Hitler und Polen: Zwei Beiträge zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen von 1930 bis 1939 [1 ed.] 9783428583935, 9783428183937

Hitler hat vor 1939 große Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit mit Polen gesetzt und dafür den polnischen Machthaber Piłsu

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Hitler und Polen: Zwei Beiträge zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen von 1930 bis 1939 [1 ed.]
 9783428583935, 9783428183937

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Zeitgeschichtliche Forschungen 61

Hitler und Polen Zwei Beiträge zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen von 1930 bis 1939 Von Dieter Hertz-Eichenrode

Duncker & Humblot · Berlin

DIETER HERTZ-EICHENRODE

Hitler und Polen

Zeitgeschichtliche Forschungen Band 61

Hitler und Polen Zwei Beiträge zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen von 1930 bis 1939

Von

Dieter Hertz-Eichenrode

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlag: Der polnische Außenminister Józef Beck und Adolf Hitler bei einem Empfang in der Reichskanzlei 1935 (© ullstein bild – Heinrich Hoffmann) Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1438-2326 ISBN 978-3-428-18393-7 (Print) ISBN 978-3-428-58393-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Zur Erinnerung an meinen Freund und Kollegen Bogusław Drewniak (1927 – 2017) Professor an der Universität Gdan´sk (Danzig)

Vorwort In diesem Buch sind zwei Studien vereint, die Einblick geben in ein besonderes Verhältnis, in die Nachbarschaft zwischen Deutschland und Polen während der 1930er Jahre. Das Verhältnis beruhte auf einer Vereinbarung über Gewaltverzicht und bilaterale Verständigung, die das Deutsche Reich und die Republik Polen im Januar 1934 unterzeichnet haben und die damals einiges Aufsehen erregte. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind seit 1919 stets gespannt gewesen, und es bedurfte großer Anstrengungen, um diesen Zustand zu überwinden. Dazu gehörte, dass deutscherseits die NS-Regierung lebhaft bekundete, mit allen Nachbarn in Frieden leben und kein polnisches Territorium erobern zu wollen, und dass polnischerseits die Machthaber in Warschau sich mit Fleiß die Hitler-Regierung schön redeten und sie als Partner der Verständigungspolitik priesen. Das ist ein Sachverhalt, auf den ich gestoßen bin, als ich bemerkte, dass Deutschland seit 1933 auffallend enge Sportbeziehungen zu Polen unterhalten und insbesondere binnen fünf Jahren ebenso viele Fußball-Länderspiele gegen Polen ausgetragen hatte – in den Jahren zuvor hatte es kein einziges gegeben. Was steckte dahinter? Die Antwort auf die Frage konnte ich bereits 2012 geben (sie wird hier im zweiten Beitrag des Bandes wiederholt). Sie sollte allerdings noch erweitert werden durch Blicke auf die allgemeinen politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Doch diese Absicht zu verwirklichen hat sich wegen meines fortschreitenden Alters und anderer Umstände verzögert, und ich bin erfreut, dass ich nun das lang verfolgte Vorhaben abschließen kann (der Abschluss liegt vor im ersten Beitrag dieses Buches). Wie leicht zu erkennen ist, habe ich nicht die deutsch-polnischen Beziehungen in ihrer ganzen Breite behandeln wollen. Vielmehr geht es mir darum, die Absichten, die speziell Hitler gegenüber Polen hegte, aufzudecken und gleichzeitig die Reaktion Polens auf die deutsche Politik zu beleuchten. Daraus ergibt sich das Bild einer eigentümlichen Entspannungspolitik, in der sich zwei Partner die Hände reichten, die in vielen Sachfragen recht verschiedene Standpunkte hatten. In der Gemengelage der europäischen Außenpolitik zwischen 1919 und 1939 hat ihr Handschlag jedoch eine beträchtliche Bedeutung gehabt und im Nachhinein hat sich erwiesen, dass die viel kritisierte Appeasementpolitik gegenüber NS-Deutschland 1933/34 durch Polen eingeleitet worden ist. Für beide Seiten ging es darum, Zeit zu gewinnen. Es war aber fraglich, von wem und wofür die Zeit genutzt werden würde. De facto enthielt die Appeasementpolitik, für die vor allem England und Frankreich verantwortlich waren, ein Angebot an Deutschland, sich friedlich und schrittweise der Restriktionen zu entledigen, die ihm der Friedensvertrag von 1919

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Vorwort

auferlegt hatte. Hitler hat den Spielraum, den ihm dieses Angebot eröffnete, rigoros genutzt und dadurch den Zeitgewinn in einen Vorteil für sich und Deutschland verwandelt. Komplementär dazu wuchsen für Polen die Nachteile, die sich aus dem Ablauf der Appeasementpolitik ergaben. Das wurde seit dem Frühjahr 1936 offenbar, als die Westmächte die einseitige Verletzung des Friedensvertrages sowie des Locarno-Vertrages von 1925 hinnahmen, die sich Hitler durch die Verlegung deutscher Truppen in das offizeill demilitarisierte Rheinland erlaubt hatte. Für Polen war das eine ernüchternde Erfahrung, weil seine Hoffnung, die Westmächte würden einen unkontrolllierbaren Machtgewinn Deutschlands verhindern, einen schweren Stoß erhalten hatte. Gleichzeitig spürte es, dass sein entspanntes Verhältnis zu Deutschland in demselben Maße an Wert gewann, wie das internationale Gewicht des NSStaates zunahm. Denn solange Hitler das Freundschaftsabkommen von 1934 respektierte, solange durfte Polen auf eine auskömmliche Lage an der Seite Deutschlands rechnen. Ähnlich verhielt es sich auch andersherum: solange Hitler damit beschäftigt war, den deutschen Machtgewinn auf Kosten des Einflusses von Frankreich und England durchzusetzen, brauchte er gewissermaßen in seinem Rücken das polnische Wohlverhalten. So ergab sich bis 1938/39 die paradoxe Situation, dass Deutschland und Polen trotz eines wachsenden Misstrauens immer wieder das beiderseitige Einvernehmen suchten. Ich hoffe, dass ich diese Ambivalenzen in den Studien, die hier abgedruckt werden, nachweisen konnte. Hinsichtlich der Angaben über die Quellen und die Literatur, die ich benutzt habe, möchte ich vorab mitteilen, dass ich in den Fußnoten die Buchtitel verkürzt, ohne Untertitel und Reihentitel, anführe und die vollständigen bibliographischen Angaben dem Literaturverzeichnis am Ende des Buches überlasse. Einmal genannte Bücher werden, wenn sie in den Fußnoten erneut erscheinen, nur noch mit einem Stichwort aus ihrem Titel zitiert. Und zum Schluss noch dieses: ich widme mein Buch dem Andenken an den polnischen Historiker Bogusław Drewniak, einen Kollegen, dessen Freundschaft ich lange Zeit genießen durfte. Drewniak hat einen großen Teil seiner wissenschaftlichen Arbeit der deutschen Kulturgeschichte während der NS-Zeit gewidmet und hat unter anderem ausführlich das Film- und Theaterleben jener Jahre behandelt. Es war seine Absicht, jegliche ideologische Überformung seiner Forschungsergebnisse, wie sie zu Zeiten der kommunistischen Herrschaft in Polen erwünscht war, zu vermeiden, und ich denke, es ist ihm gelungen. Nicht minder ist es ihm gelungen, ein freundlicher, fürsorglicher Gastgeber zu sein. Ich habe davon bei mehreren Besuchen in Danzig und anderen Teilen Polens profitiert. Dafür bin ich ihm dankbar. Berlin-Tempelhof, im Juni 2021

Dieter Hertz-Eichenrode

Inhaltsverzeichnis A. Hitler, Piłsudski, Beck – Versuch einer deutsch-polnischen Freundschaft (1933 – 1939). Mit einem Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Die Annäherung zwischen Piłsudski und Hitler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Hitler über Piłsudski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Piłsudski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3. Piłsudski nähert sich Hitler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Die deutsch-polnische Erklärung vom 26. Januar 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 5. Piłsudskis und Hitlers Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Praxis der Verständigungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Die deutsche Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Die polnische Politik und Józef Beck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Hitlers und Becks Endspiel 1938/39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 B. Sport und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen von 1933 bis 1939 . . . . 67 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Das historische Umfeld der Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Die politischen Ursachen des Spiels vom 3. Dezember 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IV. Zum Charakter der deutsch-polnischen Länderspiele von 1933 bis 1938 . . . . . . . 74 V. Sport, Politik und Nachbarschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 VI. Ein verfehlter Versuch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Zeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

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Inhaltsverzeichnis 3. Gedruckte Quellen, Memoiren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

A. Hitler, Piłsudski, Beck – Versuch einer deutsch-polnischen Freundschaft (1933 – 1939). Mit einem Epilog Einleitung Die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen im 20. Jahrhundert ist eine Abfolge mehr oder weniger gereizter Dispute, vorwiegend über den Verlauf der Grenze zwischen beiden Staaten. Aus dieser Atmosphäre des Streits fallen fünf Jahre – von 1934 bis 1939 – heraus, in denen sich beide Regierungen bemühten, dem nachbarlichen Nebeneinander einen duldsam-freundschaftlichen Anstrich zu geben. Im Rückblick verblüfft es, dass gerade die Zeit vor der schärfsten Konfrontation, die jemals zwischen Deutschen und Polen stattgefunden hat, eine Phase der Entspannungspolitik gewesen ist. Vereinfacht ausgedrückt waren dafür zwei Männer verantwortlich: Adolf Hitler auf deutscher und Józef Piłsudski auf polnischer Seite. Jeder setzte auf den anderen große Hoffnungen, die ihren ersten Niederschlag in der deutsch-polnischen Erklärung über Gewaltverzicht vom 26. Januar 1934 fanden. Sie wurde im Lichte der internationalen Öffentlichkeit unterschrieben und dementsprechend wahrgenommen und kommentiert.1 Weniger sichtbar war, dass die beiden Staatsmänner 1934 einen Schritt vollzogen, den sie bereits Ende 1930 erwogen hatten: Piłsudski hatte damals versucht, in Hitler und der NSDAP einen Partner für eine polnisch-deutsche Verständigungspolitik zu finden, und Hitler hatte das Einvernehmen mit Polen als Chance begriffen, einem künftigen NS-Staat gegenüber Frankreich den Rücken frei zu halten sowie gegenüber der Sowjetunion ein militärisch nutzbares Aufmarschgebiet zu sichern. Obwohl die beiderseitigen Intentionen nicht deckungsgleich waren, kam es zur Verständigung von 1934. Piłsudski gewann in Hitler den gewünschten Vertragspartner und Hitler sah in Piłsudski den polnischen Führer, mit dem er früher oder später eine gemeinsame Ostpolitik treiben könnte. Das zog die Jahre der freundlichen Nachbarschaft nach sich, die vor allem von deutscher Seite auf verschiedenen 1 Siehe dazu Hans Roos, Polen und Europa. Tübingen 1957; Marian Wojciechowski, Die polnisch-deutschen Beziehungen 1933 – 1938. Leiden 1971; ders., Polsko-niemiecka deklaracja o nieagresji z 26 stycznia 1934. Katowice 1963; Karol Lapter, Pakt Piłsudski-Hitler. Warszawa 1962; Marek Kornat, Polen zwischen Hitler und Stalin. Berlin 2012; Gerhard L. Weinberg, The Foreign Policy of Hitler’s Germany, Bd. 1. Chicago/London 1970; Günter Wollstein, Vom Weimarer Revisionismus zu Hitler. Bonn 1973.

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A. Hitler, Piłsudski, Beck

Ebenen demonstriert wurde.2 Auf polnischer Seite korrespondierte dem eine betonte Wertschätzung der NS-Führung, die als beste aller bisherigen deutschen Regierungen gelobt wurde. Das Pendeln zwischen Freundschaft und Feindschaft, das sich daraus ergab, ist im wesentlichen bekannt und erforscht. Was jedoch noch einer näheren Betrachtung wert ist, das ist die Frage, wie Hitlers Einstellung gegenüber Polen im allgemeinen und wie seine Beziehung zu Piłsudski im besonderen gewesen ist. Sein Polenbild vor dem September 1939 wird meistens als neutral und entspannt bezeichnet – da wäre stärker als bisher auf dessen Doppelbödigkeit zu verweisen, die von Anfang an bestanden hat. Und was das Verhältnis zu Piłsudski betrifft, so ist dies als grundlegend für Hitlers Urteil über Polen hervorzuheben. Hitler klammerte sich bis 1939 an die Idee, Polen als Partner für seine Offensivpolitik gewinnen zu können, und dieser Optimismus gründete in den Eindrücken, die Piłsudskis Annäherungsversuch von 1930 bei ihm hinterlassen hatte. Bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges hinein hat er dem polnischen Marschall seine Verehrung bewahrt. Andererseits ist für die polnische Regierung bezeichnend gewesen, dass sie jahrelang an ihrer positiven Bewertung der NS-Regierung festgehalten, wissentlich deren Revisions- und Rüstungspolitik in Kauf genommen und gleichzeitig die reservatio mentalis gehegt hat, im Fall eines großen Konflikts in Europa nicht die Seite Deutschlands, sondern die der Westmächte zu wählen. Für diese ambivalente Politik ist je länger desto mehr der polnische Außenminister Józef Beck verantwortlich gewesen. Er wuchs nach Piłsudskis Tod zum Exponenten jener Politik heran, die im gedeihlichen Verhältnis zu Deutschland einen Angelpunkt der äußeren Sicherheit Polens sah. Dementsprechend ist ihm hier größere Aufmerksamkeit zu zollen, was wiederum dazu führt, dass unsere Darstellung bis an den Vorabend des 1. September 1939 heranreicht, das heißt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die von Hitler und Piłsudski gesuchte Annäherung endgültig zerbrach. Die Schritte der Darstellung gruppieren sich zu zwei größeren Blöcken: zunächst geht es um das Verhältnis Hitler-Piłsudski und dessen Einfluss auf die politischen Entscheidungen (I.), danach um die Versuche, das Fundament der Verständigung von 1934 zu verbreitern (II.). Der kundige Leser wird dabei zwei wesentliche Komponenten der deutsch-polnischen Beziehungen, die Danziger Frage und die Minderheitenfrage, vermissen. Auf sie wird weitgehend verzichtet, um die Darstellung stofflich zu entlasten. Zweifellos vereinfacht sich dadurch das Gesamtbild, aber das dürfte angesichts der hier gewählten Prämissen vertretbar sein.

