seines Landes.“ Wer jedoch, so Dietrich weiter, „persönliche oder durch seine eigene Weltanschauung bedingte Gefühle der Abneigung oder gar des Hasses gegen das Gastland hegt, Gefühle, die ihn ständig in Konflikt mit seiner beruflichen Aufgabe bringen und eine sachliche Berichterstattung erschweren oder gar unmöglich machen, der sollte als Korrespondent nicht zu uns kommen. Denn er schadet durch seine schiefe und tendenziöse Berichterstattung nicht nur unserem, sondern auch seinem eigenen Lande und setzt sich einem fortgesetzten berechtigten Misstrauen aus, das über kurz oder lang zu einem Bruch führen muß.“183 In der Praxis bedeuteten solcherart Erklärungen, dass die Korrespondenten bei jeder Art von Berichterstattung, die den nationalsozialistischen Machthabern gegen den Strich ging, mit Konsequenzen rechnen mussten. Es gab jedoch einige Themenfelder, in denen sich die Auslandsjournalisten besonders leicht den Vorwurf einer „schiefen und tendenziösen Berichterstattung“ einhandelten. Aus den zahlreichen Fällen von Repressions- und Sanktionsmaßnahmen, die in den Erinnerungen der Journalisten und den erhaltenen Akten überliefert sind, lässt sich das Spektrum der Berichterstattungsthemen erschließen, für das die Korrespondenten vor 1939 von den Nationalsozialisten insbesondere belangt wurden. Riskant bezüglich deutscher Innenpolitik waren Artikel über die Verfolgung politischer Gegner und die Vorgänge in Konzentrationslagern,184 antisemitische Maßnahmen und Ausschreitungen185 sowie den Kirchenkampf.186 Problematische Themen betreffend die deutsche Außenpolitik waren Berichte, die in den Augen der Nationalsozialisten die Verständigung Deutschlands mit bestimmten Ländern torpedierten. Hierzu gehörten allgemein Artikel, die Deutschlands Friedfertigkeit gegenüber seinen Nachbarn in Zweifel zogen, besonders allergisch waren Hitlers Propagandisten aber gegen kritische Texte zum deutsch183 Rede Otto Dietrichs über nationalsozialistische Pressepolitik vor Diplomatie

und Auslandspresse in Berlin am 7.3.1938; auszugsweise abgedruckt in Sösemann (Hrsg.) (2011), S. 1107. 184 Vgl. Delmer (1962), S. 206. 185 Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 183. Geheimbericht Noordewiers vom 31.7.1935. 186 Vgl. Jouve (1941), S. 33-35; vgl. Böschenstein (1978), S. 135; vgl. PA AA, R 121664 Aschmann an Deutsches Generalkonsulat New York, 31.5.1937. Die Berichterstattung der Britischen Presse und auch britischer Auslandskorrespondenten über den Kirchenkampf ist Thema einer ausführlichen Studie Markus Huttners. Für eine kurze Listung der aus Sicht Huttners für die Korrespondenten riskanten Themen vgl. Huttner (1995), S. 133-134.

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englischen Verhältnis.187 Größte Gefahr für Auslandskorrespondenten bedeuteten Berichte, die sich mit allzu konkreten Details der deutschen Wiederaufrüstung beschäftigten.188 Höchst empfindlich reagierte man deutscherseits zudem auf Berichterstattung im Vorfeld und während der Olympiade 1936.189 Diese Veranstaltung, die dem Ausland ein positives Bild des Dritten Reichs vermitteln sollte, wollte sich insbesondere Propagandaminister Goebbels auf keinen Fall ungestraft schlechtreden lassen.190 Das System der Sanktionen und Repression gegen Auslandskorrespondenten kam schon wenige Wochen nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft in Anwendung. Auslöser für das unmittelbare scharfe Vorgehen gegen die Korrespondenten war deren zum Teil sehr kritische Berichterstattung über die nationalsozialistische „Revolution“ und deren Konsequenzen. Einige ausländische Journalisten zeichneten in ihren Berichten ein sehr genaues Bild von Verfolgungen und Gewaltexzessen gegen Kommunisten und Sozialdemokraten, antisemitischen Aktionen und der allgemeinen Abwicklung der Demokratie in Deutschland.191 Offen diskutierten die Korrespondenten in ihren Artikeln auch Gerüchte, wonach die Nationalsozialisten selbst hinter dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 stecken könnten.192 Die Presseabteilung der Reichsregierung, damals noch Teil des Auswärtigen Amtes, registrierte die umfassende Negativberichterstattung vieler Korrespondenten schon wenige Tage nach dem 30. Januar 1933 und sah sich genötigt, gegensteuernde Maßnahme zu ergreifen. Als besonders verwerflich war den Beamten die Berichterstattung des „Reuter“-Korrespondenten Victor Bodker aufgefallen. Deshalb teilte man ihm Mitte Februar mit, „dass, wenn diese feindliche Tendenz sich bei ihm weiter geltend macht, die ihm bisher bewiesene entgegenkommende Haltung der Presseabteilung in Bezug auf Interviews etc. sich natürlich ändern muss.“193

187 Ausführlicher auf diese Problematik geht Holzweißig in seiner Untersuchung

188 189 190

191 192 193

des Deutschlandbildes in der britischen Presse im Jahre 1935 ein. Vgl. Holzweißig (1967). Vgl. PA AA, R 121310 Tagesbericht über die polnische Presse, 15.3.1935; vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 135. Geheimbericht Noordewiers vom 2.6.1934. Vgl. Shirer (1941), S. 44-45. Vgl. BArch, R 43-II/473 Goebbels an Auswärtiges Amt, Dienststelle Ribbentrop, Außenpolitisches Amt der NSDAP, Reichskanzlei, Landesstellen des Propagandaministeriums und den Verbindungsstab der NSDAP, 27.8.1936. Vgl. Birchall (1940), S. 140; vgl. Padel (1951), S. 32. Vgl. Minuth (Hrsg.) (1983), Teil I, Bd. 1, S. 147. Dokument Nr. 41, Ministerbesprechung vom 2. März 1933, 12 Uhr. PA AA, R 211650 Vorlage Pulitz, 16.2.1933.

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Der schwedische Journalist Arvid Fredborg, der von Februar 1941 bis Mai 1943 Korrespondent des „Svenska Dagbladet“ in Berlin war, beschreibt in seinen Erinnerungen verschiedene Stufen von Repressionsmaßnahmen, die die Nationalsozialisten gegen missliebige Korrespondenten verhängten. Diese Maßnahmen sahen laut Fredborg wie folgt aus: „(1) written warning; (2) telephone banned for longer or shorter period; (3) recommendation to prepare to leave the country; (4) expulsion within 48 or 72 hours; (5) arrest and trial for high treason, espionage, ect.”194 Diese Aufstellung wird in der Literatur an vielen Stellen als StandardStrafenkatalog der Nationalsozialisten übernommen.195 Dabei werden jedoch Fredborgs den Katalog ergänzende Ausführungen übersehen, wonach im Dritten Reich die Sanktionen gegen Korrespondenten nicht nur aus den fünf genannten Maßnahmen bestanden und wonach zudem diese Maßnahmen nicht stufenweise und nach einem berechenbaren Muster angewandt wurden. Vielmehr waren die Sanktionen der nationalsozialistischen Machthaber für die Korrespondenten seit 1933 meist unkalkulierbar, unabsehbar und variierten von Fall zu Fall. Je nach Situation, Kontext und Korrespondent wurden gleiche „Vergehen“ unterschiedlich geahndet. Oft wandten die Nationalsozialisten Repressionsmaßnahmen auch nicht nacheinander, sondern miteinander kombiniert an.196 Gewissermaßen das Grundrepressionsmittel der Nationalsozialisten gegen alle Auslandskorrespondenten gleichermaßen war ein öffentliches feindliches Klima, das den Korrespondenten in Deutschland seitens amtlicher Stellen und aus den gelenkten Medien entgegenschlug.197 Tagtäglich konnten die ausländischen Journalisten in deutschen Zeitungen lesen, dass sie Teil einer ver194 Fredborg (1944), S. 28. 195 Vgl. Bramsted (1971), S. 183; vgl. Longerich (1987), S. 291, Anm. 68. Zutreffend

und differenziert sind dagegen die Ausführungen bei Stoop (1987), S. 315. 196 Fredborg schreibt hierzu: „The punishments were inflicted very arbitrarily. A

foreign correspondent had reason to consider the tag: “Quod licet Jovi, non licet bovi.” The misdemeanours varied, according to the country and the paper the culprit represented, and, of course, according to the opinion held by the arbitrators of the correspondent’s political attitude and his personal standing with them.” Fredborg (1944), S. 28. Auch wenn sich Fredborgs Ausführungen auf die Zeit nach Kriegsausbruch beziehen, so geht doch aus den Akten und Erinnerungen anderer Journalisten hervor, dass dessen Beschreibungen sich auch auf die Zeit von 1933 bis 1939 übertragen lassen. Vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen in diesem Kapitel. 197 Vgl. hierzu auch Huttner (1995), S. 126-127.

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logenen Hetzkampagne des Auslandes gegen das Deutsche Reich seien. Insgesamt gab sich die deutsche Propaganda laut der Berliner Korrespondentin des „Le Matin“, Stéphane Roussel, „alle Mühe, uns als unehrliche, gehässige Menschen hinzustellen, die vor keiner Lüge zurückschrecken“.198 Während die deutsche Presse die Auslandskorrespondenten als anonyme Gruppe quasi permanent aufs Korn nahm, kam es auch dazu, dass bestimmte Zeitungen Kampagnen gegen individuelle Korrespondenten fuhren. Dies geschah einerseits auf Befehl von ganz oben. So wies Goebbels im November 1937 im Streit um die Ausweisung des „Havas“-Korrespondenten Paul Ravoux die deutschen Zeitungen an, eine Negativkampagne gegen den französischen Journalisten zu starten.199 Andererseits begannen auch einzelne nationalsozialistische Blätter – wohl in Absprache mit untergeordneten Parteistellen – Pressefeldzüge gegen bestimmte ausländische Pressevertreter. So kontaktierte der dänische Korrespondent Jacob Kronika im Frühjahr 1937 den für ihn zuständigen Länderreferenten im Auswärtigen Amt und klagte, er sei das Opfer einer „Pressefehde“200 geworden, die im Kieler Organ der Hitlerjugend „Nordmark-Jugend“ und in den „Flensburger Nachrichten“ gegen ihn geführt werde. Die beiden Zeitungen hätten „die allerschwersten politischen Anschuldigungen“ gegen ihn erhoben, als Reaktion auf seine Aktivitäten und Berichterstattung als Repräsentant der dänischen Volksgruppe in Deutschland. Kronika übersandte dem Länderreferenten seine angegriffenen Texte zum Beweis, dass an selbigen nichts auszusetzen sei, und bat, zu seinen Gunsten bei den entsprechenden Stellen zu intervenieren.201 Inwieweit diesem Gesuch nachgegangen wurde, lässt sich den Akten nicht entnehmen – es ist aber zu bezweifeln, dass viel zu Gunsten eines ausländischen Journalisten unternommen wurde. Diese Erfahrung machte jedenfalls William Shirer im Januar 1936, als er sich im Propagandaministerium bei AuslandspresseReferent Bade über eine gegen ihn gerichtete Pressekampagne beschwerte. Shirer, dann noch Mitarbeiter der Nachrichtenagentur „Universal News Service“, hatte über das Abhängen antijüdischer Schilder in GarmischPatenkirchen im Vorfeld der Olympiade berichtet, woraufhin er in verschiedenen deutschen Zeitungen lesen und in den Rundfunknachrichten hören konnte „that I was a dirty Jew and was trying to torpedo the winter Olympic

198 199 200 201

Roussel (1986), S. 102. Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 4, S. 407 (16.11.37). PA AA, R 121663 Kronika an Schlemann, 22.3.1937. Vgl. Ebd., Kronika an Schlemann, 24.2.1937. Kopien seiner Beschwerde schickte Kronika auch an das Propagandaministerium, das Außenpolitische Amt der NSDAP und die deutsche Legation in Kopenhagen.

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Games“.202 Shirers Forderung nach einer Richtigstellung sachlich falscher Anschuldigungen gegen seine Person blieben unerfüllt.203 Die Konsequenzen von solchen Kampagnen bekamen die Korrespondenten teilweise sehr direkt zu spüren. So traf es sich, dass nachdem in Koblenzer Lokalzeitungen einige Berichte über die „Hetze“ ausländischer Korrespondenten erschienen waren eben diese zu einer Hitlerrede auf die Festung Ehrenbreitstein eingeladen wurden. Mit vom Propagandaministerium gestellten Autos, die mit weithin sichtbaren „Auslandspresse“-Schildern versehen waren, fuhr man die Korrespondenten vom Koblenzer Bahnhof zur Festung. Dabei wurden die Journalisten von der zur Rede strömenden Koblenzer Bevölkerung, welche die Negativ-Berichte noch im Gedächtnis hatte, beschimpft und angespuckt.204 Unterstützt wurden die deutschen Medien in der Schaffung einer gegenüber Auslandskorrespondenten feindlichen Öffentlichkeit durch Reden der obersten Führung aus Partei und Staat. Deren Vertreter griffen die Auslandspresse und deren Deutschlandkorrespondenten in verschiedenen Ansprachen öffentlich scharf an. Mit das extremste Beispiel für eine solche Verbalattacke dürfte die Rundfunkansprache von Joseph Goebbels sein, die er als Reaktion auf die kritische Berichterstattung der internationalen Presse über den „Röhm-Putsch“ am 10. Juli 1934 hielt. Die Berichte der Berlin-Korrespondenten über die Ermordung der SA-Führung und weiterer politischer Gegner der NSDAP durch die SS am 30. Juni 1933 waren nach Ansicht Goebbelsʼ „in der ganzen Journalistik fast beispiellos dastehende Fälle der Lüge, Verleumdung und Verzerrung eines wahren Tatbestandes“.205 Durch eine geschickte Aufzählung von Falschmeldungen in Medien weltweit erweckte Goebbels den Eindruck, dass über Röhms „Putsch“ kein einziges zutreffendes Wort aus Deutschland berichtet worden war. Goebbels warf den „gut bezahlten“ Auslandskorrespondenten im Reich vor, bei ihrer Berichterstattung „in einen Taumel böswilliger Verhetzung und hysterischer Verleumdung

202 Shirer (1941), S. 45. 203 Vgl. Ebd., S. 46. Es kam allerdings in seltenen und extremen Fällen vor, dass

sich deutsche Stellen bei Korrespondenten für solcherlei Angriffe entschuldigten. Dies war Ende 1938 der Fall, nachdem die SS-Zeitung „Das Schwarze Korps“ den niederländischen Korrespondenten Van Maasdijk als „ungewaschenen Lügenlümmel“ bezeichnet hatte. Vgl. Stoop (1987), S. 342. Bei dem britischen Korrespondenten Eustace Wareing entschuldigte sich Auslandspressechef Hanfstaengl 1935, nachdem er diesen für einen Artikel scharf angegriffen hatte, der nachweislich von einem anderen Journalisten verfasst worden war. Vgl. Huttner (1995), S. 126-127. 204 Vgl. Huss (1943), S. 78. 205 Heiber (Hrsg.) (1970), S. 156.

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hineingeraten“206 zu sein, obwohl jeder „Journalist, der als Auslandsvertreter in Berlin oder in einer anderen Stadt des Reiches Augen und Ohren aufmachte“, erkennen habe können, dass sich die Niederschlagung der „Revolte“ überall „ordnungsgemäß“ abgespielt hatte.207 Weiter erklärte Goebbels, „daß die deutsche Regierung nicht gewillt ist, weiterhin Auslandskorrespondenten in Deutschland zu dulden, die auf solche Weise die Völker gegenei-nander hetzen und eine Atmosphäre heraufbeschwören, die jede ehrliche und unvoreingenommene Beziehungssetzung der Nationen zueinander unmöglich macht.“208 Goebbels beendete seine Ansprache mit der Aussage, in Anbetracht der Leistung der Korrespondenten käme ihm der Ekel hoch209 und schleuderte den ausländischen Journalisten ein „Pfui-Teufel“210 nach.211 Angegriffen wurden die Auslandskorrespondenten neben Goebbels auch von Adolf Hitler persönlich. Hitler führte seine Attacke gegen das „einfach unverständliche Gerede gewisser Auslandsjournalisten“212 über die BlombergFritsch-Affäre sehr öffentlichkeitswirksam in einer Reichstagsrede am 20. Februar 1938. Hitler beklagte in seiner Ansprache, eine Reihe „salonbolschewistischer internationaler Korrespondenten“ habe in „blöden Zeitungsartikeln“213 fälschlicher Weise berichtet, zwischen Partei und Wehrmacht gäbe es derzeit irgendwelche Differenzen – dies sei aber in keiner Weise der Fall. Anderslautende Berichte seien „Hetze und Brunnenvergiftung“, deren Verfasser „verlogene, minderwertige Schwindler, Völkerbetrüger und Kriegshetzer“.214 Da die Negativberichterstattung der ausländischen Journalisten eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Völker darstelle, sei die nationalsozialistische Regierung nicht weiter bereit, „die zügellose Methode einer fortgesetzten Begeiferung und Beschimpfung unseres Landes und unseres Volkes unwidersprochen hinzunehmen“. Hitler drohte, ohne konkrete Details zu

Ebd. Ebd., S. 159. Ebd., S. 164-165. Ebd., S. 164. Ebd., S. 165. Das Ausmaß dieser Attacke gegen die Auslandskorrespondenten in Deutschland ging offenbar selbst vielen führenden Nationalsozialisten zu weit. So äußerte sich etwa Rosenberg entsetzt über die seiner Ansicht nach unüberlegte und kontraproduktive Härte der Worte Goebbelsʼ. Vgl. Seraphim (Hrsg.) (1956), S. 39. Tagebucheintrag vom 13.7.1934. 212 Domarus (Hrsg.) (1988): Teil I, Bd. 2, S. 795. 213 Ebd., S. 793. 214 Ebd., S. 798. 206 207 208 209 210 211

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nennen, man werde ab jetzt gegen die „Hetze“ der Auslandsjournalisten vorgehen, „und zwar mit nationalsozialistischer Gründlichkeit“.215 Die mediale und verbale Drohkulisse aus Zeitungen und öffentlichen Reden der NS-Führer bildete jedoch nur die Basis einer ganzen Reihe von Sanktions- und Repressionsmitteln. Ein darauf aufbauendes Mittel waren Beschwerden bei den übergeordneten Stellen der Korrespondenten. So beklagten sich die Nationalsozialisten regelmäßig entweder bei den jeweiligen Berliner diplomatischen Vertretungen oder über deutsche Diplomaten direkt bei der entsprechenden Regierung eines Landes über die Berichterstattung eines Korrespondenten dieser Nation.216 Dies, so stellte Goebbels in seinem Tagebuch fest, zeigte Wirkung bei Ländern, die machtpolitisch von Deutschland abhängig waren, freundschaftliche Beziehungen zum Dritten Reich unterhielten und oft intern autoritär verfasst waren.217 Deren Regierungen waren gewillt, Druck auf bestimmte Korrespondenten auszuüben oder für deren Abberufung aus Deutschland zu sorgen. In einigen Fällen konnte das Dritte Reich dabei sogar auf vertragliche Abmachungen pochen, denn mit einer Reihe von Staaten schloss die deutsche Regierung nach 1933 Presseabkommen, die die Regierungen der Vertragsteilnehmer verpflichteten, in ihrer Pressepolitik auf eine beiderseitig freundliche Berichterstattung hinzuwirken.218 Insbesondere im Zuge der deutsch-italienischen Annäherungen ab 1935 wurden Unstimmigkeiten über die Berichterstattung italienischer Korrespondenten von der deutschen Regierung fast nur noch über die italienische Botschaft in Berlin besprochen, um öffentliche Eklats zu vermeiden.219 Weniger erfolgreich waren dagegen Proteste deutscher Stellen bei Staaten, die politisch auf Distanz zum Dritten Reich blieben. „Dr. Bömers Demarche bei den Amerikanern hat nicht viel geholfen“,220 musste Goebbels im Mai 1938 in seinem Tagebuch feststellen. Erbost waren die Nationalsozialisten auch über die Regierung der Schweiz, die dem Dritten Reich trotz deutscher 215 Ebd., S. 799. 216 Solche Beschwerden begannen unmittelbar nach der Machtübernahme der

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Nationalsozialisten. Vgl. Minuth (Hrsg.) (1983), Teil I, Bd. 1, S. 147. Dokument Nr. 41, Ministerbesprechung vom 2. März 1933, 12 Uhr. Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 5, S. 247 (6.4.1938) und S. 259 (13.4.1938). In seinem Tagebuch verzeichnet Goebbels erfolgreiche Interventionen bei den Regierungen der Türkei, der Niederlande, Italiens und der Tschechoslowakei. Vgl. Huttner (1995), S. 87; vgl. Krings (2010), S. 380. Vgl. PA AA, R 121688 Aufzeichnung des Staatssekretärs von Bülow über eine Unterhaltung mit dem italienischen Botschafter Cerruti vom 11.1.1935. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 5, S. 321 (28.5.1938). Karl Bömer war ab Februar 1938 Chef der neuen Auslandspresseabteilug des RMVP.

Übermacht pressepolitisch nur so wenig wie möglich entgegenkam.221 Hatten die deutschen Vertretungen in einem Land gute Beziehungen zu den nationalen Medien, so trugen deutsche Diplomaten Beschwerden über Korrespondenten auch direkt der dortigen Chefredaktion einer Zeitung vor, verbunden mit der Bitte um Einwirkung auf oder Ablösung des jeweiligen nach Berlin entsandten Journalisten.222 Hatten solche indirekten Einwirkungsversuche keinen Erfolg oder erschienen unangebracht, so erteilten die Nationalsozialisten auch Verwarnungen direkt an die in Berlin tätigen ausländischen Journalisten. Diese konnten den Korrespondenten in unterschiedlicher Form und von unterschiedlichen Stellen übermittelt werden und variierten in der Form von mehr oder weniger freundlichen „Hinweisen“ zu problematischen Elementen in der Berichterstattung eines Korrespondenten bis zu scharfen offiziellen Verwarnungen, die oft mit der Androhung einer sofortigen Ausweisung für den Wiederholungsfall verbunden waren. Die kritischen Hinweise zu ihren Berichten erhielten die ausländischen Journalisten dabei oft in ihren routinemäßigen Gesprächen mit Vertretern des Propagandaministeriums und des Auswärtigen Amtes. Diese Belehrungen waren weitgehend Gewohnheit und hatten keine weiteren Konsequenzen.223 Bei Korrespondenten, denen man eine grundsätzliche Sympathie für das Dritte Reich unterstellte, versuchte man deren Berichterstattung auch in einer Art Dialog zu ändern. So sprach das Auswärtige Amt im Februar 1935 „eingehend“ mit Christano Ridomi, Korrespondent des italienischen „Corriere della Sera“. Die Beamten erklärten ihm die „ungünstige Wirkung“ eines seiner Artikel und baten ihn, in Zukunft strenger auf seine Berichterstattung zu achten.224 Hatten sich die Auslandskorrespondenten eines schwereren „Vergehens“ in ihrer Berichterstattung schuldig gemacht, so wurden sie außerhalb routinemäßiger Kontaktaufnahmen ermahnt. Dies geschah teilweise per Telefonanruf,225 in der Regel aber wurden die Journalisten in das Propagandaministerium, das Auswärtige Amt oder auch zum Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin einbestellt. Je nach Schwere der Verfehlung wurden die Korrespondenten im AA entweder nur von ihrem jeweiligen Länderreferent, oder aber direkt von Abteilungsleiter Aschmann oder dem stellvertretenden Abteilungsleiter 221 Vgl. Weber (1948), S. 40-41. 222 Vgl. PA AA, R 211650 Deutsche Botschaft in Spanien an Auswärtiges Amt,

1.3.1933. Vgl. PA AA, R 121674 Deutsche Botschaft Tokio an Auswärtiges Amt, 29.8.1939. 223 Vgl. Böschenstein (1978), S. 97-98. 224 Vgl. PA AA, R 121688 Vorlage von Strempel für Aschmann, 6.2.1935. 225 Vgl. Shirer (1941), S. 44-45.

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Braun von Stumm verwarnt.226 In einigen Fällen geschah die Verwarnung auch doppelt, erst durch den Länderreferent, dann durch den Abteilungsleiter.227 Im Propagandaministerium war der Chef des Auslandspresse-Referats, Bade, für die Abmahnungen zuständig.228 Zu Verwarnungen entschlossen sich die verschiedenen genannten Stellen teilweise unabhängig voneinander, teilweise – vor allem bei schweren Fällen – unter gegenseitiger Absprache. Bei einer Verwarnung des Berliner „Havas“-Korrespondenten Jouve im Auswärtigen Amt waren ein halbes Dutzend Vertreter sowohl des AA als auch des „Promi“ anwesend.229 Immer wieder ohne Rücksprache mit AA und „Promi“ tat sich die Geheime Staatspolizei mit Verwarnungen ausländischer Korrespondenten hervor. Die Gestapo verfolgte dabei einen schärferen Kurs und ließ es des Öfteren an diplomatischer Rücksichtnahme oder Freundlichkeit fehlen. Dies sorgte in einigen Fällen für Beschwerden beim Auswärtigen Amt. So hatte die Gestapo Anfang des Jahres 1935 den Korrespondenten des italienischen „Lavoro Fascista“, Mario da Silva, vorgeladen und ihm erklärt, „dass er unweigerlich ausgewiesen werden würde, wenn er weiter so schreibe wie bisher.“ Der italienische Botschafter Vittorio Cerruti klagte daraufhin in einer Unterredung mit Staatssekretär Bernhard Wilhelm von Bülow, dass er zwar die Verärgerung über da Silvas Berichterstattung verstehen könne, jedoch der Fall keine Angelegenheit der Gestapo hätte werden dürfen. Nicht einverstanden war der Botschafter auch mit dem forschen Ton der Zurechtweisung.230 Der Korrespondent der Basler „National-Zeitung“, Fritz Kirchhofer, wurde von der politischen Polizei im April 1933 sogar aus seiner Wohnung abgeholt, auf das Polizeipräsidium gebracht und dort wegen einiger Artikel verhört, die in der „National-Zeitung“ über Deutschland erschienen waren. Bei den fraglichen Berichten handelte es sich jedoch nicht um Texte Kirchhofers, sondern des zweiten Korrespondenten der „National-Zeitung“ in Berlin. Kirchhofer, der als deutscher Staatsbürger weitere Repressalien gegen seine Person befürchtete, bat das AA darum, diesen Umstand der Politischen Polizei mitzuteilen.231 Dies tat das AA auch und bat gleichzeitig, solcherart Vernehmungen in Zu-

Vgl. Jouve (1941), S. 33-34. Vgl. PA AA, R 121674 Aufzeichnung Urach, 2.10.1939. Vgl. Huttner (1995), S. 132. Vgl. Jouve (1941), S. 34. Vgl. PA AA, R 121688 Aufzeichnung des Staatssekretärs von Bülow über eine Unterhaltung mit dem italienischen Botschafter Cerruti vom 11.1.1935. 231 Vgl. PA AA, R 121651 Kirchhofer an Kroll, 8.4.1933. 226 227 228 229 230

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kunft nur noch im Einvernehmen mit der Presseabteilung des AA vorzunehmen.232 Inhaltlich unterschieden sich die Abmahnungen je nach Fall nur leicht voneinander. Bei innenpolitischen Themen wurde den Korrespondenten erklärt, sie hätten ein „verzerrtes“ Bild der Zustände in Deutschland nach außen getragen. War die außenpolitische Berichterstattung eines Journalisten Stein des Anstoßes, so wiesen ihn die jeweiligen Stellen darauf hin, dass seine Meldungen und Berichte die friedlichen Beziehungen Deutschlands zu seinen Nachbarn beschädigten. Generell betonten die Nationalsozialisten, dass ein Auslandskorrespondent als Gast in Deutschland lebe und sich entsprechend höflich gegenüber seinen Gastgebern zu verhalten habe.233 Je nach Schwere des Falls deutete man den Korrespondenten die Möglichkeit einer Ausweisung an, oder drohte offen mit einer sofortigen Ausweisung bei weiteren Verfehlungen.234 Für die ausländischen Journalisten waren die amtlichen Zurechtweisungen in der Summe eine erniedrigende Angelegenheit. Einbestellt und abgemahnt von den Beamten des AA, des „Promi“ oder der Gestapo, so Fredborg, „you felt, in fact, like a schoolboy“.235 Jouve berichtet, er habe seine Abmahnung empfunden wie ein Straffälliger vor „une sorte de conseil de guerre“.236 Zu ihrer Verteidigung schoben viele Korrespondenten die Schuld an kritischen Berichten auf ihre Heimatredaktionen und die Journalisten der Nachrichtenagenturen behaupteten, dass ihr monierter Bericht vor Abdruck in der betreffenden Zeitung von den Redakteuren dort verändert wurde. So vertrat der Korrespondent des „Nieuwe Rotterdamsche Courant“, Hendrik Jan Noordewier, bei Klagen deutscher Stellen über seine Artikel wiederholt den Standpunkt, dass seine Berichte in Rotterdam entsprechend der Linie der Heimatredaktion verschärft würden. Daran trage er selbst aber keine Schuld.237 Den Nationalsozialisten war bewusst, dass solcherart Aussagen teilweise Ausflüchte waren, teilweise aber auch den Tatsachen entsprachen. 232 Vgl. Ebd. Crull an Polizeipräsidium Abt. Politische Polizei, 12.4.1933. 233 Von Auslandspressechef Hanfstaengl stammt in diesem Zusammenhang der

234 235 236 237

amüsante Ratschlag, dass „all correspondents in a foreign country should consider themselves subject to the same conventions as a guest at a country house”. Dort gelte es, die vom Gastgeber offerierten Annehmlichkeiten freundlich entgegenzunehmen, jedoch sei es unangebracht, dem Hausherrn in allen Zimmern seines Hauses herumzuschnüffeln. Vgl. BArch NS 43/454 Reutermeldung, abgedruckt im „Manchester Guardian“, 5.10.1934. Vgl. Jouve (1941), S. 34. Fredborg (1944), S. 28. Jouve (1941), S. 34. Vgl. Stoop (1987), S. 356-357.

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Den Aufwand, den deutsche Stellen betrieben, um den Verantwortlichen hinter einem missliebigen Bericht zu identifizieren, demonstrieren exemplarisch die Nachforschungen des Auswärtigen Amtes zu einer beanstandeten „United Press“-Meldung, die im August 1938 in der japanischen Zeitung „Domei“ erschienen war. Um festzustellen, ob die Aussage des Berliner UP-Korrespondenten zutreffend war, wonach er nicht für die kritisierten Formulierungen in dem Artikel verantwortlich sei, verglich das AA das Telegramm, welches UP aus Berlin an seine New Yorker Zentrale geschickt hatte, mit dem Telegramm der New Yorker UP-Zentrale an die Zeitung „Domei“ in Japan und dieses Telegramm wiederum mit dem endgültigen Zeitungsartikel. Hieraus wurde ersichtlich, dass in der Tat in diesem Fall die New Yorker UPRedaktion und nicht der Berliner Korrespondent oder die japanische Zeitung für die kritischen Teile der Meldung verantwortlich war.238 In solchen Fällen war man deutscherseits teilweise bereit, von Verwarnungen und Sanktionen gegen den betreffenden Korrespondenten abzusehen.239 In anderen Fällen wurden die Journalisten trotzdem belangt, mit dem Argument, es gehe nicht an, „dass der Berl. Korrespondent sich rechtfertigen kann, in dem er erklärt: Ich war brav, aber meine Zentrale kann machen, was sie will.“240 Weitere Sanktionsmöglichkeiten boten sich den deutschen Stellen bei der Information der Auslandskorrespondenten. Um in Berlin erfolgreich arbeiten zu können, waren die Journalisten auf Informationen von Regierungs- und Parteiinstitutionen mehr oder weniger zwingend angewiesen. Es war daher eine wirkungsvolle Strafe für die Korrespondenten, wenn sie von den amtlichen Stellen nicht mehr über die Entwicklungen in Staat und Partei auf dem Laufenden gehalten wurden. In der Praxis gab es unterschiedliche Formen von Informationsentzug. War eine bestimmte Stelle verärgert über die Berichterstattung eines ausländischen Korrespondenten, so lieferte sie diesem kein weiteres Informationsmaterial und lud ihn nicht mehr auf von ihr organisierte Veranstaltungen ein. Ein solcher Boykott, der teilweise nur einige Wochen, teilweise über Monate oder Jahre andauerte, war für die Korrespondenten verschmerzbar, denn aufgrund der oben angeführten zahlreichen Ansprechpartner konnten die ausländischen Journalisten andere Kanäle anzapfen, die sie auch weiterhin mit den nötigen Informationen versorgten.241

238 Vgl. PA AA, R 123155 Deutsche Botschaft Tokio an Auswärtiges Amt,

20.8.1938. Vgl. hierzu auch Stoop (1987), S. 338-340. 239 Vgl. PA AA, R 121651 Von Saucken an Deutsche Gesandtschaft in Riga,

4.5.1933.

240 PA AA, R 123155 Katzenberger an Walter, ohne Datum (Entwurf). 241 Vgl. Jouve (1941), S. 32.

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Gefährlich wurden Informationssperren für die Journalisten erst dann, wenn sie koordiniert, systematisch und geschlossen von allen offiziellen Stellen durchgeführt wurden. Um die Verhängung solcher generellen Boykotte kümmerte sich offenbar Propagandaminister Goebbels persönlich, etwa im Nachgang der Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Während der Spiele hatte sich der Korrespondent des „Paris Soir“ laut Goebbels durch eine „besonders unerfreuliche Berichterstattung“ ausgezeichnet und eine „offene Verleumdungshetze“ gegen die Inszenierung der Sportveranstaltung durch die Nationalsozialisten betrieben. Dies nahm Goebbels zum Anlass „für den „Paris Soir“ jeglichen Verkehr mit deutschen Amtsstellen zu sperren“ und anzuordnen, „bis auf weiteres weder dem „Paris Soir“ Einladungen zuzustellen, noch Interviews zu geben, noch ihm besondere Auskünfte zu erteilen.“242 Ebenfalls von einem generellen Informationsboykott betroffen war im Sommer und Herbst 1935 das Berliner Büro der „Associated Press“. Schon im März 1935 waren verschiedene deutsche Regierungs- und Parteistellen verärgert über eine Reihe von AP-Berichten aus Deutschland und diskutierten eine mögliche Bestrafung der Nachrichtenagentur.243 Zu dieser kam es dann am 3. August 1935, als Goebbels per Rundbrief einen Boykott der AP verkündete. Als Anlass für die Informationssperre nennt der Propagandaminister eine Meldung der Agentur vom 1. August über einen Alarm-Zustand in Berlin244 sowie deren allgemein „besonders gehässige Berichterstattung“ in der jüngsten Zeit. Um das Berliner Büro der Agentur an der zukünftigen Verbreitung weiterer „Lügennachrichten“ zu hindern, bat Goebbels wie im Fall des „Paris Soir“, sämtlichen AP-Mitarbeitern „keinerlei Interviews, Auskünfte, Mitteilungen usw. zu erteilen“.245 Der Boykott blieb bis zum 1. Oktober 1935 bestehen und wurde von Goebbels ebenfalls per Rundbrief wieder ausgesetzt. Der Propagandaminister begründete diese Entscheidung folgendermaßen: „Eine Durchprüfung der Nachrichten der amerikanischen Agentur „Associated Press“ (A.P.) hat ergeben, dass die Agentur sich neuerdings im Rahmen der üblichen Berichterstattung hält und zu Beanstandungen keinen Anlass 242 BArch, R 43-II/473 Goebbels an Auswärtiges Amt, Dienststelle Ribbentrop,

Außenpolitisches Amt der NSDAP, Reichskanzlei, die Landesstellen des Propagandaministeriums und den Verbindungsstab der NSDAP, 27.8.1936. 243 Vgl. BArch, R 43-II/470 Außenpolitisches Amt der NSDAP an Aschmann, 20.3.1935. 244 Schumacher mutmaßt, dass die Verärgerung über diese AP-Meldung auf einem Übersetzungsfehler beruhte, der im Prozess der Weitergabe des Berichts an andere Medien aufgetreten war. Den konkreten Inhalt der beanstandeten Meldung kann sie jedoch auch nicht rekonstruieren. Vgl. Schumacher (1998), S. 72. 245 Vgl. BArch, R 43-II/470 Goebbels an sämtliche Reichsminister und den Staatssekretär und Chef der Präsidialkanzlei, 3.8.1935.

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mehr gegeben hat.“246 Was und wer genau Goebbels zur Rücknahme seiner Boykottorder bewegte, ist nicht rekonstruierbar. Jedoch zeigen Briefe des Leiters des Berliner AP-Büros, Louis P. Lochner, an den Leiter der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, Aschmann, wie sich der US-Journalist gegen den Boykott wehrte. Offenbar hoffte Lochner, beim mit dem RMVP konkurrierenden Auswärtigen Amt Unterstützung für seine Bitte nach einer Rücknahme der offiziellen Ächtung zu erhalten. So schilderte Lochner einerseits, wie ihm beispielsweise durch die Weigerung, AP-Vertretern Zutritt zu einem Gerichtsprozess zu gewähren, die Arbeit erschwert wurde. Gleichzeitig versuchte er aber auch darzulegen, dass der Boykott sinnlos sei. Bezüglich der Gerichtsverhandlung habe AP nämlich trotzdem berichtet, denn „Selbstverständlich habe ich mir die nötigen Unterlagen in anderer Weise besorgen können“.247 Die erforderlichen amtlichen Informationen für seine Berichterstattung erhielt Lochner in der Zeit des Boykotts offenbar vor allem auf indirektem Weg von anderen Korrespondenten.248 Nachdem Goebbels den Boykott zurückgezogen hatte, äußerte Lochner gegenüber Aschmann abschließend den Wunsch, „dass dieser Erlass nicht nur zurückgezogen wird, sondern auch der Rückzug denselben Stellen zugesandt wird, die den Erlass bekommen haben“, damit er in seiner Arbeit keine weiteren Probleme haben werde.249 Eine weitere Sanktions- und Repressionsmaßnahme neben Verwarnungen und Informationssperre betraf die Kommunikationsmittel der Auslandskorrespondenten. Im Gegensatz zu den gerade genannten waren solche Bestrafungen in der Vorkriegszeit bis 1939 allem Anschein nach eher selten.250 Konkret äußerte sich die Sanktionierung eines Korrespondenten darin, dass ihm für eine gewisse Zeit die Telefonleitungen gesperrt oder das Versenden von Telegrammen verboten wurde.251 Da der Faktor Zeit in der aktuellen Be246 Vgl. Ebd. Goebbels an sämtliche Reichsminister und den Staatssekretär und

Chef der Präsidialkanzlei, 1.10.1935. PA AA, R 123155 Lochner an Aschmann, 28.8.1935. Vgl. Ebd., Lochner an Haegert, 28.8.1935 (Abschrift). Vgl. Ebd., Lochner an Aschmann, 1.10.1935. In den für die vorliegende Arbeit ausgewerteten Quellen belegt nur ein Tagebucheintrag Goebbelsʼ vom November 1937, dass Kommunikationsmittelentzug als Strafe gegen unliebsame Korrespondenten angewandt wurde. Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 4, S. 408 (17.11.37). Nach Kriegsausbruch scheint diese Art der Sanktion hingegen öfter vorgekommen zu sein. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 277. Protokoll der Ministerkonferenz vom 31.1.1940; vgl. Fredborg (1944), S. 28; vgl. Kalberer (1945), S. 6. 251 Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 277. Protokoll der Ministerkonferenz vom 31.1.1940. 247 248 249 250

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richterstattung der Korrespondenten sehr wichtig war, stellte eine derartige Strafe eine große Behinderung der Arbeit eines Journalisten dar und konnte ihn in seiner Berichterstattung fast völlig lahmlegen. In der Regel wurden Telefon- und Telegrammsperren nur für einige Tage oder Wochen ausgesprochen.252 Wenn auch den Auslandskorrespondenten im Dritten Reich wie oben ausgeführt eine weitaus bessere Stellung zukam als deutschen Journalisten, so wurden sie doch in einigen Fällen Opfer von terroristischen Repressionsmaßnahmen der nationalsozialistischen Diktatur.253 Vor allem in den Monaten unmittelbar nach der „Machtergreifung“ 1933 und in der Anfangszeit der Hitler-Diktatur kam es zu Hausdurchsuchungen, Verhören und Verhaftungen ausländischer Korrespondenten. Wer genau hinter diesen Maßnahmen steckte, lässt sich aus den Akten oft nicht rekonstruieren. Besonders unmittelbar nach dem 30. Januar 1933 scheint jedoch oft eine übereifrige Gestapo für Repressionen verantwortlich gewesen zu sein. Betroffen von den schärfsten Maßnahmen waren allem Anschein nach zumeist Journalisten kleinerer Nationen, politisch missliebige Berichterstatter insbesondere aus der Sowjetunion sowie jüdische Korrespondenten. Am 11. März 1933 wandte sich der Herausgeber des „Jewish Daily Forward“ in höchst besorgtem Ton an den Botschafter des Deutschen Reichs in Washington, D.C. und teilte mit, er habe gerade erfahren, dass der BerlinKorrespondent seiner Zeitung, der litauische Staatsbürger Jacob Leschinsky, verhaftet worden und sein Leben in Gefahr sei. Der Herausgeber bat den Botschafter “in the name of justice and humanity to intercede in his behalf and see that he is released and no harm done”.254 Leschinsky war in der Tat am Morgen des 11. März von der Politischen Polizei verhaftet und in ein Gefängnis gebracht worden. Auf Nachfrage des litauischen Gesandten und des Vereins der Auslandspresse bestätigte die Polizei die Verhaftung, erklärte aber, sie wisse nichts über den Aufenthaltsort des Journalisten. Leschinsky werde so lange im Gefängnis bleiben, bis alles zu seiner Ausreise aus Deutschland vorbereitet sei.255 Alarmiert durch den Brief des Herausgebers wandte sich der deutsche Botschafter in den USA an das Auswärtige Amt. Da es sich beim „Jewish Daily Forward“ um die größte jüdische Zeitung New Yorks handele, sei es „im Interesse des deutschen Kredits in Amerika von

252 Vgl. Kalberer (1945), S. 6. 253 Vgl. hierzu auch Huttner (1995), S. 127. 254 PA AA, R 211650 „Jewish Daily Forward“ an Deutsche Botschaft Washington,

D.C., 11.3.1933.

255 Vgl. Ebd., Artikel der „Chicago Tribune“ vom 12.3.1933.

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grösster Wichtigkeit“, den Fall schnell aufzuklären.256 Das Auswärtige Amt antwortete dem Botschafter, Leschinsky sei „wegen in seiner Berichterstattung zum Ausdruck gekommenen staatsfeindlichen Betätigung“ verhaftet worden. Drei Tage nach seiner Verhaftung am 14. März sei der Journalist aber aus „humanitären Gründen“ aus dem Gefängnis entlassen worden, „nachdem Zusicherung vorliegt, dass er binnen 14 Tagen das Reichsgebiet verlassen wird.“257 Ebenfalls verhaftet und von der Gestapo stundenlang verhört wurde am 27. August 1934 der Korrespondent der „Jewish Telegraphic Agency“ in Berlin, Israel David Letivan. Die Beamten der Geheimpolizei durchsuchten auch dessen Wohnung und beschlagnahmten Unterlagen. Letivan kam nach dem Verhör direkt wieder auf freien Fuß und verließ am darauffolgenden Tag Deutschland.258 Ein weiterer Korrespondent der „Jewish Telegraphic Agency“, Robert C. Stern, wurde im Frühjahr 1935 bei der Ausreise von Deutschland nach England von der Gestapo belangt. Wie Stern seinem für ihn zuständigen Referenten im Auswärtigen Amt berichtete, durchsuchten zwei Gestapomitarbeiter in seiner Anwesenheit die Kabine an Bord des Schiffes, mit dem Stern seine Reise antreten wollte. Dabei öffneten die Gestapoleute auch Briefe, die der Journalist mit sich führte, und notierten die Namen seiner Briefpartner.259 Auch die sowjetischen Auslandskorrespondenten in Deutschland sahen sich in der Zeit nach der nationalsozialistischen Machtübernahme starken Repressionen ausgesetzt, was wohl vor allem durch den scharfen ideologischen Gegensatz zwischen Nationalsozialismus und Sowjetkommunismus zu erklären ist. So wurde die Korrespondentin der „Iswestija“ im März 1933 von SA-Männern, die in ihre Wohnung eingedrungen waren, mit der Schusswaffe bedroht. Die herbeigerufene Polizei schritt dabei nicht zu Gunsten der Journalistin ein.260 Im August 1933 nahm die Gestapo bei dem Berliner Korrespondenten der „Prawda“, Tschernjak, eine Hausdurchsuchung vor und beschlagnahmte einen Teil von dessen Arbeitsunterlagen. Nachdem der Journalist zwei Wochen nach der Durchsuchung sein Material immer noch nicht zurückerhalten hatte, wandte sich der Presseattaché der sowjetischen Botschaft mit einer Beschwerde an das Auswärtige Amt. Er forderte eine Mitteilung über die Ergebnisse der Ermittlungen gegen Tschernjak, ein Protokoll von dessen Vernehmung bei der Gestapo sowie die Herausgabe der be256 Vgl. Ebd., Deutsche Botschaft Washington, D.C. an Auswärtiges Amt, 257 258 259 260

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13.3.1933. Ebd., Aschmann an Deutsche Botschaft Washington, D.C., 14.3.1933. Vgl. Schumacher (1998), S. 52-53. Vgl. PA AA, R 121688 Stern an Drechsler, 1.3.1935. Vgl. Huttner (1995), S. 100.

schlagnahmten Unterlagen.261 Inwiefern dieser Protest Erfolg hatte, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Zu einer Zuspitzung des Vorgehens gegen sowjetische Korrespondenten kam es dann im September 1933 im Zuge des Reichstagsbrandprozesses, was zu einem deutsch-sowjetischen Journalistenkonflikt führte. Hitler hatte für den Prozess Anweisung erteilt, dass keine sowjetischen Journalisten für die Berichterstattung aus Leipzig zugelassen seien. Die sowjetische Regierung protestierte hiergegen, erhielt jedoch keine eindeutige Antwort und schickte daraufhin die Korrespondenten Kajt („Iswestija“) und Bespalow („TASS“) nach Leipzig. Dort wurden die beiden am Morgen des 22. September 1933 in ihren Hotels verhaftet, jedoch nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Die Gestapo sprach bezüglich der Verhaftungen von einem Versehen, das Auswärtige Amt entschuldigte sich bei der sowjetischen Regierung. Nach weiterem Protest wegen der Nichtzulassung sowjetischer Korrespondenten zog die Regierung in Moskau sämtliche sowjetischen Journalisten aus Deutschland ab und befahl allen deutschen Korrespondenten in der Sowjetunion die Ausreise, woraufhin bis zum 30. September 1933 alle deutschen Journalisten Russland verließen. Erst Ende Oktober wurde der Streit aufgelöst, nachdem die deutsche Regierung nun doch sowjetische Journalisten für den Reichstagsbrandprozess zuließ und die Regierung in Moskau den deutschen Journalisten die Rückkehr erlaubte.262 Die dritte Gruppe von Auslandskorrespondenten, die Ziel scharfer Repression seitens des Nationalsozialismus wurden, waren zumeist Journalisten kleinerer Länder, deren Regierungen kaum diplomatischen Druck auf Deutschland ausüben konnten. Die Gründe für das Vorgehen gegen diese Journalisten variierten. Im Mai 1933 kam es zu zwei Hausdurchsuchungen bei dem dänischen Auslandskorrespondenten Baron Schaffalitzky de Muckadell. Während dieser Durchsuchungen wurde er von Gestapoleuten mit Revolvern in der Hand bewacht, seine Familie in ein Hinterzimmer eingesperrt.263 Dieser Vorgang fand größere Beachtung, denn bei Muckadell handelte es sich um den Korrespondenten der konservativen „Berlingske Tidende“, zudem hatte er bisher vergleichsweise freundlich über die Zustände im Dritten Reich berichtet. Die Beamten des Auswärtigen Amtes erklärten dem „begreiflicherweise sehr erregten Baron“ denn auch, dass es sich bei der Hausdurchsuchung „um einen Missgriff untergeordneter Stellen“ gehandelt habe.264

261 262 263 264

Vgl. PA AA, R 121652 Vorlage Crull, 24.8.1933. Vgl. McMurry (1979), S. 108-110. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 40. Geheimbericht Noordewiers vom 6.6.1933. Vgl. PA AA, R 121651 Vermerk der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes zu IV Nd 1175, ohne Datum.

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Weiter nahm Anfang August 1933 die Gestapo den Korrespondenten der „Wiener Freien Presse“, Paul Goldmann, in Haft, als Reaktion auf die Festnahme von vier deutschen Korrespondenten in Wien, die von der österreichischen Regierung der subversiven Tätigkeit beschuldigt wurden.265 Goldmann persönlich hatte sich jedoch keiner Verfehlung schuldig gemacht, wie Gestapochef Rudolf Diels gegenüber dem protestierenden Verein der Ausländischen Presse freimütig zugab.266 Der Verein war über die Verhaftung des Juden Goldmanns besonders empört, da dieser 1906 den Verein der Auslandspresse mitgegründet hatte und 1933 ein älterer, gebrechlicher Mann war. Goldmann kam jedoch nach wenigen Tagen frei, im Austausch gegen den Rücktritt Edgar Mowrers vom Vorsitz des Vereins der Ausländischen Presse.267 Im Oktober 1933 verhaftete die Gestapo in Leipzig während des Reichstagsbrandprozesses den Niederländer Marees van Swinderen, der als Korrespondent regionaler und lokaler niederländischer und niederländisch-indischer Zeitungen in Deutschland tätig war. Grund für das Vorgehen gegen Swinderen war ein Artikel des Journalisten im „De Indische Courant“, der sich mit der Morphinsucht Görings auseinandersetzte. Auf die schnelle Intervention niederländischer Diplomaten kam Swinderen jedoch noch am Tag seiner Festnahme wieder frei. Die Gestapo beließ es in seinem Fall bei einer scharfen Verwarnung.268 Wohl den gravierendsten Fall von Repression gegen einen Auslandsjournalisten im Dritten Reich stellt jedoch die Verhaftung des Korrespondenten des liberalen, deutschsprachigen „Prager Tagblatts“, Ernst Popper, dar. Grund für das Vorgehen gegen Popper Mitte März 1934 war dessen Artikel über den Spionagefall Sosnowski269 und die geheime Aufrüstung Deutsch265 Vgl. PA AA, Aufzeichnung der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes vom

5.8.1933.

266 Vgl. Lochner (1955), S. 288-289. 267 Vgl. Mowrer (1937), S. 303-304. Für eine genauere Beschreibung der Umstände

von Mowrers Rücktritt und Rolle im Verein der Ausländischen Presse vgl. unten, S. 121-123. 268 Vgl. Stoop (1987), S. 331-332. 269 Jerzy Sosnowski, polnischer Major und Agent des polnischen Geheimdienstes hatte in den Jahren 1926 bis 1934 wichtige militärische Informationen aus dem deutschen Reichswehrministerium beschafft. Diese erhielt er von Irene von Jena, Benita von Falkenhayn und Renate von Natzmer, die im Reichswehrministerium angestellt waren und offenbar alle dem Charme des polnischen Offiziers erlegen waren. Im Februar 1934 wurde Sosnowski enttarnt und er und seine Helferinnen wegen Landes- und Hochverrats vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Falkenhayn und Natzmer wurden zum Tode verurteilt und im Februar

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lands.270 Poppers Festnahme am 11. März 1934 wurde zunächst geheim gehalten. Als sich der Verein der Ausländischen Presse und die tschechische Gesandtschaft auf der Suche nach Popper auch bei der Gestapo nach einer etwaigen Verhaftung des Journalisten erkundigten, erhielten sie dort zunächst die Auskunft, man wisse von nichts. Erst auf scharfes Nachfragen der Gesandtschaft wurde die Verhaftung zugegeben. Poppers Wohnung war in der Zwischenzeit von der Gestapo durchwühlt und der Korrespondent in das Gestapogefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße, dann in das der ColumbiaStraße verfrachtet worden. Während der Haftzeit wurde der Jude Popper grausam misshandelt. Unter anderem wurde er geschlagen, musste im Gleichschritt Flure auf- und abmarschieren, hatte mehrere Scheinhinrichtungen über sich ergehen zu lassen und musste laut aufsagen: „Ich bin ein Schweinejude“. Nach einigen Tagen kam der Journalist dann auf Betreiben der tschechischen Gesandtschaft frei. Die deutschen Stellen gaben gegenüber den tschechischen Diplomaten frei zu, dass sämtliche Ermittlungen gegen Popper nichts ergeben hätten. Vor seiner Entlassung musste Popper eine Erklärung unterschreiben, wonach er gegenüber Dritten über seine Behandlung bei der Gestapo Stillschweigen wahren werde. Hinter der Verhaftung Poppers steckte in diesem Fall offenbar Hermann Göring persönlich, dem der Artikel des tschechischen Journalisten aufgrund dessen Bezugs zur geheimen Aufrüstung Deutschlands gefährlich erschienen war.271 Solcherart extremes, gewaltsames Vorgehen gegen einen ausländischen Journalisten gehörte im Dritten Reich jedoch wohl eher zur Ausnahme. Den Fall Popper dürfte ermöglicht haben, dass hinter dem Journalisten nur die machtpolitisch schwache tschechoslowakische Regierung stand. Auch die jüdische Religionszugehörigkeit Poppers sowie auch die Tatsache, dass dieser seinen Artikel auf Deutsch verfasst hatte, dürften eine Rolle gespielt haben. 1935 hingerichtet, Sosnowski erhielt eine einjährige Haftstrafe und wurde danach gegen deutsche Agenten in polnischer Haft ausgetauscht. Vgl. Roussel (1986), S. 15. 270 Popper war den deutschen Stellen offenbar auch schon zuvor negativ aufgefallen. So regte die Gestapo im Dezember 1933 die Ausweisung des Tschechen an, das Auswärtige Amt votierte jedoch gegen diesen Vorschlag, um die deutsch-tschechischen Beziehungen nicht zu belasten. Vgl. PA AA, R 121653 Auswärtiges Amt an Janisch, 1.12.1933. 271 Der Fall Popper ist deshalb so gut dokumentiert, weil der „Nieuwe Rotterdamsche Courant“-Korrespondent Hendrik Noordewier ihn in einem seiner vertraulichen Berichte für die Niederländische Regierung ausführlich schildert. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 116-126. Geheimbericht Noordewiers vom 19.4.1934. Stoop beschreibt die Umstände und Hintergründe der Verhaftung Poppers zudem in einem kurzen Aufsatz. Vgl. Stoop (1989), S. 156-166.

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Für die Pressevertreter größerer Nationen und bedeutender Medienunternehmen sind in den für diese Untersuchung verwandten Quellen keine vergleichbaren Übergriffe dokumentiert.272 Vernommen durch die Gestapo wurden sie jedoch auch. So berichtet AP-Korrespondent Lochner in einem Brief an seine Kinder vom 10. Februar 1934, dass ihn kürzlich ein Gestapomitarbeiter aufgesucht habe, um ihn nach seinen Beziehungen zu Martin Niemöller zu befragen.273 Auch Stéphane Roussel vom „Le Matin“ wurde von der Gestapo in ihrer Dienstwohnung über eine Freundin verhört, die zuvor von der Gestapo verhaftet worden war.274 Shirer berichtet über regelmäßige Besuche der Geheimpolizei sowohl in Büros als auch in Privatwohnungen bei sich und seinen Kollegen, wobei die Polizisten sich dabei meist nach Personen erkundigten, die sie der Informantentätigkeit für die Auslandspresse verdächtigten.275 Die schärfste, jedoch keineswegs selten angewandte Sanktionsmaßnahme, die Auslandskorrespondenten im Dritten Reich treffen konnte, war die Ausweisung aus Deutschland.276 Sie wurde von den Führern des NS-Staates schon unmittelbar nach der „Machtergreifung“ erörtert. In einer Ministerbesprechung am 2. März 1933 setzte sich das Kabinett unter Reichskanzler Adolf Hitler mit der kritischen Berichterstattung ausländischer Medien über die Umstände und Konsequenzen der nationalsozialistischen Machtübernahme auseinander. Die „Presseagitation“ in der Welt gegen die deutsche Regierung stufte Hitler als „sehr gefährlich“ ein und beriet sich mit seinen Kabinettskollegen über Gegenmaßnahmen. Erwogen wurde von den Anwesenden in erster Linie die Ausweisung von missliebigen Korrespondenten, gegen die Außenminister Neurath „keine Bedenken“ äußerte. Neurath bemerkte allerdings, dass Auslandskorrespondenten nicht immer für Meinungs-

272 273 274 275 276

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Vgl. Huttner (1995), S. 127-128. Vgl. Lochner (1967a), S. 309, Brief Lochners vom 10.2.1934. Vgl. Roussel (1986), S. 174. Vgl. Shirer (1984), S. 161. So erklärte Reichspressechef Otto Dietrich in seiner bereits oben erwähnten Rede vor Diplomaten und Auslandsjournalisten am 7. März 1938 in Berlin, dass die Reichsregierung Ausweisungen von Korrespondenten als völlig normale und legitime Maßnahme ansehe, „die übrigens keine nationalsozialistische Erfindung ist, sondern eine von allen angewandte Maßregel, die überall den Journalisten trifft, der seine berufliche Anstandspflicht verletzt und die ihm gewährte Gastfreundschaft mißbraucht.“ Rede Otto Dietrichs über nationalsozialistische Pressepolitik vor Diplomatie und Auslandspresse in Berlin am 7.3.1938; auszugsweise abgedruckt in Sösemann (Hrsg.) (2011), S. 1107.

artikel ihrer Heimatredaktion verantwortlich gemacht werden könnten.277 Offenbar dachte die deutsche Regierung Anfang März 1933 darüber nach, eine ganze Reihe missliebiger Korrespondenten des Reichs zu verweisen, kam von dieser Idee jedoch wieder ab, denn „Immerhin hätten die ausländischen Korrespondenten, die bisher böswillig über die innerdeutschen Verhältnisse berichtet hätten und in Deutschland geblieben seien, die Zusicherung gegeben, in Zukunft in ihrer Berichterstattung sich jeder böswilligen Tendenz zu enthalten“, so Außenminister Neurath auf der Ministerbesprechung am 7. März 1933. Er halte es daher für ratsamer, „vorläufig von einer Ausweisung Abstand zu nehmen und diesen Korrespondenten eine Bewährungsfrist von 2 Monaten zu bewilligen.“278 Eine entsprechende Meldung veröffentlichte am 8. März Wolffs Telegraphisches Büro, in der die Auslandskorrespondenten über diese Frist informiert wurden.279 In der Literatur sowie in den Memoiren der Korrespondenten finden sich unterschiedliche Angaben zur Anzahl der Korrespondenten, die von den Nationalsozialisten zum Verlassen des Reichs gezwungen wurden. Lochner spricht von 19 Ausweisungen bis 1941280, Albert von mehr als 20 Ausweisungen bis 1938281 und McKenzie von etwa 25 offiziellen Ausweisungsbefehlen und insgesamt 50 erzwungenen Ausreisen vor Kriegsausbruch.282 Bei seinem Abschied aus Deutschland im August 1933 sprach dagegen Edgar Mowrer von einer Bilanz von 13 Ausweisungen allein im ersten halben Jahr nach der nationalsozialistischen Machtübernahme.283 Markus Huttner zählt für den Zeitraum von 1933 bis 1939 14 Ausweisungen, die größere Publizität in aus-

277 Vgl. Minuth (Hrsg.) (1983), Teil I, Bd. 1, S. 147. Dokument Nr. 41,

Ministerbesprechung vom 2. März 1933, 12 Uhr.

278 BArch, R 43-II/472 Niederschrift über die Ministerbesprechung in der Reichs-

kanzlei vom 7.3.1933. 279 Vgl. Ebd., Meldung des WTB, 8.3.1933. Ob nach Ablauf der Frist bestimmte

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Korrespondenten ausgewiesen wurden, oder ob sich die Drohung der deutschen Regierung im Sande verlief, ließ sich aus den Akten nicht rekonstruieren. Es bleibt ebenfalls unklar, welche Korrespondenten sich konkret bei der Reichsregierung unbeliebt gemacht hatten, welche Neurath gegenüber „Besserung“ gelobten und ob bestimmte kritische Auslandsjournalisten wie vom Außenminister angedeutet Deutschland freiwillig verließen. Vgl. Huttner (1995), S. 99-100, insbes. S. 100, Anm. 73. Vgl. Lochner (1943), S. 227. Vgl. Albert (1938), S. 696. Vgl. McKenzie (1940), S. 96. Vgl. Stoop (1987), S. 316.

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ländischen Medien erhielten.284 Die unterschiedlichen Angaben dürften nicht zuletzt daher rühren, dass die verschiedenen Autoren unterschiedliches unter dem Begriff „Ausweisung“ subsumieren. Denn in der Praxis nutzte das NSRegime verschiedene Methoden, um unerwünschte Korrespondenten aus dem Reich zu zwingen. Ein offizieller Ausweisungsbefehl durch die deutsche Regierung war dabei nur eine Variante, die von den Nationalsozialisten zudem behutsam eingesetzt wurde, um den äußeren Eindruck einer liberalen Pressepolitik zu wahren.285 Öfter kam es deshalb vor, dass die deutschen Stellen bis zum Ablaufen der Aufenthaltsgenehmigung eines Korrespondenten warteten und diese dann nicht weiterverlängerten. Für den betroffenen Journalisten waren die Konsequenzen die gleichen, häufig wurde ein solches Vorgehen deshalb auch öffentlich als offizielle Ausweisung angesehen.286 Die Abreise missliebiger Korrespondenten erzwang das NS-Regime außerdem durch diplomatischen Druck auf andere Regierungen287 und Interventionen bei der Chefredaktion im Heimatland des jeweiligen Journalisten.288 Andere Korrespondenten reisten „freiwillig“ nach scharfen Verwarnungen ab und kamen damit einer absehbaren Ausweisung zuvor. Wieder andere verließen das Reich, weil sie von den offiziellen Stellen derart geschnitten und behindert wurden, dass sie ihrer Arbeit in Deutschland nicht mehr sinnvoll nachgehen konnten. Einigen Korrespondenten erklärten die Nationalsozialisten schlichtweg, ihre Abreise sei dringend geboten, weil man nicht mehr für ihre Sicherheit in Deutschland garantieren könne.289 Einer Angabe über die Anzahl der ausgewiesenen Journalisten müsste daher erstens eine Definition vorweggehen, was genau unter „ausgewiesen“ 284 Vgl. Huttner (1995), S. 132, Anm. 212. Für weitere Quellen mit divergierenden

285 286 287 288

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Angaben zur Anzahl der ausgewiesenen Korrespondenten vgl. Ebd., S. 131; Schumacher (1998), S. 46 und Krings (2010), S. 382. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 122. Geheimbericht Noordewiers vom 19.4.1934. Vgl. BArch, NS 43/313 Artikel aus den „Basler Nachrichten“ vom 24.11.1937. Vgl. Bojano (1945), S. 156-158. So war man Ende des Jahres 1933 im Auswärtigen Amt bestrebt, Manuel Alvar, Korrespondent des spanischen „Heraldo de Madrid“, von seinem Posten in Berlin zu entfernen. Der Presseattaché der Madrider Botschaft besuchte deshalb den Chefredakteur der Zeitung und erklärte diesem, sowohl Berichterstattung als auch persönliches Auftreten seines Korrespondenten seien nicht weiter tragbar. Der Chefredakteur sagte der deutschen Botschaft daraufhin zu, Alvar mitzuteilen, „dass er auf seine weitere Berichterstattung verzichte und ihm empfehle, baldmöglichst Berlin zu verlassen“. PA AA, R 121653 Deutsche Botschaft in Spanien an Auswärtiges Amt, 19.11.1933. Eine Kombination der genannten Gründe führte beispielsweise zur Abreise Edgar Mowrers aus Deutschland im August 1933. Vgl. Mowrer (1937), S. 301 und 307; vgl. Stoop (1987), S. 316.

oder einer „Ausweisung“ zu verstehen sein soll. Zudem waren zweitens auf die eine oder andere Art erzwungene Ausreisen von Auslandskorrespondenten im Dritten Reich an der Tagesordnung. Auch wenn einige Fälle große mediale Aufmerksamkeit generierten und höchste Regierungsstellen beschäftigten, so waren die meisten Ausweisungen Routine, die ohne große Öffentlichkeit von statten gingen.290 Aus diesem Grund ist es kaum möglich, eine verlässliche Angabe über die Anzahl der vom NS-Regime ausgewiesenen oder zum Verlassen Deutschlands gezwungenen Auslandskorrespondenten zu machen. Ebenfalls unterschiedliche Angaben finden sich in den Memoiren darüber, wie effektiv die Sanktion Ausweisung faktisch war und wie sehr die ausländischen Journalisten eine solche Bestrafung fürchteten. So bewertet Auslandspressechef Hanfstaengl in seinen Erinnerungen das Drohpotenzial der Ausweisung als gering, da die Korrespondenten „eben so gut in einem anderen Lande tätig sein konnten“.291 Auch Werner Stephan vertritt diese Meinung und betont, dass eine Ausweisung aus Deutschland sogar mit einem Karrieresprung für den jeweiligen Korrespondenten verbunden sein konnte.292 Entsprechend berichtet der US-Botschafter William Dodd in seinem Tagebuch, dass einige US-Korrespondenten nicht abgeneigt waren, dank einer Ausweisung in die Rolle eines Märtyrers zu treten und so die auf sie fallende Aufmerksamkeit für sich zu nutzen.293 Auf der anderen Seite bezeugen andere Quellen, dass die Korrespondenten eine Ausweisung teilweise um jeden Preis vermeiden wollten und eine erzwungene Ausreise für sie sehr problematisch war. So wurde dem Schweizer Journalisten Böschenstein nach seiner Ausweisung von seiner Zeitung keine weitere Beschäftigung angeboten.294 Andere Korrespondenten hatten damit zu kämpfen, dass sie nach jahrelanger selbstständiger Arbeit im eigenen Auslandsbüro nun in einer großen Zentralredaktion nur noch einer unter Vielen waren.295 Problematisch war eine Ausweisung auch für Korrespondenten, die schon seit langer Zeit in Deutschland arbeiteten und ihren Lebensmittelpunkt dorthin verlegt hatten.296 Eine Ausweisung aus dem Dritten Reich hatVgl. Huttner (1995), S. 131. Hanfstaengl (1970), S. 315. Vgl. Stephan (1949), S. 197. Vgl. Dodd/ Dodd (Hrsg.) (1963), S. 53-54. Vgl. Böschenstein (1978), S. 136. Hierüber klagte beispielsweise der 1937 ausgewiesene „Havas“-Korrespondent Paul Ravoux gegenüber dem ebenfalls ausgewiesenen Böschenstein. Vgl. Ebd., S. 110. 296 So versicherte der Korrespondent der lettischen Zeitung „Sewodnja“, Wolkowissky, dem Auswärtigen Amt im Sommer 1933, nachdem ihm mit der Auswei290 291 292 293 294 295

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te weiter zur Folge, dass der betreffende Journalist einen Ort verlassen musste, an dem Weltgeschichte geschrieben wurde und wo bei allen Unpässlichkeiten eine Menge journalistisch hochattraktive „big stories“ auf die Korrespondenten warteten.297 Auch die Heimatredaktionen hatten kein großes Interesse daran, dass ihre Auslandskorrespondenten Deutschland verlassen mussten. Ein Korrespondentenwechsel war mit Umstand und Kosten verbunden.298 In einigen Fällen war kaum zu erwarten, dass sich ein Nachfolger unter den Umständen der Diktatur in Deutschland ein vergleichbares Informantennetz wie sein Vorgänger würde aufbauen können. Journalisten wie Louis Lochner, die seit Anfang der 1920er Jahre in Berlin arbeiteten, waren mit ihren Kontakten und ihrer Sprach- und Sachkenntnis unersetzbar. Während einzelne Zeitungen den Abzug ihres Korrespondenten aus Deutschland noch verkraften konnten, waren insbesondere die Nachrichtenagenturen auf den Verbleib ihrer Journalisten im Deutschen Reich angewiesen. So hatte etwa Locher von der AP-Zentrale in New York die Weisung, „nichts Unwahres zu berichten, von der Wahrheit jedoch, ohne Entstellung des Bildes, nur soviel, daß wir auf unseren Posten bleiben konnten.“299 In solchen Fällen war eine Ausweisung oder eine Drohung mit Ausweisung durchaus ein wirkungsvolles Mittel, um unliebsame Berichterstattung zu unterbinden. Für die Ausweisung unliebsamer Korrespondenten waren im Dritten Reich eine Reihe von Stellen verantwortlich, Ausweisungen hatten unterschiedliche Initiatoren und unterschiedliche Gründe. In der Zeit unmittelbar nach der „Machtergreifung“ waren die Nationalsozialisten damit beschäftigt, sung gedroht wurde, dass er in Zukunft freundlicher berichten werde. Den Grund für Wolkowisskys große Kooperationsberichtschaft sahen die deutschen Stellen in dessen Lebensumständen. Der Journalist lebte seit elf Jahren in Deutschland und hatte dort eine Ehefrau und zwei Kinder, die deutsche Schulen besuchten. Vgl. PA AA, R 121652 Volk an Auswärtiges Amt, 18.8.1933. Wolkowissky schrieb nach seiner Ermahnung sogar so NS-freundliche Artikel, dass er von seiner Zeitung mehrfach mit der Entlassung bedroht wurde. Vgl. Ebd., Meyer-Heydenhagen an Geheimes Staatspolizeiamt, 5.9.1933 (Entwurf). Auch Longerich dokumentiert in seinen Analysen einen Fall, in dem ein USKorrespondent nach Ausweisungs-Drohung dem AA versicherte, in Zukunft dessen Wünsche bezüglich der von ihm mit Artikeln belieferten Medien zu beachten. Vgl. Longerich (1987), S. 291-292. 297 Vgl. Hamilton (2009), S. 279. 298 Vgl. Shirer (1941), S. 250; vgl. Huteau/Ullmann (1992), S. 26. 299 Lochner (1955), S. 297. Gleichermaßen äußert sich Lochner auch in seinem 1943 veröffentlichten Buch „What about Germany?“: „The instructions to the representatives of American news associations from their home offices were to the effect that they should keep functioning under almost any circumstances and restrictions.” Lochner (1943), S. 225.

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das Korps der Auslandskorrespondenten in Deutschland zu säubern. In dieser Periode kam es zu einer ganzen Reihe von Ausweisungen und erzwungenen Abreisen, die sich meist – wie oben bereits angedeutet – gegen Vertreter kommunistischer, sozialdemokratischer und jüdischer Medien300 richteten. Die Nationalsozialisten sorgten so dafür, dass sich ein bis zwei Jahre nach ihrer Machtübernahme die Anzahl der Korrespondenten in Deutschland, die linksgerichtete Medien vertraten, erheblich reduziert hatte.301 Das scharfe, scheinbar gezielte Vorgehen gegen diese Korrespondenten war dabei zunächst interessanterweise Resultat eines völlig unkoordinierten Ausweisungsverfahrens. Ausweisungen wurden 1933 und 1934 von einer ganzen Reihe von Stellen unabhängig voneinander und nach verschiedenen Maßstäben veranlasst. So erteilten neben den zentralen Stellen in Berlin auch die politischen Polizeibehörden der Länder des Reichs Ausweisungen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Aufgrund mangelnder Sachkenntnis kam es hierbei zu Entscheidungen, die über das Ziel hinausschossen. So wandte sich im Juni 1933 der Verband der ausländischen Pressevertreter an das Auswärtige Amt und bat um die Rückgängigmachung der Ausweisung seines Mitgliedes Dimitri Ischewsky aus dem Land Sachsen. Dem Leipziger Polizeipräsidium, das Ischewsky als „lästigen Ausländer“ aus Sachsen ausgewiesen hatte, sei entgangen, dass es sich bei dem Russen um einen seit 1920 in Leipzig lebenden Emigranten handele, der als „Vertreter russischer Auslandszeitungen antikommunistischer Richtung“ „stets kommunistenfeindlich“ berichtet habe.302 Besonders aktiv in Sachen Ausweisungen ausländischer Journalisten war zudem die Politische Polizei in Preußen, die ebenfalls mit ihren Ausweisungsanordnungen zu weit vorpreschte. Teilweise sah sich das Auswärtige Amt daher genötigt, zugunsten eines Korrespondenten – mit Erfolg – zu intervenieren. So teilte das Geheime Staatspolizeiamt dem Auswärtigen Amt nach einer gemeinsamen Aussprache im August 1933 mit, dass es „den Ausweisungsantrag gegen den bei der „Associated-Press-Agentur“ be300 Vgl. oben, S. 87-91. 301 Stoop schildert in seiner Untersuchung der deutschen auswärtigen Pressepolitik

bezüglich der Niederlande diesen Prozess für die in Deutschland tätigen niederländischen Korrespondenten. So sorgten die Nationalsozialisten mit Druck und Ausweisungen dafür, dass ein bis zwei Jahre nach der „Machtergreifung“ keine Journalisten linksgerichteter niederländischer Zeitungen mehr in Deutschland tätig waren. Dafür erhöhte sich gleichzeitig die Anzahl rechtsextremistischer niederländischer Korrespondenten. Vgl. Stoop (1987), S. 329-330. 302 Zudem bat der Verband, Ischewsky 100 Reichsmark zurückzuerstatten, die ihm bei der Durchsuchung seiner Wohnung gestohlen worden waren. Vgl. PA AA, R 121651 Verband Ausländischer Pressevertreter an Tripeloury (AA Presseabt.), 14.6.1933.

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schäftigten österreichischen Staatsangehörigen Leopold Seidenstein zurückgenommen und die Aufhebung der Ausweisungsverfügung durch den Herrn Polizeipräsidenten in Berlin veranlasst habe.“303 Erst Ende des Jahres 1934 wurde dem unkoordinierten Treiben ein Ende gesetzt. Per Runderlass an alle Landesregierungen verfügte der Reichsinnenminister, dass in Zukunft nur noch das Propagandaministerium repressive Maßnahmen gegen Auslandskorrespondenten verhängen durfte.304 Letztinstanzlich entschied ab dann einzig die Presseabteilung der Reichsregierung über Ausweisungen von ausländischen Journalisten, wobei diese zuvor mit dem Auswärtigen Amt Rücksprache zu halten hatte.305 Andere Reichs- und Landesbehörden konnten Anträge für die Ausweisung von Korrespondenten beim Propagandaministerium stellen. Nach dem Erlass scheinen die zahlreichen, „wilden“ Ausweisungen der unmittelbaren Zeit nach der „Machtergreifung“ nicht wieder vorgekommen zu sein. Da Ende 1934 aber schon viele unerwünschte Korrespondenten Deutschland verlassen hatten, war ein scharfes Vorgehen entsprechend der Anfangszeit der nationalsozialistischen Diktatur wohl nicht mehr nötig. Zu einer größeren Welle von Ausweisungen kam es jedoch erneut nach dem Anschluss Österreichs im März 1938. In Wien, so die Ansicht deutscher Diplomaten, hätten von 1933 bis 1938 „auf dem Gebiet der Auslandspresse außergewöhnliche Zustände insofern bestanden, als dort eine Reihe von unsauberen Elementen Zuflucht zur Fortsetzung ihrer hetzerischen Tätigkeit gesucht hätten.“ Die ausländischen Journalisten, die nach Hitlers Machtübernahme aus politischen Gründen von Berlin nach Wien gezogen waren, wurden von den Nationalsozialisten umgehend des erweiterten Reichsgebietes verwiesen.306 Die überlieferten Akten zeigen, dass nach der Veröffentlichung der neuen Ausweisungsregelungen Ende 1934 eine Reihe von Behörden mit Vorschlägen für Ausweisungen an das „Promi“ herantrat. Dies war in vielen Fällen die

303 PA AA, R 121652 Volk an Katzenberger, 29.8.1933. 304 Das entsprechende Rundschreiben befindet sich im Bestand des Bayrischen

Hauptstaatsarchivs in München und ist von Huttner ausgewertet worden. Vgl. für das Folgende Huttner (1995), S. 132-133. 305 Aus den Akten lässt sich nicht ersehen, dass dabei das RMVP oder das AA eine strengere Linie bezüglich der Ausweisungen verfolgt hätte. In einigen Fällen plädierte das AA für eine Ausweisung, während das RMVP diesem Vorschlag widersprach. Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 5, S. 158 (16. 2.1938). In wieder anderen Fällen spielt das AA in der Frage Ausweisung den zurückhaltenderen Part. Vgl. PA AA R 121664 Deutsches Generalkonsulat New York an Auswärtiges Amt, 10.6.1937. 306 Vgl. PA AA, R 121667 Deutsche Botschaft Paris an Auswärtiges Amt, 9.5.1938.

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Gestapo,307 in einigen Fällen aber auch Institutionen wie das Reichs- und Preußische Ministerium für die kirchlichen Angelegenheiten. So forderte der Reichskirchenminister Hanns Kerrl im Juni 1937 in einem fünfseitigen Schreiben an das Propagandaministerium die „sofortige Ausweisung“ des Schweizer Korrespondenten Hermann Böschenstein.308 Die weitere Anwesenheit des Berichterstatters der „Basler Nachrichten“ in Deutschland war laut Kerrl „untragbar“, da die Berichte des auf kirchenpolitische Themen spezialisierten Journalisten permanent darauf abzielten, „den Eindruck zu erwecken, als sei für den nationalsozialistischen Staat das Christentum schlechthin der Feind“. Zudem habe sich Böschenstein so gut wie nie mit der Pressestelle seines Ministeriums in Verbindung gesetzt.309 Das „Promi“ kam in diesem Fall der Bitte nach sofortiger Ausweisung nicht nach und wartete, bis im November 1937 die Aufenthaltsgenehmigung Böschensteins auslief – diese wurde dann nicht verlängert.310 Gegen eine Ausweisung gab es für die Korrespondenten kaum Verteidigungsmittel. In der Regel schaltete sich die jeweilige diplomatische Vertretung oder auch das Außenministerium des Heimatlandes des Korrespondenten ein.311 Dies geschah auch im Fall Böschenstein, war nach dessen Meinung allerdings „von vorneherein aussichtslos“.312 Insbesondere den Pressevertretern machtpolitisch unbedeutender Nationen brachte die Intervention ihrer Regierung zumeist nichts. So kommentierten die „Basler Nachrichten“ den Einspruch der Schweizer Regierung zugunsten ihres Korrespondenten: „Wenn man in solchen Fällen nicht mit Repressalien droht, was offenbar 307 So beantragte die Gestapo im Juni 1936 beim RMVP die Ausweisung des

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Korrespondenten der „Danziger Nationalen Zeitung“, Hans Karl Gspann. Vgl. PA AA R 121661 Bade an Auswärtiges Amt, 30.6.1936. Im Januar 1935 bemühte sich die Gestapo weiter um die Ausweisung des italienischen Journalisten Mario Da Silva, Korrespondent des „Lavoro Fascista“. Vgl. PA AA, R 121688 Gestapo an Auswärtiges Amt, 17.1.1935. Anfang 1939 schließlich verlangte die Gestapo die Ausweisung des niederländischen Journalisten Van Swinderen, die jedoch aufgrund von Bedenken des AA oder des RMVP nicht realisiert wurde. Vgl. Stoop (1987), S. 332-333. Vgl. zur Ausweisung Böschensteins auch Huttner (1995), S. 134-135. Vgl. PA AA, R 121664 Der Reichs- und Preußische Minister für die kirchlichen Angelegenheiten an den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, 17.6.1937. Vgl. Böschenstein (1978), S. 134. Für die Missionschefs der diplomatischen Vertretungen in Berlin gehörte die Fürsprache für mit Ausweisung bedrohter Korrespondenten offenbar zur regelmäßigen Arbeit. Vgl. François-Poncet (1946), S. 123. Böschenstein (1978), S. 134.

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nicht geschah, ist in Berlin nichts zu erreichen“.313 Der bulgarische Korrespondent Lübomir Theodoroff versuchte sich gegen seine im November 1934 erfolgte Ausweisung wegen „staatsfeindlicher Betätigung“ mit Hilfe eines deutschen Anwalts zu wehren, hatte damit aber auch keinerlei Erfolg. Die bulgarische Gesandtschaft in Berlin erreichte durch Intervention bei den deutschen Stellen eine Verlängerung des Ausreiseultimatums von drei Tagen auf mehrere Wochen, konnte aber an der Ausweisung an sich nichts ändern.314 Schwerer hatten es die Nationalsozialisten mit der Ausweisung prominenter Korrespondenten, die machtpolitisch bedeutsame Länder repräsentierten. Deren Ausweisungen waren für das Dritte Reich unter Umständen mit reichlich negativer Presse und unangenehmen Gegenmaßnahmen der Heimatländer der Korrespondenten verbunden. Konkret betrafen solche Fälle von 1933 bis 1939 vor allem Journalisten aus England und Frankreich.315 So involvierte die Ausweisung des Korrespondenten der französischen Nachrichtenagentur „Havas“, Paul Ravoux, im November 1937 höchste französische und deutsche Regierungskreise, deutscherseits Propagandaminister Goebbels. Die Ausweisung Ravouxs erfolgte offenbar als Reaktion auf die Ausweisung deutscher Korrespondenten aus Paris,316 sowie auf einen Bericht des Korrespondenten, in dem dieser das Auftreten der Maul- und Klauenseuche in Deutschland auf den Vier-Jahres-Plan zurückführte.317 Allgemein beschuldigten die deutschen Stellen Ravoux der „besonders böswilligen Berichterstattung über das NS-Deutschland“.318 Mit dem von Goebbels initiierten Ausweisungsbe313 BArch, NS 43/313 Artikel aus den „Basler Nachrichten“ vom 24.11.1937; vgl.

auch Böschenstein (1978), S. 134.

314 Vgl. PA AA, R 121688 Brägger an Polizeipräsident Berlin, 5.11.1934. 315 US-amerikanische Korrespondenten waren in der Zeit vor Kriegsausbruch

offenbar fast gar nicht von Ausweisungen betroffen. Im Dezember 1935 besprachen die in Deutschland tätigen US-Korrespondenten mit dem Unterstaatssekretär im State Department, William Phillips, in der Berliner US-Botschaft, was die Regierung der Vereinigten Staaten unternehmen würde, falls doch USJournalisten in größerer Anzahl des Reichs verwiesen würden. Phillips erklärte den Korrespondenten, dass sie in einem solchen Fall kaum mit effektiver Hilfe ihrer Regierung rechnen konnten. Vgl. Shirer (1941), S. 43. 316 Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 4, S. 394 (6.11.1937) und S. 404 (13.11.1937). 317 Vgl. Ebd., S. 407 (16.11.1937). 318 Böschenstein (1978), S. 109. Böschenstein mutmaßt zudem, dass die außerordentlich guten Verbindungen des gebildeten, schlagfertigen französischen Journalisten in die Ministerien der Reichshauptstadt ein Grund für dessen Ausweisung durch Goebbels gewesen sein könnten. Vgl. Ebd., S. 110. Zu der gleichen Ansicht gelangt auch Schumacher. Vgl. Schumacher (1998), S. 64-65.