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Zu den Bemühungen, eine deutsch-polnische Freundschaft zu entwickeln, siehe Carsten Roschke, Der umworbene „Urfeind“. Marburg 2000; Karina Pryt, Befohlene Freundschaft. Osnabrück 2010; ferner Bogusław Drewniak, Polen und Deutschland 1919 – 1939. Düsseldorf 1999; Dieter Hertz-Eichenrode, Sport und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen von 1933 bis 1939, in: SportZeiten 12 (2012), Heft 3, S. 7 – 36 (jetzt erneut unten S. 67 ff.).

I. Die Annäherung zwischen Piłsudski und Hitler

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I. Die Annäherung zwischen Piłsudski und Hitler 1. Hitler über Piłsudski Den deutschen Zeitungsredaktionen flatterte am 5. Oktober 1939 abends eine Meldung auf den Tisch, die besagte, dass der Reichskanzler Adolf Hitler bei seinem Besuch in Warschau nicht nur eine Siegesparade der Wehrmacht abgenommen, sondern auch eine persönliche Gedenkminute für den 1935 verstorbenen polnischen Staatschef Josef Piłsudski in dessen ehemaligem Amtssitz, dem Schloss Belvedere, eingelegt hatte. In dem Bericht hieß es: „Vor dem Eingang zum Schloss steht eine Ehrenwache der deutschen Wehrmacht. Der Führer verweilt kurz in dem Arbeitszimmer des großen Toten, der seinem Volk den Frieden gegeben hatte, einen Frieden, den die Männer, die nach des Marschalls Tod die Macht an sich rissen, so schmählich verrieten.“3 Gemeint ist hier der Friede mit Deutschland, den Piłsudski mittels des Abkommens über Gewaltverzicht Anfang 1934 ermöglicht hatte und an dem Hitler damals, in der Anfangsphase seiner Regierung, sehr gelegen war. Piłsudski ist über seinen Tod (Mai 1935) hinaus bei Hitler in einer positiven Erinnerung geblieben. Das hat Hitler mehrfach öffentlich zum Ausdruck gebracht. So bescheinigte er ihm eine „großzügige Auffassung“ von der Gestaltung der deutsch-polnischen Beziehungen (1934), gedachte seiner (neben sich selbst!) als „eines anderen großen Führers und Staatsmannes“ (1936) und pries ihn als großen Marschall und Patrioten (Januar 1939); als der deutsche Überfall auf Polen bereits in vollem Gange war, würdigte er ihn weiterhin als „Mann von einer unbestreitbaren realistischen Einsicht und Tatkraft“ (September 1939).4 Damit nicht genug. Anfang 1941 spekulierte er darüber, dass es mit einem lebenden Piłsudski nicht zum Krieg, sondern zu einer weiter entwickelten deutsch-polnischen Verständigung gekommen wäre, und noch im Spätherbst 1944 sinnierte er etwas trübsinnig über den Entschluss des polnischen Volkes, nicht den Mahnungen Piłsudskis zu folgen, sondern sich ins

3 Zitiert nach Max Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen 1932 – 1945, Bd. II/1. Wiesbaden 1973, S. 1376. Auch am Grab Piłsudskis in Krakau stellte die Wehrmacht eine Ehrenwache auf, siehe Die Berichte des Oberkommandos der Wehrmacht 1939 – 1945, Bd. 1. München 1983, S. 16. Die Meldung über Hitlers Besuch des Belvedere habe ich weder im Völkischen Beobachter noch in der Allgemeinen Deutschen Zeitung gefunden; der Völkische Beobachter erwähnt aber am 7. und 8. 10. 1939 im Rahmen der eigenen Berichterstattung Hitlers Besichtigung des Schlosses. 4 Äußerungen Hitlers im Reichstag 30. 1. 1934 und 30. 1. 1939, in Karlsruhe 12. 3. 1936, in Danzig 19. 9. 1939, alles nach M. Domarus, Hitler, I/1, S. 358; I/2, S. 604; II/3, S. 1065, 1356. Hitlers Wertschätzung Piłsudskis wird auch beachtet von Jerzy Wojciech Borejsza, Antyslawizm Adolfa Hitlera. Warszawa 1988, S. 68, 76, 88, und Tomasz Szarota, Hitler über Piłsudskis, in: ders., Stereotype und Konflikte. Osnabrück 2010, S. 215 ff. (besonders S. 221 ff.); ferner von Piotr Zychowicz, Pakt Ribbentrop-Beck czyli jak Polacy mogli u boku III Rzeszy pokonac˙ Zwia˛zek Sowiecki. Poznan´ 2012, S. 142 ff., und Wolfgang Templin, Der Kampf um Polen. Paderborn 2018, S. 204 f.

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A. Hitler, Piłsudski, Beck

Lager der Westmächte zu schlagen.5 Das ist weitgehend Wunschdenken gewesen, aber es ist nicht ganz ohne Parallele auf polnischer Seite: im Jahr 2000 hat der Publizist Jerzy Giedroyc vermutet, dass Piłsudski 1939 statt des Krieges den Ausgleich mit Deutschland gesucht hätte, und ähnlich argumentierte 2012 Piotr Zychowicz.6 Wir stehen vor der Tatsache, dass die respektvollen Äußerungen Hitlers über Piłsudski ein Kontinuum bis 1944 bilden. Dies positive Interesse für den polnischen Staatsmann steht allerdings in schroffem Gegensatz zu der antipolnischen Politik, die Hitler seit September 1939 getrieben hat. Deshalb ist zu fragen, was Hitler eigentlich von Polen wusste oder wollte, inwieweit er sich mit Polen beschäftigt hat. Am wichtigsten dürfte gewesen sein, dass dieser Staat das Durchgangsgebiet zu dem vermeintlichen Lebensraum war, den das deutsche Volk in Russland erobern sollte – immerhin lagen zwischen Polens West- und Ostgrenze etwa 800 Kilometer. Hinzukam das außenpolitische Gewicht, das Polen als Nachbar Deutschlands und Bündnispartner Frankreichs besaß, und schließlich war von Belang, dass Polen seit 1926 ein zunehmend autoritär regierter Staat war, in dem ähnlich wie in NSDeutschland die Drangsalierung der politischen Opposition, der Antikommunismus und der Kult des führenden Staatsmannes die vorherrschende Praxis wurden. Solche Bezüge schienen sich für Hitler in der Person Piłsudskis zu bündeln, dem damit die Rolle eines Garanten der deutsch-polnischen Annäherung zugeschoben wurde. Doch wer war Piłsudski?

2. Piłsudski Hitlers Vorliebe für Piłsudski ging insofern nicht fehl, als es sich hier um denjenigen polnischen Staatsmann handelte, der unter den Amts- und Würdenträgern in Warschau die geringsten antideutschen Gefühle hegte. Das hing damit zusammen, dass Piłsudski von Jugend an den Hauptfeind Polens in Russland, nicht in Deutschland sah. Er ist 1867 im russisch besetzten Teil Polens geboren worden und herangewachsen im Geiste der nationalen Traditionen, die durch die Aufstände gegen Russland von 1831 und 1863 gestiftet worden waren. Sein Lebenslauf weist die typischen Stufen einer revolutionären Karriere auf: konspirative Arbeit, Verhaftung und Verbannung, nach der Rückkehr Anschluss an die polnische Sozialistische Partei, nach einigen Jahren erneute Verhaftung und Flucht in den österreichischen Teil Polens. Dort baute er seit 1908 halbmilitärische Schützenverbände auf, die während des Ersten Weltkrieges als Polnische Legionen auf Seiten Österreichs und Deutschlands gegen Russland kämpften. Als er sich 5 J. W. Borejsza, Antyslawizm, S. 88 (Gespräch vom 4. 1. 1941); Hermann Giesler, Ein anderer Hitler. Leoni 1982, S. 460 f. (Gespräch in der Wolfsschanze). 6 Siehe M. Kornat, Polen, S. 177; P. Zychowicz, Pakt Ribbentrop-Beck, S. 160 ff. Die hypothetische Möglichkeit, dass Piłsudski in eine polnisch-deutsche Zusammenarbeit gegen Russland gewilligt hätte, räumt auch ein M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 87 f., 111 f.

I. Die Annäherung zwischen Piłsudski und Hitler

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weigerte, die polnischen Truppen dem deutschen Kommando zu unterstellen, wurde er 1917 auf der Festung Magdeburg interniert. Im November 1918 nach Warschau zurückgekehrt, wurde er einer der Gründungsväter der Polnischen Republik. Vor allem der Aufbau der Armee und der Kampf um die Ostgrenze Polens sind mit seinem Namen verbunden. Der 1920 mühsam errungene Erfolg gegenüber Sowjetrussland brachte ihm einen legendären Ruhm ein. Auch innenpolitisch erlangte er als Vorläufiger Staatschef eine ausschlaggebende Rolle. Der Staat, den er gestalten half, wurde eine parlamentarische Republik, die wegen ihres heterogenen Parteiensystems, der strukturellen Unterschiede zwischen den ehemaligen drei Teilungsgebieten und der ethnischen Vielfalt, die sich aus dem hohen Anteil (ca. 30 %) nationaler Minderheiten (Ukrainer, Weißrussen, Deutsche und des weiteren auch Juden) ergab, schwer zu regieren war. Außenpolitisch hatte die junge Republik ebenfalls einen schwierigen Stand, weil fast alle Grenzen zu den Nachbarn – neben Deutschland auch zu Russland, Litauen und der Tschechoslowakei – umstritten waren. Doch sei dem, wie es will: Piłsudski war in Polen ein berühmter und geachteter Mann.7 Das blieb so, als er sich 1923 aus der aktiven Politik zurückzog, und das blieb auch so, als er im Mai 1926 auf den Schultern der Armee wieder in die Regierung zurückkehrte. Im Handstreich gegen die parlamentarische Regierung setzte sich nun ein Kurs der Sanierung (sanacja) durch, der unter militärischen Vorzeichen betrieben wurde. Polen erhielt schrittweise ein autoritäres Regime, das sich zwar in den parlamentarischen Formen einrichtete, aber durch Beeinflussung der Wahlen und Verhaftung oppositioneller Parteiführer die Macht bei den Offizieren und Beamten versammelte. Piłsudski hat mehrfach Ministerämter übernommen, schließlich jedoch sich mit der Verfügungsgewalt über die Armee begnügt. Bis zu seinem Tode blieb er der ausschlaggebende Mann im Staate – von den einen verehrt als Staatsgründer, Kommandant der Legionen oder Erster Marschall Polens, von den andern gerügt ob seiner Preisgabe sozialistischer Positionen, seines Vorgehens gegen die Opposition oder seines schwierig zu berechnenden Verhaltens in den politischen Geschäften. Die Nation war sich uneins angesichts dieses Mannes, der für sich selbst wenig, für das Land alles erstrebt hatte.8 Doch bis 1939 war die Verehrung Piłsudskis offiziell verbindlich und bildete eine Legitimation des herrschenden Regimes. 7 Eine umfassende Biographie bietet Andrzej Garlicki, Józef Piłsudski 1867 – 1935.Warszawa 1988; sein Verhältnis zu Deutschland behandelt Tomasz Serwatka, Józef Piłsudski a Niemcy. Wrocław 1997, ferner Harald von Riekhoff, German-Polish Relations, 1918 – 1933. Baltimore, London 1971, S. 320 ff. Eine Biographie in deutscher Sprache gibt Holger Michael, Marschall Józef Piłsudski 1867 bis 1935. Bonn 2010. Aus den zeitgenössischen Arbeiten seien genannt Friedrich Wilhelm von Oertzen, Marschall Piłsudski. Berlin [1934], und Wacław Lipin´ski, Der Große Marschall. Biographische Einleitung, in: Josef Piłsudski, Erinnerungen und Dokumente, Bd. I. Essen 1935, S. 1* – 79*. 8 Seine Gegenautorität, obwohl ihm an praktischer Gestaltungskraft unterlegen, war Roman Dmowski, der das bürgerliche, nationaldemokratische Lager anführte und dort das antideutsche Misstrauen verkörperte. Ein einprägsames Doppelporträt der beiden bei Norman Davies, Im Herzen Europas. Geschichte Polens. München 2000, S. 118 – 135.