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fehl am 16. November 1937319 trat der Propagandaminister eine Welle des Protests los. Einen Tag später sprach der französische Botschafter FrançoisPoncet bei Außenminister Neurath vor und erwirkte eine Verlängerung der Ausreisefirst von drei auf sieben Tage. Zudem waren die französischen Zeitungen voller Verurteilungen gegen die Ausweisung und die Berliner Auslandspresse protestierte gegen die Bestrafung eines prominenten Vertreters aus ihren Reihen.320 Doch während sich Reichpressechef Otto Dietrich in Anbetracht dieser Interventionen gegen eine Ausweisung von Ravoux aussprach, blieb Goebbels in seinem Entschluss fest. „In ein paar Tagen ist die ganze Sache vergessen, und wir sind einen Stänkerer los.“321 Offenbar war die Regierung in Paris sogar bereit, Zugeständnisse betreffend der aus Frankreich ausgewiesenen deutschen Korrespondenten zu machen, wenn Ravoux auf seinem Posten in Berlin bleiben durfte, doch Goebbels lehnte dieses Angebot ab.322 Am 23. November verließ der „Havas“-Korrespondent Berlin, „Als Märtyrer gefeiert; aber wir sind den quitt“,323 so Goebbelsʼ Kommentar. Um das pressepolitische deutsch-französische Verhältnis nach den gegenseitigen Journalistenausweisungen wieder zu verbessern, trat im Dezember 1937 der Pressechef der französischen Regierung, Pierre Comert, mit Reichspressechef Dietrich und dem Chef der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, Aschmann, in Kontakt. Nach mehrmaligen Briefwechseln besuchte Comert im Januar 1938 Berlin.324 In Verhandlungen einigten sich die drei unter anderem darauf, dass ihre Regierungen Auslandskorrespondenten in Zukunft nur noch nach mehrmaliger vorheriger Verwarnung ausweisen würden. Comert begrüßte diese Abmachung ausdrücklich, „parce qu’elle permet d’espérer que nous n’assisterons plus à l’avenir au retour de ces incidents bruyants, qui troublèrent parfois, sans aucun profit pour personne, la presse de nos deux pays“.325

319 Lefebure gibt als Datum für den Ausweisungsbefehlt fälschlicherweise den 16.

November 1936 an. Vgl. Lefebure (1992), S. 260. 320 Unter anderem stellte Goebbels fest, dass „Die frz Zeitungen toben“ und die

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Auslandspresse in Berlin „randaliert“. Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 4, S. 408 (17.11.1937). Ebd. Ebd., S. 412 (20.11.1937). Ebd., S. 418 (23.11.1937). Zu pressepolitischen Verhandlungen zwischen der deutschen und der französischen Regierung war es bereits in früheren Jahren gekommen. So hatte der Leiter der Pressestelle des AA, Aschmann, seinen französischen Kollegen Comert schon 1936 in Paris besucht. Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 158-159. PA AA, R 121284 Comert an Dietrich, 28.1.1938.

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Comerts Hoffnungen wurden jedoch schon bald enttäuscht. So wies die deutsche Regierung im Frühjahr 1938 Yves C. Franck, Korrespondent des „Paris Midi“, ohne Vorwarnung aus Deutschland aus. Der französische Botschafter François-Poncet protestierte daraufhin mit Verweis auf die im Januar geschlossenen Abmachungen.326 Die deutsche Regierung begründete ihr Vorgehen damit, dass der Jude Franck besonders schlimme „Hetze“ gegen Deutschland betrieben habe und zudem als luxemburgischer Staatsbürger nicht unter die gemeinsamen Abmachungen falle.327 Die französische Botschaft erinnerte daraufhin das Auswärtige Amt daran, dass auch einige der deutschen Korrespondenten in Paris keine deutsche Staatsbürgerschaft besäßen und in Zukunft ebenfalls mit sofortigen Ausweisungen rechnen müssten.328 Ebenfalls große Aufregung bewirkten in den 1930er Jahren Ausweisungen einiger englischer Journalisten aus dem Dritten Reich. Insbesondere die Ausweisung des Korrespondenten der Londoner „Times“, Norman Ebbutt, gehört zu den am meisten beachteten Ausweisungen eines ausländischen Journalisten aus Deutschland überhaupt.329 Ebbutt, der bereits seit 1925 in Deutschland arbeitete, war – so das geschlossene Urteil seiner Kollegen und Zeitgenossen – einer der profiliertesten, wenn nicht der profilierteste Auslandskorrespondent im Berlin der 1930er Jahre330 und besaß exzellente Verbindungen in alle Bereiche des poltischen und gesellschaftlichen Lebens in Deutschland. Mit seiner Berichterstattung war Ebbutt „ein spitzer und wirkungsvoller Dorn im Fleisch der Nazis“ und hatte sich im Laufe der ersten Jahre der NS-Diktatur bei den Machthabern sehr unbeliebt gemacht,331 Goebbels bezeichnet ihn in seinem Tagebuch als „ausgemachter Deutschenhasser und Feind des Nationalsozialismus“.332 Dementsprechend ergriff der Propagandaminister im August 1937 die Gelegenheit, sich des lästigen Journalisten zu entledigen. Als Reaktion auf die Ausweisung dreier deutscher Korrespondenten aus England, die dort nachweislich nachrichtendienstlichen Tätigkeiten nachgegangen waren, ließ Goebbels der englischen Regierung Vgl. PA AA, R 121667 Auswärtiges Amt an Bömer, 7.4.1938. Vgl. Ebd., Deutsche Botschaft Paris an AA, 9.5.1938. Vgl. Ebd., Französische Botschaft Berlin an Aschmann, 8.4.1938. Dementsprechend ist Ebbutts Ausweisung bereits in mehreren Untersuchungen beleuchtet worden. Detailreich hierzu sind die Ausführungen bei Huttner (1995), S. 205-210. Knapper geht Holzweißig (1967), S. 72-77 auf den Fall ein. Die nachfolgenden Ausführungen folgen den beiden genannten Quellen. 330 Vgl. Böschenstein (1978), S. 108; vgl. Dodd (2005), S. 117; vgl. Shirer (1941), S. 41 und S. 78. 331 Vgl. Dodd (2005), S. 117. 332 Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 4, S. 256 (8.8.1937). 326 327 328 329

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durch die deutsche Botschaft in London mitteilen, dass die „Times“ Ebbutt binnen 14 Tagen durch einen neuen Korrespondenten ersetzen solle. Begründung für die Ausweisung war, dass Ebbutt durch tendenziöse Berichterstattung über deutsche Innenpolitik Spannungen in den deutsch-englischen Beziehungen hervorgerufen habe. Die Ausweisung Ebbutts entfachte eine heftige Reaktion der englischen Presse, die Goebbels in der deutschen Presse kontern ließ, unter anderem, indem Ebbutt unterstellt wurde, „Latrinenparolen“ zu verbreiten. Am 11. August verfasste der Verein der Ausländischen Presse eine Protestnote gegen Ebbutts Ausweisung und zwei Tage später versuchte eine Delegation des Vereins im Auswärtigen Amt und im Propagandaministerium zugunsten des englischen Korrespondenten vorzusprechen.333 Goebbels verbot Reichspressechef Funk jedoch, die Delegation zu empfangen.334 Nachdem die „Times“ sich weigerte, Ebbutt freiwillig zurückzuziehen, bekam dieser am 19. August einen Ausreisebefehl des Berliner Polizeipräsidiums und verließ Berlin am 21. August.335 Am Bahnhof wurde Ebbutt von etwa 50 Auslandskorrespondenten feierlich verabschiedet, obwohl die deutsche Regierung hatte durchblicken lassen, dass sie dies als unfreundlichen Akt werten würde. Auf dem Bahnsteig notierten Gestapoleute die Namen der anwesenden Journalisten und schossen Fotos.336 Einen „in seiner Auswirkung durchaus ungünstigen Pressefeldzug gegen Deutschland“337 in den ausländischen Medien bewirkte auch die Ausweisung des „Daily Telegraph“-Korrespondenten Noel Panter im Oktober 1933.338 Panters Ausweisung fällt noch in die Phase der unkoordinierten Ausweisungen vor Ende des Jahrs 1934 und wurde von der bayrischen Politischen Polizei initiiert. Panter hatte in Bayern über de facto militärische Übungen der SA recherchiert und war dabei über längere Zeit von der Politischen Polizei überwacht worden. Nach einem Bericht über eine Parade der SA in Kelkheim, der die militärischen Aspekte der Veranstaltung besonders betonte, wurde Panter von der Politischen Polizei festgenommen. Panters Fall ist insofern hervorzuheben, als die Nationalsozialisten den Korrespondenten nicht nur wegen 333 Vgl. Huttner (1995), S. 207-209. 334 Goebbels: „Ich verbiete Funk, eine Delegation der Auslandsjournalisten zu

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empfangen, die für Ebbut intervenieren will. Das fehlte noch. Diese Strauchdiebe! Auch noch frech werden!“ Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 4, S. 265, (15.8.1937). Vgl. Huttner (1995), S. 209-210. Vgl. Dodd (2005), S. 121-122; vgl. Shirer (1941), S. 78. PA AA, R 121608 Reichspressechef Funk an alle amtlichen Pressestellen und die Geheimen Staatspolizeiämter der Länder, 21.11.1933. Die folgenden Ausführungen basieren – wenn nicht anders angegeben – auf Huttner (1995), S. 129-130 und Holzweißig (1967), S. 80-81.

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unpässlicher Berichterstattung belangen, sondern auch wegen Spionage und Landesverrat anklagen wollten. Auslandspressechef Hanfstaengl erklärte, wenn Korrespondenten in Deutschland Militärspionage betreiben wollten, „they should come to Germany in the role of spies. In my view it is treacherous for them to hide themselves behind the harmless mask of accredited foreign correspondents when as spies they ought to be risking their lives”.339 Dem britischen Generalkonsul in München wurde zunächst ein Besuch Panters verweigert, erst nach Intervention des Botschafters Eric Phipps bei Außenminister Neurath wurde eine Visite gestattet. Allerdings teilte nach kurzer Zeit der Oberreichsanwalt dem Auswärtigen Amt mit, dass die von der Politischen Polizei Bayern gegen Panter gesammelten Beweise auf keinen Fall für eine Verurteilung ausreichen würden. Diese Tatsache, in Kombination mit dem internationalen medialen Protest gegen das Vorgehen gegen Panter, sorgte im AA für ein Umdenken. Neurath erwirkte deshalb bei Hitler einen Führerentscheid, nachdem der Korrespondent aus der Haft entlassen und danach umgehend des Reiches verwiesen wurde. Ebenfalls in den Verdacht der Militärspionage geriet im Mai 1934 der Deutschland-Korrespondent des „Daily Express“, Pembroke Stephens.340 Der britische Journalist hatte sich in seiner Arbeit auf die dann noch geheime Luftrüstung des Dritten Reichs fokussiert und in seiner Zeitung einen Artikel veröffentlicht, der sich mit Details des von Göring betriebenen Aufbaus der deutschen Luftwaffe beschäftigte. Der Artikel erschien selbst anderen in Deutschland tätigen Auslandskorrespondenten sehr gewagt. Der Niederländer Noordewier vertrat die Ansicht, dass Korrespondenten in jedem Land vertrauliche militärische Informationen zu ihrer Hintergrundinformation sammeln könnten, diese aber nicht in ihren Zeitungen veröffentlichen sollten – sonst hätten sie überall mit Sanktionen der jeweiligen Regierungen zu rechnen.341 Über eben solche Sanktionen bezüglich Stephens berieten am 30. Mai 1934 Vertreter verschiedener Reichsministerien in Berlin. Justiz-, Reichswehrund Luftfahrtministerium sowie das Geheime Staatspolizeiamt forderten, Stephens vor dem in der Gründung befindlichen Volksgerichtshof wegen Landesverrats anzuklagen, das Auswärtige Amt sperrte sich jedoch gegen diese Maßnahme, um die Beziehungen zu Großbritannien nicht weiter zu belasten. Dementsprechend wurde Stephens umgehend aus Deutschland ausge339 BArch, NS 43/454 Öffentliche Erklärung Hanfstaengls, wiedergegeben in

einem Artikel der „Times“ vom 11.6.1934. Hanfstaengls Ausführungen beziehen sich auch auf den wegen Spionage belangten „Daily Express“-Korrespondenten Pembroke Stephens. 340 Für das Folgende vgl. Huttner (1995), S. 130-131 und Holzweißig (1967), S. 81. 341 Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 135. Geheimbericht Noordewiers vom 2.6.1934.

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wiesen, offiziell, weil er das Gastrecht des Deutschen Reichs grob missbraucht hatte. Aus den untersuchten Akten und Erinnerungen der Journalisten lassen sich keine weiteren Fälle im Zeitraum 1933 bis 1939 rekonstruieren, in denen ernstlich erwogen wurde, ausländische Journalisten tatsächlich wegen Spionage und Landesverrat anzuklagen. Insbesondere finden sich keine Fälle, in denen dies tatsächlich passiert wäre. Es ist zu vermuten, dass das NS-Regime hiervor im Hinblick auf die außenpolitischen Konsequenzen eines solchen Vorgehens zurückschreckte.342 Nach der Erörterung einiger Ausweisungen und deren Hintergründe sollen an dieser Stelle auch zwei Fälle erwähnt werden, in denen die NSAuslandspressefachleute eine Ausweisung erwogen, diese aber aus verschiedenen Gründen wieder verwarfen. So lehnte man im Mai 1937 im Auswärtigen Amt die Ausweisung des NZZ-Korrespondenten Reto Caratsch ab. Dessen Berichterstattung wurde zwar als „sehr kritisch“ eingestuft, unterschied sich aber „vorteilhaft von der Arbeit anderer Vertreter schweizer Zeitungen.“ Im Urteil der Presseabteilung des AA wäre es daher zu weit gegangen und hätte „nur die deutsch-schweizerischen Beziehungen stören können, wegen dieser Artikel weitere Schritte gegen Dr. Caratsch zu unternehmen“.343 Im Juni des gleichen Jahres ebenfalls durch die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes verworfen wurde die Ausweisung des „New York Times“Berichterstatters Otto D. Tolischus. Ausschlaggebend hierfür war eine Einschätzung des deutschen Generalkonsulates in New York. Dort war man der Meinung, dass die Artikel des US-Journalisten trotz Kritik am Nationalsozialismus „bei dem amerikanischen Publikum nützlich und aufklärend gewirkt haben“. Zudem ändere seine Redaktion dem Korrespondenten regelmäßig seine Texte, „sodass Tolischus nicht unbedingt für alles verantwortlich gemacht zu werden braucht, was unter seinem Namen erschienen ist.“ Die Opposition zu Tolischus‘ Ausweisung begründete das Generalkonsulat jedoch vor allem mit einem Argument: „Wenn er ausgewiesen wird, würde er voraussichtlich viel gehässiger schreiben – was um so bedenklicher wäre, als er nach seinem mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland bei dem Amerikaner als Sachverständiger für deutsche Politik angesehen wird.“344 342 So auch die Schlussfolgerung Huttners. Vgl. Huttner (1995), S. 131. 343 Vgl. PA AA, R 121664 Auswärtiges Amt an Henningsen, 28.5.1937. Caratsch

wurde schließlich im Juni 1940 wegen eines kritischen Artikels zu den sowjetisch-russischen Beziehungen aus Deutschland ausgewiesen. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 578. 344 Ebd. Deutsches Generalkonsulat New York an Auswärtiges Amt, 10.6.1937. Tolischus musste Deutschland schließlich im Frühjahr 1940 verlassen, nachdem

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Abschließend bleibt festzustellen, dass Ausweisungen von Korrespondenten nicht zwangsläufig für immer gelten mussten. So bemühte sich im April 1938 der schwedische Korrespondent Bertil Svahnström beim Auswärtigen Amt und der deutschen Gesandtschaft in Stockholm um die Aufhebung seiner Ausweisung aus Deutschland, die im Februar 1934 erfolgt war. Svahnström entschuldigte sich bei den deutschen Stellen für sein Verhalten in der Vergangenheit und gab zu, dass er 1934 „Äusserungen machte, die lieber ungesagt hätten bleiben sollen“.345 Einen Monat später wurde der Ausweisungsbefehl für Svahnström auf Hinwirkung des Auswärtigen Amtes und mit Zustimmung des Propagandaministeriums vom Geheimen Staatspolizeiamt aufgehoben.346 5.1.4 Betreuung und Information Entsprechend der von 1933 bis 1939 zahlreichen, um Einfluss auf die Auslandskorrespondenten im Dritten Reich bemühten Regierungs- und Parteistellen gab es vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Deutschland keine einheitlich koordinierte und institutionalisierte Betreuung und Information ausländischer Journalisten. Hierzu gehörte insbesondere, dass keine regelmäßigen Auslandspressekonferenzen für die Korrespondenten existierten.347 Vielmehr beschränkten sich Konferenzen für ausländische Journalisten auf besondere Anlässe oder Vorkommnisse, zu denen bestimmte deutsche Stellen den Korrespondenten spezielle Informationen mitteilen wollten. So veranstaltete das Propagandaministerium im März 1935 eine Konferenz vor etwa 100 Auslandskorrespondenten, auf der die Wiedereinführung der Wehrpflicht angekündigt wurde.348 Die Dienststelle Ribbentrop gab im November 1936 eine Auslandspressekonferenz, auf welcher der Pressesprecher der Dienststelle die Journalisten über das Antikomintern-Abkommen mit Japan informierte.349 Der Presseabteilungsleiter des Auswärtigen Amtes, Aschmann, erläuterte im Mai 1937 auf

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Goebbels persönlich seine Ausweisung befohlen hatte. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 294. PA AA, R 121667 Bertil Svahnström an Deutsche Gesandtschaft Stockholm, 6.4.1938. Vgl. Ebd., Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda an Auswärtiges Amt, 5.5.1938. Vgl. Albert (1938), S. 696. Vgl. Shirer (1941), S. 28-30. Vgl. Böschenstein (1978), S. 98-99; vgl. Shirer (1941), S. 69-70.

einer Auslandspressekonferenz deutsches Verhalten im spanischen Bürgerkrieg.350 Goebbels selbst erklärte in einer von ihm einberufenen Konferenz den versammelten Auslandskorrespondenten am 10. November 1938, dass sämtliche Berichte über das Vorgehen gegen Juden in der „Reichskristallnacht“ „erstunken und erlogen“ seien.351 Schon im März 1933 hatte sich Hermann Göring die skandinavischen Auslandskorrespondenten zu einer Konferenz ins Reichstagspräsidentenpalais bestellt „um ihnen eine Erklärung zu den gegen ihn persönlich in den sozialdemokratischen und kommunistischen Zeitungen Skandinaviens erschienenen Angriffe abzugeben“.352 Eine Pressekonferenz für Korrespondenten aller Länder gab Göring nach dem „Röhm-Putsch“.353 In der Abwesenheit regelmäßiger Pressekonferenzen spielte sich die Information und Betreuung der Korrespondenten deshalb mehrheitlich im Rahmen individueller Kontakte zwischen dem Personal der oben aufgeführten Regierungs- und Parteistellen und den einzelnen Korrespondenten ab. Zu den jeweiligen Stellen standen die Auslandsjournalisten dabei in mehr oder weniger vertrauensvollem354 und mehr oder weniger regelmäßigem, teilweise aber täglichem Kontakt.355 Im Rahmen dieser Kontaktaufnahmen wurde versucht, die Korrespondenten mit entsprechenden Informationen und teilweise auch mittels Druckausübung zur passenden Berichterstattung zu bewegen.356 Um für die Korrespondenten immer erreichbar zu sein, gab es im Propagan350 Vgl. Shirer (1941), S. 74. 351 Vgl. Lochner (1948), S. 26-27. 352 Betreffend die Einladungen gab Göring Weisung, nur Korrespondenten

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anzuschreiben, „von denen eine einigermassen sachliche Stellungnahme zu gewärtigen ist, was nicht ausschliesst, dass sich dabei solche befinden, die für linksbürgerliche Zeitungen berichten“. PA AA, R 121768 Aktenvermerk vom 23.3.1933. Vgl. Birchall (1940), S. 206-207. Weitere Anlässe, zu denen Pressekonferenzen von Staats- und Parteistellen veranstaltet wurden, finden sich auch aufgeführt bei Huttner (1995), S. 108-109. Regelmäßig brisante Neuigkeiten tauschten beispielsweise Auslandspressechef Hanfstaengl und AP-Korrespondent Lochner aus. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 354. So informierte Hanfstaengl Lochner im Juli 1934 über den bevorstehenden Tod des Reichspräsidenten Hindenburg. Vgl. Lochner (1955), S. 284. Ebenfalls in einem engeren Verhältnis scheint Herrmann Böschenstein zu Hans Keeding, Referent im Presseamt des APA, gestanden zu haben, dem er einige seiner Bücher lieh. Vgl. BArch, NS 43/313 Böschenstein an Keeding, 24.11.1937. Der Schweizer Korrespondent Böschenstein besuchte die für ihn zuständigen Referenten im AA und im RMVP offenbar täglich. Vgl. Böschenstein (1978), S. 97-98 und S. 129. Vgl. Ebd.

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daministerium außerhalb der regulären Bürozeiten in den späten Abendstunden und an Wochenenden diensthabende Mitarbeiter, die bei wichtigen Vorkommnissen telefonisch erreichbar waren.357 Schriftwechsel zwischen Korrespondenten und Regierungs- und Parteistellen zeigen, dass die Journalisten um ein positives Verhältnis zu ihren Betreuern bemüht waren, der Kontakt zu diesen also wichtig für ihre Arbeit war. So machte der dänische Korrespondent Jacob Kronika seinen Länderreferenten in der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, Bogs, im April 1933 darauf aufmerksam, dass Kronikas Zeitung eine Rede Bogs‘ beim dänischdeutschen Sport-Treffen „zum wiederholten Male erwähnt“ und darüber hinaus die Rede sogar eine „Würdigung im Rahmen eines Leitartikels“ erhalten hatte.358 Der niederländische Korrespondent Van Maasdijk entschuldigte sich im Mai 1938 bei der Presseabteilung des AA für einen sehr NS-kritischen Artikel, den seine Zeitung „Telegraaf“ abgedruckt hatte – obwohl deutlich ersichtlich war, dass ein Redakteur in der niederländischen Heimatredaktion und nicht der Korrespondent für den Text verantwortlich war. Maasdijk versicherte den Beamten, er habe seinen Chefredakteur kontaktiert und diesen gebeten, in Zukunft solcherlei extrem kritische Berichterstattung zu unterbinden. Auch gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Angelegenheit keine Folgen für ihn oder seine Zeitung haben möge.359 Die routinemäßigen Kontakte ergänzten insbesondere bei angesehenen Korrespondenten wichtiger Medien gelegentliche Treffen mit hochrangigen Vertretern aus Staat und Partei, die bei unterschiedlichen Gelegenheiten mit einzelnen Korrespondenten Hintergrundgespräche führten. So berichtet der „Havas“-Korrespondent Jouve von Gesprächen mit Göring360 und Ribbentrop,361 Propagandaminister Goebbels empfing im Februar 1935 Louis Lochner und Filippo Bojano zum Gespräch.362 Insbesondere nach der Schaffung der Achse Berlin-Rom bekamen führende italienische Korrespondenten privi357 Vgl. Albert (1938), S. 697. 358 Vgl. PA AA, R 121651 Kronika an Skandinavienreferent Bogs, 22.4.1933. 359 Vgl. Stoop (1987), S. 342. Es scheinen allgemein nicht wenige Korrespondenten

im Dritten Reich die Strategie verfolgt zu haben, sich im Kontakt mit deutschen Stellen als dem NS-Regime gegenüber mehr oder weniger wohlgesinnt zu präsentieren und dabei gleichzeitig die deutschkritische Haltung ihrer Heimatredaktion zu beklagen. Mit diesem Verhalten versuchten sie, sich auf Kosten ihrer Kollegen in ein günstigeres Licht zu rücken. Vgl. Ebd., S. 356-359. 360 Insbesondere in der Zeit um den Abschluss des Münchner Abkommens suchte Göring offenbar immer wieder den persönlichen Kontakt zu Jouve. Vgl. Jouve (1941), S. 21-22 und S. 24-25. 361 Vgl. Ebd., S. 55-56. 362 Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 3/I, S. 183 (14.2.1935).

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legierten Zugang zu führenden deutschen Persönlichkeiten. So empfing Reichspressechef Dietrich den Korrespondenten des Mussolini-Blattes „Il Popolo d’Italia“, Bojano, der gleichzeitig auch als Korrespondent der amtlichen italienischen Nachrichtenagentur „Stefani“ fungierte, während der deutsch-englischen Gespräche in Bad Godesberg 1938 spät abends im Schlafanzug in seinem Hotelzimmer, um den Journalisten mit Informationen zu versorgen.363 Jedoch blieben solcherlei Kontakte zur Führungsspitze des NS-Regimes auf Ausnahmesituationen beschränkt und schlossen nur einen sehr kleinen Kreis von Korrespondenten ein. In der Summe fühlten sich viele Korrespondenten von Seiten des Staats und der Partei unzureichend informiert, da viele amtliche Erklärungen oft jeglichen Neuigkeitswert entbehrten.364 Neben den individuellen Gesprächen mit Auslandskorrespondenten existierten von 1933 bis 1939 auch eine Reihe von mehr oder weniger regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen, welche der Information ausländischer Korrespondenten dienten. Die größten dieser Art waren Empfänge für die Auslandspresse und das Diplomatische Corps, welche das Außenpolitische Amt Rosenbergs ab Herbst 1933 zu veranstalten begann. Die Empfänge, auch Bierabende genannt, fanden in der Wintersaison monatlich im Hotel Adlon statt und hatten laut Rosenberg 350 bis 400 Gäste,365 faktische dürfte die Zahl jedoch geringer gewesen sein.366 Nach Rosenberg war der Zweck der Empfänge, „die Weltpresse fortlaufend mit führenden Persönlichkeiten der Bewegung und des Staates bekanntzumachen“ und ein „Versuch, eine menschliche Brücke zu schlagen zwischen dem Ausland und dem neuen Deutschland“.367 Vorträge hielten auf den Bierabenden unter anderem Ernst Röhm,368 Robert

363 Vgl. Bojano (1945), S. 83. Weitere Treffen Dietrichs mit Korrespondenten

schildert Krings (2010), S. 379-380.

364 Vgl. Albert (1938), S. 687. 365 Vgl. BArch NS 43/49 Kurzer Tätigkeitsbericht des Aussenpolitischen Amtes

der N.S.D.A.P nach eineinhalbjähriger Tätigkeit, ohne Datum.

366 So verzeichnet die Liste der für den Bierabend am 7.12.1933 eingeladenen Gäste

etwa 190 ausländische und 40 deutsche Gäste. Vgl. BArch, NS 43/155 Liste der Geladenen für den Vortragsabend am 7.12.1933 (Stabschef Röhm). Für einen Bierabend am 15. 2.1934 waren etwa 260 ausländische und 40 deutsche Gäste geladen. Vgl. BArch, NS 43/201 Liste der Eingeladenen zum Bierabend vom 15.2.1934. 367 BArch, NS 43/458 Ansprache von Reichsleiter Rosenberg an die Diplomaten und Pressevertreter auf dem Empfang im Hotel Adlon am 15.11.1934. 368 Vgl. BArch, NS 43/155 Kopie des Textes der Ansprache Röhms vom 7.12.1933.

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Ley,369 Walther Darré,370 Hans Frank,371 Bernhard Rust372 und Wilhelm Frick373. Die Auslandskorrespondenten besuchten Rosenbergs Bierabende regelmäßig und zahlreich, denn sie stellten eine seltene Gelegenheit dar, die Machthaber des NS-Staates und deren Mitarbeiter direkt kennenzulernen und nach den jeweiligen Vorträgen mit diesen bei Bier und Wurst informell zu konversieren.374 Auch die meisten Chefs der in Berlin ansässigen ausländischen diplomatischen Vertretungen folgten der Einladung des APA.375 Die Referenten des Presseamtes und der politischen Abteilungen des APA geleiteten die Auslandskorrespondenten bei den Empfängen an ihre Tische und erinnerten diese daran, „daß wir jederzeit bereit sind, Ihnen über Angelegenheiten, welche die Bewegung betreffen, auf Wunsch Informationen zu erteilen“.376 Zudem gab es einen Pressetisch, an dessen Personal sich die Journalisten mit Fragen wenden konnten und an dem die Reden der vortragenden Personen verteilt wurden.377 Unter den Auslandskorrespondenten war bekannt, „que ces réceptions de M. Rosenberg avaient donné lieu à quelques malentendus avec le ministère de la propagande d’une part et le ministère des affaires étrangères d’autre part“.378 Auch die überlieferten Akten zeigen, wie etwa das Auswärtige Amt Rosenbergs Einflussnahme auf die Auslandskorrespondenten zu torpedieren versuchte. Um Überschneidungen mit anderen Veranstaltungen zu vermeiden hatte das APA einen für den 1. März 1934 geplanten Bierabend mit dem Protokollchef des Auswärtigen Amtes abgesprochen und von dort die Auskunft 369 370 371 372 373 374

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Vgl. BArch, NS 43/458 Artikel aus „Le Temps“ vom 3.3.1934. Vgl. Ebd., Artikel des „Völkischen Beobachters“ vom 17.4.1934. Vgl. Lochner (1967a), S. 308. Vgl. Shirer (1941), S. 24-25. Vgl. BArch, NS 43/204 Bömer an den Reichsminister des Inneren Frick, 9.12.1933. Vgl. Böschenstein (1978), S. 35-36 und S. 61; vgl. Shirer (1941), S. 24-25; vgl. Ders. (1984), S. 180-181; vgl. Lochner (1967a), S. 308; vgl. Kalberer (1945), S. 4. Stoop kommt auf Basis seiner Recherchen zu dem Schluss, dass die Bierabende zumeist recht langweilige Veranstaltungen waren, bei denen jedoch hin und wieder – oft durch Zufälle und Missgeschicke deutscherseits – interessante Informationen abfielen. Vgl. Stoop (1987), S. 303-304. Absagen erteilten zumeist nur die Botschafter der USA, Frankreichs und Großbritanniens. Vgl. hierzu die entsprechenden Antwortschreiben der diplomatischen Vertretungen auf Rosenbergs Einladung in BArch, NS 43/201 sowie in BArch, NS 43/155. BArch, NS 43/158 Bömer an Okanouye, 29.1.1935. Vgl. BArch NS 43/9 Anordnung zum Empfang mit Reichserziehungsminister Bernhard Rust vom 12.11.1934. BArch, NS 43/458 Artikel aus „Le Temps“ vom 29.9.1934.

erhalten, für diesen Termin sei keine andere Veranstaltung geplant. Als das APA für den 1. März Einladungen verschickt hatte, veranstaltete Außenminister Neurath genau an diesem Abend ein Abendessen, sodass ein Teil der eingeplanten Gäste dem APA für den Bierabend absagte. Höchst erbost über diese „bewusste Störungsabsicht seitens des Auswärtigen Amtes gegen das Außenpolitische Amt“ schlug Presseamtsleiter Bömer Rosenberg daraufhin vor, sich beim Stellvertreter des „Führers“ über Neurath zu beschweren.379 Außer den großen monatlichen Bierabenden für Pressevertreter und Diplomaten aller Nationen organisierte das APA zudem noch kleinere Veranstaltungen, zu denen nur die Auslandskorrespondenten einer bestimmten Nation eingeladen waren. Entsprechende Zusammenkünfte fanden nachweislich mit schwedischen380 und italienischen Journalisten381 statt. Neben den Bierabenden Rosenbergs von größerer Bedeutung für die Auslandskorrespondenten im Dritten Reich war der Stammtisch der „Essener National Zeitung“, zu dem jedoch nur eine kleine Gruppe von nie mehr als 30 Journalisten zugelassen war.382 Während die Empfänge des APA vor allem dazu dienten, führende Nationalsozialisten genauer kennenzulernen, verschafften die von Redakteuren des Göring-Blattes jeden Donnerstag in einem Restaurant in der Potsdamerstraße abgehaltenen Zusammenkünfte „vertrauliche“ Informationen. Nach diesen dürsteten die ausländischen Journalisten, sonst meist mit nichtssagenden Erklärungen offizieller Stellen konfrontiert, permanent.383 Der normalerweise unter der Leitung des Berliner Bürochefs der „Essener National Zeitung“, Erich Schneyder, abgehaltene Stammtisch scheint daher in vielen Fällen eine zentrale Informationsquelle für die anwesenden Korrespondenten gewesen zu sein.384 Schneyders Vorgehensweise 379 Vgl. BArch, NS 43/204 Aktennotiz Bömers für den Chef des Amtes, ohne Da-

tum.

380 Vgl. BArch, NS 43/458 Artikel aus „Le Temps“, 29.9.1934. 381 Vgl. BArch, NS 43/155 Liste der Teilnehmer eines Empfangs für italienische

Korrespondenten am 6.7.1933. 382 Vgl. Lochner (1943), S. 241. Zu dem Stammtisch vgl. auch Stoop (1987), S. 304-

305. Stoop spricht auf Basis von Zeitzeugengesprächen mit niederländischen Teilnehmern der Runde von zwölf bis 20 anwesenden Auslandskorrespondenten. 383 Bei wichtigen politischen Vorkommnissen fanden die Korrespondenten aber teilweise auch an anderen Abenden der Woche Ansprechpartner der Zeitung am Stammtisch-Treffpunkt. Vgl. Albert (1938), S. 698. 384 Ernst Albert, bis zum „Anschluss“ 1938 Presseattaché an der österreichischen Botschaft in Berlin und Deutschland-Korrespondent der amtlichen österreichischen Nachrichtenagentur, schreibt dem Stammtisch höchste Bedeutung für die Information der Korrespondenten zu. Vgl. Ebd., S. 698-699. Lochner gibt

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war „that of imparting just as much information as he thought could be divulged without harming Nazi or state interests. He believed that a foreign correspondent, if given a frank reply to questions, would write much more intelligently than if he had to content himself with the stereotyped “Nothing known here on that point”.”385 Schneyder wagte sich so weit wie kein anderer Repräsentant des Regimes mit seinen Aussagen vor und im Gegensatz zu offiziellen Mitteilungen waren seine Aussagen in der Regel zuverlässig. So hatte Schneyder Anfang 1938 schon frühzeitig Annexionsabsichten des Reichs gegenüber Österreich zugegeben, während alle offiziellen Stellen diese vehement verneinten.386 Über Schneyder ließen die Nationalsozialisten den wichtigsten Korrespondenten in Berlin abseits offizieller Nachrichtenkanäle Informationen zufließen. Dies hatte den Vorteil, dass solche Informationen auch jederzeit bei negativer Wirkung von amtlicher Seite als falsch dementiert werden konnten.387 Zudem bot die Vertraulichkeit des Stammtisches Schneyder die Gelegenheit, in den Diskussionen einen Einblick in die Vorgänge und die Stimmung im Korps der Auslandskorrespondenten zu bekommen.388 Neben den Redakteuren der „Essener National Zeitung“ führten zuweilen im Rahmen des Stammtisches auch führende Personen des NS-Staates Hintergrundgespräche mit den Korrespondenten, bei denen die ausländischen Journalisten auch die seltene Gelegenheit hatten, kritische Fragen zu stellen und eine politische Diskussion zu initiieren.389 So fragte AP-Journalist Lochner Julius Streicher, nachdem dieser während des Stammtisches eine langatmige Hasstirade gegen Juden vorgetragen und erklärt hatte, dass kein Jude in der Lage sei, Wagner richtig zu interpretieren, warum Wagner dann einen jüdischen Kapellmeister beschäftigt habe.390 Bei Reinhard Heydrich erkundigten sich die Korrespondenten so gründlich nach angeblichen Massenhinrichtungen, der anti-christlichen Einstellung der SS und den Zuständen in Konzentrationslagern, dass dieser höchst erbost den Stammtisch verließ und sich im Nachhinein bitter über die Korrespondenten beschwerte.391

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an, der Stammtisch sei aufgrund seines Informationswertes eine Veranstaltung gewesen „that we could ill afford to miss“. Lochner (1943), S. 241. Ebd. Vgl. Albert (1938), S. 698. Vgl. Huss (1943), S. 118. Vgl. Stoop (1987),S. 305. Vgl. Ebd. Streichers Antwort lautete, dass Wagner sich der Wichtigkeit der „Judenfrage“ wohl nicht genug bewusst gewesen sei. Vgl. Lochner (1967a), S. 321, Brief Lochners vom 15.3.1938. Vgl. Huss (1943), S. 121; vgl. Lochner (1943), S. 242.

Die regelmäßigen Veranstaltungen Rosenbergs und Schneyders ergänzten unregelmäßige Geselligkeiten anderer Stellen. Im März 1935 lud Auslandspressechef Hanfstaengl zu einem Auslandspresseabend in Potsdam und besichtigte mit einigen Korrespondenten das Schloss Sanssouci. Hanfstaengl referierte über die preußische Vergangenheit, danach schaute man den Film „Der alte und der junge König“ und es wurde Musik gespielt.392 Albert Speer gab 1938 einer kleinen Gruppe von Korrespondenten eine Führung durch die Räume der neuen Reichskanzlei und erklärte deren architektonische Finessen.393 Außer solchen speziell für Korrespondenten gedachten Anlässen hatten die ausländischen Journalisten zudem Gelegenheit „am Prunk der offiziellen Veranstaltungen teilzuhaben“, da sie in großen Mengen Einladungen zu den zahlreichen Empfängen und Feiern der Berliner Gesellschaft erhielten.394 Für einen Korrespondenten war es klug, hier nicht zu vielen Einladungen eine Absage zu erteilen. Zwar waren die meisten Veranstaltungen von geringem Informationswert, aber die Journalisten riskierten bei zu regelmäßiger Abwesenheit, den Groll einer amtlichen Stelle auf sich zu ziehen, die sie dann ganz von jeder Information ausschließen konnte.395 Verschiedene Regierungs- und Parteistellen veranstalteten in den Jahren 1933 bis 1939 Informationsfahrten für Auslandskorrespondenten.396 Hierbei wurden meist Orte und Stätten besucht, mit denen die Nationalsozialisten hofften, die ausländischen Journalisten beeindrucken zu können. Dies waren in den ersten Jahren nach der „Machtergreifung“ beispielsweise Lager des Reichsarbeitsdienstes, denen die nationalsozialistische Propaganda die Eliminierung der Arbeitslosigkeit in Deutschland zuschrieb.397 Weitere Ziele von

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Vgl. BArch, NS 43/454 Artikel aus der „Kreuz-Zeitung“ vom 29.3.1935. Vgl. Jouve (1941), S. 11. Vgl. Böschenstein (1978), S. 61. Vgl. Huss (1943), S. 169. Vgl. zu diesen Fahrten auch Huttner (1995), S. 112. Vgl. BArch, R 55/21158 Meldung der „Zidovská Telegrafní Agentura“ vom 2.9.1935 über einen vom APA organisierten Besuch ausländischer Journalisten und Diplomaten in einem Arbeitsdienstlager. Vgl. auch Lochner (1967a), S. 303, Brief Lochners vom 30.6.1933. Das Interesse ausländischer Besucher am Reichsarbeitsdienst war dabei offenbar so groß, dass zunächst eine große Anzahl unterschiedlicher Stellen Besuche der Lager organisierte. Im Dezember 1933 erließ Goebbels daher einen Erlass, wonach in Zukunft nur noch das RMVP, das AA und das APA befugt waren, Besuche des Reichsarbeitsdienstes zu organisieren. Vgl. BArch, NS 43/204 Aktennotiz Keedings über ein Rundschreiben Goebbelsʼ an alle Reichsstatthalter, Ministerien, Ämter und sämtliche

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Besuchsfahrten mit Korrespondenten waren Industriezentren des Reichs wie das Ruhrgebiet. Hier versuchten die deutschen Reiseleiter, die Journalisten von der Kraft und Fortschrittlichkeit der deutschen Wirtschaft zu überzeugen – selbstverständlich unter Umgehung rüstungsrelevanter Produktionsstätten.398 Bereits wenige Wochen nach der „Machtergreifung“ drängten ausländische Journalisten zudem auf die Besichtigung eines der berüchtigten Konzentrationslager, jedoch wurden diesbezügliche Anfragen zunächst abgewiesen.399 Doch schon am 22. Mai 1933 gingen die Nationalsozialisten in die propagandistische Offensive und erlaubten einer kleinen Gruppe prominenter Korrespondenten, das KZ Sonnenburg bei Küstrin zu besuchen, damit sie sich mit eigenen Augen von der „Lügenhaftigkeit“ der „Greuelmärchen“ über die Zustände in den Lagern überzeugen konnten. Während des Besuchs bekamen die Journalisten die Wohnbaracken und Küche des KZ gezeigt und hatten auch Gelegenheit, kurz mit einigen Häftlingen zu sprechen, darunter Carl von Ossietzky. Die Häftlinge versicherten den Korrespondenten, ordentlich behandelt zu werden. Jedoch war für die ausländischen Journalisten offensichtlich, dass ihr Besuch in Sonnenburg von vorne bis hinten durchinszeniert war.400 In den Folgejahren führten die Nationalsozialisten regelmäßige Fahrten zu Konzentrationslagern ein. Für einen Besuch dort war dann lediglich ein vorheriger Antrag nötig. Dass solche Visiten aber keinen realistischen Eindruck des KZ-Lebens vermittelten, war den Korrespondenten klar.401 Größeren Betreuungsaufwand für die Auslandskorrespondenten betrieb das NS-Regime in der Vorkriegszeit bei wichtigen Großveranstaltungen. Zu diesen zählte etwa der Reichstagsbrandprozess, der am 21. September 1933 in Leipzig begann. Nachdem Propagandaministerium, Auswärtiges Amt und Gestapo in Zusammenarbeit mit dem Reichsgericht dafür gesorgt hatten, dass keine unerwünschten Korrespondenten zu dem Prozess zugelassen wurden, versuchten sie massiv, die anwesenden Journalisten zur gewünschten Berichterstattung anzuleiten und zu befähigen. Hierzu dienten 30 schalldichte Telefonkabinen und ein Sonderpostamt, die aus Anlass des Prozesses im Gerichtsgebäude eingerichtet wurden. Weiter veranstaltete das „Promi“ eine Pressekonferenz für ausländische Journalisten, auf der unter anderem Hans

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Parteistellen, 14.12.1933. Ein anderes beliebtes Besuchsziel für Auslandsjournalisten waren Adolf-Hitler-Schulen. Vgl. Huttner (1995), S. 112. Vgl. Lochner (1943), S. 242-243. Vgl. Delmer (1962), S. 206; vgl. Lochner (1943), S. 46. Vgl. Ebd., S. 46-48; vgl. Ders. (1967a), S. 300-301, Brief Lochners vom 28.5.1933. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 46-47. Geheimbericht Noordewiers aus dem August 1933.

Frank auftrat und die Unabhängigkeit des Reichsgerichts betonte. Auch suchten die Mitarbeiter der deutschen Stellen gezielt Kontakt zu ausländischen Journalisten in Leipzig, um diesen mit vermeintlich vertraulichen Informationen die deutsche Sichtweise des Prozesses einzureden.402 Der niederländische Journalist Noordewier kommentierte die Bemühungen des „Promi“ mit den Worten, das Ministerium habe in Leipzig eine „Objektivitätskomödie“ abgeliefert.403 Intensiv umsorgte das NS-Regime die ausländischen Journalisten in Deutschland ebenfalls zu den jährlich stattfindenden Reichsparteitagen, über die sich die Hitler-Propagandisten eine umfängliche internationale Berichterstattung wünschten. Diese sollte der Welt vermitteln, wie fest geschlossen das deutsche Volk mit Hitler und der Partei verbunden war. Zu diesem Zweck luden die Nationalsozialisten in den Jahren 1933 bis 1938 eine große Anzahl ausländischer Berichterstatter und die ohnehin in Deutschland tätigen Korrespondenten nach Nürnberg ein.404 Die Einladung der Korrespondenten erfolgte offenbar durch die Auslandspressestelle der Hauptgeschäftsstelle der Reichspressestelle der NSDAP in München. Sämtliche anderen Regierungsund Parteistellen konnten sich mit Einladungsvorschlägen an die Auslandspressestelle wenden.405 Für den Reichsparteitag 1938 offerierten die Nationalsozialisten etwa 200 Korrespondenten und ausländischen Journalisten einen Besuch in Nürnberg.406 Für diese war während der Veranstaltung bestens ge402 Die entsprechenden hierüber Auskunft gebenden Akten befinden sich im

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Archiv der Hoover Institution in Stanford, Kalifornien und wurden von Härtel für die Biographie Wilfrid Bades ausgewertet. Vgl. Härtel (2004), S. 56-57. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 78, Geheimbericht Noordewiers vom 30.9.1933. Betreffend die Berichterstattung ausländischer Journalisten über die Reichsparteitage liegt eine von Kießling und Schöllgen herausgegebene Studie vor, welche Presseberichte aus sechs Ländern Europas sowie den USA umfasst. Das Resultat dieser Untersuchung lautet, dass Auslandsjournalisten teils begeistert, teils kritisch über das nationalsozialistische Spektakel in Nürnberg berichteten. Vgl. Kießling/Schöllgen (Hrsg.) (2006). Vgl. BArch, NS 42/30 Nachtragsliste über die einzuladenden ausländischen Journalisten, übersandt von der Dienststelle des Beauftragten der NSDAP für außenpolitische Fragen (Luther) an den Reichspressechef der NSDAP, 5.8.1938. Vgl. auch Huttner (1995), S. 88, Anm. 14. Die größten Gruppen unter den eingeladenen Journalisten waren Berichterstatter aus Frankreich (23), Großbritannien (20), den USA (16), Italien (15) und den Niederladen (10). Vgl. Ebd. Liste der zum Reichsparteitag 1938 eingeladenen ausländischen Journalisten. Die Nationalsozialisten achteten dabei darauf, keine offen NS-kritischen Journalisten einzuladen. Schrieb ein Korrespondenten negativ über seine Erlebnisse in Nürnberg, so wurde er im folgenden Jahr nicht mehr eingeladen. Vgl. Urban (2007), S. 180-181.

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sorgt. Schon am Bahnhof in Nürnberg wurden sie abgepasst, in die Stadt geleitet und bekamen in einem Hotel Zimmer407 zugeteilt. Dazu erhielten die Journalisten Presseausweise,408 Stadtpläne und Veranstaltungsprogramme verteilt und Ansprechpartner in ihrer Landessprache zur Seite gestellt.409 Für prominente Korrespondenten gab es zudem Gelegenheit, ganz nah an Hitler heranzukommen. Bei den triumphalen Rundfahrten des Diktators im offenen Wagen durch die Straßen Nürnbergs, bei denen jubelnde Menschenmassen die Straßenränder säumten, fuhr eine kleine Gruppe der führenden Korrespondenten im Auto direkt hinter Hitlers Wagen, um die ganze Begeisterung der Massen für ihren „Führer“ miterleben zu können.410 Zudem wurde während der Reichsparteitage etwa ein Dutzend der prominentesten Korrespondenten von Hitler auf der Nürnberger Burg empfangen.411 Dies waren 1938 die Vertreter der Großen Agenturen AP, UP, INS, „Havas“ und „Reuter“ sowie die Berichterstatter führender Zeitungen Frankreichs, Englands, Italiens, Japans, Belgiens, Polens und Schwedens. Die Namensliste für den Empfang wurde Hitler vorgelegt und musste von diesem persönlich abgesegnet werden.412 Jedoch hofften die Korrespondenten bei dieser Veranstaltung vergeblich, politische Aussagen von Hitler zu erhalten. Stattdessen erklärte Hitler den Korrespondenten auf dem Balkon der Burg seine Umbaupläne für Nürnberg.413 Eine kleine Gruppe von Korrespondenten empfing Hitler auch während des Reichsparteitages 1936 im Hotel „Deutscher Hof“ zu einer kurzen Teestunde, doch machte er hier ebenfalls keine politischen Bemerkun407 Die Unterbringung war wegen des großen Ansturms auf die Nürnberger Hotels

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allerdings nicht immer komfortabel. Vgl. Bojano (1945), S. 79. Teilweise schliefen die Journalisten in Doppelzimmern, teilweise in Einzelzimmern. Zumeist waren ihre Hotelräume mit Telefonen ausgestattet, um den Berichterstattern schnelles Kommunizieren zu ermöglichen. Auch Sonderwünsche prominenter Journalisten für ein „ruhiges nach rückwärts gelegenes Zimmer“ wurden beachtet und AP-Korrespondent Lochner konnte seinen Sohn in seinem Hotelzimmer unterbringen. Vgl. Ebd. Zimmerreservierungen der Auslandspressestelle im Hotel Württemberger Hof für den Reichsparteitag 1938. Ein Foto von William Shirers Presseausweis für den Reichsparteitag 1937 findet sich in Shirer (1984), S. 167. Vgl. Birchall (1940), S. 145. Das Betreuungspersonal vor Ort in Nürnberg wurde von verschiedenen Staats- und Parteistellen gestellt. Vgl. Jouve (1941), S. 76; vgl. Lochner (1967a), S. 312, Brief Lochners vom 13.10.1934. Vgl. Huss (1943), S. 115. Vgl. BArch, NS 42/30 Liste der ausländischen Journalisten für den FührerEmpfang auf der Burg, Sonntag, d. 11.9., 10 Uhr (1938). Vgl. Bojano (1945), S. 79-80; vgl. Jouve (1941), S. 4-5.

gen.414 Für den Rest der Korrespondenten veranstalteten die Nationalsozialisten während der Reichsparteitage eine Reihe von anderen Empfängen, in deren Verlauf sie Vorträge führender Vertreter des Regimes zu hören bekamen.415 Insgesamt fanden die Korrespondenten in Nürnberg also beste Arbeitsbedingungen und eine zuvorkommende Behandlung vor. Allerdings kam es auch zu peinlichen Zwischenfällen für die NS-Organisatoren, etwa wenn SA-Leute bei Reden und Paraden mit Gewalt anwesende ausländische Journalisten zum Hitlergruß zwingen wollten.416 Wirkungsvollstes Instrument der Informationsvermittlung an Korrespondenten in Deutschland und gleichzeitig ein ebenso effektvolles Beeinflussungsmittel der Weltöffentlichkeit waren Interviews, die Hitler ausländischen Journalisten erteilte. Bereits am 3. Februar 1933 gab Hitler AP-Korrespondent Louis Lochner ein kurzes exklusives Interview,417 unmittelbar daran anschließend empfing er die Berliner Vertreter der wichtigsten US-amerikanischen und britischen Medien und erklärte dort unter anderem, er „appelliere an die Weltpresse, kein voreiliges Urteil über die Ereignisse, die jetzt ablaufen, zu fällen“ und die Taten seiner neuen Regierung „in ihrer Gesamtheit zu nehmen und nicht etwa in isolierte Teilabschnitte zu zerpflücken“.418 Für die Folgezeit der NS-Diktatur mussten die Berliner Korrespondenten jedoch zwei für sie unerfreuliche Feststellungen machen. Erstens gab Hitler nur wenige Interviews419 und zweites erteilte er diese oft nicht den fest in Deutschland ansässigen Auslandskorrespondenten, sondern prominenten ausländischen Journalisten und Sonderkorrespondenten, die nur für ihr Interview mit Hitler nach Deutschland kamen.420 Vgl. Kalberer (1945), S. 19-21. Vgl. Böschenstein (1978), S. 74; vgl. Schultz (1944), S. 136. Vgl. Urban (2007), S. 181-182. Ein weiteres Interview erhielt Lochner am 21.2.1933. Vgl. PA AA, R 121767 Lochner an Puttlitz, 21.2.1933. 418 BArch, R 43-II/474 Meldung Wolffs Telegraphisches Büro vom 3.2.1933. 419 Eine ausführliche, jedoch nicht vollständige Listung der Interviews, die Hitler vor Kriegsausbruch 1939 mit ausländischen Journalisten führte, enthält Jacobsens Chronik zur nationalsozialistischen Außenpolitik 1933 bis 1938. Vgl. Jacobsen (1968), S. 765-841. 420 Der bekannteste Sonderkorrespondent dieser Art war George Ward Price von der Londoner „Daily Mail“, über dessen zahlreiche Treffen und Interviews mit Hitler und anderen führenden NS-Politikern zwei von ihm verfasste Bücher Auskunft geben. Vgl. Price (1937); vgl. Ders. (1957). Aufgrund der prodeutschen Haltung Prices und seiner von Lord Rothermere geführten Zeitung, die ihm den Kontakt zur NS-Führung ermöglichten, hatten viele in Berlin fest stationierte Diplomaten und Korrespondenten jedoch nur Verachtung für Price übrig. So nennt Shirer Price und die „Daily Mail“„a wonderful Nazi mouth414 415 416 417

117

Im Folgenden soll kurz geschildert werden, wie die NS-Führung HitlerInterviews an die fest in Berlin tätigen Korrespondenten vergab. Wollte ein Journalist ein Interview mit Hitler führen, so wandte er sich in der Regel an eine oder mehrere der mit der Betreuung ausländischer Korrespondenten beschäftigten Institutionen, zu denen er in guten Beziehungen stand. Dort bat er, seine Interviewanfrage an die Reichskanzlei weiterzuleiten. Nachweislich auf diese Art und Weise vermittelten das Propagandaministerium,421 das Auswärtige Amt,422 das Außenpolitische Amt,423 die Dienststelle Ribbentrop424 und Auslandspressechef Hanfstaengl425 Interviews mit Hitler.426 Dabei nahmen sie zunächst eine Prüfung der Eignung des Korrespondenten vor. Erschien ihnen der Journalist zweckdienlich, so befürworteten sie ein Interview mit Nachdruck, denn je mehr Interviews man mit Hitler vermittelte, desto höher war das Prestige bei den Korrespondenten. So erklärte der Leiter des Presseamtes des APA, Bömer, dem Adjutant Hitlers Fritz Wiedemann, er rate dringend zu einem Interview Hitlers mit dem japanischen Korrespondenten Minoo Kato, da es sich bei diesem „um einen in jeder Weise zuverlässigen Journalisten“ und bei seiner Zeitung „um eines der weitestverbreiteten Blätter“ in Japan handele. Ein Interview Rosenbergs mit Kato sei in der Vergangenheit „in ausgezeichneter Weise“ verlaufen.427 Nach dem Gesamteindruck aus den Akten ließ die Reichskanzlei jedoch bei weitem nicht jeden ihr vorgeschlagenen Korrespondenten für ein Interview mit Hitler zu. Viele Anfragen wurden ganz abgelehnt,428 in einigen Fällen war Hitler bereit, den betreffenden Journalisten kurz zu empfangen, allerdings ohne Interview.429

421 422 423 424 425 426

427 428 429

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piece“. Shirer (1941), S. 28. Eine ähnliche Einschätzung zu Price gibt auch der französische Boschafter François-Poncet. Vgl. François-Poncet (1946), S. 226. Vgl. Oechsner (1943), S. 55. Vgl. PA AA, R 121771 Lammers an Auswärtiges Amt, 30.11.1934. Vgl. BArch, NS 43/158 Bömer an Ministerialrat Thomsen, 5.1.1935; vgl. Ebd. Bömer an Wiedemann, 3.5.1937. Vgl. Oechsner (1943), S. 53-58. Vgl. Ebd., S. 50; vgl. Hanfstaengl (1970), S. 358. Teilweise wandten sich Korrespondenten, die über gute Beziehungen zur NSFührung verfügten, auch direkt mit einer Anfrage an die Reichskanzlei, jedoch war dies weniger gerne gesehen. So stellte man dort zu einer Anfrage des japanischen Korrespondenten Okanouye fest, dieser richte „seinen Antrag unmittelbar an den Führer und Reichskanzler, obwohl er wissen müßte, daß dieser Weg nicht der korrekte ist“. BArch, R 43-II/470 Vermerk Thomsen vom 26.11.1934. Vgl. BArch, NS 43/158 Bömer an Wiedemann, 28.11.1936. So etwa Bömers Anfrage für Kato. Vgl. Ebd. Meerwald an Bömer, 18.12.1936. Vgl. BArch, R 43-II/475 Wiedemann an Meerwald, 5.2.1937; vgl. Oechsner (1943), S. 56.

Wurde ein Korrespondent von der Reichskanzlei für ein Interview vorgelassen, bestellten die vermittelnden Stellen die Korrespondenten teilweise zu Vorgesprächen über den Ablauf des Interviews ein.430 Auf jeden Fall hatten die Journalisten im Vorhinein eine Liste ihrer Fragen an Hitler in schriftlicher Form einzureichen, diese wurden von der Reichskanzlei bei Beanstandungen abgeändert oder gestrichen.431 Teilweise wurden die Antworten Hitlers im Vorfeld des eigentlichen Interviews festgeschrieben.432 Am Tag des Interviews erschien der betreffende Auslandskorrespondent dann in Begleitung eines Vertreters der Stelle, über die das Interview vermittelt worden war, in der Reichskanzlei oder dem für das Interview verabredeten Ort. Hitler beantwortete die Fragen der Journalisten frei und in teilweise weitschweifigen Ausführungen, neben den Korrespondenten machten sich auch die deutschen Vertreter Notizen zu dem Gespräch.433 Je nach Abmachung schrieben die Journalisten den Text des Interviews danach selbst und legten ihn nochmals zur Kontrolle vor, oder der Text wurde unter direkter Einbeziehung von Vertretern der Stelle, die das Interview vermittelt hatten, verfasst.434 Es war auch möglich, dass die Korrespondenten unabhängig von den von Hitler während des Interviews gesagten Worten nach dem Interview einen Text mit der offiziellen Version des Gesprächs überreicht bekamen.435 Nach der Veröffentlichung des Interviews wurde deutscherseits genau festgehalten, ob der Text mit den Vereinbarungen übereinstimmte und welche Publizität das Interview im betreffenden Land erhielt.436 Aus den Akten lässt sich ersehen, nach welchen Kriterien Interviews an die Auslandskorrespondenten vergeben wurden. Den deutschen Stellen war zunächst wichtig, dass es sich bei dem jeweiligen Journalisten um den Vertreter eines Mediums handelte, welches dem Nationalsozialismus freundlich oder jedenfalls neutral gegenüberstand. Weiter wurden Interviews in der Regel nur an prominente Journalisten reichweitestarker Medien vergeben, bei denen man mit einer weiten Verbreitung des Interviews rechnen konnte. Dabei war man bemüht, kein Medium einseitig zu bevorteilen, sondern die In430 Vgl. PA AA, R 121771 Rohde an Okanouye, 5.12.1935. 431 Wichtig war betreffend der Fragen, „daß der Führer das Gespräch leitet und

nicht umgekehrt“. BArch, R 43-II/470 Vermerk Thomsen, 7.1.1935. 432 Vgl. PA AA, R 121771 Lammers an Auswärtiges Amt, 30.11.1934. 433 Eine Reihe von Korrespondenten schildert den konkreten Ablauf ihrer Inter-

views mit Hitler. Vgl. Huss (1943), S. 14-16; vgl. Oechsner (1943), S. 50-53 und S. 57-58; vgl. Kaltenborn (1967), S. 284-290. 434 Vgl. Oechsner (1943), S. 51-53. 435 Vgl. BArch, R 121767 Lochner an Puttlitz, 21.2.1933. 436 Vgl. BArch R 43-II/474a Deutsche Botschaft Paris an Auswärtiges Amt, 2.3.1936.

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terviews gerecht zu verteilen.437 Schließlich brauchte es einen geeigneten Anlass, der es sinnvoll machte, dass Hitler sich per Interview mit einer bestimmten Botschaft an die Öffentlichkeit bestimmter Länder wandte. Letztendlich waren die Interviews somit ein Propagandamittel der Nationalsozialisten, bei dem sich das Regime der Korrespondenten als Überbringer von Hitlers Propagandabotschaften bediente. Dies gab Ministerialrat Thomsen aus der Reichskanzlei gegenüber dem Berliner „Reuter“-Korrespondenten Gordon Young auch indirekt zu, als er ihm eine negative Rückmeldung auf eine Interviewanfrage gab: „Sollte der Herr Reichskanzler bei späterer Gelegenheit den Wunsch haben, seine Ansichten über eine bestimmte aussenpolitische Frage durch Vermittlung der ausländischen Presse bekanntzugeben, so glaube ich, dass er die Dienste Ihrer Agentur gern in Anspruch nehmen wird.“438 5.1.5 Organisation der Auslandskorrespondenten Ausgehend von der Situation während der Weimarer Republik teilten sich die Korrespondenten nach der „Machtergreifung“ in zwei Lager, die durch zwei unterschiedliche Berufsverbände repräsentiert waren.439 Wie oben ausgeführt existierten in der Reichshauptstadt der „Verein der Ausländischen Presse zu Berlin“ und der „Verband Ausländischer Pressevertreter zu Berlin“, deren Unterschied der Leiter der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, Aschmann, im Dezember 1933 wie folgt erklärte: „Der hiesige Verein hat zu Mitgliedern die westlichen Nationen, einschließlich England, U.S.A., die ehemalige Entente dominiert, große Blätter und Agenturen, die ihre Vertreter gut bezahlen. Zahlenmäßig größer ist der Verband mit den östlichen Vertretern, bescheiden in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen, vom Verein von oben herab angesehen.“440 Beide Organisationen spielten laut Aschmann in der Vorkriegszeit für die amtlichen deutschen Stellen eine wichtige Rolle, denn der „Verkehr mit den ausländischen Journalisten – bei Klagen von diesen, oder Wünschen auf unserer Seite – geht im übrigen in allen einschlägigen Fragen entweder über den Verein oder den Verband, je nachdem welcher 437 Vgl. BArch, R 43-II/474 Hanfstaengl an Thomsen, 12.1.1935; vgl. auch BArch,

R 43-II/474a Aktenvermerk der Reichskanzlei vom 21.11.1936.

438 Ebd. Thomsen an Young, 8.5.1933. 439 Zur Organisation der Auslandspresse im Berlin der Weimarer Zeit vgl. Kapitel

3.2 der vorliegenden Arbeit.

440 PA AA, R 121608 Aschmann an Passarge, 19.12.1933 (Hervorhebungen im Ori-

ginal).

120

Gruppe der Betreffende angehört.“441 Auch wenn die Archive der beiden Berufsvertretungen den Zweiten Weltkrieg offenbar nicht überstanden haben, so lassen sich deren Aktivitäten und Umgang mit der nationalsozialistischen Diktatur doch partiell aus anderen Quellen rekonstruieren.442 Unmittelbar nach dem 30. Januar 1933 kam es zu scharfen Konflikten zwischen dem Verein der Ausländischen Presse und der deutschen Regierung. Dies lag einerseits an der kritischen Berichterstattung vieler Mitglieder des Vereins über die nationalsozialistische „Revolution“. Presseabteilungsleiter Aschmann erklärte hierzu einem italienischen Bekannten, die „Begriffe der Pressefreiheit gehen in diesem von England – U.S.A. – Frankreich beherrschten Gremium allzuweit“ und seien nicht weiter tolerierbar.443 Andererseits war der seit Ende Januar 1933 amtierenden Präsident des Vereins, der Korrespondent der „Chicago Daily News“, Edgar Ansel Mowrer,444 ein rotes Tuch für Regierung und Partei. Der US-Journalist hatte im Dezember 1932 „Germany puts the clock back“445 veröffentlicht. In diesem Buch ging er scharf mit den deutschen konservativen Kreisen und der Aushöhlung der Weimarer Demokratie ins Gericht und hatte damit „in ganz Amerika das Stichwort für die dem Nationalsozialismus feindliche Einstellung gegeben“.446 Das Auswärtige Amt teilte Mowrer deshalb auf inoffiziellem Weg mit, dass er aufgrund des Buches von seinem Posten als Präsident des Vereins der Auslandspresse zurücktreten solle, „um das gute Verhältnis zwischen dem Verein und der Reichsregierung nicht zu beeinträchtigen“.447 Der Verein werde so lange von der Regierung boykottiert, bis Mowrer sein Amt niedergelegt habe.448 Mowrer versuchte sich gegen diese Repressionsmaßnahme zu wehren. Auf Bitte des Korrespondenten intervenierte der US-Botschafter Frederic M. Sackett bei Außenminister Neurath. Dies konnte zu keinem Erfolg führen, da Neurath selbst der Initiator des Vorgehens gegen den US-Korrespondenten war.449 Daraufhin bat Mowrer gemeinsam mit seinem Kollegen Hubert Renfro Knickerbocker um eine Vorsprache bei Propagandaminister Goebbels. Dieser ließ die zwei Journalisten beim verabredeten Termin eine Weile in sei441 Ebd. 442 Dies ist in der vorhandenen Literatur bisher nur teilweise und in Ausschnitten 443 444 445 446 447 448 449

geschehen. Vgl. Stoop (1987), S. 323-328. Vgl. PA AA, R 121608 Aschmann an Passarge, 19.12.1933. Vgl. BArch, R 43-I/2482 Mowrer an Reichskanzler von Schleicher, 23.1.1933. Vgl. Mowrer (1932). BArch, R 43-II/472 Neurath an Lammers, 1.6.1933. Ebd. Vgl. Mowrer (1937), S. 296. Vgl. BArch, R 43-II/472 Neurath an Lammers, 1.6.1933.

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nem Vorzimmer warten, um ihnen dann in einer kurzen Besprechung mitzuteilen, dass er keine Absicht habe, etwas zugunsten Mowrers zu unternehmen.450 Resigniert berief Mowrer daraufhin eine Generalversammlung des Vereins ein und bot seinen Rücktritt an. Die Korrespondenten diskutierten dort sogar die Möglichkeit einer Selbstauflösung ihres Vereins, eine Idee, die allerdings vor allem auf Intervention der niederländischen und skandinavischen Korrespondenten verworfen wurde.451 In der Versammlung formierte sich starke Unterstützung für Mowrer, insbesondere der Korrespondent des MussoliniBlattes „Il Popolo d’Italia“, Filippo Bojano, sprach sich für Mowrer aus. Mit sieben Gegenstimmen und drei Enthaltungen wurde das Rücktrittsgesuch des US-Journalisten daraufhin vom Rest der Vereinsmitglieder zurückgewiesen.452 In den Augen Neuraths konnte „dieses Verhalten nur als eine Herausforderung der Reichsregierung angesehen werden“.453 Auch die Tatsache, dass Mowrer im Frühjahr 1933 der Pulitzerpreis für seine Auslandsberichterstattung aus Deutschland im Jahr 1932 verliehen wurde, trug in keiner Weise dazu bei, die deutsche Regierung zu besänftigen.454 Als der Verein im Mai 1933 bei der Reichsregierung vorfühlte, ob wie in den Jahren der Weimarer Republik der Reichskanzler und die Reichsminister zu einer Teilnahme am Jahresbankett des Vereins im Hotel Adlon bereit wären,455 intervenierte Neurath bei der Reichskanzlei und erklärte, „daß eine Beteiligung der Mitglieder des Reichskabinetts nicht in Frage kommen kann, solange Herr Mowrer im Verein der Ausländischen Presse den Vorsitz führt“.456 Der Verein erhielt daraufhin eine schroffe Absage der Reichskanzlei457 und alle anderen Mitglieder der Reichsregierung die Order, keinerlei Veranstaltungen des Vereins zu besuchen.458 Auf dem Bankett Anfang Juni erschienen seitens der deutschen Stellen nur der Berliner Bürgermeister Sahm und Reichsbankpräsident Schacht. Auch aus der Reihe des eingeladenen Diplomatischen Corps hatte es auf Druck der Reichsregierung einige Absagen 450 Vgl. Mowrer (1937), S. 296-297. 451 Vgl. Bojano (1945), S. 50; vgl. auch Stoop (1987), S. 324. 452 Vgl. Mowrer (1937), S. 297-298. Bojano nennt Mowrer in seinen Erinnerungen

453 454 455 456 457 458

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„a journalist of the finest democratic type” und “a courageous writer”. Bojano (1945), S. 49. BArch, R 43-II/472 Neurath an Lammers, 1.6.1933. Vgl. Mowrer (1937), S. 298. Vgl. BArch, R 43-II/472 Verein der ausländischen Presse zu Berlin an Staatssekretär Lammers, 29. 5.1933. Ebd. Neurath an Lammers, 1.6.1933. Vgl. Ebd. Lammers an Verein der Ausländischen Presse zu Berlin, 2.6.1933. Vgl. Ebd. Lammers an Neurath, 2.6.1933.

gegeben.459 Auf dem Bankett erinnerte Schacht in einer kurzen Ansprache die Korrespondenten daran, keine Meinungen, sondern Fakten zu berichten, worauf Mowrer in seinem Grußwort erwiderte, dass gerade dies im Gegensatz zum deutschen Journalismus eine Grundmaxime des US-Journalismus sei.460 Im August 1933 kam es dann doch zum Rücktritt Mowrers, den dieser als Gegenleistung für die Freilassung des verhafteten österreichischen Korrespondenten der „Wiener Freien Presse“, Goldmann, den deutschen Stellen angeboten hatte.461 Zu diesem Zeitpunkt hatte Mowrer mit seinem Arbeitgeber, der „Chicago Daily News“, bereits seine Versetzung nach Japan ausgemacht. Anfang September verließ er Berlin einige Wochen früher als geplant, nachdem ihm das Auswärtige Amt mitgeteilt hatte, man könne für seine Sicherheit in Deutschland nicht länger garantieren.462 Neuer Präsident des Vereins der Ausländischen Presse wurde als Nachfolger Mowrers der „Times“-Korrespondent Norman Ebbutt.463 Dieser hoffte, nach dem Abtritt seines US-Kollegen ein besseres Verhältnis zur Reichsregierung herstellen zu können und war damit zunächst auch scheinbar erfolgreich. Zwar erhielt er auf seine Bitte, als Vereinspräsident bei Hitler vorsprechen zu dürfen, eine negative Antwort,464 doch wurde der amtliche Boykott des Vereins aufgehoben. Im September 1933 kam es zu einem gemeinsamen Mittagessen des Vereins mit Propagandaminister Goebbels, in dessen Verlauf dieser gegenüber Louis Lochner scherzte, er sei froh um die Präsenz der Auslandspresse in Berlin, da ihm die Opposition als Sündenbock weggefallen sei.465 Im Oktober 1933 empfing Goebbels Vereinspräsident Ebbutt dann persönlich. Der Minister schien an einem besseren Verhältnis zur Auslandspresse ernsthaft interessiert und notierte am 10. Oktober 1933 über das Treffen mit dem britischen Korrespondenten in sein Tagebuch: „Mister Ebbutt von der Times. Ich bahne ein neues Verhältnis zu den Berliner Auslandskorrespondenten an. Ich glaube, es wird mir gelingen.“466 Am 17. Oktober kam es zu einem Empfang des Vereins, bei dem Neurath eine Ansprache hielt, nach Goebbelsʼ Meinung ein guter Auftritt des Außenministers, nur „etwas Holzhacker“.467 Daran anschließend fand eine Diskussion unter Lei459 460 461 462 463 464 465 466 467

Vgl. Mowrer (1937), S. 298. Vgl. Ebd., S. 299. Vgl. hierzu oben, S. 90. Vgl. Mowrer (1937), S. 307. Vgl. BArch, R 43-II/472 Ebbutt an Reichskanzler Adolf Hitler, 14.9.1933. Vgl. Ebd. Thomsen an Ebbutt, 18.9.1933. Vgl. Lochner (1967a), S. 306, Brief Lochners vom 12.11.1933. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 2/III, S. 288 (10.10.1933). Ebd., S. 293 (17.10.1933).

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tung des Propagandaministers statt, mit deren Verlauf Goebbels ebenfalls recht zufrieden war: „Die Journalisten haben großes Vertrauen zu mir. Einen Franzosen, Ravoux, bürste ich ab, weil er unverschämt wird. Er entschuldigt sich nachher.“468 Am 28. Oktober trafen sich der Verein der Ausländischen Presse und Goebbels erneut zu einem Frühstück, das gleichfalls Goebbelsʼ Wohlwollen gegenüber dem Verein hervorrief. „Ich genieße dort großes Vertrauen. Ebbut spricht sehr loyal. Ich werde mit Händeklatschen empfangen. Und rede kurz und gut.“469 Hatte die Reichsregierung das Bankett des Vereins der Auslandspresse im Juni 1933 noch fast geschlossen boykottiert, so erschienen zum traditionellen Ball des Vereins am 24. November einige hochkarätige deutsche Vertreter wie Außenminister Neurath und Vizekanzler Papen.470 Hitler ließ sich jedoch für den Ball entschuldigen und erschien dort im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht.471 Zu einer weiteren Annäherung zwischen Verein und Propagandaminister Goebbels kam es am 28. Februar 1934. War bis jetzt nur Goebbels auf Einladungen des Vereins eingegangen, so lud nun der Propagandaminister die Vereinsmitglieder zu einem Empfang in sein Ministerium ein. Jedoch empfand es Louis Lochner, seit Anfang 1934 neuer Präsident des Vereins, als brüskierend, dass zu dem Empfang ohne Vorankündigung auch das Diplomatische Corps eingeladen wurde.472 In seiner Ansprache473 an 200 bis 300 Korrespondenten und Diplomaten betonte Goebbels, dass er sich „ein besseres und fruchtbareres Sichkennenlernen“ und einen „zielstrebigen Gedankenaustausch“ mit den Korrespondenten wünsche.474 Er gab an, es habe im ersten Jahr der nationalsozialistischen Regierung einige „Missverständnisse“ zwischen Korrespondenten und Reichsregierung gegeben.475 Goebbels rechtfertigte das scharfe Vorgehen der Nationalsozialisten gegen einige Korrespondenten damit, dass diese „unsere Absichten vor der Öffentlichkeit der Welt 468 Ebd. 469 Ebd., S. 300 (28.10.1933). 470 Ebenfalls anwesend waren die Botschafter der USA, Frankreichs und Groß-

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474 475

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britanniens und fast das gesamte Diplomatische Corps Berlins. Laut US-Botschafter Dodd war der Ball trotzdem eine langweilige Angelegenheit. Vgl. Dodd/ Dodd (Hrsg.) (1963), S. 80. Vgl. BArch, R 43-II/472 Meerwald an Verein der Ausländischen Presse, 9.11.1933. Vgl. Lochner (1955), S. 247. Die 1934 in einem Buch mit insgesamt 25 gesammelten Goebbels-Reden veröffentlichte Ansprache trägt dort den bezeichnenden Titel „Für den Frieden der Welt“. Vgl. Goebbels (1934), S. 345-352. Vgl. Ebd., S. 345. Vgl. Ebd., S. 346.

zu diskreditieren“ versucht hätten.476 Gleichzeitig belehrte er die Journalisten, die revolutionären Veränderungen Deutschlands könnten nicht mit alten Maßstäben bewertet werden. „Das bedeutet für die Mehrzahl der in Deutschland tätigen Auslandsjournalisten ein Umlernen in vieler Beziehung“. Die Korrespondenten müssten sich in die neuen Umstände in Deutschland einfühlen, diese verstehen, dann erst könnten sie objektiv berichten.477 Abschließend forderte Goebbels die Journalisten auf, in Zukunft mit ihrer Berichterstattung keine Zwietracht, sondern friedliche Verständigung zwischen den Nationen zu fördern. „Sie tun damit dem kommenden, besseren Europa einen Dienst von unabmeßbarem Wert.“478 Lochner, der Goebbelsʼ Rede als eine „Verherrlichung des nationalsozialistischen Regierungssystems“ betrachtete, betonte in seiner Antwort an Goebbels den demokratischen Charakter seines Vereins und ließ durchblicken, dass er über die unerwartete Anwesenheit des Diplomatischen Corps durch eine undichte Stelle im Propagandaministerium schon im Vorhinein informiert worden war.479 Während die Korrespondenten folglich von Goebbelsʼ Auftritt wenig begeistert waren, empfand der Propagandaminister das Treffen als großen Erfolg und notierte in sein Tagebuch: „Tee AP. Alle Diplomaten da. Und 300 Gäste. Ich halte mit großem Erfolg meine Rede. Brücke wieder hergestellt. Lochner dankt herzlich. Große Diskussion mit den Journalisten.“480 Nach dem Empfang bei Goebbels verbesserte sich das Verhältnis zur Reichsregierung weiter. Ab März 1934 veranstaltete der Verein eine Reihe von Abendgesellschaften, die jeweils dem Arbeitsfeld eines Reichsministeriums gewidmet waren. Zu den Gesellschaften erschienen regelmäßig Minister, Staatssekretäre, Abteilungsleiter oder Pressereferenten und beantworteten Fragen zu ihrem Aufgabenbereich. Die Abende waren laut Lochner „recht aufschlussreich, dürften aber keinen von uns zum Nationalsozialismus bekehrt haben“.481 Jedoch bekam Vereinspräsident Lochner direkt im März 1934 wieder einen Dämpfer, als er die Reichsregierung und Hitler zum alljährlichen Bankett der Auslandspresse einlud. Lochner, offensichtlich sehr 476 477 478 479 480 481

Vgl. Ebd., S. 348. Vgl. Ebd., S. 350. Ebd., S. 352. Vgl. Lochner (1955), S. 248-249. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 2/III, S. 380 (2.3.1934). Lochner (1955), S. 249. Zu den Gästen gehörten unter anderem Neurath, Goebbels, Göring und Werner von Blomberg. Während der Abende verteilten sich die Korrespondenten an verschiedenen Tischen, wobei jeder Tisch einen deutschen Gesprächspartner zugeteilt bekam. Vgl. Ders. (1943), S. 220.

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auf ein Übereinkommen mit der Reichsregierung aus, offerierte Hitler, sich terminlich mit dem Bankett nach seinen Wünschen zu richten und bat den Reichskanzler um eine außenpolitische Ansprache für die Veranstaltung. Der AP-Korrespondent betonte: „Ich glaube, Sie werden aus meiner kurzen Amtsführung entnommen haben, dass mir außerordentlich viel daran liegt, verständnisvolle Beziehungen zwischen der Reichsregierung und den aus ca. 25 Ländern der Erde hier akkreditierten Auslandskorrespondenten anzubahnen.“ Die Anwesenheit Hitlers bei dem Bankett wäre die „Krönung“ seiner Bemühungen um eine Aussöhnung.482 Doch Hitler und die anderen Mitglieder der Reichsregierung sagten ihre Teilnahme ab, zum Bankett erschien nur Hans Heinrich Dieckhoff, der Leiter der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes.483 In seiner Ansprache zum Bankett zitierte Lochner mit einiger Genugtuung Propagandaminister Goebbels selbst. Dieser hatte in einem Artikel im „Angriff“ kurz zuvor gegen die Ausweisung eines deutschen Journalisten aus Rumänien protestiert und betont, der Journalist habe das Recht gehabt, auch Unangenehmes über sein Gastland zu schreiben. Lochner griff dieses Argument auf und unterstrich, er könne Goebbels in diesem Punkt nur zustimmen.484 Einen weiteren Tiefschlag versetzten die Nationalsozialisten den Auslandskorrespondenten und damit auch dem Verein der Ausländischen Presse in Berlin nach dem „Röhm-Putsch“ im Juni 1934, als Goebbels wie oben erwähnt die Berichterstattung der Korrespondenten über die Morde mit schärfsten Worten angriff.485 In den Folgejahren bis Kriegsausbruch, zu denen leider keine Akten überliefert sind, blieb das Verhältnis zwischen Reichsregierung und Verein distanziert und angespannt. Der Grad der Annäherung von Anfang 1934 wurde nicht wieder erreicht, jedoch blieben auch derartig scharfe Konfrontationen wie im Sommer 1933 aus. Je nach politischer Wetterlage erschienen hohe Vertreter aus Regierung und Partei auf den Veranstaltungen des Vereins oder mieden diese,486 Hitler selbst hielt sich jedoch stets von dem Verein fern.487 482 483 484 485 486

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Vgl. R 43-II/472 Lochner an Reichskanzler Hitler, 28.3.1934. Vgl. Lochner (1955), S. 244. Vgl. Ebd., S. 250. Vgl. hierzu oben, S. 78-79. So besuchten Goebbels und der Chef des Wehrmachtsamtes, Generalmajor Walter von Reichenau den Ball der Auslandspresse am 2. Dezember 1934, während Neurath wohl aus Verärgerung über die Sitzordnung der Veranstaltung fernblieb. Vgl. Shirer (1941), S. 25. Im November 1937 gab Goebbels dagegen die Order aus, dass alle Reichsregierungsmitglieder den Ball zu boykottieren hätten. Grund hierfür war die Verärgerung des Propagandaministers über den Protest des Vereins gegen die Ausweisung von Paul Ravoux. Vgl. Fröhlich (Hrsg.)