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Auf diesen Mann hatte also Hitler seine Hoffnungen gerichtet. Wenn er jedoch glaubte, in ihm so etwas wie einen politischen Blutsbruder zu haben, befand er sich im Irrtum. Gewiss war Piłsudski kein eingefleischter Deutschenfeind, doch die Richtschnur seines Handelns ergab sich aus den Interessen des polnischen Staates und dazu gehörte die Sicherung der Grenze gegenüber Deutschland. Deshalb war sein Blick auf Deutschland aufmerksam und kritisch. Von 1926 bis 1929 glaubte er angesichts der deutschen Abrüstung, dass an der Westgrenze keine Gefahr drohe; November 1926 sagte er: „In dieser Generation ist Deutschland nicht fähig, mit uns Krieg zu führen.“9 Das änderte sich jedoch 1929, als sich Konzessionen der Westmächte gegenüber Deutschland abzeichneten (Young-Plan, Räumung des Rheinlandes). Nun rechnete er damit, dass die deutsche Absicht, die Grenze zu revidieren, bis 1931/32 in einen Krieg münden könnte.10 Um dem vorzubeugen, bemühte er sich, in der von inneren Konflikten erschütterten Weimarer Republik Kräfte auszumachen, denen die konservativ-nationale Polenfeindschaft nicht eingeboren war. Einen Beleg dafür lieferte am 9. Oktober 1930 die regierungsnahe Gazeta Polska, die den Wahlsieg der NSDAP vom 14. September als Auftakt eines politischen Wandels „von Stresemann zu Hitler“ deutete und in dem Vorhaben Hitlers, den Versailler Vertrag zu revidieren, vorwiegend eine Bedrohung der Westmächte sah: „Hitler ist eher der Drang nach Westen als der Drang nach Osten.“11 Mit dieser Bewertung ließen sich Piłsudski und die Seinen auf ein gefährliches Spiel ein. Sie versprachen sich von den Nationalsozialisten eine antiwestliche Politik, die Polen an seiner Grenze entlasten würde, und zugleich rechneten sie darauf, dass die Westmächte die Aufgabe eines Gegengewichts zu Deutschland konsequent übernehmen würden. Diese Erwartungen haben sich nicht erfüllt und ihre Folgen zeigten sich im September 1939, als Polen von einem hochgerüsteten Deutschland überrannt wurde. Einstweilen stand jedoch anderes im Vordergrund. In Deutschland war 1930 mit dem Übergang zur Präsidialregierung ein Rechtsruck erfolgt, der sich aus polnischer Sicht an zwei Punkten bemerkbar machte, in dem Ruf nach Revision der Ostgrenze und im Begehren nach militärischer Gleichberechtigung.12 Es war klar, dass der deutsche Revisionsanspruch akut werden würde, sobald das Reich aufgerüstet hätte. Also versuchte Piłsudski, dieser Entwicklung vorzubeugen. Das wollte er im Zusammenspiel mit Frankreich erreichen, notfalls aber auch im Gebrauch der eigenen Kräfte. Bald lief das Gerücht um, Polen plane einen Präventivkrieg, und Europa war alarmiert.13 Der Sache nach konnte es sich nicht um einen Krieg handeln, sondern um militärische Aktionen, die Polen à la Ruhrbesetzung 1923 in den Besitz von terri9

T. Serwatka, Piłsudski, S. 115. T. Serwatka, Piłsudski, S. 128, vergleiche dort auch S. 123. 11 T. Serwatka, Piłsudski, S. 130; ferner Jerzy Krasuski, Stosunki polsko-niemieckie 1926 – 1932 Poznan´ 1964, S. 301 (die kursiven Formulierungen im Original auf deutsch). 12 Siehe dazu Hermann Graml, Zwischen Stresemann und Hitler. München 2001, S. 52 ff., 63 ff., 123 f. 13 Hans Roos, Die „Präventivkriegspläne“ Piłsudskis von 1933, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 3 (1955), S. 344 – 363. 10

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torialen Faustpfändern bringen sollten, mit denen Deutschland genötigt werden konnte, seine Revisionspolitik im Einklang mit den internationalen Verträgen zu halten. Solch ein Vorhaben bedurfte der Absicherung durch Frankreich, doch die wurde verweigert.14 Gleichwohl hat Polen einige Aktivitäten entfaltet, die auf die Freie Stadt Danzig und vielleicht auch auf Ostpreußen zielten – Entsendung eines Kriegsschiffes nach Danzig (Juni 1932), Erhöhung der polnischen Truppenpräsenz auf der Danziger Westerplatte (März 1933) und Abhaltung einer großen Militärparade in Wilna (April 1933) – und die in Deutschland mit Besorgnis aufgenommen wurden.15 Es ist eine Streitfrage, wie ernst das gemeint war. Von polnischer Seite wird das Präventivkriegsgerücht mit diplomatischen Ausstreuungen Deutschlands erklärt, die vor der internationalen Öffentlichkeit die eigene Revisionspolitik in einen Schleier von Schutzbedürfnis hüllen sollten.16 Das ist durchaus möglich, ändert aber nichts daran, dass die polnische Regierung hierbei der handelnde Teil war. Die Politik der militärischen Demonstrationen trug Piłsudskis Handschrift. Er trieb eine Machtpolitik, die Deutschland unter Druck setzen und zum Einlenken bringen sollte. Das Bemerkenswerte ist, dass er sein Ziel erreicht hat. Denn am 26. Januar 1934 unterzeichneten Deutschland und Polen jene Erklärung, in der sie auf Anwendung von Gewalt verzichteten und sich zu einem gut nachbarlichen Verhältnis bekannten. Wie war das möglich und warum mit einem deutschen Reichskanzler Adolf Hitler? Um das zu verstehen, müssen wir wieder in das Jahr 1930 zurückkehren.

3. Piłsudski nähert sich Hitler Wie erinnerlich, hatte Piłsudski 1929 begonnen zu prüfen, ob es unter den politischen Strömungen in Deutschland eine Kraft gäbe, die Polen weniger feindselig begegnen würde als die bisher vorherrschenden Parteien. Nach dem Erfolg der Nationalsozialisten bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 glaubte er, dass ein geeigneter Partner in Sicht sei, und er zögerte nicht, die Probe aufs Exempel zu machen. 14 Zu Frankreichs Unvermögen, Polen in diesem Punkt zu folgen, siehe H. Graml, Zwischen Stresemann, S. 116, 197, 203. 15 Außer dem Aufsatz von Hans Roos (siehe Anm. 13) sind heranzuziehen: ders., Polen, S. 47 f., 64, 75 ff.; M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 15 ff.; T. Serwatka, Piłsudski, S.136, 141 ff.; Leszek Moczulski, Wojna prewencyna. Warszawa 2017, S. 7 ff., 48 ff. Über die deutsche Besorgnis siehe Francis L. Carsten, Reichswehr und Politik 1918 – 1933. Köln/Berlin 1966, S. 397 f., 410, und Michael Salewski, Die deutsche Sicherheitspolitik in der Spätzeit der Weimarer Republik, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 22 (1974), S. 132 f. Die Freie Stadt Danzig eignete sich als Pressionspunkt, weil Polen dort auf Grund des Versailler Vertrages eine Reihe von Sonderrechten genoss, die ausgebaut werden konnten, indes die deutsche Regierung bemüht war, den deutschen Charakter der Stadt und ihre Autonomie zu wahren, um so die Rückgliederung Danzigs an das Reich vorzubereiten. 16 So T. Serwatka, Piłsudski, S. 142 f.

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Ende November sprach in der Münchener NSDAP-Zentrale ein polnischer Rechtsanwalt aus Warschau vor und bat im Auftrage Piłsudskis um ein Gespräch mit Hitler.17 Da Hitler verreist war, erläuterte er seinen Auftrag gegenüber dem SAStabschef Wagener und teilte mit, Piłsudski verfolge die Entwicklung der NSDAP „mit größtem Interesse“ und „mit den größten Gefühlen der Sympathie“ für den erwachenden deutschen Nationalismus. Er fürchte aber, dass der Nationalismus in Chauvinismus umschlagen könne, nicht zuletzt wegen der Spannungen an der deutsch-polnischen Grenze. Deshalb denke er daran, die Kriegsgefahr, die mit dem polnischen Korridor zwischen Pommern und Ostpreußen verbunden sei, zu bannen durch „einen beide Länder befriedigenden Ausweg.“ Er sei bereit, „an der Suche nach einem friedlichen Ausweg mitzuwirken“ und wolle das Hitler wissen lassen. An diese Eröffnung knüpfte sich ein längeres Gespräch, in dem neben dem deutsch-polnischen auch das deutsch-französische und deutsch-englische Verhältnis berührt wurde. Mit Nachdruck habe der Pole seine Abneigung gegenüber Russland bekundet und als Vorschlag Piłsudskis beschrieben, nach einem Regierungsantritt Hitlers gleich „einen 10-jährigen Friedens- und Freundschaftsvertrag“ abzuschließen mitsamt einer Geheimklausel über die Lösung der Korridorfrage dergestalt, „dass die Vereinigung von Ostpreußen und Deutschland wieder hergestellt, dass Polen aber trotzdem freien Verkehr zu Wasser und zu Lande mit der Ostsee behalten soll“. Piłsudski erhoffe sich von den zehn Vertragsjahren eine ausgleichende Entwicklung, die später von einem Zollvertrag und einer Föderation Mitteleuropas gekrönt werden könnte – fürwahr weitreichende Perspektiven. Diese Mitteilungen werfen einige Fragen auf. Überraschend ist, dass Piłsudski Ende 1930 mit Hitler als Reichskanzler gerechnet, einen Freundschaftsvertrag auf zehn Jahre vorgeschlagen und Polens Verzicht auf den Korridor angeboten haben soll. Nicht weniger erstaunlich wäre die Aussicht auf einen bilateralen Zollvertrag und eine mitteleuropäische Föderation. Einleuchtend ist die betonte Abneigung gegenüber Russland, weniger jedoch die kompensatorisch erwähnte Hinneigung zu Deutschland. Der politischen Phantasie wurde hier ein großer Spielraum geboten, aber war das alles glaubwürdig? Von polnischen Historikern wird der Kontakt als solcher nicht bezweifelt, doch schenken sie den Angaben zu Piłsudskis Konzessionsbereitschaft kaum Glauben.18 17

Das berichtet Otto Wagener, 1930 Stabschef der SA und 1931 Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung im NSDAP-Vorstand, siehe Henry A. Turner (Hg.), Hitler aus nächster Nähe. Frankfurt a. M./Berlin/Wien 1978, S. 118. Turner hat die Passage über den Kontaktversuch Piłsudskis nur als Textreferat wiedergegeben. Die Kenntnis ihres Wortlauts verdanke ich dem Archiv des Instituts für Zeitgeschichte (München), wo Wageners Manuskript unter der Signatur ED 60/2 aufbewahrt wird. In polnischer Übersetzung ist die Textstelle veröffentlicht bei Piotr Wandycz, Próba nawia˛zania przez Marszałka Piłsudskiego kontaktu z Hitlerem jesienia˛ 1930 roku, in: Niepodleglos´c´ 11 (1978), S. 127 – 134. 18 P. Wandycz, Próba, S. 134 ff.; J. W. Borejsza, Antyslawizm, S. 62 ff.; T. Szarota, Hitler, S. 217; T. Serwatka, Piłsudski, S. 130 f.; M. Kornat, Polen, S. 50. A. Garlicki, Piłsudski, S. 631, erwähnt den Kontakt nur indirekt und kommentarlos. Auffallend ist, dass bereits 1963

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Es wäre in der Tat ungewöhnlich, wenn der polnische Staatschef den Korridor (Pommerellen) von vornherein preisgegeben hätte. Kühn wäre auch die Anspielung auf eine enge polnisch-deutsche Verbindung gewesen, wenngleich solche Gedanken in der polnischen Publizistik anzutreffen waren. Hier wäre vor allem an Władysław Studnicki zu erinnern, der auf Deutschland als Partner Polens setzte und das mit politischen, geographischen und ökonomischen Gründen untermauerte.19 Dagegen wäre der Vorschlag eines zehnjährigen Freundschaftsvertrages durchaus als praktikabler Versuchsballon geeignet gewesen. Und dies umso mehr, als das ein Gedanke war, den der polnische Außenminister Zaleski bereits 1929 in ähnlicher Form gehegt hatte.20 Es lässt sich nicht restlos aufklären, was an dem vorliegenden Bericht auf einen Auftrag Piłsudskis, auf Zutaten des Boten oder auf Beiwerk aus Wageners Feder zurückgeht. Gewiss ist jedoch, dass der Zeitpunkt des Vorstoßes – Ende November/ Anfang Dezember 1930 – plausibel ist.21 Vorangegangen waren der Wahlerfolg der NSDAP im September und der gelenkte Wahlsieg des Sanacja-Regimes im November 1930. Im deutschen Wahlkampf hatte Reichsminister Treviranus die Revisionspropaganda angefacht, indem er öffentlich von der „ungeheilten Wunde in der Ostflanke“ Deutschlands sprach.22 Darin die Gefahr des Chauvinismus und des Krieges zu wittern, wie es Piłsudski angeblich getan hat, lag nicht fern. Für eine weitere Beglaubigung des Vorganges wäre es erwünscht, die Identität des Rechtsanwalts aus Warschau zu kennen. Wagener hat jedoch seinen Namen vergessen, so dass hier eine Lücke bleibt.23 M. Wojciechowski, Polsko-niemiecka deklaracja, S. 8 f., mit Bezug auf Wagener Piłsudskis Vorstoß bestätigend erwähnt, jedoch ohne genauere Quellenangaben zu machen. 19 Wladyslaw Studnicki, Polen im politischen System Europas. Berlin 1936 (polnische Originalausgabe 1934). Studnicki propagierte eine mitteleuropäische Föderation unter deutschpolnischer Führung und argumentierte von einer strikt antirussischen Position aus. Mit Piłsudski hat er vor 1918 Kontakt gehabt, 1926 unternahm er einen neuerlichen Annäherungsversuch, auf den Piłsudski nicht eingegangen ist, siehe T. Serwatka, Piłsudski, S. 114. Als Autobiographie siehe Wladyslaw Studnicki, Irrwege in Polen. Ein Kampf um die polnischdeutsche Annäherung. Göttingen 1951. Über die kleine Gruppe der polnischen Germanophilen siehe Michał Musielak, Nazizm w interpretacjach polskiej mys´li politycznej okresu mie˛ dzywojennego. Poznan´ 1997, S. 132 ff. 20 H. v. Riekhoff, Relations, S. 243/Anm. 56. 21 Wagener erwähnt, dass Hitler auf Reisen war, als Piłsudskis Emissär erschien, und dass er ihm (Hitler) eine Nachricht nach Hamburg geschickt habe. Tatsächlich befand sich Hitler auf einer Tour in Bremen, Hamburg und Berlin und ist am 5. 12. 1930 wieder in München nachweisbar, siehe Hitler. Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933, Bd. VII/1. München usw. 1994, S. 134 ff. 22 Cuno Horkenbach (Hg.), Das Deutsche Reich von 1918 bis heute. Berlin 1930, S. 317. 23 Laut Wagener sei der Pole auf der Reise nach Baden-Baden gewesen und dort im Hotel Bellevue abgestiegen. Meine Anfrage beim dortigen Stadtarchiv, ob polnische Namen in der Gästeliste des Kurortes nachweisbar seien, führte zu der Auskunft, dass am 28. 11. 1930 ein Kaufmann aus Warschau namens Isidor Luryl in einem anderen Hotel als dem Bellevue eingekehrt sei, denn letzteres sei im Herbst und Winter geschlossen gewesen (ich danke Frau Diplomarchivarin Dagmar Rumpf für diese Auskunft vom 23. 11. 2011). Es ist unwahr-