Jedes Jahr im Januar wählte der Verein der Ausländischen Presse auf einer Generalversammlung einen neuen Präsidenten, dessen Stellvertreter sowie einen Vorstand, der insgesamt 11 Personen umfasste. Die Wahlen waren geheim und spiegelten in interessanter Weise die weltpolitischen Entwicklungen wider. „Aus diesem Grunde geht es von Jahr zu Jahr in den Generalversammlungen des Vereins bei den Vorstandswahlen meist recht lebhaft zu“, stellte ein vertraulicher Bericht der Dienststelle Ribbentrop über die Organisation fest. Von 1934 bis 1936 als Vereinspräsident „in seiner Stellung unumstritten“ war laut dem Bericht AP-Korrespondent Louis Lochner, der in diesem Zeitraum stets ohne Gegenkandidat bei wenigen Enthaltungen wiedergewählt wurde.488 Lochner gibt in seinen Erinnerungen hierfür die schlüssige Erklärung, dass sich die Korrespondenten einen Vertreter eines machtpolitisch bedeutsamen Landes und eines weithin anerkannten Mediums wie der „Associated Press“ als Präsident wünschten, der den Nationalsozialisten besser als andere die Stirn bieten konnte.489 Die Präsidentschaft des Vereins brachte laut Lochner die Last mit sich, dass die Berichte des entsprechenden Korrespondenten noch genauer von den deutschen Stellen überwacht wurden, weil diese gewissermaßen die offizielle Position der Berliner Auslandspresse darstellten.490 Während Lochner als Präsident bis Ende 1936 fest im Sattel saß, kam es jedes Jahr laut dem vertraulichen Bericht zu bitteren „Machtkämpfen“ um den Stellvertreterposten und die anderen Vorstandsposten des Vereins. Entsprechend der Mitgliederverteilung stellten die US-amerikanischen, britischen und französischen Journalisten mit Abstand die größte Gruppe des Vereins dar491 und hatten somit entscheidenden Einfluss auf die Vergabe der Vor-

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490 491

(2005), Teil I, Bd. 4, S. 418 (23.11.1937). Vgl. zu dem Boykott des Balls 1937 auch Dodd (2005), S. 138. Vgl. Lochner (1955), S. 247. Vgl. PA AA, R 27090 Vertraulicher Bericht über die Haltung des Vereins der Ausländischen Presse vom 9.12.1936. Vgl. Lochner (1943), S. 219. Bojano, Korrespondent des „Il Popolo d’Italia“, lobt Lochners Führungsstil an der Spitze des Vereins: „No president of the Foreign Press Union was ever so brilliant as Lochner. He had the knack of impressing the functionaries of the Hitler regime and twisting them round his little finger, with his witty glibness in after-dinner speeches and on all ceremonial occasions. They really could not make out whether he was a friend or an enemy, but they decided to allow that he was a broadminded, reasonable man, and they left it at that.” Bojano (1945), S. 50. Vgl. Ebd., S. 221; vgl. Bojano (1945). Wie genau die Verteilung der Mitglieder war, lässt sich nicht rekonstruieren. Jedoch waren im Sommer 1932 vor der „Machtergreifung“ von 150 Vereinsmit-

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standsposten. Dementsprechend hoben die Korrespondenten dieser drei Nationen unter Mitwirkung der ebenfalls zahlreich vertretenen belgischen, niederländischen und skandinavischen Journalisten regelmäßig Kollegen in den Vorstand, die dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstanden, und wählten solche ab, die sich der deutschen Regierung zu sehr angenähert hatten. So wurde der Italiener Filippo Bojano, Korrespondent des Mussolini-Blattes „Il Popolo d’Italia“, im Januar 1935, als die Beziehungen zwischen Berlin und Rom noch gespannt waren, mit großer Mehrheit zum Vizepräsidenten gewählt. Im Januar 1936 erfolgte dann die Abwahl Bojanos, weil sich die italienische und die deutsche Regierung in der Zwischenzeit stark angenähert hatten. An Bojanos Stelle trat 1936 Gordon Young von „Reuter“. Ähnlich erging es dem Berliner Vertreter der „Polnischen Telegraphen-Agentur“, Graf Dembinski, der vor 1934 immer mit großen Mehrheiten in den Vorstand des Vereins gewählt worden war. Nach der deutsch-polnischen Annäherung 1934492 wurde Dembinski nur noch mit knappen Mehrheiten im Amt bestätigt. Als Gegenpol zum Nationalsozialismus wählten die Vereinsmitglieder 1935 zum ersten Mal einen sowjetischen Korrespondenten in den Vorstand. Nachdem sich 1936 eine deutsch-japanische Partnerschaft abzeichnete, erhielt zudem kein japanischer Korrespondent mehr die nötigen Stimmen für einen Posten im Vorstand. Insgesamt bestand der Vorstand des Vereins der Ausländischen Presse nach den Wahlen Anfang 1936 aus zwei USAmerikanern, zwei Briten, zwei Franzosen, einem Belgier, einem Schweizer, einem Sowjet-Russen, einem Polen und einem Schweden.493 Nachdem für das Jahr 1937 der französische Korrespondent von „Le Temps“, René Lauret494 dem Verein der Auslandspresse präsidiert hatte, gliedern 62 entweder US-Amerikaner, Briten oder Franzosen. Vgl. Douglas/ Bömer (1932), S. 271. 492 Ein Bericht des APA über das polnische Pressewesen vom Januar 1935 stellt mit Befriedigung fest, dass sich nach dem Abschluss des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes und der damit verbundenen Annäherung der beiden Regierungen die Berichterstattung polnischer Zeitungen über das Dritte Reich „merklich gebessert“ hatte und „teilweise sogar als sympathisierend“ bezeichnet werden konnte. Vgl. BArch, NS 43/307 Bericht Josef Luckaus über die Presse in Polen vom 30.1.1935. 493 Vgl. PA AA, R 27090 Vertraulicher Bericht über die Haltung des Vereins der Ausländischen Presse vom 9.12.1936. 494 Vgl. BArch, R 43-II/473 DNB Meldung vom 18.1.1937. Lauret, elsasslothringischer Herkunft, arbeitete von 1923 bis 1939 als Korrespondent großer französischer Zeitungen, vor allem für „Le Temps“, in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er außenpolitischer Leitartikler und Leiter des Auslandsressorts bei „Le Monde“. Dazu veröffentlichte Lauret einige Sachbücher, in

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wurde für das Jahr 1938 der bereits erwähnte Italiener Filippo Bojano als Vereinspräsident gewählt. Bojano, als Korrespondent der von Mussolini 1914 gegründeten Zeitung „Il Popolo d’Italia“ ein Vertrauter des faschistischen Diktators, fungierte in Personalunion ebenfalls als Berliner Berichterstatter der amtlichen italienischen Nachrichtenagentur „Stefani“. Mit diesen zwei Posten war Bojano in quasi-amtlicher Funktion der italienischen Regierung in Berlin tätig, was ihn zu einem einflussreichen Journalisten machte. Auf den ersten Blick erscheint die Wahl Bojanos unverständlich, da davon auszugehen war, dass der Italiener den Verein der Auslandspresse für die Nationalsozialisten gleichschalten würde. Dies war jedoch nicht der Fall, denn der überzeugte Faschist Bojano hatte eine starke Abneigung gegen den Nationalsozialismus,495 die in seinen 1945 vorgelegten Erinnerungen deutlich wird. Dass es sich bei diesen Schilderungen um keine nachträgliche Schönfärberei handelt, beweisen weitere Quellen. So vermerkt Shirer für den 20. September 1938 in seinem „Berlin Diary“ über Bojano: „I knew how secretly he hated the Nazis”.496 Joseph Goebbels schreibt in seinem Tagebuch über eine Unterredung mit dem italienischen Korrespondenten im Februar 1935: „Der Italiener eiskalt. Ich nicht minder. Diese „Altrömer“ verzeihen es uns nie, daß wir ihnen in der Welt den Rang abgelaufen haben.“497 Unter Berücksichtigung dieser Umstände erwies sich die Wahl Bojanos als außerordentlich geschickter Schachzug. Der Italiener hatte aufgrund seiner engen Verflechtung mit der denen er sich für die deutsch-französische Aussöhnung einsetzte, darunter „Faites travailler l'Allemagne!“ (1948) und „Notre voisin l'Allemand: deux peuples s'affrontent“ (1960). 495 Hiermit stand Bojano unter den italienischen Journalisten nicht allein da. So erklärte der Chefredakteur des „Il Popolo d’Italia“ Wolfgang Schaeffer vom Institut für Zeitungswissenschaft der Universität Berlin während einer Studienreise Schaeffers nach Italien im März 1938, dass sich die italienischen Journalisten in zwei Gruppen teilten. Die zahlenmäßig stärkere Gruppe habe im Krieg gegen das Habsburger Reich gekämpft und wünsche nicht, dass wieder ein starker Gegner an die Grenze am Brenner rücke. Dagegen stütze nur eine zahlenmäßig schwächere Gruppe die offizielle prodeutsche Regierungsline Mussolinis und die Achsenpolitik. Vgl. BArch, NS 43/433 Vertraulicher Bericht Wolfgang Schaeffers über führende italienische Zeitungsleute vom 22.3.1938, übersandt an Karl Bömer am 22.4.1938. Martha Dodd berichtet in ihren Erinnerungen, die italienischen Korrespondenten in Berlin hätten sich bis zur Bildung der „Achse Berlin-Rom“ noch feindlicher gegenüber dem Nationalsozialismus geäußert als die französischen Journalisten. Vgl. Dodd (2005), S. 137-138. 496 Shirer (1941), S. 136. 497 Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 3/I, S. 183 (14.2.1935). Auch Stoop bestätigt auf Basis seiner Recherchen, dass Bojano keine Marionette der deutschen Regierung war. Vgl. Stoop (1987), S. 326, Anm. 109.

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italienischen Regierung einen starken Stand bei den deutschen Stellen, wenn er im Interesse des Vereins dort intervenierte. Die Nationalsozialisten konnten Bojano als halbamtlichen Repräsentanten Italiens nicht einfach als böswilligen Journalisten einer feindlich gesinnten Nation abweisen. Zudem zeigte der Verein mit der Wahl eines Italieners an seine Spitze scheinbares Entgegenkommen gegenüber den Nationalsozialisten. Andererseits war Bojano, wenn auch Faschist, aufgrund seiner Abneigung gegen die Nationalsozialisten bereit, sich für die Interessen des Vereins einzusetzen und dessen Unabhängigkeit und demokratische Sitten zu wahren.498 Auf deutscher Seite hatte man diese Strategie des Vereins nicht durchschaut und begrüßte zunächst den Amtsantritt Bojanos. Die deutschen Zeitungen erhielten Anweisung, zu seiner Wahl auf keinen Fall hämische Bemerkungen zu schreiben. Insbesondere Reichspressechef Dietrich, so Bojano, „evidently expected that I would hand over to him the Union on a platter”.499 Als Bojano dies jedoch nicht tat, bekam er den Ärger Dietrichs zu spüren. “He practically held me responsible if attacks on the policy of Germany were published in any foreign paper written by its Berlin correspondent.”500 Unter solchem Druck erzählte Bojano seinem Vorgänger Lochner, er wünschte, dass nicht er, sondern wieder der APKorrespondent Präsident des Vereins wäre.501 Der Verein der Auslandspresse war mit Bojanos Arbeit jedoch offensichtlich zufrieden und wählte ihn Anfang 1939 für ein weiteres Jahr in das Präsidentenamt.502 Bei der Erörterung nationalsozialistischer Repressionsmaßnahmen gegen ausländische Korrespondenten ist ebenfalls bemerkt worden, dass der Verein der Ausländischen Presse bei Sanktionen oder Ausweisungen zugunsten seiner Mitglieder bei den deutschen Stellen intervenierte.503 Die oben genannten Beispiele und weitere Fälle aus den überlieferten Akten zeigen jedoch, dass die Möglichkeiten des Vereins zur Hilfeleistung sehr beschränkt waren.504 So wandte sich Vereinspräsident Mowrer im März 1933 an den Pressechef der Reichsregierung, Funk, und bat um dessen Unterstützung. Das Vereinsmitglied Andreas Rosinger, Vertreter der sowjetischen Zeitung „Sa Industrialisaziu“, war vor einigen Tagen von Berlin nach Wien übergesiedelt. In seiner verlassenen Berliner Wohnung hatte die Polizei die Bücher des Journalisten 498 Es ist folglich nicht zutreffend, wenn Schwarzenbeck schreibt, Bojano sei dem 499 500 501 502 503 504

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Verein „aufgezwungen worden“. Schwarzenbeck (1979), S. 106. Bojano (1945), S. 50. Ebd., S. 50-51. Vgl. Lochner (1967a), S. 321, Brief Lochners vom 15.3.1938. Vgl. Bojano (1945), S. 50. Vgl. hierzu oben, S. 90-91 und S. 101-103 Vgl. hierzu auch Stoop (1987), S. 325-326.

sichergestellt und beschlagnahmt. Rosinger bat nun um die Herausgabe dieser Bücher, die er für seine Arbeit benötige.505 Jedoch blieb die Intervention des Vereins ohne Konsequenzen. Im Mai 1933 teilte Gestapo-Chef Diels dem Verein mit, dass das Geheime Staatspolizeiamt die Bücher nicht herausgebe, „da es sich um Druckschriften marxistischer und kommunistischer Tendenz handelt und Herr Rosinger außerdem als Korrespondent für kommunistische Zeitungen bekannt ist.“506 Nach einem solchen Bescheid waren die Handlungsmöglichkeiten des Vereins erschöpft. Gleichfalls einflusslos war der Verein bei schärferen Repressionen gegen Auslandskorrespondenten. Oft fehlte es dessen Mitgliedern offenbar auch am Willen, auf harten Konfrontationskurs mit den Nationalsozialisten zu gehen, um das Verhältnis der Organisation zur Reichsregierung nicht über die Maßen zu beschädigen. So berichtet Hendrik Noordewier zum bereits oben behandelten Fall Ernst Poppers, dass der Vorstand des Vereins erst von ihm überredet werden musste, bevor er bei den deutschen Stellen kritisch nach dem Verbleib des Korrespondenten des „Prager Tagblattes“ nachfragte.507 Dass kaum ausländische Journalisten bereit waren, sich für einen Vereinskameraden einzusetzen, zeigt auch ein vertraulicher Bericht der Dienststelle Ribbentrop zu den Beratungen des Vereins der Ausländischen Presse über die Ausweisung Norman Ebbutts. Während der Tage der Auseinandersetzung um Ebbutts Ausweisung im Sommer 1937 war der Verein laut dem Bericht von „großer Unruhe bemächtigt“ und tagte täglich hinter verschlossenen Türen. Die Journalisten berieten über eine öffentliche Erklärung und eine Entschließung zur Haltung des Vereins. Der Bericht stellt mit Erstaunen fest, dass ausgerechnet Ebbutts Landsleute Young von „Reuter“ und Lambert vom „Manchester Guardian“ sich „sehr stark für eine Milderung der ursprünglich scharf formulierten Entschließung eingesetzt“ hatten. „In der Mitglieder-Versammlung wurde die vom Vorstand vorgeschlagene Entschließung stark zerpflückt und gemildert“, sodass letztendlich der Protest des Vereins viel weniger scharf ausfiel, als der Situation angemessen gewesen wäre. Der Bericht zeigt zudem, dass der Verein von Spitzeln des Regimes durchsetzt war, welche die nationalsozialistischen Machthaber detailliert über dessen Interna informierten.508

505 506 507 508

Vgl. PA AA, R 211650 Mowrer an Funk, 28.3.1933. PA AA, R 121651 Diels an Verein der Ausländischen Presse, 6.5.1933. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 118. Geheimbericht Noordewiers vom 19.4.1934. Vgl. PA AA, R 27090 Vertraulicher Bericht über die Sitzungen des Vereins der Ausländischen Presse in Zusammenhang mit der Ausweisung Norman Ebbutts, ohne Datum.

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In der Summe blieb der Verein der Ausländischen Presse in der Vorkriegszeit eine unabhängige Organisation und wurde nicht „gleichgeschaltet“. Gleichzeitig hatte der Verein aber in der Konfrontation mit dem Regime keinerlei Machtmittel und musste versuchen, sich mit den nationalsozialistischen Machthabern zu arrangieren. Von nationalsozialistischen Spitzeln wurde er zunehmend unterlaufen und bediente sich ab 1938 eines italienischen Faschisten, um seine Unabhängigkeit besser verteidigen zu können. Die Konflikte zwischen der neuen deutschen Regierung und dem seit langen Jahren etablierten Verein der Ausländischen Presse suchte der Verband der Ausländischen Pressevertreter zu seinem Vorteil zu nutzen. Die Mitglieder des Verbandes bestanden im Gegensatz zum Verein – wie oben erwähnt – nicht aus Korrespondenten zumeist renommierter Medienunternehmen, sondern waren Vertreter kleinerer Zeitungen aus Osteuropa und einigen westlichen Ländern. Auch viele Deutsche und nicht-hauptberufliche Journalisten hatte der Verband aufgenommen. Um den Verein an Einfluss und Bedeutung endlich zu überflügeln, lehnte sich der bisher zweitklassige Verband eng an die neue Regierung Hitlers an und schwenkte auf eine gänzlich nationalsozialistische Linie um – wohl teils aus Opportunismus, teils aus Überzeugung. Präsident des Verbandes war 1933509 und auch in den Folgejahren510 Zeno Kuziela, der für ukrainische und kanadische Zeitungen aus Berlin berichtete. An seinen politischen Ansichten ließ Kuziela keine Zweifel aufkommen. Auf eine Einladung des APA zu einem Bierabend antwortete der Journalist, er werde gerne kommen und unterschrieb seinen Brief „Mit deutschem Gruß und Heil Hitler!“511 Kuzielas langjähriger Stellvertreter Carlo von Kügelgen,512 der für finnische, lettische und rumänische Zeitungen als Kor509 1933 im Vorstand des Verbands waren außerdem: Stellv. Vorsitzender und

Geschäftsführer: Carlo von Kügelgen (Finnland, Lettland, Rumänien), Kassenwart: Dr. Benjamin Schier (Österreich), Beisitzer: Albert N. Bintz (Frankreich), Dr. Arnold Krumm-Heller (Mexiko), Fritz Runge (Tschechoslowakei). Vgl. BArch, R 43-II/472 Verband Ausländischer Pressevertreter an Reichskanzlei, 10.2.1933. 510 Vgl. BArch, R 43-II/473 DNB Meldung vom 27.2.1937. Vorstand des Verbands Ausländischer Pressevertreter 1937: Ehrenvorsitzender: Zeno Kuziela (Polen, USA), Vorsitzender: Carlo von Kügelgen (Baltische Staaten, Polen, Rumänien), Stellvertreter und Geschäftsführer: Franz Winkler (Schweiz). 511 BArch, NS 43/201 Kuziela an Außenpolitisches Amt der NSDAP, 27.2.1934. 512 1937 wurde Kügelgen Präsident des Verbandes, Kuziela Ehrenpräsident. Vgl. BArch, R 43-II/473 DNB Meldung vom 27.2.1937. 1938 wurde Fritz Theil, der für ungarische, rumänische und tschechoslowakische Zeitungen aus Berlin berichtete, zum Verbandspräsidenten bestimmt, Kügelgen wurde wieder Stellvertreter. Vgl. Ebd. DNB Meldung vom 2.4.1938.

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respondent fungierte, wurde 1937 Mitglied der NSDAP, andere Mitglieder des Verbandes sogar schon 1933.513 Wenige Monate nach der nationalsozialistischen Machtübernahme gab der Verband der Ausländischen Pressevertreter eine Loyalitätserklärung an die Adresse der Nationalsozialisten ab.514 Auf die Bitte der dann noch beim Auswärtigen Amt beheimateten Presseabteilung der Reichsregierung übersandte der Verband im Mai 1933 eine Auflistung seiner reichsdeutschen und jüdischen Mitglieder an das AA. Diese enthielt die Namen von 20 jüdischen Mitgliedern sowie von sieben weiteren Mitgliedern von „wahrscheinlich auch jüdischer Blutmischung“.515 Aufgrund solcher Kollaborationsbereitschaft wurde der Verband von der Reichsregierung bevorzugt behandelt. Während die Nationalsozialisten zur gleichen Zeit den Verein der Ausländischen Presse boykottierten, empfingen Hitler und Goebbels die Vertreter des Verbandes am 6. April 1933 im neugebildeten Propagandaministerium.516 In seiner Ansprache versprach Goebbels den Journalisten, er strebe ein „festes Vertrauensverhältnis“ zwischen Reichsregierung und Verband an.517 Goebbels sprach ausführlich über die Lage der deutschen Presse und kündigte an, eine verantwortungslose, liberale Pressefreiheit, die es in der Vergangenheit in Deutschland ermöglicht habe, „die Symbole der nationalen Ehre und Freiheit“ und die „elementaren Sittengesetze“ zu „zertreten und besudeln“, werde es unter den Nationalsozialisten nicht mehr geben.518 Der Propagandaminister bot den Korrespondenten an, an der nationalen Erneuerung Deutschlands mitzuwirken und betonte die wichtige Rolle der Journalisten in diesem Prozess.519 Über die nach einem Jahr Hitler-Diktatur vorgenommenen Erneuerungen äußerte sich der Verband dann im Januar 1934 auch sichtlich begeistert. In seinen Neujahrswünschen an Hitler betonte der Verbandsvorstand seine „tiefe Verehrung“ für den Reichskanzler und erklärte: „Mit Bewunderung verfolgen die Vertreter der ausländischen Presse, die das Glück haben, den Neubau des Reiches unter Ihrer Hand aus der Nähe zu betrachten, Ihren geraden Vgl. Stoop (1987), S. 327. Vgl. PA AA, R 121608 Kuziela an Auswärtiges Amt, 6.5.1933. PA AA, R 121608 Kügelgen an Tripeloury, 8.5.1933. Vgl. Jacobsen (1968), S. 767. Ein Foto des Empfangs findet sich bei Stoop (1988), S. 83. Der Empfang ist der einzige dokumentierte Fall, in dem Hitler an einer größeren, nur für Auslandskorrespondenten organisierten Veranstaltung teilnahm. 517 Vgl. Goebbels (1934), S. 127. 518 Vgl. Ebd., S. 129. 519 Vgl. Ebd., S. 132. 513 514 515 516

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Weg aufwärts.“520 In der Folgezeit setzte der Verband seine „rückhaltlos betriebene Anbetung Hitlers und des Nationalsozialismus“ fort und wurde dafür vom Propagandaministerium „gehätschelt“.521 Für den Verein der Ausländischen Presse war dies insbesondere deshalb ärgerlich, weil Uneingeweihte oft nicht zwischen Verein und Verband unterscheiden konnten und so den pronazistischen Kurs des Verbands dem Verein ungerechtfertigter Weise zur Last legten.522 Jedoch schaffte es der Verband trotz seiner Anlehnung an die deutsche Regierung nicht, dem Verein an Bedeutung gleichzukommen. Hierzu trug einerseits bei, dass der Verein der Auslandspresse die offene Konfrontation mit dem Regime nach 1933 vermied. Andererseits war es aber auch für die Reichsregierung nicht möglich, den Verband in zu großem Maße zu fördern, weil dies als allzu offensichtlicher Versuch gewertet worden wäre, die Auslandspresse in Deutschland gleichzuschalten.523 Neben dem Verein der Ausländischen Presse und dem Verband der Ausländischen Pressevertreter gab es im Dritten Reich auch noch weitere regelmäßige, von Korrespondenten in Eigenregie organisierte Zusammenkünfte ausländischer Journalisten. Hierzu gehörte insbesondere der allabendliche Stammtisch vornehmlich US-amerikanischer und britischer Auslandskorrespondenten in der „Taverne“, einem kleinen italienischen Restaurant in der Kurfürstenstraße.524 „Jede Nacht von zehn bis zwei – manchmal wurde es auch später – versammelte man sich dort bei Bier, Scotch und Sodas und diskutierte über die Neuigkeiten des Tages“,525 berichtet Martha Dodd in ihren Erinnerungen. Laut Shirer hatte sich der Stammtisch nach der „Machtergreifung“ rasch zu einer echten Institution entwickelt, „helping us to retain some sanity and affording an opportunity to get together informally and talk shop“.526 Nur angesehene Pressevertreter waren für den Stammtisch zugelassen. Die Zahl der Gäste lag allabendlich zwischen zehn und 20 Journalisten, aber auch Diplomaten und Vertreter des NS-Regimes wie Reichspressechef Dietrich und Auslandspressechef Hanfstaengl besuchten die Treffen gelegentlich.527 Vorsitzender des Stammtisches war Norman Ebbutt von der London „Times“. Laut Einschätzung Lilian T. Mowrers, der Ehefrau Edgar 520 BArch, R 43-II/472 Verband Ausländischer Pressevertreter an Reichskanzler

Hitler, 1.1.1934. 521 Lochner (1955), S. 251. 522 Vgl. Ebd. 523 Vgl. PA AA, R 121608 Aschmann an Passarge, 19.12.1933; vgl. Stoop (1987), S. 524 525 526 527

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328. Vgl. Mower (1937), S. 286. Dodd (2005), S. 116. Shirer (1941), S. 40-41. Vgl. Dodd (2005), S. 116-117.

Mowrers, war die allabendliche Versammlung einer der bestinformiertesten Zirkel über die Vorgänge in Deutschland überhaupt.528 Deshalb interessierten sich auch die deutschen Stellen sehr für die Gespräche in der „Taverne“ und die Gestapo war mit Spitzeln „always around to listen“.529 Japanische Auslandskorrespondenten gründeten im April 1936 den „Japanischen Presse-Verein in Deutschland“ („Nippon-Shimbun-Doitsu-Tokuhain-Kai“, abgekürzt N.S.D.T.K.), der die Korrespondenten gegenüber amtlichen Stellen vertreten sollte. Der Verein mit zwölf Mitgliedern war ein pronationalsozialistischer Zusammenschluss, so unterschrieb der vorstehende Sekretär der Vereinigung einen Brief an das APA mit „Heil Hitler!“.530 Für die auswärtige Pressepolitik der Reichshauptstadt war er ohne weitere Bedeutung. 5.1.6 Repräsentanz und Arbeitsumstände Die Frage nach der genauen Anzahl der Auslandskorrespondenten im Dritten Reich zwischen 1933 und 1939 lässt sich nicht abschließend beantworten. Dies liegt einerseits darin begründet, dass sich in den für die vorliegende Arbeit ausgewerteten Quellen keine diesbezüglichen Angaben fanden. Andererseits ist die Frage nach der Zahl der Korrespondenten mit der Frage nach einer Definition verbunden, was unter einem „Auslandskorrespondent“ zu verstehen ist. Hier müsste beispielweise geklärt werden, ob deutsche Staatsbürger, die aus Deutschland für ausländische Medien berichteten, als Auslandskorrespondenten angesehen werden konnten. Weiter arbeiteten einige ausländische Journalisten als Europa- oder Sonderkorrespondenten ihrer Zeitungen nicht permanent, aber doch oft über längere Zeiträume, in Deutschland. Andere ausländische Berichterstatter fungierten nur nebenberuflich als Journalisten. Geht man davon aus, dass ein Auslandskorrespondent ein längerfristig in Berlin für ein ausländisches Medium stationierter hauptberuflicher Journalist sein sollte, so ist es insbesondere sinnvoll, diesen von nur kurzzeitig in Deutschland tätigen Sonderberichterstattern abzugrenzen. Aufgrund des großen Interesses an Hitler-Deutschland im Ausland gab es im Dritten Reich „einen nicht enden wollenden Strom“ von Sonderberichterstattern, die meist nur wenige Tage oder Wochen das Reich bereisten, um zu einem bestimmten Thema zu recherchieren.531 Den größten Ansturm von Journalisten dieser Art 528 529 530 531

Vgl. Mowrer (1937), S. 286. Huss (1943), S. 94. Vgl. BArch, NS 43/417 Nakanishi an APA Presseamt, 20.4.1936. Vgl. Dodd (2005), S. 143.

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erlebte Berlin während der Olympischen Spiele 1936. Bei den fest in der Reichshauptstadt stationierten Korrespondenten waren die Sonderberichterstatter nicht sonderlich beliebt. Nicht selten bearbeiteten diese eine große Geschichte, für deren Recherche sie sich aufgrund mangelnder Kenntnisse über Deutschland bei den seit längerem in Berlin tätigen Kollegen Ratschläge einholten. Auf Basis dieser Unterstützung schrieben die Sonderkorrespondenten dann Berichte, die prominent in verschiedenen Zeitungen platziert wurden, während die kontinuierlich in Deutschland tätigen Korrespondenten oft weniger Aufmerksamkeit erhielten.532 Auch ließen sich die Spezialkorrespondenten nach Ansicht von dauerhaft in Deutschland akkreditierten Journalisten allzu leicht vom oberflächlichen Glanz des Dritten Reichs täuschen und blieben in ihren Artikeln zu unkritisch.533 Ein guter Richtwert für die Anzahl der 1933 bis 1939 permanent in Deutschland tätigen Auslandskorrespondenten dürfte die eingangs zitierte, auf einer Zählung von Aufenthaltsgenehmigungen basierende Schätzung des Polizeipräsidiums Berlin sein, wonach im Sommer 1932 etwa 300 ausländische Berichterstatter in Berlin tätig waren.534 Es kann gemutmaßt werden, dass sich die Zahl und die nationale Zusammensetzung der ausländischen Berichterstatter im Dritten Reich vor Kriegsausbruch auf einem ähnlichen Niveau bewegte. So dürften nicht alle Korrespondentenposten, die durch direkten oder indirekten Druck des Regimes nach 1933 geräumt wurden, mit neuen Journalisten besetzt worden sein. Jedoch glich dies die personelle Verstärkung vieler Berliner Korrespondentenbüros aus, die zahlreiche Medienunternehmen in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre in Anbetracht der europäischen politischen Entwicklung vornahmen. Zu den bekanntesten Auslandskorrespondenten im Berlin der 1930er Jahre gehörten vor allem die Vertreter der großen US-Nachrichtenagenturen Louis P. Lochner („Associated Press“), Frederick Oechsner („United Press“) und Pierre J. Huss („International News Service“) sowie die Korrespondenten großer US-amerikanischer Zeitungen wie Guido Enderis und Otto D. Tolischus („New York Times“), Sigrid Schultz („Chicago Tribune“) und Wal532 Hierunter fällt auch der Umstand, dass die Sonderkorrespondenten öfter Inter-

views mit Hitler oder anderen prominenten NS-Führern zugestanden bekamen als die regulär in Berlin tätigen Korrespondenten. Vgl. hierzu oben, S. 117. 533 Vgl. Jordan (1944), S. 165. Der niederländische Korrespondent Noordewier schildert in einem seiner Geheimberichte, wie sich ein für den Reichstagsbrandprozess aus den Niederlanden angereister Sonderkorrespondent aufgrund von Naivität und Sensationsgier in Leipzig von der NS-Propaganda täuschen und missbrauchen ließ. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 80, Geheimbericht Noordewiers vom 30.9.1933. 534 Vgl. Douglas/ Bömer (1932), S. 270.

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lace R. Deuel („Chicago Daily News“). Ebenfalls prominent waren die Vertreter der wichtigen französischen und britischen Nachrichtenagenturen wie Paul Ravoux, Géraud Jouve (“Agence Havas”) und Gordon Young („Reuter“) sowie die Berichterstatter der bekanntesten französischen und britischen Blätter wie vor allem René Lauret („Le Temps“), Norman Ebbutt („Times“) und Hugh Greene („Daily Telegraph“). Zu den bekanntesten italienischen Journalisten in Berlin zählten Filippo Bojano („Il Popolo d’Italia“, „Agenzia Stefani“), Christano Ridomi („Corriere della Sera“) und Pietro Solari („Gazzetta del Popolo“), zu den bekanntesten Niederländern Max Blokzijl („Algemeen Handelsbald“, „De Sumatra Post“), Hendrik Noordewier („Nieuwe Rotterdamsche Courant“), Johann van Maasdijk und Jan Stoffels („De Telegraaf“).535 Geläufig unter den skandinavischen Korrespondenten waren die Dänen Baron Schaffalitzky de Muckadell, Helge Knudsen („Berlinske Tidende“) und Jacob Kronika („Nationaltidende“, „Flensborg Avis“), die Schweden Christer Jäderlund („Aftonbladet“) und Bertil Svahnström („Svenska Dagbladet“, „Stockholms Tidningen“) sowie der Norweger Theo Findahl („Aftenposten“) und die Finnin Ada Norna („Uusi Suomi“). Unter den Schweizer Journalisten in Berlin gehörten Reto Caratsch („Neue Züricher Zeitung“), Herrmann Böschenstein („Basler Nachrichten“) und Eduard Behrens („Basler National Zeitung“) zu den prominentesten Berichterstattern. Die einflussreichsten japanischen Korrespondenten waren Morimichi Okanouye („Asahi Shinbun“), Minoo Kato („Osaka Mainichi“) sowie Tsurutaro Adachi („Dōmei Tsushin“). Als die Vertreter regierungsnaher Medien hatten unter den polnischen Korrespondenten Graf Stanislaus Dembinski („Polnische Telegraphen Agentur“) und Kazimierz Smogorzewski („Gazeta Polska“) den besten Stand unter ihren Kollegen. Eng mit ihrer Regierung verbunden waren die bekanntesten russischen Journalisten der amtlichen sowjetischen Nachrichtenagentur, Iwan Bespalow und Iwan Filipoff („TASS“), sowie Lili Keith („Iswestija“) und die Korrespondenten der „Prawda“, die nach 1933 mehrmals wechselten.536

535 Ausführlicher auf die einzelnen niederländischen Auslandskorrespondenten im

Dritten Reich geht Stoop in seiner Studie zur deutschen auswärtigen Pressepolitik in den Niederlanden 1933 bis 1940 ein. Vgl. Stoop (1987), S. 328-380 und S. 404-419. 536 Die Listung folgt dem Gesamteindruck aus den für die vorliegende Arbeit durchgesehenen Quellen und stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auflistungen von Auslandskorrespondenten im Dritten Reich finden sich auch bei Longerich (1987), S. 281 und bei Sösemann (Hrsg.) (2011), S. 1100-1102.

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Nicht anders als heute war Auslandsberichterstattung in den 1930er Jahren eine Frage des Geldes.537 Während die Vertreter kleinerer Zeitungen zumeist aus ihren Privatwohnungen arbeiteten, leisteten sich die großen Zeitungen und insbesondere die Nachrichtenagenturen größere Büros in der unmittelbaren Nähe der Wilhelmstraße. Diese waren oft nicht nur mit einem, sondern mehreren Korrespondenten besetzt. Zumeist deutsches Hilfspersonal unterstütze die Journalisten bei Recherche, Übersetzungen, Büroarbeit und Botengängen.538 Das Berliner Büro der „New York Times“ bestand in der Vorkriegszeit aus Bürochef Guido Enderis und dem zweiten Korrespondenten Otto D. Tolischus, wurde jedoch oft ergänzt durch Europakorrespondent Frederick T. Birchall und Sonderberichterstatter der Zeitung, die nur kurze Zeit in Deutschland blieben.539 In ähnlicher Weise war das Büro der Londoner „Times“ ausgestattet, in welchem der Chefkorrespondent, dessen Stellvertreter, ein Telefonist und eine Sekretärin fest angestellt waren. Zudem berichteten zwei weitere freie Journalisten für die „Times“ aus München und Frankfurt.540 Die britische Agentur „Reuter“ war ebenfalls mit vier bis fünf Mitarbeitern in Deutschland vertreten, während die großen US-amerikanischen Agenturen unter Einrechnung ihrer Hilfskräfte jeweils über ein Dutzend Angehörige in ihren Berliner Büros zählten.541 Die verschiedenen Arten der Sanktion und Repression seitens des NSRegimes gegenüber den Auslandskorrespondenten sind oben bereits beschrieben worden.542 Diese verschiedenen Maßnahmen sorgten dafür, dass die Korrespondenten im Dritten Reich unter einem starken psychischen Druck ihrer Arbeit nachgehen mussten. So klagte Louis Lochner in einem Brief an seine Kinder im November 1933: “It is no longer a pleasure to work here.”543 Im März 1938 betonte Lochner, er und seine Kollegen würden aufgrund der ständigen Angriffe und Ausweisungsdrohungen seitens des Regimes unter „nervous tension“ arbeiten.544 Der Genf-Korrespondent des „Manchester Guardian“, Robert Dell, riet 1934 nach einem Gespräch mit dem Berliner Korrespondenten der Zeitung, Charles Lambert, seiner Zentral537 Vgl. hierzu für den Fall der niederländischen Presse Stoop (1987), S. 328. 538 Vgl. Huss (1943), S. 202. 539 Vgl. BArch, NS 43/204 Bericht des Außenpolitischen Amtes der NSDAP über

Vorgänge im Berliner Büro der „New York Times“ vom 26.8.1934. 540 Vgl. Huttner (1995), S. 196-203. 541 Vgl. allgemein für Informationen zu den Büros britischer, französischer und

US-amerikanischer Nachrichtenagenturen in Berlin während des Dritten Reichs Schumacher (1998), S. 59-81. 542 Vgl. hierzu Kapitel 5.1.3 der vorliegenden Arbeit. 543 Lochner (1967a), S. 306, Brief Lochners vom 12.11.1933. 544 Vgl. Ebd., S. 318, Brief Lochners vom 15.3.1938.

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redaktion, den Kollegen einige Zeit aus Deutschland abzuziehen – wegen der scharfen Angriffe auf die Auslandspresse nach dem „Röhm-Putsch“ sei Lambert mit den Nerven völlig am Ende.545 Ebenfalls belastend empfanden die Korrespondenten die Vorstellung, von der meist unsichtbaren, doch gefühlt omnipräsenten Gestapo überwacht zu werden. „Havas“-Korrespondent Jouve berichtet, er habe sich in Berlin einen speziellen „coup d’oeil circulaire“546 angewöhnt, mit dem er seine Umgebung permanent nach Beschattern absuchte. Erst sechs Monate nach seiner Abreise aus Berlin habe er sich diesen Rundblick wieder abgewöhnen können.547 Zu der psychischen Belastung traten die im Vergleich zur Weimarer Republik stark erschwerten Arbeitsbedingungen der Auslandsjournalisten. APKorrespondent Lochner beschreibt in seinen Erinnerungen, wie mit der nationalsozialistischen Machtübernahme fast das gesamte, ganz Deutschland umfassende Informationsnetz seiner Agentur „wie ein Kartenhaus“ zusammenbrach. Die deutschen Journalisten, die aus über 60 Städten im Reich der AP zugearbeitet hatten, konnten die Berliner Zentrale nicht mehr mit objektiven Nachrichten versorgen und wichtige Informanten verschwanden aus ihren Schlüsselpositionen in Konzentrationslagern, verließen Deutschland oder wagten es nicht mehr, mit ausländischen Journalisten in Kontakt zu treten. Hinzu kam, dass vielen amtlichen Mitteilungen der Regierung kein Vertrauen mehr geschenkt werden konnte, da das Regime statt Informationen oft nur noch Propaganda austeilte.548 In Anbetracht dieser Umstände gingen die ausländischen Journalisten bei ihrer Recherche abseits der oben beschrieben amtlichen Informationsquellen neue Wege. Hierzu gehörte das genaue tägliche Studium der großen deutschen Tageszeitungen als auch der Lokalzeitungen und Fachzeitschriften. Aus den großen Zeitungen – gelenkt durch die täglichen Pressekonferenzen im Propagandaministerium – entnahmen die Korrespondenten die offizielle Position der Regierung zu politischen Vorgängen. Die Lektüre der verschiedenen Parteizeitungen erlaubte beim Lesen zwischen den Zeilen einen Blick auf die unterschiedlichen Lager innerhalb der Partei.549 Dazu analysierten die Journalisten sehr genau bisher vernachlässigte Teile der Zeitungen, wie Klein545 Vgl. Huttner (1995), S. 124-125. 546 Jouve (1941), S. 60. In ähnlicher Weise berichtet Fredborg, dem ständigen Blick

über die Schulter nach Verfolgern hätten die Korrespondenten den Namen „the German glance“ gegeben. Vgl. Fredborg (1944), S. 29. 547 Vgl. Jouve (1941), S. 60. 548 Vgl. Lochner (1955), S. 124; vgl. Roussel (1986), S. 101. 549 Vgl. Böschenstein (1978), S. 100; vgl. Lochner (1943), S. 267; vgl. Roussel (1986), S. 101.

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anzeigen, Heiratsannoncen und Todesanzeigen. Sorgfältig registrierten sie die steigende Zahl relativ junger Toter mit jüdisch klingenden Namen, die sie auf Selbstmorde zurückführten. Ebenfalls Beachtung fanden „Verzweiflungsanzeigen“, in denen ausreisende Juden die Einrichtungen ihrer Arztpraxen, Anwaltskanzleien oder Notariate abstießen. Den festen Griff der NSDAP an die Gesellschaft lasen die Korrespondenten daraus ab, dass in Stellenanzeigen zunehmend weniger Fachkompetenz, sondern Parteimitgliedschaft gefragt und in Heiratsanzeigen vermehrt von arischer Abstammung die Rede war.550 Bei der genauen Durchsicht von Lokalzeitungen trafen die Korrespondenten auf Meldungen, die bei den kleinen Blättern durch das Kontrollnetz des NSMedienlenkungsapparates gefallen waren und eigentlich nie hätten veröffentlicht werden dürfen. Hitler selbst war sich dieser Problematik bewusst und bezeichnete die Lokalpresse im September 1933 als „besonders gefährlich“.551 Aufschlussreich für die Korrespondenten waren schließlich regelmäßige Blicke in Fachzeitschriften. „Die Fleischerzeitung zum Beispiel verriet uns mehr über die Verknappung des Fleisches in Deutschland als irgendeine Tageszeitung“,552 schreibt Lochner in seinen Erinnerungen. Wiesen die Korrespondenten bei einer brisanten Veröffentlichung nach, dass die Information zuvor in einer deutschen Zeitung abgedruckt worden war, konnte das Regime sie dafür in der Regel nicht weiter belangen.553 Gleiches galt auch für Inhalte, die die Korrespondenten aus amtlichen Verlautbarungen sowie aus von der Regierung erlassenen Verordnungen und Gesetzen entnahmen. Regelmäßig studierten die Auslandsjournalisten deshalb das Reichsgesetzblatt, aus dem sie antisemitische oder die NS-Diktatur festigende Gesetze zitierten.554 Um diese Praxis abzustellen, bat die Reichskanzlei im September 1938 die Reichsminister, keine Gesetze mehr ohne vorherige Rücksprache mit der Presseabteilung der Reichsregierung zu veröffentlichen. Reichspressechef Dietrich hatte zuvor bei der Reichskanzlei geklagt, dass in einigen Fällen „von erheblicher politischer Bedeutung“ Auslandskorrespondenten über neue Gesetze „ihre eigenen Kommentare gekabelt hätten, ohne ein Wort der Erläuterung von deutscher Seite dazu zu erhalten.“ Solche wegweisenden Erläuterungen verteilte nach 1938 das Propagandaministerium an

550 Vgl. Ebd., S. 104. 551 Minuth (Hrsg) (1983), Teil I, Bd. 2, S. 868. Dokument Nr. 222, Reichsstatthal-

terkonferenz vom 28. September 1933, 16.15 Uhr. 552 Lochner (1955), S. 124. 553 Vgl. Ebd., S. 118. Zu den Recherchemethoden der Korrespondenten vgl. eben-

falls Huttner (1995), S. 106-107.

554 Lochner (1955), S. 118.

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die ausländischen Journalisten, bevor neue Gesetze bekannt gegeben wurden.555 Begehrtes Informationsmaterial bei den Korrespondenten waren auch die Presseanweisungen, welche die Berliner Hauptstadtjournalisten täglich im Propagandaministerium für ihre Arbeit erhielten.556 Einige Korrespondenten, darunter Louis Lochner, hatten Beziehungen zu deutschen Teilnehmern der Konferenz und ließen sich von diesen die Inhalte der Anweisungen übermitteln. Dabei wurden die Korrespondenten einige Zeit täglich mit Kopien von Mitschriften versorgt, häufig jedoch nur bei besonderen Anlässen. Meist mussten sie mit mündlichen Zusammenfassungen der Schreibordern vorlieb nehmen. Die Weitergabe der Anweisungen war für deutsche Journalisten höchst gefährlich. Im Juli 1935 wurde ein Redakteur der „Berliner Börsenzeitung“, Schwerdtfeger, verhaftet, nachdem er über längere Zeit verschiedene Korrespondenten gegen Geldleistungen mit den Anweisungen versorgt hatte. Offenbar nur mit Hilfe einflussreicher Angehöriger entging er vor dem Volksgerichtshof der Todesstrafe und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.557 Weniger interessierten die Auslandskorrespondenten dagegen offiziell an sie gerichtete Informationsquellen der Reichsregierung. Hierzu gehörten der „DNB-Ausland“-Dienst und das Nachrichtenorgan des Auswärtigen Amtes, die „Deutsche Diplomatisch-Politische Korrespondenz“. Letztere behandelte in regelmäßigen Abständen jeweils auf zwei bis drei Seiten aktuelle außenpolitische Themen und wurde von Mitarbeitern der Presseabteilung verfasst. Die Korrespondenz war stark auf Parteilinie, was sie für ausländische Journalisten unattraktiv machte.558 Einen Überblick über das außenpolitische Geschehen in der Welt verschafften sich die Korrespondenten auch beim täglichen Telefongespräch mit ihren Heimatredaktionen oder ihren Korrespondenten-Kollegen in den anderen Hauptstädten Europas. Ebenfalls wichtig war den Journalisten das Lesen ausländischer Zeitungen, die nicht wie die deutschen „gleichgeschaltet“ wa-

555 Vgl. BArch, R 43-II/473 Reichskanzlei an Reichsminister, 2.9.1938. 556 Lochner nennt die Anweisungen „a priceless aid toward understanding what is

going on behind the scenes in Germany”. Lochner (1943), S. 191.

557 Vgl. Ebd. Eine Sammlung von ausländischen Zeitungsartikeln über den Fall

Schwerdtfeger findet sich in BArch, R 55/21186. Für eine ausführlichere Schilderung des Falles vgl. Huttner (1995), S. 49-52. 558 Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 82-83; vgl. Longerich (1987), S. 252; vgl. Huttner (1995), S. 107-108.

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ren.559 Den Korrespondenten war es erlaubt, Zeitungen zu lesen, die im Deutschen Reich von den Nationalsozialisten verboten worden waren.560 Eine bemerkenswerte Recherchemethode wandten prominente Auslandskorrespondenten in den ersten Jahren nach der „Machtergreifung“ an. Die Journalisten veranstalteten in ihren Wohnungen kleine Privatfeiern, Abendessen und Empfänge, auf die sie Journalisten, Diplomaten, Repräsentanten des NS-Staates und andere wichtige Personen des gesellschaftlichen Lebens in Berlin einluden. Insbesondere auf den Feiern Sefton Delmers, dem BerlinKorrespondenten des „Daily Express“ bis zu seinem Wechsel in das Pariser Büro dieser Zeitung im Sommer 1933, ging es feuchtfröhlich zu. Delmer hatte sich in den frühen 1930er Jahren exzellente Beziehungen zu führenden Nationalsozialisten erarbeitet561 und konnte daher in den Monaten nach der „Machtergreifung“ das Spitzenpersonal der neuen Regierung bei sich zu Hause begrüßen. Nach Delmers Angaben gehörten zu seinen Gästen unter anderem Hermann Göring, Heinrich Himmler und Ernst Röhm. Der britische Journalist schreibt weiter in seinen Erinnerungen, auf den Feiern versucht zu haben, seine Besucher mit schönen Frauen, prominenten Gästen und Alkohol gesprächig zu machen.562 Entsprechend notierte Propagandaminister Goebbels am 25. März 1933 über einen Besuch bei Delmers Festivitäten: „Zigeunermusik und Palaver. Schöne Frauen.“563 Auch waren bei den Partys offenbar freimütige Gespräche zwischen Journalisten und führenden NSVertretern möglich. So schreibt Goebbels in seinem Tagebuch weiter: „Ich kriege Krach mit dem Times-Korrespondenten. Diese Affen bilden sich einen Stiebel ein und meinen, über Deutschland zu Gericht sitzen zu können.“564 Auch wenn solcherlei Kontakte zwischen Auslandskorrespondenten und führenden Nationalsozialisten wohl nur in den ersten Monaten nach dem 30. Januar 1933 möglich waren und durch die Sonderstellung Delmers bei den neuen Machthabern begünstig wurde, so erhielten doch auch andere Korrespondenten in den Anfangsjahren der NS-Diktatur auf ihren privaten Empfängen Besuch prominenter Vertreter des Regimes. Auslandspressechef Hanfstaengl besuchte im Sommer 1933 Abendessen in den Privathäusern von

559 Vgl. Roussel (1986), S. 102. 560 Jedoch mussten sie die deutschen Stellen hin und wieder an dieses Recht

561 562 563 564

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erinnern. Vgl. PA AA, R 121608 Dänische Gesandtschaft in Berlin an Auswärtiges Amt, 13.7.1938. Vgl. hierzu oben, S. 32-33. Vgl. Delmer (1962), S. 205. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 2/III, S. 154 (25.3.1933). Ebd.

Louis Lochner565 und Edgar Mowrer566 und war dort bereit, sich sogar mit Wilhelm Groener, Julius Curtius und dem jüdischen Bankier Curt Sobernheim an einen Tisch zu setzen.567 Viele Nationalsozialisten, in einigen Fällen „ziemlich hohe Funktionäre“568 besuchten auch die Feiern von Norman Ebbutt, Sigrid Schultz569 und Victor Bodker,570 zu deren Gästen unter anderen Gestapo-Chef Rudolf Diels, Hitlers Adjutant Fritz Wiedemann571 und der Leiter des Auslandspresse-Referates im RMVP, Wilfrid Bade,572 gehörten. Martha Dodd gibt an, dass der freie Umgang von NS-Vertretern mit ausländischen Journalisten auf deren Feiern und Empfängen 1933 bemerkenswert war, sich jedoch nach dem 30. Juni 1934 zunehmend verringerte und gegen Mitte der 1930er Jahre zum Ende kam.573 Alle gerade genannten Informationsbeschaffungsmöglichkeiten waren den Korrespondenten jedoch nicht ausreichend für ihre Berichterstattung aus dem Dritten Reich. Die ausländischen Journalisten unterhielten teils umfassende Informantennetze in die unterschiedlichsten Schichten der deutschen Gesellschaft, aus denen sie trotz der Überwachungsmaßnahmen des NSStaates mit Wissen und Hinweisen versorgt wurden.574 Wichtigster Informantenkreis für die Korrespondenten waren dabei die Gegner des Regimes. Um Kontakte zu den Oppositionskreisen mussten sich die Korrespondenten nicht bemühen, von dort trat man von selbst an die ausländischen Journalisten heran.575 Regelmäßige Fühlungnahme zwischen kommunistischen und sozialdemokratischen Gruppen und Auslandskorrespondenten ist vor allem aus den Anfangsjahren der nationalsozialistischen Diktatur dokumentiert. So berichtet Vgl. Lochner (1955), S. 140-141. Vgl. Mowrer (1937), S. 299. Vgl. Lochner (1955), S. 140-141. So die leider recht vage Beschreibung bei Dodd (2005), S. 122. Vgl. Ebd., S. 119-124. Vgl. Ebd., S. 131-132. Vgl. Ebd., S. 132 und S. 285-286. Vgl. Härtel (2004), S. 61. Vgl. Dodd (2005), S. 135-137. Lochner berichtet über den Umfang seiner Kontakte: „I knew dependable and well-informed monarchists and communists, representatives of the old trade unions and of the social-democratic parties, followers of Stresemann and Bruening, former Steel Helmeters and republican Reichsbanner troopers, Lutheran pastors, Catholic priests and Jewish rabbis.“ Lochner (1943), S.223. 575 Vgl. Fredborg (1944), S. 30. Lochner bemerkt über die Informanten aus Oppositionskreisen: „Their hatred of the régime was such that they were only too willing to furnish me with facts and figures.” Lochner (1943), S. 223. 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574

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der niederländische Korrespondent Noordewier in seinen Geheimberichten, dass er sich im Juni 1933 mit vier führenden Berliner Kommunisten zu einer Besprechung traf576 und regelmäßig Post mit Einladungen der „Roten Hilfe“ in seinem Briefkasten fand.577 Während des Reichstagsbrandprozesses in Leipzig im Herbst 1933 überreichte der Empfangschef seines Hotels, offenbar ein kommunistischer Spitzel, Noordewier einen Umschlag mit kommunistischem Informationsmaterial.578 Auch von den Mitgliedern der emigrierten Sozialdemokratischen Partei erhielten Noordewier und andere Korrespondenten regelmäßig die „Sopada-Information“ aus Prag zugeschickt.579 Ein ehemaliger Sozialdemokrat, nun im Dienste der Gestapo, versorgte Noordewier ebenfalls regelmäßig mit Auskünften.580 NBC-Korrespondent Max Jordan traf sich nach 1933 regelmäßig mit Karl Nord, der bis zu seiner Verhaftung 1938 im politischen Untergrund für die „Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands“ tätig war. Nord lud Jordan auch zu Treffen mit anderen Oppositionellen ein und vermittelte dem US-Journalist Kontakte zu Widerständlern.581 Ende Februar 1933 hatte die Sozialdemokratische Partei in Berlin eine ganze Gruppe ausgewählter Korrespondenten versammelt, um diesen Informationen über die Konsequenzen der bevorstehenden Reichstagswahlen zu geben.582 Die Korrespondenten kontaktierten Kommunisten und Sozialisten auch, um sich über die Zustände in Konzentrationslagern zu informieren. Aus Augenzeugenberichten von Personen, die einige Wochen oder Monate in einem der Lager verbracht hatten, waren die Journalisten daher aus erster Hand über die Misshandlungen dort informiert.583 Eine weitere wichtige Gruppe von Informanten trat aus deutschen Kirchenkreisen an die Korrespondenten heran. Insbesondere die Journalisten, die sich in ihren Berichten auf den Kirchenkampf spezialisiert hatten, verfügten zum Ärger des Reichskirchenministers Hanns Kerrl über „ausgezeichnete

Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 41, Geheimbericht Noordewiers vom 6.6.1933. Vgl. Ebd., S. 68, Geheimbericht Noordewiers vom 6.9.1933. Vgl. Ebd., S. 80, Geheimbericht Noordewiers vom 30.9.1933. Vgl. Ebd., S. 95, Geheimbericht Noordewiers vom 17.2.1934 Vgl. Ders. (1988), S. 89 sowie zu weiteren Kontakten zwischen niederländischen Korrespondenten und sozialdemokratischen Kreisen Ders. (1987), S. 312-313. 581 Vgl. Jordan (1944), S. 160-163. 582 Vgl. Birchall (1940), S. 113. 583 Vgl. Lochner (1943), S. 46. Exemplarisch schildert Oechsner eines seiner vielen Zusammentreffen mit einem gerade aus dem KZ entlassenen Menschen. Vgl. Oechsner (1943), S. 194-196. 576 577 578 579 580

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Verbindungen“584 zu religiös motivierten Hitler-Gegnern. Die Geschehnisse rund um den Kirchenkampf waren ohne Erklärungen intern Beteiligter meist kaum nachvollziehbar, auf Informanten war man zwingend angewiesen.585 Aus den öffentlichen Erklärungen der Kirchen, so etwa den Predigten Pastor Martin Niemöllers, welche die Korrespondenten in größerer Anzahl regelmäßig in Dahlem besuchten,586 ließen sich die Konflikte zwischen Regime und Gläubigen nur teilweise rekonstruieren. Auf die Information der Auslandspresse durch Kirchenangehörige ist in einigen Veröffentlichungen zum nationalsozialistischen Kirchenkampf bereits eingegangen worden.587 Offenbar wurden die Korrespondenten nur von einem relativ kleinen Kreis verschiedener Kirchenangehöriger aus der unteren bis mittleren Hierarchieebene mit internen Informationen versorgt. Die Kirchenführung selbst war in vielen Fällen nicht glücklich über die Lecke in den eigenen Reihen, da sie sich in ihrer Konfrontation mit dem Regime nicht den Vorwurf einhandeln wollte, mit dem Ausland gemeinsame Sache gegen das Dritte Reich zu machen. Zu der wohl spektakulärsten Veröffentlichung von Interna über den protestantischen Kirchenkampf durch ausländische Korrespondenten in Deutschland kam es im Sommer 1936. Der Fall hatte die Verhaftung einiger Schlüsselinformanten der Korrespondenten zur Folge. Im Juni 1936 hatte die „2. Vorläufige Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche“ der Reichskanzlei eine Denkschrift überstellt, in der sie Kritik an der Ideologie des Nationalsozialismus, den politischen Vorgängen im Dritten Reich und auch an antisemitischen Ausschreitungen übte.588 Es lag im Wunsch der evangelischen Kirchenführung, dass das brisante Dokument streng vertraulich behandelt wurde, jedoch veröffentlichten im Juli 1936 zahlreiche ausländische Zeitungen Berichte über Inhalt und Existenz des Dokuments. Die „Basler Nachrichten“ druckten am 23. Juli den vollen Wortlaut der Denkschrift ab. Als Reaktion 584 PA AA, R 121664 Der Reichsminister und Preußische Minister für die

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kirchlichen Angelegenheiten an den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, 17.6.1937. Shirer erklärt hierzu: “Hardly keep up with the church war any more since they have arrested my informant, a young pastor; have no wish to endanger the life of another one.” Shirer (1941), S. 76. Vgl. Böschenstein (1978), S. 26-28 und S. 32-34; vgl. Jouve (1941), S. 35; vgl. Lemmer (1968), S. 191; vgl. Lochner (1943), S. 254-256, vgl. Shirer (1984), S. 151-155. Vgl. hierzu Huttner (1995), S. 116-121, auf dessen diesbezüglichen Ausführungen die Schilderungen dieses Absatzes basieren. Huttner folgend sind die zentralen Veröffentlichungen zum Thema Greschat (Hrsg.) (1987), Helmreich (1976) und Koch (1982). Der Text der Denkschrift findet sich bei Greschat (Hrsg.) (1987), S. 104-123.

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darauf verbot die Vorläufige Leitung ihren Mitarbeitern unautorisierte Kontakte mit der Auslandspresse und stellte – freilich ebenso wie das NS-Regime – Nachforschungen über die undichten Stellen in ihren Reihen an. Im Oktober und November 1936 verhaftete die Gestapo als verantwortliche Informanten den Kanzleichef der Vorläufigen Kirchenleitung, Friedrich Weißler, den Vikar Werner Koch und dessen Freund Ernst Tillich. Die drei Kirchenleute wurden in das KZ Sachsenhausen überstellt, wo Weißler nach wenigen Tagen ermordet wurde. Koch und Tillich kamen 1938 beziehungsweise 1937 wieder frei. Koch berichtet in seinen Erinnerungen, dass er im Jahr 1935 „praktisch ein Nachrichtenmonopol“ auf die Information der Auslandspresse über den protestantischen Kirchenkampf gehabt hätte. Koch stand während dieser Zeit mit fast allen führenden ausländischen Korrespondenten in Berlin in Kontakt. Nach seiner Berufung auf eine Predigerstelle in Barmen übernahm im Frühjahr 1936 sein Freund Tillich die Information der Korrespondenten und gab auch die geheime Denkschrift an diese weiter. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass der Text des Dokuments auch von anderen Kirchenmitgliedern vor Tillich an die Auslandspresse weitergereicht wurde. Ein weiterer Informant, der vor allem Norman Ebbutt von der London „Times“ und Louis Lochner von „Associated Press“ von 1933 bis 1939 als wichtige Informationsquelle diente, war Horst Michael, der als Laienmitglied des Berliner Bruderrates die beiden Korrespondenten mit brisanten Informationen aus dem protestantischen Kirchenkampf versorgte.589 Ebenfalls nach 1933 aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt wurde im Dritten Reich die jüdische Bevölkerung Deutschlands. Über die antisemitischen Repressionen des NS-Staates informierten sich die Korrespondenten durch vielfältige Kontakte zu Juden, um die sie sich ebenfalls kaum bemühen mussten. Verängstigte jüdische Bekannte der Journalisten traten von selbst an diese heran und fragen nach deren Einschätzung der politischen Lage und einer Bewertung, welche Konsequenzen der nationalsozialistische Antisemitismus in Zukunft für sie haben würde.590 Ein weiterer wichtiger Informantenkreis für die Auslandskorrespondenten waren konservativ-bürgerliche Gegner des Nationalsozialismus. So standen die Korrespondenten Lochner und Jordan nach 1933 weiter mit Heinrich Brüning in Kontakt.591 Jordan unterhielt Verbindungen zum Widerstandskreis

589 Vgl. Huttner (1995), S. 215-218. 590 Vgl. Huss (1943), S. 182; vgl. Shirer (1941), S. 36. 591 Vgl. Lochner (1955), S. 286; vgl. Jordan (1944), S. 90. Jordan traf Brüning sogar

noch während dessen Exilzeit in London. Vgl. Ebd., S. 177.

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um Robert Bosch und sogar zu Carl Friedrich Goerdeler.592 Konservative Informanten, die nach 1933 auf ihren Posten in Regierung und Militär verblieben waren, gaben Wissen an die ausländischen Journalisten weiter. Stoop identifiziert als diesbezügliche Informationsgeber des Korrespondenten Hendrik Noordewier in den Jahren 1933 bis 1935 den Oberregierungsrat im Propagandaministerium Wilhelm Ziegler, den früheren Leiter der Reichszentrale für Heimatdienst, einen Mitarbeiter des Reichsamtes für Statistik, einen Freund des Staatssekretärs im Reichsluftfahrtministerium Erhard Milch, einen Teilnehmer der Chefbesprechung im RMVP sowie ein Mitglied des Stabes von General von Fritsch.593 Stéphane Roussel, Korrespondentin des Pariser „Matin“, zählte zu ihren Kontakten ebenfalls einen Offizier und Ministeriumsmitarbeiter.594 Es gestaltet sich insgesamt schwierig, in den Erinnerungen der Korrespondenten deren konservative Informanten zu identifizieren. Da viele Journalisten ihre Memoiren vor Kriegsende veröffentlichten – also zu einer Zeit, als die Informanten noch auf ihren Posten im NS-Staat saßen – verschwiegen sie dort nicht nur deren Namen, sondern vermieden auch alle weiteren Hinweise zu den Personen.595 Abschließend von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit als Tippgeber für die Auslandskorrespondenten waren teilweise hochrangige Vertreter des NSStaates und der NSDAP selbst. INS-Korrespondent Huss gibt an, dass in internen Machtkämpfen rivalisierende Nationalsozialisten ihren Gegnern damit schaden wollten, indem sie bestimmte Informationen über diese an die Auslandspresse weitergaben. Über die neusten Affären von Propagandaminister Goebbels wurde Huss deshalb stets umgehend von dessen Parteirivalen informiert.596 Weiter berichtet Huss, dass er während des Reichsparteitages 1934 von zwei hochrangigen Nationalsozialisten Krone, Zepter und Reichsapfel Karls des Großen in einem Versteck vorgeführt bekam, die Goebbels von ihrer Lagerstätte in Aachen nach Nürnberg hatte schaffen lassen, um sie dort in einer Zeremonie Hitler zu überreichen. Dieser war jedoch über den Plan wenig begeistert und lehnte Goebbelsʼ Idee ab. Die zwei nationalsozialistischen Feinde Goebbelsʼ erhofften sich vom publik werden des Vorhabens negative internationale Presse für den Propagandaminister.597

592 Vgl. Ebd., S. 260-266. Zur Rolle Jordans im Widerstand gegen den National593 594 595 596 597

sozialismus vgl. unten, S. 156. Vgl. Stoop (1987), S. 311. Vgl. Roussel (1986), S. 94. Vgl. Lochner (1943), S. 223. Vgl. Huss (1943), S. 79. Vgl. Ebd., S. 76-78.

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Interessanterweise kein relevanter Informantenkreis scheinen für die Auslandskorrespondenten ihre deutschen Journalistenkollegen gewesen zu sein, mit denen ein Austausch über die politischen Entwicklungen Deutschlands nahe gelegen hätte.598 Dies dürfte sich einerseits damit erklären, dass für die deutschen Journalisten der Kontakt zu den Korrespondenten gefährlich war, wie der Fall Schwerdtfeger ihnen deutlich vor Augen führte. Andererseits scheinen viele ausländische Journalisten mit einem gewissen Mitleid bis Dünkel auf die deutschen Journalisten, die nach amtlicher Instruktion schrieben, herabgeschaut zu haben.599 Zu den wenigen deutschen Journalisten, mit denen sich die Korrespondenten regelmäßig trafen, gehörten Karl Silex, Chefredakteur der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ und insbesondere Paul Scheffer, Chefredakteur des „Berliner Tageblatts“.600 Die konkreten Treffen mit ihren Informanten beschreiben die Korrespondenten in den Memoiren als geheime, konspirative Zusammenkünfte. Roussel berichtet, im Dritten Reich wurde „die Arbeit eines Journalisten der eines Detektives oder sogar – warum nicht? – eines Geheimagenten immer ähnlicher“.601 Mit ihren Tippgebern trafen sich die Korrespondenten um Mitternacht im Tiergarten,602 in dunklen Ecken von Nachtklubs603 und an stark frequentierten öffentlichen Orten wie Plätzen, Kaffees oder belebten Bahnsteigen. Auch wurden Codewörter ausgemacht, um sich bei Verabredungen mit Unbekannten zu identifizieren.604 Dabei kam es vor, dass Kontaktpersonen plötzlich nicht mehr zu Treffen erschienen und verschwunden blieben.605 Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass in der Praxis jedes Treffen mit Informanten derartig aufregend verlief.606 Wie die vor Kriegsende nur auf Basis von im Dritten Reich gesammelten Informationen verfassten Memoiren der Korrespondenten zeigen, war der Kenntnisstand über die Zustände im nationalsozialistischen Deutschland bei 598 Nur zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur scheint es engere Begegnun-

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600 601 602 603 604 605 606

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gen zwischen deutschen Journalisten und Korrespondenten gegeben zu haben. Vgl. Stoop (1987), S. 305. So betitelt „New York Times“-Korrespondent Tolischus das Kapitel seiner Erinnerungen an Deutschland, welches sich mit der Presselenkung im Dritten Reich beschäftigt, mit der Überschrift: „The Lap-Dog Press“. Tolischus (1940), S. 87. Vgl. Dodd (2005), S. 138.; vgl. Boveri (1965), S. 251. Roussel (1986), S. 103. Vgl. Ebd.; vgl. Shirer (1984), S. 161. Vgl. Huss (1943), S. 68. Vgl. Mowrer (1937), S. 287. Vgl. Roussel (1986), S. 287. So auch die Einschätzung Huttners (1995), S. 114.

den dienstälteren, mit zahlreichen Kontakten ausgestatteten Auslandskorrespondenten höchst bemerkenswert. Auf Basis heute verfügbarer Informationen lässt sich sagen, dass die Ausführungen in den Erinnerungen über Aufbau und Funktionsweise des NS-Staates, interne Rivalitäten innerhalb des nationalsozialistischen Machtapparates, Verfolgung politischer Gegner bis hin zu den Arbeits- und Essensgewohnheiten Adolf Hitlers607 in den meisten Fällen zutreffend und von erstaunlicher Detailkenntnis sind.608 Bücher wie das 1940 von „New York Times“-Korrespondent Otto D. Tolischus verfasste Werk „They wanted War“609 verblüffen mit einem Erkenntniswert bezüglich zahlreicher Aspekte des Dritten Reichs, der vielen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg von namhaften Historikern vorgelegten Untersuchungen gleichkommt. Jedoch waren die Korrespondenten während des Dritten Reichs nicht in der Lage, die zahlreichen auf den oben beschriebenen Wegen gesammelten Informationen auch in ihren Berichten an ihre Leser weiterzugeben. Daran hinderte sie neben dem bereits erörterten nationalsozialistischen Sanktionsund Repressionsapparat vor allem die Sorge um den Schutz ihrer Informanten. Shirer bemerkt hierzu: „After all, I had nothing to lose if I was found out; all they could do was expel me. My German informants risked their lives.”610 So war es oft der Fall, dass Korrespondenten nur einen Bruchteil der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen für ihre Artikel verwandten und in einigen Fällen bestimmte Themen oder Ereignisse völlig unerwähnt ließen. Noordewier beschreibt in einem seiner Geheimberichte für die niederländische Regierung, dass er gemeinsam mit anderen Korrespondenten beschloß, keine Berichte zum Tod des Schauspielers Paul Otto zu verfassen. Wie die Journalisten aus Beschreibungen von Ottos Haftgenossen wussten, wurde dieser nach seiner Festnahme von SA-Männern zu Tode geprügelt und war keineswegs – wie in öffentlichen Bekanntmachungen behauptet – auf dem nassen Boden seiner Zelle unglücklich ausgerutscht. Da jedoch im Falle 607 Huss bemerkt zu der Detailkenntnis der Korrespondenten über Hitlers Le-

benswandel: „He sits in the middle of a web of high-powered intrigue, plotting, gossip, and a maelstrom of clashing jealousies and interests and there is little in his private or official life that does not sooner or later trickle down to ears like mine trained to listen in the proper place.“ Huss (1943), S. 88. 608 Manche Einschätzungen der Korrespondenten waren jedoch auch falsch. So behauptet Géraud Jouve in seinem 1941 erschienenen Buch „Mon séjour chez les Nazi“ unzutreffenderweise, dass Julius Streicher nach dem Auffliegen seines korrupten Verhaltens rund um die Enteignung von Juden 1940 ermordet worden sei. Vgl. Jouve (1941), S. 37. 609 Vgl. Tolischus (1940). 610 Shirer (1984), S. 161.

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einer Berichterstattung die Quellen der Korrespondenten für die Nationalsozialisten offengelegt worden wären, schwiegen die Journalisten lieber.611 In ähnlicher Weise berichtet Lochner: „Many a time I carried a story around with me for days, torn between the feeling of responsibility to inform my fellow Americans of this or that new iniquity perpetrated by the Nazis against their own people, and a realisation that the publication of the item might lead to the discovery of its source.”612 Um die Spuren zu seinen Informanten zu verwischen zögerte Lochner die Veröffentlichung mancher Nachrichten über Tage hinaus, in denen er für den Fall seiner Observierung eine Menge anderer Leute traf. Zudem schrieb er bestimmte Artikel „in such a way as to camouflage its orgin“.613 Wurden Personen verhaftet, die Korrespondenten als Informationsquellen gedient hatten, waren diese mit der belastenden Frage gequält, ob sie durch eine Unvorsichtigkeit irgendwie zu der Festnahme beigetragen hatten.614 Ein weiteres Mittel um die Spuren zu Informanten zu verwischen und um insbesondere die Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung durch das NS-Regime für unerwünschte Berichterstattung herabzusetzen, war eine verstärkte Zusammenarbeit der Korrespondenten. Die ausländischen Journalisten bildeten nach 1933 verstärkt „multinationale Widerstandsnester“,615 innerhalb derer sie sich mit Informationen austauschten. Dabei sprachen sie sich auch über Veröffentlichungen ab. Manche Berichte wurden in Gruppendiskussionen verworfen, weil sie als zu gefährlich für die Informanten eingeschätzt wurden. Bei anderen Themen einigte man sich auf ein bestimmtes Datum, an dem eine Gruppe von Korrespondenten gleichzeitig die gleiche Information veröffentlichte. Da es die Nationalsozialisten scheuten, ganze Korrespondentengruppen auf einmal zu bestrafen, verringerte sich so das Risiko von Sanktionsmaßnahmen.616 Ein weitaus wichtigerer Einfluss auf die Inhalte ihrer Berichterstattung als der Quellenschutz waren für nicht wenige Korrespondenten in Berlin – insbesondere für Korrespondenten, in deren Heimat die Presse staatlich gelenkt war – Presseanweisungen der eigenen Regierung. So standen die Korrespon611 Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 87. Geheimbericht Noordewiers vom 26.1.1934.

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Für weitere Beispiele journalistischer Zurückhaltung Noordewiers vgl. Ders. (1987), S. 347-351 Lochner (1943), S. 223. Ebd. Für weitere Beispiele einer so ausgelösten Selbstzensur vgl. Huttner (1995), S. 122-124. Vgl. Shirer (1984), S. 161. Roussel (1986), S. 102. Vgl. Mowrer (1937), S. 286-287; vgl. Shirer (1984), S. 161 ; vgl. Huttner (1995), S. 123.

denten der Sowjetunion stets in engem Kontakt zur sowjetrussischen Botschaft in Berlin,617 von der sie Anweisungen für ihre Arbeit erhielten.618 Da die Regierung in Moskau ihre Korrespondenten lieber nicht zu lange nichtkommunistischen Einflüssen aussetzen wollte, blieben die sowjetischen Journalisten nie länger als drei Jahre in Deutschland, danach wurden sie zurück nach Russland beordert – um sie „wieder bolschewistisch zu überholen“, wie ein vertraulicher Bericht der Dienststelle Ribbentrop ironisch bemerkt.619 Ebenfalls von ihrer Regierung die Schreibweise diktiert bekamen die italienischen Korrespondenten in Berlin. Zuständig für die täglichen Presseanweisungen war ab Mai 1937 das „Ministero della Cultura Popolare“, dessen Schreibordern für die italienischen Journalisten bindend waren.620 Die „note di servizio“ oder zumeist „veline“621 genannten Anweisungen wurden von den Heimatredaktionen in Italien an die Korrespondentenbüros weitergeleitet.622 Auf Regierungsseite bekam auch die italienische Botschaft in Berlin die Anweisungen vom „MinCulPop“ übersandt, um die Korrespondenten bei ihrer Arbeit überwachen zu können.623 Die Aufgabe des Presseattachés der Botschaft war es, den Korrespondenten Hinweise zu geben, wie sie die Anweisungen aus Rom konkret umzusetzen hatten. Er entschied beispielsweise, welche Artikel aus deutschen Zeitungen die Korrespondenten in ihren Berichten zitieren durften.624 Zu Beginn waren die Presseanweisungen aus Rom ganz und gar nicht deutschfreundlich. So erhielt Filippo Bojano 1934 nach dem Mord an Dollfuß und dem nationalsozialistischen Putschversuch in Österreich die Anweisung, möglichst negativ über das NS-Regime zu berichten.625 Mit der zunehmenden Annäherung zwischen Mussolini und Hitler verpflichteten die Presseanweisungen aus Rom die Korrespondenten aller617 Vgl. Huss (1943), S. 200. 618 Vgl. McMurry (1979), S. 109. 619 Vgl. PA AA, R 27090 Vertraulicher Bericht über die Haltung des Vereins der

Ausländischen Presse, 9.12.1936. 620 Zuvor waren verschiedene wechselnde Stellen für die Presseanweisungen zu-

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ständig gewesen. Vgl. BArch, NS 43/433 Vertraulicher Bericht Wolfgang Schaeffers über führende italienische Zeitungsleute, 22.3.1938. Die Bezeichnung „velina“ leitete sich ab von dem Durchschlagpapier, auf dem die Anweisungen zum Zweck ihrer zahlenmäßig großen Vervielfältigung geschrieben wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte der Begriff seine Bedeutung. Eine „velina“ ist heute im Sprachgebrauch italienischer Journalisten eine von einer Nachrichtenagentur verbreitete Meldung. Vgl. Licata (1976), S. 288-295. Vgl. Simoni [Lanza] (1946), S. 41. Vgl. BArch, NS 43/336 Bericht über das italienische Pressewesen, Juli 1936. Vgl. Bojano (1945), S. 33.

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dings verstärkt auf eine deutschfreundliche Linie, auch wenn dies nicht deren persönlicher Meinung entsprach.626 Doch nicht nur kommunistische und faschistische Diktaturen nahmen Einfluss auf ihre Korrespondenten. Auf Druck der Nationalsozialisten bat die Schweizer Regierung immer wieder die Zeitungen des Landes, in ihrer Kritik am Dritten Reich aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht zu weit zu gehen und „außenpolitische Zurückhaltung“ zu üben. Diese Bitten wurden von den Zeitungen auch an ihre Korrespondenten weitergeleitet.627 Stéphane Roussel wurde nach einer von ihr verfassten Meldung, welche der französischen Botschaft in Berlin negativ aufgefallen war, von Botschafter FrançoisPoncet einbestellt und ermahnt, ihr Bericht zu einer bevorstehenden Besetzung des Rheinlandes im Februar 1936 habe dem Interesse Frankreichs geschadet.628 Ein weiteres Hindernis für die Berichterstattung von Korrespondenten waren divergierende Ansichten mit ihrer Heimatredaktion über die von ihrer Zeitung zu verfolgende redaktionelle Linie. Prominentestes Beispiel dieser Art war Norman Ebbutt, der als scharfer Kritiker des Nationalsozialismus immer wieder mit der Londoner „Times“-Redaktion und dem dort von Chefredakteur Geoffrey Dawson vertretenen Appeasement-Kurs in Konflikt geriet. Ebbutt beklagte sich des Öfteren bei anderen Korrespondenten, „that the Times does not print all he sends, that it does not want to hear too much about the bad side of Nazi-Germany and apparently has been captured by the pro-Nazis in London.”629 Auch Martha Dodd gibt zu Ebbutts Berichten an, “Des öfteren erschienen sie nicht, waren irgendwo versteckt oder so entstellt, daß sie fast harmlos wirkten“630 und bemerkt, dass der Korrespondent bei seiner Ausweisung 1937 keinerlei Unterstützung von seiner Redaktion erhalten habe.631 Überlieferte Akten des Auswärtigen Amtes zeigen, dass die Dinge

626 Vgl. Ebd., S. 37. 627 Vgl. BArch, NS 43/349 Aufzeichnung der Deutschen Gesandtschaft Bern über

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eine Unterredung mit dem stellvertretenden Chef im Politischen Department des Schweizer Außenministeriums, 22.10.1938; vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 72. Vgl. Roussel (1986), S. 227-228. Shirer (1941), S. 41. Dodd (2005), S. 118. Vgl. Ebd., S. 121. Huttner ist in seiner Untersuchung der Handhabung des nationalsozialistischen Kirchenkampfes durch die britische Presse der Frage nachgegangen, inwieweit die „Times“-Redaktion tatsächlich Ebbutts Berichte bewusst aus politischen Gründen veränderte. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass die Redaktion dessen Texte teilweise aus Gründen wie Platzmangel änderte,

allerdings auch umgekehrt wie im Fall Ebbutts liegen konnten. So geriet der niederländische Korrespondent des „Het Vaderland“, Henri BlancheKoelensmid, im Frühjahr 1933 in Konflikte mit seiner Redaktion, weil diese seine NS-freundlichen Artikel nicht abdrucken wollte und stattdessen eigene oder Agenturberichte verwandte. Für das Auswärtige Amt war dies „ein typisches Beispiel dafür, wie bisweilen auch ein wohlmeinender objektiver ausländischer Korrespondent machtlos ist gegenüber einer böswilligen Redaktion“.632 Blanche-Koelensmid verließ wegen der Meinungsverschiedenheiten seine Zeitung wenige Monate nach der „Machtergreifung“ und wurde nach Kriegsbeginn Radiopropagandist für das Dritte Reich.633 5.1.7 Politische Betätigung und Widerstand Auch wenn die im Dritten Reich tätigen Auslandskorrespondenten immer wieder betonten, dass sie als Journalisten in Deutschland nur neutrale Beobachter seien und meinungsfreie Weitergabe von Fakten betrieben,634 so zeigen verschiedene Quellen doch, dass sich viele Journalisten über ihre journalistische Arbeit hinaus betätigten. Ivone Kirkpatrick, Diplomat in der Botschaft von Großbritannien in Berlin, gibt an, britische Korrespondenten hätten ihm bei seiner Arbeit in der Reichshauptstadt als „scouts and touts“ immer wieder nützliche Dienste erwiesen.635 Eine große Anzahl von Journalisten agierte demnach in mehr oder weniger ausgeprägter Weise als Informant und Zuarbeiter ihrer jeweiligen Regierung. Da viele Korrespondenten Deutschland besser kannten als die in Berlin tätigen Diplomaten,636 fungierten sie insbesondere als wichtige Quelle der Berichte, die von den diplomatischen Missionen aus der Reichshauptstadt ins Ausland versandt wurden.637

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bestätigt aber, dass auch Meinungsunterschiede über die Politik des Dritten Reichs hierfür Ursache waren. Vgl. Huttner (1995), S. 228-239. PA AA, R 121651 Vorlage Drechsler, 18.4.1933. Vgl. Stoop (1987), S. 329. Vgl. Mowrer (1937), S. 299; vgl. Harsch (1941), S. 283. Vgl. Schumacher (1998), S. 61. Vgl. Dodd (2005), S. 116-117. So nennt ein Bericht der britischen Botschaft in Berlin zur Lage der Juden in Deutschland aus dem September 1935 den „Times“-Korrespondenten Norman Ebbutt als Informationsquelle. Abgedruckt findet sich ein Auszug des Berichts in Bajohr/Strupp (2011), S. 431.

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Die Korrespondenten aller Nationen standen zu diesem Zweck in intensivem Kontakt mit der Botschaft oder Gesandtschaft ihrer Nation.638 Einige Journalisten hatten sich zudem verpflichtet, neben ihrer journalistischen Arbeit regelmäßig geheime Berichte für ihre Regierungen zu verfassen und gingen damit quasi-nachrichtendienstlichen Tätigkeiten nach. Die bereits erwähnten 47 Berichte des Niederländers Hendrik Noordewier, die dieser von 1933 bis 1935 für das „Nationaal Bureau voor Documentatie over Nederland“ der niederländischen Regierung schrieb, wurden in Den Haag von den obersten Vertretern des Außenministeriums, des Geheimdienstes und des Verteidigungsministeriums gelesen.639 Vertrauliche Berichte des „Il Popolo d’Italia“-Korrespondenten Bojano gingen nach dessen Aussage an Mussolini persönlich.640 Vor der Abreise auf einen Korrespondentenposten der „Basler Nachrichten“ in Berlin im Herbst 1935 wurde Hermann Böschenstein vom Chef der Nachrichtensektion des Schweizer Generalstabes zu einer Unterredung gebeten. Der Militär schlug dem Journalisten vor, der Schweizer Armee regelmäßig schriftliche Berichte über die deutsche Aufrüstung zukommen zu lassen. Als Überbringer der Berichte sollte der diplomatische Kurier der Schweizer Gesandtschaft in Berlin dienen. Böschenstein lehnte das Angebot ab, da ihm nicht garantiert werden konnte, dass die Berichte auf dem Weg in die Schweiz nicht doch von deutschen Stellen abgefangen wurden. Böschenstein erklärte sich jedoch bereit, bei Besuchen in der Schweiz regelmäßig sein Wissen mit dem Militär mündlich zu teilen.641 In Kooperation mit oder sogar im Auftrag der jeweiligen diplomatischen Vertretung ihres Heimatlandes in Berlin nahmen Korrespondenten zudem immer wieder Mittlerfunktionen wahr. So gab Hermann Böschenstein Anfang 1936 vertrauliche Informationen von der tschechoslowakischen Gesandtschaft an die Schweizer Gesandtschaft weiter, die Tätigkeiten deutscher Diplomaten im Ausland betrafen.642 AP-Korrespondent Lochner vermittelte 1933 wiederholt Treffen amerikanischer Diplomaten mit Heinrich Brüning, bei denen er anwesend war und als Dolmetscher fungierte. Ein Treffen Brünings mit US-Botschafter William Dodd fand sogar in Lochners Privatwoh638 Eine der ersten Amtshandlungen des Ende 1938 in Berlin neu angekommenen

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französischen Botschafters Robert Coulondre war ein Treffen mit den in der Reichshauptstadt akkreditierten französischen Journalisten. Vgl. Coulondre (1950), S. 206. Zu den regelmäßigen Treffen des US-Botschafters William Dodd mit Auslandskorrespondenten vgl. Dodd/ Dodd (Hrsg.) (1963), S. 41, S. 99, S. 185, S. 231 und S. 275. Vgl. Stoop (Hrsg.) (1990), S. 18-22. Vgl. Bojano (1945), S. 28. Vgl. Böschenstein (1978), S. 51-52. Vgl. Weber (1948), S. 79-80.

nung statt.643 Auch Lochners Kollege Pierre J. Huss von der Nachrichtenagentur INS half der US-Botschaft in Berlin bei diplomatischen Vorstößen. Huss suchte im November 1934 Karl Bömer im Außenpolitischen Amt der NSDAP auf und berichtete ihm, er habe gerade mit Botschafter Dodd über den Fall der Isabell M. Steele gesprochen. Die US-amerikanische Musikstudentin war im August 1934 – nicht völlig unbegründet – von der Gestapo wegen Spionagetätigkeiten festgenommen worden und befand sich seitdem in Haft, ohne dass US-Diplomaten genauere Auskünfte über die Angelegenheit erhalten hätten. Huss berichtete Bömer weiter, einige US-Senatoren hätten sich nun des Falles angenommen und es sei mit dem Aufkommen einer negativen Kampagne gegen die Verhaftung in der US-Öffentlichkeit zu rechnen. Aus diesem Grund empfahl Huss in Absprache mit Botschafter Dodd, die Frau „unter der Hand“ freizulassen und umgehend aus Deutschland ausreisen zu lassen.644 Allgemein teilten die in Deutschland tätigen Auslandskorrespondenten ihre Informationen fast immer mit Vertretern ihrer Regierungen, wenn sie die nationale Sicherheit ihres Landes in Gefahr sahen. So ließ „Havas“Korrespondent Jouve Anfang März 1939 die Berliner französische Botschaft wissen, er habe zuverlässige Informationen erhalten, wonach der Einmarsch deutscher Truppen in die „Rest-Tschechei“ für die nationalsozialistische Regierung bereits beschlossene Sache sei. In solchen Fällen waren die Korrespondenten bereit, im Interesse ihres Landes mit der Veröffentlichung von Meldungen abzuwarten.645 Neben den Tätigkeiten für ihre Regierungen wurden einige Korrespondenten auch im Privaten gegen das NS-Regime tätig – mal in größerem, mal in kleinerem Ausmaß. Einige Journalisten geben an, sie hätten zeitweise Verfolgten des Regimes, wie Kommunisten646 oder Juden,647 in ihren Wohnungen Unterschlupf geboten. Auch nutzten die Korrespondenten ihre Verbindungen in diplomatische Kreise, um den vom Nationalsozialismus Bedrängten die Ausreise aus Deutschland zu erleichtern.648 Lochner berichtet, er habe sogar einmal Personen aus der Gestapohaft befreien können. Auf einem Empfang sprach Lochner den Reichsjustizminister auf die Fälle einiger ihm bekannter festgenommener Menschen an. Der Minister forderte Lochner daraufhin auf, ihm diese Fälle schriftlich zu schildern. Lochner kam dieser Bitte 643 644 645 646 647 648

Vgl. Lochner (1955), S. 285-288. Vgl. BArch, NS 43/204 Unadressierter Briefentwurf Bömers, 6.11.1934. Vgl. Jouve (1941), S. 57. Vgl. Roussel (1986), S. 98. Vgl. Shirer (1984), S. 160. Vgl. Ebd.