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Wir müssen prüfen, was das alles für Hitler bedeutete. Nach Auskunft Wageners fand die Aussprache mit dem polnischen Rechtsanwalt statt und danach habe Hitler bekundet, „der Anregung Piłsudskis zu folgen und gleich nach Regierungsübernahme einen zehnjährigen Vertrag mit Polen abzuschließen“.24 Er reagierte also positiv. Wir können davon ausgehen, dass er aus dem Munde des Warschauer Abgesandten die oben geschilderten Ansichten als von Piłsudski kommend erfahren hat. Für ihn hat der politische Horizont des polnischen Staatsmannes eine erfreuliche Weite erhalten, geprägt von einem kompromissbereiten Entgegenkommen gegenüber einer künftigen Regierung Hitler. Im übrigen ist es denkbar, dass Hitler in der Person Piłsudskis ohnehin ein Vorbild für sich selbst gesehen hat, seine lobenden Bemerkungen von 1934 bis 1944 legen das nahe. In den Jahren 1919/20, als Hitler sich anschickte, seinen Platz in der Politik zu finden, erstrahlte Piłsudskis Ruhm in vollem Glanz. Es war der Ruhm eines Feldherrn und Staatsmannes, der dem neuen polnischen Staate maßgeblich zum Leben verholfen und ihn dank einer offensiven Politik weit nach Osten ausgedehnt hatte. Es war auch der Ruhm eines Mannes, der mit seiner Politik den Vormarsch des bolschewistischen Russlands nach Westen abgefangen hatte. Hinzukam, dass Piłsudski auf militärischem wie politischem Gebiet ein Autodidakt war, der sich mit Intelligenz und Willenskraft seinen Erfolg erarbeitet hatte – erhoffte Hitler für sich selbst nicht etwas Ähnliches? Nun, wir wissen nicht, wie weit diese Sympathien tatsächlich gegangen sind. Aber es sei noch einmal erwähnt, dass Hitler im März 1936, als er sich in einer Rede seiner Verständigungspolitik rühmte, Polen und Piłsudski erwähnte und des Letzteren als „eines anderen großen Führers und Staatsmannes“ gedachte.25 In dem Wort „anderen“ ist ein Vergleich enthalten, der besagt, dass Hitler sich selbst und Piłsudski als gleichrangig ansah. Das hatte 1936 eine herablassende Note, deutet aber an, dass Hitler früher in dem Polen einen kongenialen Partner erblickt hat. Sicher ist jedoch, dass Hitler bis über den September 1939 hinaus Piłsudski als den Mann im Gedächtnis behalten hat, mit dem sich der deutsch-polnische Krieg hätte vermeiden lassen. Ihm war nicht bewusst, wie viel Fragwürdiges in den Informationen steckte, die er 1930 erhalten hatte, und wie unrealistisch dadurch seine Auffassung der polnischen Politik geworden ist. Er wiegte sich in trügerischer scheinlich, dass Luryl der gesuchte Gewährsmann ist, zumal Wagener sich erinnerte, einen polnischen Namen gehört zu haben. Polnische Historiker haben sich bisher nicht auf die Fährte des Unbekannten gesetzt; P. Wandycz, Próba, S. 138, nennt ihn eine „enigmatische Gestalt“, die vielleicht falsche Angaben über sich gemacht habe. M. Kornat, Polen, S. 248/Anm. 166, tippt ohne weitere Belege auf „den Diplomaten Karol Posenski“ – der Name ist vermutlich entstellt wiedergegeben, da der einstige Generalkonsul Karol Poznan´ski gemeint sein dürfte; er ist erwähnt bei Wacław Je˛ drzejewicz, Kronika z˙ ycia Józefa Piłsudskiego 1867 – 1935, Bd. 2. London 1977, S. 275. 24 H. A. Turner (Hg.), Hitler, S. 120. Solch eine Bereitschaft Hitlers bezeugt für August 1932 auch Hermann Rauschning, Gespräche mit Hitler. Zürich/New York 1940, S. 33. Insofern ist die öfters geäußerte Annahme, Hitler sei sich 1933 über die politische Rolle Polens im Unklaren gewesen, irrig, siehe z. B. Rolf-Dieter Müller, Der Feind steht im Osten. Berlin 2011, S. 43. 25 M. Domarus, Hitler I/2, S. 604 (Rede in Karlsruhe, 12. 3. 1936).

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Gewissheit, als er Ende 1933 zu Rauschning sagte, es sei ihm lieb, „dass ich meine Ostpolitik [die bekanntlich gegen Russland gerichtet sein sollte] mit Polen anstatt gegen Polen machen kann“.26 In Wirklichkeit dachte Piłsudski nicht daran, sich als Bundesgenosse Deutschlands auf militärische Abenteuer gegen Russland einzulassen. Hier hat sich frühzeitig ein grundlegendes Missverständnis eingeschlichen.

4. Die deutsch-polnische Erklärung vom 26. Januar 1934 Doch sei dem, wie es will. Hitler hat 1933 seine polnischen Visionen, die er Ende 1930 empfangen hatte, in die Tat umgesetzt. Allerdings sah es zunächst nicht danach aus, denn die NSDAP, seit dem 30. Januar 1933 Regierungspartei, hatte sich bisher einer antipolnischen Sprache bedient und fuhr darin fort.27 Die polnische Seite gab sich ebenfalls spröde. Der erste Kontakt eines polnischen Diplomaten mit dem neuen Reichskanzler führte zu einem spöttisch-abwartenden Eindruck: Hitler sei ein „unansehnliches Menschlein mit ausdruckslosem Gesicht“ und zeige als einziges Merkmal „eine phantastische Tolle, die seine Stirn bedeckt und bis in die Augen fällt – eine Gepflogenheit, die lebhaft an den Wiener Prater und seine Helden erinnert.“28 Eine Woche später sah sich derselbe Diplomat bereits „am Vorabend eines Krieges zwischen Deutschland und Polen“, und auch bei der Reichsregierung war die Sprache recht geharnischt: der Außenminister verkündete, Deutschlands Lage sei gegenüber Polen „besonders exponiert“ und eine Verständigung sei „weder möglich noch erwünscht“, denn Vorrang habe die Revision der Grenze.29 Die Fronten verhärteten sich also. Aber der Anschein trog. Bereits Wysockis Begegnung mit Hitler am 8. Februar 1933 ist ein versöhnliches Signal gewesen. Zur allgemeinen Überraschung sprach der Reichskanzler mit dem polnischen Gesandten etwa eine halbe Stunde lang – ungewöhnlich für solch einen protokollarischen Anlass. In den folgenden zwei Monaten änderte sich die Lage nicht entscheidend, weil Hitler innenpolitisch beschäftigt war und Polen sich kein klares Bild von der deutschen Politik machen konnte. Erst 26

Hermann Rauschning, Die Revolution des Nihilismus. Zürich/New York 1939, S. 409. Ausführlich dazu Eugeniusz Cezary Król, Polska i Polacy w propagandzie narodowego socjalizmu w Niemczech 1919 – 1945. Warszawa 2006, S. 79 f., 85 ff., 98 f.; ferner Martina Pietsch, Zwischen Verachtung und Verehrung. Weimar usw. 1995, S. 177, 217 f. 28 So der polnische Gesandte Wysocki nach dem Neujahrsempfang beim Reichspräsidenten am 8. 2. 1933, zitiert nach E. C. Król, Polska, S. 102, ebenfalls bei [Jan Szembek], Diariusz i teki Jana Szembeka (1935 – 1945), Bd. 1. London 1964, S. 48 f. Zu Wysockis Urteil über Hitler siehe auch H. v. Riekhoff, Relations, S. 374. Was Szembek betrifft, so war er Staatssekretär im Außenministerium und seine Tagebücher sind eine wichtige Quelle zur polnischen Außenpolitik. Die Bände 2 bis 4, die noch zitiert werden, sind in Abständen bis 1972 erschienen. 29 Akten zur deutschen auswärtigen Politik [künftig ADAP, ohne Nennung von Erscheinungsort und -jahr], Serie C, Bd. I/1, S.46: Aufzeichnung Meyer, 17. 2. 1933; Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933 – 1938, Teil I, Bd. 1. Boppard/Rh. 1983, S. 317: Neurath in der Ministerbesprechung, 7. 4. 1933. 27

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nachdem sich die Verhältnisse in Danzig kurzfristig verschärft und dann wieder entschärft hatten, unter anderem wegen der Erhöhung der polnischen Besatzung auf der Westerplatte, kam der Stein ins Rollen. In dieser Zeit hatte Hitler sein Anliegen, den Beziehungen zu Polen eine neue Form zu geben, stets im Auge behalten. Während der Turbulenzen in Danzig ließ er Piłsudski wissen, dass es sich aus seiner Sicht um unglückliche Missverständnisse handele und er gerne freundschaftliche Beziehungen zwischen beiden Ländern herbeiführen möchte.30 Einige Wochen später betonte er nochmals seinen Wunsch, eine „Einigung mit Polen“ zu erreichen, und Piłsudski sei hierbei „der einzige Mann, mit dem man das zustande bringen könnte“.31 Und dieser Mann hat tatsächlich in Hitlers Sinne reagiert. Im Februar 1933 riet Piłsudski seinem Außenminister Beck – übrigens zu dessen Überraschung! – sich im Parlament über die Beziehungen zu Deutschland zwar bestimmt, aber ruhig und maßvoll zu äußern und die nächste Zukunft nicht negativ zu sehen.32 Das geschah auch so. Anfang Mai instruierte Beck außerdem seine Diplomaten, im Ausland bei Debatten über die NS-Politik tunlichst den Eindruck zu vermeiden, dass es sich dabei auch um polnisch-deutsche Konflikte handeln könne. In Polen selbst werde jedenfalls die Regierung keine Auftritte zulassen, die „gegen die Person des Kanzlers“, also gegen Hitler, gerichtet seien.33 Hitler war in Warschau zur persona grata geworden, die rücksichtsvoll behandelt wurde und von der sich die polnische Regierung noch einiges versprach. Wie wir wissen, dachte Hitler ähnlich, und es war deshalb ganz in seinem Sinne, als aus Warschau diplomatische Vorstöße kamen, die auf eine Lockerung der angespannten Beziehungen abzielten.Im Mai und November ließ er nach Gesprächen mit dem polnischen Gesandten verlauten, dass er sich streng an die bestehenden Verträge halten werde und gern die Kriegsgefahr aus den beiderseitigen Beziehungen verbannen würde. Er entfaltete dabei eine drängende Beredsamkeit – „der Reichskanzler spricht rasch und wirbelt eine Menge von Ideen auf“, stöhnte der polnische Gesandte34 –, und großzügig tat er dem polnischen Nationalismus Genüge, erkannte die polnisch-deutsche Nachbarschaft als gegeben 30

Alexandra Pilsudska, Piłsudski. A Biography. New York 1941, S. 341. Die Autorin war die Ehefrau Piłsudskis und berichtet, dass Hitler im März 1933 eine „conciliatory note“ geschickt habe. Ob es ein von Hitler unterschriebenes Schriftstück gegeben hat, ist zweifelhaft, dagegen eine andersartige Botschaft des genannten Inhalts denkbar. 31 Herbert von Dirksen, Moskau, Tokio, London. Stuttgart (1949), S. 123. Die Bemerkung ist Anfang April 1933 in einem Gespräch über die deutsch-sowjetischen Beziehungen gefallen. 32 Józef Beck, Dernier rapport. Politique polonaise 1926 – 1939. Neuchatel 1951, S. 24. Neueste Ausgabe dieser Erinnerungen: Józef Beck, Wspomnienia o polskiej polityce zagranicznej 1926 – 1939. Opracowała Anna M. Cienciala. Warszawa/Kraków 2015. Ich zitiere in der Regel nach der französischen Erstausgabe. 33 [J. Szembek], Diariusz i teki I, S. 64 f. (9. 5. 1933). Lediglich für die jüdische Bevölkerung sollte es Ausnahmen davon geben. 34 Die polnisch-deutschen und die polnisch-sowjetrussischen Beziehungen im Zeitraum von 1933 bis 1939 [Polnisches Weißbuch]. Basel 1940, S. 22: Lipski an Beck, 15. 11. 1933. Lipski hatte inzwischen Wysocki als Gesandter abgelöst.

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an, schwor dem Krieg als Mittel der Politik ab – er werde seine Außenpolitik niemals mit Blut beflecken, „das widerspräche seiner ganzen Ideologie“! –, verneinte jede Eroberungsabsicht und huldigte der Persönlichkeit Piłsudskis.35 Er verstieg sich also zu Versprechungen und Verheißungen, die in Warschau gerne gehört wurden, die jedoch – wie wir heute wissen – schwindelhafte Täuschungsmanöver waren. Im übrigen versäumte er auch nicht, an Piłsudskis Vorstoß von 1930 zu erinnern und sich für das „gewisse Vertrauen“ zu bedanken, das der Marschall „seiner Partei und danach seiner Regierung“ erwiesen habe.36 Gleichzeitig nannte er aber zwei andere Punkte, die kommunistische Gefahr, die von Russland her drohe, sowie die Ungerechtigkeit der deutsch-polnischen Grenze, die durch den Versailler Vertrag geschaffen worden sei und „ein ruhiges Nebeneinander der zwei Nationen … so gut wie undenkbar“ mache.37 Das waren frühzeitig zwei wichtige Winke an die Adresse Polens. Sie meldeten das Interesse an einer Kooperation gegenüber der Sowjetunion und an einer Revision der gemeinsamen Grenze an. Aus solchen Avancen Hitlers entwickelte sich verhältnismäßig schnell die Vereinbarung vom 26. Januar 1934. Sie enthielt einen auf zehn Jahre berechneten Gewaltverzicht und sollte „eine neue Phase in den politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen“ einleiten.38 Ihre Kernaussagen lauteten: alle aufkommenden Fragen werden zwischen den Regierungen unmittelbar, also bilateral, besprochen, bei strittig bleibenden Fragen werde keine Seite „zur Anwendung von Gewalt schreiten“, von den Gesprächen seien Fragen, die „ausschließlich als innere Angelegenheit“ eines Staates anzusehen seien, ausgeschlossen; das allgemeine Ziel sei die „Begründung eines gutnachbarlichen Verhältnisses“, das beide Partner befähigen solle, für die Probleme, die zwischen ihnen bestehen, „Lösungen zu finden, die auf einem gerechten und billigen Ausgleich der beiderseitigen Interessen beruhen“. Mit dem letzten Punkt war eingeräumt, das weiterhin Meinungsverschiedenheiten bestünden, dass aber de facto der Disput über die Revision der Grenze und die Behandlung der Minderheiten zehn Jahre lang ruhen sollte. Es ist leicht zu erkennen, dass in zwei wichtigen Punkten Deutschland der gebende Teil war: es lenkte in der Grenzfrage ein und stellte der polnischen Regierung anheim, die deutsche Minderheit nach eigenem Ermessen zu behandeln, was im Gegenzug auch für die polnische Minderheit in Deutschland galt. Polens kompensatorische Leistung bestand darin, dass es auf die Politik des Präventivkrieges verzichtete und dem NS-Staat einen internationalen 35 Siehe Bericht Lipskis vom 15. 11. 1933 (wie Anm. 34), außerdem dort die Berichte Wysockis vom 2. 5. und 13. 7. 1933. Die deutschen Parallelberichte sind weniger detailliert, siehe ADAP/C, I/1, S. 363 f., und II/1, S. 126 f. 36 [J. Szembek], Diariusz I, S. 72: Bericht Wysocki, 13. 7. 1933 (die deutschsprachige Version des Berichts im Polnischen Weißbuch, S. 18, lässt den Bezug auf den Kontakt von 1930 nicht erkennen). Piłsudski antwortete mit einer allgemein gehaltenen Vertrauenserklärung, siehe [J. Szembek], a.a.O., S. 84: Bericht Lipski, 15. 11. 1933. 37 ADAP/C, I/1, S. 363 f.: Aufzeichnung von Neurath, 23. 5. 1933. 38 Text der Erklärung in ADAP/C, II/1, S. 411 f., und bei Friedrich Kießling (Hg.), Quellen zur deutschen Außenpolitik 1933 – 1939. Darmstadt 2000, S. 76 f.

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Flankenschutz gewährte, der ihn von der Gefahr einer konzertierten Pression aller Nachbarstaaten gegen seine Rüstungspolitik befreite. Die Außenpolitiker in Warschau haben die Januar-Erklärung als großen Erfolg gefeiert. Sie hatten ein lange verfolgtes Ziel, die Entspannung an der Westgrenze und einen modus vivendi mit Deutschland, erreicht.39 Für Piłsudski wog schwer, dass Polen hierfür „nicht mit Opfern zu bezahlen brauchte“, also ohne konkrete Zugeständnisse davonkam.40 Ferner wurde als erfreulich angemerkt, dass Deutschland seinen Nachbarn als gleichrangig anerkannt und somit dessen internationale Stellung erheblich gestärkt habe: die Verständigung mit Deutschland sei „der größte und wertvollste Gewinn unserer Außenpolitik“.41 Gleichzeitig war die Freude nicht ganz ungetrübt, denn Deutschland hatte keine seiner Forderungen expressis verbis fallen gelassen und sich gewissermaßen vorbehalten, irgendwann seine Interessen wieder geltend zu machen. Dementsprechend hat Piłsudski das Erreichte nicht als hundertprozentigen Erfolg gewertet und sogar damit gerechnet, dass die Entspannung nur vier Jahre anhalten werde, für mehr Jahre könne er nicht bürgen.42 Die Skepsis war begründet. Auch in Berlin waren die Konsequenzen der JanuarErklärung bedacht worden, und im Auswärtigen Amt fiel auf, dass der Gewaltverzicht „eine starke Einschränkung der politischen Handlungsfreiheit Deutschlands“ mit sich bringe. Das Bedenken wurde halbwegs beschwichtigt durch den Hinweis, dass die Ostgrenze nicht anerkannt und statt dessen „mit der Erklärung eine Grundlage für die Lösung aller Probleme, also auch der territorialen Probleme, geschaffen werden soll“.43 Das hieß, dass es sich aus deutscher Sicht um eine Entspannung auf Zeit handeln werde. Weit weniger Bedenken hegte freilich Hitler, der erleichtert war, für seine Politik von Polen eine Rückendeckung zu erhalten. Ihm war es sympathisch, dass sich Polen 1933 zweimal aus eigenem Antrieb an ihn gewandt hatte, nämlich im April, als abzusehen war, dass die Regierung Hitler von längerer Dauer sein würde, und im November, nachdem Deutschland aus dem Völkerbund 39 Zur polnischen Suche nach einem modus vivendi siehe Auswärtiges Amt/Politisches Archiv [künftig AA/PA] Nr. 28 322k: Aufzeichnung Bülow vom 25. 4. 1932, wonach der polnische Außenminister Zaleski im Gespräch mit Reichskanzler Brüning fragte, „ob nicht … endlich [ein] modus vivendi gefunden werden könne“, Brüning ist darauf nicht eingegangen. Ähnlich verhielt sich Stresemann nach einem Vorstoß Piłsudskis. Über das Attest, dass Piłsudski „anscheinend den ehrlichen Willen hatte, sich mit uns in irgendeiner Weise zu verständigen“, ging er nicht hinaus, siehe ADAP/B, VII, S. 469 f.: Aufzeichnung Stresemann, 9. 12. 1927. Siehe auch J. Krasuski, Stosunki, S. 73 ff. 40 A. Garlicki, Piłsudski, S. 653 (Äußerung vom 7. 3. 1934). 41 K. Lapter, Pakt, S. 71 f., 141; [J. Szembek], Diariusz 1, S. 233 (Zitat Außenminister Beck, 13.2. 1935). Dieses Urteil wird heute in Polen geteilt, siehe T. Serwatka, Piłsudski, S. 153, und M. Kornat, Polen, S. 70. 42 A. Garlicki, Piłsudski, S. 651 (hundertprozentig), 653 (vier Jahre). M. Kornat, Polen, S. 70 f., 147 f., spricht davon, die deutschen Ansprüche seien 1934 „eingefroren“ worden. 43 ADAP/C, II/1, S. 138, 142 : zwei anonyme Aufzeichnungen, [November 1933]. Ähnlich äußerte sich öffentlich der Völkische Beobachter am 28. 2. 1934, siehe K. Pryt, Befohlene Freundschaft, S. 218.

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ausgetreten war. Das verstärkte bei ihm den Eindruck, dass Piłsudski ein originäres Interesse habe, sich mit ihm zu verständigen. Und das war ihm umso willkommener, als er unbedingt Deutschlands Aufrüstung betreiben wollte und fürchtete, dass er damit bei den Westmächten auf Widerstand stoßen würde. Am 3. Februar 1933 sagte er, dass die Rüstungsphase die „gefährlichste Zeit“ sein werde, denn sollte Frankreich die ihm drohende Gefahr erkennen, werde „es uns [die] Zeit nicht lassen, sondern über uns herfallen (vermutlich mit Ost-Trabanten)“.44 Diesem Risiko versuchte er zu steuern, indem er sich dazu verpflichtete, außenpolitisch „zu einer Verständigung zu kommen mit jedermann, mit dem man sich verständigen kann“.45 Solcher Not hat ihn Polen enthoben. Außenminister Josef Beck, der ein Vertrauensmann Piłsudskis war und bis 1939 zu einer bekannten, wenn auch umstrittenen Figur der europäischen Diplomatie wurde46, erließ am 31. Oktober 1933 eine Anweisung, die die polnischen Auslandsvertretungen darüber unterrichtete, wie die Warschauer Regierung die Verbesserung in den polnisch-deutschen Beziehungen beurteilte. Er deutete darin an, dass er sowohl die deutsche Aufrüstung, als auch die Gebietsansprüche im Westen und Süden hinnehmen werde. Der Versuch, die deutsche Bevölkerung in Frankreich, Österreich, der Tschechoslowakei oder gar der Schweiz ins Visier zu nehmen, werde Berlin „mindestens teilweise von den Ostfragen ablenken“, also von der polnisch-deutschen Grenze.47 Gleichzeitig betonte er aber den Widerstand, den Polen gegen jede Änderung seiner Grenzen zu Gunsten 44 F. Kießling (Hg.), Quellen, S. 31 f.: Aufzeichnung Curt Liebmann, 3. 2. 1933. Mit Osttrabanten dürfte Hitler die Tschechoslowakei und Polen gemeint haben. 45 F. Kießling (Hg.), Quellen, S. 58: Niederschrift einer Reichsstatthalterkonferenz, 6. 7. 1933. Vergleiche H. Rauschning, Gespräche, S. 106 f.: Hitler sei bereit, „alles zu unterschreiben …, was mir meine Politik erleichtern kann“, ebenso bei dems., Nihilismus, S. 405. Ich halte Rauschnings Wiedergabe der Gespräche mit Hitler dem Inhalt nach für glaubwürdig, jedenfalls soweit sie die Haltung gegenüber Polen betreffen; freilich müssen Wortlaut und zeitliche Einordnung kritisch bedacht werden. Ähnlich urteilen Theodor Schieder, Hermann Rauschnings „Gespräche mit Hitler“ als Geschichtsquelle. Opladen 1972, und Pia Nordblom, Wider die These von der bewussten Fälschung, in: Jürgen Hensel/Pia Nordblom (Hg.), Hermann Rauschning. Materialien und Beiträge zu einer politischen Biographie. Warschau 2002, S. 151 – 174. Anders Fritz Tobias, Auch Fälschungen haben lange Beine. Des Senatspräsidenten Rauschnings „Gespräche mit Hitler“, in: Karl Corino (Hg.), Gefälscht! Betrug in Politik, Literatur, Wissenschaft, Kunst und Musik. Frankfurt a. M. 1996, S. 91 – 105. 46 Zur Person Becks siehe Olgierd Terlecki, Pułkownik Beck. Kraków 1985; Henry L. Roberts, The Diplomacy of Colonel Beck, in: Gordon A. Craig/Felix Gilbert (Hg.), The Diplomats. Princeton 1953, S. 579 – 614; H. v. Riekhoff, Relations, S. 339 f. Eine positive Würdigung bei Marek Kornat, Polityka równowagi 1934 – 1939. Kraków 2007, und ders., Józef Beck – zarys biografii politycznej (1894 – 1932), in: Niepodległos´c´ 55 (2005), S. 36 – 102. Eine umfassende Biographie neuerdings von Marek Kornat/Mariusz Wolos, Józef Beck. Kraków 2020. Sie ist erschienen, als mein Manuskript bereits abgeschlossen war, ich konnte sie deshalb nur noch punktuell berücksichtigen. 47 [J. Szembek], Diariusz I, S. 83: Polnisches Außenministerium an die diplomatischen Vertretungen, 31. 10. 1933 (auch für die folgenden Zitate). Beck betrachtete die Verhältnisse an der deutschen West- und Südgrenze gelassen, denn Österreich und die Tschechoslowakei waren für ihn „früher oder später zweifellos zur territorialen Destruktion verurteilt“, siehe a.a.O., S. 316: Beck am 12. 6. 1935.