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nach und versandte seinen Brief an das Reichsjustizministerium auch in Kopie an den US-Botschafter. Nach wenigen Tagen wurden die betreffenden Personen laut Lochner von der Gestapo freigelassen.649 Von einer aktiven Mitarbeit im Widerstand gegen Hitler kann im Fall des NBC-Korrespondenten Max Jordan die Rede sein. Wie bereits erwähnt war Jordan, in Deutschland aufgewachsen und erst seit den 1920er Jahren USStaatsbürger, ab 1933 mit Karl Nord in Kontakt. Nord übergab Jordan jedoch nicht nur Informationen, sondern lud den US-Korrespondenten auch zu geheimen Bierabenden in sein Haus ein, bei denen etwa ein halbes Dutzend Regimegegner aus dem Auswärtigen Amt, der Wirtschaft und dem Journalismus die politische Entwicklung Deutschlands besprachen. Die Teilnahme an diesen Treffen diente Jordan nicht nur der Information, er beteiligte sich dort auch an den Diskussionen zum Widerstand gegen Hitler. Ebenfalls bei Nords Bierabenden anwesend war Otto Weltin, Ingenieur bei Bosch und Mitglied des liberalen, Hitler-feindlichen Zirkels um Robert Bosch.650 Weltin und der Bosch-Kreis standen mit Carl Friedrich Goerdeler in Kontakt, ehemaliger Oberbürgermeister von Leipzig und Schlüsselfigur des konservativen Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Auf Vermittlung Weltins kam es Ende der 1930er Jahre zu einem Treffen zwischen Jordan und Goerdeler,651 dem in der Kriegszeit ab 1939 „frequently“ weitere Zusammenkünfte folgten.652 Jordan versorgte Goerdeler dabei mit Einschätzungen über die Stellung des anglo-amerikanischen Auslands zum deutschen Widerstand653 und wurde seinerseits von Goerdeler über die Planungen der Widerständler auf dem Laufenden gehalten.654 Der US-Korrespondent informierte weiter das britische „Foreign Office“, zu dem er über mehrere Kontakte in engeren Beziehungen stand, über die Tätigkeit Goerdelers und sondierte dort für diesen die Haltung der Briten zum geplanten Staatsstreich gegen Hitler.655 Diese Rolle als Informationskurier behielt Jordan bis zur deutschen Kriegserklärung an die USA.656 649 Vgl. Lochner (1943), S. 50. 650 Vgl. Jordan (1944), S. 160-163. 651 Als Ort für das Treffen gibt Jordan in seinen Erinnerungen nur einen „place in

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the very heart of Germany“ an. Sein erstes Gespräch mit Goerdeler schildert der Journalist ausführlich. Vgl. Ebd., S. 260-266. Vgl. Ebd., S. 266. Vgl. Ebd., S. 267-269 und S. 298-302. Vgl. Ebd., S. 270-271. Vgl. Scholtyseck (1999), S. 315-316 und S. 321. Die Gestapo war während des Jahres 1940 auf Jordans Aktivitäten aufmerksam geworden. Er hatte sich verdächtig gemacht, weil er in der Schweiz einem als Regimegegner getarnten Gestapoagenten weitergeholfen hatte und weil nach der

5.1.8 Anbiederung und Kollaboration Die gerade gemachten Ausführungen, sowie zahlreiche Schilderungen in der Literatur und den Erinnerungen der Auslandskorrespondenten erwecken den Eindruck, dass das Korps der ausländischen Journalisten im Dritten Reich eine geschlossene Front gegen den Nationalsozialismus bildete, bestrebt, die Welt über die Schlechtigkeit des nationalsozialistischen Deutschlands aufzuklären. Dem war nicht so. Nach der „Machtergreifung“ im Januar 1933 kam es zu zahlreichen Fällen von Zusammenarbeit zwischen Korrespondenten und deutschen Stellen, zu denen die Journalisten teils aus Opportunismus, teils aus Überzeugung bereit waren. Weniger die Erinnerungen der Korrespondenten, dafür aber die überlieferten Akten zeigen, dass nicht nur zwielichtige Gelegenheitskorrespondenten und korrupte Vertreter kleiner Zeitungen mit den Nationalsozialisten kooperierten, sondern dass auch Berichterstatter großer renommierter Medienunternehmen mit Hitler sympathisierten und dem NS-Regime in ihrer Arbeit weit entgegenkamen. Unmittelbar nach der „Machtergreifung“ setzte ein großer Teil der in Deutschland tätigen Auslandskorrespondenten darauf, sich durch Anbiederung an das neue Regime Vorteile für die eigene Arbeit zu verschaffen.657 So bat im März 1933 S. Miles Bouton, Deutschland-Korrespondent für „The Baltimore Sun” und „The Brooklyn Daily Eagle”, um eine der wenigen Eintrittskarten für die Garnisonskirche zum „Tag von Potsdam“ mit der Begründung: „Seit Jahren habe ich allein unter den amerikanischen Korrespondenten den Sieg der NSDAP prophezeit und über deren Führer im günstigsten Sinne berichtet.“658 In ganz ähnlicher Weise forderte der norwegische Journalist Sigvard Abrahamsen zur gleichen Zeit die Zuteilung einer Eintrittskarte für die Journalistentribüne des Reichstags. Seine Zeitung, die „Morgenbladet“ aus Oslo, sei die einzige in Norwegen, die sich in der Vergangenheit „für die jetzige deutsche Regierung vorbehaltlos eingesetzt“659 habe. Besetzung von Paris dort Durchschläge von Briefen Jordans gefunden wurden, aus denen die Geheimpolizei Rückschlüsse über seine Kontakte ziehen konnte. Vgl. Jordan (1944), S. 298-299. Sein Engagement im Widerstand entdeckten die deutschen Stellen nicht, jedoch geriet er unter Spionageverdacht und wurde daher zeitweise von den amtlichen Frontreisen des RMVP ausgeschlossen. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 462. Protokoll der Ministerkonferenz vom 16.8.1940. 657 Vgl. hierzu die Ausführungen zum „Verband der Ausländischer Pressevertreter zu Berlin“ oben, S. 132-134. 658 PA AA, R 211650 S. Miles Bouton an Reichstagspräsident Göring, 15.3.1933. 659 Ebd. Sigvard Abrahamsen an Presseabteilung der Reichsregierung, 14.3.1933.

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Andere Journalisten offerierten deutschen Stellen eine dem NS-Regime gegenüber freundliche Berichterstattung und baten dafür um finanzielle Gegenleistungen. Im Februar 1934 wandte sich der Bulgare Dimitri Jotzoff, Herausgeber und Chefredakteur der „Deutschen Orient-Korrespondenz“ an das Außenpolitische Amt der NSDAP. Jotzoff erklärte dem BulgarienReferenten des APA, seine Nachrichtenagentur, die eine Reihe bulgarischer Zeitungen mit Berichten aus Deutschland belieferte, sei „nur von dem Wunsch geleitet, Verständnis für das Dritte Reich in unserer Heimat anzustreben“ und „die frankophile Politik der jetzigen bulgarischen Regierung energisch zu bekämpfen“. Jotzoff schlug vor, dass deutsche Stellen zur Unterstützung seiner Agentur deren Dienste abonnieren könnten.660 Bei weiteren Gesprächen ließ der Bulgare dann gegenüber dem Referenten des APA durchblicken, seine Agentur könne „ohne finanzielle Förderung“ von deutscher Seite „nicht mehr bestehen“. Der Bulgarien-Referent und auch der Chef des Presseamtes Karl Bömer schlugen deshalb der Leitung des APA vor, die bulgarische Agentur durch eine „monatliche Subvention“ zu unterstützen.661 Inwieweit daraufhin tatsächlich Gelder an die „Deutsche OrientKorrespondenz“ geflossen sind, ließ sich aus den Akten nicht rekonstruieren. Ebenfalls mit der Bitte um finanzielle Unterstützung wandte sich im August 1936 der ehemalige Chefredakteur des „Berner Tagblatts“, Heinrich Wechlin, an das Auswärtige Amt, das Propagandaministerium und das Außenpolitische Amt. Wechlin, der seinen Posten beim „Berner Tagblatt“ wohl aufgrund seiner radikal rechten politischen Ansichten verloren hatte, plante den Aufbau eines Pressebüros in Berlin, das Schweizer Zeitungen mit Berichten aus dem Dritten Reich versorgen sollte. Da Wechlins politische Einstellung eine „auf jeden Fall objektive, wenn nicht deutschfreundliche“ war, bemühten sich die deutschen Stellen, Wechlin die von ihm verlangten 5.000 Reichsmark für den Aufbau seines Büros zu beschaffen. Auch forderte der Journalist Gratisabonnements deutscher Zeitungen. Jedoch kam es letztendlich zu keiner Unterstützung für Wechlin, da alle Stellen aufgrund knapper Budgets keine Gelder freimachen konnten. Das Pressebüro des Schweizers lief zudem nie sonderlich erfolgreich und schloss im März 1937 wieder.662 Andere ausländische Berichterstatter wie der Schwede Nils von Bahr lancierten im Auftrag deutscher Stellen aus Berlin pronazistische Artikel in ausländischen Zeitungen. In einem ausführlichen Bericht an den Skandinavienreferenten der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, Bogs, rechnete von Bahr diesem vor, dass er im Zeitraum von Mitte Februar 1933 bis Ende Ok660 Vgl. BArch, NS 43/180 Dimitri Jotzoff an General von Massow, 8.2.1934. 661 Vgl. Ebd. Referat Bulgarien an Leitung des APA, 10.2.1934. 662 Vgl. BArch, NS 43/439 Aktennotiz des APA, ohne Datum.

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tober 1934 etwa 500 deutschfreundliche Artikel in 42 verschiedenen skandinavischen Zeitungen platziert hatte. Dazu betrieb Bahr auch „Aufklärungsarbeit“, indem er Broschüren und Briefe an schwedische Journalisten verschickte, in denen die positiven Seiten des Nationalsozialismus‘ betont wurden.663 Bahr, der auch im Sprachendienst des Auswärtigen Amtes tätig war und dort schwedische Texte übersetzte,664 war somit weniger als Journalist, denn als Propagandist im Auftrag deutscher Stellen tätig. Er handelte offenbar aus innerer Überzeugung.665 Zu den gerade angeführten Beispielen ließe sich anmerken, dass es sich hierbei um in ihrer Bedeutung letztendlich unwichtige Ausnahmefälle handelte, die man getrost vernachlässigen könnte. Weitere Beispiele zeigen jedoch, dass auch prominente Korrespondenten angesehener Medien mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiteten. Wohl aus vorwiegend opportunistischen Gründen tat dies Pierre J. Huss, der Berliner Korrespondent der HearstNachrichtenagentur „International News Service“. Huss, nach Einschätzung William Shirers „slick, debonair, ambitious“ und „on better terms with Nazi officials than almost any other“,666 kollaborierte mit deutschen Stellen, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen. So sorgte Huss mit dafür, dass der bekannte, dem Nationalsozialismus gegenüber kritisch eingestellte Journalist Hubert Renfro Knickerbocker,667 der ebenfalls im Auftrag verschiedener Hearst-Medien aus Deutschland und Europa berichtete, von seinem Auftraggeber Arbeitsverbot für Deutschland erhielt. Den Nationalsozialisten war bekannt, dass William Randolph Hearst selbst seit seinem Besuch in Deutschland 1934 mit dem Nationalsozialismus sympathisierte und den Abzug Knickerbockers aus Deutschland erwog. Nachdem Knickerbocker dem NSRegime seit der „Machtergreifung“ ein Dorn im Auge gewesen war, teilte das Außenpolitische Amt in Person Karl Bömers dem INS-Büro in Berlin im November 1934 nach einer Artikelserie Knickerbockers in der dänischen Zeitung „Berlingske Tidende“ mit, „daß Deutschland sich die Schreiberei ihres unliebsamen Kollegen nicht länger gefallen lassen könne.“668 Daraufhin rich663 Vgl. BArch, R 55/20942 Bericht Nils von Bahrs über dessen Aufklärungsarbeit

in skandinavischen Medien, ohne Datum. Vgl. Ebd. Leiter des Sprachendienstes im AA an von Bahr, 25.10.1933. Vgl. Ebd. Skandinavienreferent Bogs an von Bahr, 20.6.1933. Shirer (1941), S. 41. Auslandspressechef Hanfstaengl berichtet über Knickerbocker, dieser sei „wohl der bestinformierteste und gewissenhafteste Journalist seiner Zeit“ gewesen. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 254. 668 BArch, R 43-II/472 Bömer an die Reichskanzlei, den Stellvertreter des Führers, den Reichsführer SS, die Presseabteilung des AA, die Presseabteilung des RMVP und das Forschungsamt der deutschen Luftfahrt, 19.11.1934. 664 665 666 667

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teten INS-Chefkorrespondent Huss, sowie der Chef des INS in Deutschland, Dosch-Fleurot, und der gerade in Berlin anwesende Europachef des INS, Hillman, ein telefonisches Exposé an ihre New Yorker Zentrale. In dem Exposé, welches die drei Herren bemerkenswerter Weise dem Außenpolitischen Amt im Wortlaut zur Verfügung stellten, wird bemerkt, dass sich Knickerbocker mit seiner „constantly hostile attitude to Germany“ und „constant reference to unpleasant things wich are passed“ sowie „inaccurate statements“ zur persona non grata im Dritten Reich gemacht habe. Um unnötige Konflikte zwischen der deutschen Regierung und Hearst-Medien wie INS zu vermeiden, „the easiest solution of the moment appears to be for his own employers to come forward with instructions to Knickerbocker not to return to Germany”, so das Exposé weiter.669 In einer Antwort der New Yorker Zentrale, die das Berliner INS-Büro ebenfalls wortwörtlich an Bömer weitergab, teilte diese mit, dass die Leiter des INS sowie die Hearst-Gruppe als Ganzes – offenbar auf Weisung William Randolph Hearsts persönlich – Knickerbocker wie angeraten weitere Arbeit in Deutschland verboten.670 Um sicherzustellen, dass diese Linie von INS und der Hearst-Gruppe auch wirklich streng verfolgte wurde, schrieb Huss einige Tage später nochmals einen vierseitigen Brief an seine Chefs in New York, in dem er die Notwendigkeit eines Einreiseverbots für Knickerbocker erneut unterstrich.671 Für Huss hatte sein Verhalten einen doppelten Vorteil. Erstens machte er sich bei den deutschen Stellen beliebt, denn das Einreiseverbot von Hearst ersparte der NSRegierung eine unpopuläre offizielle Ausweisung Knickerbockers. Seine Zusammenarbeit belohnte das Regime nach Vermittlung Bömers zwei Monate später im Januar 1935 mit einem Hitler-Interview in Berchtesgaden.672 Zweitens entledigte Huss sich eines internen Konkurrenten, der mit seiner Deutschland-Berichterstattung bisher viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. 669 Knickerbocker befand sich zu dieser Zeit in Moskau. Vgl. Ebd., Abschrift des

telefonischen Exposés des INS-Europachefs, Hillman, des Leiters des Berliner INS-Büros, Dosch-Fleurot, und des Chefkorrespondenten des INS, Huss, an den Präsidenten der Hearst-Cooperation in New York vom 15.11.1934. 670 Vgl. Ebd., Antwort des Präsidenten Connolly, New York, vom 16.11.1934. 671 Vgl. Ebd. Bömer an die Reichskanzlei, den Stellvertreter des Führers, den Reichsführer SS, die Presseabteilung des AA, die Presseabteilung des RMVP und das Forschungsamt der deutschen Luftfahrt, 19.11.1934. 672 Vgl. Ebd. Bömer an Thomsen, 7.12.1934 und Thomsen an Bömer, 14.12.1934. Vgl. auch die Schilderung des Interviews in Huss‘ Erinnerungen, in denen es zum Zustandekommen des Interviews freilich nur heißt: „I had arranged through Karl Boemer and Alfred Rosenberg for an interview with Hitler on the day of the Saar plebiscite returns“. Huss (1943), S. 14.

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Doch nicht nur gegen seine eigenen Kollegen, sondern auch gegen die mit INS konkurrierenden Nachrichtenagenturen versuchte Huss mit Hilfe der Nationalsozialisten vorzugehen. So teilte Karl Bömer im September 1936 dem Leiter der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, Aschmann, mit: „Immer wieder werde ich von dem hiesigen Hearst-Vertreter, Pierre Huss, darauf aufmerksam gemacht, daß die Associated Press Reden des Führers und führender Männer bewußt falsch zitiert, ohne daß irgendeine Maßregelung erfolgt.“673 Huss beschwerte sich wiederholt sowohl bei Bömer als auch bei Reichspressechef Dietrich, diesen Umstand abzustellen.674 Insgesamt war man seitens des Regimes in den Anfangsjahren der NS-Diktatur recht glücklich mit der zunehmend freundlichen Berichterstattung der Hearst-Medien. „Einen großen Anteil an dieser Wandlung der Hearstpresse trägt der hiesige Vertreter, Mr.Pierre Huss“, stellte Karl Bömer im Dezember 1934 fest.675 Seine guten Beziehungen zu NS-Führungskreisen erhielt sich Huss bis zu seiner Abreise aus Deutschland im November 1941. Noch wenige Wochen vor der Kriegserklärung des Deutschen Reichs an die USA traf der US-Journalist an der Ostfront mit Hitler zusammen.676 Goebbels hielt Huss offenbar auch nach dessen Rückkehr in die USA für einen Sympathisanten und notierte am 27. November 1941 in sein Tagebuch: „Der bisher in Berlin tätige USAKorrespondent Huss ist nach den Vereinigten Staaten zurückgekehrt und hat dort Erklärungen abgegeben, die zum Teil negativ, zum Teil positiv zu werten sind. Die negativen Stellen sind aber wohl darauf zurückzuführen, daß er sich zuerst einmal Glaubwürdigkeit und ein Alibi verschaffen will. So weit ist es schon in den USA, daß, wenn einer überhaupt die Wahrheit über Deutschland sagt, ihm gar kein Glauben mehr geschenkt wird.“677 Während Huss bei einigen Sympathien für das Dritte Reich wohl vor allem aus Opportunismus und Vorteilssucht mit dem Regime zusammenarbeitete, so gab es unter den führenden Korrespondenten auch solche, die aus voller Überzeugung den neuen Machthabern positiv gesinnt waren. Hierzu gehörte der Chef des Berliner Büros der „New York Times“, Guido Enderis, auf dessen Person Laurel Leff in seiner Untersuchung der Berichterstattung der „New York Times“ über die Judenverfolgung im Dritten Reich ein-

673 674 675 676 677

PA AA, R 123155 Bömer an Aschmann, 29.9.1936. Vgl. Ebd., Vermerk Strempel, 31.10.1936. Vgl. BArch, R 43-II/472 Bömer an Thomsen, 7.12.1934. Vgl. Huss (1943), S. 208. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 2, S. 373 (27.11.1941).

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geht.678 Enderis, gebürtiger Schweizer, arbeitete schon vor dem Ersten Weltkrieg als Korrespondent amerikanischer Medien in Berlin. Während des Krieges 1914 bis 1918 war er bereits wegen seiner deutschfreundlichen Haltung aufgefallen. Als einziger US-Korrespondent durfte er nach 1917 im Reich bleiben und wurde recht luxuriös im Hotel Adlon interniert. Nach 1933, immer noch in Berlin, zeichnete Enderis sich dadurch aus, dass er die Gewalttaten der Nationalsozialisten gegenüber Kollegen und in seinen Artikeln herunterspielte.679 Zudem beschwerte er sich bei der „New York Times“-Zentrale über Deutschland-kritische Artikel in seiner Zeitung. Laut einem Bericht der Dienststelle Ribbentrop erklärte Enderis im Sommer 1937 auf einer Sondersitzung des Vereins der Ausländischen Presse zur Ausweisung Norman Ebbutts: „Sie haben kein Recht, meine Herren, die Maßnahmen einer Regierung, die uns Gastrecht gibt, zu kritisieren.“680 Die Leitung der „New York Times“ um Herausgeber Sulzberger konnte ihren Berliner Chefkorrespondenten aufgrund seiner einmaligen Länderkenntnis nicht entbehren. Sie löste das Problem, indem sie Enderis mit Büroarbeit beauftragte, während im Wesentlichen die Korrespondenten Tolischus und Birchall die Berichterstattung übernahmen. Wagten sich die beiden dabei zu weit vor, konnte Enderis mit seinen guten Beziehungen zu deutschen Stellen die Kollegen vor Bestrafungen bewahren. Es scheint auch, dass Enderis weniger mit dem Nationalsozialismus liebäugelte, sondern schlichtweg große Sympathie für das Land empfand, in dem er seit Jahrzehnten lebte. Deshalb vermied er Kritik an Deutschland egal aus welchen Gründen. Auch wenn Enderis, wie Shirer berichtet, nicht den Hass seiner US-Kollegen auf das NS-Regime teilte, so war er für sie doch „a likable man“, den sie als „rather apolitical“ einschätzten.681 Anders als bei Enderis lagen die Dinge im Fall des Niederländers Max Blokzijl, der in den 1930er Jahren vor allem für das „Algemeen Handelsbald“ und „De Sumatra Post“ aus Berlin berichtete.682 Blokzijl arbeitete schon seit 1917 als Korrespondent in Deutschland und war von 1931 bis Anfang 1933 Vorsitzender des Vereins der Ausländischen Presse, gehörte also zu den prominentesten Auslandskorrespondenten Berlins. Vor der „Machtergrei678 Für das Folgende vgl. Leff (2005), S. 55-76. Leffs Erkenntnisse fußen auf einer

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Analyse der Briefwechsel zwischen dem Berliner „Times“-Büro und der Zeitungszentrale in New York. Vgl. hierzu auch Shirer (1941), S. 41 und Ders. (1984), S. 255-256. PA AA, R 27090 Vertraulicher Bericht über die Sitzungen des Vereins der Ausländischen Presse in Zusammenhang mit der Ausweisung Norman Ebbutts, ohne Datum. Vgl. Shirer (1984), S. 255. Für das Folgende vgl. Stoop (1987), S. 359-375.

fung“ nicht für Sympathien gegenüber dem Nationalsozialismus bekannt, begann sich Blokzijl nach 1933 rasch dem NS-Regime anzunähern und wurde selbst überzeugter Nationalsozialist. Der niederländische Journalist fiel den deutschen Machthabern wegen seiner freundlichen Berichterstattung auf und erhielt deshalb, vor allem durch Vermittlung Karl Bömers vom APA, Interviews mit zahlreichen Spitzenvertretern des Regimes. Das Propagandaministerium empfahl den Korrespondenten schon im Oktober 1933 der Reichskanzlei für einen Empfang bei Hitler, „da Herr Blokzijl sich unbedingter Objektivität und freundschaftlicher Haltung befleißigt“.683 Blokzijl setzte sich weiter dafür ein, dass die von ihm belieferten Zeitungen „falsche“ Darstellungen über das Dritte Reicht korrigierten und belieferte deutsche Stellen mit Informationen über die in Berlin verbliebenen niederländischen Korrespondenten.684 Nach dem deutschen Einmarsch in die Niederlande wurde Blokzijl als einziger niederländischer Korrespondent in Deutschland nicht interniert. Ab 1941 arbeitete er zunächst auf verschiedenen Posten in der deutschkontrollierten Presse in den Niederlanden und wurde danach Radiopropagandist für das niederländisch-sprachige Programm des deutschen Rundfunks. Stoop identifiziert als Gründe für Blokzijls nationalsozialistischen Gesinnungswandel mehrere Punkte. Erstens habe dieser schon immer Sympathien für entsprechende Ideologien gehegt. Weiter sei Blokzijl von dem eitlen Wunsch beseelt gewesen, sich guter Beziehungen zu hohen Partei- und Regierungsstellen rühmen zu können – dies trieb ihn ebenfalls in die Hände der Nationalsozialisten. Schließlich habe auch seine deutsche Ehefrau ihn in seiner Annäherung an das NS-Regime bestärkt.

5.2 Kriegszeit 1939 bis 1945: Offensive Propaganda – schwindende Freiheiten Der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen am 1. September 1939 markierte für die Auslandskorrespondenten im Dritten Reich nach 1933 einen zweiten markanten Einschnitt in ihrer Arbeit. Der Kriegsausbruch hatte zwei wesentliche Konsequenzen für die journalistische Tätigkeit der Korrespondenten. Erstens beschränkten die Kriegsumstände – vor allem ab Winter 1941 mit dem einsetzenden militärischen 683 BArch, R 43-II/472 Propagandaministerium an Staatssekretär Lammers,

10.10.1933.

684 Vgl. BArch, NS 43/331 Aktennotiz des APA zu C.K. Eloud, 20.1.1936.

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Misserfolg der Wehrmacht – die Freiheit der Berichterstattung der ausländischen Journalisten noch ungleich erheblicher als im Zeitraum 1933 bis 1939. Zweitens sahen sich die Korrespondenten seit Kriegsausbruch mit einer weitaus intensivierteren und professionalisierteren deutschen Propaganda an ihre Adresse konfrontiert, als dies vor 1939 der Fall gewesen war. Diese ging zudem nicht mehr von einer Vielzahl von Partei- und Regierungsstellen aus, sondern wurde vom Auswärtigen Amt und dem Propagandaministerium beherrscht. 5.2.1 Auswärtiges Amt und Propagandaministerium als einzig zuständige Institutionen für Auslandskorrespondenten Die organisatorischen Grundlagen für ihre Dominanz in der Betreuung ausländischer Korrespondenten legten Auswärtiges Amt und Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda schon Anfang des Jahres 1938. Den entscheidenden Auslöser hierfür stellte einerseits Joachim von Ribbentrops Ernennung zum Reichsaußenminister am 4. Februar 1938 dar, in deren Folge dieser die Presseabteilung seines Ministeriums in jeder Hinsicht stark ausbauen ließ. Auf Seiten des Propagandaministeriums war hingegen die Spaltung der Presseabteilung des Ministeriums in eine Abteilung Deutsche Presse und eine Abteilung für Auslandspresse im Februar 1938 entscheidend. Wie oben bereits ausgeführt waren Auslandspressearbeit und Betreuung ausländischer Journalisten nach 1933 zunächst keine Schwerpunkte der Arbeit des Propagandaministeriums. Um die Auslandskorrespondenten kümmerte sich keine eigenen Abteilung, sondern nur ein Referat, dessen Leiter Wilfrid Bade zudem über keine besondere Befähigung für den Umgang mit ausländischen Journalisten verfügte.1 Im Propagandaministerium existiere ein Mangel an Fachexpertise bezüglich der Auslandspresse, den am allerbesten dessen Leiter selbst repräsentierte.2 Goebbels besaß keinerlei Erfahrung mit dem Ausland. Wenn er von fremden Ländern sprach, so tat er dies laut seinem langjährigen Mitarbeiter Werner Stephan „wie der Blinde von der Farbe“.3 Böswillige Untergebene lachten hinter vorgehaltener Hand, wenn Goebbels mit seinen mangelhaften Sprachkenntnissen ausländische Zeitungs1 2 3

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Vgl. hierzu oben, S. 41-43. Vgl. Dietrich (1955), S. 68. Stephan (1949), S. 185. In ähnlicher Weise kommentiert INS-Korrespondent Pierre Huss in seinen Erinnerungen: „Joe Goebbels was having a hard time hitting the right propaganda tune in the outside world because he had never been across the German borders“. Huss (1943), S. 103.

titel vorlas.4 Hatte der Propagandaminister in der Anfangszeit der NSDiktatur noch Interesse an den Auslandskorrespondenten in Deutschland gezeigt und den Kontakt zu diesen gesucht,5 so zog er sich nach 1934 immer mehr von ausländischen Journalisten zurück. Stephan legt diesem Verhalten eine grundsätzliche Unsicherheit Goebbelsʼ gegenüber dem Ausland und insbesondere der liberalen Welt zu Grunde, die viele der Korrespondenten in Berlin personifizierten. „Er ertrug die rauhe Luft, die um sie herum so selbstverständlich ist, nicht.“6 Zudem war Goebbels nicht in der Lage, sich von seinem Standpunkt in die Lage der Korrespondenten zu versetzen: „Es fehlte ihm an Verständnis für die Wesensart, aber auch für die Arbeitsvoraussetzungen dieser Männer.“7 In Anbetracht der für das Dritte Reich zunehmenden Bedeutung außenpolitischer Themen und der damit steigenden Wichtigkeit von Auslandspressearbeit und Auslandspropaganda erkannte Goebbels jedoch Ende 1937 Handlungsbedarf für sein Ministerium. Unterstützung erhielt er dabei von Otto Dietrich, neuer Staatssekretär in Goebbelsʼ Ministerium und in Personalunion Pressechef der NSDAP und der Reichsregierung. Dietrich, ebenfalls ohne Auslandserfahrung, teilte in diesem Punkt ausnahmsweise das Interesse seines Dauerrivalen Goebbels. Als Chef der dem Propagandaministerium unterstellten Presseabteilung der Reichsregierung hatte er genau wie Goebbels einen Vorteil davon, wenn diese Abteilung in Fragen der Auslandspresse wirkungsvoll funktionierte. Zu diesem Zweck einigten sich Goebbels und Dietrich Anfang 1938 auf eine von letzterem vorgeschlagene Spaltung der Presseabteilung des Propagandaministeriums in eine Abteilung IV a Deutsche Presse und eine Abteilung IV b Auslandspresse,8 die jedoch weiterhin gemeinsam als der Presseabteilung der Reichsregierung unter Dietrichs Leitung zugehörig firmierten.9 Der bisherige Leiter der Presseabteilung, Alfred-Ingemar Berndt, 4 5 6 7 8

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Vgl. Stephan (1949), S. 189-190. Zu den Annährungsmaßnahmen Goebbelsʼ an die Auslandspresse in den Jahren 1933-1934 vgl. oben, S. 123-125. Stephan (1949), S. 193. Ebd., S. 196. Die Spaltung war auch ein Schachzug Dietrichs mit dem Ziel, die Autorität des bisherigen Leiters der Presseabteilung, Alfred-Ingemar Berndt, zu schmälern und seinen eigenen Einfluss im RMVP zu steigern. Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 96. Diese organisatorische Festlegung bedarf einer kurzen Erklärung. Nach dem Übergang der Presseabteilung der Reichsregierung vom AA zum RMVP 1933 wurde diese Abteilung dort gleichbedeutend auch als Presseabteilung des RMVP bezeichnet. Ab 1938 bezeichneten die beiden Begriffe jedoch nicht mehr dieselbe Institution. Eine Presseabteilung des RMVP gab es nach dem Umbau des

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der sich vehement gegen die Teilung der ihm unterstellten Abteilung gewehrt hatte, wurde als Leiter der Abteilung Deutsche Presse festgelegt.10 Gemeinsam machten sich Goebbels und Dietrich danach auf die Suche nach einem geeigneten Mann, der als Leiter der neuen Auslandspresseabteilung ihre diesbezüglichen Defizite kompensieren konnte. Ihren Wunschkandidaten hatten die beiden schnell gefunden.11 Karl Bömer, seit 1933 Leiter des Presseamtes in Rosenbergs Außenpolitischem Amt, merkte in den Folgejahren rasch, dass er mit Hitlers Chefideologen auf das falsche Pferd für seine Karriere im NS-Staat gesetzt hatte. Im Juni 1937 wechselte er im Rang eines Legationsrates als Referent in das Auswärtige Amt. Gleichzeitig wurde er im Sommer 1937 Beauftragter des Reichspressechefs für Auslandsfragen am Pressepolitischen Amt der Reichspressestelle der NSDAP in Berlin und streckte damit seine Fühler in Richtung Otto Dietrich aus.12 Pro forma behielt Bömer auch einen Posten als Pressechef Rosenbergs im APA, wohl um diesen nicht öffentlich zu diskreditieren. Auf Dietrichs und Goebbelsʼ Intervention bei Hitler wurde Bömer Anfang 1938 von seinen bisherigen Ämtern abgezogen und auf den neuen Posten im Propagandaministerium versetzt.13 Mit Bömer traten auch eine Reihe weiterer sachkundiger Experten für Auslandspresseangelegenheiten vor allem vom APA zum Propagandaministe-

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Ministeriums nicht mehr, da diese sich in zwei unabhängige Abteilungen für Inlands- und Auslandspresse teilte. Jedoch blieb die Presseabteilung der Reichsregierung unter Leitung Dietrichs bestehen und umfasste die selbstständig arbeitenden Abteilungen Deutsche Presse und Auslandspresse. Nach der Abspaltung der Abteilung Zeitschriftenpresse von der Abteilung Deutsche Presse im Juli 1941 waren der Presseabteilung der Reichsregierung schließlich drei jeweils selbstständige Abteilungen untergeordnet. Vgl. hierzu eine graphische Übersicht bei Longerich (1987), S. 113. Zuvor hatte Berndt in Goebbelsʼ Augen wiederholt bewiesen, dass er für den Umgang mit der Auslandspresse nicht geeignet war. So äußerte er im Februar 1938 auf einer Pressekonferenz als Reaktion auf kritische Fragen eines niederländischen Journalisten Zweifel daran, ob das Kind der niederländischen Thronerbin auch wirklich von deren Ehemann stamme. Goebbels notierte hierzu über Berndt in sein Tagebuch: „Er ist so unvorsichtig. Hat sich beim holländischen Gesandten entschuldigen müssen. Peinlich! Mit Mühe einen Zwischenfall vermieden.“ Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 5, S. 158 (16.2.1938). Vgl. zu diesem Zwischenfall auch Stoop (1987), S. 374-375. Vgl. Huss (1943), S. 103. INS-Korrespondent Huss, der zu Karl Bömer in intensivem Kontakt stand, geht in seinen Erinnerungen ausführlich auf die Hintergründe von Bömers Weg vom APA zum RMVP ein. Vgl. BArch R 55/23488 Lebenslauf Karl Bömers. Vgl. Huss (1943), S. 103.

rium über. Hierzu gehörte beispielsweise Hans Keeding, Referent im Presseamt des APA und Leiter des dortigen Pressearchivs. Um dessen Übertritt zum Propagandaministerium hatte sich Alfred-Ingemar Berndt schon Ende 1937 bemüht, um durch Keeding besseren Zugriff auf das von ihm verwaltete Pressearchiv des APA zu erhalten. Das Archiv, laut Berndt „das einzige Pressearchiv dieser Art in Deutschland“, wurde wie oben bereits erwähnt regelmäßig vom Propagandaministerium mitbenutzt und war für dessen Arbeit unentbehrlich.14 Mit dem Eintritt Keedings in die von Bömer geleitete Auslandspresseabteilung geschah, was Berndt schon zuvor angestrebt hatte. Die Bestände des Pressearchivs des APA wanderten sukzessive in die Archive des Propagandaministeriums über.15 Mit Hilfe der um sich gescharten Gruppe von Fachleuten baute Bömer die neue Auslandspresseabteilung im Laufe des Jahres 1938 auf, wobei er der führende Kopf der Abteilung und darüber hinaus auch der auslandspressepolitische Vordenker des gesamten Propagandaministeriums war. Aufgrund der hohen Bedeutung Bömers für die in Deutschland tätigen Auslandskorrespondenten16 und die Politik des NS-Regimes gegenüber selbigen soll auf dessen Person im Folgenden etwas genauer eingegangen werden. Für seine Arbeit befähigten Bömer neben seiner bereits erörterten Fach- und Sachkenntnisse17 sein außergewöhnlicher Charakter und eine neue Strategie im Umgang mit den Korrespondenten. Statt der bisher verfolgten meist ablehnenden Haltung gegenüber ausländischen Journalisten ging Bömer dazu über, die Korrespondenten nach Kräften mit für sie nötigen – freilich immer im Sinne des Regimes aufgearbeiteten – Informationen zu versorgen.18 „He opened channels of information and approach to Nazi key men hitherto closed to the ordinary foreign correspondent; he organized a fast-clicking Department of Information open day and night to questions and phone calls, and finally looked about for ways and means to lighten the personal difficulties and 14 15 16

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Vgl. BArch R 55 /30082 Berndt an Müller, 8.12.1937. Vgl. Ebd. Berndt an Leiter IB, 20.1.1938. Die Person Bömers findet in sämtlichen Erinnerungen der Korrespondenten, die während der Anfangsjahre des Krieges in Deutschland tätig waren, ausführlichere Erwähnung. INS-Korrespondent Huss widmet Bömer sogar ein Kapitel seines Buches „Heil! And Farewell“, das den etwas theatralischen Titel „The Rise and Fall of Karl Boemer and of his Policy toward America“ trägt. Vgl. Huss (1943), S. 97-114. Vgl. hierzu oben, S. 46-47. Vgl. Stephan (1949), S. 194. Die Überzeugung, dass eine Regierung Journalisten durch „intime Fühlungnahme“ als wichtiges „Mittel der Politik zu benutzen“ in der Lage sei, hatte Bömer schon in den 1920er Jahren entwickelt. Vgl. Bömer (1929), S. 199.

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troubles of foreign correspondents in Berlin“,19 lobt INS-Korrespondent Pierre Huss Bömer in seinen Erinnerungen. Mit seiner neuen Taktik der Offenheit hatte Bömer bald Erfolg. Als im Zuge der Blomberg-Fritsch-Krise in großen US-amerikanischen und britischen Zeitungen Meldungen auftauchten, wonach in hinterpommerschen Garnisonen Meutereien ausgebrochen seien, fuhr Bömer mit einigen führenden Korrespondenten in die Region und besuchte mit ihnen ein Regiment, bei dem er selbst Reserveoffizier war. Die Korrespondenten konnten sich dabei von der Falschheit der MeutereiMeldungen überzeugen, schrieben dies in ihren Berichten „und Goebbels war sehr beeindruckt davon, daß man mit der „sanften Tour“ solche Erfolge haben konnte“.20 Im Kontakt mit den Korrespondenten war Bömer im Gegensatz zu vielen anderen Repräsentanten des Regimes offen und freundlich.21 Dementsprechend fällt seine Beurteilung in den Memoiren der Auslandskorrespondenten durchweg anerkennend bis wohlwollend aus. Zwar hielten ihn viele für einen „typical Nazi except that he is intelligent and has travelled widely“,22 erwähnen aber gleichzeitig seine „sympathetic behaviour“ gegenüber ausländischen Journalisten, etwa, wenn er sich gegen Bestrafungen von Korrespondenten einsetzte.23 Lochner betont, dass „Of all the men who were charged with handling the foreign press, he was the most understanding and courteous”.24 Es war bekannt, dass Bömer zu den wenigen Mitarbeitern des Propagandaministeriums zählte, „who’d tell Goebbels, for example, that he was all wrong and making a big mistake“,25 wenn er mit den Anweisungen seines Chefs unzufrieden war. Respekt hatte er sich auch dadurch erarbeitet, dass er „loyalty upward with fair play downward“26 verband und seine Mitarbeiter freundlich behandelte. 19 20

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Huss (1943), S. 104. Stephan (1949), S. 195. Während des Krieges setzte das Propagandaministerium diesen Ansatz Bömers mit der Organisation von Frontreisen für Auslandskorrespondenten fort. Vgl. hierzu unten, S. 220. Vgl. Stephan (1949), S. 195; vgl. Krings (2010), S. 378. Shirer (1941), S. 521. Eine sehr ähnliche Beschreibung gibt auch UP-Korrespondent Smith. Vgl. Smith (1982), S. 196. Vgl. Fredborg (1944), S. 11. Wiederholt intervenierte Bömer beispielsweise in den Ministerkonferenzen des RMVP gegen Bestrafungen von Korrespondenten. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 269. Protokoll der Ministerkonferenz vom 17.1.1940. Lochner (1943), S. 233. Huss (1943), S. 101. Diese Einschätzung bestätigt auch Sommerfeldt. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 67. Fredborg (1944), S. 11.

In allem, was Bömer tat, war er offensiv, impulsiv und draufgängerisch.27 Dies, und seine drei großen Schwächen für Frauen, Alkohol und ausgeprägtes Angebertum bedeuteten letztendlich Bömers Untergang. Sein Erfolg bei Frauen trug dem verheirateten Familienvater28 unter ausländischen Journalisten den Spitznamen „Bel Ami“ ein.29 Zudem hatte Bömer „die Angewohnheit, zu viel und zu laut zu reden, wenn er besoffen war, was des öfteren vorkam“.30 Am 15. Mai 1941 bestellte dessen alter Chef Rosenberg Bömer und einige andere Personen zu einer Besprechung in das Außenpolitische Amt und berichtete diesen vom bevorstehenden Angriff auf die Sowjetunion und der bedeutenden Verwendung, die Hitler ihm nach der Niederwerfung Russlands zugedacht habe.31 Euphorisiert verließ Bömer das APA und besuchte am selben Abend einen Empfang in der bulgarischen Gesandtschaft, wo er am Tisch mit bulgarischen und schweizerischen Diplomaten sowie einigen Mitarbeitern der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes Platz nahm.32 Mit fortgeschrittener Stunde entstand an Bömers Tisch eine „angeregte und lustige Stimmung, da die bulgarischen Gastgeber für reichliche Bewirtung Sorge trugen und Sekt und bulgarischen Pflaumenschnaps in Mengen reichen ließen“. Von den Fragen seiner Gesprächspartner angeregt erklärte Bömer den Anwesenden, „In vier Wochen sind die Russen zusammengehauen“ und er werde danach Staatssekretär, mindestens aber Unterstaatssekretär in einem von Rosenberg geführten Ministerium zur Verwaltung der eroberten Sowjetunion.33 27 28 29 30

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So nennt Huss Bömer einen „born adventurer“. Huss (1943), S. 102. Vgl. BArch R 55/23488 Lebenslauf Karl Bömers. Vgl. Huss (1943), S. 99; vgl. Lochner (1967a), S. 329, Brief Lochers vom 31.12.1939. Smith (1982), S. 196. Auf sein leichtfertiges Verhalten in betrunkenem Zustand war Bömer deswegen von den ihm wohlmeinenden Korrespondenten Huss und Enderis wiederholt angesprochen worden. Vgl. Huss (1943), S. 108. Vgl. Ebd., S. 109. Eine genaue Rekonstruktion des Abends findet sich in der Anklageschrift des Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof gegen Bömer. Vgl. R 55/23488 Anklageschrift des Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof gegen Ministerialdirigent Prof. Dr. Karl Bömer, 19.9.1941. Weiter empfahl Bömer den Frauen am Tisch: „Ich werde ein großer Mann. Ihr müsst Euch gut mit mir stellen.“ Großzügig offerierte er zudem seinen anwesenden Rivalen von der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, ihn zukünftig „Charlie“ zu nennen und erklärte, „Paulchen“ – Paul Karl Schmidt, der Leiter der Presseabteilung des AA – könne seinetwegen in Zukunft die Pressearbeit in Berlin allein erledigen. Vgl. Ebd. Schließlich torkelte Bömer noch grölend durch die Empfangsräume der Gesandtschaft, bis ihn sein Fahrer zu seinem Auto trug. Vgl. Huss (1943), S. 110.

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Direkt am nächsten Morgen sorgte die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes dafür, dass Bömers Ausfälle den entsprechenden Stellen und schließlich auch Hitler selbst bekannt wurden.34 Hitler war über den Fall höchst erbost und befahl Bömers Überstellung zur Gestapo, obwohl Goebbels und Dietrich sich heftig für ihn einsetzten.35 Die Beteiligung des Auswärtigen Amtes an Bömers Demontage führte bei vielen Korrespondenten, die über den Zwischenfall in der bulgarischen Gesandtschaft bestens informiert waren, zu der wohl nicht völlig unbegründeten Annahme, der Zeitungswissenschaftler sei das Opfer einer Hinterlist seiner Konkurrenten im Außenministerium geworden.36 Goebbels jedenfalls war hiervon überzeugt und notierte am 27. Mai 1941 in sein Tagebuch: „Fall Bömer beschäftigt mich sehr. Das A.A. hat gegen ihn eine großangelegte Intrige gesponnen, aber er hat ihm eine billige Handhabe dazu gegeben. Ich versuche alles, um das Schlimmste von ihm abzuwenden.“37 Schlussendlich führten die Ermittlungen im Fall Bömer zu einer Anklage vor dem Volksgerichtshof, in der ihm vorgeworfen wurde „es unternommen zu haben, ein Staatsgeheimnis an andere gelangen zu lassen, und dadurch fahrlässig das Wohl des Reiches gefährdet zu haben“.38 Für den Propagandaminister war der Ausfall Bömers ein schwerer Schlag, denn er verlor mit ihm einen seiner kompetentesten Untergebenen, der ihm im Bereich der Auslandspressearbeit unersetzbar war. Goebbels und auch Dietrich betonten daher gegenüber dem Oberreichsanwalt, dass Bömer „sich große Verdienste um das Deutsche Reich erworben“39 habe. Goebbels nahm sich vor, seinen ehemaligen Mitarbeiter in der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof nach Möglichkeit „herauszupauken“. Persönlich erschienen er und Dietrich zur Verhandlung gegen Bömer im Oktober 1941 und machten je-

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Vgl. BArch, R 55/23488 Anklageschrift des Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof gegen Ministerialdirigent Prof. Dr. Karl Bömer, 19.9.1941. Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 9, S. 332-333 (24.5.1941) und S. 336 (26.5.1941). Hierzu gehören auch Mutmaßungen, wonach Bömer während des Empfangs bewusst von Mitgliedern des AA abgefüllt und zu großspurigen Äußerungen animiert worden sei. Vgl. Huss (1943), S. 109-114; vgl. Fredborg (1944), S. 12; vgl. Oechsner (1943), S. 43-44. Weiter führte Goebbels zum Verhalten des Außenministers im Fall Bömer aus: „Ribbentrop ist kein fairer Partner. Er verwechselt die Politik mit dem Sekthandel, bei dem es ja auch darauf ankommt, den Partner über das Ohr zu hauen.“ Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 9, S. 337 (27.5.1941). BArch, R 55/23488 Anklageschrift des Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof gegen Ministerialdirigent Prof. Dr. Karl Bömer, 19.9.1941. Vgl. Ebd.

weils einstündige, eindringliche Aussagen zu dessen Verteidigung.40 Bömer wurde deshalb letztendlich nur zu zwei Jahren Gefängnishaft verurteilt,41 jedoch auf Drängen von Goebbels bei Hitler schon im März 1942 wieder freigelassen und zur Bewährung an die Ostfront geschickt.42 Als Bömer im Juni 1942 bei Charkow verwundet wurde, erreichte Goebbels bei Hitler sogar die völlige Rehabilitierung seines ehemaligen Abteilungsleiters.43 Zum Entsetzen des Propagandaministers erlag Bömer jedoch kurze Zeit später in einem Krakauer Lazarett seinen Verwundungen. „Damit endet ein menschliches Drama, das sehr von Tragik umwittert war“ notierte Goebbels in sein Tagebuch und ordnete ein Begräbnis mit vollen Ehren an.44 Bei der Beerdigung Bömers in Krakau waren höchste Mitarbeiter des Propagandaministeriums anwesend, unter anderen Reichspressechef Dietrich, was auch als Geste an das Auswärtige Amt gemeint war.45 Bömers Nachfolge als Leiter der Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums trat dessen bisheriger Stellvertreter Ernst Brauweiler an, der damit in eine für die Auslandskorrespondenten bedeutende Position aufrückte.46 Brauweiler war „in allem das Gegenteil“47 seines Vorgängers und aus mehreren Gründen in seiner Position als Abteilungsleiter im Propagandaministerium eine eigenartige Besetzung.48 Zunächst war Brauweiler kein alter Parteigenosse, sondern von 1919 bis 1933 als Anhänger Stresemanns Mitglied der Deutschen Volkspartei gewesen.49 Seine Doktorarbeit hatte er ausgerechnet über seinen Lieblingsdichter,50 den bei den Nationalsozialisten so verhassten Heinrich Heine, verfasst.51 Vor dem Eintritt in die Presseabteilung der Reichsregierung im September 1932 war Brauweiler in verschiedenen leiten40 41 42 43 44 45 46

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Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 2, S. 138 (18.10.1941); vgl. Huss (1943), S. 112-113; vgl. Stephan (1949), S. 195-196. Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 2, S. 143 (19.10.1941). Vgl. Ebd., Teil II, Bd. 3, S. 509 (20.3.1942). Vgl. Ebd., Teil II, Bd. 4, S. 610 (24.6.1942). Vgl. Ebd., Teil II, Bd. 5, S. 394 (24.8.1942). Vgl. Stephan (1983), S. 266. Auch der Person Brauweiler widmen sich die Korrespondenten in ihren Erinnerungen fast ausnahmslos. Zum Werdegang Brauweilers vgl. auch Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 73-74 und Krings (2010), S. 379. Die Ausführungen Boelckes enthalten jedoch einige inhaltliche Fehler. Sommerfeldt (1952), S. 67. Bezeichnenderweise schreibt Sommerfeldt in seinen Erinnerungen, Brauweiler selbst sei es immer unerklärlich geblieben, wie er auf einen derart hohen Posten im Propagandaministerium geraten konnte. Vgl. Ebd. Vgl. BArch, R 55/30156 Lebenslauf Ernst Brauweilers. Vgl. Stephan (1949), S. 192. Vgl. Brauweiler (1915).

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den journalistischen Funktionen tätig gewesen, zuletzt als Chefredakteur des nationalliberalen „Hannoverschen Kuriers“. Nach 1933 ins Propagandaministerium übernommen wurde er erst im Mai 1937 Mitglied der NSDAP und war 1939 und 1940 kurzzeitig Leiter der Auslandsabteilung des Ministeriums.52 Obwohl Brauweiler stets seine überzeugte Anhängerschaft zum Nationalsozialismus betonte, trauten ihm nicht alle „alten Kämpfer“ über den Weg. Bei seiner Ernennung zum Ministerialdirektor im Oktober 1942 opponierte die Partei-Kanzlei in Person Martin Bormanns, weil Brauweiler aufgrund seiner Vergangenheit nicht als zuverlässig eingestuft werden könne. Goebbels und Dietrich setzte sich über diese Bedenken jedoch hinweg.53 Weiter befremdlich ist Brauweilers Positionierung an der Spitze der Auslandspresseabteilung zudem, weil Goebbels mit ihm dort nie zufrieden war. Nach Bömers Abtritt beriet sich der Propagandaminister mit Reichspressechef Dietrich. „Wir sind uns einig, daß Brauweiler nicht der Nachfolger sein kann. Er ist zu lausig und zu wenig klefer.“54 Wenige Tage später notierte Goebbels über den nun doch zum neuen Abteilungsleiter ernannten Beamten: „Brauweiler ist seiner Aufgabe nur wenig gewachsen. Ich dränge bei Dietrich um einen brauchbaren Ersatz. Sonst schluckt das A.A. die Aufgabe, die Bömer verwaltete.“55 Doch offenbar aus Mangel an personellen Alternativen blieb Brauweiler auf seinem Posten. Auch Auslandskorrespondenten und deutschen Kollege schildern Brauweiler als seiner Aufgabe nicht gewachsen. Zwar wird er als „gebildet, fleißig, gewissenhaft“56 und „fast professoral in Erscheinung und Haltung“, sowie ausgestattet mit einer großen Liebe für klassische Musik beschrieben.57 Fredborg gesteht Brauweiler zu, in Privatgesprächen „both sympathetic and understanding“58 gewesen zu sein. Doch blieb er in seiner Arbeit meist passiv und ohne die kreative Energie Bömers.59 „Brauweiler arbeitet bieder und brav“,60 stellte Goebbels über seinen Abteilungsleiter fest. Wenig angenehm war dies für die Auslandskorrespondenten in Berlin, denn mit Brauweilers Amtsantritt änderte sich die Informationspolitik der Auslandspresseabteilung 52 53 54 55 56 57 58 59 60

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Vgl. Lebensläufe Ernst Brauweilers in BArch R 55/24125 und BArch R 55/30156 sowie Stephan (1949), S. 192. Vgl. hierzu den Briefwechsel zwischen RMVP und Partei-Kanzlei aus dem Oktober 1942 in BArch R 55/30156. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 9, S. 373 (14.6.1941). Ebd., S. 384 (18.6.1941). Stephan (1949), S. 192. Sommerfeldt (1952), S. 67. Fredborg (1944), S. 13. Vgl. Smith (1982), S. 196. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 9, S. 374 (15.6.1941).

deutlich. Hatte Bömer sich immer um möglichst viele Informationen für die Journalisten bemüht, so gab sein Nachfolger nur das Nötigste weiter und war weitaus steifer im Umgang.61 Dies hatte einerseits mit Brauweilers Charakter, der „in seinem ganzen Wesen zurückhaltend und von einer ausgesprochenen Neigung zu vornehmer Diskretion“62 war, zu tun. Andererseits muss man Brauweiler auch zugutehalten, dass ab Winter 1941 die deutschen militärischen Misserfolge nicht mehr die vergleichsweise freie Informationspolitik von 1939 bis Herbst 1941 zuließen.63 Im August 1943 kam es aufgrund der Informationspolitik Brauweilers gegenüber den Korrespondenten und insbesondere auch gegenüber den Referenten seiner Abteilung zu einem Eklat, der in einer ministeriumsinternen Untersuchung mündete, ob bei Brauweiler und einigen seiner Mitarbeiter „defaitistische“ Tendenzen festzustellen seien. Goebbels war am 19. August 1943 von Ministerialrat Schippert aus der Abteilung Propaganda des RMVP darauf aufmerksam gemacht worden, dass Brauweiler seine Referenten stets nur unzureichend mit Informationen – insbesondere aus den täglichen Ministerkonferenzen – versorgte, „so dass sie sehr häufig in wichtigsten Fragen die Form ihrer Stellungnahme den ausländischen Journalisten gegenüber selbst finden müssen“. Auf ihrer Suche nach Auskünften über die politische und militärische Lage wandten sich die Referenten Brauweilers deswegen an andere Abteilungen des Ministeriums und baten dort um Aufklärung. Insgesamt waren laut Schippert Brauweilers Referenten teilweise in Formen entmutigt, „die man als defaitistisch bezeichnen muss und die deswegen besonders bedenklich sind, weil sie den ausländischen Journalisten nicht verborgen bleiben 61 62

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Vgl. Fredborg (1944), S. 13. BArch, R 55/30156 Vernehmungsprotokoll Referent Dr. Gerhard Babin durch Ministerialrat Dr. Flügel vom 18.8.1943. Insbesondere hatte Brauweiler auch immer das warnende Beispiel seines Vorgängers vor Augen, den seine vorlauten Ankündigungen in letzter Konsequenz das Leben gekostet hatten. Brauweilers Stellvertreter Wulff erklärte die Unterschiede in der Informationspolitik zwischen Bömer und Brauweiler wie folgt: „Dr. Bömer war der impulsive, offene, zuweilen der polternde, aber dabei der kluge Abteilungsleiter, und zwar zu einer Zeit, als laufend Erfolge in der Kriegführung zu verzeichnen waren und eine Unmenge von Material anfiel. Daher war auch die ganze Sprachgebung und Sprachregelung in dieser Zeit viel offener, freier und weitherziger. Dr. Brauweiler hat die Abteilung übernommen, zu einem Zeitpunkt, als im Osten die schweren Kämpfe begannen und damit für die Presseführung ausserordentlich schwierige Zeiten kamen, die eine wesentlich vorsichtigere und dabei während langer Zeit oft äusserst eingeengte Sprachregelung und Nachrichtengebung notwendig machten.“ BArch, R 55/30156 Vernehmungsprotokoll Oberregierungsrat Franz Wulff durch Ministerialrat Dr. Flügel vom 19.8.1943.

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können“. Dies hatte Schippert bei einer Unterhaltung mit dem japanischen Korrespondenten Moriyama vom „Asahi Shimbun“ festgestellt. „Moriyama sagte mir ziemlich offen, sie hätten den Eindruck, dass wir ziemlich am Ende unseres Lateins sein müssten, wenn von uns so wenig Positives zu erfahren sei wie in den vergangenen Wochen.“64 Durch Schippert alarmiert ordnete Goebbels eine Untersuchung des Falles durch den Leiter der Personalabteilung des „Promi“ an,65 der noch am selben Tag alle Betroffenen verhörte. Brauweiler und seine Referenten stritten in den Vernehmungen jeglichen Defaitismus ab, räumten aber Unstimmigkeiten im Informationsfluss der Abteilung ein. Brauweiler versicherte, in Zukunft seinen Referenten mehr Informationen zukommen zu lassen und entschuldigte sein Verhalten mit der schwierigen Lage, in der sich Deutschland befinde.66 Die Ergebnisse der Untersuchungen fasste Goebbels am 20. August 1943 in seinem Tagebuch zusammen. „Der Verdacht hat sich nicht bestätigt, daß in der Auslandspresseabteilung Defaitismus verbreitet war. Die Herren der Abteilung sind führerlos und deshalb manchmal etwas gegen die Auslandsmeldungen anfällig. Schuld daran trägt in der Hauptsache Dr. Brauweiler selbst. Er muß also über kurz oder lang beseitigt werden.“67 Dazu kam es jedoch bis Kriegsende nicht. Glaubt man Martin Sommerfeldt, der in seinen Erinnerungen einige sehr offene Unterhaltungen mit Brauweiler schildert, so entwickelte dieser schon lange vor der deutschen Kapitulation „eine realistische Beurteilung der politischen Lage“68 und resignierte frühzeitig über der absehbaren deutschen Niederlage. Laut Sommerfeldt war es Brauweilers Plan, die Kriegszeit mit „schweigen und gehorchen“ zu überstehen und bis dahin so wenig wie mög64

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Schipperts Angriff auf Brauweiler dürfte wohl nicht nur sachlich, sondern auch mit der persönlichen Abneigung eines überzeugten Nationalsozialisten gegenüber einem alten Demokraten zu begründen sein. So gab Schippert in seinem Schreiben an Goebbels über den ehemaligen DVP-Mann Brauweiler weiter an, es könne nicht sein, dass „alte Parteigenossen“ im RMVP „auf die Dauer von diesem bürgerlichen und undurchsichtigen Geist“ mit Pessimismus angesteckt würden. Vgl. Ebd. Mitteilung Ministerialrat Schippert Abteilung Propaganda an Minister Geobbels „Zur Haltung der Referenten der Abteilung AP“ vom 19. 8.1943. Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 9, S. 314 (19.8.1943). Vgl. hierzu die Protokolle der Vernehmungen Brauweilers, seines Stellvertreters Wulff und der Referenten der Auslandspresse-Abteilung in BArch, R 55/30156. Als Konsequenz der Untersuchungen wurde zudem ein Referent der Abteilung fristlos entlassen und der Verbindungsoffizier des OKW zur Abteilung Auslandspresse, Martin Sommerfeldt, verwarnt, da er die Referenten der Abteilung mit zu pessimistischen Einschätzungen der militärischen Lage beunruhigt hatte. Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 9, S. 317 (20.8.1943). Sommerfeldt (1952), S. 161.

lich – und schon gar nicht mit einer zu offensiven Informationspolitik für Auslandskorrespondenten – aufzufallen.69 Ein überzeugter Nationalsozialist war Brauweiler laut Sommerfeldt nie gewesen, auch wenn er nach außen oft forsch auftrat, um von seiner DVP-Vergangenheit abzulenken.70 Die Abteilung IV b Auslandspresse des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda hatte formal den Auftrag, in enger Zusammenarbeit mit der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes „der ausländischen Presse das Geschehen im nationalsozialistischen großdeutschen Reich verständlich zu machen, es in ihr wahrheitsgetreu in Erscheinung treten zu lassen und auf Grund peinlicher Beobachtung und genauer Analyse der Weltpublizistik den gegnerischen Tendenzen weltanschaulicher und realpolitischer Natur durch Berichtigung und Widerlegung von Fehldarstellungen und Presselügen entgegenzuwirken.“71 Dieser Auftrag beinhaltete die Betreuung, Beeinflussung und Überwachung der in Deutschland tätigen Auslandskorrespondenten, welche Gegenstand ausführlicher Darstellungen in den nachfolgenden Kapiteln sein werden. Von der Presseabteilung der Reichsregierung übernahm die neue Auslandspresseabteilung „harte“ Kompetenzen bezüglich der Korrespondenten, wie die letztinstanzliche Entscheidung über Ausweisungen, die offizielle Akkreditierung der Journalisten und die Verteilung von amtlichen Vergünstigungen.72 Diese Kompetenzen verschafften der Abteilung einen Vorteil gegenüber dem Auswärtigen Amt und machten es möglich, dass sie auch unter der Leitung eines weniger fähigen Beamten wie Brauweiler ihre Stellung in Bezug auf die Korrespondenten halten konnte.73 Ähnlich der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes gliederte sich die Auslandspresseabteilung des „Promi“ in Länderreferate, funktionsbezogene Referate und ein Lektorat.74 Über ihren Personalbestand von 1938 bis

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So antwortete Brauweiler Sommerfeldt auf dessen Aussage, dass Deutschland mit Hitler Schiffbruch erleiden werde: „Darüber gibt es kaum noch einen Zweifel. Nur bedenken Sie: Wer etwa auszusteigen versucht oder versucht, dem Schiff einen anderen Kurs zu geben, ertrinkt bestimmt und sofort; wer hingegen an Bord bleibt, kann zu den Überlebenden gehören.“ Vgl. Ebd., S. 162. Vgl. Fredborg (1944), S. 13. Die Charakterisierung Brauweilers als „lahmen alten Karrengaul der Nazipartei“ und „alte Nazi-Kämpe“ bei UP-Korrespondent Smith trifft somit weniger den Kern von Brauweilers Persönlichkeit. Vgl. Smith (1982), S. 75 und S. 196. Müller (1940), S. 18 Vgl. hierzu oben, S. 42 und S. 98. Vgl. Conger (1943), S. 225. Zu Aufbau und Tätigkeitsfeldern der Auslandspresseabteilung des „Promi“ vgl. für einen Überblick Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 152-155. Ausführlichere Informa-

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Kriegsende fanden sich keine Hinweise in der untersuchten Literatur und in den Akten. Jedoch lässt sich die Arbeitsweise der Abteilung bezüglich ihres Auftritts gegenüber den Korrespondenten rekonstruieren. Die tägliche generelle Marschrichtung zur Position des Propagandaministeriums in Bezug auf die Auslandskorrespondenten gab Goebbels selbst seit Kriegsbeginn jeden Morgen um 11 Uhr in den von ihm geleiteten Ministerkonferenzen.75 In diesen Konferenzen war der Leiter der Abteilung Auslandspresse oder dessen Stellvertreter anwesend und notierte sich die für seine Aufgaben relevanten Aussagen und Sprachregelungen des Ministers. Auf Basis dieser Vorgaben hielt er danach um 12.30 Uhr die Auslandspressekonferenz des Propagandaministeriums ab. In einer daran anschließenden Referentenbesprechung gegen 13 Uhr informierte der Abteilungsleiter dann seine Referatsleiter über die allgemeinen Inhalte der Ministerkonferenz. Weiter besprach er mit den Referenten die konkrete Umsetzung der Vorgaben des Propagandaministers bezüglich der Information der Korrespondenten einzelner Länder. Entsprechend den Anweisungen aus der Besprechung verhielten sich die einzelnen Referenten dann im täglichen Gespräch mit den ihnen zugeteilten ausländischen Journalisten. Im Gegensatz zu Bömer war dessen Nachfolger Brauweiler für die Referenten seiner Abteilung außerhalb der Referentenbesprechung offenbar kaum zu erreichen.76 Neben der Arbeit mit den Auslandskorrespondenten war die Abteilung Auslandspresse auch noch auf anderen Feldern tätig, die an dieser Stelle knapp umrissen werden sollen. So koordinierte die Abteilung die Arbeit deutscher Korrespondenten im Ausland und hielt Kontakt mit volksdeutschen Zeitungen außerhalb des Reichsgebietes, für die sie teilweise finanzielle Unterstützung bereitstellte. Weiter stand sie in Verbindung mit den Presseattachés der in Berlin vertretenen ausländischen diplomatischen Missionen und kontrollierte ins Ausland gehende Nachrichten- und Aufsatzdienste. Die Abteilung war zudem beteiligt an der auswärtigen Pressepolitik des Reichs, indem sie etwa Presseabkommen mit anderen Ländern mit vorbereitete. Ebenfalls entschied sie über die Schaltung von deutschen Anzeigen in Auslandszeitungen mit. Die Abteilung organisierte und überwachte außerdem den Export deutscher Zeitungen ins Ausland und den Import ausländischer Zeitungen nach Deutschland. Schließlich unterstanden ihr auch die Pressebeiräte an den

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tionen finden sich bei Schwarzenbeck (1979), S. 103-113. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf diese beiden Quellen. Zu den Ministerkonferenzen vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966) und Ders. (Hrsg.) (1967). Vgl. BArch, R 55/30156 Vernehmungsprotokoll Dr. Brauweiler durch Ministerialdirigent Dr. Müller vom 18.8.1943.

deutschen diplomatischen Vertretungen im Ausland, für die seit 1933 das Propagandaministerium zuständig war. In vielen der genannten Aufgabenfelder entschied die Presseabteilung jedoch nicht allein, sondern musste sich mit anderen Stellen, vor allem dem Auswärtigen Amt, arrangieren. Auf Seiten des Auswärtigen Amtes sorgte Ribbentrop ab 1938 für den massiven Ausbau der Presseabteilung seines Ministeriums. Die Ausgliederung der Presseabteilung der Reichsregierung aus dem Auswärtigen Amt zum Propagandaministerium war, wie Ribbentrop in seinen vor seiner Hinrichtung 1946 verfassten Erinnerungen ausführt, „nach meiner Auffassung ein politisch-organischer Fehler“,77 den er nach seinem Amtsantritt zu korrigieren versuchte. Als Konsequenz des Ausbaus des Auslandspresse- und Propagandaapparates des Auswärtigen Amtes kam es ab Frühjahr 1938 zu einem dauerhaften Konflikt zwischen Ribbentrop und Goebbels in diesem Themenbereich, der sich bis Kriegsende fortsetzte, ohne dass einer der beiden Kontrahenten einen entscheidenden Vorteil für sich herauszuschlagen vermochte. Auf die Einzelheiten dieses Konfliktes wird in der vorliegenden Arbeit nicht weiter eingegangen – es sei denn, sie waren für die amtliche Behandlung und die daraus resultierenden Arbeitsmöglichkeiten der Auslandskorrespondenten im Dritten Reich von Relevanz.78 Es soll an dieser Stelle erneut festgehalten werden, dass in der vorliegenden Arbeit nicht die These vertreten wird, wonach das Propagandaministerium nach 1933 in der Auslandspressearbeit alle anderen Stellen dominierte79 und das Auswärtige Amt hier erst nach 1938 den generellen „Angriff auf die Zuständigkeiten des „Promi“80 antrat. Wenn dieser „Angriff“ in einigen Bereichen der Auslandspropaganda durchaus erfolgte, so war er für das Auswärtige Amt bezüglich der Betreuung der Auslandskorrespondenten nicht nötig, da man hier schon seit 1933 einen ebenbürtigen Einfluss ausübte.81 Vielmehr bauten Propagandaministerium und Auswärtiges Amt seit 1938, insbesondere aber seit Kriegsbeginn 1939, ihre Apparate zur Bearbeitung der Korrespondenten mehr oder weniger simultan aus. Dabei wurde auf Vorstöße der Konkurrenz unmittelbar reagiert, sodass sich keines der beiden Ministerien einen dauerhaften Vorsprung erarbeiten konnte. Mit ihren stark intensivierten Be77 78

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Ribbentrop (1953), S. 126. Ausführlich mit den Streitigkeiten zwischen AA und RMVP über die Auslandspropaganda des Dritten Reichs nach 1938 setzt sich Longerichs Untersuchung der Presseabteilung des AA unter Ribbentrop auseinander. Vgl. Longerich (1987), S. 126-148. Vgl. hierzu oben, S. 56-57. So die entsprechende Kapitelüberschrift bei Longerich (1987), S. 126. Vgl. hierzu oben, S. 57-60.

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mühungen bezüglich der ausländischen Journalisten marginalisierten Goebbels und Ribbentrop dabei die übrigen Institutionen, die nach 1933 zunächst einen erheblichen Einfluss auf die amtliche Politik des Dritten Reichs gegenüber Auslandskorrespondenten ausgeübt hatten.82 Insbesondere das Außenpolitische Amt der NSDAP, unter der versierten Leitung Karl Bömers von größerer Bedeutung in der Auslandspressearbeit, fiel nach dessen Abgang pressepolitisch in die Bedeutungslosigkeit. Gleiches galt auch für die anderen genannten Stellen. Die Dienststelle Ribbentrop wurde nach dem Übertritt ihres Leiters ins Auswärtige Amt bedeutungslos. Die Reichspressestelle der NSDAP war nach 1938 nicht mehr die Institution, durch die ihr Leiter Otto Dietrich seinen Einfluss im NS-Staat geltend zu machen versuchte. Und Auslandspressechef Hanfstaengl war schon Anfang 1937 aus Deutschland ins Exil geflüchtet. Ähnlich wie in der Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums ging auch der Ausbau der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes mit personellen Neuerungen einher. Diese blieben den ausländischen Journalisten nicht verborgen. Ribbentrop, so UP-Korrespondent Oechsner „had taken over into the Foreign Office with him the „young men“ of his Dienststelle. Dozens of officials with years of experience disappeared from their jobs, to be replaced by Ribbentrop men, some still in their twenties”.83 Auch der Mann, der die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes in den kommenden Jahren als deren Leiter entscheidend prägen sollte, gehörte zu diesem von Oechsner beschriebenen Personenkreis. Paul Karl Schmidt,84 zunächst NSStudentenführer und nach einem Psychologie-Studium wissenschaftlicher Assistent an der Universität Kiel, trat im Frühjahr 1937 in die Dienststelle Ribbentrop ein, wo er mit Hilfsarbeiten für Pressefragen beschäftigt war. Im Herbst 1938 wurde Schmidt von Ribbentrop, nachdem sich dieser bei den Verhandlungen zum Münchner Abkommen schlecht über die Auslandspresse informiert gefühlt hatte, mit dem Aufbau eines Informationsdienstes in der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes beauftragt, ohne formell zum Ministerium zu gehören. Bereits im Januar 1939 firmierte er dort als „persönlicher Pressereferent“ Ribbentrops und wurde kurz danach zum stellvertretenden Leiter der offiziell „Presse- und Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Am82 83 84

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Diese Institutionen wurden dargestellt im Kapitel 5.1.1 der vorliegenden Studie. Oechsner (1943), S. 37. Paul Karl Schmidt ist nicht mit Paul-Otto Schmidt, dem von 1924 bis 1945 amtierenden Chefdolmetscher des Auswärtigen Amtes zu verwechseln. Zur besseren Unterscheidung der beiden Schmidts war im Jargon des AA oft von „Presse-Schmidt“ und „Dolmetscher-Schmidt“ die Rede. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 66.

tes“ genannten Presseabteilung ernannt. Im Sommer 1939 wurde er de facto Leiter der Abteilung und löste Gottfried Aschmann ab.85 Jedoch erst im Oktober 1940 folgte auch die offizielle Ernennung Schmidts zum Abteilungsleiter. Zu diesem Zeitpunkt war dieser 28 Jahre alt und damit für seine Stellung ungewöhnlich jung.86 Wie Karl Bömer 1938 bis 1941 gab auch Schmidt mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit seiner Presseabteilung von 1939 bis Kriegsende die entscheidende Prägung. Mit Fortlauf des Krieges wurde Schmidt nach Einschätzung Theo Findahls, der als Korrespondent des norwegischen „Aftenposten“ bis Kriegsende in Deutschland weilte, „der Mann, der neben Dr. Goebbels für die ausländischen Korrespondenten in Berlin die größte Rolle spielte“.87 Dementsprechend ausführlich fallen auch die Schilderungen der Journalisten in ihren Erinnerungen bezüglich Schmidt aus. Diese beachtet Christian Plöger in seiner kürzlich erschienen Biographie über Schmidt jedoch erstaunlicherweise kaum.88 Übereinstimmend berichten Schmidts deutsche Kollegen89 und die Auslandsjournalisten,90 dass dieser mit einer aggressiven, rücksichtslosen aber gleichzeitig brillanten Art den Ausbau seiner Abteilung vorantrieb und gegenüber anderen mit offensiven, scharfen, stets aber ausgezeichnet formulierten Tönen auf sich aufmerksam machte. Fredborg beschreibt Schmidt als „Intelligent, alert, of ready wit and biting tongue, with no moral or other inhibitions“.91 Die Korrespondenten hatten Schmidt daher den Spitznamen “Al Capone” verpasst, um damit dessen gleichzeitig skrupellose 85

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Nach seiner Ernennung zum Außenminister äußerte sich Ribbentrop zunächst positiv über die fachliche Kompetenz Aschmanns und lehnte Forderungen aus dem RMVP, den Diplomaten als Abteilungsleiter abzusetzen, ab. Jedoch scheint Ribbentrop seine Meinung zu Aschmann im Laufe des Jahres 1938 negativ revidiert zu haben. Vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 156. Vgl. Plöger (2009), S. 134-137; vgl. Longerich (1987), S. 153-155. Findahl (1946), S. 9. Vgl. Plöger (2009), S. 145-147. Offenbar fehlt es Plöger zum Thema Auslandskorrespondenten auch an den nötigen Kenntnissen der Zusammenhänge. So berichtet er über die Teilnahme Schmidts an Beratungen mit Vertretern des Reichssicherheitshauptamtes im Dezember 1941, bei denen die Verhaftungen US-amerikanischer Journalisten geplant wurden. Plöger schreibt zu den Verhaftungsplänen: „Ob es dazu kam, um wen es sich handelte, sowie Auslöser und Hintergrund sind nicht überliefert“. Ebd., S. 160. Er übersieht hierbei, dass es sich bei dem Treffen zweifellos um die Konzeption der Internierung der USKorrespondenten nach der deutschen Kriegserklärung an die USA handelte. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 66-67; vgl. Studnitz (1975), S. 263-264. Vgl. Bojano (1945), S. 156-158; vgl. Findahl (1946), S. 10; vgl. Lochner (1943), S. 226; vgl. Kronika (1946), S. 125. Fredborg (1944), S. 15.

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wie geniale Persönlichkeit zu umschreiben. Schmidt selbst fühlte sich durch seinen Beinamen eher geschmeichelt als beleidigt.92 Die Charakterisierung Schmidts als „Al Capone“ entspricht auch der abschließenden Einschätzung Plögers zu dessen Persönlichkeit, der Schmidt als höchst begabten, gewandten und opportunistisch-gewissenlosen Machtmenschen beschreibt.93 Plöger geht in seiner Biographie Schmidts auch auf dessen Beiträge zur propagandistischen Vertuschung des Holocausts ein.94 Die Aussagen in der jüngst vorgelegten Untersuchung der Historikerkommission zur Geschichte des Auswärtigen Amtes über Schmidt, wonach dieser „direkt in die Verfolgung und Vernichtung der Juden involviert“95 gewesen sei und in „Schlüsselfunktionen in der Vernichtungspolitik“96 des Dritten Reichs gewirkt habe, sind jedoch wenig nachvollziehbar. Zudem sollte der negative Gesamteindruck zu Schmidt dadurch ergänzt werden, dass Korrespondenten ihm im persönlichen Umgang bisweilen auch Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft zugestanden.97 Ernst Lemmer berichtet, dass es ihm unter anderem dank der Unterstützung Schmidts gelungen sei, im Dritten Reich als Korrespondent ausländischer Zeitungen bis 1945 zu überwintern.98 Schmidts Stellvertreter blieb bis 1945 der seit 1933 in dieser Position amtierende Gustav Braun von Stumm, der in der Abteilung vor allem für die Routineabläufe zuständig war und die „Deutsche Diplomatisch-Politische Korrespondenz“ verfasste. Braun von Stumm, Angehöriger einer saarländischen Industriellenfamilie, war schon seit 1918 Berufsdiplomat und 1931 in

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Vgl. Findahl (1946), S. 10; vgl. Kronika (1946), S. 126; vgl. Sommerfeldt (1952), S. 73. Übereinstimmend stellen die Korrespondenten fest, es sage sehr viel über das Dritte Reich aus, dass aus Al Capone in den demokratischen Vereinigten Staaten ein Verbrecher und aus Schmidt im nationalsozialistischen Deutschland ein führender Regierungsbeamter geworden sei. Vgl. Plöger (2009), S. 428-429. Vgl. Ebd., S. 163-170. Conze/Frei/Hayes/Zimmermann (2010), S. 147. Ebd., S. 128. Vgl. Findahl (1946), S. 10. Die überschwänglich positive Einschätzung seitens Joseph C. Harschs, Korrespondent des „Christian Science Monitor“, der Schmidts „straightforwardness, freedom from pompoussness and a willingness to recognize honest differences in point of view“ lobt und betont, er hätte sich mehr amtliche Pressevertreter wie Schmidt in Berlin gewünscht, stellt jedoch unter den Korrespondenten eine wohl zu günstig ausfallende Einzelmeinung dar. Vgl. Harsch (1941), S. 285-286. Vgl. Lemmer (1968), S. 217. Zu den wahrscheinlichen Hintergedanken Lemmers bei diesem Lob an Schmidt vgl. unten, S. 264.

die Presseabteilung der Reichsregierung eingetreten.99 Deutsche und ausländische Kollegen bezeichnen Stumm einstimmig als etwas eigensinnigen,100 jedoch erfahrenen, umsichtigen Diplomaten, „un bravo uomo laborioso ed anche notevolmente capace“.101 Im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten Schmidt verfügte Stumm dank mehrerer Arbeitsstationen an deutschen Auslandsvertretungen über umfassende Kenntnis des Auslands und verschiedener europäischer Sprachen.102 Der schwedische Korrespondent Fredborg nennt Stumm einen „aristocrat who had accepted Nazism and remained in the Foreign Office as a relict of a past era“.103 Überzeugter Nationalsozialist sei Stumm dabei nie gewesen.104 Aufgrund seiner stark nationalistischen Haltung beschreibt Fredborg ihn vielmehr als „glowing patriot“ und „chauvinist“,105 der italienische Diplomat Lanza als was man in Frankreich „un vrai boche“ nennen würde.106 Laut den Erinnerungen des dänischen Journalisten Jacob Kronika, der offenbar mit Stumm ein besonderes Vertrauensverhältnis pflegte, erklärte dieser dem Korrespondenten Anfang 1944, dass er seinen Glauben an Hitler und einen Endsieg längst aufgegeben hätte.107 Ansonsten machte sich Stumm bei den Korrespondenten aber aufgrund seines oft unfreundlichen Auftretens, einer gewissen Langweiligkeit und seinen Weigerungen, eigene Meinungen zu äußern, wenig beliebt.108 Als konservativem Karrierebeamten, der erst im Nachhinein zur Pressearbeit fand, scheint Stumm zudem des Öfteren die propagandistische Brisanz von Ereignissen entgangen zu sein.109 Der nach der Übernahme der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes durch Paul Karl Schmidt erfolgte Ausbau der Abteilung lässt sich insbesonde99

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Vgl. Longerich (1987), S. 156. Braun von Stumm war für die Korrespondenten insbesondere deshalb von Bedeutung, weil er regelmäßig Schmidt auf den täglichen Auslandspressekonferenzen vertrat. Vgl. Studnitz (1975), S. 264. „ein redlicher Mann, arbeitsam und auch in beachtlicher Weise fähig“ (Übersetzung des Verfassers) Simoni [Lanza] (1946), S. 27. Diese Einschätzung bestätigt auch Werner Stephan. Vgl. Stephan (1983), S. 168. Vgl. Fredborg (1944), S. 16. Ebd. Eine ähnliche Charakterisierung findet sich auch bei Studnitz (1975), S. 264. Offenbar wurde Braun von Stumm auch nie Mitglied der NSDAP. Vgl. Longerich (1987), S. 156. Fredborg (1944), S. 16. Vgl. Simoni [Lanza] (1946), S. 27. Vgl. Kronika (1946), S. 32-33. Vgl. Fredborg (1944), S. 17. Vgl. Longerich (1987), S. 156.

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re an deren Personalbestand ablesen. Während von 1933 bis 1939 jeweils nur etwas mehr als 25 Personen in der Abteilung tätig waren, so arbeiteten dort kurz vor Kriegsausbruch im Herbst 1939 schon etwa 70 Mitarbeiter. Ende 1939 waren es bereits 119, Anfang 1940 160 Beschäftigte. Ende 1941 erreichte die Abteilung dann mit 330 Mitarbeitern ihren personellen Höchststand.110 Die grundsätzliche Organisation der Abteilung in Länderreferate und Funktionsreferate wurde beibehalten, jedoch wuchs deren Anzahl rasant von unter zehn auf zeitweise 21.111 Die Korrespondenten hatten in ihrem Kontakt mit der Presseabteilung zumeist mit dem für sie zuständigen Länderreferenten zu tun, darüber hinaus war in der Abteilung ein eigenes Referat „Auslandspresse“ mit der allgemeinen Betreuung der Korrespondenten betraut.112 Der Leiter dieses Referates, Emil Rasche, wird von Arvid Fredborg als höchst dubiose Person geschildert. Rasche gab sich im Umgang mit den Korrespondenten höchst jovial, nahm regelmäßig an Trinkgelagen in deren Wohnungen teil und war „a master at giving everybody he spoke to the feeling that just he was Rasche’s particular friend“.113 Aufgrund dieses Verhaltens war Rasche „one of the favourites of the foreign journalists“,114 doch hatten sie ihn gleichzeitig im Verdacht, dass der Referent die guten Beziehungen zu den Korrespondenten pflegte, um diese für die Gestapo auszuspionieren. Laut Fredborg war Rasche im Auswärtigen Amt „one of the Gestapo’s ‘high ups‘ in the Ministry and showed no mercy in the carrying out of his police duties towards his bosom friends”.115 Ähnlich wie in der Auslandspresseabteilung des „Promi“ fand in der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes allmorgendlich eine Referentenbesprechung statt, in der die Einzelheiten der täglichen Arbeit zwischen Abteilungsleiter und Referenten besprochen wurden. Dazu stand Schmidt seinen Referenten aber auch außerhalb dieser Zusammenkünfte für Rückfragen zur Verfügung.116 Im Wesentlichen ging die Abteilung während der Kriegszeit drei Aufgaben nach. Diese waren die Information des Ministeriums und seines Leiters über die Berichterstattung der in- und ausländischen Presse, die Beeinflussung der Auslandspresse sowie die Lenkung der deutschen Presse auf außenpolitischem Gebiet. Wie die Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums betrieb die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes folglich umfassende 110 111 112 113 114 115 116

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Vgl. Ebd., S. 163. Vgl. Ebd., S. 155. Vgl. Fredborg (1944), S. 14; vgl. Longerich (1987), S. 280. Fredborg (1944), S. 14. Ebd. Ebd., S. 18. Vgl. Longerich (1987), S. 156.

Aktivitäten zur Überwachung, Kontrolle und Beeinflussung ausländischer Korrespondenten, die Thema der nachfolgenden Kapitel sein werden. Da sie sich dabei nicht wie das Propagandaministerium auf „harte“ Kompetenzen berufen konnte, versuchte die Abteilung, mit „weichen“ Mitteln ihren Einfluss geltend zu machen – etwa durch die Schaffung eines Auslandspresseklubs, welcher der allgemeinen Betreuung von Auslandskorrespondenten diente.117 Nicht in direktem Bezug zu Auslandskorrespondenten standen viele andere Tätigkeiten der Abteilung, die an dieser Stelle kurz umrissen werden sollen. So gab die Abteilung auf Basis einer Reihe von Informationsquellen Eigenmeldungen an verschiedene Nachrichtenagenturen, die von diesen weiterverbreitet wurden. Zudem erstellte sie Informationsdienste, die sie an Journalisten innerhalb des NS-Herrschaftsapparates verteilte. Diese ergänzte die Abteilung mit Artikeldiensten und Korrespondenzen, deren Material sie nach Möglichkeit direkt in ausländischen Zeitungen zu platzieren versuchte. Weiter gab die Presseabteilung die offiziöse Zeitschrift „Berlin-Rom-Tokio“ heraus und stützte – teilweise getarnt – zahlreiche Publikationen im In- und Ausland mit Finanzmitteln. Zudem beteiligte sich die Abteilung an der Ausgabe von Sprachregelungen an deutsche Journalisten und an die deutschen diplomatischen Vertretungen im Ausland.118 Im anschließenden Kapitel wird auf die Zensurmaßnahmen und die verschärfte Überwachung seitens des NS-Regimes gegenüber Auslandskorrespondenten nach Ausbruch des Krieges eingegangen. 5.2.2 Verschärfte Überwachung und Zensur Im Gegensatz zu den anderen kriegsteilnehmenden Nationen verhängte das Deutsche Reich im September 1939 keine generelle Vorzensur für die Berichte der in Deutschland tätigen Zeitungs- und Nachrichtenagenturkorrespondenten.119 Nur für die Berichte der Radiokorrespondenten wurde eine allge117 Vgl. Ebd., S. 151 und 328. Das AA eröffnete seinen Auslandspresseklub im

April 1940. Erst später im Dezember 1940 schuf sich als Reaktion darauf auch das RMVP einen Klub. Zu den Auslandspresseklubs vgl. unten, S. 246-262. 118 Vgl. Longerich (1987), S. 151-152. 119 Verschickten die Korrespondenten ihre Berichte per Brief mit der Post, so wurden diese jedoch vorzensiert. Da der langsame Postweg bei der Übermittlung von Berichten für die Auslandsjournalisten allerdings kaum eine Rolle spielte, fiel die Brief-Vorzensur für sie kaum ins Gewicht. Vgl. PA AA, R 27886 Bekanntmachung an die Auslandspresse über die Verstärkung der Sicherung über den Telefon– und Telegrammverkehr, 7.9.1942.

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meine Vorzensur eingeführt.120 Die NS-Propagandisten folgten damit den Erkenntnissen, die sie aus den Propagandamisserfolgen des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg gezogen hatten.121 Konkret überzeugte die deutschen Auslandspressefachleute nach Kriegsbeginn eine Reihe von Argumenten von den Vorzügen der fehlenden Vorzensur, welche eine Meldung des Referates PZ der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes in vier Punkten zusammenfasst. Erstens erlaubte die militärische Entwicklung in der Anfangszeit des Krieges der deutschen Regierung „Grosszügigkeit, ja eine gewisse Gleichmütigkeit auch auf diesem Gebiete“. Zweitens fürchtete man im Auswärtigen Amt, der „bei der Mehrzahl der Korrespondenten noch vorhandene gute Wille zur loyalen Mitarbeit würde bei der Einführung einer Vorzensur schwinden“. Drittens sprach gegen die Vorzensur der sehr hohe organisatorische Aufwand, den diese mit sich gebracht hätte – unter gleichzeitiger erheblicher Verlangsamung der Übermittlungsgeschwindigkeit der Korrespondentenberichte. Vierter und entscheidender Vorteil der Nachzensur war aus der Sicht der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes jedoch die hohe Glaubwürdigkeit nicht-vorzensierter Berichte im Ausland, die dort so ihre volle Propagandawirkung entfalten konnten.122 Aufgrund der fehlenden Vorzensur betonte in der Zeit nach Kriegsbeginn die nationalsozialistische Propaganda großspurig, dass das diktatorisch regierte Deutschland eine liberalere Pressepolitik betreibe als die Demokratien Großbritannien und Frankreich.123 Dies war freilich nur die halbe Wahrheit, da das Regime seine schon seit 1933 betriebene Kontrolle der Korrespondenten nach 1939 intensivierte und per Nachzensur unerwünschte Berichte weiterhin streng sanktionierte. Über die bereits beschriebenen Maßnahmen der Vorkriegszeit124 hinaus installierten die Nationalsozialisten eine noch weitergehende, „sehr ausgedehnte sicherheitspolitische Überwachung, durch die der gesellschaftliche Verkehr und das persönliche Verhalten der Auslandskorrespondenten ständig einer Kontrolle unterzogen wird“.125 120 Zur Vorzensur für ausländische Radiokorrespondenten vgl. unten, S. 205-209. 121 Vgl. hierzu Kapitel 4 der vorliegenden Arbeit. 122 Vgl. BArch, R 901/58155 Konzept einer Nachtragsmeldung des Referates PZ

über den Standpunkt des „Promi“ zur Frage der Vorzensur, ohne Datum. Das Referat PZ war im AA zuständig für die Überwachung der Telegramme der Auslandskorrespondenten im HTA, vgl. hierzu unten, S. 189-193. Verfasser der Meldung war wahrscheinlich der Leiter des Referates, Generalkonsul Reinhardt. 123 Vgl. Flannery (1942), S. 120; vgl. Fredborg (1944), S. 26; vgl. Smith (1982), S. 94; vgl. Stoop (1987), S. 321. 124 Vgl. hierzu Kapitel 5.1.2 der vorliegenden Arbeit. 125 PA AA, R 27886 Denkschrift zur Frage der Einführung einer Vorzensur für Auslandskorrespondenten, 31.7.1942.

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Zu dieser Überwachung zählte die nach September 1939 intensivierte Kontrolle von Briefen, welche die Korrespondenten aus Deutschland ins Ausland versandten. Der Anspruch der deutschen Stellen bestand hierbei darin, sämtlichen Briefverkehr mit dem Ausland zu prüfen, während man zu Friedenszeiten nur selektiv kontrolliert hatte. Es war zunächst geplant, die Post der Journalisten – wie die reguläre Auslandspost – in der nach Kriegsbeginn eingerichteten Zentralprüfstelle für Auslandspost in Berlin durchzusehen.126 Jedoch zeigte sich die Zentralprüfstelle in den darauffolgenden Monaten der Menge an zu kontrollierenden Briefen nicht gewachsen. Die Post der Korrespondenten erhielt zudem im Rahmen der militärischen Zensur teilweise chemische Sonderbehandlungen. Dies sorgte für massive Verzögerungen beim Versand der Briefe, was wiederum eine Welle an Beschwerden der Auslandsjournalisten bei den deutschen Stellen zur Folge hatte.127 Aus diesem Grund richtete das Propagandaministerium einige Monate nach Kriegsbeginn ein eigenes Auslandspostbüro ein, in dem Korrespondenten ihre Briefe aufgeben konnten, welche dort dann vom Personal der Auslandspresseabteilung in Eigenverantwortung kontrolliert und zensiert wurden. Reichten die Korrespondenten einen Brief ein, so wurde dieser zunächst an die Zensurstelle des Büros weitergeleitet. „Sie prüft ihren Inhalt und zensuriert, in Zweifelsfällen nach Rückfrage bei höheren Dienststellen“,128 berichtet der Schweizer Korrespondent Wilhelm Kalberer. Nach der Zensur gelangten die Briefe in die Schreibstube, wo sie von Stenotypistinnen auf neue Blätter abgeschrieben wurden, um Papier mit Geheimtinte auszuschalten. Danach wurde die Post versandt. War deren Ziel die Schweiz, so erreichten die Briefe per Luftpost ihren Adressaten schon nach zwei Tagen. Verschickte Kalberer über das Auslandspostbüro einen Artikel, so war dieser für ihn aufgrund der Zensur bei der Veröffentlichung oft kaum mehr erkennbar.129 Ebenfalls verschärfte Kontrolle der Korrespondenten bedeutete, dass diese bei eigenständig unternommenen Reisen seit Kriegsbeginn der Polizei Reisedauer und -route melden mussten, wenn sie länger als einen Tag Berlin verließen. Den deutschen Stellen unbekannt blieben so nur noch Tagesausflüge ins Berliner Umland.130 Eine organisatorische Neuerung bezüglich des Abhörens der Telefongespräche der Korrespondenten stellte dar, dass in der Presseabteilung des 126 Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 211. Protokoll der Ministerkonferenz vom 127 128 129 130

26.10.1939; vgl. Longerich (1987), S. 292. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 212. Kalberer (1945), S. 8. Vgl. Ebd. Vgl. Fredborg (1944), S. 31.

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Auswärtigen Amtes die Auswertung der abgehörten Unterhaltungen nun einem neuen „Referat PZ“ oblag.131 Nach wie vor blieb aber für die Abhörmaßnahmen an sich Görings Forschungsamt zuständig. Dieses gab das entsprechende Abhörmaterial an den Leiter des Referates PZ im AA „zur Kenntnis und Verwertung“ weiter, der es dann nach den Bedürfnissen der Presseabteilung sichtete. Zudem konnte das Referat PZ beim Forschungsamt Wünsche bezüglich der Telefonüberwachung bestimmter Journalisten vorbringen. Aus dem Material des Forschungsamtes war Referatsleiter Reinhardt bekannt, dass sich der Telefonverkehr der Korrespondenten „in seinem Umfange sehr verschieden und naturgemäss an Spannungstagen besonders lebhaft“ gestaltete. Weiter berichtet Reinhardt, dass die Journalisten ihre Berichte zu Kriegsbeginn meist in neutrale Nachbarländer Deutschlands telefonierten, von wo sie dann weiterversandt wurden.132 Weiter umfasste die intensivierte Überwachung der Korrespondenten nach Kriegsbeginn insbesondere die Erfassung von deren Berichten. War diese schon vor 1939 sehr umfangreich gewesen, so schlossen Propagandaministerium und Auswärtiges Amt in diesem Bereich in den ersten Kriegsmonaten die letzten Lücken. Hierzu gehörten der Ausbau des Presselektorats der Auslandspresseabteilung des „Promi“ sowie die Schaffung eines neuen Presselektorats in der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes. Das Auswärtige Amt, welches 1933 seine Lektoren mitsamt der Presseabteilung der Reichsregierung an das Propagandaministerium hatte abtreten müssen, beantragte im September 1938 beim Reichsfinanzministerium die Einrichtung von 15 Lektorenstellen mit den dazugehörigen Büro- und Hilfskräften, die es in einem in der Nähe des Ministeriums gelegenen Haus unterzubringen gedachte. Schon im Juli 1938 hatte das Propagandaministerium ebenfalls beim Reichsfinanzministerium fünf zusätzliche neue Lektoren und fünf Zeitungsausschneiderinnen für sein schon bestehendes Presselektorat gefordert. In den Folgemonaten entwickelte sich zwischen den drei Ministerien ein längerer Streit über die neu zu schaffenden Stellen.133 Das Reichsfinanzministerium vertrat hierbei den Standpunkt, Doppelstrukturen aus haushaltspolitischen 131 Wie die Auswertung des Abhörmaterials des Forschungsamtes vor Kriegsbeginn

im AA geregelt wurde, ließ sich aus den untersuchten Akten nicht rekonstruieren. 132 Vgl. BArch, R 901/58155 Erfahrungsbericht Referat PZ Generalkonsul Reinhardt, 19.5.1940. 133 Dieser Streit zwischen Propagandaministerium, Auswärtigem Amt und Reichsfinanzministerium ist bereits von Longerich ausführlich beschrieben worden. Vgl. Longerich (1987), S. 128-132 und S. 158. Für Ergänzungen zu Longerichs Ausführungen vgl. Krings (2010), S. 384-386. Die Schilderungen dieses Abschnitts beziehen sich dementsprechend auf die beiden genannten Quellen

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Gründen zu vermeiden und wollte den Forderungen zunächst nicht nachgeben. „Promi“ und AA bestanden jedoch vehement auf der unbedingten Notwendigkeit ihrer Anliegen. Gleichzeitig versuchten sie, dem jeweils konkurrierenden Ministerium Bedürftigkeit betreffend eines Presselektorats abzusprechen. Durch Interventionen bei Hitler erreichten Ribbentrop auf der einen Seite und Dietrich und Goebbels auf der anderen Seite, dass schließlich im Februar 1939 das Auswärtige Amt ein Presselektorat und das Propagandaministerium im Juni 1939 den Ausbau seines Lektorates genehmigt bekamen. Das neue Presselektorat des Auswärtigen Amtes bestand zunächst aus 10 Lektoren, 23 Hilfsarbeitern, 4 Schreibkräften und 3 Klebefrauen, also insgesamt 40 Mitarbeitern, wurde aber später stark ausgebaut. Das Presselektorat des „Promi“, welches in der Vorkriegszeit bereits aus 36 Mitarbeitern bestanden hatte, wurde sogar um 90 Mitarbeiter ergänzt. Freilich waren die Lektorate nicht nur mit der Durchsicht der ausländischen, sondern auch der inländischen Presse beschäftigt. Bei der Prüfung der ausländischen Blätter beachteten die Lektoren zudem nicht allein die Artikel der Deutschland-Korrespondenten der jeweiligen Zeitungen, sondern die generelle Tendenz der Berichterstattung bezüglich des Dritten Reichs. Jedoch zeigen die überlieferten Akten des Referates „PX Lektorate/Pressearchiv“ der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, dass die Lektoren auf die Berichte der Korrespondenten ein besonderes Augenmerk legten. So verwaltete das Referat PX für wichtige Korrespondenten eigene Ordner, in denen man kontinuierlich alle Artikel eines bestimmten Journalisten sammelte. Überliefert im Bestand der Presseabteilung im Bundesarchiv finden sich Teile der Artikelsammlungen zu Wallace R. Deuel von den „Chicago Daily News“,134 Louis P. Lochner von „Associated Press“,135 Sigrid Schultz von der „Chicago Tribune“,136 William Shirer von CBS,137 Otto D. Tolischus von der „New York Times“138 und Karl von Wiegand,139 der längere Zeit für die Hearst-Presse in Berlin tätig war. Die Artikel der Journalisten wurden dabei von den Mitarbei134 Vgl. BArch, R 901/59801. Laufzeit der Artikelsammlung: November 1938 bis

März 1942.

135 Vgl. BArch, R 901/59430. Laufzeit der Artikelsammlung: Mai 1939 bis Januar

1943. 136 Vgl. BArch, R 901/59797. Laufzeit der Artikelsammlung: März 1939 bis Januar

1941.

137 Vgl. BArch, R 901/59795. Laufzeit der Artikelsammlung: Februar 1941 bis

Dezember 1942. 138 Vgl. BArch, R 901/59458. Laufzeit der Artikelsammlung: März 1939 bis April

1943.

139 Vgl. BArch, R 901/59355. Laufzeit der Artikelsammlung: März 1939 bis

Dezember 1941.

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tern des Lektorates ausgeschnitten, auf Blätter geklebt, dort mit Quelle und Datum versehen und im Ordner des jeweiligen Korrespondenten abgeheftet. Teilweise wurden Schlüsselpassagen der Artikel farblich hervorgehoben. Die Lektoren verfolgten die Berichterstattung der Korrespondenten auch nach deren Abreise aus Deutschland weiter. Wie Joseph Goebbelsʼ Tagebucheintragungen zeigen, hatte die NS-Führung großes Interesse an den Schilderungen, die Korrespondenten nach ihrer Heimreise über ihre Arbeit und Behandlung im Dritten Reich verfassten. Erbost stellte der Propagandaminister so am 11. Juni 1942 fest, „daß die ehemals in Berlin stationierten USA-Journalisten jetzt mit den wütendsten Beleidigungen über das nationalsozialistische Regime und seine Führung herfallen“.140 Auch fanden die noch während der Kriegszeit veröffentlichten Erinnerungen der Korrespondenten rege Aufmerksamkeit des NS-Regimes.141 Im Ordner des Referates PX zu William Shirer finden sich Auszüge aus dessen „Berlin Diary“, die in verschiedenen US-Zeitungen als Serie erschienen.142 Aus dem Buch „Pattern of Conquest“ des „Christian Science Monitor“-Korrespondenten Joseph C. Harsch fertigte das „Lektorat nordamerikanische Presse“ des Referates PX sogar eine 24 Seiten umfassende deutsche Übersetzung des Buchkapitels an, in dem sich Harsch mit den Arbeitsumständen der Korrespondenten in Berlin bis 1941 auseinandersetzt.143 Neben den personenbezogenen Artikelsammlungen zu bestimmten Korrespondenten sammelte das Referat PX zudem auch Zeitungsausschnitte von Journalisten bestimmter Nationalitäten, die in entsprechend bezeichneten Länderordnern abgeheftet wurden. So enthalten etwa Ordner mit dem Titel „Meldungen der amerikanischen Presse aus Berlin“

140 Goebbels ergänzte, insbesondere der ehemalige „United Press“-Korrespondent

Oechsner verbreite einen „hundsgemeinen Artikel über den Führer, der alles, was bisher an Beleidigungen über den Führer geschrieben worden ist, weit in den Schatten stellt“. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 4, S. 497 (11.6.1942). Schon im Oktober 1940 hatte sich Goebbels in einer Ministerkonferenz negativ über die Berichterstattung heimgekehrter US-Korrespondenten geäußert. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 536. Protokoll der Ministerkonferenz vom 3.10.1940. 141 Harry W. Flannery berichtet in seinen Erinnerungen, wiederholt von deutscher Seite kritisch auf die Inhalte des Mitte 1941 veröffentlichten „Berlin Diary“ seines Vorgängers William Shirer angesprochen worden zu sein. Vgl. Flannery (1942), S. 267. 142 Vgl. hierzu die entsprechenden Artikel in BArch, R 901/59795. 143 Vgl. BArch, R 901 /58534 Übersetzung aus „Pattern of Conquest“ von Joseph C. Harsch, Kapitel XII „Halbe Wahrheiten und Unwahrheiten“. Zu den anderen Kapiteln des Buchs schrieb das Lektorat kurze deutsche Zusammenfassungen.

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ebenfalls Artikelsammlungen von mehr als einem Dutzend der prominentesten US-Korrespondenten.144 Neben den personell immer stärker ausgestatteten Lektoraten war ein weiteres Mittel zur völlig lückenlosen Kontrolle der in Deutschland verfassten Korrespondentenberichte die Durchsicht der von ausländischen Journalisten abgeschickten Telegramme im Haupttelegraphenamt in Berlin. Nach Beginn des Krieges richteten Propagandaministerium, Auswärtiges Amt und Oberkommando der Wehrmacht im HTA „Telegramm-Überwachungsstellen“ ein, die alle von Auslandskorrespondenten verschickten Telegramme nach – in einigen Ausnahmefällen jedoch auch vor – deren Verstand kontrollierten und gleichfalls die Telegramme der Heimatredaktionen an die Korrespondenten mitlasen. Die Stellen von AA, „Promi“ und OKW ergänzten damit die Arbeit der hauseigenen „Auslandstelegramm-Prüfstelle“ des HTA, die sämtliche Telegramme der Korrespondenten ebenfalls begutachtete.145 Anhand von überlieferten Akten der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes lässt sich insbesondere die Tätigkeit der Überwachungsstelle dieses Ministeriums im HTA recht gut rekonstruieren. Für die Kontrolle der Telegramme war in der Presseabteilung des AA das bereits erwähnte, neu geschaffene Referat PZ unter der Leitung des Generalkonsuls Reinhardt zuständig.146 Dieses Referat unterhielt im HTA seit Februar 1940 eine „Überwachungsstelle“,147 die im April 1941 in „Presseprüfstelle“148 umbenannt wurde und schließlich im März 1942 den Titel „Vergleichsstelle“149 erhielt. Zu Beginn überwachten zunächst täglich an Vor- und Nachmittagen zwei Prüfer des AA im HTA den Telegrammverkehr der Korrespondenten,150 im Mai 1940 wurde die Kontrolle dann auf 24 Stunden am Tag ausgeweitet.151 Das Auswärtige Amt zog damit gegenüber der Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums nach, die im HTA schon unmittelbar nach Kriegsbeginn mit einer 24 Stunden täglich arbeitenden Prüfstelle

144 Vgl. die entsprechenden Zeitungsausschnitte in BArch R 901/59522 und BArch

R 901/60435. Vgl. BArch, R 901/58155 Reichspostministerium an Bömer, 12.7.1941. Vgl. hierzu auch Longerich (1987), S. 292-293. Vgl. BArch, R 901/60524 Reinhardt an Reichspostministerium, 27.3.1940. Vgl. Ebd. Referat PZ an Diensthabende des Referates PZ im Haupttelegraphenamt, 17.4.1941. 149 Vgl. BArch, R 901/60523 Schmidt an Abteilungsleiter Presseabteilung, 9.3.1942. 150 Vgl. BArch, R 901/58155 Erfahrungsbericht Sonderreferat PZ Generalkonsul Reinhardt, 28.2.1940. 151 Vgl. Ebd. Erfahrungsbericht Referat PZ Generalkonsul Reinhardt, 19.5.1940. 145 146 147 148

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vertreten gewesen war.152 Jedoch verfügte die Auslandspresseabteilung des „Promi“ im Gegensatz zur Presseabteilung des Auswärtigen Amtes über kein eigenes Referat, das für die Telegramm-Kontrolle zuständig war. Für das Propagandaministerium übernahmen daher tagsüber jeweils immer zwei wechselnde Referenten der Auslandspresseabteilung Kontroll-Schichten im HTA, während die Nachtschichten nach Zustimmung Rosenbergs von vier wechselnden Referenten des Presseamtes des Außenpolitischen Amtes der NSDAP übernommen wurden.153 Ab Mai 1940 waren somit rund um die Uhr jeweils mindestens zwei Vertreter des AA und des „Promi“ im HTA vertreten und kontrollierten Telegramme. Die zu bewältigende Menge an Telegrammen der Korrespondenten und ihrer Redaktionen lag im Februar 1940 bei 150 bis 180 pro Tag, wobei Referatsleiter Reinhardt für die Zukunft eine „erhebliche Steigerung“ erwartete.154 Die größte Anzahl von Telegrammen stammte bis Ende 1941 von den US- Journalisten, die mit ihren Berichten auch stets schneller als ihre Kollegen aus anderen Ländern waren.155 Die Arbeit der Prüfstellen im Haupttelegraphenamt war als „Geheim“ eingestuft und den dort Tätigen wurde eingeschärft, dass über ihre Arbeit „insbesondere auch Familienangehörige nach keiner Richtung hin orientiert werden dürfen“.156 Für ihre Arbeitsweise erhielten Kontrolleure des Auswärtigen Amtes genaue Weisungen von Referatsleiter Reinhardt. Fiel den Kontrolleuren beim Durchsehen der Telegramme eine Meldung auf, so hatten sie diese an den jeweils betroffenen Referenten der Presseabteilung des AA weiterzuleiten. Hatte eine Nachricht hohen Aktualitätsgehalt, dann war der Referent des von der Nachricht betroffenen Landes zuständig. Handelte es sich bei einem Telegramm um eine bereits bekannte Nachricht oder einen Stim152 Vgl. Ebd. Erfahrungsbericht Sonderreferat PZ Generalkonsul Reinhardt,

28.2.1940.

153 Vgl. BArch R 55/9 Leiter Abteilung Auslandspresse an Abteilung Personal,

15.4.1940. Aufgrund der zusätzlichen Belastungen der Referenten und des ständigen Wegfalls von Kontrolleuren des APA gab es im RMVP Ende 1940 Überlegungen, ähnlich dem Referat PZ des AA eine eigenständige „Struktur“ mit neuem Personal in der Auslandspresseabteilung des Ministeriums zu schaffen, die sich speziell mit der Telegramm-Kontrolle befassen sollte. Vgl. Ebd. Schwerter an Leiter Abteilung Personal, 14.11.1940. Aus den Akten lässt sich jedoch nicht ersehen, ob eine solche Struktur letztendlich eingerichtet wurde. 154 Vgl. BArch, R 901/58155 Erfahrungsbericht Sonderreferat PZ Generalkonsul Reinhardt, 28.2.1940. Mit wie vielen Personen das OKW und das HTA die Telegramme kontrollierten, ließ sich aus den untersuchten Akten nicht rekonstruieren. 155 Vgl. Ebd. Erfahrungsbericht Referat PZ Generalkonsul Reinhardt, 19.5.1940. 156 BArch, R 901/60524 Aktennotiz Schmidt, 16.2.1942.

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mungsbericht, so waren diese dem Referenten zuzuleiten, der für das Heimatland des Korrespondenten zuständig war. Im Zweifelsfall sollten beide Referenten benachrichtigt werden. Die Kontrolleure fertigten zu diesem Zweck Kopien der Telegramme an, die in der Regel mit nicht mehr als einem Tag Verzögerung von Boten in sorgfältig verschlossenen Paketen aus dem HTA ins AA gebracht wurden. Bei Telegrammen mit Inhalten höchster Wichtigkeit waren die zuständigen Referenten unmittelbar per Telefonanruf zu verständigen.157 Von ihm durchgesehene Telegramme verzeichnete jeder Prüfer mit einem eigenen Stempel. Die Kontrolleure waren zudem angehalten, nicht nur Telegramme weiterzuleiten, die journalistische Berichte und Meldungen enthielten, sondern auch Mitteilungen, die aus anderen Gründen für die Referenten interessant sein könnten.158 Hierunter fielen nach Reinhardt insbesondere Aufforderungen der Heimatredaktionen an die Korrespondenten, bestimmte Themen zu bearbeiten. „Durch diese Nachrichten wird die Abteilung P. rechtzeitig von bevorstehenden Anfragen von Korrespondenten in Kenntnis gesetzt, die sie dann sachgemäß vorbereiten kann.“159 Auch bat Reinhardt die Prüfer, in regelmäßigen Abständen zu ihrer besseren Einbindung in die Arbeit des Ministeriums an den Auslandspressekonferenzen und Referentenbesprechungen der Presseabteilung teilzunehmen.160 Insbesondere während der Anfangszeit ihrer Tätigkeit hatte die Kontrollstelle des Referates PZ im Haupttelegraphenamt mit einigen Problemen zu kämpfen. Während sich die Prüfer des AA mit den anderen Kontrolleuren des „Promi“ und des OKW schnell „gut und reibungslos eingespielt“ hatten, betrachtete die HTA-Leitung die externen Kontrolleure als „notwendiges Übel“. Zu Beginn des Jahres 1940 kam es deshalb täglich dazu, dass Korrespondenten-Telegramme von den Verantwortlichen des HTA nicht den Prüfstellen des AA, des „Promi“ und des OKW vorgelegt wurden. Zudem schob das HTA die externen Prüfer in kleine, schmutzige Räumlichkeiten ab und stellte trotz Protesten zunächst keine andere Unterbringung zur Verfügung. Auch benutzten einige Journalisten die List, ihre Telegramme nicht als verbilligte Pressetelegramme, sondern als reguläre Telegramme aufzugeben und

157 Vgl. Ebd. Referat PZ an Diensthabende des Referates PZ im Haupttelegra-

phenamt, 7.5.1941.

158 Vgl. Ebd. Referat PZ an Diensthabende des Referates PZ im Haupttelegra-

phenamt, 17.4.1941. 159 BArch, R 901/58155 Erfahrungsbericht Sonderreferat PZ Generalkonsul

Reinhardt, 28.2.1940.

160 Vgl. BArch, R 901/60524 Referat PZ an Diensthabende des Referates PZ im

Haupttelegraphenamt, 17.4.1941.

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umgingen so die Kontrollen. Mit der Zeit wurden diese Probleme jedoch offensichtlich überwunden.161 Generell galt für die Arbeit der Kontrollstellen im Haupttelegraphenamt, dass die ausgehenden Telegramme der Korrespondenten erst nach deren Versendung kontrolliert wurden, um eine rasche Übermittlung der Meldungen und Berichte zu garantieren. Diese Vorgehensweise war auch auf Linie mit der offiziell nicht existierenden Vorzensur.162 Wie Korrespondenten in ihren Erinnerungen berichten, kam es jedoch in der Praxis immer wieder zu vorzensorischen Maßnahmen durch die Kontrollstellen des HTA. Dies geschah in der Regel nicht offen, sondern unter Ausflüchten. So berichtet UPKorrespondent Clinton Beach Conger, dass von seiner Agentur im HTA eingereichte Berichte hin und wieder nicht oder nur in Teilen weitergeleitet wurden. Auf kritische Nachfrage bei den deutschen Stellen hieß es dann von dort, atmosphärische Störungen hätten die Übermittlung des Telegramms behindert.163 Im Fall eines UP-Berichts über die Preise von Luxusgütern auf dem deutschen Schwarzmarkt erklärte ein Beamter des Propagandaministeriums der Nachrichtenagentur dagegen offen, der Artikel sei im HTA im Interesse der „United Press“ zurückgehalten worden.164 Die Angaben Congers zur gelegentlichen Vorzensur bestätigen auch die überlieferten Akten. So verlangte ein Kontrolleur der Prüfstelle des AA im Mai 1940 vom HTA auf Anweisung eines Referenten der Pressestelle des Ministeriums die Vorlage einiger Telegramme bestimmter US-Korrespondenten schon vor deren Versendung.165 In einem Erfahrungsbericht an Referatsleiter Reinhardt aus dem Frühjahr 1940 stellte zudem einer der Telegrammprüfer des AA fest: „Bei dem Hang zu Übertreibung und allzu billiger Ironie einiger Korrespondenten dürfte die Ermächtigung zu sparsam vorzunehmenden Streichungen auch zukünftig notwendig sein“. Aufgrund der akzeptablen Berichterstattung der Korrespondenten seien aber von ihm in der letzten Zeit „kaum Zurückstel-

161 Vgl. BArch, R 901/58155 Erfahrungsbericht Referat PZ Generalkonsul

Reinhardt, 19.5.1940.

162 Vgl. Ebd. Erfahrungsbericht Sonderreferat PZ Generalkonsul Reinhardt,

28.2.1940. 163 Vgl. Conger (1943), S. 223. 164 Vgl. Ebd. S. 224. 165 Vgl. BArch, R 901/58155 Schmidt an Reinhardt, 24.5.1940. Wahrscheinlich

handelte es sich bei den Telegrammen um Berichte über den im Ablauf befindlichen Feldzug gegen Frankreich. Für dessen Dauer war in der Ministerkonferenz des RMVP eine besonders strenge Kontrolle der Korrespondentenberichte angeregt worden. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 345. Protokoll der Ministerkonferenz vom 10.5.1940.

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lungen und Streichungen vorgenommen“ worden.166 Darauf, dass die Prüfstellen im HTA Korrespondenten-Telegramme in größerem Ausmaß vor deren Versendung kontrollierten, deuten auch Beschwerden einiger ausländischer Journalisten beim Auswärtigen Amt über verzögerte Übermittlungen von Telegrammen hin.167 Die „Associated Press“ schaltete aus diesem Grund sogar einen deutschen Anwalt ein, der in einem Schreiben den deutschen Stellen mit rechtlichen Schritten drohte, wenn AP-Telegramme in Zukunft weiter verzögert würden.168 Grundsätzlich war es für die Auslandskorrespondenten jedoch einfach, die gelegentliche Vorzensur im HTA zu umgehen, indem sie ihre Berichte telefonisch in die Schweiz übermittelten, von wo sie dann weitergeleitet wurden.169 Unregelmäßige Vorzensur erlaubten sich Propagandaministerium und Auswärtiges Amt auch bei Meldungen, die Auslandsjournalisten während der von deutschen Stellen organisierten Frontreisen verfassten. So berichtet Howard K. Smith, dass eine Gruppe von Korrespondenten nach ihrer Rückkehr von einer Frontbesichtigung in Russland feststellen musste, dass nur die Hälfte ihrer mit einem Sonderkurier des Propagandaministeriums nach Berlin transportierten Berichte auch dort angekommen war.170 Schließlich ebenfalls unter Vorzensur fielen ab März 1941 Berichte von Auslandskorrespondenten über „Zusammenkünfte und Unterhaltungen“ mit Propagandaminister Goebbels, „um zu vermeiden, daß Äußerungen des Ministers in zu pointierter und mißverständlicher Form in der Auslandspresse zu Sensationen aufgebauscht werden.“171 Es soll zudem an dieser Stelle erwähnt werden, dass die NS-Regierung nach dem 1. September 1939 sukzessive eine Reihe von generellen Berichterstattungsverboten für ausländische Journalisten in Deutschland implementierte. Diese Verbote waren nicht konstant, sondern entwickelten sich mit dem Fortlauf des Krieges dynamisch. Manche Einschränkungen wurden nach einiger Zeit gestrichen oder gelockert, andere verschärft oder durch neue Verbote ergänzt. Die Korrespondenten mussten daher bemüht sein, immer auf dem neuesten Stand der Verbotsrichtlinien zu sein, um sich Ärger zu er166 Vgl. BArch, R 901/58155 Erfahrungsbericht Leye für Reinhardt, ohne Datum.

167 168 169 170 171

Aus den Inhalten des Berichts geht jedoch hervor, dass dieser zwischen der deutschen Invasion in Dänemark bzw. Norwegen und dem Westfeldzug gegen Frankreich 1940 verfasst worden sein muss. Vgl. Ebd. Aufzeichnung Reinhardt, 27.6.1940. Vgl. BArch, R 901/60523 Reinhardt an Schmidt, ohne Datum. Vgl. Conger (1943), S. 223. Vgl. Smith (1982), S. 94. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 650. Protokoll der Ministerkonferenz vom 28.3.1941.

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sparen.172 In der Summe schränkten die Berichterstattungsverbote die Journalisten in ihrer Arbeit im Lauf des Krieges aber immer mehr ein.173 Nicht berichtet werden durften gemäß offiziellem Verbot – es sei denn, es lag eine amtliche Ausnahmeregelung vor – die Aufenthaltsorte und Reisen führender deutscher und mit Deutschland verbündeter Staatsmänner sowie Truppenbewegungen. Ebenfalls tabu waren Angaben, die Deutschlands Kriegsgegnern Hinweise zur Durchführung ihrer Bombenangriffe auf deutsche Städte gaben. Hierunter fielen Aussagen über das Wetter und detaillierte Berichte zu den von Luftangriffen verursachten Schäden.174 Auch über die Vorgänge in 172 Vgl. Kalberer (1945), S. 7-8. 173 Vgl. Harsch (1941), S. 272. 174 Zu Beginn des Bombenkriegs war die Pressepolitik des Regimes allerdings

liberaler. Nach dem ersten britischen Luftangriff auf Berlin in der Nacht vom 25. auf den 26. August 1940, der den Stadtteil Babelsberg traf, beeilte sich das RMVP, die Korrespondenten am folgenden Morgen in einem Bus dorthin zu fahren, damit sie sich selbst davon überzeugen konnten, wie „lächerlich gering“ der entstandene Schaden war. Danach wurde diese Vorgehensweise bei weiteren Luftangriffen beibehalten. Die Korrespondenten erhielten Autotouren durch Berlin, die teilweise sogar nachts unmittelbar nach den Angriffen stattfanden. Zu diesem Zweck holten Wagen die Korrespondenten zu Hause ab. Aus noch geöffneten Bars und Kneipen konnten insbesondere die Nachrichtenagenturjournalisten Berichte über entstandene Schäden aus den verschiedenen Teilen der Stadt direkt an ihre Berliner Büros telefonieren, die sie unmittelbar an ihre Zentralredaktionen im Ausland weiterleiteten. Allerdings wurden bei den Touren kriegswichtige Ziele stets ausgespart und stattdessen bevorzugt zerstörte Altersheime und Krankenhäuser vorgeführt. Vgl. Grigg (1943), S. 172-173; vgl. Shirer (1941), S. 492-493; vgl. Smith (1982), S. 55-56. Trotzdem ordnete Goebbels schon am 8. September 1940 in der Ministerkonferenz an, in Zukunft nur noch „zuverlässige“ Korrespondenten auf die Touren mitzunehmen, da einige Journalisten die Bombenschäden zuletzt völlig überzogen dargestellt hätten. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 496. Protokoll der Ministerkonferenz vom 8.9.1940. In der Folgezeit wurden die regelmäßigen Touren wohl insbesondere auf Betreiben der Wehrmacht reduziert und schließlich im Winter 1940 eingestellt. Auch war es den Korrespondenten ab dann unter Drohung einer Anklage wegen Spionage verboten, in ihren Berichten über amtliche Mitteilungen oder deutsche Meldungen zu den Bombenschäden hinauszugehen. Private Erkundungsfahrten in von Luftangriffen getroffene Stadtteile unterließen die Auslandsjournalisten deshalb schnell, auch weil die Fahrten im großflächigen Berlin mühsam waren. Während der Luftangriffe selbst wurden sämtliche Kommunikationsleitungen in der Reichshauptstadt zeitweise unterbrochen, was das Absetzten von aktuellen Meldungen unmöglich machte. Vgl. Grigg (1943), S. 174-175; vgl. Smith (1982), S. 55-56; vgl. Lochner (1943), S. 222; vgl. Fredborg (1944), S. 20; vgl. Conger (1943), S. 223. Es soll an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass ähnliche Verbotsregelungen bezüglich des Bombenkriegs auch in

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den besetzten Gebieten durfte über längere Zeiträume nichts gemeldet werden.175 Neben den offiziellen Einschränkungen existierten zudem Tabus, die den Korrespondenten unter der Hand kommuniziert wurden. Hierzu gehörten Berichte, die die deutsch-italienische oder im Zeitraum 1939 bis 1941 die deutsch-sowjetische Partnerschaft in Frage stellten.176 Für die ausländischen Journalisten hatte das deutsche Kontrollsystem mit seiner – jedoch nicht konsequent eingehaltenen – Abwesenheit von Vorzensur in Kombination mit einer strengen Nachkontrolle und Nachzensur Vorteile und Nachteile. Positiv bemerken die Korrespondenten in ihren Erinnerungen, dass auch trotz eventuell nachfolgender Bestrafungen und Berichterstattungsverboten ihre Arbeit im kriegführenden Deutschland in den Anfangsjahren des Krieges im Vergleich zu anderen Ländern „einzigartig liberal geregelt“ war.177 Die fehlende Vorzensur „machte die Arbeit der Routineberichterstattung ungeheuer viel leichter“ als in den gegen Deutschland kriegführenden Ländern.178 Während in London oder Paris die Berichte erst Zensoren zur langwierigen Durchsicht vorgelegt werden mussten, konnten diese in Berlin unmittelbar nach dem Verfassen verschickt werden, ohne in der Nachrichtenbranche tödliche Zeitverluste.179 Auch war das deutsche Pressekontrollsystem für Informationen durchlässiger, als dies ein System mit direkter Vorzensur gewesen wäre, berichtet AP-Korrespondent Louis Lochner:

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den mit Deutschland verfeindeten Nationen existierten. Die Korrespondenten selbst konnten sich zudem regelmäßig davon überzeugen, dass Propagandameldungen der BBC die von der RAF in Berlin angerichteten Luftkriegsschäden völlig überzogen darstellten. Vgl. Harsch (1941), S. 58. Vgl. Kalberer (1945), S. 8. Vgl. Harsch (1941), S. 273. Vgl. Smith (1982), S. 44. Vgl. Ebd. Mit diesem Eindruck stand Smith nicht allein da. Im AA stellte man im Februar 1940 zufrieden fest: „Es liegen viele neutrale Presseäußerungen vor, die sich über unsere Handhabung der Kontrolle im Gegensatz zu den in London und Paris geübten Verfahren lobend aussprechen.“ Vgl. BArch, R 901/58155 Erfahrungsbericht des Sonderreferates PZ Generalkonsul Reinhardt vom 28.2.1940. Vgl. hierzu auch Stoop (1987), S. 310. Vgl. Smith (1982), S. 44; vgl. Harsch (1941), S. 275. Nicht nur bei Auslandskorrespondenten machte sich die britische Zensur ab 1939 wegen Zeitverlusten unbeliebt. Da ein Teil der von den USA nach Europa versandten Post ihren Weg über Großbritannien nahm und dort auch kontrolliert wurde, wenn sie gar nicht für Deutschland bestimmt war, verzögerten sich Sendungen von den Vereinigten Staaten in die neutralen Länder Europas teilweise erheblich. Vgl. BArch, R 901/60862 Holländische Presse, Bericht Nr. 29 vom 14.3.1940, Übersetzung eines Artikels aus dem „Telegraf“ vom 21.2.1940.

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„On many occasions we managed to get more of the truth across to our readers than would have been possible under a direct censorship.“180 Auf der anderen Seite zwang das deutsche System der Nachkontrolle die ausländischen Journalisten zu einer präventiven Selbstzensur, die sich für die Korrespondenten höchst nervenaufreibend gestaltete. Nach Aussage Lochners war die Nachzensur der Nationalsozialisten „far more damaging to the morale of the foreign correspondent that a direct military censorship could possibly have been”.181 Da die Korrespondenten jederzeit beim Schreiben ihrer Berichte die potentiellen Konsequenzen ihrer Meldung – für sich selbst, aber auch für ihre Informanten – beachten mussten, war das Abfassen jedes einzelnen Berichtes ein belastender Drahtseilakt, bei dem die Journalisten einerseits so viele Informationen wie möglich transportieren wollten, andererseits auf keinen Fall den kritischen Grad an zu viel Information überschreiten durften.182 Zu diesem Zweck diskutierten die Korrespondenten ihre Berichte teilweise mit Kollegen und überlegten lange, wie weit sie sich mit einer Meldung vorwagen konnten. Jedoch blieb der deutsche Kontroll- und Sanktionsapparat für sie letztendlich unberechenbar. Daher lebten sie nach dem Versenden eines Berichtes immer mit der Bedrohung, am nächsten Tag für diesen von den deutschen Stellen zur Verantwortung gezogen zu werden.183 Der so aufgebaute permanente Druck funktionierte laut Clinton Beach Conger, von 1940 bis 1941 Mitarbeiter im Berliner UP-Büro, „as a Damoclean sword over the correspondent’s head, making him his own censor”.184 Nach Joseph C. Harsch, 1941 Korrespondent des “Christian Science Monitor” in Berlin, war dieser Druck für den Journalisten sogar „a more oppressive brake on what he writes than a direct formal censorship would be“.185 Denn im Gegensatz zu einem System mit Vorzensur hatten so stets die Zeitungs- und Nachrichtenagenturkorrespondenten Schuld an unerwünschten Berichten – diese Schuld konnten sie nie auf deutsche Zensoren abwälzen. 186 Schließlich sorgte die abwesende Vorzensur auch für ein erhöhtes Konfliktpotential zwischen Korrespondenten und Heimatredaktionen. Letztere war sich nicht immer der schwierigen Arbeitsumstände ihrer Kollegen in Deutschland bewusst. Vom Grundsatz der Abwesenheit von Vorzensur ausgehend hatten sie häufig kein Verständnis für die zurückhaltende Berichterstattung ihres Kor180 181 182 183 184 185 186

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Lochner (1943), S. 222. Ebd. Vgl. Smith (1982), S. 50. Vgl. Lochner (1943), S. 222-223. Conger (1943), S. 222. Harsch (1941), S. 275. Vgl. Shirer (1941), S. 249-250.

respondenten. Dieser sah sich deshalb oft nicht nur von den deutschen Autoritäten, sondern auch von einer an seiner Kompetenz oder Arbeitswilligkeit zweifelnden Heimatredaktion unter Druck gesetzt.187 Die Korrespondenten gestehen ein, dass die im Großen und Ganzen abwesende Vorzensur von der Stärke und den Erfolgen Deutschlands in den ersten Kriegsjahren zeugte. Jedoch betont UP-Korrespondent Smith in seinen Erinnerungen in zutreffender Weise: „Liberalität in diesen Dingen ist ein Luxus, den sich eben nur eine Nation auf der Siegesstraße leisten kann.“188 Als die deutsche Kriegsmaschine im Winter 1941 von dieser Siegesstraße abkam und zudem die Fronten des Konfliktes mit dem Kriegseintritt der USA klar gezogen waren, kamen deshalb in Teilen der deutschen propagandistischen Führung Zweifel an der Richtigkeit der fehlenden Vorzensur auf, für deren Einführung die oben beschriebenen Maßnahmen als Grundlage schon seit 1939 existierten.189 Im Mai 1942 begann die Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums einen Vorstoß zur Einführung einer generellen Vorzensur für Berichte von ausländischen Zeitungs- und Nachrichtenagentur-Korrespondenten in Deutschland.190 Abteilungsleiter Brauweiler traf sich zu diesem Zweck mit für Zensur zuständigen Vertretern des Oberkommandos der Wehrmacht und fragte dort nach, ob aus Sicht der Militärs die augenblickliche Kontrolle der Auslandskorrespondenten und ihrer Berichterstattung ausreichend sei oder

187 Vgl. Kalberer (1945), S. 18-19. 188 Smith (1982), S. 45. 189 Zweifel am vergleichsweise liberalen Umgang mit den Auslandskorrespon-

denten hatte es bei den deutschen Stellen jedoch auch schon vorher gegeben. So erklärte Hans Fritzsche in einer der Ministerkonferenzen des RMVP im Mai 1941, seiner Meinung nach „hätten überhaupt die Auslandsjournalisten in Deutschland keinen Zweck mehr; die Meinungen draußen seien so festgelegt, daß es kaum noch Sinn habe, hinter ein paar Auslandsjournalisten herzulaufen“. Auch Goebbels bemerkte in der Konferenz, „daß man schärfer gegen negative Berichte der Berliner Auslandspressevertreter vorgehen“ müsse. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 764. Protokoll der Ministerkonferenz vom 31.5.1941. 190 Die nachfolgend dargestellten Streitigkeiten zwischen AA und RMVP über die Einführung einer Vorzensur für Auslandskorrespondenten im Sommer 1942 hat Longerich bereits anhand von Akten aus dem Politischen Archiv des AA beschrieben. Vgl. Longerich (1987), S. 293-298. Die von Longerich untersuchten Akten wurden für die vorliegende Arbeit nochmals durchgearbeitet, um dessen Erkenntnisse an einigen Stellen zu ergänzen und zu vertiefen. Über Longerichs Ausführungen hinaus werden im Folgenden zudem die Konsequenzen der letztendlich eingeführten Zensurmaßnahmen für die Arbeit der Auslandskorrespondenten – unter Hinzuziehung weiterer Quellen – bewertet.

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ob diese einer Verschärfung bedürfe.191 Das OKW, welches nie ein Freund von wie auch immer geartetem liberalem Umgang mit ausländischen Journalisten gewesen war,192 befürwortete den Vorstoß Brauweilers und die Einführung der Vorzensur mit der Begründung, dass nach dem Kriegseintritt Amerikas eine grundlegende Änderung der politischen Situation eingetreten sei.193 Dazu machte das OKW Vorschläge zur Umsetzung der Vorzensur, die von der auslandspressepolitischen Realitätsfremdheit der Offiziere zeugen. Unter anderem schlug das OKW Brauweiler vor, den Kreis der für Telefon und Telegramm zugelassenen Korrespondenten stark einzuschränken und die ausländischen Journalisten zudem nur noch aus dem Propagandaministerium ins Ausland telefonieren zu lassen. Diese Telefonate müssten dabei von Referenten der Auslandspresseabteilung des „Promi“ mitgehört und die Artikel der Korrespondenten ebenfalls von diesen und dem Verbindungsmann des OKW zur Auslandspresseabteilung vorzensiert werden. Insgesamt solle die Auslandspresseabteilung des „Promi“ die Führung in der Zensurarbeit übernehmen.194 In einem Antwortschreiben an das OKW machte Brauweiler die Wehrmachtspropagandisten darauf aufmerksam, dass mit den derzeitigen personellen, institutionellen und organisatorischen Voraussetzungen im „Promi“ die Vorschläge des OWK nicht umsetzbar seien, sondern vielmehr die Kapazitäten des Ministeriums völlig überstiegen und zu einem „journalistischen Verkehrschaos“ führen würden. Für die Zukunft konstatierte Brauweiler weiteren Beratungsbedarf.195 Ende Juni 1942 bekam die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes Wind von den Sondierungen zwischen Propagandaministerium und OKW und nahm großen Anstoß daran, dass die beiden Institutionen die Frage der Vorzensur für Auslandskorrespondenten unter Umgehung des Auswärtigen Am191 Vgl. Ebd., S. 293. 192 So bat etwa Goebbels in einer Ministerkonferenz im August 1940 die anwe-

senden Verbindungsoffiziere der Wehrmacht, auf ihre Vorgesetzten einzuwirken, um in Zukunft Korrespondenten-Frontreisen weniger bürokratisch organisieren zu können. In diesem Zusammenhang kritisierte Goebbels den „entschiedensten Widerstand der zuständigen Militärstellen“ gegen den von seinem Ministerium betriebenen liberaleren Umgang mit den Auslandsjournalisten. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 459. Protokoll der Ministerkonferenz vom 14.8.1940. 193 Vgl. Longerich (1987), S. 293. 194 Vgl. PA AA, R 27886 Oberkommando der Wehrmacht Amt Ausl./Abw./Abt. W.Pr. an Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 6.5.1942 (Abschrift). 195 Vgl. Ebd. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda an Oberkommando der Wehrmacht Amt Ausland/Abwehr/Abt. W.Pr., 3.6.1942 (Abschrift).

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tes diskutierten. Die Presseabteilung protestierte bei OKW und Propagandaministerium über diesen Umstand und erklärte, dass außenpolitische Zensurfragen in die alleinige Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes fielen.196 Neben diesen Kompetenzstreitigkeiten zeigte sich im Juli 1942 zudem, dass Auswärtiges Amt und Propagandaministerium inhaltlich gegensätzliche Positionen in der Frage der Vorzensur für Auslandsjournalisten einnahmen. Das Auswärtige Amt befürwortete die Beibehaltung der bisherigen Praxis der Nachkontrolle, wohl teils aus Überzeugung, teils aufgrund der Befürchtung, dass bei einer Institutionalisierung der Vorzensur für Korrespondenten diese in die Zuständigkeit des Propagandaministeriums fallen würde. Das Propagandaministerium in Person seines Chefs befürwortete hingegen die Einführung der Vorzensur.197 Goebbels, der zugab, in der Vergangenheit die Nachzensur befürwortet zu haben, argumentierte in den von ihm geleiteten Ministerkonferenzen mehrmals, zwischenzeitlich „hätten sich die Verhältnisse weiter entwickelt, und die Gesichtspunkte, die heute für eine Änderung des Verfahrens sprächen, seien so gravierend, daß er sich unter keinen Umständen mit einem Weiterbestand des bisherigen Zustandes einverstanden erklären könne“. Allerdings zeigte sich Goebbels auch kompromissbereit und offerierte, mit der Vorzensur „schrittweise vorzugehen“ und „zunächst nur einige Themen“ unter sie fallen zu lassen. Sukzessive könne man die Kontrollen später verschärfen, „wenn nötig, bis zu einer lückenlosen Vorzensur“.198 Die weitere Klärung der Angelegenheit wurde von den Spitzen der beiden Ministerien an die Abteilungsleiter Schmidt und Brauweiler delegiert. Am 22. Juli 1942 übersandte Brauweiler daraufhin Schmidt die Vorschläge des „Promi“ zur Einführung einer Vorzensur.199 Schmidt reagierte darauf mit einer Stellungnahme und einer ausführlichen 34-seitigen „Denkschrift zur Frage der Einführung einer Vorzensur für Auslandskorrespondenten“, mit welcher er gegen Vorzensur und für ein System aus Ermahnungen, Richtlinien, Erziehung und Nachzensur argumentierte. In der Denkschrift griff Schmidt in geschickter Weise das nationalsozialistische Propaganda-Schlüsselerlebnis des Ersten Weltkriegs auf und forderte, den 1914 begangenen Fehler der Vorzensur für Korrespondenten nicht zu wiederholen.200 Weiter analysierte er die Auslandspressepolitik zahlreicher mit Deutschland verbündeter und verfein196 Vgl. Longerich (1987), S. 293-294. 197 Vgl. Ebd., S. 294-295. 198 Vgl. PA AA, R 27886 Aufzeichnung Krümmer über die Ministerkonferenz vom

16.7.1942; vgl. auch Longerich (1987), S. 294. 199 Vgl. Ebd. Der Brief Brauweilers ist in den Akten nicht auffindbar; die konkreten

Vorschläge des RMVP sind daher nicht im Detail rekonstruierbar.

200 Vgl. hierzu oben, S. 36-37. Für das Folgende vgl. Longerich (1987), S. 294-295.

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deter Nationen und kam zu dem Schluss, dass die Pressepolitik der Länder mit Vorzensur die geringsten Erfolge aufzuweisen habe. Schließlich stellte Schmidt eine Liste mit den Vorteilen der Nachzensur und den Nachteilen der Vorzensur zusammen. Bezüglich der Vorteile der Nachzensur betonte er, dass vor allem die hohe Glaubwürdigkeit der unzensierten Korrespondentenberichte – die ja letztendlich doch mehr oder weniger stark von deutscher Seite beeinflusst würden – einen propagandistischen Vorteil für das Dritte Reich darstellten, etwa bei der Widerlegung von falschen feindlichen Propagandaaussagen. Außerdem unterstrich Schmidt, dass bisher noch keine Korrespondentenmeldung eine wirkliche Gefährdung der „Reichsinteressen“ hervorgerufen hätte und bei wichtigen Kriegshandlungen und deutschen Offensiven normale Nachrichtensperren ihre Aufgabe bislang bestens erfüllt hätten. Auch hob Schmidt die Vorteile eines Systems hervor, in dem die Journalisten zur Selbstzensur gezwungen waren: Da alle Korrespondenten individuell für ihre Arbeit verantwortlich seien und ihren Namen und ihre Existenz hinter ihre Bericht stellten, würde von ihnen ein höheres „Verantwortungsgefühl“ verlangt als von Berichterstattern, denen ein Zensor die volle Bürde der Verantwortung abnehme. Schließlich erklärte Schmidt auch, dass sich die scheinbar „liberale“ Pressepolitik der Reichsregierung im Propagandakampf mit den Gegnern Deutschlands sehr gut zugunsten des Nationalsozialismus vermarkten ließ. Diesen Vorteilen stellte Schmidt die seiner Ansicht nach gravierenden Nachteile einer Vorzensur entgegen. Zunächst verwies er auf den großen organisatorischen Aufwand der Schaffung eines Apparates zur Vorzensur, der mit Sicherheit einige Zeit bis zum fehlerfreien Funktionieren benötigen würde. Unvermeidliche Fehler des Apparates seien darüber hinaus extrem peinlich und schädlich, da unerwünschte Meldungen bei einer Vorzensur nicht mehr auf die Journalisten, sondern auf die Zensoren zurückfielen. Zudem betonte Schmidt, dass als Reaktion auf die Einführung einer Vorzensur in Deutschland wohl auch die Berichterstattungsfreiheit deutscher Korrespondenten im Ausland eingeschränkt würde. Außerdem wies Schmidt darauf hin, dass die neue Vorzensur sicherlich international als Zeichen von deutscher Schwäche aufgefasst werden würde. Auf Basis all dieser Argumente forderte Schmidt die Beibehaltung des bisherigen Systems der Nachzensur. Diese schalte die Gefahren einer gänzlich freien Nachrichtengebung aus, garantiere aber gleichzeitig die beiden zentralen Grundsätze der Nachrichtenpolitik: Erstens die schnelle Nachrichtenübermittlung an das Ausland und zweitens das propagandistisch so wichtige Prädikat der zensurfreien Berichterstattung. Mit seiner Denkschrift machte Schmidt im Propagandaministerium offenbar Eindruck und sorgte dort für ein gewisses Umdenken. In der Folgezeit 200

konnte sich Schmidt mit einigen seiner zentralen Forderungen durchsetzen und milderte die von Brauweiler gemachten Vorschläge zur Vorzensur ab. Trotzdem schränkten die neuen Berichterstattungsregeln, auf die sich Auswärtiges Amt und Propagandaministerium schließlich einigten, die Arbeit der Auslandskorrespondenten in Deutschland stark ein.201 Die neuen Vorschriften wurden den Korrespondenten auf einer gemeinsamen Sonderpressekonferenz der beiden Ministerien am 7. September 1942 bekannt gegeben und traten am 15. September in Kraft.202 Brauweiler plante ursprünglich, sich auf der Konferenz von jedem Journalisten per Unterschrift bestätigen zu lassen, dass dieser die neuen Richtlinien zur Kenntnis genommen hatte. Auf Vorschlag Schmidts wurden die Regeln den Korrespondenten jedoch nur mündlich mitgeteilt und die Anwesenheit der an der Konferenz teilnehmenden Journalisten in einer Liste vermerkt.203 Auf der Pressekonferenz erklärte Brauweiler den Auslandsjournalisten einleitend, dass die Art der Berichterstattung der Korrespondenten in den letzten Monaten schädlich für die deutsche Kriegsführung gewesen sei. Dies habe Reichspressechef Otto Dietrich genötigt, eine Reihe von neuen Richtlinien für die Auslandspresse in Berlin zu erlassen.204 Brauweiler erklärte weiter, der Reichspressechef wolle aber am „Grundsatz der freien Berichterstattung“ festhalten. Die neuen Regelungen seien daher weniger als Einschränkungen zu verstehen, sondern vielmehr als Ergänzungen der bisherigen Richtlinien, mit dem Zweck, den Korrespondenten „eine Verschlechterung der journalistischen Arbeitsbedingungen, wie sie durch die Einführung einer Zensur ent201 Vgl. Ebd., S. 296. 202 Vgl. PA AA, R 27886 Bekanntmachung an die Auslandspresse über die Ver-

stärkung der Sicherung über den Telefon– und Telegrammverkehr, 7.9.1942.; vgl. Fredborg (1944), S. 134. Hiernach ging Schmidt am 8. September 1942 im Rahmen des von ihm regelmäßig im APC abgehaltenen Stammtischs vor einem kleineren Kreis von Korrespondenten nochmals auf die neuen Vorschriften ein und rechtfertigte diese als „journalistische Anstandsregeln“. Am 12. September 1942 veranstaltete die Presseabteilung des AA zudem eine eigene Sonderpressekonferenz mit allen Referenten der Abteilung unter dem Vorsitz von Schmidt. Während dieser Konferenz wurden die Fragen der Korrespondenten zu den neuen Vorschriften beantwortet, mit denen diese seit dem 7. September 1942 an ihre Länderreferenten im AA herangetreten waren. Vgl. PA AA, R 27886 Notiz für Herrn RAM, 14.9.1942. 203 Vgl. Ebd. Schmidt an Brauweiler, 30.7.1942. Dementsprechend trägt auch der Text der Bekanntmachung an die Auslandskorrespondenten den Vermerk „Exemplar nicht aus der Hand geben“. Vgl. Ebd. Bekanntmachung an die Auslandspresse über die Verstärkung der Sicherung über den Telefon- und Telegrammverkehr, 7.9.1942. 204 Vgl. Fredborg (1944), S. 134.

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stehen würden, zu ersparen“. Brauweiler hob deshalb hervor „in wie grosszügiger Weise die Deutsche Regierung im Gegensatz zu den kriegsführenden Ländern der Gegenseite den Auslandskorrespondenten eine weitreichende Arbeitsmöglichkeit belässt“.205 Nach dieser bemerkenswerten Argumentation bedeuteten die neuen Regeln folglich keine Einführung einer Zensur, sondern das genaue Gegenteil, Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von Zensur. Die tatsächlichen Richtlinien sprachen jedoch eine andere Sprache. Laut der Bekanntmachung war den Journalisten zukünftig nur noch erlaubt, Artikel auf Basis von „autorisierten Quellen“ ohne vorherige Zensur an ihre Heimatredaktionen zu übermitteln. Diese Quellen waren amtliche Veröffentlichungen deutscher Staats- und Parteidienststellen, insbesondere Mitteilungen und Auskünfte der befugten Referenten der Presseabteilungen des Auswärtigen Amtes und des „Promi“ sowie Meldungen des OKW und für innerdeutsche Angelegenheiten der Reichspressestelle der NSDAP. Ebenfalls als autorisierte Quellen galten alle deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften im Reichsgebiet sowie alle deutschen Nachrichtenagenturen und Korrespondenzbüros; diese durften jedoch nicht als amtliche Quellen zitiert werden.206 Alle Berichte, die auch auf Grundlage anderer, nicht autorisierter Quellen geschrieben waren, unterlagen ab sofort der Vorzensur und waren vor Versand der neu geschaffenen „Auskunftsstelle der Presseabteilung der Reichsregierung“ im Propagandaministerium vorzulegen. Brauweiler hatte für diese Stelle zunächst den eher zutreffenden Namen „Zensurbüro“ vorgeschlagen, auf Schmidts Intervention wurde die Bezeichnung jedoch geändert, damit die neuen Maßnahmen einen möglichst harmlosen Eindruck machten.207 Die Auskunftstelle war turnusmäßig mit Personal aus dem Auswärtigen Amt, dem Propagandaministerium und dem OKW besetzt. Ihr Leiter, Oberregierungsrat Hesse, war Beamter des „Promi“, seine beiden Stellvertreter kamen aus dem AA und dem OKW. Der Stelle wurden das bereits im RMVP bestehende Zensurbüro für die Briefberichterstattung und die TelegrammKontrollstellen des AA und des „Promi“ im Haupttelegraphenamt untergeordnet. Die Korrespondenten hatten ihre Berichte bei der Auskunftstelle in doppelter Ausfertigung zusätzlich einer deutschen Übersetzung schriftlich einzureichen und erhielten dort nach beanstandungsfreier Durchsicht einen

205 PA AA, R 27886 Bekanntmachung an die Auslandspresse über die Verstärkung

der Sicherung über den Telefon- und Telegrammverkehr, 7.9.1942; vgl. auch Longerich (1987), S. 296-298. 206 Vgl. Ebd., S. 296 207 Vgl. Ebd.

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Genehmigungsvermerk. Bei kürzeren Meldungen war es den Journalisten erlaubt, ihre Texte telefonisch bei der Auskunftstelle vorzensieren zu lassen.208 Außerdem wurde den Journalisten auf der Sonderpressekonferenz eine Reihe von Themen genannt, für die unabhängig von der Quelle zukünftig Vorzensur bestand. Dieser Themenkreis umfasste Berichte über die inneren Angelegenheiten des Reichs, über Ereignisse in den von Deutschland besetzten Gebieten sowie über die Beziehungen Deutschlands zu seinen Verbündeten. Zudem wurde der Katalog der gänzlich untersagten Berichterstattungsthemen wiederholt und ausgeweitet. Völlig untersagt waren den Korrespondenten folglich Berichte über die Bewegungen deutscher und mit Deutschland verbündeter Staatsoberhäupter und führender Staatsmänner, Nachrichten über strategische Ziele und militärische Prognosen, Berichte über Friedensfragen, die Wetterlage, Luftalarme und Luftkriegsschäden. Ebenfalls verboten wurden die Weitergabe von Nachrichten ausländischer Sender im Rahmen der Presseberichte, Codes für telefonische und telegraphische Mitteilungen und Meldungen über private Mitteilungen aus Pressegesprächen mit deutschen Vertretern. Schließlich war es den Korrespondenten untersagt, ihre Heimatredaktionen über die neuen, ihnen vorgesetzten Richtlinien zu informieren oder diese in ihren Berichten zu erwähnen.209 Zu diesen Richtlinien fügte Brauweiler eine weitere schwerwiegende generelle Einschränkung. Für die aktuelle außenpolitische und innenpolitische Berichterstattung der Korrespondenten hätten fortan Tenor und Tendenz der Erklärungen der verantwortlichen Leiter der Auslandspressekonferenzen die Grundlage zu bilden, so der Chef der Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums. Bei Berichten über militärische Angelegenheiten seien für die Korrespondenten von nun an Angaben von Wehrmachtstellen richtungsweisend.210 All diese Beschränkungen kombinierten Auswärtiges Amt und Propagandaministerium mit der Drohung, Verstöße gegen die neuen Vorschriften würden automatisch mit Ausweisung bestraft. Nach Plänen Brauweilers sollte diese binnen 24 Stunden erfolgen, nach Schmidts Einwand wurde die Rege208 Vgl. PA AA, R 27886 Bekanntmachung an die Auslandspresse über die Ver-

stärkung der Sicherung über den Telefon- und Telegrammverkehr, 7.9.1942. 209 Vgl. Longerich (1987), S. 297. Die Berichterstattung über einen Teil dieser The-

mengebiete war den Korrespondenten schon vor September 1942 untersagt worden. Vgl. hierzu oben, S. 193-195. Trotz des Verbotes, ihre Heimatredaktionen über die neuen Richtlinien zu informieren, setzten die Korrespondenten ihre Kollegen trotzdem auf versteckten Wegen in Kenntnis. Vgl. Fredborg (1944), S. 135. 210 Vgl. Longerich (1987), S. 296-297.

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lung jedoch auf „innerhalb angemessener Frist“ geändert.211 Außerdem hätten ausländische Journalisten bei Verstößen ihrer Berichterstattung gegen deutsche Gesetze „mit der ganzen Härte des Strafvollzuges zu rechnen“. Weiter drohte man den Korrespondenten, bei häufigem Fehlverhalten ihrerseits eine vollständige Vorzensur einzuführen.212 Für die Auslandskorrespondenten, die schon vor der Sonderpressekonferenz des 7. September aufgrund kursierender Gerüchte Böses ahnten, waren die neuen Vorschriften zunächst ein schwerer Schock, denn die „regulations appeared to involve a complete change in the character of our work“,213 so der schwedische Journalist Arvid Fredborg. Auch wenn die neuen Regeln in der Tat keine generelle Vorzensur darstellten, so bedeuteten sie doch eine Vorzensur für fast alle Themen mit Nachrichtenwert in Deutschland. Auch engten sie den Recherchespielraum für Berichte stark ein und verkomplizierten den Versand von Artikeln, insbesondere wenn diese der zensierenden Auskunftstelle im „Promi“ in doppelter Ausführung und mit Übersetzung vorgelegt werden mussten. Besonders verärgert waren die Auslandsjournalisten über die neue Verbindlichkeit der Mitteilungen auf den Auslandspressekonferenzen, eine Regelung, die den bindenden Weisungen an die deutsche Presse in den täglichen Pressekonferenzen für deutsche Journalisten ähnlich war. Fredborg sah diese Vorschirft als „an obvious attempt by Schmidt to compel us to repeat his comments“.214 Während einige Korrespondenten im Herbst 1942 aufgrund der Richtlinien ihre Abreise aus Berlin erwogen, zeigte sich jedoch einige Wochen später, „that the new instructions would chiefly remain on paper“.215 Fredborg berichtet in seinen Erinnerungen, die neuen Regeln seien in der Praxis von den deutschen Stellen weniger strikt umgesetzt worden als am 7. September 1942 angekündigt. Wie genau diese weniger strikte Umsetzung aussah, erklärt der schwedische Journalist nicht im Detail. Es scheint jedoch, dass die Zensoren in der Auskunftstelle des Propagandaministeriums des Öfteren unkoordiniert arbeiteten und deshalb kritische Inhalte durchgehen ließen.216 Zudem waren die Zensoren offenbar bei telefonisch übermittelten Berichten häufig nachlässiger, was bei schriftlich eingereichten Artikeln dagegen seltener 211 Vgl. PA AA, R 27886 Schmidt an Brauweiler, 30.7.1942. 212 Vgl. Ebd. Bekanntmachung an die Auslandspresse über die Verstärkung der

213 214 215 216

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Sicherung über den Telefon- und Telegrammverkehr, 7.9.1942. Vgl. auch Longerich (1987), S. 297-298. Fredborg (1944), S. 135. Ebd. Ebd., S. 136. Vgl. Ebd.

vorkam.217 Auch gab es Mittel, die Zensur der Auskunftstelle abzumildern. So berichtet der Schweizer Journalist Wilhelm Kalberer, nach der Zensierung seiner Artikel in diesen hin und wieder Änderungen vorgenommen zu haben, bevor er sie an seine Heimatredaktion telefonisch weiterreichte. Diese „Verbesserungen“ entschuldigte Kalberer gegebenenfalls bei den deutschen Stellen mit „Hörfehlern“ seiner Kollegen in der Schweiz, die offenbar seinem Telefondiktat nicht sorgfältig genug zugehört hätten.218 Jedoch räumt Fredborg unter dem Strich einen erheblichen Einfluss der neuen Vorschriften auf die Berichterstattung der Auslandskorrespondenten ein. „Undoubtedly our reports, after September 15 when the new decree came into force, were of much lower quality than before.“219 Auch Paul Karl Schmidt berichtete seinem Chef Ribbentrop zufrieden über die Konsequenzen der neuen Regeln: „Die allgemeine Reaktion, wie sie ihren Niederschlag in der Berichterstattung selbst fand, ist die Beobachtung größerer Vorsicht bei der Behandlung der Berichtsthemen und deren Auswahl.“ Insgesamt seien die neuen Vorschriften somit „ein verstärkter Schutz gegen unerwünschte Nachrichten“.220 Offenbar blieben die Regeln vom 7. September 1942 bis Kriegsende in Kraft, wurden jedoch bei besonderen Anlässen verschärft. So unterlagen im Juli 1944 Korrespondentenberichte über das Attentat auf Hitler einer generellen Vorzensur.221 Zudem scheinen die Zensoren der Auskunftstelle ihren Arbeitsplatz gegen Ende des Krieges aus Goebbelsʼ Ministerium heraus und in die Auslandspresseklubs des AA und des RMVP verlegt zu haben, wo die Korrespondenten zu dieser Zeit überwiegend ihre Berichte verfassten.222 Anders als die Korrespondenten von Zeitungen und Nachrichtenagenturen sahen sich die ausländischen Radiokorrespondenten schon seit Kriegsbeginn 1939 mit einer generellen Vorzensur belegt. Unmittelbar nach dem ersten Kriegstag waren die Korrespondenten verpflichtet, ihre Berichte vor dem

217 218 219 220 221 222

Vgl. Kalberer (1945), S. 7. Vgl. Ebd. Fredborg (1944), S. 136. PA AA, R 27886 Notiz für Herrn RAM, 14.9.1942. Vgl. Findahl (1946), S. 120. Kronika schreibt hierzu bezüglich des 18. März 1945: „Die deutsche PräventivZensur funktioniert schlecht. Die Herren Zensoren sind nur in geringem Maße zur Arbeit aufgelegt. Es geschieht Tag um Tag, daß sie den beiden Presse-Klubs fernbleiben, wo sich die Korrespondenten zur Arbeit treffen. Die Vermutung liegt nahe, daß die deutschen Herren dadurch die Meldungen ins Ausland einschränken wollen.“ Kronika (1946), S. 64-65. Zu den Auslandspresseklubs der beiden Ministerien vgl. unten, S. 246-262.

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Einsprechen deutschen Zensoren vorzulegen.223 Wie auch in der Vorkriegszeit wickelten die ausländischen Radiokorrespondenten ihre Berichte über den Kurzwellensender224 der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft ab, der sich am Kaiserdamm 77 in Berlin befand. Dort hatten auch die Zensoren ihre Büros. Jeder Radiobericht wurde von einem Vertreter des Propagandaministeriums, des Auswärtigen Amtes und des Oberkommandos der Wehrmacht, also von insgesamt drei Zensoren durchgesehen, die über entsprechende Sprachkenntnisse verfügten. Um den US-amerikanischen Korrespondenten auf keinen Fall sprachliche Finessen durchgehen zu lassen, hatten „Promi“ und AA Zensoren auf diese angesetzt, die mit amerikanischem Englisch vertraut waren.225 Zu diesen Zensoren gehörte ein ehemaliger deutscher Banker, der zwanzig Jahre an der Wall Street tätig gewesen war, ein Professor, der längere Zeit an der University of Illinois gelehrt hatte und ein in Hollywood gescheiterter deutscher Schauspieler, der daraufhin einige Jahre deutschen Wein in den USA verkauft hatte. Weniger gutes Englisch sprachen dagegen offenbar bisweilen die Zensoren des OKW, unter denen sich der ehemalige Programmdirektor des Österreichischen Rundfunks befand.226 Persönlich verstanden sich die Korrespondenten offenbar gut mit den Zensoren, Shirer bezeichnet sie in seinem „Berlin Diary“ als „decent, intelligent Germans“, die jedoch tun mussten, was ihnen befohlen war.227 Die Journalisten bemühten sich auch aktiv um ein gutes Verhältnis zu ihren Kontrolleuren. Harry W. Flannery, der im Oktober 1940 als Ablöse für William Shirer als CBSKorrespondent nach Berlin kam und dort bis September 1941 blieb, war bekannt, dass ein Zensor hin und wieder Artikel für die „Berliner Börsenzeitung“ verfasste, auf welche er sehr stolz war. Um dem Zensor zu schmeicheln, baute Flannery deshalb gelegentlich ein Zitat aus diesen Artikeln in seine Berichte ein.228 William Shirer versuchte, das erste Blatt seiner mehrseitigen Radioberichte möglichst eine Stunde vor Sendung den Zensoren vorzulegen, die letzte Seite 223 Vgl. Jordan (1944), S. 235. 224 Dessen Leiter war während der Kriegszeit Harald Diettrich, den die Korrespon-

225

226 227 228

206

denten als „likable, but cunning“ beschreiben. Vgl. Flannery (1942), S. 16; vgl. Jordan (1944), S. 306. Jedoch war Goebbels nicht immer zufrieden mit der Arbeit seiner Zensoren. So befahl er im April 1941 die Ablösung eines Zensors, nachdem dieser dem USRadiokorrespondenten Barbe einen kritischen Bericht hatte durchgehen lassen. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 694. Protokoll der Ministerkonferenz vom 21.4.1941. Vgl. Flannery (1942), S. 16-17. Vgl. Shirer (1941), S. 511. Vgl. Flannery (1942), S. 35.

spätestens eine halbe Stunde vorher. „That gives me enough time to argue about it, if necessary“,229 erklärte Shirer seinem Nachfolger Flannery nach dessen Ankunft in Berlin. Weiter berichtet Shirer, dass er bisweilen besonders kritische Passagen in seine Skripte aufnahm, um seine Spielräume bei den Zensoren auszutesten.230 In der Praxis kam es oft vor, dass die Korrespondenten bis kurz vor Sendungsbeginn mit den Zensoren über Inhalte, Formulierungen und einzelne Wörter ihres Berichtes diskutierten. Grundlegendes Zensurkriterium war, dass die Berichte deutschen Quellen entspringen mussten. „The censors required that for almost every statement we made we show the authority in the German press, radio, or one of the press conferences or from a recognized spokesman.”231 Doch selbst wenn diese Quellennachweise vorlagen, verlangten die Zensoren teilweise weitere Änderungen.232 So beschwerte sich Max Jordan im Juni 1940 beim Propagandaministerium darüber, dass ihm ein Zensor eine Passage aus seinem Bericht beseitigt hatte, obwohl diese auf einem deutschen Zeitungsartikel fußte. Jordan war über die Streichung so erbost, dass er seine ganze Sendung nicht durchführte.233 Oft wurden den Korrespondenten deren persönliche Interpretationen zu bestimmten Geschehnissen aus dem Skript gestrichten. So scheiterte Max Jordan verständlicherweise an den Zensoren, als er bei Kriegsausbruch 1939 Adolf Hitler mit Wilhelm II. verglich.234 Ebenfalls häufig erstreckten sich die Diskussionen über die Texte auch bis zur Wahl einzelner Wörter. Die Zensoren untersagten Shirer die Nutzung des ihrer Ansicht nach abwertenden Wortes „Nazi“ und verlangten stattdessen den Begriff „National Socialist“.235 Beim deutschen Einmarsch in den Niederlanden und Belgien ersetzten sie Shirer das Wort „invasion“ mit dem Substitut „march in“.236 Immer wieder monierten die Zensoren auch Begriffe wie „claimed“, „admitted“, „said“, „declared“ oder „according to“, mit denen die Korrespondenten auf Distanz zu amtlichen deutschen Mitteilungen gingen.237

229 230 231 232 233

234 235 236 237

Vgl. Ebd., S. 16. Vgl. Shirer (1941), S. 307. Flannery (1942), S. 25. Vgl. Smith (1982), S. 174. In der Ministerkonferenz des RVMP war man sich bezüglich des Vorfalls einig, dass “die fragliche Streichung eine Ungeschicklichkeit” bedeutete, jedoch “eine scharfe Rundfunkzensur unentbehrlich” sei. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 378. Protokoll der Ministerkonferenz vom 5.6.1940. Vgl. Jordan (1944), S. 235. Vgl. Shirer (1941), S. 495. Vgl. Ebd., S. 333. Vgl. Flannery (1942), S. 35.

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Nachdem die Korrespondenten ihr Skript von den Zensoren genehmigt bekommen hatten, eilten sie mit zwei Versionen des Textes zu ihrer Einsprechkabine im Kurzwellensender. Dort lasen sie ihren Bericht ab, der nicht aufgezeichnet, sondern „live“ übertragen wurde. Währenddessen prüfte ein ebenfalls anwesender und sprachkundiger Kontrolleur anhand der zweiten Version des Textes, ob die Journalisten inhaltlich von der Vorlage abwichen.238 Lief die Sendung parallel zu einem Luftangriff auf Berlin, was gelegentlich vorkam, so war den Korrespondenten verboten, diesen zu erwähnen. Spezielle Richtmikrofone verhinderten, dass die Explosionen der Bomben am anderen Ende der Leitung zu hören waren.239 Der mitlesende Kontrolleur war auch angewiesen, auf eventuelle Unregelmäßigkeiten in der Aussprache der Journalisten zu achten, mit denen diese die Tendenz des Gesagten zu modifizieren versuchten.240 In einigen Fällen markierten die Kontrolleure dabei sogar auf dem ihnen vorliegenden Text, wo der sprechende Journalist die Betonungen seiner Rede setzte.241 Auch wurden die Aufsagen der Korrespondenten mitgeschnitten, um diese bei Bedarf im Nachhinein mit ihrer eigenen Stimme überführen zu können.242 Diese Vorsichtsmaßnahmen von deutscher Seite waren nicht unbegründet. William Shirer schildert in seinen Erinnerungen, wie er in seinen Berichten versuchte, „to indicate a truth or an official lie by the tone and inflexion of the voice, by a pause held longer than is natural, by the use of an Americanism, which most Germans, who’ve learned their English in England, will not fully grasp, and by drawing from a word, a phrase, a sentence, a paragraph, or their juxtaposition, all the benefit I can”.243 Solche Versuche waren jedoch aufgrund der immer umfassenderen Kontrollen sprachkundiger Fachleute im Fortlauf des Krieges immer seltener von Erfolg gekrönt244 und forderten zudem vom Publikum die schwierige Fähigkeit „to listen between the lines“.245 Bezüglich der Frage, wie groß die Einschränkung der Radiokorrespondenten durch die Vorzensur ihrer Sendungen alles in allem war, berichtet NBCKorrespondent Max Jordan, dass er schon unmittelbar nach der Einführung der Zensur Anfang September 1939 über deren Strenge so verärgert war, dass 238 Die Wichtigkeit dieser Kontrolle durch Mitlesen der Texte unterstrich Goebbels

239 240 241 242 243 244 245

208

persönlich in einer Ministerkonferenz des RMVP im März 1941. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 649. Protokoll der Ministerkonferenz vom 28.3.1941. Vgl. Shirer (1941), S. 497. Vgl. Flannery (1942), S. 17-18. Vgl. Shirer (1941), S. 512. Vgl. Flannery (1942), S. 36. Shirer (1941), S. 511. Vgl. Ebd. Jordan (1944), S. 236.

er sich bei Karl Bömer beschwerte. Als er von dort keine Unterstützung bekam, schlug Jordan seinen Chefs in New York vor, in Zukunft keine Berichte mehr aus Berlin zu senden, was diese jedoch ablehnten.246 Shirer bezeichnet die Zensur in den ersten acht Monaten des Krieges dagegen als „fairly reasonable“. Im Oktober 1939 zeigte eine Drohung Shirers bei der Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums, man werde bei zu strenger Zensur die Berichterstattung aus Berlin komplett einstellen, Wirkung. In der darauf folgenden Zeit hielten sich die Zensoren zurück, denn die deutschen Stellen hatten ein Interesse an den fortgesetzten Radioberichten der Korrespondenten.247 Erst nach der deutschen Invasion in Dänemark und Norwegen verschärften sich die Kontrollen laut Shirer zunehmend, sodass ihm sein weiterer Verbleib in Deutschland im September 1940 schließlich sinnlos vorkam.248 Ab dieser Zeit kam es auch in seltenen Fällen vor, dass die Zensoren einen ihnen völlig unpassenden Bericht absichtlich langwierig bemäkelten, damit die Journalisten den Zeitpunkt zum Einsprechen verpassten.249 Sukzessive nahm die Intensität der Zensur zu, sodass im Sommer 1941 CBS, dann durch Harry W. Flannery in Berlin vertreten, die Anzahl der Sendungen aus Deutschland zurückfuhr, da deren Inhalte aus Zensurgründen zunehmend irrelevant wurden.250 Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Differenzen zwischen den USA und Deutschland wurde Flannery seine Radioberichterstattung von der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft zeitweise sogar gänzlich untersagt, weil deutsche Stellen über das NS-kritische Programm des US-Radiosenders verärgert waren.251 Im Herbst 1941 stellte die Vorzensur für Radiokorrespondenten schließlich laut Howard K. Smith, nun Mitarbeiter bei CBS, einer derartige „Zwangsjacke“ dar, dass er sich vehement bei den deutschen Stellen, der US-Botschaft in Berlin und seinen Chefs in den USA beschwerte. Als Reaktion darauf erhielten alle US-Radiokorrespondenten vom NS-Regime Berichterstattungsverbot.252

246 247 248 249 250 251 252

Vgl. Ebd., S. 235-236. Vgl. Shirer (1941), S. 237. Vgl. Ebd., S. 511. Vgl. Ebd., S. 501. Vgl. Flannery (1942), S. 243. Vgl. Ebd., S. 251-255. Vgl. Smith (1982), S. 70.

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5.2.3 Neue Formen von Repression und Sanktionen Wie bereits beschrieben entwickelte das NS-Regime unmittelbar nach der „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933 einen umfangreichen Repressionsund Sanktionsapparat für ausländische Korrespondenten, der diese zur gewünschten Berichterstattung disziplinieren sollte.253 Diesen Apparat wandten die NS-Propagandisten nach Kriegsbeginn mit verschärfter Härte gegen ausländische Berichterstatter an.254 Im Vergleich zur Vorkriegszeit unterschieden sich die Bestrafungsmaßnahmen in drei Punkten. Erstens führten im Krieg andere Gründe zu Bestrafungen, zweitens erdachten die Nationalsozialisten neue Arten von Sanktionen und drittens wurden Repressionsmaßnahmen auf Korrespondentengruppen ausgeweitet, die bisher von diesen weitgehend verschont geblieben waren. Während in der Vorkriegszeit oft Korrespondentenberichte über die innenpolitische Situation Deutschlands zu Sanktionen geführt hatten, verlagerte sich der Schwerpunkt der für die Auslandsjournalisten gefährlichen Themengebiete nach 1939 auf die Außenpolitik und den Krieg. Bei Berichterstattung, die der deutschen Kriegführung schädlich sein konnte, zeigten sich deutsche Stellen sehr empfindlich. So wurden Ralph Barnes von der „New York Herald Tribune“ 255 und Reto Caratsch von der „Neuen Züricher Zeitung“256 aus Deutschland ausgewiesen, weil sie im Vorfeld des Russlandfeldzugs die guten Beziehungen zwischen dem Dritten Reich und der Sowjetunion in Frage gestellt hatten. Ebenfalls schwerwiegende Konsequenzen hatten die Auslandsjournalisten zu befürchten, wenn sie die Freundschaft Deutschlands mit Italien257 und Japan258 anzweifelten. Innenpolitische Meldungen blieben für die Journalisten jedoch auch noch gefährlich, insbesondere wenn sie die Kriegskonsequenzen – etwa die Verknappung von Lebensmitteln – überzogen darstellten.259 Die Umstände des Krieges und der Ausbau der amtlichen Information der Korrespondenten ermöglichten den Nationalsozialisten zudem die Einführung neuer Strafen, die deren Informationsbeschaffung betrafen. Eine voll253 Vgl. hierzu Kapitel 5.1.3 der vorliegenden Arbeit. 254 Vgl. Fredborg (1944), S. 29-30. 255 Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 400. Protokoll der Ministerkonferenz vom

21.6.1940; vgl. Shirer (1941), S. 450.

256 Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 578. Protokoll der Ministerkonferenz vom

3.12.1940. 257 Vgl. Harsch (1941), S. 273. 258 Vgl. Lochner (1943), S. 230-231. 259 Vgl. Ders. (1955), S. 118.