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Deutschlands leisten werde. Darüber könne sich nur täuschen, wer hoffe, „dass die Verbesserung und Erweiterung der polnisch-deutschen Beziehungen ein Faktor werden könnte, der es künftig erleichtern werde, eine Diskussion über die Beilegung polnisch-deutscher Probleme einzuleiten, die aus Sicht der polnischen Politik nicht bestehen“ – das war, etwas geschraubt formuliert, eine Absage an Hitlers Anspruch, dass die Verständigungspolitik ein versöhnliches Klima für die Regelung der Grenzfrage schaffen solle. Dagegen ließ das Ministerium wissen, dass es in der Rüstungsfrage entgegenkommend sein werde. Die Rüstung sei Deutschlands Hauptanliegen und für sie könne „das einvernehmliche Verhältnis mit Polen eine Erleichterung“ schaffen, mit andern Worten: Polen war bereit, diese Erleichterung zu gewähren. Die Nachgiebigkeit zeigte, dass Polen nicht mehr mit einer internationalen Aktion gegen die deutsche Aufrüstung rechnete. Die Konsequenz war, dass der erste Schritt der Appeasementpolitik 1933 in Warschau getan wurde.48 Ein englischer Diplomat brachte es auf den Punkt, als er im November 1933 von einem „polnisch-deutschen ,apaisment‘“ sprach.49 Es war deshalb kein Wunder, dass Polen vorgeworfen wurde, die revisionistische Politik NS-Deutschlands gefördert zu haben.50 In der tagespolitischen Debatte kam es sogar zu der Unterstellung, Polen habe in einem Geheimabkommen Deutschland politische Konsultationen und ein militärisches Durchmarschrecht eingeräumt.51 Daran war nichts Wahres, es zeigte aber die Richtung an, in der das Ausland Polen sich bewegen sah. Das eben Geschilderte offenbart, dass die deutsch-polnische Verständigung von 1933/34 auf Impulsen beruhte, die nicht deckungsgleich waren. Hitler wollte das neue Verhältnis dynamisch ausgestalten zu einer Gemeinschaft, die das östliche Europa in der einen oder anderen Weise verändern sollte, während Piłsudski statisch dachte, den polnischen Besitzstand sichern und politische Eskapaden an der Seite Deutschlands vermeiden wollte. Die Interessen unterschieden sich, und so betrachtet enthielt die deutsch-polnische Erklärung von Anfang an eine Sollbruchstelle.

48 Einen anderen Akzent setzt Anna Cienciala, The Significance of the Declaration of NonAggression of January, 26, 1934, in: Polish-German and International Relations. A Reappraisal, in: East European Quarterly I (1967/68), S. 1 – 30. Sie sieht das Verhalten Polens als Folge der Nachgiebigkeit Englands und Frankreichs gegenüber Deutschland. 49 Eric Phipps an John Simon, 21. 11. 1933, in: F. Kießling (Hg.), Quellen, S. 69. 50 Dazu Stanisław Z˙ erko, Stosunki polsko-niemieckie 1938 – 1939. Poznan´ 1998, S. 19, und K. Lapter, Pakt, S. 178 f., 202. Beide Autoren kritisieren Polens Annäherung an Deutschland, indes M. Kornat, Polityka, S. 21 ff., und ders., Polen, S. 67 ff. (besonders S. 80 f., 107 ff.) die Kritik abweist. Verständnisvoll abwägend Anna Cienciala, Poland and the Western Powers, 1938 – 1939. London/Toronto 1968, S. 251 ff. 51 Ein angeblicher Vertragstext tauchte Februar 1934 in der französischen Presse auf, wohl von kommunistischer Seite lanciert, siehe [J. Szembek], Diariusz I, S. 504; ein Hinweis auch in ADAP/C, II/2, S. 449: Gesandtschaft Warschau an Auswärtiges Amt, 9. 2. 1934. Andere Vermutungen über die deutschen und polnischen Absichten bei Gerhard L. Weinberg, The Foreign Policy, Bd. 1, S. 73 ff., ferner M. Kornat, Polen, S. 71, 94, 96, und ders., Polityka, S. 229 ff.

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5. Piłsudskis und Hitlers Motive Angesichts der Vorbehalte, die Deutschland der Januar-Erklärung unterschob, mutet es waghalsig an, dass Polen sich auf diese Politik einließ. Doch von Warschau aus hatte das Vorgehen seine Logik und erschien, wie schon erwähnt, als Erfolg. Es stand im wesentlichen unter zwei Aspekten: der Einschätzung der internationalen Lage und der Beurteilung des NS-Regimes. Polens Verständnis der internationalen Lage war bestimmt von dem Bedürfnis, seine Grenze gegenüber Deutschland zu sichern. Anfänglich sah es seinen Rückhalt bei Frankreich, doch seit den Locarno-Verträgen von 1925 änderte sich das, weil Frankreich einem unterschiedlichen Grenzregime in Europa zugestimmt hatte: die französisch-deutsche Grenze wurde international garantiert (durch England und Italien), dagegen die polnisch-deutsche Grenze im Konfliktfall einem Schiedsverfahren überlassen, das scheitern und im bilateralen, deutsch-polnischen Kriege enden konnte.52 Der polnische Außenminister Beck bemängelte später das Ungleichgewicht der polnisch-französischen Partnerschaft: Polen müsse um des eigenen Interesses willen Frankreich gegen Deutschland beistehen, während Frankreich sich vorbehalten könne, ob es wegen des polnischen Korridors einen Krieg mit Deutschland wagen wolle oder nicht.53 Diesem Dilemma wollte sich Polen entziehen, indem es eine eigenständige, bilateral ausgerichtete Außenpolitik einleitete und insbesondere die Beziehungen zu den beiden großen Nachbarn neu regelte. Am 25. Juli 1932 schloss es einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion ab und am 26. Januar 1934 folgte die Vereinbarung mit Deutschland. Jetzt drohte weder von Osten noch von Westen eine akute Gefahr und die internationale Stellung Polens war aufgewertet. Die Verantwortlichen in Warschau waren sich bewusst, dass sie es bei beiden Abkommen mit Partnern zu tun hatten, deren Verhalten schwer zu berechnen war. Gegenüber Russland hegten Piłsudski und die Seinen ein grundsätzliches Misstrauen, das sie immer wieder mit Krieg von dieser Seite rechnen ließ. In den Nationalsozialisten entdeckten sie dagegen eine Kraft, die für Polen vorteilhaft sei. Es ist eine bedeutsame Tatsache, dass aus der Warschauer Perspektive die NS-Regierung positiv beurteilt wurde und das geschah vor allem wegen der Grenzfrage. Bereits der Kontaktversuch von 1930 bezeugte das, und Piłsudskis weiteres Verhalten bestätigte es. Am 21. Juli 1933 erwartete er, dass Hitler längere Zeit durch innenpolitische Aufgaben gebunden sein werde und keine Gefahr für Polen darstelle, „deshalb ist Hitler vom polnischen Standpunkt aus der beste [Kanzler] unter allen bisherigen deutschen Regierungen“.54 Um diese Ansicht herum wurde ein Geflecht von Argumenten gewunden, die alle die positive Bedeutung des NS-Regimes un52

H. Roos, Geschichte, S. 127 ff. Leon Noël, L’aggression allemande contre la Pologne. Paris 1946, S. 252. 54 Restytut W. Staniewicz, Elementy polskich przygotowan´ do wojny z Niemcami (1933 – 1939), in: Z problemów najnowszej historii Polski. Wrzesien´ 1939. Warszawa 1972, S. 176 (in einer Besprechung mit Beck und Wysocki). 53

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terstrichen: Hitler sei Österreicher und kein Preuße, stehe also der polenfeindlichen Politik der preußischen Konservativen, der Deutschnationalen, der Beamten und des Offizierskorps fern, seine Partei strebe nach der Vereinigung aller deutschen Volksteile und werde vorrangig an der West- und Südgrenze, nicht an der Ostgrenze, aktiv werden, und schließlich proklamiere er den Kampf gegen Kommunismus und Bolschewismus, so dass das deutsch-russische Zusammenspiel, das seit dem Vertrag von Rapallo (1922) Polen beunruhigte, enden werde.55 Auch in den folgenden Jahren hielt das Warschauer Außenministerium daran fest, dass Hitler unter allen politischen Kombinationen in Deutschland „für uns die allerbeste“ sei.56 Außenminister Beck war nach einer Begegnung mit Hitler überzeugt, dass dieser „unbedingt aufrichtig in seinen politischen Ansichten“, mithin vertrauenswürdig sei.57 Die werbenden Worte, die Hitler seit 1933 gegenüber Polen gebrauchte, waren auf fruchtbaren Boden gefallen. Er war beinahe eine Art polnischer Vertrauensmann in Berlin geworden. Das schloss freilich nicht aus, dass es gleichzeitig ein erhebliches Misstrauen gegenüber Deutschland und Hitler gab. Piłsudski zum Beispiel teilte nicht ganz das positive Urteil, das Beck und sein Staatssekretär Szembek vertraten. Er nahm Hitler und die NSDAP als eine Kraft wahr, die die deutsche Politik in einer für Polen günstigen Weise verändern könnte. Doch es lag ihm fern, sich der Dynamik der NSPolitik auszuliefern. Im Dezember 1933 misstraute er dem Führungsstil Hitlers. „Herr Hitler riskiere zu viel“, trete zu sehr in den Vordergrund und übersehe, dass sich erst in der Beschränkung der Meister zeige.58 Knapp ein Jahr später bekannte er unter vier Augen, in der Politik traue er niemandem und erst recht nicht den Deutschen. Erinnert sei an seine Besorgnis, die Entspannung mit Deutschland werde nicht länger als vier Jahre dauern.59 Einer Begegnung, die sich Hitler 1933 wünschte, ist er ausgewichen, und den recht massiven Vorschlag, an der Seite Deutschlands den Kampf mit der Sowjetunion aufzunehmen, hat er abgewiesen, weil Polen an seiner

55 T. Serwatka, Piłsudski, S. 149, und der NS-Bewertungskatalog bei J. Beck, Dernier rapport, S. 29; ähnliche Argumente in der Instruktion vom 31. 10. 1933 (siehe oben Anm. 47), ferner A. Garlicki, Piłsudski, S. 641 ff. Im Rapallo-Vertrag hatten Deutschland und Sowjetrussland ihre diplomatischen Beziehungen neu geregelt und indirekt eine militärtechnische Zusammenarbeit angebahnt. 56 [J. Szembek], Diariusz 1, S. 373 (Szembek zum französischen Botschafter, 15. 10. 1935); dort auch S. 257 (Szembek zu Eden, 2. 4. 1935): Hitler sei der einzige deutsche Staatsmann, der die Verständigung mit Polen gewollt und erreicht habe, und Polen wolle sich nicht einer Politik anschließen, die gegen Hitler gerichtet sei. 57 [J. Szembek], Diariusz 1, S. 332 (am 9. 7. 1935). Becks Befriedigung spiegelt sich auch in seinen Erinnerungen: das Ergebnis des Besuches sei „tout á fait satisfaisant“ gewesen, siehe J. Beck, Dernier rapport, S. 101. 58 H. Rauschning, Nihilismus, S. 407 f.; ein gleichartiger polnischer Bericht in [J. Szembek], Diariusz 1, S. 116. 59 R. W. Staniewicz, Elementy, S. 168 (kein Vertrauen); A. Garlicki, Piłsudski, S. 653 (vier Jahre); ebenso T. Serwatka, Piłsudski, S.161 f., 157 f.

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tausend Kilometer langen Ostgrenze Ruhe brauche.60 Andrerseits hat er ungewollt die Hoffnungen, die Hitler auf Polen setzte, begünstigt, als er im Herbst 1934 entschied, dass bis auf weiteres nicht Deutschland, sondern Russland der gefährlichste Nachbar Polens sei und deshalb die polnischen Pläne einer militärischen Abwehr sich vorzugsweise gegen Osten richten müssten.61 Doch ungeachtet solch vorsichtiger Erwägungen war Piłsudski überzeugt, seinem Land seit 1929/30 mehr Sicherheit gegenüber Russland und Deutschland verschafft zu haben, und diesen Gewinn wollte er nicht durch eine zu enge Anlehnung an Deutschland gefährden. Ohnehin ahnte er, dass die komfortable Situation bald enden könne. Im Herbst 1934 bemerkte er nachdenklich, dass Polen dank der Verträge mit Russland und Deutschland wie auf zwei Stühlen sitze: „das kann nicht lange andauern. Wir müssen sehen, von welchem wir zuerst fallen und wann.“62 Er war also auf einiges gefasst. An dieser Stelle sei eingeflochten, dass das politische Zwielicht in Polen durch die breit gefächerte Opposition, auf die die Regierung im Lande stieß, verstärkt wurde. Gerade das Urteil über den Nationalsozialismus war in vielen Kreisen der Gesellschaft recht kritisch. Alle, die links orientiert oder jüdischer Herkunft waren, lehnten die Annäherung an das NS-Deutschland ab, die Juden betrieben offen einen Boykott deutscher Waren und Kontakte.63 Auch in den rechts stehenden Lagern überwog die Abneigung. Konservative, Nationaldemokraten und katholische Kirche grenzten sich aus nationalen oder ethischen Motiven vom Nationalsozialismus ab, obwohl sie einzelne Züge des NS-Staates – den Nationalismus, Antikommunismus, Antisemitismus oder die straffe Staatsgewalt – mit Sympathie betrachteten.64 Hinzu kam vor allem in Westpolen eine genuine Deutschfeindlichkeit, die bis in die regionalen Staatsbehörden reichte und den Leitern der Warschauer Außenpolitik oft das Leben schwer machte. Besorgt registrierten diese die „maßlose Popularität jeglicher antideutschen Parolen“65 und bedauerten die schmalen Grundlagen, auf die sich ihre 60 H. Rauschning, Nihilismus, S. 406 f., 408 (Hitlers Wunsch, Piłsudski zu treffen) sowie [J. Szembek], Diariusz 1, S. 116; etwas abweichend ADAP/C, II/1, S. 13 f.: Aufzeichnung von Neurath, 17. 10. 1933. Über das Bündnisangebot, das Göring Anfang 1935 übermittelte, siehe H. Roos, Polen, S. 209 ff., nochmals Szembek, S. 216, 224 f., A. Garlicki, Piłsudski, S. 691, und S. Z˙ erko, Stosunki, S. 42. 61 R. W. Staniewicz, Elementy, S. 166 f. 62 S. Z˙ erko, Stosunki, S. 19. 63 Yfaat Weiss, Deutsche und polnische Juden vor dem Holocaust. München 2000, S. 170 ff. Die überwiegend kritische Reaktion der polnischen Presse auf die Januar-Erklärung von 1934 zeigt K. Lapter, Pakt, S. 176 ff.; auf die z. T. positive Reaktion verweist Frank Golczewski, Das Deutschlandbild der Polen 1918 – 1939. Düsseldorf 1974, S. 258 ff. 64 Henryk Olszewski, Der Nationalsozialismus im Urteil der politischen Kräfte Polens, in: Ursula Büttner (Hg.), Das Unrechtsregime. Internationale Forschung über den Nationalsozialismus, Bd. 1. Hamburg 1986, S. 527 – 555; ders., Hitlers Machtergreifung in der Sicht der polnischen Parteien, in: Dietrich Papenfuß/Wolfgang Schieder (Hg.), Deutsche Umbrüche im 20. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2000, S. 231 – 239; ausführlicher M. Musielak, Nazizm, und Albert S. Kotowski, Hitlers Bewegung im Urteil der polnischen Nationaldemokratie. Wiesbaden 2000. 65 [J. Szembek], Diariusz 2, S. 194 (Eintrag vom 18. 5. 1936).