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ständige Berichterstattung über die Kriegsgeschehnisse war beispielsweise nur möglich, wenn die Journalisten an den von deutschen Stellen organisierten Frontreisen teilnahmen. Es stellte folglich für die ausländischen Berichterstatter eine schwerwiegende Hemmnis ihrer Arbeit dar, wenn sie von diesen Fahrten ausgeschlossen wurden.260 Da die täglichen Auslandspressekonferenzen des Auswärtigen Amtes und des Propagandaministeriums trotz ihres hohen Propagandagehaltes für die Arbeit der Korrespondenten eine gewisse Wichtigkeit hatten, bedeutete auch der Ausschluss von diesen Konferenzen einen Nachteil für die Journalisten.261 Weniger annehmlich konnten Propagandaministerium und Auswärtiges Amt das Leben den ausländischen Journalisten machen, wenn sie ihnen ihre privilegierenden Sach- und Lebensmittelgüterzuteilungen entzogen oder ihnen Hausverbot für die Auslandspresseklubs der Ministerien erteilten.262 Eine neue Qualität der Repression gegen Auslandskorrespondenten stellte deren Festsetzung dar, wenn ihr Heimatland von deutschen Truppen angegriffen wurde oder mit Deutschland in den Krieg trat. Hatten offenbar fast alle englischen,263 französischen264 und polnischen265 Journalisten schon vor dem 1. September 1939 das Reichsgebiet verlassen, so wurden die dänischen und norwegischen, sowie die belgischen und niederländischen Journalisten 1940 von den deutschen Angriffen auf ihre Heimatnationen mehr oder weniger überrascht. So verhaftete die Gestapo unmittelbar vor dem Losschlagen der deutschen Truppen gegen Frankreich und die Beneluxstaaten am 10. Mai 1940 alle niederländischen Korrespondenten und setzte sie im Hotel Kaiserhof in Berlin fest.266 Unter den Festgenommenen war auch der Präsident des Vereins der Ausländischen Presse, Johann van Maasdijk, „who did not quite believe it would come when it did“.267 Die sowjetischen „TASS“Korrespondenten lud das Auswärtige Amt am Vorabend der Attacke auf die Sowjetunion im Juni 1941 zur Tarnung des bevorstehenden Angriffs auf einen Empfang des Ministeriums ein, „as if nothing out of the ordinary was to 260 Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 363 und S. 462. Protokolle der Ministerkonferen-

zen vom 24.5.1940 und 16.8.1940. Vgl. Fredborg (1944), S. 28. Vgl. Ebd. Vgl. Shirer (1941), S. 183. Vgl. Jouve (1941), S. 104; vgl. Lefebure (1992), S. 273. Vgl. BArch, NS 43/319 Ergänzungsbericht zur Polnischen Presse Nr. 155/39 vom 31.9.1939. 266 Von dieser Maßnahme ausgenommen waren einige NS-freundliche Korrespondenten. Vgl. BArch R 901/60528 Aufzeichnung Referat PZ Reinhardt, 29.5.1940. 267 Shirer (1941), S. 336-337. 261 262 263 264 265

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happen“.268 Um Punkt 12 Uhr Mitternacht wurden die russischen Journalisten in einen Nebenraum gebeten und der Gestapo übergeben.269 Festgenommen wurde im Vorfeld der deutschen Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten auch das Dutzend der im Dezember 1941 noch in Berlin arbeitenden US-Korrespondenten.270 In den letzten Jahren des Krieges hielt das NSRegime zudem die Journalisten der Nationen in Deutschland fest, die dem Dritten Reich nach und nach die Partnerschaft versagten. Dies geschah nicht zwangsläufig per Festnahme, sondern etwa im Fall der italienischen Korrespondenten durch die Verweigerung von Ausreisevisa. Die Journalisten waren so zwar oberflächlich gesehen frei, blieben letztendlich aber Geiseln der deutschen Regierung.271 Nach ihrer Festsetzung, die sie oft mit den Diplomaten ihres Landes teilten, wurden die Korrespondenten unterschiedlich behandelt. Während die russischen Journalisten und Diplomaten im Austausch mit deutschen Berichterstattern und Diplomaten aus der Sowjetunion schon wenige Tage nach Beginn der Kriegshandlungen in ihre Heimat entlassen wurden, blieben die US-Korrespondenten und ihre Landsleute zunächst fünf Monate in einem Hotel in Bad Nauheim interniert, bis sie gegen die in den USA festgesetzten deutschen Journalisten und Diplomaten ausgetauscht wurden.272 Einem Teil der Korrespondenten aus besetzten Ländern offerierte das Regime aus Gründen der bessern Außenwirkung, ihre journalistische Tätigkeit in Deutschland fortzusetzen. Dieses Angebot erhielten auch Journalisten, die dem Nationalsozialismus distanziert gegenüberstanden, jedoch keine Korrespondenten, die sich öffentlich als Gegner des NS-Staates positioniert hatten – diese verschwanden aus Deutschland.273 Italienischen Journalisten und Diplomaten in Berlin blieb 1943 die Wahl zwischen der Internierung oder der Anhängerschaft für Mussolinis „Repubblica di Salò“.274 Aus diesen Gründen arbeiteten bis zum Kriegsende neben Berichterstattern neutraler und verbündeter LänHuss (1943), S. 206. Vgl. Ebd. Vgl. Lochner (1955), S. 333. Vgl. Ridomi (1972), S. 125; vgl. Simoni [Lanza] (1946), S. 376. Für Details zum Leben der Journalisten in der Internierung vgl. Lochner (1955), S. 333-336. Zudem liegt über das Leben der US-Amerikaner in Bad Nauheim die Untersuchung von Charles B. Burdick vor. Vgl. Burdick (1987). 273 Selbstverständlich rekrutierte das NS-Regime aus den besetzten Ländern auch neue Deutschland-Korrespondenten, bei denen es sich der passenden politischen Einstellung sicher sein konnte. Vgl. Smith (1982), S. 202. 274 Nach einigen Monaten wurden die internierten Diplomaten und Journalisten dann mit in Rom festgehaltenen deutschen Diplomaten ausgetauscht. Vgl. Ridomi (1972), S. 133. 268 269 270 271 272

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der auch dänische, norwegische, niederländische, italienische, belgische und französische Journalisten sowie Korrespondenten aus den Balkanländern und den „besetzten Ostgebieten“ in Deutschland.275 Da deren Heimatzeitungen jedoch nationalsozialistisch „gleichgeschaltet“ waren und ihre Regierungen sie nicht mehr schützen konnten oder wollten, blieb diesen Korrespondenten in ihrer Berichterstattung so gut wie kein Spielraum.276 Neben neuen Gründen für Bestrafungen und neuen Formen von Repression war die dritte Veränderung im Sanktionsapparat des NS-Regimes das Vorgehen gegen Korrespondenten aus Staaten, die zuvor nicht im Mittelpunkt von Repressionsmaßnahmen gestanden hatten. Während in der Vorkriegszeit primär Journalisten aus kleineren Ländern, sowie Pressevertreter jüdischer, sowjetischer und linksgerichteter Medien im Fokus der Attacken von Partei und Regierung standen,277 verlagerte sich dieser Schwerpunkt insbesondere ab Ende des Jahrs 1940 auf die US-amerikanischen Journalisten. Mit der zunehmenden Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Dritten Reich nahm die deutsche Regierung die USKorrespondenten gezielt aufs Korn, nachdem sie diese zuvor in der Hoffnung auf eine Neutralität der USA besonders zuvorkommend behandelt hatte.278 Insbesondere nach dem Inkrafttreten des Lend-Lease Acts im März 1941, der es der offiziell noch neutralen US-Regierung ermöglichte, Großbritannien und andere Staaten leihweise mit kriegswichtigem Material und Waffen zu beliefern, wurden US-Korrespondenten in Deutschland „auf Schritt und Tritt angepöbelt und ihre Arbeitsmöglichkeiten mehr und mehr eingeschränkt.“279 Zwar unterhielten die USA und Deutschland noch diplomatische Beziehungen, „aber in Wirklichkeit existierten diese Beziehungen nicht mehr“,280 beschreibt Howard K. Smith seine Lage im Sommer 1941 in Berlin. US-Korrespondenten wurden in der Öffentlichkeit beschimpft, wenn sie Englisch sprachen. Dazu häuften sich die Ausweisungen von Journalisten aus den Vereinigten Staaten. Das Hotel Adlon, in dem viele Korrespondenten wohnten, ging deshalb dazu über, von US-Korrespondenten ab März 1941 statt monatlichen tägliche Mietzahlungen zu fordern, um nach dem plötzlichen Verschwinden eines Journalisten nicht auf dessen Rechnung sitzen zu 275 Vgl. BArch, R 55/1391 Anwesenheitsliste (Strichliste) der Korrespondenten auf

276 277 278 279 280

den Auslandspressekonferenzen des RMVP, gegliedert nach Ländern und Namen, Laufzeit Mai bis Dezember 1944. Vgl. Findahl (1946), S. 9. Vgl. hierzu oben, S. 87-91 und S. 97. Vgl. Smith (1982), S. 187. Ebd., S. 199. Ebd.

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bleiben.281 In den täglichen Pressekonferenzen hatten sich die US-Korrespondenten scharfe und teilweise beleidigende Angriffe auf ihre Regierung und Präsident Roosevelt anzuhören.282 Dazu wurde den Journalisten klar gemacht, dass sie ihre Berichtweise überdenken sollten, der Missbrauch ihrer Berichterstatterkompetenzen würde „als militärische und politische Spionage angesehen und wir wüssten ja, was auf Spionage stehe“, so Smith in seinen Erinnerungen.283 Doch bei solcherlei Drohungen ließ es das NS-Regime nicht bewenden. Nachdem die US-Regierung „wiederholt unbegründete Vorwürfe“ gegen deutsche Korrespondenten der „Transocean“-Agentur in New York erhoben hatte, ordnete Goebbels in der Ministerkonferenz des „Promi“ am 14. März 1941 mit Zustimmung Hitlers die Festnahme Richard C. Hottelets an, der als Mitarbeiter der Nachrichtenagentur „United Press“ in Berlin arbeitete. Gleichzeitig befahl Goebbels eine Durchsuchung des Berliner UP-Büros durch die Gestapo. Diesen Schlag gegen „United Press“ hatte der Leiter der Auslandspresseabteilung, Karl Bömer, schon seit längerem vorbereitet.284 In ihren Erinnerungen mutmaßen die Korrespondenten, dass Goebbels mit diesem Schritt ein Exempel statuieren und den US-Korrespondenten eine Lektion erteilen wollte, die ihnen für ihre weitere Tätigkeit eine Warnung sein sollte.285 Zudem wollten die deutschen Stellen den US-Journalisten auch ihre bisher stets negative Berichterstattung „heimzahlen“, wie der – wieder einmal betrunkene – Bömer einem Korrespondenten verriet.286 Während Howard K. Smith gerade Nachtdienst im Berliner UP-Büro versah, traf dort am 15. März 1941 um fünf Uhr früh die Gestapo mit 20 Mitarbeitern ein und durchsuchte mehrere Stunden das gesamte Büro. Allerdings nahmen die Geheimpolizisten von dort letztendlich nichts mit und legten alle durchsuchten Gegenstände und Dokumente wieder an ihren Platz. Während der Durchsuchung hatten Smith und weitere UP-Mitarbeiter sich auf Stühle an der Wand zu setzen und sich ruhig zu verhalten. Fragen nach dem Grund des Besuchs beantworteten die Gestapoleute nicht, dafür beeindruckten sie Smith mit perfekter Kenntnis Vgl. Flannery (1942), S. 157. Vgl. Ebd., S. 91. Vgl. Smith (1982), S. 187. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 638-639. Protokoll der Ministerkonferenz vom 14.3.1941. Wie Boelcke in seinen Anmerkungen zu dem Protokoll feststellt, ließ die US-Regierung ihrerseits am 7. Mai 1941 zwei deutsche Korrespondenten der „Transocean“-Agentur festnehmen. Vgl. hierzu auch Schumacher (1998), S. 77. 285 Vgl. Flannery (1942), S. 156; vgl. Harsch (1941), S. 280; vgl. Smith (1982), S. 194. 286 Vgl. Ebd., S. 196. 281 282 283 284

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seiner Biographie und stellten ihm Fragen zu seiner Person und seiner Arbeit für UP.287 Um sieben Uhr am Morgen desselben Tages klingelte es auch an der Tür der Wohnung Richard C. Hottelets.288 Ohne Hottelet Fragen nach dem Grund ihres Erscheinens zu beantworten, forderten ihn sieben Gestapomänner zum Mitkommen auf. Während die Geheimpolizei seine Wohnung durchsuchte, wurde der Journalist zum Polizeipräsidium am Alexanderplatz gebracht. „A member of the secret police there informed me I would have to be their “guest” probably over the week-end, until certain papers arrived from another department. I was finger-printed and photographed. Then I was placed in a cell in the police prison in the same building.” In der Zelle, die nur mit einem Stuhl, einer Matratze, einem kleinen Regal und einer Toilette möbliert war, verblieb Hottelet mehrere Tage, ohne dass er über die Gründe seiner Festnahme informiert wurde. In dem Raum, so Hottelet, „I was not allowed to sit or lie on the cot from 6:30 in the morning until 4:30 in the evening”. Außerdem fror der Korrespondent, da das Gefängnis nicht ausreichend beheizt wurde. Nach einigen Tagen begannen die Verhöre, in denen die Gestapo Hottelet eröffnete, er sei wegen des Verdachts auf Spionage verhaftet worden. Zweimal täglich wurde er vernommen, teilweise bis zehn Uhr abends. Die Gestapoleute waren nach Hottelets Bericht zunächst sehr freundlich. Nachdem er aber eine Woche lang jede Spionagetätigkeit abgestritten hatte, änderte sich der Ton. Man drohte, ihm Schmerzen zu bereiten oder im Licht starker Scheinwerfer zu vernehmen und erklärte: “You won’t feel quite so confident when you are sweating under the lights and we throw questions at you.” Nach einigen Wochen wurde dem US-Konsulat in Berlin ein Besuch bei Hottelet gestattet und der Journalist erhielt einen Koffer mit neuer Kleidung. Freunde sandten ihm zwei Bücher zu, das Lesen von Zeitungen wurde ihm jedoch untersagt. Neben seiner so entstandenen Isolierung von der Umwelt machten Hottelet das schlechte Essen und die seltenen Gelegenheiten zum Waschen zu schaffen. Die Verhöre, in denen Hottelet schließlich nie misshandelt wurde, wurden mit der Zeit weniger. Jedoch erklärte man ihm: “You will sit until you confess. You will soften up. You’ll be soft as butter. We’ve got plenty of time.” Nach zweieinhalb Monaten, am 31. Mai 1941, wurde Hottelet in das Gefängnis Moabit verlegt und kam in Einzelhaft. Dort durfte er nach vier Wochen dann Zeitungen empfangen und Bücher aus der Gefängnisbibliothek ausleihen. Außerdem klebte Hottelet Tüten und machte 287 Die Durchsuchung des UP-Büros beschreibt Smith in seinen Erinnerungen aus-

führlich. Vgl. Smith (1982), S. 188-194.

288 Für die nachfolgenden Ausführungen vgl. Hottelet (1941).

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täglich eine halbe Stunde Leibesertüchtigung im Gefängnishof, die größtenteils aus Kreislaufen bestand. Hottelet erhielt einen zweiten Besuch vom USKonsulat, während dem die beiden Amerikaner von Gefängnismitarbeitern beaufsichtigt wurden, Deutsch gesprochen werden musste und Hottelets Fall nicht erwähnt werden durfte. Obwohl Bömer in der Ministerkonferenz am 20. März 1941 berichtete, dass das gegen Hottelet vorliegende Material sich „als schwerwiegender herausgestellt habe als ursprünglich angenommen“ und mit einer Verurteilung zu mehreren Jahren Zuchthaus, wenn nicht sogar zur Todesstrafe zu rechnen sei, wurde der Journalist zu seiner Überraschung am 8. Juli 1941 ohne weitere Begründungen freigelassen und reiste am 17. Juli aus Deutschland aus.289 Offenbar war der Austausch Hottelets mit in den USA verhafteten Deutschen arrangiert worden. Was genau gegen Hottelet vorlag, lässt sich nicht aus den für diese Arbeit herangezogenen Quellen rekonstruieren. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es sich bei seiner Verhaftung um eine reine Willkürmaßnahme handelte. Denn hätte sich Hottelet wirklich der Spionage schuldig gemacht, so wäre sein Fall sicherlich von der NS-Propaganda in der Öffentlichkeit ausgewälzt worden.290 Hottelets Kollegen nahmen an, dass der Journalist deshalb von den Nationalsozialisten für die Verhaftung ausgewählt wurde, weil er sich in der Vergangenheit offen sehr negativ über das Regime geäußert hatte.291 Ein mit dem Fall Hottelet vergleichbares Vorgehen gegen andere Auslandskorrespondenten im Zeitraum 1939 bis 1945 ist in den für die vorliegende Arbeit untersuchten Erinnerungen der Journalisten und Akten nicht dokumentiert. Nach der Internierung der US-Amerikaner im Dezember 1941 befanden sich im Prinzip nur noch Schweizer und schwedische Journalisten als kritische Korrespondenten unabhängiger, neutraler Länder im Dritten Reich. Diese hielten sich in ihrer Berichterstattung aus Furcht vor Konsequenzen – für sie persönlich als auch für ihr Heimatland – zurück. Eine scharfe Vorgehensweise wie gegen die „frechen“ US-Korrespondenten war daher nach 1941 wohl nicht mehr nötig. 5.2.4 Intensivierte Betreuung und Propaganda Die intensivierte Betreuung und propagandistische Bearbeitung der im Dritten Reich nach dem 1. September 1939 tätigen ausländischen Korresponden289 Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 643. Protokoll der Ministerkonferenz vom

20.3.1941.

290 Vgl. Smith (1982), S. 194-195. 291 Vgl. Flannery (1942), S. 155; vgl. Smith (1982), S. 194.

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ten ist die augenfälligste Weiterentwicklung der nationalsozialistischen Pressepolitik bezüglich der Auslandsjournalisten im Vergleich zur Vorkriegszeit. Nach 1933 erfolgte die Information der Korrespondenten wie bereits ausgeführt unkoordiniert, aus vielen Quellen und hatte bei den deutschen Stellen keine Höchstpriorität.292 Diese Situation änderte sich mit dem Ausbruch des Krieges, der für die Medienfachleute des NS-Regimes kein rein militärischer Konflikt, sondern gleichermaßen ein Propagandakampf war.293 Weitaus wichtiger als in Friedenszeiten wurde es im Krieg, dem Ausland offensiv, effektiv und glaubwürdig die nationalsozialistische Weltsicht zu kommunizieren. Die weltweit in ihrem Volumen stark anwachsende Nachfrage nach Informationen und Berichterstattung über die Geschehnisse in Europa bestärken die Nationalsozialisten in diesem Glauben.294 Als ideale Träger geschickter propagandistischer Kommunikation an das Ausland identifizierte das NS-Regime die ausländischen Journalisten in Deutschland. Mit den nötigen Informationen ausgestattet und zur richtigen Ausarbeitung dieser angeleitet wurden die Korrespondenten eine wichtige Propagandawaffe des Dritten Reichs zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung des Auslandes – so die Denkweise der NS-Propagandisten insbesondere in den ersten Kriegsjahren.295 Die für Auslandspresseangelegenheiten zuständigen Fachleute des NS-Staates taten daher nach Kriegsbeginn alles, um die Korrespondenten erstens mit den „richtigen“ Informationen auszustatten und zweitens die Journalisten so weit an sich zu binden, dass ein direkter oder indirekter Einfluss auf deren Arbeit genommen werden konnte. Zu diesem Zweck, so Howard K. Smith ironisch, wurde etwa das Propagandaministerium nach Kriegsbeginn „ein einziger großer Brillenladen, der sich auf das Zurechtschleifen rosaroter Brillengläser spezialisiert hatte“296 und versuchte, diese offensiv unter den ausländischen Journalisten an den Mann zu bringen. Übereinstimmend berichten die Auslandskorrespondenten in ihren Erinnerungen, dass insbesondere in den Jahren 1939 bis 1941 seitens deutscher Stellen Bemerkenswertes geleistet wurde, um die ausländischen Journalisten mit Informationen zu versorgen und ihnen die Arbeit zu erleichtern.297 Be292 293 294 295 296 297

Vgl. hierzu Kapitel 5.1.4 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 71. Vgl. Schumacher (1998), S. 66-67. Vgl. Stephan (1949), S. 194-195. Smith (1982), S. 45. Diese Informationen hatten freilich immer einen propagandistischen Einschlag oder wurden für die Korrespondenten speziell ausgewählt. So gab Goebbels etwa im September 1940 Anweisung, dass die Meldung über einen Bombentreffer in einem jüdischen Altersheim in Berlin nach einem englischen Luftangriff nicht an die deutsche Presse, jedoch an die Auslandskorrespondenten weiterge-

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sonders die US-Berichterstatter wurden „hofiert“.298 „Um Nazi-Zahlen und Fakten über einen bestimmten Bereich des deutschen Lebens zu bekommen – etwa einen Bericht über Nahrungsvorräte, Lebensläufe von Generalen, Preisstatistiken usw. – mußte man sich nicht erst durch Akten wühlen und wochenlang auf Gesprächstermine warten. Man musste lediglich im Ministerium erwähnen, daß man einen Bericht zu schreiben gedächte, und schon erhielt man binnen 24 Stunden eine ausgearbeitete Liste von Informationsquellen, Kopien von einschlägigen Zeitschriften und Interviewtermine mit entsprechenden Persönlichkeiten.“299 William Shirer und Harry Flannery von CBS geben an, dass ihnen für Radiointerviews bei Anfragen stets umgehend U-Boot-Kommandanten und Bomberpiloten zur Verfügung gestellt wurden, die sehr gutes Englisch sprachen.300 Ebenfalls großzügig vermittelt wurden Interviews mit deutschen Schauspielerinnen und Theaterdarstellern.301 Die Korrespondenten konnten dabei davon ausgehen, dass eine freundliche Haltung zum NS-Regime den Informationsfluss an sie noch beschleunigte, eine unfreundliche eher verlangsamte. Journalisten mit guten Beziehungen zu deutschen Stellen erhielten wichtige Informationen oft vor ihren Konkurrenten, was ihnen zu Exklusivberichten verhalf.302 Auch steigerten Auswärtiges Amt und Propagandaministerium Menge und Qualität der an die Korrespondenten gerichteten Publikationen und amtlichen Nachrichtenquellen. Da sich die in der Vorkriegszeit angebotenen Verlautbarungen etwa des „DNB-Ausland“-Dienstes und des offiziellen Nachrichtenorgans des Auswärtigen Amtes, der „Deutschen DiplomatischPolitischen Korrespondenz“, keiner großen Beliebtheit erfreut hatten, wurden die Korrespondenten seit Kriegsbeginn auch mit dem „Dienst aus Deutschland“ (DaD) beliefert. Dieser Dienst, für den eine Reihe sehr guter, jedoch nicht zwangsläufig der NSDAP angehörender Journalisten arbeitete, unterstand der Kontrolle des Auswärtigen Amtes, erschien zu dessen Tarnung allerdings unter dem Dach eines offiziell unabhängigen Verlags. Inhaltlich war der DaD auf den ersten Blick objektiv und frei von Propaganda, jedoch freilich versteckt klar tendenziös.303 Für die Korrespondenten war der

298 299 300 301 302 303

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geben werden sollte. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 499. Protokoll der Ministerkonferenz vom 11.9.1940. So Goebbels im Mai 1942 rückblickend auf die Behandlung Louis Lochners bis 1941. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 4, S. 315 (19.5.1942). Smith (1982), S. 45. Vgl. Flannery (1942), S. 76 und S. 98; vgl. Shirer (1941), S. 225-227. Vgl. Kalberer (1945), S. 25. Vgl. Harsch (1941), S. 285. Für ausführliche Informationen zu Entstehung und Arbeitsweise des DaD vgl. Schwarzenbeck (1979), S. 83-89.

Dienst eine nicht unwichtige, jedoch riskante Informationsquelle, denn „German propaganda used the D.a.D. frequently and not without some success for spreading rumours and statements which the Nazis did not want to sponsor officially”.304 Von daher enthielt der Dienst für die Journalisten viele wertvolle Hinweise, über deren Wahrheitsgehalt sie sich allerdings nie sicher sein konnten. Ebenfalls an die Korrespondenten verteilt wurde die von der Presseabteilung des AA abgefasste Zeitschrift „Berlin-Rom-Tokio“, die in drei Sprachen, hochwertiger Aufmachung und oft mit Beiträgen prominenter Führungspersönlichkeiten der Achsenmächte den deutsch-italienisch-japanischen Pakt glorifizierte. Schon seit 1938 erhielten die ausländischen Journalisten im Dritten Reich schließlich den Wochendienst „Die deutsche Stimme“, der durchschnittlich 40 Seiten umfasste, sich inhaltlich jedoch eher an volksdeutsche Zeitungen und Gruppen im Ausland richtete.305 Um mit solcherlei Informationsmaterial versorgt zu werden bedurfte es keinerlei Aktivität der Korrespondenten. Deutsche Stellen informierten per Telefonanruf ausländische Journalisten über Neuerscheinungen und lieferten Zeitschriften per Sonderboten in die Redaktionsbüros.306 Eine ganz besondere Art der Informationsbereitstellung betrieb ab Dezember 1939 eine der Auslandspressestelle des Propagandaministeriums untergeordnete „Sonderredaktion“, die bald nach ihrem Leiter „Büro Schwarz van Berk“ bezeichnet wurde.307 Bei Hans Schwarz van Berk, 1935 bis 1937 Chefredakteur des „Angriffs“, handelte es sich im Urteil Margret Boveris um „den einzigen wirklich begabten Journalisten, den die Nationalsozialisten besaßen“.308 Diese Begabung seines Leiters kam dem Büro sehr zu Gute, denn es belieferte träge und gedankenarme Korrespondenten gratis mit fertigen Artikeln – „nicht allzu betont im nationalsozialistischen Stil gehalten, in fremden Ländern also immer noch verwertbar und doch von propagandistischem Effekt für Deutschland.“309 In seiner Arbeit, für die Schwarz van Berk viel ins Ausland reiste, griff dieser gezielt attraktive Themen auf, welche die Auslandskorrespondenten aufgrund ihrer eingeengten Arbeitssituation in Deutschland kaum in eigener Person hätten recherchieren können.310 Auf diese Weise hatte das Propagandaministerium, wie Goebbels am 7. Januar 1942 begeistert in sein Tagebuch notierte, schon in den ersten Kriegsjahren 304 305 306 307 308 309 310

Fredborg (1944), S. 22. Vgl. Schwarzenberg (1979), S. 179. Vgl. Huss (1943), S. 155-156. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 110-111. Boveri (1965), S. 9-10. Stephan (1949), S. 197. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 110-111.

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eine größere Menge NS-freundlicher Artikel „in die ausländische, zum Teil in die deutschfeindliche, ja sogar in die englische Presse lanciert, ohne daß man sich dort darüber klar war, woher das Material kam“.311 Goebbels war mit der Arbeit Schwarz van Berks hochzufrieden und unterstütze sie tatkräftig.312 In welchem Ausmaß seine Berichte tatsächlich Eingang in ausländische Zeitungen fanden, ließ sich jedoch aus dem für diese Arbeit untersuchten Material nicht nachvollziehen. Mit Sicherheit ein effektives Mittel propagandistischer Information der Auslandskorrespondenten waren dagegen Reisen und Frontbesuche, die Propagandaministerium und Auswärtiges Amt für die Journalisten in verschiedenen Kriegsgebieten organisierten. Da es für die ausländischen Journalisten unmöglich war, auf eigene Faust in die Nähe einer Front zu gelangen,313 waren sie für eine halbwegs akkurate Berichterstattung über den Krieg auf die vorgeplanten Ausflüge angewiesen. Treibende Kraft hinter den Reisen war allem Anschein nach das Propagandaministerium in Person des Leiters seiner Auslandspresseabteilung, Karl Bömer, der schon vor dem Krieg propagandistisch erfolgreiche Journalistenreisen organisiert hatte und von dieser Methode überzeugt immer wieder für Ausflüge der Korrespondenten warb.314 Jedoch griff nach Kriegsbeginn die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes Bömers Ideen auf und veranstaltete ebenfalls Journalistenreisen. Immer wieder kam es deswegen zu Konflikten zwischen den beiden Abteilungen, etwa wenn es um die Vorherrschaft beim Organisieren einer Fahrt zu einem attraktiven Ziel ging.315 Erste Frontausflüge und Informationsreisen in besetzte Länder fanden nachweislich während der Kampagne gegen Polen statt. Korrespondenten wurden zum deutschen Einmarsch in Warschau und zur dortigen Siegesparade in die polnische Hauptstadt transportiert. Etwa ein Dutzend Korrespondenten traf Hitler persönlich am Flughafen der zerstörten Stadt.316 Otto Dietrich stellte die Journalisten vor, der Diktator schüttelte jedem die Hand und erklärte, er hoffe, sie hätten sich von den Zerstörungen Warschaus ein Bild gemacht. „Let that be a warning to those statesmen in London and Paris who still think of continuing this war“,317 lautete Hitlers Botschaft, die er über die Korrespondenten in die Welt getragen haben wollte. Zu Beginn des Krieges 311 312 313 314 315 316 317

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Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 3, S. 61-62 (7.1.1942). Vgl. Ebd. Vgl. Bojano (1945), S. 123. Vgl. Stephan (1949), S. 194-195. Vgl. Longerich (1987). S. 285. Vgl. Huss (1943), S. 23. Grigg (1943), S. 125.

waren die Reisen außergewöhnliche Ereignisse, die nur auf Anordnung oder mit Zustimmung von Hitler persönlich stattfanden.318 Während der Feldzüge des Jahres 1940 scheinen die Frontausflüge sich jedoch zu Routineveranstaltungen entwickelt zu haben, die von den Korrespondenten den spöttischen Beinamen „corpse-inspection trips“ bekamen.319 Auch fanden die Reisen zu dieser Zeit in so hoher Frequenz statt, dass sich Goebbels veranlasst sah, seinen Auslandspresse-Abteilungsleiter Bömer, der die Ausflüge für das „Promi“ stets begleitete, wegen seiner ständigen Abwesenheit im Ministerium zu ermahnen.320 Ebenfalls während des Balkanfeldzugs321 und ab Juni 1941 an der Ostfront322 fanden Korrespondentenreisen statt. Nachdem Goebbels auf Hitlers Anweisung schon im August 1941 plante, wie die prominentesten Berliner Auslandskorrespondenten die Wehrmacht bei ihrem Einmarsch in Moskau begleiten würden323 und Mitarbeiter des Propagandaministeriums im Oktober 1941 den Journalisten erste Andeutungen über Ausflüge in die Sowjet-Hauptstadt machten, nahm die Anzahl der Frontreisen ab Winter 1941 stark ab.324 Zu einer Korrespondentenreise nach Moskau kam es nie und in Anbetracht der katastrophalen Entwicklung des Krieges wurden die Ausflüge offenbar nach und nach eingestellt – wann zur Gänze ließ sich aus dem für diese Arbeit herangezogenen Material nicht rekonstruieren. Der Ablauf der Reisen war stets ähnlich. In der Regel nahmen an den Ausflügen neben zwischen zehn und zwanzig Korrespondenten Begleiter des Propagandaministeriums, des Auswärtigen Amtes und des Oberkommandos der Wehrmacht teil.325 Die Route der Reise wurde im Vorhinein genau festgelegt, die deutschen Teilnehmer über deren Zweck informiert und zu ihrem Verhalten gegenüber den Korrespondenten instruiert.326 Von Seiten des „Promi“ nahm oft Bömer selbst an den Exkursionen teil, während das AA 318 Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 31-32. 319 Vgl. Oechsner (1943), S. 282. 320 Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 8, S. 183 (21.6.1940). Es ist in Anbe-

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tracht der großen Anzahl von Ausflügen fraglich, ob Longerichs Aussage, wonach Frontreisen „prinzipiell“ durch Hitler genehmigt werden mussten, zutreffend ist. Vgl. Longerich (1987), S. 285. Vgl. Huss (1943), S. 203; vgl. Lochner (1955), S. 331. Vgl. BArch, NS 43/207 DNB-Bericht aus Kopenhagen zu der Berichterstattung eines schwedischen Journalisten über die Teilnahme an einer organisierten Korrespondenten-Reise nach Smolensk, 13.8.1941. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 95. Vgl. Grigg (1943), S. 150. Trotz ihrer Streitigkeiten luden AA und RMVP jeweils auch Vertreter des Konkurrenz-Ministeriums auf ihre Journalistenreisen ein. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 31.

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nur Referenten seiner Presseabteilung absandte.327 Das OKW kommandierte Offiziere der Abteilung Wehrmachtpropaganda zur Teilnahme ab, die, in Fragen der militärischen Zensur erfahren, den Journalisten während der Reise erklärten, welche Dinge aufgrund militärischer Sicherheitsbestimmungen in ihren Berichten unerwähnt bleiben mussten. Vor Ort an der Front oder in besetzten Gebieten wurden die Reisegruppen von Wehrmachtseinheiten aufgenommen, die im Vorhinein alles für den Besuch hergerichtet hatten. Sachkundige Offiziere erklärten die Kampfentwicklungen.328 Während des Frankreichfeldzugs wurde eine Korrespondentengruppe sogar von Walter von Reichenau in dessen Hauptquartier empfangen und bezüglich der im Gange befindlichen Kämpfe informiert.329 Das Verlassen der geführten Gruppe war den Korrespondenten verboten.330 Je nach Reiseziel wurden die Ausflüge mit dem Flugzeug oder in Autokolonnen vorgenommen und dauerten von wenigen Tagen bis zu drei Wochen, wobei teilweise über 5000 Kilometer zurückgelegt wurden.331 So fuhr ein Autokonvoi inklusive Versorgungs-LWK im Frühjahr 1940 mit einer Gruppe von Korrespondenten von Berlin bis nach Athen zur dortigen Siegesparade der Wehrmacht.332 Inhaltlich waren die Frontreisen nicht mit der Berichterstattung der Propagandakompanien der Wehrmacht vergleichbar. Während deutsche Kriegsberichterstatter oft Soldaten gleich in vorderster Frontlinie arbeiteten und die Truppen Tag für Tag begleiteten, blieben die amtlichen Begleiter mit den Korrespondenten stets in sicherem Abstand zur Front.333 Zudem gab es während der deutschen Feldzüge Korrespondentenexkursionen meist erst, wenn 327 Dies lässt sich aus den Erinnerungen der Korrespondenten schließen, die Bö-

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mer als häufigen Teilnehmer der Ausflüge ausweisen, seinen Konkurrenten Paul Karl Schmidt vom AA jedoch nicht erwähnen. Vgl. Huss (1943), S. 203; vgl. Shirer (1941), S. 213. Auch erhaltene Teilnehmerlisten der Reisen verzeichnen Bömer, während Schmidt dort fehlt. Vgl. BArch, R 901/60524 Aufstellung Teilnehmer der Besichtigungsreise an die Front begonnen am 12.6.1940. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 40. Beschreibungen des Treffens mit Reichenau finden sich bei Shirer (1941), S. 370-372 und Lochner (1967b), S. 342-344. Vgl. Bojano (1945), S. 133. Vgl. Kalberer (1945), S. 14. Vgl. Huss (1943), S. 203; vgl. Lochner (1955), S. 331-332. Im AA entstanden jedoch im Verlauf des Krieges Pläne, eine „Auslandskriegsberichterstaffel“ zu schaffen, in der „zuverlässige“ Korrespondenten permanent von Kriegsschauplätzen berichten sollten. Hinter dieser Idee stand wohl nicht zuletzt der Gedanke, mit diesen Auslandskriegsberichterstattern den stark von RMVP und Wehrmacht gelenkten deutschen Kriegsberichterstattern und Propagandakompanien Konkurrenz zu machen. Jedoch wurden diese Pläne nie in die Realität umgesetzt. Vgl. Longerich (1987), S. 285-286.

sich deutsche Siege schon abzeichneten. Dies bedeutete für die Journalisten, dass sie oft nur „zu Zeugen der letzten Etappe eines siegreichen Unternehmens gebeten wurden“.334 Lediglich in Ausnahmefällen kam es auf den Reisen zu gefährlichen Situationen.335 Bei Besichtigungsfahrten an die Westfront während des Sitzkrieges im Frühjahr 1940 ging es sogar mit allabendlichen Trinkgelagen eher unterhaltsam zu.336 Teilweise begleitete die Journalisten ein Kamerateam, das während der Reisen drehte. Diese Aufnahmen wurden danach den in Berlin zurückgebliebenen Korrespondenten während der Pressekonferenzen vorgespielt, um ihnen einen Eindruck der Inhalte der Reise zu vermitteln.337 Nach Inhalt und Reiseziel erfolgten die Frontausflüge freilich nicht zufällig, sondern nach klaren Propagandazwecken. Die Reisen sollten den Journalisten und durch deren Berichte dem Ausland einen Eindruck von der militärischen Überlegenheit des Dritten Reichs vermitteln. So notierte Goebbels am 19. August 1940 in sein Tagebuch: „Mit Bömer eine längere Reise einiger Auslandsjournalisten und -Rundfunksprecher an die Kanalküste festgelegt. Damit hoffe ich viel, vor allem in Amerika, zu erreichen“.338 Auf Ausflüge mit großer propagandistischer Bedeutung wurden daher nur die führenden Berliner Korrespondenten mitgenommen. Bei belangloseren Reisen offerierte man dagegen auch weniger prominenten Journalisten die Mitfahrt339 oder überließ es sogar den Korrespondenten selbst, die verfügbaren Plätze unter sich aufzuteilen.340 Welchen Aufwand deutsche Stellen betrieben, um Korrespondenten auf den Fahrten konsequent zu täuschen, zeigt eine ausführliche Beschreibung einer Reise zum „Westwall“, die Martin Sommerfeldt Ende September 1939 mit einer Gruppe von Korrespondenten unternahm und die 334 Lochner (1955), S. 330. 335 Vgl. Kalberer (1945), S. 14. So berichtet der US-Korrespondent Ernest R. Pope,

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bei einer seiner Frontbesuche habe ein Splitter die Scheibe des Wagens, in dem er fuhr, durchschlagen. Vgl. BArch, R 901/60528 Artikel von Ernest R. Pope mit dem Titel: „Blitzkrieg Reporting. Foreign Newspapermen in Berlin must move adroitly or be expelled for „abusing privileges“” aus Current History and Forum, 25.9.1940. Vgl. Smith (1982), S. 252. Vgl. BArch, R 901/60528 Artikel von Ernest R. Pope mit dem Titel: „Blitzkrieg Reporting. Foreign Newspapermen in Berlin must move adroitly or be expelled for „abusing privileges“” aus Current History and Forum, 25.9.1940. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 8, S. 279 (19.8.1940). Vgl. Kalberer (1945), S. 14. Vgl. BArch, R 901/60528 Artikel von Ernest R. Pope mit dem Titel: „Blitzkrieg Reporting. Foreign Newspapermen in Berlin must move adroitly or be expelled for „abusing privileges“” aus Current History and Forum, 25.9.1940.

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er detailliert in seinen Erinnerungen schildert. Zweck der Reise, an der Sommerfeldt als Vertreter der Abteilung Wehrmachtpropaganda des OKW teilnahm, war es, die Welt von der Unüberwindlichkeit des Westwalls zu überzeugen.341 Die zehn teilnehmenden Journalisten vertraten alle die wichtigsten Zeitungen und Nachrichtenagenturen ihrer Länder. Da aber der Westwall im Herbst 1939 erst im Entstehen begriffen war, sah sich die Wehrmacht gezwungen, den ausländischen Journalisten ein „Schauspiel“ zu bieten. So kamen der Autokolonne der Korrespondenten auf der Reise immer wieder „zufällig“ größere Truppeneinheiten entgegengefahren. Zudem führten die Soldaten die Journalisten immer nur zu solchen Aussichtspunkten, von denen der provisorische Charakter bestimmter Befestigungsanlagen nicht erkennbar war. Abschnitte des Walls, die noch vollkommen unvollständig waren, wurden bei der Besichtigung einfach ausgespart.342 Aufgrund dieser gezielten Manipulierbarkeit wertschätze die deutsche Propagandaführung die Journalistenreisen als Mittel zur Lenkung der Kriegsberichterstattung der Korrespondenten. In den Jahren 1939 bis 1941 erbrachten die amtlichen Exkursionen die für die Auslandspropaganda gewünschte Berichterstattung über spektakuläre Erfolge der Wehrmacht. So stellte Goebbels nach einer Frankreich-Frontreise von Auslandskorrespondenten im Juni 1940 fest: „Alle neutralen Journalisten schreiben ganz gut für uns“.343 Falschmeldungen der gegnerischen Propaganda ließen sich mit gezielten Exkursionen durch die Auslandsjournalisten glaubwürdig widerlegen. Harry W. Flannery berichtet in seinen Erinnerungen nicht ohne Stolz, er sei der erste Journalist gewesen, der im Juni 1941 Max Schmeling in einem Lazarett in Athen interviewte, nachdem dieser in englischen Meldungen für gefallen erklärt worden war.344 Aus Protokollen der Ministerkonferenzen des Propagandaministeriums geht jedoch hervor, dass Flannerys Reise nach Griechenland – bei der er ständig von mehreren Zensoren begleitet wurde – gezielt vom Propagandaministerium geplant worden war, um mit dem Schmeling-Interview die Gerüchte um dessen Tod bei der Invasion auf Kreta als falsch zu entlarven.345 341 Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 31. Diesen Propagandazweck durchschauten auch

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die Journalisten. So berichtet Oechsner in seinen Erinnerungen über den Ausflug, die Nationalsozilisten hofften wohl, die Berichte der journalistischen Reiseteilnehmer „might convince the French – and perhaps the British – of the uselessness of going up against that wall“. Oechsner (1943), S. 14. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 32-34. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 8, S. 161 (7.6.1940). Vgl. Flannery (1942), S. 222. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 756-757. Protokolle der Ministerkonferenzen vom 29. und 30.5.1941. Jedoch gelangte Flannerys Interview mit Schmeling, in dem dieser die Briten für ihre Kampfeshaltung lobte, unzensiert an die Öffent-

Auch unrichtige polnische Meldungen über die Zerstörung Czenstochaus und des dortigen Wunderbildes der „Schwarzen Mutter Gottes“ ließ das Regime per Korrespondentenausflug dementieren.346 In Anbetracht der offensichtlichen Propagandawirkung für das Dritte Reich fällt die Beurteilung der amtlich organisierten Reisen durch die Auslandskorrespondenten unterschiedlich und zwiespältig aus. Einige waren über die Ausflüge begeistert, weil sie ihnen die Teilhabe an historischen Ereignissen ermöglichten. So schrieb der mexikanische Korrespondent José Pages Llergo im April 1940 über seine Erlebnisse im von der Wehrmacht eroberten Polen: „Cuando yo sea viejo, si algún día llegara a serlo; cuando mis nietos, si Dios me los concede, se monten sobre mis rodillas endebles y me pregunten, meloses, qué hice de notable cuando joven, yo les contestaré, orgulloso, que fuí el primer periodista extranjero que llegó a Varsovia con las tropas alemanas la madrugada del 3 de octubre de 1939.“347 Dagegen äußerten sich viele andere Korrespondenten negativ über die propagandistisch inszenierten Reisen abseits des eigentlichen militärischen Geschehens, die sie als langweilig und ohne Nachrichtenwert empfanden und bei denen man sich vorher zweimal überlegte, ob man überhaupt teilnahm.348 Der tatsächliche Wert der Frontfahrten dürfte zwischen diesen beiden Einschätzungen gelegen haben. Einerseits brachten die Reisen oft in der Tat keine wesentlichen Informationen und spielten der deutschen Propaganda in die Hände, doch bekamen die Journalisten auf den Ausflügen auch immer wieder durch Pannen Sachen zu hören und zu sehen, die sie eigentlich nicht hätten erfahren dürfen.349 Auch blieben die amtlichen Gruppenexkursionen letztendlich die einzige Möglichkeit, um für Berichte wenigstens in die Nähe der Front zu gelangen. Viele

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lichkeit, was den propagandistischen Wert des Gesprächs für das NS-Regime schmälerte. Vgl. Stephan (1949), S. 195. „Wenn ich einmal alt bin, so dies geschehen sollte, wenn meine Enkel, so mir Gott sie beschert, sich auf meine schwachen Knie setzen und mich lieblich fragen, was ich denn Bemerkenswertes vollbrachte, als ich jung war, dann werde ich ihnen stolz antworten, dass ich der erste ausländische Journalist war, der zusammen mit den deutschen Truppen im Morgengrauen des 3. Oktober nach Warschau kam.“ (Übersetzung des Verfassers) BArch, R 901/60387 Artikel aus der Zeitschrift „Hoy“ vom 24.4.1940. Vgl. Bojano (1945), S. 134; vgl. Shirer (1941), S. 346. Dies war beispielsweise auf der oben geschilderten Westwall-Besichtigungsfahrt der Fall, bei der ein übermütiger General den Korrespondenten zum Entsetzen Sommerfeldts detaillierte militärische Informationen über seine Einheiten gab. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 40-42.

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Korrespondenten drängten daher wiederholt bei den deutschen Stellen auf Teilnahme an den Fahrten oder nahmen Einladungen zu diesen gerne an.350 Die wohl wichtigsten Institutionen der Information von Auslandskorrespondenten während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland waren Auslandspressekonferenzen, die Propagandaministerium und Auswärtiges Amt täglich in der Wilhelmstraße abhielten.351 Die ersten dieser regelmäßigen Konferenzen begannen im Zeitraum um den Kriegsbeginn im September 1939.352 Die Konferenz des „Promi“ existierte offenbar schon vor dem unmittelbaren Kriegsausbruch.353 Das AA zog während des Polenfeldzuges schrittweise zunächst mit kleinen und unregelmäßigen Konferenzen nach, bis es schließlich ebenfalls eine tägliche Zusammenkunft mit den Korrespondenten einrichtete. Diese konnte sich trotz verschiedener Gegenmaßnahmen Goebbelsʼ hal350 Vgl. Flanney (1942), S. 266; vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 262. Protokoll der

Ministerkonferenz vom 16.8.1940.

351 Ergänzend zu den täglichen Konferenzen veranstalteten RMVP und insbeson-

dere AA weiterhin – wie in der Vorkriegszeit – zu speziellen Ereignissen Sonderpressekonferenzen. Nach 1939 bezogen sich diese zumeist auf neue deutsche Eroberungszüge. Zu den außerordentlichen Zusammenkünften, die im Fall der Sonderkonferenz zum Angriff auf die Sowjetunion um fünf Uhr früh am Morgen des 22. Juni 1941 im Auswärtigen Amt stattfanden, bestellten die Ministerien die Korrespondenten bei Bedarf per nächtlichem Telefonanruf ein. Vgl. Smith (1982), S. 62; vgl. Kalberer (1945), S. 6. Die kurioseste Sonderpressekonferenz hielt am 9. Oktober 1941 Reichspressechef Otto Dietrich ab. Nach einem Besuch der Ostfront und einem dortigen Treffen mit Hitler bekam Dietrich offenbar den Eindruck, die Wehrmacht stehe kurz vor dem Sieg über die Rote Armee. Daraufhin berief der Reichspressechef nach seiner Rückkehr in Berlin eine außerordentliche Pressekonferenz für deutsche und ausländische Journalisten ein und verkündete dort, der Krieg im Osten sei gewonnen. Während sich die deutschen Beamten daraufhin euphorisch beglückwünschten, herrschte unter den NS-kritischen Korrespondenten Entsetzen. In der Folgezeit zeigte sich jedoch, dass Dietrichs Ankündigungen mit den realen Verhältnissen an der Ostfront wenig zu tun hatten – was dem Reichspressechef viel Spott einbrachte. Vgl. Smith (1982), S. 77; Vgl. Simoni [Lanza] (1946], S. 257; Sommerfeldt (1952), S. 99. Dietrich gibt in seinen Erinnerungen auch zu, dass seine voreiligen Siegesbehauptungen auf der Konferenz seinem Ansehen sehr geschadet hätten. Vgl. Dietrich (1955), S. 101. 352 Eine exakte Zeitangabe für das erstmalige Stattfinden der Konferenzen lässt sich auf Basis der für die vorliegende Arbeit untersuchten Quellen nicht machen. 353 Vgl. PA AA, R 121674 Aufzeichnung Urach, 10.8.1939. Boelcke spricht davon, dass die Auslandspressekonferenz des Promi ursprünglich als „Selbstverwaltungseinrichtung“ von den Auslandskorrespondenten in Berlin ins Leben gerufen worden sei. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 153. Hierfür fanden sich jedoch in den für diese Arbeit herangezogenen Quellen keine weiteren Belege.

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ten.354 Anhand der Memoirenliteratur sowie mit Hilfe einiger in verschiedenen Aktenbeständen verstreuter Konferenzprotokolle355 lassen sich Ablauf und Inhalte der täglichen Auslandspressekonferenzen nachzeichnen. Die Pressekonferenzen der Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums fanden zweimal täglich außer an Wochenenden jeweils vormittags um 12.30 Uhr und nachmittags um 17.30 Uhr im Theatersaal des Ministeriums statt. Auf der Bühne des Saals – quasi als Bühnenbilder – befanden sich große Landkarten, auf denen rote Pfeile die Stoßrichtungen der deutschen Truppen anzeigten. Vor der Bühne in einer Ecke des Raums stand eine weitere blaue Karte, auf der in Diagrammform die neuesten Zahlen der angeblich von der deutschen Marine versenkten Feindschiffe vermerkt wurden. Während die Korrespondenten auf den für das Publikum gedachten Stühlen des Theaters mit Blick zur Bühne Platz nahmen, saßen diesen an einem langen Tisch längs vor der Bühne die deutschen Beamten gegenüber.356 Der Konferenz präsidierte als Abteilungsleiter Karl Bömer, gelegentlich vertreten von seinem Stellvertreter Ernst Brauweiler. Nach Bömers Abberufung im Sommer 1941 übernahm Brauweiler den Vorsitz, wiederum hin und wieder vertreten von seinem Stellvertreter Franz Wulff.357 Außerdem an der Konferenz 354 Vgl. Longerich (1987), S. 284. 355 Überliefert sind unterschiedliche Arten von Protokollen, die vom Konferenz-

dienst des AA verfasst wurden. Während einige mit dem Titel „Protokoll der Auslandspressekonferenz“ versehene Dokumente auf bis zu einem Dutzend Seiten die Inhalte einer Konferenz wortwörtlich wiedergeben, fassen andere, „Auszug aus der Auslandspressekonferenz“ genannte Dokumente, nur die zentralen Inhalte einer Konferenz auf ein bis zwei Seiten zusammen. Die für die vorliegende Arbeit untersuchten Protokolle und Auszüge stammen aus den Zeiträumen November 1941 bis Februar 1942 und Februar bis Mai 1944, sind aber auch für diese Perioden nur extrem lückenhaft erhalten. Die Protokolle befinden sich im Einzelnen in BArch, NS 42/32; BArch, R 901/ 60307 und BArch, R 901/73030 sowie in PA AA, R 123652. 356 Vgl. Flannery (1942), S. 33. Die Angaben Flannerys beziehen sich auf den Zeitraum von Oktober 1940 bis September 1941. 357 Vgl. Fredborg (1944), S. 11-13; vgl. auch die Konferenzprotokolle in BArch, NS 42/32, BArch R 901/ 60307 und BArch R 901/73030, in denen die Namen der Konferenzleiter vermerkt sind. Goebbels persönlich saß den Konferenzen nie vor und erschien dort nur in seltenen Ausnahmefällen zu Beginn des Krieges. So erklärte der Propagandaminister den Korrespondenten Ende September 1939, Anschuldigungen des US-Journalisten Hubert Renfro Knickerbockers, wonach Goebbels und andere NS-Führer größere Summen an Devisen im Ausland lagern würden, seien erlogen und eine Unverschämtheit. Vgl. BArch, R 901/60528 Artikel von Ernest R. Pope mit dem Titel: „Blitzkrieg Reporting. Foreign Newspapermen in Berlin must move adroitly or be expelled for „abusing privileges“” aus Current History and Forum, 25.9.1940.

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nahmen wechselnde Mitarbeiter des Propagandaministeriums – häufig Referenten der Auslandspresseabteilung – und auch Abgesandte des AA teil. Als Vertreter der NSDAP partizipierte Franz-Otto Wrede, Amtsleiter in der Reichspressestelle der NSDAP, an den Konferenzen. Er informierte über parteiinterne Angelegenheiten, seine Anwesenheit und Informationen wurden jedoch von den Korrespondenten als überflüssig eingestuft.358 Eine wichtige Rolle spielte hingegen der Verbindungsoffizier der Abteilung Wehrmachtpropaganda des OKW,359 der die Konferenz gewöhnlich mit dem Verlesen des Entwurfs zum Wehrmachtsbericht einleitete und zu allen militärischen Fragen Auskunft gab. Diese Funktion füllte von November 1939 bis Dezember 1944 Major Martin Sommerfeldt aus.360 Zudem wurde den Korrespondenten jeden Mittwoch oder Donnerstag „Die Deutsche Wochenschau“ vorgeführt, bevor diese am darauffolgenden Samstag in den Kinos der Bevölkerung gezeigt wurde.361 Die Auslandspressekonferenz des Auswärtigen Amtes fand täglich um 13.15 Uhr im Bundesratssaal des Ministeriums statt. In dem Saal befand sich ein großer langer Tisch, an dessen Längsseite zum Inneren des Gebäudes hin die deutschen Konferenzteilnehmer Platz nahmen, darunter die führenden Referenten, die Stenotypisten, sowie ein Vertreter des „Promi“. Einige deutsche Journalisten, meist vom DNB, standen hinter den sitzenden Mitarbeitern des Ministeriums. In der Mitte der deutsch besetzten Längsseite nahm der Konferenzleiter, der Chef der Presseabteilung des AA, Paul Karl Schmidt, Platz. Vertreten wurde er von seinem Stellvertreter Gustav Braun von Stumm.362 An der Längsseite des Tisches, die nach außen zu den Fenstern des Raumes zeigte, boten sich Sitzplätz für etwa 30 Korrespondenten, die in der Regel immer von denselben Journalisten belegt wurden. Direkt gegenüber von Schmidt oder Stumm saßen bis Dezember 1941 stets Louis Lochner von 358 Fredborg kommentiert zu Wrede: „It looked as if his main task was to provide a

359

360 361 362

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dull news-service about the marvellous achievements of the Party in the field of social welfare. His stuff represented some of the crudest propaganda we encountered.” Fredborg (1944), S. 13. Vollständig lautete die Bezeichnung: „Verbindungsoffizier des OKW zum Reichspressechef und der Pressestelle der Reichsregierung, Abteilung Auslandspresse“. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 50. Vgl. Ebd., S. 128 und S. 186. Vgl. Flannery (1942), S. 34. Gleich seinem Konkurrenten Goebbels erschien auch Ribbentrop nicht auf den täglichen Auslandspressekonferenzen. Jedoch leitete der Außenminister die Sonderpressekonferenzen des AA, bei denen er die Journalisten über neue Eroberungszüge des Dritten Reichs informierte. Vgl. Smith (1982), S. 62; vgl. Kalberer (1945), S. 6.

AP und Pierre Huss von INS, hinter ihnen stand entweder Fredrick Oechsner oder Joseph Grigg von UP.363 Eine ganze Reihe von Korrespondenten, die keinen Platz am Tisch fanden, stand während der Konferenz hinter ihren sitzenden Kollegen.364 Während die Mehrzahl der Journalisten sich unabhängig von ihrer Nationalität um den Tisch verteilte, gruppierten sich die italienischen Korrespondenten am unteren Ende, einige offen pronazistische Berichterstatter am oberen Ende des Tisches.365 Im Gegensatz zu den Konferenzen des Propagandaministeriums wurden die des Auswärtigen Amtes nicht mit einer Liste von Verlautbarungen begonnen, sondern mit der unmittelbaren Aufforderung: „Meine Herren, Ihre Fragen!“366 Inhaltlich hatten die Konferenzen, auf denen alle Erklärungen und Fragen ausschließlich auf Deutsch vorgetragen wurden,367 unterschiedliche Schwerpunkte. In der Konferenz des „Promi“ ging es um die militärische Lage und innenpolitische Angelegenheiten.368 Der Fokus der Konferenz des Auswärtigen Amtes lag auf der Außenpolitik.369 Es kam jedoch auch zu inhaltlichen Überschneidungen zwischen den zwei Veranstaltungen.370 Teilweise wurde ergänzend zu mündlichen Erläuterungen schriftliches Informationsmaterial 363 Vgl. Fredborg (1944), S. 18. Lochner berichtet, der Ehrenplatz direkt gegenüber

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dem Konferenzleiter sei ihm als einem der ältesten Korrespondenten ohne sein Zutun immer freigehalten worden. Vgl. Lochner (1943), S. 232. Jedoch wurden Lochner und Huss für ihre Sonderplätze offenbar von anderen Auslandsjournalisten auch kritisch beäugt. Vgl. Flannery (1942), S. 32. Vgl. Ebd. Vgl. Fredborg (1944), S. 18. Vgl. Bojano (1945), S. 122; vgl. Kalberer (1945), S. 5. Vgl. Flannery (1942), S. 31. Generell folgten nach dem Amtsantritt Ribbentrops einige Mitarbeiter des AA dem Beispiel ihres Chefs und sprachen mit Ausländern nur noch Deutsch. Vgl. Harsch (1941), S. 57. Dies stellte für einige Korrespondenten ein Problem dar, da sie die deutsche Sprache nicht oder nicht gut beherrschten. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 69. Generell variierte das Sprachniveau der ausländischen Journalisten in Berlin stark. Während für einige Deutsch die Muttersprache war, kamen andere ohne Deutschkenntnisse in die Reichshauptstadt. Vgl. Dodd/Dodd (Hrsg.) (1963), S. 185. Vgl. Kalberer (1945), S. 7. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 68. So äußerten sich Brauweiler und Schmidt auf den Pressekonferenzen am 16. Dezember 1941 beide unabhängig voneinander über den Bericht des US-Marineministers Knox nach dessen Besuch in Pearl Harbor. Vgl. die beiden entsprechenden Protokolle vom 16.12.1941 in BArch, NS 42/32. Es ist jedoch nicht – wie von einigen Autoren behauptet – zutreffend, dass die Konferenzen immer zur Gänze die gleichen Themen behandelten. Vgl. Bramsted (1971), S. 116; vgl. Schumacher (1998), S. 34.

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ausgeteilt.371 Die Auslandspressekonferenzen unterschieden sich erheblich von denen für deutsche Journalisten, da den ausländischen Korrespondenten natürlich nicht einfach Schreibanweisungen vorgesetzt werden konnten. Der Ton der Konferenzen war daher in den ersten Kriegsjahren bis 1941 „on the whole, one of polite persuasiveness“.372 Den Journalisten war das Stellen von Fragen erlaubt, die deutschen Beamten versuchten, sie mit – mehr oder weniger schlüssigen – Argumenten und Informationen vom deutschen Standpunkt zu überzeugen.373 Louis Lochner berichtet, zu Kriegsbeginn, „when countries like Norway, Denmark, Belgium, Holland, Russia and Yugoslavia were still at peace, the range of questions was diversified and men from at least half a dozen countries made inquiries that were often amusing, not infrequently embarrassing.”374 Nur die Korrespondenten aus Italien und Japan blieben auf Weisung ihrer Regierungen still.375 Mit den deutschen Eroberungszügen 1940 und 1941 wurde die Anzahl der Korrespondenten, die mit kritischen Fragen aufwarteten, immer geringer, bis am Ende fast nur noch die US-Journalisten, mit gelegentlicher Unterstützung der Schweizer und Schweden, delikate Themen ansprachen. USKorrespondenten provozierten sogar gezielt die deutschen Beamten, etwa mit permanenten Fragen nach dem Datum des geplanten Prozesses gegen den Hitler-Attentäter Georg Elser, der von den Nationalsozialisten immer wieder verschoben und schließlich nie durchgeführt wurde.376 Verschüchterte Journalisten aus kleineren oder besetzten Ländern baten ihre US-Kollegen, be371 Vgl. BArch NS 42/32 Auslandspressekonferenz-Protokoll vom 16.12.1941,

12.30 Uhr, Leiter: Dr. Brauweiler.

372 Lochner (1943), S. 226. 373 Die Korrespondenten berichten jedoch von einer amüsanten Situation, in der

Konferenzleiter Braun von Stumm vergaß, dass er zu einem ausländischen Publikum sprach: „Thus on one occasion Braun von Stumm, carefully fastening his monocle in his eye, began dictatorially, „The press to-day will please write…“ Suddenly he remembered to whom he was speaking. He caught himself, blushed and said, „Gentlemen, the German viewpoint on the question under discussion is…“” Ebd. 374 Ebd., S. 227. 375 Vgl. Ebd.; vgl. Fredborg (1944), S. 18; vgl. Huss (1943), S. 156. Im unmittelbaren Anschluss an die große Pressekonferenz im Auswärtigen Amt fand für die italienischen Journalisten eine eigene Konferenz im Büro Braun von Stumms statt. Vgl. Simoni [Lanza] (1946], S. 239; vgl. Lochner (1943), S. 227. Von Braun von Stumm erhielten diese nicht nur gesonderte Informationen, sondern, wie INS-Korrespondent Pierre Huss mutmaßt, auch inhaltliche Schreibanweisungen. Vgl. Huss (1943), S. 152. 376 Vgl. Shirer (1941), S. 251.

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stimmte Fragen zu stellen, die sie nicht selbst zu fragen wagten.377 Auch gab es Fragen, die in offensichtlicher Weise von deutscher Seite gekauft waren und den Konferenzleitern das Stichwort zu langwierigen propagandistischen Ausführungen gaben.378 Immer wieder für Belustigung auf den Konferenzen sorgte ein litauischer Korrespondent namens Kaupas, der nach der sowjetischen Besetzung seines Landes für eine japanische Nachrichtenagentur in Berlin arbeitete. Der Litauer stellte auf den Konferenzen zeitweise von allen Journalisten die meisten Fragen, welche nach Lochner „studiously naive but often decidedly pointed“ waren und die Zusammenkünfte regelmäßig aufmischten.379 Ab 1942 – nach der Abreise der Amerikaner – wurden Fragen weiterhin gestellt, allerdings nicht mehr in unverhohlen provokanter Form. Fragensteller waren in der Mehrheit offenbar Schweizer und schwedische Journalisten.380 Erschien den Korrespondenten eine Antwort oder Erklärung unzureichend, so zögerten sie jedoch nicht, mehrmals nachzuhaken, wie ein Auszug aus dem Prototokoll der Auslandspressekonferenz im Auswärtigen Amt vom 2. Februar 1942 unter der Leitung Gustav Braun von Stumms zeigt. Auf der Konferenz war den Korrespondenten erklärt worden, Vidkun Quisling sei in Norwegen zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Diese Position fasste die bisherigen Ämter des Königs, des Stortings und des Staatsministers zusammen, trotzdem war Quisling aber nicht als Staatsoberhaupt anzusehen, denn der deutsche Reichskommissar und die Wehrmacht blieben weiter die oberste Autorität in Norwegen.

377 Regelmäßig überraschten die US-amerikanischen Journalisten die deutschen

Beamten daher mit Erkundigungen über eigentlich unwesentliche Geschehnisse, die gar keinen Bezug zu den USA hatten. Vgl. Lochner (1943), S. 228. 378 Vgl. Harsch (1941), S. 271; vgl. Fredborg (1944), S. 18. 379 Lochner berichtet, dass dem Korrespondenten von deutscher Seite mitgeteilt wurde, dass er seine „provoking questions“ einstellen solle, um nicht in Probleme zu geraten. Vgl. Lochner (1943), S. 227. Protokolle von Auslandspressekonferenzen zeigen jedoch, dass Kaupas auch noch zu Beginn des Jahres 1942 zu den aktivsten Fragestellern auf den Konferenzen gehörte und oft als erster vor allen anderen Journalisten Erkundigungen an die Beamten richtete. Vgl. hierzu die Protokolle der Auslandspressekonferenzen aus dem Februar 1942 in BArch, R 901/ 60307. Auch Fredborg erinnert sich an den kuriosen „Lithuanian colleague who did most of the questioning.“ Nach den Memoiren Fredborgs wurde Kaupas wohl im Laufe des Jahres 1942 aufgrund seiner Zudringlichkeit von den Konferenzen entfernt. Vgl. Fredborg (1944), S. 18. 380 Vgl. hierzu die Protokolle der Auslandspressekonferenzen in BArch, R 901/60307 und R 901/73030.

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„Einwurf-Kaupas: Als was kann man nun die norwegische Regierungsform bezeichnen? Ist es eine Republik, eine Monarchie oder was sonst? Antwort-Dr. Wulf: Es handelt sich um den Durchbruch des autoritären Prinzips. Einwurf-Kaupas: Der Führer aber hat doch in einer Rede Deutschland einmal auch als eine Republik bezeichnet….. Einwurf-Svahnström:…..Im Prinzip herrscht wohl immer noch die monarchische Verfassung. Wenn Sie sagen, daß Quisling die Rechte des Königs übernimmt, so ist die alte Verfassung doch noch in Kraft. Antwort-Dr. Wulf: Das gewiss, aber im Vordergrund steht die Tatsache, daß es sich um den Durchbruch der autoritären Prinzipien handelt. Einwurf-Svahnström: Dann kann also keine Rede davon sein, daß Norwegen eine Republik ist. Antwort: Das haben wir auch nicht gesagt.“381 Wie der obige Auszug ebenfalls illustriert, waren auf den Auslandspressekonferenzen weniger die Fragen der Korrespondenten ein Problem, als die von deutscher Seite ausgegebenen Informationen. Von Kriegsbeginn an erhielten die offiziellen Erklärungen meist viel Propaganda und wenig greifbare Neuigkeiten. Für den Erhalt von „spot news“ eigneten sie sich nicht382 und der Schwede Fredborg berichtet: „It was generally a desperate business to try to file a dispatch on the strength of the material supplied at the Press conferences“.383 In den Zeiten der deutschen Siege bekamen die Korrespondenten über die Kampfstärke der Wehrmacht und die Neuordnung Europas unter deutscher Vorherrschaft agitatorisches Pathos zu hören,384 welches nach Lochner eher zu einem NS-Massenaufmarsch gepasst hätte.385 Kriegshelden wie Fliegerasse, der „Held von Scapa Flow“ Günther Prien386 oder Erwin Rommel387 wurden der Auslandspresse vorgeführt. Fachleute aus Militär und Reichsministerien hielten Sondervorträge über die deutsche Kriegswirtschaft und versicherten, dass Deutschland für einen langen und siegreichen Kampf 381 BArch, R 901/ 60307 Auszug und Protokoll der Auslandspressekonferenz vom

2.2.1942, Leiter: Braun von Stumm.

382 Vgl. Lochner (1943), S. 228. 383 Fredborg (1944), S. 19. Zur Qualität des Informationswertes der Konferenzen

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bemerkt Fredborg weiter, dass viele Korrespondenten den Konferenzleitern nicht zuhörten, sondern stattdessen anderen Beschäftigungen wie Briefe schreiben oder dem Zeichnen von Karikaturen nachgingen. Vgl. Ebd., S. 18. Vgl. Findahl (1946), S. 13-14. Vgl. Lochner (1943), S. 226. Vgl. Shirer (1941), S. 237. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 109.

mit allen nötigen Ressourcen ausgestattet sei.388 Während sich hinter „Schichten von Propagandawolken“ bis Sommer 1941 noch berichtenswerte Inhalte auf den Auslandspressekonferenzen entdecken ließen,389 verschwanden diese mit dem Fortlauf des Krieges und der aufkommenden deutschen Niederlage vollends. Schon in den letzten Monaten des Jahres 1941 wurden die Angaben auf den Konferenzen immer unglaubwürdiger und knapper. Anfang September 1941 stürmte Paul Karl Schmidt offenbar in Eile in die Auslandspressekonferenz des AA, beantwortete zwei Fragen mit „kein Kommentar“ und schloss danach umgehend die Konferenz, bevor überhaupt alle Korrespondenten im Bundessaal eingetroffen waren.390 Spätestens ab dem Jahr 1942 erhielten die Journalisten auf den Konferenzen im Prinzip keine von einem journalistischen Standpunkt aus verwertbaren Informationen mehr. Martin Sommerfeldt gibt dies in seinen Erinnerungen bezüglich der offiziellen Angaben zur militärischen Entwicklung freimütig zu, etwa für den Fall, als er „gegen allen Sinn und Verstand“ den Korrespondenten erklären musste, „daß Deutschland sich um so leichter verteidigen könne, auf je engerem Raum das geschähe“.391 Auch die überlieferten Protokolle dokumentieren diesen Zustand. Mit nicht über Aussagen wie „Kriegswichtige Ziele in Leningrad wurden durch deutsche Artillerie beschossen“,392 „Hinter den feindlichen Linien wurden Eisenbahnen und militärische Ziele erfolgreich bombardiert“393 oder „Die Luftwaffe kam in üblicher Form zum Einsatz“394 hinausgehenden Angaben konnten die Korrespondenten kaum etwas anfangen. Zudem sagten die deutschen Beamten zu vielen Themen einfach gar nichts mehr. „Mir ist nichts bekannt. Im Hause weiss man von dieser Angelegenheit nichts. Der Reichsregierung ist nichts zur Kenntnis gebracht worden. Der Reichsaussenminister ist über diese Angelegenheit nicht unterrichtet“,395 lauteten die Standardantworten der Konferenzleiter im AA oder im „Promi“. Das Antwortverhalten Paul Karl Schmidts in der Auslandspres388 Vgl. BArch, R 3101/32023 Deutschlands Rohstoffversorgung - Vortrag des Ge-

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nerals von Hanneken, Unterstaatssekretär im RWM, am 8. Apr. 1941 vor den in Berlin tätigen Auslandskorrespondenten. Vgl. Smith (1982), S. 44. Vgl. Flannery (1942), S. 276. Sommerfeldt (1952), S. 70. BArch, NS 42/32 Auslandspressekonferenz-Protokoll des RMVP vom 27.1.1942, 12.30 Uhr, Leiter: Dr. Brauweiler (Hervorhebung im Original). Ebd. Protokoll Pressekonferenz AP vom 26.1.1942, 12.30 Uhr, Leiter: Dr. Brauweiler. Ebd., Auslandspressekonferenz-Protokoll vom 16.12.1941, 12.30 Uhr, Leiter: Dr. Brauweiler. Kalberer (1945), S. 6.

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sekonferenz vom 17. Februar 1942 dürfte somit als symptomatisch zu werten sein: „Frage – Lecrenier: Lässt sich jetzt – nach der Beendigung des offiziellen Teils des Quisling-Besuches – etwas zu den verschiedenen Pressestimmen sagen, die dazu vorliegen? Antwort: Nein. Einwurf – Lecrenier: Osservatore Romano zeigt sich gut informiert. Antwort: Das ist auch eine Pressestimme. Dazu kann ich auch nichts sagen. Frage – Lecrenier: Ist anzunehmen, dass wir in absehbarer Zeit über die Auswirkungen des Besuchs etwas hören werden? Antwort: Das weiss ich heute nicht.“396 Inhaltlich wichen 1942 auf den Konferenzen die Ankündigungen zur Neuordnung Europas wüsten Beschimpfungen von Staatsoberhäuptern gegnerischer Nationen.397 Im Kriegsjahr 1944 änderte sich der Ton gegenüber den neutralen Ländern wie Spanien, Schweden und der Schweiz. Statt Drohungen gingen nun Aufmunterungen an deren Adresse, nicht von ihrer neutralen Haltung abzuweichen.398 Gegen Kriegsende beschworen die deutschen Beamten täglich immer wieder die „Bolschewisierung Europas“,399 die dem ganzen Kontinent im Falle einer totalen Niederlage des Deutschen Reichs drohe, wohl in der Hoffnung, die Korrespondenten zu Berichten anzuregen, die irgendwie Zwist zwischen den Alliierten säen könnten. Die Sowjetunion betreibe eine „imperialistische Politik“ und wolle ganz Osteuropa in ihren Machtbereich einschließen,400 erklärte man den Journalisten, „erstaunlich ist nur immer wieder, dass die Engländer so dumm sind und diese Dinge nicht einsehen“.401 Weitere Ausführungen lassen sich als einigermaßen verzweifelte Bitten an die Korrespondenten interpretieren, in ihren Heimatländern für Unterstützung für das Dritte Reich zu werben. Um eine sowjetische Vorherrschaft in Europa zu verhindern, so die Beamten, komme es auf Deutschlands „Widerstandsfähigkeit an, in die wir ja alle absolutes Vertrauen haben, und

396 BArch, R 901/ 60307 Protokoll der Auslandspressekonferenz vom 17.2.1942,

397 398 399 400 401

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Leiter: Schmidt (4 Blatt). Zur Person Lescrinier (dessen Name im Protokoll falsch wiedergegeben wird) vgl. unten, S. 237-238. Vgl. Fredborg (1944), S. 18. Vgl. Findahl (1946), S. 13. BArch, R 901/73030 Protokoll der Auslandspressekonferenz vom 19.2.1944, Leiter: Ges. Braun von Stumm. Ebd. Protokoll einer Auslandspressekonferenz, Datum und Leiter unbekannt. Ebd. Protokoll einer Auslandspressekonferenz vom 30.5.1944, Leiter: unbekannt.

auch darauf, dass eben die anderen Völker wenn nicht mit Blut, dann doch mit ihrem Schweiss ihre Schuldigkeit tun.“402 Auswärtiges Amt und Propagandaministerium nutzten die Auslandspressekonferenzen auch, um einzelne Journalisten oder das Kollektiv des ausländischen Pressekorps in Berlin abzumahnen. Bei einer solchen Ermahnung erklärte Konferenzleiter Schmidt: „Ich benutze die Gelegenheit den Journalisten C. öffentlich zu verwarnen. Trotz wiederholter Betonung, dass Meldungen an die Auslandspresse über die täglichen Pressekonferenzen nie als Stellungnahme der Reichsregierung gewertet werden dürften, gab er Berichte, die fälschlicherweise als verbindliche Erklärungen der Regierung gedeutet werden könnten.“403 Wesentlich schärfer fiel eine Verwarnung aus, die sich Louis Lochner auf einer Pressekonferenz des AA im März 1941 wegen eines Artikels zu den deutsch-japanischen Beziehungen einfing. Schmidt erklärte vor allen Auslandsjournalisten zu Lochners Bericht: „Once more sharpest warning is expressed against that sort of tendencious contrary-to-truth reporting. In the event of a repetition the most serious consequences will result not only for the correspondent and his bureau here, but also for the entire foreign press of Berlin.”404 Auf der Auslandspressekonferenz des AA am 16. Dezember 1941 verwarnte Schmidt einen schwedischen Journalisten, der in einem Bericht an seine Heimatzeitung aus dem “feindlichen Rundfunk” zitiert hatte. „Sollte jedoch der schwedische Korrespondent eigens zu diesem Zwecke nach Berlin entsandt worden sein, würde ich ihm empfehlen, sich baldigst wieder zurückzubegeben, denn für solche Korrespondenten haben wir keinen Platz.“405 Um einen Nutzen aus den Pressekonferenzen ziehen zu können, war seitens der Korrespondenten die Fähigkeit notwendig, die unterschwellig bei den Zusammenkünften transportierten Informationen zu erkennen.406 Der Norweger Findahl gibt an, bei „den Pressekonferenzen hören wir nicht so sehr nach den Worten, die gesprochen werden, wie nach dem Tonfall und den Pausen, die Absicht und Richtung angeben“.407 Für den geübten Beobachter ließ sich so aus dem Verhalten der deutschen Konferenzteilnehmer Ebd. Protokoll einer Auslandspressekonferenz, Datum und Leiter unbekannt. Kalberer (1945), S. 6. Lochner (1943), S. 231. BArch, NS 42/32 Protokoll der Pressekonferenz AA vom 16.12.1941, 13.15 Uhr, Leiter: Dr. Schmidt. Mit den neuen Berichterstattungsvorschriften aus dem September 1942 wurde den Korrespondenten das Zitieren aus gegnerischen Radiosendungen prinzipiell verboten. Vgl. hierzu oben, S. 203. 406 Vgl. Kalberer (1945), S. 6. 407 Findahl (1946), S. 22. 402 403 404 405

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die Stimmung in der Staatsführung ablesen. „When things went well diplomatically or militarily, German officialdom was in an affable mood. In times of crisis it was nervous and irritable.”408 Weiter konnte aus Reaktionen auf Fragen abgelesen werden, ob die angesprochene Thematik als unangenehm empfunden wurde. Ebenfalls aufschlussreich war für die Korrespondenten stets, welche Sachbereiche auf den Konferenzen unerwähnt blieben.409 Die deutschen Konferenzleiter waren sich jedoch darüber im Klaren, wie genau sie von den Korrespondenten gemustert wurden und versuchten daher ihrerseits, die Journalisten mit nonverbalen Zeichen aufs Glatteis zu führen – etwa indem sie bei besonders schlechten Nachrichten mit umso besserer Laune auftraten.410 Aufgrund dieser ständigen Täuschungsmanöver bezeichnete der spanische Korrespondent der Madrider Zeitung „Ya“ die Konferenzen als „un peculiar y curioso juego de azar“,411 bei dem es täglich darum ging, „den Pokergesichtern des Auswärtigen Amtes und Propagandaministeriums“412 nach Möglichkeit in die Karten zu sehen. „Wir ahnen und raten, analysieren und kombinieren, genau wie die Personen in einem Detektivroman“, umschreibt Findahl das Verhalten der Journalisten. Verschiedene Konferenzteilnehmer berichten in diesem Zusammenhang davon, dass auf den täglichen Zusammenkünften gewissermaßen Geheimsprache gesprochen wurde. So erklärt der US-Korrespondent Ernest R. Pope zum Verhalten Karl Bömers auf den Konferenzen, dass dieser Fragen teilweise statt mit einer Antwort mit einem Lächeln beantwortete. Dieses Lächeln bedeutete: “I shan’t tell you, and I shan’t say I won’t tell you, and if you find out elsewhere send the story at your own risk.”413 Sommerfeldt schildert, dass er Fragen mit auffällig langen Pausen oder übertrieben brüsker Ablehnung beantwortete. Dies hieß dann nicht „Nein“, sondern „Ja – aber es kann mich den Kopf kosten, wenn ich das zugebe.“414 Neben den versteckten Informationen aus den Konferenzen waren die täglichen Zusammenkünfte für die Journalisten auch eine beliebte Gelegen408 Lochner (1943), S. 228. So berichtet etwa Findahl, dass Braun von Stumm nach

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dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 in der Konferenz des AA „bleich und sichtlich nervös“ über den Anschlag vortrug. Vgl. Findahl (1946), S. 121. Vgl. Lochner (1943), S. 228. Vgl. Findahl (1946), S. 22. „ein spezielles und eigentümliches Glücksspiel“ (Übersetzung des Verfassers) BArch, R 901/58172 Artikel aus „Ya“ vom 20.11.1941. Findahl (1946), S. 22. BArch, R 901/60528 Artikel von Ernest R. Pope mit dem Titel: „Blitzkrieg Reporting. Foreign Newspapermen in Berlin must move adroitly or be expelled for „abusing privileges“” aus Current History and Forum, 25.9.1940. Sommerfeldt (1952), S. 69.

heit, sich mit den Kollegen auszutauschen. Schon vor Beginn der Konferenzen wurden die neuesten politischen Entwicklungen diskutiert, insbesondere aber nach der Pressekonferenz des Auswärtigen Amtes blieben die Korrespondenten noch eine Weile vor dem Ministerium auf dem Gehsteig der Wilhelmstraße stehen und tauschten Informationen und Eindrücke über Stimmungen aus. Diese Besprechungen wurden von Schmidt „schwarze Nachbörse“ getauft und kritisch beäugt.415 Sommerfeldt schätzt, dass zu den täglichen Auslandspressekonferenzen des „Promi“ jeweils 50 bis 100 Journalisten erschienen.416 Eine Strichliste aus dem Aktenbestand der Auslandspresseabteilung, auf der für den Zeitraum Mai bis Dezember 1944, die Teilnehmer mit ihrer An- oder Abwesenheit vermerkt wurden, verzeichnet 218 Namen von Journalisten, von denen allerdings 23 mit einem Stift ausgestrichen wurden. Die Strichliste zeigt weiter, dass viele dort verzeichnete Journalisten 1944 die Konferenzen offenbar gar nicht mehr oder nur noch unregelmäßig besuchten.417 Verschiedene Anwesenheitslisten des Auswärtigen Amtes bezüglich der Pressekonferenzen dieses Ministeriums verzeichnen zwischen 71 und 143 Namen.418 Auch schon in den frühen Kriegsjahren kamen nicht alle Korrespondenten immer zu allen Pressekonferenzen. Dies lag einerseits daran, dass sie die Inhalte nutzlos fanden.419 Andererseits konnten sie je nach Zeitverschiebung mit ihrem Heimatland die Informationen der Konferenzen nicht aktuell verwenden oder mussten zu dieser Zeit in ihrem Redaktionsbüro oder für Radiosendungen im Kurzwellensender anwesend sein. Manche Korrespondenten erschienen in den Konferenzen nicht persönlich, sondern schickten ihre Assistenten, die sie zuvor hatten akkreditieren lassen. Diese informierten die Korrespondenten telefonisch nach der Konferenz, so sich dort etwas Bedeutsames zugetragen hatte. Einige Korrespondenten verließen sich auch auf die Dienste Bernhard Lescriniers. Der Deutsche elsässischen Ursprungs, von den US-Korrespondenten aufgrund seiner Körperfülle „Fatty“ genannt, nahm an den Konferenzen teil und informierte gegen Geldleistung danach eine Reihe von Journalisten über deren Inhalte. Da die Konferenzleiter Lescrinier freundlicher gesinnt waren als den ausländischen Korrespondenten, ließen viele Jour415 Vgl. Kalberer (1945), S. 7. 416 Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 69. 417 Genauere Aussagen lassen sich aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes

der Liste nicht machen. Vgl. BArch, R 55/1391 Anwesenheitsliste (Strichliste) der Korrespondenten auf den Auslandspressekonferenzen des RMVP, gegliedert nach Ländern und Namen, Laufzeit Mai bis Dezember 1944. 418 Vgl. Longerich (1987), S. 280, Anm. 7. 419 Vgl. Bojano (1945), S. 122.

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nalisten auch Fragen indirekt durch ihn vorbringen.420 Konferenzprotokolle vom Beginn des Jahres 1942 zeigen, dass Lescrinier dort zu den aktivsten Fragestellern gehörte.421 Aufgrund seiner weitreichenden Verbindungen und Bekanntschaften diente Lescrinier den Korrespondenten auch als Tippgeber. Jedoch hatten die Journalisten den als höchst dubios beschriebenen Deutschen immer im Verdacht, seine Rolle in den Konferenzen nur spielen zu können, weil er gleichzeitig für die deutsche Seite spionierte und Gerüchte unter die Korrespondenten streute. Sie prüften seine Hinweise daher immer genau nach.422 Der Besuch der Konferenzen schwankte auch mit der Nachrichtenlage. Besonders zum Beginn militärischer Kampagnen besuchten die Korrespondenten die Konferenz des „Promi“ zahlreich, um dort Sommerfeldts Ausführungen zuzuhören. Großer Andrang herrschte bei der Konferenz auch zu den Terminen, an denen die Sonderrationen an Bezugscheinen und Essenskarten ausgeteilt wurden.423 Zutritt zur Konferenz des „Promi“ erhielt man nur mit dem von diesem Ministerium ausgeteilten roten Auslandsjournalisten-Ausweis, zum Besuch der Konferenz des AA berechtigte ein grüner Ausweis.424 Beide mussten mit Angaben zur eigenen Person bei den Ministerien beantragt werden.425 Nachweislich fanden die Pressekonferenzen des Auswärtigen Amtes und des Propagandaministeriums bis wenige Tage vor Kriegsende statt – freilich vor einem weitaus kleineren Publikum als zu Beginn des Krieges.426 Den täglichen Weg in den Wochen vor der deutschen Kapitulation durch die teilweise zerstörten Ministeriumsgebäude in die Säle, in denen die Konferenzen weiter abgehalten wurden, beschreiben die Korrespondenten in ihren Erinnerungen als gespenstisch. Da die Fenster der Räume keine Scheiben mehr besaßen, störte die Konferenzleiter beim Abgeben ihrer Erklärungen der Lärm 420 Vgl. Flannery (1942), S. 33. 421 Vgl. hierzu die entsprechenden Konferenzprotokolle in BArch, R 901/ 60307. 422 Vgl. Flannery (1942), S. 33; vgl. Shirer (1984), S. 165. Gegen Ende des Krieges

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1944 arbeitete Lescrinier dann offenbar selbst als Korrespondent der „Basler Nationalzeitung“. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 183. Nach 1945 setzte Lescrinier seine journalistische Karriere, offenbar weiterhin mit besten Verbindungen ausgestattet, in Bonn als Korrespondent verschiedener Nachrichtenagenturen fort. Vgl. Der Spiegel (1956). Vgl. Flannery (1942), S. 31-34. Vgl. Kalberer (1945), S. 4-5. Die rote Karte des RMVP erhielten die Korrespondenten, wenn sie sich regulär bei der Reichsregierung akkreditierten. Für die grünen Karten mussten die Journalisten vierteljährlich eine Verlängerung beim AA beantragen. Vgl. Stoop (1987), S. 320; vgl. Longerich (1987), S. 292. Vgl. Kronika (1946), S. 62.

auf der Wilhelmstraße.427 Auch wenn die offiziellen Verlautbarungen der Konferenzen weiterhin vom deutschen Endsieg handelten, zeigten viele Beamte 1945 den Journalisten offen ihre Resignation.428 Mitte März 1945 informierten die Ministerien die Korrespondenten über Planungen, die Konferenzen in ein Villenviertel im Südwesten Berlins zu verlegen.429 Einen Monat später wurde die Pressekonferenz des Auswärtigen Amtes dann tatsächlich verlegt – in die Villa Ribbentrops in Dahlem, wo seit 1943 schon der „Auslands-Presse-Klub“ des Ministeriums angesiedelt war. Als Konsequenz daraus suchten sich viele der in Berlin verbliebenen Korrespondenten neue Unterkünfte außerhalb des Stadtzentrums.430 Nur wenige Tage später am 16. April 1945 fanden die Konferenzen des AA jedoch wieder in der Wilhelmstraße statt, da Ribbentrops Ehefrau die Villa für das Kriegsende in ihrem Privatbesitz und nicht in offizieller Funktion sehen wollte – sie hoffte so, das Haus eher für sich retten zu können.431 Die Qualität der Auslandspressekonferenzen variierte im Urteil der Korrespondenten stark mit deren Leitern. Während die Journalisten mit dem Stil Karl Bömers zufrieden waren und Paul Karl Schmidt für dessen rhetorische Gewandtheit loben, fallen die Beurteilungen zu Ernst Brauweiler und dessen Vertreter Franz Wulff sowie zu Gustav Braun von Stumm negativ aus. Fannery berichtet, die Korrespondenten „were always disappointed when von Stumm walked in, because he often made no statements at all, merely replying: “We have no information on that,” or “I have nothing to say.” He just sat there, pursing his lips and looking into space.”432 Auch Fredborg berichtet, Braun von Stumms „delivery was languid and uninspiring.“433 Gleiches galt für die von Brauweiler geleiteten Konferenzen im Propagandaministerium. „When attacked with a question on a delicate subject he would rear like an old war-horse and give a bluntly insolent reply–completely lacking in brilliance.”434 Zudem hatte Brauweilers Vortrag keinerlei Unterhaltungswert, die Journalisten und deutschen Teilnehmer „brauweilten“ sich täglich in seinen Konferenzen.435 Aufgrund von Brauweilers Unvermögen scheinen die Konferenzen des Propagandaministeriums, unter Bömer mit dessen „amiable 427 428 429 430 431 432 433 434 435

Vgl. Findahl (1946), S. 221. Vgl. Kronika (1946), S. 40. Vgl. Ebd., S. 62. Vgl. Ebd., S. 106-107. Vgl. Ebd., S. 118-119. Flannery (1942), S. 32. Fredborg (1944), S. 17. Ebd., S. 13. Vgl. Ebd., vgl. Sommerfeldt (1952), S. 73.

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manner and irconical easy tone“436 noch beliebt, in ernstes Hintertreffen gegenüber den Vorträgen Paul Karl Schmidts im Auswärtigen Amt geraten zu sein. Zwar verteilte dieser auch wenige brauchbare Informationen, doch lieferte er dafür täglich ein „superb ‘theatre‘“437 ab. Die Korrespondenten beurteilen den jungen Presseabteilungsleiter als persönlich wenig sympathisch, unterstreichen aber dessen rhetorische Brillanz. Schmidt war „able to turn questions with a quip“438 und behielt „elegant nonchalance in awkward moments“.439 In Formulierung stets pointiert, waren seine Attacken auf die Gegner Deutschlands scharf und donnernd. Den Korrespondenten war bekannt, dass Protokolle von Schmidts „unzähligen genial formulierten Unwahrheiten“440 vor der Auslandspresse direkt an Ribbentrop, teilweise auch an Hitler gingen, wo sie dem „Sprecher der Wilhemstraße“ hohe Wertschätzung einbrachten.441 Über Schmidts schneidende Verbalangriffe und rhetorisch geschickte Schachzüge geben auch die überlieferten Konferenzprotokolle Auskunft. Nachdem im „Daily Express“ im Januar 1942 offenbar eine Meldung veröffentlicht wurde, wonach in Berlin ein Aufstand gegen das Regime ausgebrochen sei, führte Schmidt in der Auslandspressekonferenz am 15. Januar 1942 aus: „Ich habe Ihnen einige Exemplare des „Daily Express“ in Fotokopie mitgebracht, wo Sie in der Schlagzeile auf der ersten Seite die Nachricht finden über die „Revolution in Berlin“, die aufgestellten Maschinengewehre der Gestapo und der SS zur Unterdrückung der Unruhen. Wer Interesse hat, kann sich den „Daily Express“ mitnehmen und versuchen, die Gestapogespenster und SS-Posten mit Maschinen- und sonstigen Pistolen auf den Strassen Berlins einem Interview zu unterziehen (Heiterkeit).“442 Am 9. Februar 1942 griff Schmidt eine schwedische Zeitung an. Das „Svenska Dagbladet“ hatte zuvor einen Artikel publiziert, in dem die Ansicht vertreten wurde, Deutschland habe mit Österreich einem freien Staat die Selbstständigkeit geraubt. „Der Gesandte bemerkte sarkastisch, dass es sich erübrige, mit politischen und sachlichen Argumenten auf diese englische Propagandathese einzugehen. Das beste Argument wäre es, wenn ostmärkische Soldaten dem Vgl. Fredborg (1944), S. 13. Ebd., S. 15. Flannery (1942), S. 33. Fredborg (1944), S. 15. Kronika (1946), S. 125. Vgl. Ebd.; vgl. Lochner (1943), S. 226. Auch Goebbels ließ sich die Protokolle der Auslandspressekonferenzen in seinem Ministerium täglich vorlegen und war über deren Inhalte oft höchst erbost. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 69. 442 BArch, R 901/60307 Protokoll der Auslandspressekonferenz vom 15.1.1942, Leiter: Schmidt. 436 437 438 439 440 441

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Verfasser dieses Artikels auf deutsche Art „den Hosenboden versohlten“.“443 Den allerschärfsten Angriff führte Schmidt jedoch im Oktober 1942 in einer Pressekonferenz gegen die Schweizer Auslandskorrespondenten in Berlin. Aus unbekanntem Anlass erklärte er dort den eidgenössischen Journalisten, man werde sie noch liquidieren oder in die Steppen Asiens jagen. Dies führte zu heftigen Protesten der Schweizer Regierung und Presse.444 Goebbels notierte zu diesem Vorfall in sein Tagebuch: „Eine plötzliche Pressefehde ist mit der Schweiz ausgebrochen. Der Leiter der Presseabteilung im Auswärtigen Amt, Schmidt, hat bei einer Pressekonferenz den Gaul losgelassen und die Schweizer Presse in einer Art und Weise apostrophiert, die alles andere als werbend ist. U.a. hat er mit den Steppen Asiens oder mit der Liquidierung gedroht. So kann man die Sache natürlich auch nicht anfassen. Das ist für die Schweizer Presse eine günstige Gelegenheit, die gekränkte Unschuld zu spielen.“445 Konsequenz des Verbalausfalls war für Schmidt ein Einreiseverbot in die Schweiz,446 um die Eingaben der eidgenössischen Regierung kümmerte sich das NS-Regime laut Goebbels aber wenig. „Wir reagieren gar nicht darauf. Die Schweizer sind uns zu dumm, als daß wir uns mit ihnen unterhalten möchten.“447 Schließlich nicht nur wegen seiner Redebegabung, sondern auch aufgrund seiner sympathischen Erscheinung448 heben die Korrespondenten die Arbeit 443 Ebd. Auszug aus der Auslandspressekonferenz vom 9.2.1942, Leiter: Schmidt.

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Allgemein stellten schwedische Journalisten offenbar des Öfteren das Ziel von Schmidts Attacken dar. So erklärte er ebenfalls im Januar 1942, nachdem die schwedische Zeitung „Göteborgs Handels-och Sjöfarts-Tidning“ einen Artikel Ilja Ehrenburgs abgedruckt hatte: „Es gibt zwar immer noch Dumme in Europa, die darauf hereinfallen, aber die Dummen werden eigentlich immer weniger. Wenn man „Göteborgs Handels-och Sjöfarts-Tidning“ von den Dummen abzieht – eigentlich sind es keine Dummen mehr, die in Göteborg schreiben, sondern politische Verbrecher – gibt es heute in Europa sehr wenige geistige Menschen, sehr wenige Zeitungen, sehr wenige politisch denkende Menschen, die sich noch dazu hergeben, Vorspanndienste für die britisch-bolschewistische Allianz zu leisten.“ Weiter führte Schmidt aus, wenn er nicht selbst Antibolschewist wäre, „man sollte das Schicksal und die Gerechtigkeit anflehen, dass es dem Bolschewismus den Sieg verleihen möge, damit die Herren in Göteborg und Schweden mit den „Segnungen“ dieses Bolschewismus auch einmal unmittelbar beglückt würden“. Ebd. Protokoll der Auslandspressekonferenz vom 15.1.1942, Leiter: Schmidt. Vgl. Weber (1948), S. 254-255. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 6, S. 139 (17.10.1942). Vgl. Weber (1948), S. 254-255. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 6, S. 177 (24.10.1942). Vgl. Smith (1982), S. 97.

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Martin Sommerfeldts als Sprecher des OKW auf den Pressekonferenzen des „Promi“ hervor. Dessen Aufgabe war es, den Korrespondenten täglich die militärische Lage zu erklären. Um bei den Journalisten Vertrauen in seine Vorträge zu wecken, versuchte Sommerfeldt sich „in jeder Lage so dicht an die Wahrheit zu halten, als es unter Wahrung der notwendigen militärischen Geheimhaltung zu verantworten war. Man musste ziemlich „schwindelfrei“ sein, um bei solchem täglichen Balanceakt auf dem Turmseil nicht einmal kopfüber abzustürzen und sich den Hals zu brechen“.449 Die Journalisten wertschätzten laut Fredborg Sommerfeldts Bemühungen. „Major Sommerfeldt endeavaoured to carry out his duties with benefit to both his employers and the foreign correspondents. But gradually his freedom of movement diminished, and at the time of my departure [am 31. Mai 1943, Anmerkung des Verfassers450] he could do no more than elaborate the official military text”.451 Oft, etwa wenn der Offizier mit wilder „Wortakrobatik“ den Journalisten den Unterschied zwischen „Rückzug“ und „Absetzbewegungen“ erklärte,452 war es für seine Zuhörer offensichtlich, dass sich Sommerfeldt in seiner Haut gar nicht wohl fühlte. „He guessed what we thought, and from those who knew him well enough he also heard it.”453 Goebbels jedoch beurteilte Sommerfeldts Ausführungen vor den Korrespondenten im Oktober 1943 immer noch als zu freisinnig. „Major Sommerfeldt hat vor der Berliner Auslandspresse einige Erklärungen abgegeben, die der neutralen Presse als Unterlage zu einer aufgelegten Panikmache dienen. Major Sommerfeldt hat schon häufiger durch solche Eskapaden geglänzt. Ich werde ihm jetzt eins aufs Dach geben.“454 Der Offizier wurde daraufhin auf Goebbelsʼ Betreiben scharf wegen seines Vortragstils verwarnt.455 Im Propagandaministerium war zudem bekannt, dass Sommerfeldt seit Stalingrad „einzelnen ausländischen Journalisten gegenüber kein Hehl“ daraus machte, dass er „die militärische Führung der Wehrmacht für unglücklich halte, und zwar an ihrer obersten Stelle“.456 Nachdem der Major im Juli 1944 auf einem Empfang der kroatischen Gesandtschaft angetrunken in einem Wortgefecht einige SS-Führer gefragt hatte: „Weshalb gehen Sie nicht an die Front, meine Herren?“, war seine kritische 449 450 451 452 453 454 455 456

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Sommerfeldt (1952), S. 69. Vgl. Fredborg (1944), S. 256. Ebd., S. 14. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 69. Fredborg (1944), S. 14. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 10, S. 147 (22.10.1943). Vgl. Ebd., S. 152 (23.10.1943). BArch, R 55/30156 Mitteilung Ministerialrat Schippert (Abteilung Propaganda) an Minister Goebbels „Zur Haltung der Referenten der Abteilung AP“ vom 19.8.1943.

Haltung zum NS-Regime auch öffentlich bekannt, jedoch deckten ihn Bekannte im OKW gegen Zugriffe von Seiten der Partei und der Gestapo.457 Ende 1944 machte sich Sommerfeldt weiter „durch eine Reihe an Landesverrat grenzender Redensarten und Handlungen sehr suspekt“458 und wurde im Dezember 1944 auf Initiative von Goebbels aus den Diensten des „Promi“ entlassen und von der Gestapo verhaftet.459 In den daran anschließenden Verhören legten ihm die Gestapoleute immer wieder seine Erklärungen vor der Auslandspresse zur Last.460 Jedoch kam Sommerfeldt – auf Betreiben des OKW – Anfang Januar 1945 aus der Haft frei und zog sich in ein Lazarett in Berchtesgaden zurück, wo er außerhalb der Blicke seiner Gegner in Berlin das Kriegsende erwartete.461 Abgesehen von der propagandistisch-inhaltlichen Information der Korrespondenten gaben sich Auswärtiges Amt und Propagandaministerium große Mühe, ausländischen Journalisten ihr Leben in Deutschland allgemein zu erleichtern. Die Liste der Gefälligkeiten, die die Ministerien den Korrespondenten offerierte, war lang.462 Dabei gestaltete sich der Übergang von mehr oder weniger angebrachter Unterstützung bis hin zur offenen Bestechung fließend. In nachvollziehbarem Bezug zur Arbeit der Korrespondenten stand deren Privileg, verbotene ausländische Zeitungen beziehen zu dürfen. Diese wurden den Korrespondenten wenigstens im Fall der Schweizer Korrespondenten über das Auslandspostbüro des Propagandaministeriums zugestellt, wo sie mit einigen Tagen Verspätung eintrafen.463 Zudem war es den Korrespondenten erlaubt, feindliche Radiosender abzuhören. Hierzu berechtigte sie eine kleine rote Kennkarte, die das Propagandaministerium verteilte.464 Zeit457 Vgl. Findahl (1946), S. 112-113. Auch Sommerfeldt schildert diesen Zwischen-

fall in seinen Erinnerungen. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 154-157. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 14, S. 363 (6.12.1944). Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 176-185. Vgl. Ebd., S. 191. Vgl. Ebd., S. 220. Dem Auswärtigen Amt gaben die Journalisten aufgrund seiner Generosität spaßeshalber den Beinamen „Ausgiebiges Amt“. Vgl. Lochner (1967a), S. 329, Brief Lochners vom 31.12.1939. Vgl. zu den Gefälligkeiten auch Stoop (1987), S. 321322. 463 Aufgrund dieses Umstandes enthielten die Zeitungen für die Korrespondenten keine Sensationen, stellten aber trotzdem eine „wertvolle Verbindung mit der Heimat“ dar. Vgl. Kalberer (1945), S. 8. 464 Vgl. Smith (1982), S. 46. Die Erlaubnis zum Hören der Auslandssender ging auf Karl Bömer zurück, der dieses Vorrecht im Januar 1940 für die Auslandskorrespondenten im RMVP durchsetzte. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 277. Protokoll der Ministerkonferenz vom 30.1.1940. 458 459 460 461 462

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weise hatten die Korrespondenten eigenständig einen Abhördienst organisiert, der Tag und Nacht am Radio die Auslandsnachrichten verfolgte. Die so gewonnenen Erkenntnisse teilten die Journalisten untereinander, sodass ihnen keine Information entging.465 Ab 1944 erhielten jedoch nur noch „zuverlässige“ Korrespondenten die Genehmigung zum Hören der Auslandssender, über die Goebbels persönlich entschied. Als – freilich nicht hinreichende – Kompensation wurde dafür in der Pressekonferenz des Auswärtigen Amtes täglich ein Überblick über die wichtigsten Auslandsmeldungen gegeben.466 Ebenfalls mit ihrer roten Kennkarte war es den Korrespondenten erlaubt, Taxis anzufordern, für deren Nutzung bei der normalen Bevölkerung seit Kriegsausbruch strenge Regeln galten.467 Mit einem Antrag inklusive schlüssiger Begründung konnten die ausländischen Journalisten zudem – wie sonst nur Diplomaten und wichtige Staatsfunktionäre – ihre Privatautos weiter nutzen.468 Ihre Wagen erhielten dazu am Nummernschild eine spezielle rote Markierung.469 Nachweislich bestanden Ausnahmeregelungen für die Autonutzung der Korrespondenten bis Kriegsende,470 die monatlich zugeteilte Benzinmenge variierte, erlaubte jedoch zunehmend nur noch kurze Fahrten.471 Die Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums unterhielt außerdem eine Stelle, die sich nur um die organisatorischen Aspekte des Arbeitens und Lebens der Auslandsjournalisten kümmerte. Deren Leiter, Amtsrat Griese, wurde aufgrund seiner Hilfsbereitschaft und Gutmütigkeit als „Feld465 Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 69. 466 Vgl. Kalberer (1945), S. 9. Fredborg berichtet, dass zudem schon 1943 einigen

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Korrespondenten das Recht zum Hören ausländischer Radiosendungen entzogen wurde. Vgl. Fredborg (1944), S. 10. Vgl. Smith (1982), S. 46. Vgl. Flannery (1942), S. 112; vgl. Lochner (1967b), S. 340. Für die zeitlich immer auf einige Monate befristeten Sondergenehmigungen war das Kraftverkehrsamt des Berliner Polizeipräsidiums zuständig. Nach Ablauf der Genehmigung fragte das Amt stets routinemäßig beim RMVP nach, ob der betreffende Journalist auch bei Anlegung eines „verschärften Maßstabes“ in Anbetracht der Treibstoffknappheit weiter sein Auto nutzen müsse. War dies nach Ansicht des RMVP der Fall, so antwortete man dem Kraftverkehrsamt, die Weiternutzung des Autos durch den Korrespondenten sei „im öffentlichen Interesse unbedingt notwendig“. Vgl. hierzu die entsprechende Korrespondenz zwischen RMVP und dem Kraftverkehrsamt aus dem Jahr 1942 in BArch, R 55/20883. Vgl. BArch, R 901/60528 Artikel von Ernest R. Pope mit dem Titel: „Blitzkrieg Reporting. Foreign Newspapermen in Berlin must move adroitly or be expelled for „abusing privileges“” aus Current History and Forum, 25.9.1940. Vgl. Findahl (1946), S. 153; vgl. Kronika (1946), S. 151. Vgl. Flannery (1942), S. 112.

webel der Kompagnie“472 der Korrespondenten bezeichnet. Er war „like a father to his foreign correspondents“ und unter diesen „the most popular of the officials in the Ministry of Propaganda.“473 Griese organisierte den Korrespondenten Wohnungen und Dienstpersonal, besorgte Visa für Auslandsund Ferienreisen, stellte Sonderausweise für Großereignisse aus und verteilte ermäßigte Eintrittskarten für Opern- und Filmaufführungen.474 Außerdem kümmerte er sich um den bürokratischen Prozess der Akkreditierung neuer Korrespondenten. Diesen besorgte er neben den nötigen Papieren des „Promi“ auch eine ganze Reihe von Sondererlaubnissen anderer Stellen wie beispielsweise des OKW. Die Korrespondenten mussten sich so eine Bewilligung etwa für die Freigabe ihres Telefonapparates für Auslandsgespräche nicht selbst organisieren.475 Weitere Privilegien der Korrespondenten bezogen sich auf deren Versorgung mit Lebensmitteln und Gebrauchsgütern. Die deutschen Stellen sorgten dafür, dass die Auslandskorrespondenten von den Rationierungsmaßnahmen der Kriegszeit nach Möglichkeit verschont blieben. Zu diesem Zweck klassifizierte sie das Regime als „Schwerarbeiter“ und teilte ihnen auf dieser Basis neben den normalen Rationen doppelte Mengen an Butter, Brot und Fleisch zu. Die entsprechenden Lebensmittelkarten erhielten die Korrespondenten alle zwei Wochen donnerstags im Anschluss an die Pressekonferenz des Propagandaministeriums ausgeteilt. Auch erlaubte und ermutigte das „Promi“ die Korrespondenten dazu, wöchentlich ein Paket Lebensmittel aus Dänemark zu beziehen.476 Erhöhte Mengen an Bezugsscheinen für Zigaretten und Kleidung wurden ebenfalls an die Auslandsjournalisten vergeben,477 mit denen sie in Spezialgeschäften einkaufen konnten.478 Die Auslandspresseabteilung kümmerte sich darüber hinaus um die Besorgung von Materialien und Gegenständen, die auf normalem Weg im Krieg nicht mehr zu beschaffen waren – vom Möbelstück bis zum Schreibmaschinenpapier. Insbesondere ausgebombte Korrespondenten wurden massiv mit Sachleistungen unterstützt.479 Kalberer (1945), S. 4. Fredborg (1944), S. 14. Vgl. Smith (1982), S. 45-46. Vgl. Kalberer (1945), S. 4-5. Zu der umfassenden Versorgung der Korrespondenten mit Nahrungsmitteln bemerkt Shirer: „If the way to a correspondent’s heart is through his stomach, then Dr. Goebbels certainly tries hard.“ Shirer (1941), S. 521. 477 Vgl. Conger (1943), S. 225; vgl. Fredborg (1944), S. 10. 478 Die Korrespondenten durften beispielsweise einen speziellen Schuhmacher aufsuchen, der ihnen an ihre Schuhe Ledersohlen statt der für den Rest der Bevölkerung vorgeschriebenen Holzsohlen montierte. Vgl. Flannery (1942), S. 165. 479 Vgl. Kalberer (1945), S. 11-13. 472 473 474 475 476

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Andere Sonderrechte der Korrespondenten wirkten sich unmittelbar auf deren finanzielle Lage aus. So wurden Auslandsjournalisten-Telegramme teilweise im Haupttelegraphenamt zu verbilligten Preisen versandt.480 Schwerwiegender war die Tatsache, dass Korrespondenten für ihre in ausländischer Währung nach Deutschland überwiesenen Gehälter einen derart guten Wechselkurs erhielten, dass sich ihr Lohn offenbar praktisch verdoppelte.481 Weiter mussten Korrespondenten feststellen, dass plötzlich wie durch Zauberhand ihre Telegraphen- und Telefonrechnungen von deutschen Stellen bezahlt waren. Nicht alle Korrespondenten intervenierten gegen diese indirekte Bestechung.482 Auf den von deutschen Stellen organisierten Auslands- und Frontreisen verteilten in der Regel die deutschen Reisebegleiter Geld in der Währung des jeweiligen Landes. Auch hier mussten die Korrespondenten von sich aus aktiv werden und darauf bestehen, ihren Reiseleitern den entsprechenden Betrag in Reichsmark zu erstatten – soweit sie daran Interesse hatten.483 Es war zudem ein offenes Geheimnis, dass eine nicht unwesentliche Anzahl der ausländischen Journalisten direkte Geldzuwendungen von deutscher Seite erhielt.484 Schließlich berichtet US-Korrespondent Conger von einem Bordell, welches das Auswärtige Amt eigens für die japanischen Korrespondenten in Berlin betrieb und in dem die Prostituierten einfache Konversationen auch auf Japanisch führen konnten.485 Die weitaus größte Rolle in der Betreuung der ausländischen Korrespondenten im Dritten Reich übernahmen im Laufe des Krieges Auslandspresseklubs, die das Auswärtige Amt und das Propagandaministerium in Berlin für die ausländischen Journalisten einrichteten.486 Das Auswärtige Amt ging hier Vgl. BArch, R 901/60527 Schmidt an Referat P XII, 21.5.1941. Vgl. Smith (1982), S. 46. Vgl. Fredborg (1944), S. 25. Vgl. Lochner (1943), S. 236. Vgl. Conger (1943), S. 224; vgl. Harsch (1941), S. 271; vgl. Oechsner (1943), S. 43. 485 Vgl. Conger (1943), S. 225. 486 Auf die Arbeit der Auslandspresseklubs ist bereits Longerich in seiner Studie über die Presseabteilung des AA unter Ribbentrop eingegangen. Vgl. Longerich (1987), S. 286-290. Longerichs Analysen beschränken sich jedoch weitgehend auf Ausschnitte aus den bürokratisch-institutionellen Hintergründen des „Auslands-Presse-Klubs“ des AA und aus dessen Konflikten mit dem Propagandaministerium. Im Folgenden werden die von Longerich untersuchten Akten nochmals unter wesentlich erweiterten Gesichtspunkten ausgewertet. Dabei werden neben den von Longerich beachteten Punkten insbesondere die konkreten Inhalte der Arbeit der Klubs herausgearbeitet und deren Bedeutung als Propagandainstrumente – unter Hinzuziehung weiterer Quellen – bewertet. Allge480 481 482 483 484

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vorneweg und eröffnete im April 1940 den „Auslands-Presse-Klub“487 in der Berliner Fasanenstraße in einer Villa, die zuvor die „Deutsch-EnglischeGesellschaft“ belegt hatte.488 Die Wichtigkeit des Klubs in den Augen der Führung des Auswärtigen Amtes unterstreicht, dass neben etwa 60 geladenen Korrespondenten und einer Reihe von höheren Beamten zur offiziellen „Übergabe“ an die ausländischen Journalisten am 18. April Ribbentrop persönlich erschien489 und dort ausführlich über „international co-operation and good will to all on part of the Reich“490 sprach. Offiziell sollte der Klub den ausländischen Journalisten in der Reichshauptstadt Leben und Arbeit erleichtern, jedoch hatte die Einrichtung einen klaren propagandistischen Zweck, den Paul Karl Schmidt folgendermaßen umschrieb: „Durch die unmittelbare Verbindung mit der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes sollte es ermöglicht werden, eine Lenkung der Nachrichtenpolitik der fremden Korrespondenten vorzunehmen und die politische Ausrichtung des Dritten Reiches diesen Herren nach unseren Wünschen nahezubringen.“491

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mein wird die gesamte Tätigkeit der beiden Klubs genauer als bei Longerich einer Detailuntersuchung unterzogen. Der Klub war ein formal gegründeter Verein bestehend aus sieben Mitgliedern der Presseabteilung des AA. Mietzahlungen für die Räume liefen über die Rechts- und Personalabteilung des Ministeriums, die laufenden Kosten wurden aus dem Kriegssonderfonds der Presseabteilung finanziert. Vgl. PA AA, R 27892 Aufzeichnung für Herrn Reichsaußenminister, 16.4.1940. Geschäftsführer wurde zunächst Grosse, den Schmidt jedoch im Juni 1941 absetzte und die Leitung des Klubs selbst übernahm. Die operative Führung der Einrichtung erledigte in der Folgezeit Schneditz, unterstützt von Feldmann, Schmidts Sekretär, als Beauftragtem für alle Fragen der politischen und gesellschaftlichen Organisation des Klubs und Kagel als ökonomischem Leiter. Vgl. Ebd. Schmidt an Kleinlein und Steinbach, 26.6.1941. Schneditz verfügte über ein Büro mit fünf Damen, die Sekretariats- und Buchhaltungsaufgaben erledigten, eine Hausdame, einen Haushofmeister (beide mit Personal), sowie das Küchenpersonal. Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis 31.12.1940. Planungen für „eine zwanglose Aufenthaltsstätte“ für Auslandskorrespondenten gab es jedoch auch im RMVP schon im Januar 1940. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 258. Protokoll der Ministerkonferenz vom 5.1.1940. INS-Korrespondent Huss berichtet in seinen Erinnerungen gar, die Idee für einen Auslandspresseklub sei Karl Bömer von Paul Karl Schmidt gestohlen worden, der diese dann nur schneller umgesetzt hätte. Für diese These finden sich jedoch keine Beweise in anderen Quellen. Vgl. Huss (1943), S. 105. Vgl. PA AA, R 27892 Aufzeichnung für Herrn Reichsaußenminister, 16.4.1940. Huss (1943), S. 106. PA AA, R 27892 Schmidt an Jochen, 30.6.1942.

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Um die Korrespondenten an seinen Klub zu binden scheute Schmidt, der sich dort ebenso wie die Referenten der Presseabteilung des AA täglich aufhielt,492 keine Mühen und Kosten. Schmidt stattete das Gebäude in der Fasanenstraße sukzessive mit Schachspielen, Billardtisch und zwei Tischtennisplatten aus, richtete eine Bibliothek ein493 und besorgte ein eigenes Auto, das die Korrespondenten im Pendelverkehr zwischen Klub und Wilhelmstraße transportierte.494 In den verschiedenen Aufenthaltsräumen der Villa ließ Schmidt teure Sessel aus rotem Leder aufstellen und dicke Teppiche auslegen,495 sodass dort eine sehr gediegene und gemütliche,496 wenn nicht sogar luxuriöse Atmosphäre herrschte.497 Auf den Tischen der Aufenthaltsräume lagen zudem täglich aktuelle Meldungen verschiedener Nachrichtenbüros und Zeitungen aus Deutschland und der Welt.498 Höchsten Wert legte Schmidt zudem auf die kulinarische Verpflegung der Auslandskorrespondenten in den Speiseräumen des Klubs.499 Trotz ihrer zusätzlichen Essensrationen bekamen die ausländischen Journalisten die Lebensmittelknappheit im Reich zu spüren, mit gutem Essen waren sie daher zu locken.500 Als großer Vorteil für das AA erwies sich hier der hauseigene diplomatische Kurierdienst, mit dessen Hilfe Schmidt hochwertige Nahrungsmittel und Getränke aus ganz Europa in seinen Klub schaffte. Einkaufsorte der Presseabteilung waren im Dezember 1940 Belgrad, Budapest, Kopenhagen, Lissabon, Madrid, Rom und Stockholm.501 Weiter erhielt der „AuslandsPresse-Klub“ im August 1941 aus Paris eine Lieferung mit Cognac und Likör im Wert von 2.100 Reichsmark.502 Im August 1942 unternahm Clubchef Schneditz sogar eine einwöchige Reise nach Lissabon, die nur dem Einkauf 492 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.5. bis

30.6.1942. 493 Vgl. Ebd. Aktennotiz für Herrn VLR Dr. Schmidt, 9.10.1940. 494 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis

495 496 497 498 499 500 501 502

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30.11.1940. Ob das Schwimmbecken, dessen Bau im Garten des Klub-Hauses im Frühjahr 1941 in Planung war, schließlich realisiert wurde, ließ sich aus den Akten nicht rekonstruieren. Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.1941. Vgl. Huss (1943), S. 105. Vgl. Fredborg (1944), S. 26. Vgl. Conger (1943), S. 225. Vgl. Smith (1982), S. 46. Vgl. zu den folgenden Ausführungen zur Ausstattung des Klubs mit Lebensmitteln auch Longerich (1987), S. 289-290. Vgl. Shirer (1941), S. 522. Vgl. PA AA, R 27892 Aufstellung für Dezember 1940. Vgl. Ebd. Dt. Botschaft Paris Zeitschel an Schmidt, 15.8.1941.

von Lebensmitteln für den kommenden Winter diente. Diese schaffte Schneditz dann per Sonderzug im Gepäck von aus Südamerika über Lissabon nach Deutschland zurückreisenden Diplomaten zollfrei nach Berlin.503 Zu einem faux pas kam es im Dezember 1940, als ein eigentlich für die Ehefrau des Reichsaußenministers bestimmtes Wildschwein aus Budapest, das ohne Angabe des Empfängers im Auswärtigen Amt ankam, von der dortigen Presseabteilung umgehend in den „Auslands-Presse-Klub“ weitergeleitet „und dort von den Herren Auslandsjournalisten verzehrt wurde“.504 Aufgrund dieses Aufwandes bot sich den Korrespondenten im „AuslandsPresse-Klub“ des AA eine insbesondere im Vergleich zur Restbevölkerung an Quantität und Qualität bemerkenswerte Auswahl an Lebensmitteln,505 die durch hochwertige Weine, Spirituosen und echten Bohnenkaffee ergänzt wurde506 und zudem auch ohne die Vorlage von Essenmarken verfügbar war.507 In zwei Schichten arbeitete ein Küchenchef mit jeweils vier Helfern vom Morgen bis gegen Mitternacht, um den Gästen die gewünschten Gerichte zuzubereiten.508 Im Verlauf des Krieges verteidigte die Presseabteilung ihre nach außen verschwenderisch wirkende Nahrungsmittelpolitik konsequent gegen Forderungen anderer amtlicher Stellen nach Sparsamkeit. So erklärte Schmidt im Juni 1942 dem Landeswirtschaftsamt, die „Sonderstellung“ seines Klubs, der zu dieser Zeit als „Wehrwirtschaftsbetrieb“ firmierte, sei aufgrund der außerordentlichen propagandistischen Bedeutung der Einrichtung gerechtfertigt.509 Beim Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft argumentierte man zwei Monate später in gleicher Weise, gerade jetzt im Krieg komme es darauf an, „die hiesigen Auslandskorrespondenten zusammenzuführen, um sie ständig politisch zu beeinflussen“. Gleichzeitig klagte man über „große Versorgungsschwierigkeiten mit Wein und Spirituosen“ und bat um Sonderzuteilungen.510 Da der Krieg sich ebenfalls auf das kulturelle Leben und die Unterhaltungswirtschaft der Reichshauptstadt auswirkte, versuchte Schmidt die Korrespondenten auch mit Angeboten aus diesen Bereichen anzuziehen. In den ersten eineinhalb Jahren seines Bestehens setzte der Klub darauf, das Bedürf503 Vgl. Ebd. Aufzeichnung Schneditz, 27.8.1942. 504 Für dieses „Missgeschick“ entschuldigte sich Schmidt in einem Brief bei der

Ehefrau des Ministers. Vgl. Ebd. Schmidt an Ribbentrop, 13.12.1940 (Entwurf). Vgl. Kalberer (1945), S. 11. Vgl. PA AA, R 27892 Aktennotiz für Herrn VLR Dr. Schmidt, 9.10.1940. Vgl. Ebd. Aufzeichnung Schneditz, 11.9.1942. Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis 31.12.1940. 509 Vgl. Ebd. Schmidt an Jochen, 30.6.1942. 510 Vgl. Ebd. Rasche an Wilfort, 22.8.1942. 505 506 507 508

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nis der ausländischen Journalisten nach Amüsement zu befriedigen. So trat dort das bekannte „Kabarett der Komiker“ auf,511 das Tanzverbot wurde locker gehandhabt512 und im März 1941 sogar zur besseren musikalischen Unterhaltung die Kapelle des Klubs verstärkt.513 An Feiertagen wurden Feste veranstaltet, bei denen es fröhlich zuging. Die Silvesterparty des Klubs Ende 1940 zählte 150 Gäste; einige Tage zuvor hatte man die Korrespondenten auf einer Weihnachtsfeier mit „satirischen Geschenken“ bedacht. Der schwedische Journalist Svahnström spielte dort den Weihnachtsmann – „mit sichtlichem Erfolg trotz einiger politischer Entgleisungen“.514 Erst mit den Misserfolgen des Kriegswinters 1941 fuhr der Klub auf Schmidts Anweisung solcherart Veranstaltungen zurück. Für die Silvesterfeier Ende 1941 ordnete Schmidt an, dass dort „jeder ausschweifende Charakter von vorneherein im Keime erstickt“ werden müsse und „keine Trunkenheitsexzesse und randalierende Erscheinungen“ zu tolerieren seien.515 Im Februar 1942 erteilte er zudem neue Richtlinien für die generelle Arbeit des Klubs: „Alle Veranstaltungen im Auslands-Presse-Klub wie auch der tägliche Betrieb sollen gleichsam ein Spiegelbild sein für die Sicherheit unserer Haltung, die Schlichtheit unserer Lebensführung und die Leistungen kultureller Art, die wir in einer Zeit, in der die Millionenheere an den Fronten die Heimat verteidigen, in der Lage sind, zu Wege zu bringen.“ Sämtliche Veranstaltungen müssten daher zukünftig einen „würdigen, ernsten Charakter“ haben, das Fröhliche dürfe nur noch auftreten, wenn es „gleichzeitig von einem schönen Ernst“ zeuge. Betreffend die an Samstagabenden Unterhaltungsmusik spielende Kapelle erklärte Schmidt, diese solle „in Zukunft kein nur auf Heiterkeit abgestimmtes Programm bringen. Unter allen Umständen bitte ich zu verhindern, dass einige Musiker der Kapelle von Gästen aufgefordert in der kleinen Bar des Auslands-Presse-Klubs eine Art Stimmungsmusik machen.“516 In der Folgezeit setzte der Klub zumindest zeitweise vermehrt auf kulturelle Veranstaltungen, die es allerdings auch schon unmittelbar nach dessen Gründung gegeben hatte. Schauspieler aus den verschiedenen Theatern Ber-

511 Vgl. Ebd. Aufzeichnung für Herrn Reichsaußenminister, 16.4.1940. 512 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis

31.8.1940.

513 Vgl. Ebd. Aufzeichnung für Herrn Gesandten Schmidt, 6.3.1941. 514 Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis

31.12.1940. 515 Vgl. Ebd. Weisung an Herrn Feldmann, 30.12.1941. Vgl. für den Wechsel in der

Veranstaltungspolitik des Klubs auch Longerich (1987), S. 288-289.

516 PA AA, R 27892 Schmidt an Schneditz, 3.2.1942.

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lins gaben Darbietungen deutscher Klassiker517 und verschiedene Wissenschaftler hielten Vorträge über geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Themen.518 Kleine Konzerte und Kunstausstellungen, etwa alter japanischer Rollbilder und Holzschnitte, rundeten das Programm ab.519 An den verschiedenen Veranstaltungen wirken so prominente Persönlichkeiten wie Gustav Gründgens, Gerhart Hauptmann und Ferdinand Sauerbruch mit.520 Neben Amüsement und Kultur bot sich den Korrespondenten im „Auslands-Presse-Klub“ des Auswärtigen Amtes schließlich ein dichtes Programm an politischen Informationsveranstaltungen. Im Jahr 1940 kamen mehrere höhere NS-Führungspersönlichkeiten wie Robert Ley zu Vorträgen in den Klub, bei denen auch Interviewmöglichkeiten bestanden.521 Im März 1941 besuchten Ribbentrop und sein japanischer Amtskollege die Einrichtung. Für diese Veranstaltung wurden jedoch nur Korrespondenten verbündeter Nationen und einige „zuverlässige“ Journalisten zugelassen.522 Ab Sommer 1941 kamen solcherart Treffen jedoch kaum noch vor. „Die bisherige Gepflogenheit der Auslandsjournalistenabende mit führenden deutschen Persönlichkeiten musste stark eingeschränkt werden, da die entsprechenden Herren ausserordentlich stark in Anspruch genommen waren und teilweise über keine freie Zeit verfügten, teilweise sich scheuten, während dieser Monate Journalisten gegenübergestellt zu werden.“523 Stattdessen verlegte man nun den Schwerpunkt auf Aktivitäten wie etwa ein Treffen zwischen Korrespondenten und deutschen Studenten, die an der Ostfront kämpften,524 einen Empfang zu Ehren des indischen Nationalistenführers Subhas Chandra Bose oder einen Vortrag des Gesandten Thomsen über seine Internierung in den USA nach

517 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.3. bis

30. 4. 1942.

518 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.5. bis

30.6.1942. 519 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des APC über das letzte Quartal des Jahres 1942. 520 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.3. bis

30.4.1942. 521 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis

30.9.1940. Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Lochner (1943), S. 238.

522 Vgl. PA AA, R 27892 Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit

vom 1. bis 31.3. 1941. 523 Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.4. bis

30.6.1941.

524 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. 3. bis

30.4.1942.

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der deutschen Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten.525 Zudem gab es Teeempfänge, Cocktailempfänge und Bierabende, die sich an bestimmte Nationengruppen unter den Korrespondenten richteten. Diese Veranstaltungen leitete der jeweils zuständige Länderreferent der Presseabteilung oder Schmidt persönlich und erläuterte die politischen Entwicklungen bezüglich des ausgewählten Landes.526 Wichtigstes Mittel der politischen Information des „Auslands-PresseKlubs“ waren jedoch Stammtische, die in unregelmäßigen Abständen527 immer dienstags528 in den Räumlichkeiten in der Fasanenstraße unter der Leitung Paul Karl Schmidts stattfanden und zu denen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 25529 und 40530 oder bis zu 60531 Korrespondenten geladen wurden. Laut den von Schneditz verfassten Arbeitsberichten stellten die Stammtische eine „Kernzelle des Klublebens“ dar und bestanden aus „politischer Diskussion“ zu einem vorher von Schmidt festgelegten Thema.532 Faktisch waren die „Diskussionen“ jedoch kaum dialektischer Art und beinhalteten „to a large extend lengthy orations by Schmidt himself“.533 Der Presseabteilungsleiter „claimed that his guests were the cream of the Berlin corps of journalists. This ‘cream’ contained all the Rumanians, Bulgarians, Slovaks and

525 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.5. bis

30.6.1942.

526 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des APC über das letzte Quartal des Jahres 1942.

527

528

529 530 531 532 533

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Einen solchen Empfang für die skandinavischen Korrespondenten am 24. August 1944 schildert Findahl in seinen Erinnerungen. Auf der Zusammenkunft wurde jedoch wegen der im Sommer 1944 schon ausweglosen Lage Deutschlands „nicht ein einziges ernsthaftes Wort über Politik geredet“. Findahl (1946), S. 137. Longerich gibt an, die Stammtische hätten wöchentlich stattgefunden. Vgl. Longerich (1987), S. 286. Aus den verschiedenen Arbeitsberichten des Klubs geht jedoch hervor, dass die Zusammenkünfte unregelmäßig und nie öfter als zweimal im Monat veranstaltet wurden. Ein Stammtisch für die außenpolitischen Redakteure der deutschen Presse tagte immer mittwochs mit etwa 15 bis 20 Teilnehmern unter der Leitung des für die deutsche Presse zuständigen Referenten Lohse. Vgl. PA AA, R 27892 Arbeitsbericht des APC über das letzte Quartal des Jahres 1942. Vgl. Ebd. Rasche an Wilfort, 22.8.1942. Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.3. bis 30.4.1942. Vgl. Fredborg (1944), S. 24. Vgl. PA AA, R 27892 Arbeitsbericht des APC über das letzte Quartal des Jahres 1942. Fredborg (1944), S. 23.

Croats”,534 bemerkt Fredborg zur Qualität des Stammtisches, zu dem sonst noch einige wenige Skandinavier und Schweizer zugelassen waren.535 Verhielten sie sich dort zu kritisch, wurden sie nicht mehr eingeladen.536 Insbesondere gegen Kriegsende sprach auf Zusammenkünften nur noch Schmidt. „Wie viele Male hat er nicht Dienstags abends am „Stammtisch“ im APC den Köder ausgeworfen, um ein wirklich politisches Gespräch über politische Themen in Gang zu bringen, aber keiner hat angebissen, wohl wissend, daß der Haken urplötzlich in seinem Halse sitzen bleiben konnte, und Paul Schmidt hat sein Selbstgespräch fortsetzen müssen“,537 berichtet der norwegische Korrespondent Theo Findahl über die bedrückende Atmosphäre der Treffen 1944. Allerdings verkündete Schmidt in seinen Monologen im Gegensatz zu seinen Vorträgen auf den Auslandspressekonferenzen immer wieder – gezielt oder unbewusst – heikle Informationen, was den Besuch auf den Stammtischen für die Korrespondenten unter dem Strich lohnend machte.538 Die Besucher des „Auslands-Presse-Klubs“ berichten davon, dass dort eine große Menge von Spitzeln verkehrte und vermuten, dass die Gespräche in den Räumen des Klubs abgehört wurden.539 Hiergegen spricht, dass Schmidt persönlich den Vorschlag zum Einbau einer Abhöranlage in seinem Klub im Juli 1940 ablehnte.540 Dass eine Reihe von Spähern in dem Klub unterwegs war, kann jedoch als sicher eingestuft werden. Sommerfeldt berichtet, verschiedene Mitglieder des Personals hätten für die Abwehr oder den SD gearbeitet.541 Der US-Korrespondent Flannery gibt an, der Klub „was always thronged with young blonde Nazi girls there to lure some of the foreign correspondents into making dates with them and, at the same time, gain information for their employers, the Gestapo“.542 Ebenfalls in der Fasanenstraße unterwegs war eine Reihe von „glad-handers“ – weltgewandte, sprachenkundige Männer, die gegenüber den Korrespondenten jovial mit liberalen Ansichten posierten. Louis Lochner vermutet, dass sie auf diese Weise für ihre

534 Ebd. 535 Vgl. Ebd.; vgl. Kalberer (1945), S. 10-11. 536 So gab Schmidt im August 1942 Schneditz die Weisung: „Der dänische Jour-

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nalist Knudsen ist ab sofort nicht mehr zum Stammtisch einzuladen.“ Vgl. Ebd. Notiz für Herr Schneditz von Schmidt, 31.8.1942. Findahl (1946), S. 12. Vgl. Fredborg (1944), S. 23; vgl. Kalberer (1945), S. 10-11. Vgl. Fredborg (1944), S. 26. Vgl. PA AA, R 27892 Notiz für Herrn Ges.Rat Krümmer, 9.7.1940. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 74. Flannery (1942), S. 114.

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Auftraggeber bei der Gestapo versuchten, den Korrespondenten Informationen und deren wahre Ansichten zum Regime zu entlocken.543 Nachweislich existierte der „Auslands-Presse-Klub“ mit seinen Feiern, Empfängen und Unterhaltungsabenden bis in die letzten Kriegstage.544 Nachdem der Klub in der Fasanenstraße im November 1943 ausgebombt wurde,545 zog die Einrichtung in die Privatvilla Joachim von Ribbentrops in der Lentzeallee 7-9 in Dahlem um. Große Teile der Villa und deren Garten standen den Korrespondenten zur Verfügung.546 Bis früh in den Morgen verfolgten die Gäste des Klubs dort am Radio im November 1944 die Präsidentschaftswahlen in den USA.547 Auf der alljährlichen Weihnachtsfeier im Dezember 1944 hielt Schmidt eine „halb weihnachtliche, halb politische Rede“, in der nach Meinung seines Mitarbeiters Hans-Georg von Studnitz „etwas zu viel von der Sonnenwende“ vorkam.548 Für die letzten Kriegsjahre ist der „Auslands-Presse-Klub“ den Korrespondenten jedoch vor allem für eine Sache in Erinnerung geblieben – ausschweifende Feiern. Von der Zurückhaltung, die Schmidt noch im Winter 1941 angemahnt hatte, scheint in dem Klub bis Kriegsende nicht viel geblieben zu sein. „Tanz auf dem Vulkan“ oder „Nach uns die Sintflut!“ – dies waren nach dem norwegischen Journalisten Theo Findahl passende Überschriften zu den Festivitäten im „Chez Paul“, wie die Korrespondenten den von Schmidt geführten Klub in Dahlem spaßeshalber nannten.549 Im Juni 1944 tanzten Journalisten und Beamte des Auswärtigen Amtes mit ihren – oder fremden – Frauen in Ribbentrops Bibliothek Swing, Alkohol floss in Strömen.550 Ähnliche Feiern gab es auch noch im März 1945.551 Und anlässlich eines gesellschaftlichen Essens im „Auslands-Presse-Klub“ am 12. April 1945 stellte der dänische Korrespondent Jacob Kronika fest: „Die Ribbentrop-Villa muss sehr gute Vorräte an Eßwaren gesichert haben. Auch an Weinen gibt es immer noch genug in diesem Haus“.552 Im März 1945 gehegte Pläne, den Klub mitsamt einigen Auslands543 Vgl. Lochner (1943), S. 236-237. 544 Die relevanten überlieferten Akten in den Handakten Schmidts umfassen nur

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den Zeitraum von der Gründung des Klubs im April 1940 bis zum Dezember 1942. Die Aktivitäten des Klubs in den restlichen Kriegsjahren lassen sich jedoch aus den Erinnerungen verschiedener Journalisten grob rekonstruieren. Vgl. Studnitz (1963), S. 146. Vgl. Findahl (1946), S. 9; vgl. Sommerfeldt (1952), S. 73. Vgl. Studnitz (1963), S. 222. Vgl. Ebd., S. 235. Vgl. Findahl (1946), S. 9. Vgl. Ebd., S. 17. Vgl. Kronika (1946), S. 76-77. Ebd., S. 108.

korrespondenten und Mitarbeitern der Presseabteilung aus Berlin nach Mülhausen in Thüringen umzuquartieren, wurden nicht realisiert.553 Im April 1945 war das Klubhaus in Dahlem wegen sich verschlechternder Verkehrsverhältnisse für die Korrespondenten nur noch schwerlich erreichbar.554 Am 15. April 1945 schloss der Klub seine Türen, da Ribbentrops Ehefrau – wie oben erwähnt – Eigenbedarf anmeldete.555 Die Gründung des „Auslands-Presse-Klubs“ durch die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes im April 1940 wurde im „Promi“ höchst kritisch verfolgt. Die Auslandspresseabteilung des Goebbels-Ministeriums betrachtete den Klub als „eine Einmischung des Auswärtigen Amtes in die ureigensten Gebiete des Propagandaministeriums“.556 Karl Bömer, der bei der Eröffnung des Klubs des AA zur Wahrung des Scheins anwesend war, kochte genau wie Goebbels vor Wut über den Vorstoß Ribbentrops und Schmidts557 und machte sich umgehend auf die Suche nach Räumlichkeiten für einen eigenen Klub. Die Wahl des „Promi“ fiel auf die Räume des ehemaligen „Deutschen Automobil Clubs“ am Leipziger Platz in unmittelbarer Nähe zur Wilhelmstraße. Dort war 1940 der „Deutsche Auslands-Club“ unter der Leitung von Adolf Friedrich zu Mecklenburg untergebracht. Goebbels setzte Mecklenburg und dessen Klubleitung kurzerhand ab und ordnete den „Deutsche AuslandsClub“ seinem Ministerium unter.558 Anfang Dezember 1940 wurde der Klub im Beisein Goebbelsʼ559 feierlich für die Auslandsjournalisten eröffnet.560 Vor und auch noch nach der Einweihung renovierte das „Promi“ die Räume des Klubs mit hohen Geldsummen561 und richtete sie mit einer Ausstattung ein, die in offensichtlicher Weise die des „Auslands-Presse-Klubs“ des Auswärtigen Amtes übertreffen sollte.562 Bömers Klub umfasste vollausgestattete Arbeitsräume mit Telefonen, Tischen, Schreibmaschinen und Ra-

553 554 555 556 557 558 559 560 561 562

Vgl. Studnitz (1963), S. 266. Vgl. Kronika (1946), S. 108-109. Vgl. Ebd., S. 118. PA AA, R 27892 Streng vertrauliche Aufzeichnung für Herrn Gesandten Dr. Schmidt, 20.1.1941. Vgl. Huss (1943), S. 106. Vgl. Lochner (1943), S. 237. Vgl. Flannery (1942), S. 120. Goebbels erklärte den Journalisten großzügig: „The place is yours.“ Lochner (1943), S. 238. Vgl. PA AA, R 27892 Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis 30.11.1940. In den Memoiren der Korrespondenten ist von bis zu mehreren Millionen Reichsmark die Rede. Vgl. Shirer (1941), S. 522. Vgl. Conger (1943), S. 225.

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diogeräten,563 die es den Korrespondenten ermöglichten, ihr eigenes Büro aufzulösen und nur noch vom Leipziger Platz aus zu arbeiten.564 In den Erinnerungen der Journalisten ist zudem die Lautsprecheranlage des Klubs haften geblieben, die bei Bedarf Anwesende per Ausrufung in das Sekretariat bat, um einen Telefonanruf entgegenzunehmen.565 Ebenfalls lagen im „Deutschen Auslands-Club“ die neuesten internationalen Agenturmeldungen und Zeitungen aus. Die Bar des Klubs war wesentlich größer als die des „AuslandsPresse-Klubs“ des AA und laut Howard K. Smith „die vielleicht schickste Bar von ganz Berlin“.566 In Gesellschaftsräumen, deren Wände mit grüner Seide bespannt waren, wurde abends auf zwei Flügeln Klaviermusik dargeboten.567 Auch die großzügigen Speisesäle fassten mehr Personen als die der Konkurrenz des AA.568 Die Versorgung mit Getränken und die Bewirtung waren gut, jedoch nicht auf dem Niveau der durch die diplomatischen Kuriere gestützten Küche des AA.569 Insgesamt wirkte der „Deutsche Auslands-Club“ am Leipziger Platz im Urteil der Journalisten pompöser, aber nicht gemütlicher als seine Konkurrenz in der Fasanenstraße.570 Das Angebot an die Korrespondenten ähnelte im „Deutschen AuslandsClub“ dem des „Auslands-Presse-Klubs“. Es gab Vorträge kultureller, politischer und wissenschaftlicher Art, Konzerte, Ausstellungen, Empfänge und Unterhaltungsabende, bei denen Musik gespielt wurde. Auch in der Dichte an Spitzeln und Spähern stand die Einrichtung des „Promi“ der des Auswärtigen Amtes in nichts nach.571 Im Gegensatz zu Ribbentrop hielt sich Goebbels jedoch offenbar häufiger im Klub seines Ministeriums auf und lud einen Kreis von Korrespondenten um sich an die Bar. Wie Wilhelm Kalberer berichtet, lockerte er dort zunächst mit alkoholischen Getränken und leichten Themen wie Theater und Film die Atmosphäre auf. Dann stellte Goebbels unvermittelt politische Fragen. Für die Korrespondenten galt es, in diesen Augenblicken ihre Zungen im Zaum zu halten, denn einige Meter neben der 563 Vgl. Huss (1943), S. 106. 564 Vgl. Smith (1982), S. 46. 565 Vgl. Kalberer (1945), S. 11; vgl. Lochner (1943), S. 237; vgl. Fredborg (1944), S.

26. Smith (1982), S. 46. Vgl. Huss (1943), S. 106. Vgl. Lochner (1943), S. 237. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 73. Vgl. Findahl (1946), S. 13; vgl. Fredborg (1944), S. 26. Sommerfeldt erklärt zur Atmosphäre des „Promi“-Klubs: „Der DAC war nazistischen Stils: technische Großzügigkeit mit dem Odeur eines neuen und nicht ganz ehrlich, aber schnell erworbenen Reichtums.“ Sommerfeldt (1952), S. 72. 571 Vgl. Kalberer (1945), S. 9-11; vgl. Lochner (1943), S. 237. 566 567 568 569 570

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Gesprächsrunde stenographierten Mitarbeiter des „Promi“ die Unterhaltungen mit.572 Ab dem Beginn des Jahres 1942 veranstaltete zudem Ernst Brauweiler im „Deutschen Auslands-Club“ sogenannte „Kontaktabende“,573 zu denen 60 bis 80 Journalisten, Diplomaten und einige deutsche Beamte eingeladen wurden. Die Abende fanden alle zwei Wochen statt und umfassten Besprechungen zur politischen Entwicklung sowie ein kleines Konzert.574 Weiter übernahm nach Kriegsausbruch Goebbels die Protektion des Stammtisches der „Essener Nationalzeitung“ unter der Führung Erich Schneyders. Der Stammtisch, der in der Vorkriegszeit in einem Restaurant in der Potsdamerstraße stattgefunden hatte,575 wurde in den „Deutschen Auslands-Club“ verlegt, wo er weiterhin wöchentlich donnerstags zusammentraf. Ähnlich des Ablaufs vor dem Krieg bestanden Schneyders Zusammenkünfte aus einem Vortrag hoher NS-Führer und einer daran anschließenden Diskussion, die auch zu Kriegszeiten „a tight-rope dance“576 blieben und für die Journalisten interessante Informationen abwarfen.577 Schneyders Donnerstagsstammtisch bildete das Pendant zu Schmidts Dienstagsstammtisch.578 Schließlich hielt Martin Sommerfeldt jeden Freitagabend einen Stammtisch ab, zu dem er eine kleine Gruppe von Korrespondenten einlud. Auf die Treffen brachte Sommerfeldt nach eigenem Bekunden frisierte Operationskarten des OKW mit, die er als geheime Karten ausgab. Da die ausländischen Berichterstatter seinen Vorträgen zur militärischen Lage während der Pressekonferenzen keinen Glauben mehr schenkten, versuchte der Offizier auf diese Weise, den Korrespondenten ein geschöntes Bild der Lage zu verkaufen – unter dem Deckmantel vermeintlicher Weitergabe vertraulicher Informationen auf den Karten.579 Gleich seiner Konkurrenz vom Auswärtigen Amt bestand der „Deutsche Auslands-Club“ bis wenige Tage vor der deutschen Kapitulation. Offiziell geschlossen wurde er nie, jedoch traf der dänische Korrespondent Kronika 572 Laut Kalberer kam es sogar vor, dass unvorsichtige Korrespondenten ihre

573 574 575 576 577 578 579

Kommentare aus den abendlichen Gesprächsrunden danach über deutsche Nachrichtenagenturen in der Welt verbreitet sahen. Vgl. Kalberer (1945), S. 2426. Neben Goebbels besuchte auch Reichspressechef Otto Dietrich den Klub offenbar öfters persönlich. Vgl. Krings (2010), S. 380-381. Vgl. PA AA, R 27892 Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.3. bis 30.4. 1942. Vgl. Ebd. Aufzeichnung Schneditz, 2.4.1942. Zu Schneyders Stammtisch in der Vorkriegszeit vgl. oben, S. 111-112. Fredborg (1944), S. 23. Vgl. Kronika (1946), S. 144-147; vgl. Lochner (1943), S. 241-243. Vgl. Fredborg (1944), S. 23. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 197-200.

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dort bei einem Besuch Mitte April 1945 kein Personal mehr an.580 Am 23. April wurden in dem Klub von einigen Korrespondenten, die sich trotz Absperrungsmaßnahmen im Stadtzentrum Berlins dorthin durchgeschlagen hatten, in einem „Symposium des Untergangs“ die Weinvorräte des Klubs geplündert, wobei „die feinsten Marken von hohem Alter aus dem Keller geholt“ wurden.581 Wie oben angedeutet standen die beiden Auslandspresseklubs des Auswärtigen Amtes und des Propagandaministeriums in scharfer Konkurrenz zueinander.582 Um den öffentlichen Umgang mit dieser Konkurrenz zu besprechen, trafen sich Anfang 1941 zwei Vertreter der Ministerien, Grosse und Wilmsen. Der Vertreter des „Promi“, Wilmsen, erklärte, die „Herausforderung“ durch das AA habe sein Ministerium nicht unbeantwortet lassen können, jedoch sei man bereit, etwa gewisse Wochentage dem Auslandspresseklub des AA zur Durchführung wichtiger Veranstaltungen zu überlassen. Auch könne man sich um „die Fassade zu wahren“ in Zukunft gegenseitig in die rivalisierenden Klubs einladen. Auf alle Fälle gelte es „bei den Auslandsjournalisten so wenig wie irgend möglich den Anschein aufkommen zu lassen, dass es sich bei den beiden Klubs um Konkurrenzunternehmen handele“.583 An diese Vorhaben hielten sich Auswärtiges Amt und Propagandaministerium nicht. Ab 1941 entwickelte sich ein dauerhafter und für die Korrespondenten klar erkennbarer Kampf zwischen den Klubs,584 die sich mit ihren Leistungen gegenseitig zu überbieten versuchten. Im Auswärtigen Amt klagte man daher permanent über „die jederzeit bewiesene unfreundliche und unkollegiale Haltung der Presseabteilung der Reichsregierung“585 und die von dort ausgehenden „Gehässigkeiten und Intrigen“.586 Im Februar 1941 organisierte der „Auslands-Presse-Klub“ einen sechstägigen Wintersportausflug nach Oberstdorf, den der „Deutsche Auslands-Club“ umgehend „in Nach-

580 Vgl. Kronika (1946), S. 132. 581 Vgl. Ebd., S. 143. 582 Vgl. zu dieser Konkurrenz und dem Folgenden auch Longerich (1987), S. 287-

288. 583 PA AA, R 27892 Streng vertrauliche Aufzeichnung für Herrn Gesandten Dr.

Schmidt, 20.1.1941.

584 Clinton Beach Conger nennt die Klubs „bitter feudists“. Conger (1943), S. 225. 585 PA AA, R 27892 Arbeitsbericht des APC über das letzte Quartal des Jahres

1942.

586 Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.5. bis

30.6.1942.

258

ahmung der Oberstdorfer Reise“ mit einer Fahrt nach Wien konterte.587 Weiter behinderte das Propagandaministerim die Vorführung englischer und USamerikanischer Filme im Klub des AA. Das „Promi“ gab angeforderte Filme nicht heraus unter dem Vorwand, diese enthielten politisch kritisches Material – ein Argument, welches nach Schneditz „umso grotesker“ war, als Kuriere des Auswärtigen Amtes die Filme an das Propagandaministerium geliefert hatten und selbige im „Deutschen Auslands-Club“ regelmäßig vorgeführt wurden.588 Im Sommer des Jahres 1942 begann das Propagandaministerium zudem damit, seinen „Deutschen Auslands-Club“ zunehmend als „Auslandspresseklub am Leipziger Platz“ zu betiteln.589 Durch diese Umbenennung wurde in den Augen des AA „in hinterhältiger Weise versucht, Journalisten sowie Künstler und Wissenschaftler, die im APC durch Vorträge mitwirken sollten, irre zu führen, was anfangs auch in mehreren Fällen gelang“. Als Reaktion änderte das Auswärtige Amt im Oktober 1942 den Namen seines „Auslands-Presse-Klubs“ in die Abkürzung „APC“, um eine klare Abgrenzung zur Konkurrenz zu gewährleisten.590 Nachfolgend soll erörtert werden, welche Bedeutung die beiden Auslandspresseklubs für Leben und Arbeit der Korrespondenten in Berlin tatsächlich besaßen. Aus den Erinnerungen der Journalisten und den überlieferten Akten geht hervor, dass die beiden Einrichtungen ihrem Zweck als „ständig wirkendes Beeinflussungsmittel“591 in den ersten Jahren ihres Bestehens nur teilweise nachkamen. Als grundsätzliches Problem stellte sich für die Klubs heraus, das gewünschte Publikum in ihre Räumlichkeiten zu locken. So sah sich etwa der „Auslands-Press-Klub“ 1941 gezwungen, ständige Anstrengungen zu unternehmen um „das zahlenmäßige Verhältnis von im Klub verkehrenden Angehörigen des Auswärtigen Amtes und den Auslandskorrespondenten zu revidieren“.592 Während es am Besuch von Journalisten teilweise mangelte, musste Klubverwalter Schneditz feststellen, „dass eine grosse Anzahl jüngerer Herren verschiedener Abteilungen des Amtes den Klub wegen seiner materiellen Vorzüge sehr stark benutzen, ohne irgendwie Kontakt 587 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis

28.2.1941. 588 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.2. bis

28.2.1942.

589 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.5. bis

30.6.1942. 590 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des APC über das letzte Quartal des Jahres 1942. 591 Ebd. Schmidt an Jochen, 30.6.1942. 592 Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis

31.3.1941.

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mit den dort verkehrenden Ausländern oder anderen Leuten zu suchen.“593 Schmidts Klub scheint zeitweise weniger von Journalisten als vielmehr von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes Zulauf erhalten zu haben, die in kargen Kriegszeiten auf der Suche nach besseren Mahlzeiten und etwas Amüsement in den Klub strömten.594 Dabei kam es auch zu Randaleaktionen betrunkener Beamter.595 Als Reaktion darauf bekamen Mitglieder des Auswärtigen Amtes ab März 1941 nur noch mit neu geschaffenen Mitgliedskarten Zutritt,596 doch bald hatten so viele Ministeriumsbeamte eine solche ergattert, dass Schmidt eine Gastkartensperre verhängte und über Kartenanträge in Zukunft persönlich entschied.597 Einige Monate nach der Eröffnung des „Auslands-Presse-Klubs“ im Sommer 1940 zeigten dort nur die Rumänen, Letten und Litauer „starkes Anlehnungsbedürfnis“ – aus politischen Gründen, wie man vermutete. Ungarn, Japaner, Spanier, Bulgaren, Griechen, Schweden, Schweizer, Dänen und Italiener erschienen „regelmäßig“, die US-Korrespondenten hingegen ignorierten die Einrichtung.598 Sie wurden daher mit gesonderten Einladungen bedacht und zum Besuch des Klubs aufgefordert. Ab Herbst 1940 erschienen sie ebenfalls regelmäßig in der Fasanenstraße, wie Schneditz zufrieden in einem Arbeitsbericht feststellt.599 Beide Klubs übten Druck auf die Journalisten aus, um sie zu Besuchen zu bewegen. Dieser variierte von freundlichen Nachfragen bei Abwesenheit bis zu deutlichen Sanktionen. Kamen etwa die Korrespondenten Einladungen aus dem „Deutschen Auslands-Club“ mehrmals nicht nach, so erhielten sie vom „Promi“ keine Einladungen mehr zu wichtigen Veranstaltungen wie etwa Reden Hitlers.600 Auf Korrespondenten ver593 Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis

31.8.1940. 594 Dieser Zulauf war teilweise so groß, dass er für den Klub „technisch kaum noch

595 596 597 598 599 600

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zu bewältigen“ war. Vgl. Ebd. Howard K. Smith berichtet, dass im „Deutschen Auslands-Club“ ähnliche Zustände herrschten und die Beamten des „Promi“ dort in großen Scharen aufgrund des besseren Essens einfielen. Vgl. Smith (1982), S. 106. Vgl. PA AA, R 27892 Aufzeichnung für Herrn Gesandten Dr. Schmidt, 13.1.1941. Vgl. Ebd. Unruh and Schmidt, 18.3.1941. Zuvor hatten die Referenten der Presseabteilung die Karten verteilt. Vgl. Ebd. Notiz für Herrn Feldmann, 25.7.1941. Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis 31.8.1940. Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis 30.10.1940. Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis 31.12.1940.

bündeter Nationen, die sich zu selten im „Auslands-Presse-Klub“ sehen ließen, übte das Auswärtige Amt über die entsprechenden diplomatischen Missionen in Berlin Druck aus.601 Oberflächlich gelang es deshalb dem Auswärtigen Amt und dem Propagandaministerium, „sämtliche wirklich wesentlichen Vertreter der Auslandspresse in ein festes Verhältnis“ zu ihren Klubs zu bringen.602 In den Anfangsjahren des Krieges war dieses „Verhältnis“ jedoch weit weniger fest als von deutscher Seite angenommen. Da die beiden Klubs zunehmend Veranstaltungen auf dieselben Tage legten, mussten die Journalisten ihre jeweiligen Besuche genau planen und abwägen, um sich bei keinem der Ministerien unbeliebt zu machen. Laut Pierre J. Huss war dies, sowie viele der Aktionen und Zusammenkünfte in den Klubs, vor allem langweilig und zeitraubend.603 Einen gewissen Wert hatte die Anwesenheit in den Klubs laut William Shirer nur, um die allgemeine Stimmung auf deutscher Seite zu studieren.604 Viele Korrespondenten nutzten die Einrichtungen primär zum Essen, da die Mahlzeiten dort in der Tat besser waren als in den anderen Gaststätten Berlins.605 Jedoch gab es auch Korrespondenten, die die Klubs trotz der damit verbundenen Nachteile mieden.606 Andere besuchten sie nicht, weil sie keine Mitgliedskarten erhalten hatten.607 Während die Auslandspresseklubs folglich in den ersten Jahren ihres Bestehens von den Korrespondenten hauptsächlich aufgrund ihrer materiellen Vorteile und zur Vermeidung von Konflikten mit den deutschen Stellen frequentiert wurden, gewannen die Klubs in den letzten Kriegsjahren eine stei601 Vgl. Ebd. Schneditz an den Königlich Ungarischen Gesandten, 23.11.1942. 602 Vgl. Ebd. Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1. bis

30.10.1940. 603 Vgl. Huss (1943), S. 107. 604 Vgl. Shirer (1941), S. 522. 605 Aufgrund der noch höheren Qualität der Gerichte und der gemütlicheren Ein-

richtung scheint sich dabei der „Auslands-Presse-Klub“ des Auswärtigen Amtes einer größeren Beliebtheit erfreut zu haben als das Pendant des Propagandaministeriums. Vgl. Ebd.; vgl. Findahl (1946), S. 13; vgl. Fredborg (1944), S. 26; vgl. Smith (1982), S. 106; vgl. Sommerfeldt (1952), S. 73. 606 Vgl. Shirer (1941), S. 522. 607 Vgl. Flannery (1942), S. 113. Zutritt zu beiden Auslandspresseklubs erhielt man nur nach Vorzeigen einer solchen Karte, welche die Ministerien den offen antinazistischen Korrespondenten vorenthielten. Nur in Ausnahmefällen durften die ausländischen Journalisten Gäste oder ihre Ehefrauen in die Klubräume mitbringen. Vgl. Kalberer (1945), S. 10. Der „Auslands-Presse-Klub“ des AA veranstaltete jedoch spezielle Damentees für die Ehefrauen der Korrespondenten. Vgl. PA AA, R 27892 Arbeitsbericht des Auslands-Presse-Klubs für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.1941.

261

gende Bedeutung, bis sie ab dem Jahr 1944 offenbar den Arbeitsmittelpunkt der Korrespondenten darstellten. Glaubt man Martin Sommerfeldt, so wurde in den Klubs gegen Kriegsende „echte Nachrichtenpolitik“ gemacht, die Einrichtungen waren „die schwarze Börse im internationalen Handel wertvoller Nachrichten“.608 Größte Bedeutung erlangte insbesondere der „Deutsche Auslands-Club“ des Propagandaministeriums am Leipziger Platz, der spätestens 1944 „die gemeinsame Arbeitsstätte aller Auslandskorrespondenten in Berlin“ wurde, „nachdem so viele private Häuser und private Telefone durch die Luftangriffe in Schutt und Asche zerfallen“ waren.609 Aus Kriegsgründen zogen die Journalisten die vollausgestatteten Arbeitsräume des Klubs am Ende ihren Privatwohnungen vor.610 Dieses Verhalten betraf nicht nur die Journalisten pronazistischer Gesinnung oder aus mit Deutschland verbündeten Staaten, sondern alle Gruppen von Korrespondenten. Damit hatten die NSPropagandisten es gegen Kriegsende geschafft, das Arbeitsumfeld der ausländischen Journalisten in einen von ihnen vorgegebenen und kontrollierten Rahmen zu zwängen – der Nutzen dieses späten Erfolges dürfte jedoch für die Auslandspropaganda des Dritten Reichs im Jahre 1944 zu vernachlässigen gewesen sein. 5.2.5 Kampf um die Unabhängigkeit der Organisation der Auslandskorrespondenten Da bei der Recherche für die vorliegende Arbeit fast keine Akten mit Bezug zu den Organisationen der ausländischen Presse in Deutschland für die Zeit des Zweiten Weltkriegs auffindbar waren, muss deren Wirken zwischen 1939 und 1945 so gut wie gänzlich aus der verfügbaren Memoirenliteratur der Korrespondenten rekonstruiert werden – ein Unterfangen, das teilweise nur sehr grobe Beschreibungen möglich macht. Insbesondere der „Verband Ausländischer Pressevertreter zu Berlin“, der sich nach der „Machtergreifung“ dem NS-Regime angebiedert hatte, wird im Folgenden nicht beachtet, da er für die 608 Sommerfeldt (1952), S. 73-74. Die Wichtigkeit der Klubs unterstreicht auch,

dass die in Berlin verbliebenen Korrespondenten in den letzten Kriegstagen auf der Suche nach Kollegen und Informationen gezielt die beiden Presseklubs ansteuerten. Vgl. Findahl (1946), S147-148; vgl. Kronika (1946), S. 132, S. 139 und S. 143. 609 Findahl (1946), S. 43. 610 Vgl. Ebd., S. 114. Es finden sich hingegen keine Nachweise in den Memoiren dafür, dass die Arbeitsräume des Klubs in den Anfangsjahren des Krieges von den Korrespondenten genutzt worden wären.

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Kriegszeit in den untersuchten Erinnerungen der Korrespondenten keine Erwähnung findet. Der „Verein der Ausländischen Presse zu Berlin“ bestand auch während der Kriegszeit und bis zur deutschen Kapitulation im Mai 1945 weiter. Anfang 1939 hatten die Vereinsmitglieder den Italiener Filippo Bojano für ein weiteres Jahr zum Präsidenten ihrer Organisation gewählt.611 Unter dem Eindruck des Münchner Abkommens und Hitlers zunehmend offensiver Politik in Richtung der östlichen Nachbarn des Deutschen Reichs setzte der Verein zudem ein Zeichen und berief als Bojanos Stellvertreter den polnischen Korrespondenten Graf Stanislaus Dembinski von der amtlichen „Polnischen Telegraphen Agentur“.612 Aufgrund von Bojanos kritischer Einstellung zum NSRegime613 intervenierten im Laufe des Jahres 1939 laut dessen Erinnerungen das Propagandaministerium und insbesondere das Auswärtige Amt in Person von Paul Karl Schmidt bei der italienischen Botschaft in Berlin und verlangten die Abberufung des Korrespondenten. Jedoch sahen die Ministerien schließlich unter dem Eindruck des bevorstehenden Krieges im September 1939 von dieser Forderung ab, da im Fall von Bojanos Ablösung der Pole Dembinski auf dessen Posten nachgerückt wäre. Im Vergleich zur Vereinspräsidentschaft durch einen Polen schien die Person Bojano den verantwortlichen deutschen Stellen im Herbst 1939 als „das kleinere Übel“, wie der italienische Journalist mutmaßt.614 Unter dem Druck der deutschen Regierung nahm Bojano jedoch an den Sitzungen des Vereins sukzessive nicht mehr teil und trat nach dem Abschluss des Polenfeldzuges von seinem Posten zurück.615 Bojano vermutete, dass unter anderem auch Kollegen aus dem Verein der Ausländischen Presse die deutschen Stellen über seine Ansichten zu Hitler und dem Dritte Reich informiert hatten. Nach seiner Ansicht war der Verein zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs schon mit Spitzeln durchsetzt. „Our association could not be called a perfect blend of kindred and congenial souls. First of all there were my Italian colleagues, some of whom were fawningly subservient of the type of Schmidt and Boehmer, and I even suspected that one of them was paid by the German Government to spy on us. Among the others there were three or four of dubious nationality and origin, who struck me as being on the most cordial terms with the officials of the Ministry of 611 Vgl. Bojano (1945), S. 51. 612 Vgl. Ebd., S. 104. 613 Zur Person Bojano und dessen Wirken an der Spitze des Vereins vgl. oben, S.

129-130.

614 Vgl. Bojano (1945), S. 104. 615 Vgl. Ebd., S. 122.

263

Propaganda and of Nazism.”616 Ein Mitglied des Vereins, der ehemalige DDP-Parteiführer Ernst Lemmer, welcher als Deutscher für mehrere Schweizer und eine ungarische Zeitung als Korrespondent in Berlin tätig war, arbeitete seit Kriegsbeginn für das Informationsreferat der Abteilung Auslandspresse im RMVP, zu dessen Aufgaben das Lancieren von Artikeln in die Auslandspresse gehörte.617 Ironischerweise berichtet Lemmer in seinen Memoiren, im Verein der Auslandspresse „herrschten wahre Kameradschaft und gegenseitiges Vertrauen, denn jeder wußte, was er vom anderen zu halten hatte“.618 Hinzu kam, dass sich mit Kriegsausbruch das Kräfteverhältnis in dem Verein zu verschieben begann. Mit der Abreise der Polen und insbesondere der Briten und Franzosen verließ ein erheblicher Teil der NS-kritischen Auslandskorrespondenten Berlin. Diese Tendenz setzte sich mit den Eroberungszügen Hitlers 1940 und 1941 fort. Zwar behielten einige das HitlerRegime innerlich ablehnende Korrespondenten auch nach der Unterwerfung ihrer Heimat unter deutsche Herrschaft ihre Posten in der Reichshauptstadt, doch aus jedem neu eroberten Land holte sich die deutsche Regierung auch eine Reihe neuer, politisch linientreuer Korrespondenten nach Berlin, die kritische Kollegen ablösten.619 Stellten diese Neuankömmlinge Anträge auf Aufnahme in den Verein der Ausländischen Presse, so wurden diese dort nach Möglichkeit abgelehnt. Bei seinen Aufnahmekontrollen war der Verein laut Arvid Fredborg jedoch nicht immer erfolgreich620 und „the percentage of 616 Ebd., S. 104-105. 617 Vgl. Züchner (2010), S. 218. Diese Tätigkeit dürfte auch erklären, warum

Lemmer in seinen Erinnerungen fälschlicherweise behauptet, die für Auslandskorrespondenten zuständigen Mitarbeiter des AA und des RMVP hätten sich stets „fair“ verhalten und bei den Korrespondenten „Sympathien“ genossen. Vgl. Lemmer (1968), S. 208. Als Informant des Propagandaministeriums fand Lemmer auch Eingang in das Tagebuch Joseph Goebbelsʼ, der im April 1942 über diesen vermerkte: „Der frühere demokratische Reichstagsabgeordnete Lemmer, der jetzt als Auslandsjournalist in Berlin sitzt, hat mit Oshima eine Südostreise angetreten. Er gibt uns darüber einen ausführlichen Bericht, dem man entnehmen kann, daß Oshima sich außerordentlich tatkräftig für die Achsenpolitik eingesetzt hat.“ Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil II, Bd. 4, S. 153 (23.4.1942). Hiroshi Oshima war von 1941 bis 1945 japanischer Botschafter in Berlin. Es existieren weitere Hinweise, wonach Lemmer auch für das AA als Informant tätig war. Vgl. Longerich (1987), S. 281. 618 Lemmer (1968), S. 209. 619 Vgl. Smith (1982), S. 202. 620 Für den Verein gestaltete es sich schwierig, Ablehnungsgründe für eine Vereinsaufnahme zu finden, wenn Personen im Besitz einer offiziellen Akkreditierung der Reichsregierung waren. Diese Akkreditierungen verteilte die Auslandspress-

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more or less suspect individuals increased steadily in spite of that policy, and to make a distinction became more and more difficult“.621 Im Spätherbst 1939 wurde der Niederländer Johann G. van Maasdijk, Korrespondent des „De Telegraaf“, zum Nachfolger Bojanos gewählt.622 Nach Einschätzung des AA war der Grund für diese Wahl der Vereinsmitglieder die „proenglische“ und „antideutsche“ Haltung des Korrespondenten, dessen kritische Berichterstattung deutsche Stellen schon des Öfteren verärgert hatte. Nach seinem Antritt als Vereinspräsident schrieb Maasdijk offenbar mit mehr Zurückhaltung.623 Wie oben bereits erwähnt schützten ihn dies und sein Amt jedoch nicht davor, im Mai 1940 nach Beginn des Westfeldzuges für elf Tage zusammen mit seinen niederländischen Kollegen in Berlin interniert zu werden.624 Wie Maasdijk seine Präsidentschaft nach der deutschen Invasion in den Niederlanden weiterführte, ist den untersuchten Quellen nicht zu entnehmen. Als gesichert kann nur gelten, dass gegen Ende des Jahres 1940 ein neuer Präsident für den Verein gewählt wurde.625 Diese Wahl wird von mehreren Korrespondenten erwähnt und als bemerkenswert geschildert. Im Vorfeld der Generalversammlung des Vereins baten nach den Erinnerungen Howard K. Smiths verschiedene US-Korrespondenten ihren Kollegen Frederick Oechsner von der „United Press“, für das Präsidentenamt zu kandidieren, um „ein offenkundig sinkendes Schiff zu retten“.626 Oechsner jedoch weigerte sich, da er sich keinen Ärger mit den deutschen Stellen einhandeln wollte. Gerüchte über Oechsners Nominierung waren allerdings in das Auswärtige Amt gelangt, wo man dessen Wahl vor allem vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Beziehungen zwischen Deutschland und den USA unbedingt verhindern wollte. Deshalb sandte das Auswärtige Amt Oechsner einen Tippgeber, der den Journalisten wissen ließ, „daß der Au-

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eabteilung des „Promi“ freilich großzügig an die pronazistischen Korrespondenten. Vgl. Ebd. Fredborg (1944), S. 24. Vgl. Bojano (1945), S. 122. Maasdijks Amtszeit geht auch hervor aus einem Brief, den dieser im November 1960 an Margret Boveri schrieb. Eine Abschrift dieses Briefes ist dokumentiert in Boveri (1965), S. 348-349. Vgl. Stoop (1987), S. 342-343. Vgl. Shirer (1941), S. 336-337. Vgl. hierzu ebenfalls den Brief Maasdijks an Boveri in Boveri (1965), S. 348-349. Smith berichtet, die Neuwahlen seien nötig geworden, da Wallace R. Deuel, Korrespondent der „Chicago Daily News“, aufgrund seiner Rückkehr in die USA sein Amt als Präsident des Vereins niederlegte. Es kann daher sein, dass 1940 neben Maasdijk zeitweise auch noch Deuel als Vereinspräsident amtierte. Vgl. Smith (1982), S. 203. Ebd.