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Verständigungspolitik stützte. Diesen Tatsachen abzuhelfen, fühlten sie sich außerstande. Folglich blieb die Warschauer Deutschlandpolitik nach außen wie nach innen eine Gratwanderung. Als Gratwanderung ließe sich auch die Polenpolitik aus Hitlers Sicht definieren. Hitler war sich bewusst, dass er die gewohnten Linien der Revisionspolitik preisgegeben und ein in Deutschland unpopuläres Vorgehen eingeschlagen hatte. Am 22. August 1939 bekannte er im Nachhinein, „meine bisherige polnische Politik stand im Gegensatz zu der Auffassung des Volkes“, nämlich im Gegensatz zu den Animositäten der Deutschen gegenüber den Polen. Er beharrte aber darauf, dass er dabei einen Plan verfolgt habe: „Ich wollte … mit Polen ein tragbares Verhältnis herstellen, um zunächst gegen den Westen zu kämpfen. Dieser mir sympathische Plan“ sei nun – 1939 – nicht mehr durchführbar, weil sich herausgestellt habe, „dass bei einer Auseinandersetzung mit dem Westen Polen uns angreifen würde“, anders gesagt: dass Polen seinem Bündnis mit Frankreich treu bleiben würde.66 Damit hatte sich Hitler noch einmal zu seinen Intentionen der Polenpolitik von 1933/34 bekannt und zu ihrer strategischen Bedeutung, nämlich unter Neutralisierung Polens den Machtkampf mit Frankreich auszutragen und danach, so wäre fortzusetzen, gemeinsam mit Polen den Kampf im Osten aufzunehmen. Die Erklärung ist wichtig, weil sie das persönliche Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit Piłsudski und Polen wiederholte – „dieser mir sympathische Plan“ – und eine jahrelang verfolgte Linie – „die im Gegensatz zur Auffassung des Volkes stand“ – nochmals rechtfertigte. Hitler hatte 1939 in Sachen Polen eine Rolle rückwärts vollzogen und fühlte sich etwas unbehaglich, denn er hatte die Nachbarn falsch beurteilt. Aber was hatte er denn überhaupt von ihnen gewusst oder gedacht? Das ist jetzt zu klären. Im allgemeinen ist das Urteil der Historiker über Hitlers Einstellung zu Polen bis 1939 relativ günstig, sie wird als unbefangen, wenn nicht gar als unvoreingenommen bewertet. Das beruht darauf, dass sich Hitler vor 1933 wenig über Polen geäußert hat. In seinen außenpolitischen Kombinationen rechnete er nur mit den Großmächten, die kleineren Staaten ignorierte er. Was Polen betraf, so wusste er wenig über Land und Leute.67 Das hatte die Folge, dass ihm die Historiker keine negativen Ansichten über Polen nachweisen konnten. In „Mein Kampf“ werde das Land nur zwei-, dreimal erwähnt, andere Äußerungen lägen nicht vor und eine feindselige Haltung sei nicht zu spüren.68 Das stimmt, aber es geht zu leicht über eine gewisse Doppelbödigkeit in 66 ADAP/D, VII, S. 169, 168: Ansprache vor den Heeresgruppen- und Armeeführern der Wehrmacht. 67 Ende 1930 bedauerte er, in der NSDAP-Führung keinen kompetenten Kenner Polens zu haben, und seine eigenen „Kenntnisse über Polen [seien] geradezu naiv zu nennen“, meinte Rauschning, siehe ders., Gespräche, S. 107, und H. A. Turner (Hg.), Hitler, S. 119. 68 Siehe Martin Broszat, Nationalsozialistische Polenpolitik 1939 – 1945. Stuttgart 1961, S. 9 f.; ders., Zweihundert Jahre deutsche Polenpolitik. München 1963, S. 183, 192 f.; C. Roschke, „Urfeind“, S. 3 f.; M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 7, 106; S. Z˙ erko, Stosunki, S. 34; M. Kornat, Polen, S. 167/Anm. 3; R.-D. Müller, Der Feind, S. 41 f.; P. Zychowicz, Pakt Ribbentrop-Beck, S. 137 ff. Ein zeitgenössisches Urteil bei [J. Szembek], Diariusz I, S. 69: Gesandter Wysocki schreibt (19. 5. 1933), „für Hitler ist der Pole kein besonderes Objekt des

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Hitlers Aussagen hinweg. Wir sollten uns nicht davon täuschen lassen, dass Hitler über Polen nur indirekt spricht, indem er die preußisch-deutsche Polenpolitik vor 1914 kritisiert, die er für halbherzig hielt, oder indem er im Kontext der 1920er Jahre den konkurrierenden nationalistischen Gruppen vorwirft, ein Bündnis mit Polen grundsätzlich abzulehnen und das Bündnis mit Russland zu wünschen, obwohl dieses Deutschland gar nicht beistehen könne wegen des dazwischen liegenden Polen, das wiederum „ganz in französischen Händen“ ruhe.69 Aus dem sogenannten Zweiten Buch Hitlers wäre noch ein Zitat zur Polenpolitik des Kaiserreiches hinzuzunehmen, weil es die Stoßrichtung seiner Kritik verdeutlicht. Das Reich als nationaler Staat hätte die polnische Bevölkerung nicht germanisieren dürfen, sondern als rassisch Fremde abkapseln oder „sie überhaupt kurzerhand entfernen“ und ihr Land an Deutsche überweisen müssen.70 Was ist diesen Sentenzen zu entnehmen? Hitler stellt fest, dass Polen politisch im französischen Lager steht, dass es geographisch eine Barriere zwischen Deutschland und Russland bildet und dass das polnische Volk, wie jedes andere Volk auch, nicht assimilierbar oder germanisierbar ist. Bei diesem dritten Punkt fügt er noch hinzu, dass ein fremdes Volk in einem national-völkischen Staat abgesondert oder vertrieben werden müsse. Daraus lässt sich zweierlei ableiten. In Kenntnis der politischen und geographischen Bedeutung Polens musste Hitler diesen Staat irgendwie in seine ostpolitischen (wegen Russland) und westpolitischen Erwägungen (wegen Frankreich) einbauen. Piłsudskis Annäherungsversuch von 1930 verschaffte ihm eine Erleuchtung und weckte in ihm schlagartig die Hoffnung, dass das durch friedliche Verständigung geschehen könnte – das wäre eine politisch-pragmatische Lösung gewesen. Die Alternative war aber ebenfalls sichtbar. Käme das polnische Volk in den Herrschaftsbereich eines völkisch-deutschen Staates, müsste es dort isoliert oder ausgesiedelt werden – das wäre die ideologisch-rassenpolitische Lösung.71 Es sei kurz angemerkt, dass für Hitler solch ein dualistisches Denken typisch war. Er vereinte in sich zwei Seiten: den Programmatiker oder Ideologen und den

Hasses oder der Verachtung“. Dagegen verzichtet Karol Fiedor, Polska i Polacy w polityce Trzeciej Rzeszy 1933 – 39. Łódz´ 2005, S. 126 ff., auf eine Gewichtung der Polen-Stellen aus „Mein Kampf“ und findet bei Hitler generell ein antipolnisches Konzept, weil der deutsche Lebensraum auch in Polen gewonnen werden sollte – eine vereinfachte, aber angesichts der Maßnahmen, die Hitler seit Herbst 1939 ergriff, plausible Interpretation. 69 Adolf Hitler, Mein Kampf, München 1936, S. 297, 429, 720, 748. 70 [Adolf Hitler], Außenpolitische Standortbestimmung nach der Reichstagswahl Juni-Juli 1928, eingeleitet von Gerhard L. Weinberg. München usw. 1995, S. 37. Hitler fährt dort fort, der bürgerlich-nationale Staat sei selbstverständlich zu solcher Konsequenz nicht fähig gewesen. 71 Diesen „ideologischen Keim“ der späteren Slawenpolitik Hitlers in den Polen-Äußerungen aus „Mein Kampf“ hat richtig erkannt Karl Lange, Hitlers unbeachtete Maximen. Stuttgart usw. 1968, S.139.

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Pragmatiker oder Politiker.72 Im Prinzip ging es ihm um eine weit ausschauende Rassen- und Lebensraumpolitik, in der Praxis um deren schrittweise Verwirklichung mit Hilfe des Kraftpotentials des deutschen Volkes. Für uns ist interessant, dass Hitler am Beispiel Polens sowohl pragmatisch-politisch (bis 1939) als auch programmatisch-ideologisch (ab September 1939) verfahren ist. Dieses Land und sein Volk waren dazu ausersehen, die zwei Verhaltensweisen Hitlers unverblümt kennen zu lernen. Dabei kam noch eine andere Eigenart Hitlers ins Spiel, nämlich die Fähigkeit, nahtlos von der einen Verhaltensweise zur anderen überzugehen. Das stellte in der Regel einen Wort- und Vertragsbruch dar, den er vor sich selbst mit dem Recht, wenn nicht gar der Pflicht des Politikers rechtfertigte, unehrlich zu sein, das gehöre „nun einmal zur wahren Politik“; für sich selbst hat er volle Handlungsfreiheit beansprucht, „ich setze mich über alles hinweg“ und „bin bereit, jeden Tag sechs falsche Eide zu schwören“.73 Das heißt, um der großen Ziele Rassereinheit und Lebensraum willen durfte er als Politiker jedes Mittel ergreifen, ohne Rücksicht auf Wahrheit oder Ehrlichkeit. Solch eine Einstellung brachte von Anfang an einen Vorbehalt in Hitlers Polenpolitik und zwar in dem Sinne, dass die freundschaftliche Zuwendung sich schnell in feindselige Aggressivität verwandeln konnte. Hitler gab früh zu erkennen, dass er in den Nachbarstaaten Deutschlands keine Partner, sondern eine politische Verfügungsmasse sah. Rauschning berichtet von raumpolitischen Phantasien, die Hitler l932 und 1934 in internen Besprechungen entfaltet habe. Es ging um eine nationalsozialistische Neuordnung Europas. Nach Hitler sollte Deutschland mit etwa 100 Millionen Einwohnern den Kern bilden (erweitert um Österreich, Böhmen und Mähren, Westpolen), ihm zugeordnet sollten sein ein Ostbund (Polen, Baltikum, Ungarn, Balkan), ein Westbund und ein Nordbund. Aus den Gebieten, die zu Deutschland kämen, müssten fremde Völker ausgesiedelt werden, denn die Deutschen brauchten Lebensraum, sie würden um das Jahr 2020 etwa 250 Millionen zählen!74 Auch hier war von territorialer Verdrängung, von Aussiedlung die Rede. Das Gebiet des Staates Polen wurde keineswegs respektiert, sondern so behandelt, wie es 1939/40 tatsächlich geschah: die ehemals preußischen Landesteile sollten annektiert werden. Und derselbe Rauschning teilt noch mit, dass Hitler sich Anfang 1934 unverhohlen darüber ausgelassen habe, im Verein mit Sowjetrussland über Polen herzufallen, sofern ihm dieses Schwierigkeiten bereiten sollte.75 Wenn diese Nachricht stimmt, wäre für Hitler das Vorgehen, das er 1939 gewählt hat, schon 1934 72

Ausführlich hierzu Eberhard Jäckel, Hitlers Weltanschauung. Stuttgart 1981, S. 11 ff.; außerdem Joachim C. Fest, Hitler. Eine Biographie. Frankfurta. M./Berlin/Wien 1973, S. 834 ff. 73 Hildegard von Kotze (Hg.), Heeresadjutant bei Hitler 1938 – 1943. Aufzeichnungen des Majors Engel Stuttgart 1974, S. 90 (unehrlich); H. Rauschning, Gespräche, S. 100 (Eide). 74 H. Rauschning, Gespräche, S. 42, 118, und ders., Nihilismus, S. 376 f.; A. Hitler, Mein Kampf, S. 767 (250 Mio.). 75 H. Rauschning, Gespräche, S. 113; dazu interpretierend M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 105 ff.

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denkbar gewesen – ein Beweis für die Konsistenz und Konsequenz seiner Ziele, die Trevor-Roper 1959 geltend gemacht hat.76 Anders ausgedrückt: Hitler erwartete von Polen, dass es sich in seine Pläne fügte (das versprach er sich von Piłsudski), andernfalls wollte er es gefügig machen oder gar über es verfügen. Von solchen Gedanken ist es ein kurzer Weg bis zu Hitlers Forderung vom August 1939: „Vernichtung Polens“ und Beseitigung seiner Lebenskraft durch „brutales Vorgehen“.77 Er sagte zu Goebbels, „die Polen haben wir gänzlich falsch eingeschätzt“, sie seien „mehr Tiere als Menschen“, ihr Schmutz sei unvorstellbar und vor allem die Juden seien dort „das grauenhafteste, was man sich überhaupt vorstellen kann“ – abstoßende Äußerungen, die ein bezeichnendes Licht auf das Wesen des vorher so polenfreundlichen Hitler werfen.78 Als Grundlage seiner Urteile genügten ihm die flüchtigen Eindrücke, die er im September 1939 auf mehreren Frontausflügen als Schlachtenbummler gesammelt hatte.79 1939 ist seine nüchtern-zweckhafte Betrachtung Polens in eine emotional-blutdürstige Verfolgungswut umgeschlagen, wie denn überhaupt der Zweite Weltkrieg in das Bemühen Hitlers ausartete, seiner Ideologie um jeden Preis zu entsprechen. Der Politiker ist endgültig dem Ideologen erlegen.