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ßenminister persönlich“ eine Kandidatur oder Wahl seiner Person „mit Missbilligung betrachten“ würde. Laut Smith war Oechsner über diesen Einschüchterungsversuch seitens des Regimes so verärgert, dass er dem Tippgeber mitteilte, er hätte eigentlich gar keine Kandidatur geplant gehabt, werde sich nun aber doch zur Wahl stellen.627 Über ihre Botschaften wurden sämtliche Achsen-Journalisten und die Korrespondenten verbündeter Länder daraufhin angewiesen, Oechsners Wahl zum Vereinspräsidenten mit ihren Stimmen zu verhindern.628 Über die tatsächliche Wahl existieren unterschiedliche Versionen. Conger und Harsch berichten, Oechsner sei einstimmig von allen Vereinsmitgliedern zum Präsidenten gewählt worden – auch von den Korrespondenten der an das Dritte Reich gebundenen Nationen, die in den geheimen Wahlen einen Protest gegen ihre Bevormundung durch die deutsche Regierung gewagt hätten, um sich ein letztes bisschen journalistische Würde zu erhalten.629 Laut Smith hingegen kam es bei den Wahlen zu einem offenen Eklat. Nach der Nominierung Oechsners verzichteten die Achsen-Journalisten demnach auf eine Teilnahme an der Wahl, die Italiener verließen aus Protest gegen dessen Kandidatur sogar geschlossen den Versammlungsraum. Zu dieser Geste seien sie zuvor vom Auswärtigen Amt genötigt worden. Nach Smiths Version wurde Oechsner letztendlich mit den Stimmen der neutralen und der verdeckt NSfeindlichen Korrespondenten aus besetzten Ländern gewählt.630 Details über Inhalte und Dauer der Amtszeit Oechsners finden sich nicht in den untersuchten Erinnerungen der Auslandskorrespondenten. Jedoch scheint Oechsner sein Amt nur für einen Teil des Jahres 1941 innegehabt zu haben. Fredborg berichtet, ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen, dass 1941 ebenfalls der Schwede Bertil Svahnström Präsident des Vereins der Ausländischen Presse war.631 Da nach der Internierung der US-Korrespondenten im Dezember 1941 die neutralen Korrespondenten im Verein eine klare Minderheit wurden, führte demnach das NS-Regime in Person von Reichspressechef Otto Dietrich Anfang 1942 einen erneuten Angriff auf die Unabhängigkeit des Vereins. Laut Fredborg gab Dietrich den Achsen-Journalisten, deren Zahl in Berlin im Verlauf des Krieges immer mehr zunahm, die Anweisung, einen Italiener auf den Präsidentenposten zu wählen. In der geheimen Wahl beriefen die Mitglieder jedoch erneut Bertil Svahnström, der für eine Wiederwahl kandidiert hatte, und keinen Italiener auf den Präsidentenposten – 627 628 629 630 631

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Vgl. Ebd. Vgl. Ebd. Vgl. Conger (1943), S. 225; vgl. Harsch (1941), S. 279-280. Vgl. Smith (1982), S. 204. Vgl. Fredborg (1944), S. 24.

ein erneuter Protest der Korrespondenten, insbesondere jener aus Italien und Japan, gegen die Einmischungsversuche der deutschen Regierung. Doch war der Reichspressechef 1942 angesichts der Verschärfung der Kämpfe im Osten und des amerikanischen Kriegseintritts nicht mehr wie im Fall Oechsner gewillt, solcherart Widerstand hinzunehmen. Dietrich „began to persecute Svahnström ostentatiously and hinted that as the association had not shown the sense to choose a chairman who enjoyed Dietrich’s confidence it would feel the force of his anger as a body“.632 Der Reichspressechef ließ den Verein und seine Mitglieder von deutschen Stellen boykottieren und strich Privilegien wie den Bezug dänischer Butter oder den günstigen Wechselkurs für die Gehälter der ausländischen Journalisten. In Anbetracht des massiven Drucks von deutscher Seite trat Svahnström nach einiger Zeit von seinem Posten als Vereinspräsident zurück und ein Präsident aus dem Achsenlager wurde gewählt – dessen Namen und Nationalität nennt Fredborg allerdings nicht.633 Fredborg betont jedoch, dass trotz dieses Vorfalls der Verein bis zu seiner Abreise im Mai 1943 „did not become gleichgeschaltet“. Der Schwede erklärt dies damit, dass „there was too much feeling for the sanctity of the profession among many Axis journalists“,634 welches diese davon abhielt, den Verein den Nationalsozialisten auszuliefern. Zudem litten nicht wenige mit dem NSRegime kollaborierende Korrespondenten unter ihrer Rolle als reine Befehlsempfänger635 und nutzten die geheimen Vereinswahlen, um wenigstens einmal den deutschen Herren die Gefolgschaft verweigern zu können. „The association could, therefore, carry on upholding its traditions, though with necessary concessions to the harsh demands of reality”, lautet Fredborgs Urteil über das Wirken des Vereins für den Zeitraum nach der Internierung der USKorrespondenten.636 In den für diese Studie beachteten Quellen fanden sich über das Wirken des Vereins der Ausländischen Presse in der zweiten Hälfte des Jahres 1943 und im Jahr 1944 keine Hinweise. Aus dem März 1945 berichtet der Däne Jacob Kronika, der zu diesem Zeitpunkt dem Vorstand des Vereins angehörte, dass sich in den Wochen vor der deutschen Kapitulation die MitgliedsanEbd., S. 24-25. Vgl. Ebd., S. 25. Ebd. So berichtet Pierre J. Huss in seinen Erinnerungen, in privaten Gesprächen hätten japanische Korrespondenten ihm gegenüber massiv über ihre Sprachrohrtätigkeit für die Propaganda des Dritten Reichs geklagt. Vgl. Huss (1943), S. 144. 636 Vgl. Fredborg (1944), S. 25. Schumacher geht folglich zu weit, wenn sie für die Periode nach dem Kriegseintritt der USA konstatiert, die Unabhängigkeit des Vereins habe zu diesem Zeitpunkt ein Ende genommen. Vgl. Schumacher (1998), S. 49. 632 633 634 635

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träge vormals pronazistischer Auslandskorrespondenten bei seiner Organisation häuften. Kronika stellt zu diesem Verhalten fest, früher „lachten die ausländischen Nazis hohnvoll über unseren Verein. In ihren Augen war er reaktionär und bolschewistisch zugleich und hatte keine Ahnung von der „Neuordnung“. Nun soll die Legitimation des Vereins eine Hilfe sein für die Zeit nach dem Zusammenbruch Nazi-Deutschlands.“ Der Verein, der 1945 folglich immer noch als distanziert zur NS-Regierung galt, versuchte laut Kronika, die Aufnahmeanträge von „Mitgliedern dieser Spezies“ möglichst abzuweisen und erkannte, in den letzten Kriegswochen „weiterhin vorsichtig manövrieren“ zu müssen.637 Bis zum Kriegsende bestand das Büro des Vereins der Ausländischen Presse im Hotel „Esplanade“, das Mitte April 1945 bei Plünderungen teilweise ausgeraubt wurde.638 Präsident des Vereins war 1945 der Japaner Minoo Kato,639 Korrespondent der „Osaka Mainichi“.640 Diesen hatte Karl Bömer im Dezember 1936 als Leiter des Presseamtes des Außenpolitischen Amtes der NSDAP bei der Reichskanzlei für ein Interview mit Hitler vorgeschlagen mit dem Argument, bei Kato handele es sich „um einen in jeder Weise zuverlässigen Journalisten“.641 Die Präsidentschaft eines Journalisten wie Kato zeigt mithin, wie weit der Verein der Ausländischen Presse dem Regime bis Kriegsende entgegenkommen musste. Nur unter erheblichen Zugeständnissen an die NS-Machthaber und bei einer nicht unerheblichen Unterwanderung durch Spitzel gelang es dem Verein, bis Mai 1945 seine „Gleichschaltung“ zu vermeiden. Die distanzierte Grundhaltung der Organisation und vieler seiner Mitglieder gegenüber dem Nationalsozialismus blieb dabei jedoch bis zum Ende der NS-Herrschaft bestehen und nach außen hin wahrnehmbar. Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass ab Sommer 1941 auch in Wien eine Organisation von Auslandskorrespondenten bestand, die den Namen „Union der Korrespondenten der Auswärtigen Presse in Wien“ trug. Die Union hatte sich nach eigenem Bekunden aufgrund der 1941 „erheblich gestiegen“ Zahl ausländischer Berichterstatter in der ehemaligen österreichischen Hauptstadt gegründet und wollte „allen ihren Mitgliedern bei der Berichterstattung behilflich sein und den geselligen Verkehr zwischen

Vgl. Kronika (1946), S. 81. Vgl. Ebd., S. 118-119. Vgl. Ebd., S. 107. PA AA, R 121773 Vermerk Katzenberger über eine Unterhaltung mit dem Korrespondenten der „Osaka Mainichi“, Dr. Kato, 21.11.1936. 641 BArch, NS 43/158 Bömer an Wiedemann, 29.11.1936. 637 638 639 640

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ihnen pflegen“.642 Die 32 Mitglieder der Union bestanden hauptsächlich aus Deutschen, Ungarn, Bulgaren sowie einigen Korrespondenten aus Japan, Italien, Dänemark und Norwegen. Einziges US-amerikanisches Unionsmitglied und gleichzeitiger Präsident war Robert H. Best. Die Union plante die Veranstaltung regelmäßiger Donnerstags-Zusammenkünfte, die aus Vorträgen und Gruppeninterviews bestanden. Als Gäste der Vereinigung waren im Herbst 1941 der Generaldirektor der „Wien-Film“-Gesellschaft und der Hauptgeschäftsführer der Südosteuropa-Gesellschaft vorgesehen. Bei der Korrespondenten-Union dürfte es sich um eine letztendlich wenig bedeutsame, mit dem Regime „gleichgeschaltete“ Organisation gehandelt haben. So drückte die Union in einem Brief an die Reichskanzlei im September 1941 ihre Dankbarkeit gegenüber den Mitarbeitern des Wiener Reichspropagandaamtes aus „für die tatkräftige Unterstützung, die sie der Arbeit eines jeden einzelnen von uns angedeihen lassen.“643 Der Präsident der Union, Robert H. Best, der sich in dem Brief an die Reichskanzlei als Korrespondent der „United Press“ ausgibt, war von dieser Nachrichtenagentur bereits im Sommer 1941 entlassen worden und hegte seit längerem Sympathien für den Nationalsozialismus. Im Dezember 1941 wurde Best zusammen mit den anderen USKorrespondenten in Bad Nauheim interniert, wo er sich jedoch rasch von deutscher Seite abwerben ließ. Während des Krieges arbeitete er als RadioPropagandist für die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, in seinen an die USA gerichteten Sendungen trat er als „Mr. Guess Who“ auf.644 5.2.6 Erschwerte Arbeitsumstände und Leben im Krieg Im Gegensatz zur Quellenlage bezüglich der Zahl der Auslandskorrespondenten im Dritten Reich von 1933 bis 1939 liegen für die Periode von 1939 bis 1945 eine Reihe von Angaben vor. Es scheint dabei, dass die Anzahl der Korrespondenten in Deutschland während des Krieges geringer war als zu Beginn der NS-Diktatur.645 Martin Sommerfeldt gibt an, in „den ersten Monaten des Kriegs arbeiteten 200 Korrespondenten aller Herren Länder in der Reichshauptstadt“.646 Im Verlauf des Krieges scheint sich diese Zahl zunächst 642 BArch, R 43-II/475 Union der Korrespondenten der Auswärtigen Presse in

Wien an Reichskanzlei, 10.9.1941.

643 Ebd. 644 Vgl. Lochner (1943), S. 238. 645 Zur Anzahl der Korrespondenten im Zeitraum von 1933 bis 1939 vgl. oben, S.

135-136.

646 Sommerfeldt (1952), S. 71.

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nicht verändert zu haben. Nach Angabe der Auslandspresseabteilung des Propagandaministeriums arbeiteten im Sommer 1942 etwa 160 bis 220 Korrespondenten in Berlin.647 Eine unvollständig erhaltene Liste des „Promi“ der in Berlin tätigen Auslandskorrespondenten aus den späten Kriegsjahren verzeichnet 154 maschinengeschriebene und 30 handschriftlich ergänzte Namen von Korrespondenten aus Ländern, die mit den Buchstaben J bis U beginnen.648 Auf die Zahl von durchschnittlich 200 in Berlin arbeitenden Auslandskorrespondenten für den Zeitraum von 1939 bis 1942 kommt auch Longerich in seinen Recherchen.649 Zu den obigen Angaben müssen die Korrespondenten in weiteren deutschen Städten neben Berlin hinzugezählt werden, zu deren Zahl jedoch in den für die vorliegende Arbeit untersuchten Quellen keine Hinweise auffindbar waren.650 Wie viele Korrespondenten bis Kriegsende im Mai 1945 in Deutschland blieben, konnte ebenfalls nicht rekonstruiert werden. Jedoch hatte sich deren Zahl laut Jacob Kronika im März 1945 im Vergleich zu den frühen Kriegsjahren erheblich reduziert und wurde kontinuierlich „kleiner und kleiner“.651 Wenn folglich die Zahl der im Dritten Reich arbeitenden Korrespondenten während des Zweiten Weltkriegs lange Zeit recht konstant blieb, so wandelte sich die interne Zusammensetzung des Korps der Auslandsjournalisten stark. Franzosen und Briten, die bis 1939 eine personell starke Gruppe unter den ausländischen Berichterstattern ausgemacht hatten, mussten mit Kriegsausbruch in ihre Heimat zurückkehren. Die vormals größte Einheit ausländischer Korrespondenten, die US-Amerikaner, verließen Deutschland im Zuge des wachsenden Drucks der NS-Regierung ab Ende 1940 in großen Scharen, 647 Diese sprachen insgesamt 18 Sprachen und erledigten täglich durchschnittlich

648

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250 Ferngespräche. Etwa 100 der Journalisten arbeiteten von ihren Wohnungen aus. Vgl. PA AA, R 27886 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda an Oberkommando der Wehrmacht Amt Ausland/Abwehr/Abt. W. Pr., 3.6.1942 (Abschrift). Vgl. BArch R 55/20943 Unvollständige Liste der Auslandskorrespondenten (Buchstaben J-U), ohne Datum. Aufgrund von in der Liste enthaltenen Korrespondentennamen lässt sich die Liste sehr wahrscheinlich auf den Zeitraum von 1942 bis 1944 datieren. Vgl. Longerich (1987), S. 280-281. Von einer geringeren Anzahl (150 Korrespondenten im Februar 1940) spricht nur Boelcke, ohne jedoch für diese Angabe eine Quelle zu nennen. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 70. Ausgenommen hiervon ist die Zahl der Auslandskorrespondenten in Wien. Die oben bereits erörterte Union ausländischer Korrespondenten in Wien umfasste im September 1941 32 Mitglieder. Vgl. BArch, R 43-II/475 Union der Korrespondenten der Auswärtigen Presse in Wien an Reichskanzlei, 10.9.1941. Kronika (1946), S. 62.

bis im Dezember 1941 nur noch etwa 15 US-Korrespondenten in Berlin tätig waren und dort nach der deutschen Kriegserklärung an die USA interniert wurden.652 Als einzige neutrale Korrespondenten verblieben hiernach Schweizer, schwedische, spanische und portugiesische Korrespondenten in der Reichshauptstadt. Laut der oben erwähnten Liste des Propagandaministeriums653 waren bis in die letzten Kriegsjahre die Schweden mit 24 und die Schweizer mit 19 Korrespondenten in Deutschland vertreten, Spanier und Portugiesen mit 14 beziehungsweise drei Journalisten. Stark stieg im Vergleich dazu im Kriegsverlauf die Zahl der ausländischen Berichterstatter aus Ländern, die mit Deutschland verbündet oder vom Dritten Reich abhängig waren.654 Diese Journalisten kamen vor allem aus Osteuropa und dem Balkan. 652 Vgl. Conger (1943), S. 226. 653 Vgl. BArch, R 55/20943 Unvollständige Liste der Auslandskorrespondenten

(Buchstaben J-U), ohne Datum. Insgesamt enthält die Liste entsprechend der ungeordneten Reihenfolge im Original Namen von Korrespondenten aus folgenden Ländern: Schweiz (19, davon ein Name handschriftlich ergänzt), Serbien (3), Slowakei (8), Spanien (14, davon 4 Namen handschriftlich ergänzt), Türkei (1), Ungarn (25, davon 4 Namen handschriftlich ergänzt, 2 Namen nachträglich ausgestrichen), Besetzte Ostgebiete (7, davon ein Name handschriftlich ergänzt), Rumänien (25, davon 4 Namen handschriftlich ergänzt, ein Name nachträglich ausgestrichen), Schweden (25, davon 9 Namen handschriftlich ergänzt, ein Name nachträglich ausgestrichen), Spanisch Marokko (2), Norwegen (7, davon 2 Namen handschriftlich ergänzt), Portugal (3), Kroatien (11, davon 4 Namen handschriftlich ergänzt, ein Name nachträglich ausgestrichen), aus Berlin abwesende Japaner (6), Manchouko (3), Japan (23, davon 2 Namen handschriftlich ergänzt), Italien (11, davon ein Name handschriftlich ergänzt). 654 Pronazistische Berichterstatter wurden während des Krieges von den NS-Auslandspropagandisten gezielt als Korrespondenten nach Deutschland geholt. Vgl. Smith (1982), S. 202. Schon einige Monate vor Kriegsausbruch im Mai 1939 bat das RMVP in einem Rundschreiben an die deutschen diplomatischen Vertretungen um Vorschläge für „geeignete“ Nachwuchsjournalisten, die aus ihren Heimatländern für einige Zeit nach Berlin kommen sollten. Mit einer Art „Reichsstipendium“ ausgestattet sollten diese jungen Journalisten einerseits an der Hochschule für Politik oder am Institut für Zeitungswissenschaft der Universität Berlin studieren und andererseits als Auslandskorrespondenten in ihre Heimat berichten. Ziel des Projektes war es, „mit Darstellungen über Deutschland noch stärker Eingang in die ausländische Presse zu gewinnen“. PA AA, R 121674 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda an Deutsche Gesandtschaft Lima, 15.5.1939. Als Reaktion auf den Rundbrief wandten sich eine Reihe von Auslandsmissionen mit Vorschlägen an das RMVP. Der Gesandtschaft in Bukarest erschien beispielsweise Victor Popa von der Zeitung „Porunca Vremii“ mit den Eckdaten „26 Jahre alt, arisch, Antisemit“ als idealer Kandidat. Vgl. PA AA, R 121673 Deutsche Gesandtschaft Bukarest an Auswärtiges Amt, 13.7.1939.

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In den letzten Kriegsjahren waren so laut Liste drei serbische, acht slowakische, zehn kroatische, 23 ungarische und 24 rumänische Korrespondenten in Deutschland tägig.655 Ebenfalls personell erhöhte sich die Menge der Berichterstatter der Achsenmächte. Ihre Zahl betrug laut Propagandaministerium in den letzten Jahres des Krieges 23 Japaner und elf Italiener.656 Eine Strichliste über die Teilnehmer an den täglichen Auslandspressekonferenzen des „Promi“ mit einer Laufzeit von Mai bis Dezember 1944 verzeichnet schließlich als größte Gruppen 29 Japaner, 18 Ungarn, 17 Bulgaren (davon sechs Namen nachträglich ausgestrichen), 15 Schweizer, 15 Dänen (davon vier Namen nachträglich ausgestrichen), 13 Rumänen, 13 Niederländer (davon zwei Namen nachträglich ausgestrichen), elf Schweden (davon ein Name nachträglich ausgestrichen) und zehn Spanier (davon drei Namen nachträglich ausgestrichen).657 Die oben zitierten Quellen zeigen, wie sehr sich die Zusammensetzung der Auslandskorrespondenten im Dritten Reich im Laufe des Krieges zugunsten der – aus Überzeugung oder aus Zwang – deutschfreundlichen Berichterstatter verschob, bis schließlich bei Kriegsende die Zahl der öffentlich zum Regime Distanz haltenden Journalisten kaum noch erwähnenswert war. Glaubt man den Erinnerungen Martin Sommerfeldts, so waren die ausländischen Journalisten „persönlichen Formats und von internationalem Ruf“, die seriöse Berichterstattung aus Berlin betrieben, schon zu Kriegsbeginn in der Minderzahl. Die Mehrheit der Auslandsjournalisten in Deutschland gehörte dagegen „der Kategorie von Berichterstattern an, die lediglich die amtlichen deutschen Informationen in ihre Sprache übersetzten und ihren Redaktionen

655 Vgl. BArch, R 55/20943 Unvollständige Liste der Auslandskorrespondenten

(Buchstaben J-U), ohne Datum.

656 Vgl. Ebd. Die geringe Anzahl an italienischen Korrespondenten könnte sich

dadurch erklären, dass die Liste aus der Zeit nach dem Austritt Italiens aus dem Bündnis mit Deutschland stammt. Ab dem Sommer 1943 arbeitete nur noch ein Teil der vormaligen italienischen Berichterstatter in Deutschland weiter. 657 Vgl. BArch, R 55/1391 Anwesenheitsliste (Strichliste) der Korrespondenten der Auslandspresse auf den Pressekonferenzen des RMVP, gegliedert nach Ländern und Namen, Laufzeit Mai bis Dezember 1944. Die Liste enthält zudem Namen von Korrespondenten aus Frankreich (9), Belgien (8, davon ein Name nachträglich ausgestrichen), Italien (7), Finnland (5), Kroatien (5), Norwegen (5), Griechenland (4), Slowakei (4), Serbien (4, davon ein Name nachträglich ausgestrichen), Iran (3), Türkei (3), Indien (2), Ägypten (1) sowie Besetzte Ostgebiete (4), Böhmen-Mären (3) und Sonstige (9). Zu bedenken ist bei der Liste, dass sie sich nicht auf die Zahl der Korrespondenten in Berlin insgesamt, sondern nur auf die Teilnehmer der Auslandspressekonferenz des „Promi“ bezieht.

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telefonierten“.658 In ähnlicher Weise wie Sommerfeldt sowie in bemerkenswerter Übereinstimmung zueinander kategorisieren der Schwede Arvid Fredborg und der US-Amerikaner Joseph C. Harsch das Korps der Auslandskorrespondenten während der Kriegszeit in drei Gruppen.659 Die erste Gruppe umfasste laut Fredborg und Harsch die Korrespondenten, die sich voll und ganz an das Regime verkauft hatten, in ihrer Berichterstattung NSPropaganda verbreiteten und gegenüber denen Vorsicht geboten war, da sie oft auch auf der Gehaltsliste der Gestapo standen. Diese Kategorie umfasste vor allem Journalisten aus den mit Deutschland verbündeten Nationen, sowie die verächtlich als „quislings“ bezeichneten Kollaborateure aus den vom Dritten Reich besetzten Ländern. Korrespondenten dieses Schlages waren auch bereit, in deutschen Veröffentlichungen NS-Propagandathesen mit ihrem Namen zu unterstützen.660 Die zweite, größte Gruppe von Korrespondenten bestand aus Journalisten aller Nationen, die sich zwar nicht direkt an das Regime verkauft, jedoch mit diesem arrangiert hatten. Ihre Berichterstattung war keine Propaganda, jedoch frei von Kritik am NS-Staat. Mit Kollegen dieser Art war nach Fredborg und Harsch ein freieres Gespräch möglich, jedoch achtete man auch hier auf seine Worte. Die dritte Kategorie umfasste schließlich eine verschworene Gemeinschaft von Berichterstattern, die sich untereinander offen über ihre Abneigung gegenüber dem NS-Staat austauschten und auch öffentlich Distanz zu den deutschen Machthabern hielten. In ihrer Berichterstattung blieben sie so kritisch wie möglich und nahmen dabei auch die Konfrontation mit der deutschen Regierung in Kauf. Diese dritte Gruppe bestand vor allem aus US-Amerikanern, Schweizern und Schweden, sowie einigen anderen Skandinaviern, die nach der Besetzung ihrer Heimat freilich jedoch keine kritische Berichterstattung mehr wagen konnten. 658 Sommerfeldt (1952), S. 71. 659 Für die nachfolgenden Ausführungen vgl. Fredborg (1944), S. 28-29 und Harsch

(1941), S. 276-278. 660 Ein Beispiel hierfür ist der öffentliche Konflikt zwischen Propagandaminister

Goebbels und dem prominenten US-Korrespondenten Hubert Renfro Knickerbocker Ende September 1939. Knickerbocker hatte zu dieser Zeit einige Berichte veröffentlicht, wonach führende Nationalsozialisten größere Devisenbeträge auf ausländische Konten verfrachtet hätten. Goebbels widersprach den Vorwürfen bemerkenswert vehement und vor einer breitmöglichsten Öffentlichkeit – etwa in der Auslandspressekonferenz des „Promi“. Auf seine Initiative publizierte eine Gruppe von pronazistischen Deutschland-Korrespondenten aus verschiedenen Ländern eine Erklärung gegen Knickerbocker, in der sie ihrer Hoffnung Ausdruck gaben, dass „diese Art des Journalismus keine Schule machen wird“. Teilweise abgedruckt findet sich diese Erklärung bei Lehmann (1940), S. 39. Vgl. zu dem Vorfall auch Stoop (1987), S. 366-367.

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Die geringsten Freiheiten in ihrer Berichterstattung hatten während des Krieges die italienischen und japanischen Berichterstatter.661 Wie in der Vorkriegszeit erhielten italienische Korrespondenten in Deutschland die Presseanweisungen des Mussolini-Regimes in ihre Büros gesandt und unterstanden gleichzeitig der Aufsicht der italienischen Botschaft in Berlin.662 Auch wenn Mussolini Hitlers Polen- und Skandinavienfeldzügen kritisch gegenüberstand, forderten die Presseanweisungen seines Regimes schon zu dieser Zeit von den Artikeln italienischer Journalisten pure „simpatia verso la Germania“.663 Nach dem italienischen Kriegseintritt im Juni 1940 erlangten die offiziellen Mitteilungen deutscher Stellen in Berlin für die italienischen Korrespondenten amtlichen Weisungscharakter. „Any attempt to show initiative was forbidden. Even had we been able to get interesting information we should not have been able to use it”,664 berichtet Filippo Bojano über die Lage der italienischen Journalisten. Ihr Schicksal teilten die Italiener mit den japanischen Korrespondenten in Berlin. Diese klagten in einem privaten Gespräch mit INS-Korrespondent Pierre J. Huss darüber, dass „we are just rubber stamps, sending to Tokyo what the Nazis consider the right thing for our people to read and hear”.665 Nach den Erinnerungen Harry W. Flannerys mussten die Japaner seit Abschluss des Dreimächtepaktes im September 1940 ihre Berichte ausschließlich auf Basis von DNB-Material abfassen.666 Ansonsten zeichnen Korrespondenten verschiedener Nationen kein sonderlich positives Bild von ihren fernöstlichen Kollegen. Flannery bemerkt zu einem japanischen Berichterstatter: „Kuni, like all the other Japanese correspondents, knew nothing about newspaper work”.667 Da sich ihr Aufgabenbereich auf das Übersetzen amtlicher deutscher Mitteilungen beschränkte, „interessierten die Japaner in Berlin sich

661 Vgl. hierzu auch die Informationen bei Longerich (1987), S. 281, die auf einer

Befragung Paul Karl Schmidts fußen. 662 Vgl. hierzu oben, S. 151-152. 663 „Sympathie gegenüber Deutschland“ (Übersetzung des Verfassers) Vgl. Murialdi

(1980), S. 226.

664 Bojano (1945), S. 135. Auch Christano Ridomi, bis 1937 Berlinkorrespondent

des “Corriere della Sera” und während des Krieges an der italienischen Botschaft in Berlin für Pressefragen zuständig, stellt in seinen Erinnerung für die Zeit nach 1939 fest, dass „la vita di un corrispondente all’estro era divenuta arida“ – „das Leben eines Auslandskorrespondenten sinnentleert geworden war“. (Übersetzung des Verfassers) Ridomi (1972), S. 112. 665 Huss (1943), S. 144. 666 Vgl. Flannery (1942), S. 126. 667 Ebd., S. 125.

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hauptsächlich fürs Amüsement und nicht für vieles anderes.“668 Die Korrespondenten anderer Länder beobachteten sie oft in den Berliner Restaurants bei ausgiebigen Ess- und Trinkgelagen.669 Regelmäßig begaben sich die japanischen Journalisten laut Flannery auf exklusive Besichtigungstouren zu militärischen Einrichtungen in Deutschland. Der US-Korrespondent äußert daher den Verdacht, dass die Hauptaufgabe der Japan-Korrespondenten in Berlin gar nicht journalistische Berichterstattung war. „It was obvious that they were there to spy on their Allies and it was likely that the German girls who accompanied them were assigned by the Gestapo for counter-espionage“.670 Geringe Wertschätzung bei den NS-kritischen Auslandskorrespondenten genossen ebenfalls alle Berichterstatter aus den von Deutschland abhängigen oder verbündeten Nationen Osteuropas und des Balkans sowie insbesondere die Kollaborateure aus den besetzten Ländern. Aus diesen Nationen rekrutierten die NS-Propagandisten Korrespondenten, von denen laut Howard K. Smith „manche kaum ihren eigenen Namen schreiben konnten“. Vor allem über die „kleinen Balkanesen“ äußert sich Smith höchst verächtlich: „Sie machten viel Krach, und der Geruch, den sie verbreiteten, zeugte davon, daß ihnen Wasser und Seife nicht besonders vertraut waren“.671 Nach Smith waren die vom Regime nach Deutschland beorderten Korrespondenten – ähnlich ihren japanischen Kollegen – weniger mit journalistischer Arbeit, als mit der Ausnutzung ihrer sich aus ihrem Auslandskorrespondenten-Status ergebenden materiellen Privilegien beschäftigt. Nach einiger Zeit bemerkten dies auch Auswärtiges Amt und Propagandaministerium und strichen einem Teil dieser Journalisten ihre Sonderrechte, so etwa das Besuchsrecht für die Auslandspresseklubs.672 Die einzige Gruppe von Korrespondenten, die im Verlauf des Krieges versuchte, eine unabhängige und kritische Berichterstattung aus Hitlers Reich zu betreiben – und sich dies auch erlauben konnte – bestand bis Dezember 1941 aus US-Amerikanern sowie bis Kriegsende aus Schweizern und Schweden.673 Zahlreiche Fälle von Verwarnungen, Sanktionen und Ausweisungen Kronika (1946), S. 19. Vgl. Flannery (1942), S. 126. Ebd. Smith (1982), S. 202. Vgl. Ebd. Knappe Ausführungen zu den vom NS-Regime gelenkten Korrespondenten aus Osteuropa und dem Balkan finden sich auch bei Longerich (1987), S. 282. 673 Zwar gab es bis Kriegsende auch NS-feindliche Korrespondenten anderer Nationen in Deutschland – insbesondere aus skandinavischen Ländern – doch blieben diesen aufgrund der Okkupation oder starken Abhängigkeit ihrer Heimat vom Deutschen Reich faktisch keinerlei Spielräume für eine kritische Berichter668 669 670 671 672

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zeigen, dass sich einige Journalisten mit ihren Artikeln weit vorwagten.674 Im Folgenden soll nachvollzogen werden, welche Arbeitsbedingungen diese Korrespondenten während des Krieges hatten und inwieweit ihre Versuche einer differenzierten und unbeeinflussten Berichterstattung erfolgreich waren. Fredborg berichtet diesbezüglich, es sei den neutralen Auslandsjournalisten bis Ende 1941 möglich gewesen, ein „fairly accurate picture of Germany and her policy“675 in ihren Berichten aus Berlin zu vermitteln. Die Korrespondenten behielten nach 1939 ihre Recherchemethoden aus der Vorkriegszeit676 bei. Allabendlich trafen sich die US-Korrespondenten weiterhin zu ihrem Stammtisch in der „Taverne“677 und Clinton Beach Conger betont, dass seine Kollegen und er „managed to maintain private sources and special channels for information right up to the declaration of war“ Deutschlands gegen die USA im Dezember 1941.678 Auch der niederländische Korrespondent Benz erhielt bis 1941 Informationen von einem aus dem Dienst entlassenen jüdischen Beamten des Innenministeriums, der noch in Kontakt zu seinen früheren Arbeitskollegen stand.679 Es gelang den Journalisten sogar, ihren Informantenkreis bis in die Führung des deutschen Kriegsapparates auszuweiten. William Shirer berichtet, dass zwei Offiziere aus dem Ober-

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stattung. Der norwegische Berlin-Korrespondent des „Aftonbladet“, Theo Findahl, hat die Ohnmacht dieser Journalisten treffend mit den folgenden Worten umschrieben: „Wenn man doch nur frei von der Leber weg reden dürfte! Das aber darf keiner in der ganzen Gesellschaft, und so schmerzlich es auch ist, so bleibt man, wie fast immer in Hitlers Berlin, mit seinen Neuigkeiten sitzen und darf sie nur dem Tagebuch anvertrauen, das sorgfältig versteckt werden muß, bis es, wenn man eines Tages der Hitler-Nacht lebend entronnen sein wird, offen aufgeschlagen werden kann.“ Findahl (1946), S. 9. So war die kritische Berichterstattung von Auslandskorrespondenten ständiges Thema in den Ministerkonferenzen des Propagandaministeriums, in denen Goebbels regelmäßig über deren Artikel Klage und Sanktionen anordnete. Für den Zeitraum 1939 bis 1943 sind diese Diskussionen in größerer Anzahl dokumentiert in Boelcke (Hrsg.) (1966) und Ders. (Hrsg.) (1967). Fredborg (1944), S. 19. Zur Rechercheweise und den Arbeitsumständen der Korrespondenten von 1933-1939 vgl. Kapitel 5.1.6 dieser Arbeit. Allerdings waren in der „Taverne“ im Vergleich zur Vorkriegszeit wesentlich öfter regierungsamtliche Gäste auch aus hohen Positionen des Regimes anwesend. Vgl. Huss (1943), S. 94. Bömer und Schmidt besuchten die Stammtische offenbar in hoher Regelmäßigkeit. Vgl. BArch, R 901/60528 Artikel von Ernest R. Pope mit dem Titel: „Blitzkrieg Reporting. Foreign Newspapermen in Berlin must move adroitly or be expelled for „abusing privileges“” aus Current History and Forum, 25.9.1940. Vgl. Conger (1943), S. 224. Vgl. Stoop (1987), S. 318.

kommando der Wehrmacht ihn während der Feldzüge der Jahre 1939 bis 1940 mit wertvollen militärischen Informationen versorgten.680 Von ihren Informanten mit viel Hintergrundwissen versorgt, konnten es sich die neutralen Korrespondenten leisten, das nach Kriegsbeginn von Auswärtigem Amt und Propagandaministerium geschaffene „Merry go round of everlasting propaganda“681 mit seinen Informationsmaterialien, Pressekonferenzen und Auslandspresseklubs in größeren Teilen inhaltlich zu ignorieren. Insbesondere gaben sie dem Druck der Beamten des AA und des „Promi“ nicht nach, in ihren Berichten die deutschen Stellungnahmen auf den Auslandspressekonferenzen zu erwähnen und sich inhaltlich an diesen zu orientieren. Im Extremfall erklärten die Korrespondenten den deutschen Stellen hierzu schlichtweg, dass „our papers would not dream of publishing this or that“.682 In ihrer konkreten Berichterstattung wagten sich die risikofreudigen US-Amerikaner, Schweden und Schweizer stets so weit vor wie möglich – „partly to dispatch something of interest, partly to prevent the limit from being further narrowed“.683 Indem sie die Spielräume ihrer Berichterstattungsfreiheiten ständig bis zur äußersten Grenze ausnutzten, konnten die Journalisten einer stetigen Beschneidung dieser Freiheiten am besten entgegenwirken. Die ausländischen Journalisten gingen zudem dazu über, den Nachrichtenfluss aus ihren Berliner Korrespondentenbüros zu ihren Heimatredaktionen im Ausland zu verschleiern. Da seit Kriegsbeginn ihre sämtliche Post zensiert, ihre Telefone abgehört und ihre Telegramme mitgelesen wurden, suchten die Journalisten nach neuen Wegen der Nachrichtenübermittlung, die nicht unter deutscher Überwachung standen. Zu diesem Zweck betrieben insbesondere die US-amerikanischen Nachrichtenagenturen, die sich diesen Aufwand leisten konnten, verdeckte regelmäßige Pendeldienste, bei denen Mitarbeiter Nachrichtenmaterial aus Berlin in die Schweiz transportierten, von wo es dann in die Vereinigten Staaten versandt wurde.684 Neben selbst680 681 682 683 684

Vgl. Shirer (1984), S. 166. Huss (1943), S. 8. Fredborg (1944), S. 19. Ebd., S. 27. Den deutschen Stellen war diese Praxis bekannt. So hatte man in der Presseabteilung des AA Ende des Jahres 1940 festgestellt, dass der in den USA erscheinende Berliner Informationsdienst der Agentur „United Press“ „in keinster Weise“ übereinstimmte mit dem Nachrichtenmaterial, welches die UP über offizielle Kanäle aus der Reichshauptstadt absetzte. Ebenfalls bemerkte die Presseabteilung, dass UP-Chefkorrespondent Frederick Oechsner zeitweise – jedenfalls auf offiziellen Wegen – überhaupt keine Meldungen mehr aus Berlin versandte. Gewissheit über ihren Verdacht erhielten die deutschen Stellen, als die

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organisierten Pendeldiensten nutzten einige Korrespondenten auch die diplomatischen Kuriere ihrer Botschaften und Gesandtschaften in Berlin, um Berichte an der deutschen Aufsicht vorbeizuschmuggeln.685 Meldungen und Artikel, die das Dritte Reich auf inoffiziellem Weg verlassen hatten, erschienen konsequenterweise ohne den Namen des jeweiligen Verfassers, sodass die Beamten im AA und im „Promi“ nicht wussten, wen sie für die unpässliche Berichterstattung bestrafen sollten.686 Trotz all der gerade genannten Punkte war der Arbeitsspielraum kritischer Korrespondenten seit Kriegsbeginn jedoch zweifelsohne begrenzter als zuvor und engte sich mit Fortlauf des Krieges weiter ein. Noch mehr als im Zeitraum von 1933 bis 1939 galt, dass die Journalisten große Teile ihres Wissens nicht in ihren Berichten an Leser und Zuhörer weiterleiten konnten. Dies hatte verschiedene Gründe. Weiterhin eine gewichtige Rolle für die Zurückhaltung der Korrespondenten spielte der Schutz von Informanten,687 deren Hinweise im Zuge des Kriegsverlaufs offenbar auch immer unzuverlässiger und riskanter wurden.688 Zwangsläufig stark beschränkt in ihrer Berichterstattung waren Radiokorrespondenten, da für diese seit Kriegsausbruch die schon beschriebene Vorzensur bestand.689 Die Korrespondenten waren zudem in ihrer Recherchearbeit wesentlich abhängiger von den deutschen Stellen als vor Kriegsbeginn. Aufgrund erschwerter Reisebedingungen und Benzinrationierung war die Mobilität der Journalisten eingeschränkt, private Recherchereisen durch das Reichsgebiet und ganz Europa – für die führenden Korrespondenten vor 1939 regelmäßig Teil der Arbeit – wurden unmög-

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Gestapo im Dezember 1940 einen Kurier der UP am Grenzübergang Bregenz festhielt, durchsuchte und bei ihm mehrere Abschriften von Telegrammen fand. Vgl. BArch, R 901/60527 Dienststelle des Ref. P.Z. im H.T.A. an Reinhardt, 24.12.1940. Vgl. BArch, R 901/58155 Erfahrungsbericht Referat PZ Generalkonsul Reinhardt, 19.5.1940. Diese Praxis wurde von einigen Zeitungen auch schon vor Kriegsausbruch angewandt. Vgl. PA AA, R 121664 Auswärtiges Amt an Henningsen, 28.5.1937; vgl. Stoop (1987), S. 331. Vgl. Shirer (1984), S. 166. Dies hatte vor allem damit zu tun, dass deutsche Stellen zunehmend in großer Anzahl falsche Informanten einsetzten, die versuchten, den Korrespondenten unrichtige „vertrauliche“ Informationen unterzuschieben. Ziel war es dabei, die Journalisten in die Irre zu führen oder sie zu falscher Berichterstattung zu verleiten, für die sie danach sanktioniert werden konnten. Viele solcher falscher Informanten waren leicht zu enttarnen, jedoch blieb für die Korrespondenten erhöhte Vorsicht geboten. Vgl. Fredborg (1944), S. 30; vgl. Schultz (1944), S. 183; vgl. Stephan (1949), S. 196. Zur Vorzensur für ausländische Radiokorrespondenten vgl. oben, S. 205-209.

lich.690 Insbesondere kontrollierten Auswärtiges Amt und Propagandaministerium mit ihren amtlichen Frontreisen den Zugang zur Berichterstattung über das zentrale Thema der Jahre 1939 bis 1945 – die Kriegshandlungen. Mit während dieser Reisen verfassten Berichten spielten die Korrespondenten dem Regime oft propagandistisch in die Hände.691 Auch ließ es sich für die Korrespondenten trotz aller Vorsicht nicht vermeiden, dass sie mit falschen Informationen ausgestattet von der NSPropaganda instrumentalisiert wurden. So griff Joseph Goebbels zur Tarnung der Angriffsvorbereitungen auf Russland im Juni 1941 zu einer List, die sich der ausländischen Journalisten in Berlin bediente. Goebbels verfasste einen Artikel mit dem Titel „Kreta als Vorbild“ für die in der Reichshauptstadt verteilte Auflage des „Völkischen Beobachters“. In diesem schrieb der Propagandaminister, die Invasion Kretas sei exemplarisch auch für die Invasion anderer Inseln. England erwähnte Goebbels in dem Text nicht, jedoch bezogen sich seine Ausführungen ganz offensichtlich auf die Britischen Inseln. Nach einem zuvor abgesprochenen und streng geheim gehaltenen Plan wurden am frühen Morgen des 14. Juni 1941692 alle Exemplare des „Völkischen Beobachters“ mit Goebbelsʼ Artikel in Berlin – angeblich auf Hitlers direkten Befehl – beschlagnahmt und eine Nachrichtensperre verhängt. Dem unwissenden Beobachter musste es so scheinen, als seien die Zeitungen deshalb konfisziert worden, weil der Goebbels-Bericht aktuelle Pläne der NS-Führung bezüglich einer Invasion Englands verrate. Deshalb wurde darauf geachtet, dass in den Stadtvierteln, in denen die ausländischen Journalisten wohnten, der „Völkische Beobachter“ trotz Beschlagnahmungen ankam und den Korrespondenten vor der Verhängung der Nachrichtensperre noch Zeit zur Übermittlung von Meldungen zum Goebbels-Artikel blieb.693 Glaubt man 690 Vgl. Fredborg (1944), S. 31. 691 Vgl. hierzu oben, S. 224-225. Passende Berichte von Auslandskorrespondenten

nutzte das Regime etwa, indem es aus diesen für inländische oder ausländische Propagandaveröffentlichungen zitierte. Um einen Korrespondenten hierbei nicht zu diskreditieren, achteten die deutschen Stellen darauf, Journalisten nicht zu häufig und prominent zu zitieren. Vgl. Boelcke (Hrsg.) (1966), S. 626. Protokoll der Ministerkonferenz vom 27.2.1941. Das Zitieren der Berichte von in Deutschland stationierten Auslandskorrespondenten wurde zudem auch von der deutschlandfeindlichen Propaganda in Großbritannien und der Sowjetunion angewandt. Fredborg klagt in diesem Zusammenhang darüber, dass britische, sowjetische und später auch US-amerikanische Propagandasendungen seine Berichte stets wenig akkurat wiedergaben und diese Zitate ihm regelmäßig Ärger mit den deutschen Stellen einhandelten. Vgl. Fredborg (1944), S. 27. 692 Vgl. Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 9, S. 370 (14.6.1941). 693 Vgl. Martin (1973), S. 80-82.

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dem Goebbelsʼschen Tagebuch, so interpretierten die Korrespondenten den Artikel und die Beschlagnahmungsaktion tatsächlich als Zeichen für deutsche Planungen einer Invasion in England und verfassten entsprechende Berichte, die das eigentliche Angriffsziel Deutschlands verschleierten.694 Bedeuteten all die gerade aufgeführten Punkte schon für den Zeitraum von 1939 bis 1941 wesentliche Einschränkungen für die Fähigkeit neutraler Korrespondenten, aus Deutschland möglichst sachlich und objektiv zu berichten, so verschlechterte sich deren Lage nach der Internierung der USamerikanischen Berichterstatter im Dezember 1941 dramatisch. Fredborg gibt an, nach Dezember 1941 „when the Nazis no longer had to consider the Americans the framework of our activities narrowed increasingly“ und “the attitude of the authorities tightened up”.695 Spätestens nach der Einführung der neuen Regeln zur Vorzensur im September 1942696 konnte kaum noch von einer kritischen Berichterstattung aus Deutschland die Rede sein. Hierzu führt Fredborg aus: „During the later part of my sojourn in Berlin [Fredborg arbeitete von Februar 1941 bis Mai 1943 in Deutschland, Anmerkung des Verfassers] the main bulk of the dispatches of the Swedish correspondents was based on statements and articles in the German Press and on the official statements which in most cases emanated from the Press conferences.“697 Aufgrund der „Gleichschaltung“ der deutschen Zeitungen und der oben beschriebenen Inhaltsleere der Auslandspressekonferenzen war diese Art Berichterstattung folglich fast gänzlich bedeutungslos. Die Lage der Korrespondenten in den letzten Kriegsjahren illustriert deren Erleben des 20. Juli 1944, welches der Norweger Theo Findahl in seinen Erinnerungen schildert. Gemeinsam mit anderen Korrespondenten hielt sich Findahl an diesem Tag im „Deutschen Auslands-Club“ des Propagandaministeriums am Leipziger Platz auf. Schon vor amtlichen Berichten waren die Korrespondenten dort aus vertraulichen Quellen über das Attentat informiert,698 jedoch wurde ihnen nach einiger Zeit nur die Weitergabe von DNBNachrichtenmaterial an ihre Redaktionen erlaubt – so spät, dass man dort teilweise schon über das Attentat Bescheid wusste.699 Dann verhängte die NSRegierung eine Nachrichtensperre, die den Korrespondenten jegliche Be694 Goebbels notierte in sein Tagebuch: „Aus abgehörten Telephonaten von in Ber-

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lin tätigen Auslandsjournalisten ist zu entnehmen, daß alle auf den Leim gekrochen sind.“ Fröhlich (Hrsg.) (2005), Teil I, Bd. 9, S. 374 (15.6.1941). Fredborg (1944), S. 19-20. Zu den Inhalten dieser Vorzensur vgl. oben, S. 201-204. Fredborg (1944), S. 22. Vgl. Findahl (1946), S. 114. Vgl. Ebd., S. 115.

richterstattung unmöglich machte.700 Bemerkenswerterweise suchte der OKW-Offizier Martin Sommerfeldt am späten Abend des 20. Juli den „Deutschen Auslands-Club“ in der Hoffnung auf, dort von den Korrespondenten Informationen über das Attentat zu erhalten.701 Dieser Umstand macht die missliche Lage aller NS-kritischen Auslandskorrespondenten – auch der aus den weiterhin neutralen Ländern – in den letzten Jahres des Krieges deutlich. Die Journalisten verfügten teilweise immer noch „über die mannigfaltigsten Verbindungen nach allen Richtungen“702 und waren erstaunlich gut informiert über die Vorgänge in Deutschland – jedoch war es ihnen nicht möglich, dieses Wissen auch nur in Ansätzen mit ihren Lesern zu teilen. Darüber hinaus stellten sich die allgemeinen Lebensumstände für Auslandskorrespondenten in Berlin mit dem Fortgang des Krieges zunehmend schwieriger dar. Trotz der zahlreichen oben erwähnten Privilegien703 bedeutete der Krieg starke Einschränkungen für das Leben der ausländischen Journalisten, die sie mit der deutschen Bevölkerung teilten. Den Korrespondenten nutzten etwa ihre Sonderzuteilungen an Bezugsscheinen wenig, wenn sie mit diesen Scheinen immer öfter keine realen Waren mehr kaufen konnten.704 Howard K. Smith berichtet, er sei seit Sommer 1941 aufgrund der Kleidungsknappheit „fast nur noch in Lumpen“705 herumgelaufen – eine sicherlich überzogene Darstellung, doch auch andere Korrespondenten berichten von Problemen beim Einkauf von Kleidung und Gebrauchsgegenständen.706 Auch die Möglichkeiten zum Amüsement verringerten sich für die Korrespondenten stetig. Zwar versuchten Auswärtiges Amt und Propagandaministerium hier mit ihren Presseklubs gegenzusteuern und es gab einige wenige Bars, die Ausländern weiterhin eine größere Bandbreite an alkoholischen Getränken boten. Doch spätestens 1944 war Berlin laut dem norwegischen Journalisten Findahl „die absolut langweiligste Großstadt der Welt geworden“.707 Zur zunehmenden Belastung entwickelte sich für die Korrespondenten der Bombenkrieg der Alliierten gegen das Dritte Reich und die deutsche Zivilbevölkerung. In den Anfangsjahren der Luftangriffe auf Berlin bedeuteten diese noch keine intensive Störung, doch im Zuge der Intensivierung der Attacken wurden die nächtlichen Angriffe zu einer physischen und psychi700 701 702 703 704 705 706 707

Vgl. Ebd., S. 117. Vgl. Sommerfeldt (1952), S. 167. Ebd. Zu den Inhalten dieser Privilegien vgl. oben, S. 243-246. Vgl. Kalberer (1945), S. 12-13. Smith (1982), S. 292. Vgl. Flannery (1942), S. 165. Findahl (1946), S. 102.

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schen Belastung, die den Korrespondenten wie der deutschen Bevölkerung das tägliche Leben erschwerte. Einige Korrespondenten wurden ausgebombt und verloren ihr Hab und Gut.708 Getötet wurde bei den Luftangriffen jedoch offenbar nie ein ausländischer Journalist, auch wenn deutsche Beamte verschiedentlich Mutmaßungen hierüber abgaben.709 Um sich während der Stunden der Luftangriffe die Zeit zu vertreiben, verabredeten sich manche Korrespondenten in Bunkern mit Kollegen zum Kartenspiel.710 Mit dem heranrückenden Kriegsende lebten die in Berlin verbliebenen Korrespondenten in einer Ruinenstadt, in der in den letzten Monaten vor der deutschen Kapitulation das öffentliche Leben nur noch unter großen Einschränkungen stattfand. Mit der Gewissheit eines russischen Angriffs und der baldigen deutschen Niederlage vor Augen mussten die Auslandsjournalisten ab Anfang 1945 abwägen, ob sie aus der Reichshauptstadt fliehen oder dort bleiben wollten. Mitte März 1945 forderte die deutsche Regierung alle Korrespondenten ohne festes Arbeitsverhältnis auf, Berlin zu verlassen.711 Dazu spekulierten deutsche Stellen über die Schaffung von unterirdischen Arbeitsplätzen für die Journalisten und – wie oben bereits erwähnt – über die Verlegung der immer noch täglich stattfindenden Auslandspressekonferenzen.712 Am 19. März wurden die Benzinzuteilungen an die Korrespondenten auf jeweils fünf Liter pro Monat reduziert und den Journalisten zu verstehen gegeben, dass man es nicht gerne sah, wenn sie ihr Auto weiterhin nutzten. Kein Korrespondent durfte ab diesem Zeitpunkt Berlin verlassen, ohne dem Propagandaministerium darüber Bescheid zu geben. Völliges Ausreiseverbot aus Deutschland erhielten die sogenannten „verbündeten“ Korrespondenten, also journalistische Kollaborateure, deren Flucht man verhindern wollte.713 Unter diesen Korrespondenten war die Verzweiflung naturgemäß groß.714 Einige versuchten sich zu retten, indem sie den Nationalsozialisten die Zusammenarbeit aufkündigten, so etwa der Berliner Leiter der von Deutschland initiierten „Havas“-Nachfolgeagentur „OFI“, der daraufhin Arbeitsverbot erhielt und zur Arbeit in der Rüstungsindustrie gezwungen wurde.715 Andere resignierten völlig und erklärten ihrem dänischen Kollegen Jacob Kronika, sie Vgl. Kalberer (1945), S. 12. Vgl. Flannery (1942), S. 273. Vgl. Lemmer (1968), S. 206. Vgl. Kronika (1946), S. 58. Vgl. Ebd., S. 57. Den „verbündeten“ Auslandsjournalisten blieb die Wahl zwischen der Fortsetzung ihrer journalistischen Tätigkeit, der Arbeit in der deutschen Rüstungsindustrie oder der freiwilligen Meldung an die Front. Vgl. Ebd., S. 64. 714 Vgl. Findahl (1946), S. 134-135. 715 Vgl. Kronika (1946), S. 87. 708 709 710 711 712 713

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wollten und würden „das alles nicht überleben“.716 Mitte April 1945 begannen Auswärtiges Amt und Propagandaministerium mit Evakuierungsmaßnahmen für bestimmte Korrespondentengruppen. Sie planten, die baltischen Journalisten nach Bad Gastein zu bringen, außerhalb der Reichweite der Russen.717 Ein Zugtransport am 14. April über Dresden und Prag beförderte insbesondere Schweizer Journalisten nach Südbayern,718 ein weiterer Transport in den Folgetagen die skandinavischen Korrespondenten nach Flensburg.719 Großes Interesse bestand bei den ausländischen Journalisten, die zum NS-Regime auf Distanz geblieben waren, jedoch nicht an den Ausreiseangeboten – die Berichterstatter wollten sich den Untergang Berlins nicht entgehen lassen. Auf einer Sonderpressekonferenz im Propagandaministerium am 17. April 1945 lehnte denn auch ein Großteil der Korrespondenten, insbesondere Schweizer, Skandinavier und Niederländer, das Angebot Ernst Brauweilers ab, im Kellergeschoss des Columbushauses am Potsdamer Platz ein offiziell gestelltes Schutzquartier zu beziehen und erklärte, stattdessen auf eigene Verantwortung in Berlin bleiben zu wollen.720 Bis unmittelbar vor Beginn der Kämpfe im Stadtzentrum der Reichshauptstadt gelang es einigen Korrespondenten, ihre Heimatredaktionen mit Texten und Informationen aus dem von der Sowjetarmee umstellten Berlin zu versorgen. Dies war möglich, da bis zum 21. April 1945 die Telefonleitungen im Presseklub des Propagandaministeriums am Leipziger Platz nach Kopenhagen und Stockholm noch funktionierten. Da das Personal des Klubs zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anwesend war und keine Zensur mehr existierte, telefonierten einige Journalisten spektakuläre Berichte an ihre Heimatredaktionen. Diese hatten sie zuvor in den Arbeitsräumen des Klubs abgefasst, während sie in der Ferne Artilleriefeuer vernehmen konnten.721 Am 22. April wurden die Leitungen allerdings zerstört und die Korrespondenten hatten keine Möglichkeit mehr, mit ihren Redaktionen in Kontakt zu treten.722 Nachdem folglich keine weitere Berichterstattung aus Berlin realisierbar war, kümmerten sich die Korrespondenten um eine sichere Unterbringung für die Zeit der Kämpfe um das Stadtzentrum Berlins. Zuvor war die große Gruppe von Korrespondenten, die während des Krieges und auch davor im Hotel Adlon gewohnt hatte, von der SS von dort vertrieben worden, da diese in 716 717 718 719 720 721 722

Vgl. Ebd., S. 122. Vgl. Ebd., S. 106. Vgl. Ebd., S. 115-116. Vgl. Ebd., S. 117. Vgl. Ebd., S. 120. Vgl. Findahl (1946), S. 147-148; vgl. Kronika (1946), S. 132. Vgl. Kronika (1946), S. 136.

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dem Hotel einen Gefechtsstand oder ein Lazarett einrichten wollte.723 Viele Journalisten hielten sich für die letzten Kriegstage an die jeweiligen diplomatischen Vertretungen ihrer Heimatländer in Berlin, die oft über eigene Bunker mit Nahrungsmittelvorräten verfügten. In den Bunkern warteten die Journalisten gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Nationalität den Einmarsch der Roten Armee ab.724 Andere Korrespondenten beschlossen, sich auf eigene Faust außerhalb des Stadtkerns, in dem heftige Kämpfe zu erwarten waren, in einer Privatunterkunft bis Kriegsende zu verschanzen. So verbrachte Theo Findahl gemeinsam mit der finnischen Journalistin Ada Norna die letzten Kriegstage in deren Villa in Dahlem.725 5.2.7 Korrespondenten und deutsche Betreuer nach der Kapitulation Die deutsche Kapitulation am 8. Mai 1945 und das damit verbundene Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa bedeuteten sowohl für die Auslandskorrespondenten als auch deren deutsche Betreuer aus dem NS-Propagandaapparat auf den ersten Blick einen radikalen Lebens- und Karrierebruch. Es soll im Folgenden anhand einiger Fälle angedeutet werden, wie gegensätzlich, doch teilweise auch mit welch bemerkenswerter Kontinuität die Lebenswege von Journalisten und deutschen Beamten nach 1945 weiterverliefen – partiell bis in führende Positionen in Medien und Staat. Auf deutscher Seite fallen hier zunächst die Schicksale der Leiter der im Auswärtigen Amt und im Propagandaministerium für die Korrespondenten zuständigen Abteilungen ins Auge. Ernst Brauweiler, ehemaliges DVPMitglied, Heinrich Heine-Verehrer und wenig fähiger Leiter der Auslandspresseabteilung des „Promi“ blieb bis zur Kapitulation in Berlin und starb wenig später unter ungeklärten Umständen in russischer Gefangenschaft. Brauweilers Pendant im Auswärtigen Amt, Paul Karl Schmidt, der seine Karriere der NSDAP und seiner skrupellos-opportunistischen Wortgewalt verdankte, setzte sich Mitte April 1945 aus Berlin ab. Nach dem Krieg entkam Schmidt einer Bestrafung und machte unter dem Pseudonym Paul Carell weiter Karriere – als Journalist und Autor auflagenstarker Veröffentlichungen zum Zweiten Weltkrieg sowie als Berater bei Axel Springer.726 Die Schicksale Brauweilers und Schmidts spiegeln in bemerkenswerter Weise deren Wirken während der NS-Diktatur wider. Der passive Brauweiler blieb auch nach der 723 724 725 726

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Vgl. Ebd., S. 139. Vgl. Ebd., S. 180. Vgl. Findahl (1946), S. 153. Zum Wirken Schmidts nach 1945 vgl. Plöger (2009), S. 287-395.

Kapitulation glücklos, der wendige Schmidt arrangierte sich rasch mit den neuen Umständen. Über weitere mit Auslandskorrespondenten beschäftigte Beamte und NSDAP-Funktionäre und deren Lebenswege nach 1945 ließen sich aus den für die vorliegende Arbeit gesichteten Quellen nur wenige Informationen entnehmen. Der Schweizer Journalist Hermann Böschenstein traf seinen Länderreferenten aus dem Auswärtigen Amt, Katzenberger, ein Jahr nach Kriegsende in Düsseldorf wieder, wo der Diplomat offenbar in der Stadtverwaltung arbeitete. Laut Böschenstein wurde Katzenberger unter Adenauer später Botschafter in Irland.727 Wilfrid Bade, der von 1933 bis 1938 als Referatsleiter im Propagandaministerium für Auslandskorrespondenten zuständig gewesen und den Korrespondenten als überzeugter Nationalsozialist aufgefallen war, kam im Mai 1945 unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben.728 Ernst Hanfstaengl, der 1937 aus Deutschland geflohene Auslandspressechef der NSDAP, kehrte nach Kriegsende in seine Heimatstadt München zurück. Politisch wurde Hanfstaengl nicht wieder aktiv, doch litt er offenbar bis zu seinem Tode unter der Verstoßung durch Hitler und den erniedrigenden Umständen seiner Flucht aus dem Dritten Reich.729 Die Situation der Deutschland-Korrespondenten unmittelbar nach Kriegsende im Mai 1945 sah unterschiedlich aus. Einige Journalisten, die sich zum Zeitpunkt des russischen Einmarschs in Berlin befanden, wurden von der Sowjetarmee aufgegriffen und in einem – jedoch komfortablen – Lager in der Nähe Moskaus interniert. Mehrere Monate blieben die Journalisten dort festgehalten, während ihr Wirken im Dritten Reich von der sowjetischen Regierung untersucht wurde. Hatten sich die Korrespondenten während des Nationalsozialismus nicht zu regimenah oder stark antikommunistisch positioniert, wurden sie in ihre Heimatländer entlassen.730 Für andere Journalisten, die Berlin schon vor Jahren verlassen hatten, bedeutete der Einmarsch ausländischer Truppen in das Reichsgebiet die Rückkehr nach Deutschland. Die Ersten folgten als Kriegsberichterstatter ihren Armeen nach Deutschland und nahmen in den Jahren nach dem Krieg, als die Besatzungsmächte ihre Militärverwaltungen im zerstörten Deutschland installiert hatten, wieder ihre journalistische Tätigkeit in Berlin auf.731 Andere Journalisten traten in den Dienst ihrer Regierungen. Als Presseoffiziere oder Berater der Armeen ihrer Heimatländer kehrten US-amerikanische, britische 727 728 729 730 731

Vgl. Böschenstein (1978), S. 97-98. Vgl. Härtel (2004), S. 7-10. Vgl. Hanfstaengl (1970), S. 391-393. Vgl. Findahl (1946), S. 208-209. Vgl. Lochner (1955), S. 252.

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und französische Korrespondenten in das geschlagene Reich zurück. So wurde der ehemalige „Havas“-Chefkorrespondent Paul Ravoux nach Kriegsende erster Presseoffizier bei der französischen Kommandantur in Berlin.732 Der vormalige „Daily Telegraph“-Korrespondent Hugh Greene, der nach seiner Ausweisung aus Deutschland während des Krieges für die BBC deutschsprachige Radiopropaganda gemacht hatte, wurde 1946 in der britischen Besatzungszone mit dem Aufbau des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) beauftragt.733 Korrespondenten, die während der NS-Zeit mit dem Regime kollaboriert hatten, wurden hart bestraft. Max Blokzijl, der gegen Ende der Weimarer Republik als Präsident des Vereins der Ausländischen Presse amtiert hatte und ab 1941 als niederländischer Radiopropagandist für den deutschen Rundfunk tätig gewesen war, wurde im März 1946 in den Niederlanden als Kollaborateur hingerichtet.734 Ebenfalls für seine Arbeit als deutscher Radiopropagandist wurde der vormalig in Wien für „United Press“ tätige Robert H. Best 1948 in den USA zu lebenslanger Haft verurteilt.735 In den Jahrzehnten nach Kriegsende zeigte sich, dass nicht wenige Journalisten als Korrespondenten im nationalsozialistischen Deutschland die Grundlage für eine steile Karriere gelegt hatten. Herausgehoben werden sollen an dieser Stelle zwei Journalisten. Christano Ridomi, in der ersten Hälfte der 1930er Jahre Korrespondent des „Corriere della Sera“ in Deutschland und während des Zweiten Weltkriegs in der italienischen Botschaft in Berlin tätig, amtierte von 1951 bis 1954 als Präsident der italienischen Rundfunkanstalt RAI.736 Der gerade erwähnte Hugh Greene wurde 1960 zum Generaldirektor der britischen BBC ernannt, ein Posten, den er bis 1969 inne hatte.737

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Vgl. Lemmer (1968), S. 324. Vgl. Tracey (1984), S. 106. Vgl. Stoop (1987), S. 359. Vgl. The New York Times (1948). Vgl. Chiarenza (2002), S. 246. Vgl. Tracey (1984), S. 189.

6. Schluss: Präsenz und Berichterstattung von Auslandskorrespondenten im Dritten Reich – Ein Beitrag zur Verstärkung oder Entlarvung nationalsozialistischer Auslandspropaganda?

Im Folgenden werden die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zusammengefasst und eine Einschätzung bezüglich der Frage gewagt, ob Präsenz und Berichterstattung ausländischer Korrespondenten im Dritten Reich letztendlich der NS-Auslandspropaganda genützt haben oder der Widerlegung eben dieser Propaganda und der weltweiten Aufklärung über die wahre Beschaffenheit des Nationalsozialismus und seiner Ziele zuträglich waren. In der Weimarer Republik war seitens der deutschen Regierung die dem Auswärtigen Amt zugehörige Vereinigte Presseabteilung der Reichsregierung für die Betreuung der etwa 300 Auslandskorrespondenten im Deutschen Reich zuständig. Länderreferenten der Unterabteilung Auslandspresse der Presseabteilung versorgten die Korrespondenten mit Informationen und vermittelten Kontakte zur Regierung. Zudem empfing Reichsaußenminister Stresemann während seiner Amtszeit die Korrespondenten jeden Freitag zu einer Teestunde. Die Weimarer Republik bot den Korrespondenten alle Berichterstattungsfreiheiten eines freiheitlichen Rechtsstaats. Das Korps der Auslandsjournalisten in Berlin organisierte sich im „ Verein der Ausländischen Presse“ und im „Verband Ausländischer Pressevertreter“. Der Verein umfasste die gutverdienenden Korrespondenten vornehmlich renommierter westlicher Medien, der weitaus weniger angesehene Verband auch nebenberufliche Journalisten kleinerer Zeitungen aus Osteuropa. Zu nennenswerten Kontakten zwischen Auslandskorrespondenten und der NSDAP kam es erst ab dem Wahlerfolg von Hitlers Partei bei den Reichstagswahlen am 14. September 1930. Bis zur „Machtergreifung“ koordinierte der seit 1931 amtierende Auslandspressechef der NSDAP, Ernst „Putzi“ Hanfstaengl die Kontakte seiner Partei zu ausländischen Journalisten. Er veranstaltete die erste Auslandspressekonferenz der NSDAP und ermöglichte ausgesuchten Korrespondenten Hitler-Interviews und die Teilnahme an Hitlers Wahlkampfreisen 1932. Nach der „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933 ging die Presseabteilung der Reichsregierung mit einem Großteil ihres Personals sowie ihren Kompetenzen in die Zuständigkeit des neu geschaffenen Reichsministeriums für 287

Volksaufklärung und Propaganda über. Jedoch gelang es der Abteilung, in der ab 1933 nur ein Referat für Auslandskorrespondenten zuständig war, nicht, ihre auf dem Papier bestehenden Vorrechte bezüglich der Betreuung ausländischer Korrespondenten gegen andere Regierungs- und Parteiinstitutionen des NS-Staates durchzusetzen. Gleichwertigen Einfluss bezüglich der Korrespondenten übten die weiterhin bestehende, jedoch verkleinerte Presseabteilung des Auswärtigen Amtes und das Presseamt des von Alfred Rosenberg geleiteten Außenpolitischen Amtes der NSDAP aus. Ebenfalls von Geltung für die Bearbeitung der Korrespondenten waren das Pressereferat der Dienststelle Ribbentrop, die Reichspressestelle der NSDAP mit einer Auslandspressestelle in München, der weiterhin amtierende Auslandspressechef Hanfstaengl sowie auch das Geheime Staatspolizeiamt. Diese verschiedenen Stellen verfolgten ihre jeweils eigenen Ziele. Der Auftritt des NS-Regimes gegenüber den Korrespondenten war daher zumeist unkoordiniert und wenig einheitlich. Unmittelbar 1933 implementierte das NS-Regime einen umfassenden Überwachungsapparat, der Lebens- und Arbeitsumfeld und insbesondere die Berichterstattung der Auslandsjournalisten im Reichsgebiet kontrollierte. Zwar hatte die NS-Diktatur keine vergleichbare Handhabe gegen die ausländischen Korrespondenten wie gegen deutsche Journalisten, doch setzte sie gegen diese zahlreiche Sanktions- und Repressionsmaßnahmen ein, die von freundlichen Ermahnungen bis zu mehrtägigen Festnahmen und Ausweisungen aus Deutschland reichten. Entsprechend der großen Zahl an einflussnehmenden Institutionen waren Betreuung und Information der Auslandskorrespondenten uneinheitlich organisiert. Mit individuellen Kontakten, gelegentlichen Sonderpressekonferenzen, Ausflugsfahrten und mehr oder weniger regelmäßigen Informationsveranstaltungen versuchten die verschiedenen Stellen, die Korrespondenten für sich einzunehmen. Nach Hitlers Amtsantritt ging der Verein der Ausländischen Presse auf teilweise konfrontative Distanz zum Regime und erhielt sich trotz nationalsozialistischer Einmischungsversuche seine Unabhängigkeit. Der Verband der Ausländischen Pressevertreter biederte sich hingegen beim NS-Regime an und schwenkte zur Gänze auf die NS-Linie, wohl in der Hoffnung, dadurch dem Verein den Rang ablaufen zu können. Allgemein waren Sympathien und opportunistische Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialismus im Korps der Auslandsjournalisten, in dem US-Amerikaner die größte Gruppe stellten, weit verbreitet – auch unter angesehenen Korrespondenten. Ausländische Berichterstatter hatten seit 1933 mit erheblich erschwerten Arbeitsbedingungen in Deutschland zu kämpfen. Ihre Informationsbeschaffungsmöglichkeiten waren in der totalitären NS-Diktatur nicht mit denen der Weimarer Re288

publik vergleichbar. Jedoch blieb es den Journalisten mittels verschiedener Kanäle – insbesondere über Kontakte zu zahlreichen Informanten aus allen Schichten der deutschen Gesellschaft – möglich, für sich ein objektives und umfassendes Bild des nationalsozialistischen Deutschlands zu zeichnen. Dieses Bild konnten sie jedoch in ihren Berichten ihrem Publikum nur eingeschränkt vermitteln, um sich selbst und ihre Informanten nicht zu gefährden. Ihr Wissen über den NS-Staat teilten die Journalisten zumeist mit den diplomatischen Vertretungen ihres Heimatlandes in Berlin, zu denen sie in engem Kontakt standen. In der Summe sahen sich die Korrespondenten somit in der Vorkriegszeit einer Anzahl unkoordiniert arbeitender Betreuungsinstitutionen mit dispersen Zuständigkeiten gegenüber. In ihrer Tätigkeit blieb ihnen nicht zuletzt deswegen eine beschränkte Unabhängigkeit – allerdings nur, wenn sie sich für diese einsetzten. Nach 1933 den zweiten Bruch für Leben und Arbeit der Auslandskorrespondenten in Deutschland bedeutete der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939. Mit Kriegsbeginn institutionalisierte, verdichtete und expandierte der NS-Propagandaapparat seine Bearbeitung der ausländischen Berichterstatter. Von den vielen in der Vorkriegszeit zuständigen Stellen rissen Auswärtiges Amt und Propagandaministerium die Korrespondentenbetreuung an sich. Diese regelte im RMVP die 1938 neu geschaffenen Abteilung Auslandspresse, im AA die stark vergrößerte Presseabteilung. Aus der Vorkriegszeit übernahmen diese Abteilungen das Überwachungssystem der Korrespondenten, weiteten es jedoch aus, sodass deren Leben und Berichterstattung nunmehr fast lückenlos überblickt werden konnte. Zwar wurde im September 1939 eine Vorzensur zunächst nur für Radiokorrespondenten eingeführt, doch folgte dieser im September 1942 eine weitreichende Teilvorzensur auch für Zeitungs- und Nachrichtenagenturjournalisten. Sanktions- und Repressionsmaßnahmen bauten RMVP und AA ebenfalls aus und erweiterten sie auf neue Korrespondentengruppen – insbesondere US-Amerikaner. Die bedeutendste Veränderung fand jedoch im Bereich der Betreuung und propagandistischen Information ausländischer Journalisten statt. Hatten die Korrespondenten vor 1939 ihre Informationsbeschaffung individuell gestalten können, so bekamen sie nun für diese eine feste Struktur oktroyiert. Insbesondere amtlich organisierte Frontreisen, tägliche Auslandspressekonferenzen sowie Auslandspresseclubs von AA und RMVP steckten im Fortgang des Krieges zunehmend den Rahmen ab, in dem die Korrespondenten tätig werden konnten. Weiter installierten beide Ministerien ein System von Privilegien, welches die Korrespondenten mittels zahlreicher Gefälligkeiten und Bestechung gefällig machen sollte.

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Die Anzahl der ausländischen Berichterstatter in Berlin ging während der ersten Kriegsjahre nur leicht zurück, jedoch änderte sich deren Zusammensetzung erheblich. Bildeten 1939 noch US-Amerikaner die größte Korrespondentengruppe, so machten ab 1942 „Achsenjournalisten“ und Korrespondenten aus von Deutschland besetzten oder mit dem Dritten Reich verbündeten Nationen die mit Abstand personenstärkste Einheit aus. Dementsprechend gestaltete es sich für den Verein der Ausländischen Presse zunehmend schwierig, seine Unabhängigkeit zu wahren. Er musste dem Regime weitreichende Zugeständnisse machen, entging aber bis Kriegsende einer „Gleichschaltung“. Die schrumpfende Zahl von vor allem US-amerikanischen, schweizerischen und skandinavischen Korrespondenten, die weiterhin ihre Distanz zur NS-Diktatur öffentlich wahrten, konnte bis Ende 1941 dank fortgesetztem Kontakt zu Informanten eine beschränkte, jedoch einigermaßen akkurate Berichterstattung aufrechterhalten. Nach dem US-amerikanischen Kriegseintritt und der sich anbahnenden Niederlage im Osten wurde der Spielraum für Korrespondenten, die bis zur deutschen Kapitulation im Mai 1945 in Berlin verblieben, jedoch so eng, dass an eine kritische Berichterstattung abseits amtlicher Mitteilungen nicht mehr zu denken war. Nach Kriegsende setzten sowohl viele Korrespondenten als auch ein Teil ihrer ehemaligen deutschen „Betreuer“ ihre Karrieren in Journalismus und Außenpolitik fort – oft mit großem Erfolg. Die nationalsozialistische Pressepolitik bezüglich der Auslandskorrespondenten hatte ihre Grundlage in zwei gegensätzlichen Rollenbildern, die die NS-Propagandisten den Auslandsjournalisten zuwiesen. In ihrer ersten, negativen Rolle stellten die Korrespondenten die Berliner Vertreter der verhassten internationalen Presse dar, die am Nationalsozialismus kein gutes Haar ließen. In ihrer zweiten, positiven Rolle waren die ausländischen Journalisten dagegen nützliche Propagandawaffen, die man – bei sachgerechter Steuerung – mit höchster Wirkungskraft in der internationalen nachrichtenpolitischen Auseinandersetzung mit den Gegnern des Dritten Reichs einsetzten konnte und musste. Diese Erkenntnis hatte die NS-Führung aus den propagandistischen Misserfolgen des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg abgeleitet. Die aus den zwei Rollenbildern resultierende nationalsozialistische Pressepolitik war von innerer Zerrissenheit geprägt. Einerseits war man versucht, die unliebsamen Korrespondenten und ihre Kritik mit Repressionsmitteln mundtot zu machen. Andererseits war es gleichzeitig nötig, um das Wohlwollen der ausländischen Berichterstatter zu werben und diesen Freiheiten – wie etwa die Abwesenheit von Vorzensur – zu lassen, um ihren – nach Möglichkeit beeinflussten – Berichten im Ausland Glaubwürdigkeit zu verleihen.

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Bezüglich der Frage, ob Präsenz und Berichterstattung ausländischer Korrespondenten im Dritten Reich letztendlich der NS-Auslandspropaganda oder der Aufklärung über den Nationalsozialismus genützt haben, kann in diesem Zusammenhang zunächst vermerkt werden, dass die Korrespondenten mitnichten die effektive Propagandawaffe der Nationalsozialisten waren, als welche diese sie ansahen. Die Versuche des NS-Propagandaapparates, die ausländischen Berichterstatter für sich einzunehmen und durch sie glaubwürdige NS-Propaganda ins Ausland zu tragen, blieben von vornherein zum Scheitern verurteilt. Zu durchsichtig waren das oberflächliche Entgegenkommen der deutschen Stellen, die „Freiheiten“ der „liberalen“ deutschen Pressepolitik und die mehr oder weniger offenen Bestechungsversuche des Regimes. Der Zweck dieser Maßnahmen war für die Korrespondenten offensichtlich – genau wie die Tatsache, dass hinter der freundlichen Fassade, vor der die NS-Propagandisten sie mit „Zuckerbrot“ lockten, permanent die „Peitsche“ lauerte.1 Funktionierten die ausländischen Journalisten nicht nach ihren Vorstellungen, so griffen die Nationalsozialisten zu den ihnen vertrauten Mitteln des Zwangs. Unter diesem Druck schrieb zwar eine wachsende Anzahl von Korrespondenten – und bald nach Kriegsbeginn die Mehrheit der ausländischen Berichterstatter in Berlin – im Sinne der NS-Propaganda. Doch sie tat dies ohne jede innere Überzeugung.2 Es könnte argumentiert werden, dass die pressepolitische Kombination aus Zuckerbrot und Peitsche zwar nicht die Korrespondenten in Berlin von deutschen Propagandainteressen überzeugte, jedoch deren beeinflusste Berichterstattung im Ausland Wirkung zeigte. Doch auch diese Argumentation ist nicht schlüssig. Den bedeutenden Berichterstattern der großen seriösen Meinungsführermedien gelang es größtenteils, mit viel Sachkenntnis und journalistischer Courage ihre Instrumentalisierung insbesondere vor 1939, aber auch nach Kriegsausbruch, zu vermeiden oder abzuschwächen.3 Über die eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten von Auslandskorrespondenten im Dritten Reich informierten diese Medien zudem ihr Publikum. Als die Nationalsozialisten schließlich ab 1942 die Spielräume der ausländischen Journalisten derart einengten, dass deren Berichterstattung keinerlei Abweichungen 1

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Die Beschreibung der NS-Pressepolitik gegenüber den Auslandskorrespondenten als eine Strategie mit „Zuckerbrot und Peitsche“ stammt von AP-Korrespondent Louis Lochner. Vgl. Lochner (1943), S. 234. Joseph C. Harsch schätzt, dass von den zur pronazistischen Schreibweise gezwungenen Korrespondenten in Berlin 1941 neun Zehntel nichts von dem glaubten, was sie berichteten. Vgl. Harsch (1941), S. 284. Vgl. Fredborg (1944), S. 9.

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von deutschen amtlichen Positionen mehr enthielt, blieb dies ohne Nutzen für die NS-Auslandspropaganda – Hitlers Eroberungszüge hatten bis dahin Realitäten geschaffen, in denen die Meldungen der Berliner Korrespondenten keine Rolle mehr spielten. Die fortgesetzte Bearbeitung der ausländischen Journalisten auf Pressekonferenzen und in Auslandspresseklubs bis in die letzten Kriegstage erscheint vor diesem Hintergrund ausnahmslos bizarr.4 Es vermittelt sich insgesamt der Eindruck, dass die Nationalsozialisten die propagandistische Bedeutung der Korrespondenten konstant überschätzten – über die gesamte Dauer des Dritten Reichs von 1933 bis 1945. Es muss desweiteren konstatiert werden, dass auch die Auslandskorrespondenten – so sie denn nicht ohnehin der großen Gruppe von Berichterstattern angehörten, die sich aus verschiedenen Gründen dem Nationalsozialismus mehr oder weniger stark angenähert hatte – ihrem Anspruch, die Welt über das NS-Regime aufzuklären, nur teilweise genügen konnten. Zwar versorgten einige Korrespondenten ihre Heimatredaktionen mit Berichten, die sich so kritisch wie möglich etwa mit der Verfolgung politischer Gegner im Dritten Reich, antisemitischen Ausschreitungen wie der Reichspogromnacht oder der deutschen Wiederaufrüstung beschäftigten. Doch mussten die Journalisten seit 1933 bei den Inhalten ihrer Meldungen und Berichte entscheidende Abstriche machen – aus Selbst- und Informantenschutz. US-Journalist Ernest R. Pope urteilt daher treffend über die Korrespondenten: “They do not tell all they know or hear, but neither do they write the news the way the Nazis would like it written.”5 Insbesondere die Korrespondenten der großen US-Nachrichtenagenturen AP, UP und INS waren aufgrund der Anweisung ihrer Chefs in den Vereinigten Staaten gezwungen, unter allen Umständen ihre Tätigkeit in Deutschland fortzusetzen und keine Ausweisungen zu riskieren. In ihren Nachrichten blieben die Agenturkorrespondenten daher zurückhaltender als Kollegen, die nur eine Zeitung vertraten – und diese Zurückhaltung verbreiteten die großen US-Agenturen dann an ihre unzähligen Abnehmer weltweit.6 4 5

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Vgl. Longerich (1987), S. 290. BArch, R 901/60528 Artikel von Ernest R. Pope mit dem Titel: „Blitzkrieg Reporting. Foreign Newspapermen in Berlin must move adroitly or be expelled for „abusing privileges“” aus Current History and Forum, 25.9.1940. Diese Tatsache sorgte 1942 nach der Rückkehr der US-Journalisten aus Deutschland in die Vereinigten Staaten für eine Diskussion, in der den Agenturkorrespondenten – sowie auch den ehemaligen Deutschland-Korrespondenten allgemein – vorgeworfen wurde, sie wären wegen Sensationsgier und des Wunsches, direkt aus Deutschland zu berichten, auch noch im Dritten Reich geblieben, nachdem von dort keine sachliche Berichterstattung mehr möglich war.

Die Schlusseinschätzung der vorliegenden Arbeit bezüglich der Auslandskorrespondenten im Dritten Reich lautet also, dass diese weder effektiv instrumentalisierte Propagandawaffen des NS-Regimes noch strahlend-erfolgreiche Aufklärer über die Zustände in Hitlers Reich waren. Diese Beurteilung trägt jedoch provisorischen Charakter. Um ein genaues Urteil über die Rolle der ausländischen Berichterstatter sowie über die Erfolge der auf sie bezogenen NS-Pressepolitik fällen zu können, wäre eine umfassende vergleichende Inhaltsanalyse der konkreten Berichterstattung der Korrespondenten notwendig.7 Diese könnte dann für die Kriegszeit mit den Inhalten der – leider nur extrem lückenhaft – überlieferten Auslandspressekonferenzprotokolle

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Dieses zu lange Verharren habe letztendlich zu einer Instrumentalisierung der Korrespondenten durch die NS-Propaganda geführt. Vgl. Freifeld (1942). Inhaltsanalysen zu Auslandskorrespondentenberichten aus dem Dritten Reich wurden bereits durchgeführt. Heidi Mühlenbergs Studie zur Berichterstattung der AP und UP aus dem „faschistischen Deutschland“ bis 1941 erschien in der DDR und ist aufgrund ihres ideologischen Einschlags kaum brauchbar. Vgl. Mühlenberg (1986). Markus Huttners inhaltsanalytische Untersuchung der Berichterstattung der Londoner „Times“ und des „Manchester Guardian“ bezüglich des nationalsozialistischen Kirchenkampfes von der „Machtergreifung“ bis 1939 umfasst nur das eine Thema Kirchenkampf und nur die genannten zwei britischen Blätter. Zudem flossen in Huttners Inhaltsanalyse auch Artikel ein, die nicht von den Berliner Korrespondenten der zwei Zeitungen verfasst wurden. Vgl. Huttner (1995), S. 276-278. Für einen Überblick über weitere, methodisch verschiedene und nicht zwangsläufig quantitative Studien, die sich allgemein mit Wahrnehmung, Darstellung und Bewertung des Nationalsozialismus durch ausländische Medien und Journalisten befassen, vgl. Ebd., S. 18-25. Generell steht der (inhaltsanalytischen) Untersuchung der Berichterstattung der Korrespondenten eine Reihe von Problemen im Weg. Theoretisch müsste eine Untersuchung – um das vollständige Bild der Arbeit der Korrespondenten zu erfassen – zahllose, in vielen verschiedenen Sprachen verfasste Artikel einer großen Anzahl von Journalisten einbeziehen. Da dies kaum realisierbar ist, erscheint eine Fokussierung auf die Berichterstattung der Korrespondenten von Leitmedien sinnvoll. Jedoch bestehen auch bei einem solchen Vorgehen weitere Schwierigkeiten. Manche Heimatredaktionen änderten die Artikel ihres Korrespondenten vor Abdruck um, um sie danach trotzdem mit der Autorenzeile des Auslandsberichterstatters zu veröffentlichen. Andere Zeitungen druckten Korrespondenten-Texte ohne Autorennennung ab, um ihre Journalisten in Deutschland zu schützen. Und wieder andere Fälle existieren, in denen Zeitungen – um einem Artikel größere Exklusivität zu verleihen – bei dessen Aufmachung den Eindruck erweckten, er sei von einem Auslandsjournalisten in Deutschland verfasst worden, obwohl dieser eigentlich in der Heimatredaktion geschrieben wurde. Aus all diesen Gründen lässt sich folglich oftmals nicht abschließend feststellen, für welche Berichterstattungsinhalte Korrespondenten oder Heimatredaktionen verantwortlich waren.

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abgeglichen werden, um zu überprüfen, inwiefern sich die Korrespondenten an den dort gemachten Ausführungen orientierten.

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R 901/59795 R 901/59797 R 901/59801 R 901/60307 R 901/60387 R 901/60404 R 901/60435 R 901/60523 R 901/60524 R 901/60527 R 901/60528 R 901/60862 R 901/73030 Deutsch-Japanische Gesellschaft R 64-IV/154 Reichskanzlei (Neue Reichskanzlei) R 43-I/2477 R 43-I/2482 R 43-II/470 R 43-II/472 R 43-II/473 R 43-II/474 R 43-II/474a R 43-II/475

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Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PA AA) Dienststelle Ribbentrop

Reichsministerium für die Kirchlichen Angelegenheiten

R 27090

R 5101/23746

Handakten Schmidt)

Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda

R 27886 R 27892

R 55/9 R 55/1391 R 55/1474 R 55/20883 R 55/20942 R 55/20943 R 55/21158 R 55/21186 R 55/23488 R 55/24125 R 55/30082 R 55/30156 Reichspressestelle der NSDAP NS 42/30 NS 42/32 NS 42/37 NS 42/48 NS 42/49 NS 42/51 Reichswirtschaftsministerium R 3101/32023

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Schmidt

Presseabteilung R 121280 R 121284 R 121310 R 121608 R 121651 R 121652 R 121653 R 121661 R 121663 R 121664 R 121667 R 121674 R 121687 R 121688 R 121707 R 121767 R 121768 R 121771 R 121773 R 123155 R 123652 R 211650

(Presse)

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Danksagung

Diesem Buch liegt meine Magisterarbeit zum Thema „Auslandskorrespondenten im Dritten Reich 1933–1945“ zugrunde, die im Sommersemester 2011 an der Universität Mainz im Fach Publizistik angenommen und ausgezeichnet wurde. Für die Drucklegung wurde sie überarbeitet und ergänzt. In der publizistikwissenschaftlichen Erforschung des Dritten Reiches soll die Studie eine bisher noch bestehende Lücke ausfüllen. Gerne möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit wahrnehmen, allen Personen und Institutionen, welche Entstehen und Veröffentlichung dieser Arbeit entscheidend gefördert haben, zu danken. Mein herzlicher Dank gilt zuvorderst Prof. Dr. Jürgen Wilke, der mich beim Verfassen der Arbeit sachkundig betreut und mit klugen Ratschlägen gefördert hat. Zu großem Dank verbunden bin ich Herrn Wilke weiter für die Anregung und Bereitschaft, die vorliegende Studie in der von ihm herausgegebenen Reihe „Medien in Geschichte und Gegenwart“ zu veröffentlichen. Herr Wilke hat mich auch im Prozess hin zur letztendlichen Drucklegung kontinuierlich und in keineswegs selbstverständlicher Weise unterstützt. Weiterhin herzlich danken möchte ich der FAZIT-Stiftung, dem Verein der Freunde und Förderer des Instituts für Publizistik der Universität Mainz sowie der Alumni-Stiftung der Mainzer Publizisten für ihre großzügigen Zuschüsse zu den Druckkosten. Verpflichtet fühle ich mich außerdem der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) der Konrad-Adenauer-Stiftung, die mich während meines Studiums mit einem Stipendium unterstützt hat. Abschließend gilt mein Dank meinen Eltern für die aufmerksame und akribische Durchsicht meiner Arbeit, wodurch sie mir viel Korrekturaufwand abgenommen haben. Mainz/Paris, im Januar 2012

Martin Herzer

305

Abkürzungsverzeichnis

AA APA APC AP BArch BBC CBS DAC DaD DDP DNB DNVP DVP Gestapa Gestapo HTA INS MinCulPop NBC NSDAP OFI OKW PA AA „Promi“ ProMin RAF RAI RMVP RRG SA SS UP USA WTB

306

Auswärtiges Amt Außenpolitisches Amt der NSDAP Auslands-Presse-Klub The Associated Press Bundesarchiv British Broadcasting Corporation Columbia Broadcasting System Deutscher Auslands-Club Dienst aus Deutschland Deutsche Demokratische Partei Deutsches Nachrichtenbüro Deutschnationale Volkspartei Deutsche Volkspartei Geheimes Staatspolizeiamt Geheime Staatspolizei Haupttelegraphenamt International News Service Ministero della Cultura Popolare National Broadcasting Company Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Office français d’information Oberkommando der Wehrmacht Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Royal Air Force Radiotelevisione Italiana Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Reichs-Rundfunk-Gesellschaft Sturmabteilung der NSDAP Schutzstaffel der NSDAP United Press United States of America Wolffs Telegraphisches Büro

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