II. Praxis der Verständigungspolitik Wir wenden uns jetzt den Bemühungen zu, aus der Januar-Erklärung von 1934 eine Politik zu entwickeln, die die deutsch-polnischen Beziehungen verbessern und intensivieren sollte. Beide Seiten sind dran interessiert gewesen. Auch in der Auswahl der wichtigsten Sachfragen waren sie einander nahe: Beck suchte seit 1936 nach einem Ausgleich mit Deutschland über Danzig, die Grenze und die Dauer des Freundschaftsvertrages, und Reichsaußenminister von Ribbentrop bot ihm 1938 über eben diese Fragen eine Verständigung an. Trotzdem gelangten sie zu keiner Übereinkunft, denn Polen war nicht bereit, die ost- und bündnispolitischen Forderungen Deutschlands zu erfüllen.

76

Hugh Redwald Trevor-Roper, Hitlers Kriegsziele, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 8 (1960), S. 125. 77 ADAP/D, VII, S. 171 f. 78 [Joseph Goebbels], Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I/Bd. 7, München 1998, S. 141 (7.10 1939), 147 (10. 10. 1939), und Alfred Rosenberg, Die Tagebücher von 1934 bis 1944, hrsgg. von Jürgen Matthäus/Frank Bajohr. Frankfurt a. Main 2015, S. 290 (Eintragung vom 29. 9. 1939). 79 Zu Hitlers Frontausflügen siehe J. W. Borejsza, Antyslawizm, S. 85 ff.; Janusz Piekalkiewicz, Polenfeldzug. Hitler und Stalin zerschlagen die Polnische Republik. BergischGladbach 1982, S. 93; Peter Hoffmann, Die Sicherheit des Diktators. München/Zürich 1975, S. 149 – 154. Hitler verwandte etwa elf [!] Tage auf seine Frontausflüge.

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1. Die deutsche Politik Die deutsche Politik ist bis 1938 sehr um eine freundschaftliche Stimmung bemüht gewesen. Es trifft zu, dass Deutschland seit 1934 eine „Sympathiewelle für Polen“ erlebte, die von oben gelenkt war und mitunter „übertrieben und liebedienerisch“ wirkte.80 Es wurde versucht, die deutsche Bevölkerung auf den östlichen Nachbarn, seine Lebensart und seine Kultur hinzulenken. Hitler hat sich anheischig gemacht, die Ansicht auszurotten, dass Deutsche und Polen Erbfeinde seien, und in Warschau wurde daraus geschlossen, dass sich die Einstellung des deutschen Volkes zu Polen unter dem Einfluss der NS-Politik gründlich ändern werde. Befriedigt sah der polnische Außenminister, dass die deutsche Seite hierbei „mit großer, anerkennenswerter Anstrengung“ vorgehe.81 Unabhängig davon, dass der Mentalitätswandel nicht zustande kam82, ist zu fragen, wie ernsthaft der Versuch gemeint war. Es fällt uns heute grundsätzlich schwer, an Hitlers Politik irgendetwas als positiv zu werten, aber andererseits hatte für ihn ein gutes Verhältnis zu Polen so viel Gewicht, dass er dafür ein gewisses Maß an Entgegenkommen zeigen musste. Deshalb war die Freundschaftspolitik „für die nationalsozialistische Führung kein Ablenkungs- oder Täuschungsmanöver“, sie ist also nicht als leere Finte abzutun.83 Das bezeugt der Aufwand, der getrieben wurde und der von der obersten politischen Ebene bis hinunter in die Bereiche des Sports und der Touristik reichte – davon wird noch die Rede sein. Dennoch sollten wir zögern, diesen Ansatz einer deutsch-polnischen Freundschaft als vollkommen glaubwürdig zu bezeichnen. In ihm ist zu viel berechnende Zweckhaftigkeit und zu wenig Bereitschaft zu einer geduldigen Entwicklung enthalten gewesen. Hitler wollte schnell eine Frucht ernten, die unter treibhausartigen Bedingungen reifen sollte.84 Sein Werben um Polen ist ernst gemeint gewesen, ob es jedoch auch redlich war, ist eine andere Frage. Ihm ging es um eine Freundschaft zu kriegerischen 80 Gotthold Rhode, Deutsche und Polen von der Reichsgründung bis zum Warschauer Vertrag, in: Oskar Anweiler u. a. (Hg.), Osteuropa und die Deutschen. Berlin 1990, S. 158, 160. 81 [J. Szembek], Diariusz 1, S. 133: Lipski an polnisches Außenministerium, 25. 1. 1934 (über Gespräch mit Hitler); A. Garlicki, Piłsudski, S. 653 (Piłsudski am 7. 3. 1934); M. Kornat, Polen, S. 98 (Anstrengung), und Józef Beck, Beiträge zur europäischen Politik. Essen 1939, S. 169 f., wo der Minister die „erzieherische Wirkung“ der Annäherung und den „guten Willen“ der deutschen Regierung rühmt (1. 2. 1935). In der Tat hielt Hitler die kurzfristige „Umstellung der Psyche einzelner … Völker“ für möglich, siehe A. Hitler, Mein Kampf, S. 720 (und 717). 82 C. Roschke, Urfeind, S. 470, schreibt, dass die „Manipulation der eigenen Bevölkerung im Sinne der Hitlerschen Bündnisambitionen nicht gelang“; ähnlich K. Pryt, Freundschaft, S. 473. Siehe auch E. C. Król, Polska, S. 194, 575. 83 K. Pryt, Freundschaft, S. 467. Auch polnische Historiker raten davon ab, in Hitlers Polenpolitik lediglich ein taktisches Manöver zu sehen, siehe J. W. Borejsza, Antyslawizm, S. 115, und S. Z˙ erko, Stosunki, S. 34. 84 Hitler neigte zu zeitlichen Vorgaben und einem Lebensgefühl, das ihn zu raschem Handeln nötigte, siehe „Mein Kampf“, S. 716: es sollten „keine sechs Jahre vergehen“, bis das Volk kampfbereit sei; ferner J. C. Fest, Hitler, S. 736 f.; Ian Kershaw, Hitler 1936 – 1945. Stuttgart 2000, S. 63 f., 74 f.

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Zwecken, und der Krieg sollte die deutsche Vorherrschaft in Europa begründen. War es Polens Sache, dazu die Hand zu reichen? Nein. Betrachten wir nun in gebotener Kürze die Schritte, die von der Annäherung zwischen den Regierungen zu einer breit angelegten Verständigung führen sollten. Als erstes sei auf einige staatliche Abkommen verwiesen, mit denen vorhandene Spannungen gelockert wurden. Am 24. Februar 1934 kam es zu einer Pressevereinbarung, die dazu diente, die öffentliche Meinung in beiden Ländern so zu beeinflussen, dass „das Verständnis für ein friedliches und freundschaftliches Zusammenleben“ geweckt werde.85 Ein Schmerzenskind war seit 1925 der deutschpolnische Handel, der unter einem veritablen Zollkrieg litt. Er wurde mit einem Protokoll vom 7. März 1934 beendet, es folgten ein Kompensationsabkommen und ein Handelsvertrag (4. November 1935), allerdings ohne dass aus deutscher Sicht der Warenaustausch einen größeren Umfang annahm.86 Diese lahmenden Beziehungen erhielten 1938 einen neuen Schwung, als Deutschland seinem Nachbarn einen 120 Millionen Zloty-Kredit einräumte, mit dem die Lieferung von Maschinen bis 1948 zwischenfinanziert werden sollte. Die Maßnahme war deutscherseits darauf berechnet, an der Industrialisierung Polens zu partizipieren und damit sich ein größeres Maß an Einfluss zu sichern.87 Zu den hochpolitischen Mitteln einer Annäherung zählten die Ministerbesuche. Von deutscher Seite machte Joseph Goebbels im Juni 1934 den Anfang. Er hielt einen Vortrag in Warschau und hatte auch ein Gespräch mit Piłsudski, den er dann etwas zwiespältig charakterisierte: „Ein großer Mann und fanatischer Pole.“88 Sein Besuch blieb für ihn jedoch Episode, denn die tragende Rolle als Mittelsmann nach Polen erhielt 1935 Hermann Göring, dem Hitler wohl eine günstigere Wirkung auf die Polen zutraute als dem besserwisserischen Intellektuellen Goebbels.89 Ab 1934 85

Peter Fischer, Die deutsche Publizistik als Faktor der deutsch-polnischen Beziehungen 1919 – 1939. Wiesbaden 1991, S. 187; Johannes Kalisch, Wirksamkeit und Grenzen des deutsch-polnischen Presseprotokolls vom 24. Februar 1934, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 24 (1976), S. 1006 – 1022. 86 Berthold Puchert, Die deutsch-polnische Nichtangriffserklärung von 1934 und die Außenwirtschaftspolitik des deutschen Imperialismus gegenüber Polen bis 1939, in: Jahrbuch für die Geschichte der UdSSR und die volksdemokratischen Länder Europas 12 (1968), S. 342 ff.; Hans-Erich Volkmann, Polen im politisch-wirtschaftlichen Kalkül des Dritten Reiches 1933 – 1939, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Zweite Weltkrieg. Analysen, Grundzüge, Forschungsbilanz. München/Zürich 1989, S. 74 – 92. 87 B. Puchert, Außenwirtschaftspolitik, S. 348 ff. Dort wird (mit Datum vom 14. 11. 1938) aus dem Gedankenaustausch zweier Danziger Politiker zitiert, dass Deutschland gefordert habe, „in das Investitionsprogramm Polens eingeschaltet zu werden und die Möglichkeit einer Beteiligung am Aufbau des Sandomirschen Dreiecks zu haben“ (gemeint ist die Entwicklung eines neuen Industriegebiets in Mittelpolen). 88 [J. Goebbels], Tagebücher, Teil I, Bd. 3/I., S. 63 (Eintrag vom 16. 6. 1934). 89 Alfred Kube, Pour le mérite und Hakenkreuz. Hermann Göring im Dritten Reich. München 1986, S. 103 – 118; Stefan Martens, Hermann Göring. „Erster Paladin des Führers“ und „Zweiter Mann im Reich“. Paderborn 1985, S. 53 – 60; M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 244 ff., 264, 329 f., 388.

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wurde Göring regelmäßig zur Staatsjagd nach Polen eingeladen, traf dort Piłsudski und dessen Nachfolger Rydz-S´migły, den Staatspräsidenten Mos´cicki und mehrere Generäle. Ihm oblag es, in Warschau für ein deutsch-polnisches Bündnis zu werben, und 1935 soll er einigen Generälen „geradezu den Marsch nach Moskau“ vorgeschlagen haben.90 1937 versuchte er, die Polen aus der Reserve zu locken, indem er versicherte, Deutschland habe ihnen gegenüber „keine territorialen Wünsche“, das möge schwer verständlich sein, aber „wir wollen den Korridor nicht“!91 Mehr als höfliche Ablehnung hat er nicht erreicht. Recht auffällig war die Beachtung, die dem polnischen Staatsmann Piłsudski gezollt wurde. Im Sog der Hitlerschen Huldigungen kam es in Deutschland zu einem gewissen Piłsudskikult, der sich darin äußerte, dass Bücher über ihn erschienen – insbesondere wurde eine Auswahl seiner Schriften in repräsentativer Form veröffentlicht –, dass sich die künstlerische Ikonographie seiner bemächtigte: eine Büste aus den Händen des Bildhauers Joseph Thorak war wiederholt zu sehen, und dass Hitler dem toten Piłsudski öffentlich die Ehre erwies: am 18. Mai 1935 war er zugegen beim Requiem in der Berliner Hedwigskathedrale. Den Abschluss bildete das Angebot, das Magdeburger Haus, in dem Piłsudski 1917/18 interniert war, den Polen zu schenken, und tatsächlich ist das Gebäude 1938 im Warschauer Belvedere-Park rekonstruiert worden.92 Eine große Bandbreite hatten die Aktivitäten, die in die Gesellschaft ausstrahlten. Seit Anfang 1935 sorgte in Berlin das Deutsch-Polnische Institut für eine akademisch-wissenschaftliche Kontaktpflege, mehrere Opernhäuser studierten die Oper „Halka“ von Stanislaw Moniuszko ein, in den deutschen Spielfilm zogen polnische Themen ein, die gern dem konfliktreichen Verhältnis zwischen Polen und Russland entnommen und zu „Lobeshymnen auf den polnischen Patriotismus“ ausgestaltet wurden, außerdem lenkten landeskundliche Filme einen aktuellen Blick auf Land und Leute.93 Kleine Gruppen haben in eigener Anschauung diesen Blick üben 90 [J. Szembek], Diariusz 1, S. 225 (Eintrag vom 1. 2. 1935); ferner H. Roos, Polen, S. 209 ff.; M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 244 ff., 264, 329 f., 388; E. C. Król, Polska, S. 130, 146 f., 170, 189. Anfang 1939 hat Göring auf die obligate Reise aus gesundheitlichen Gründen verzichtet, statt seiner fuhr der oberste Polizeichef Heinrich Himmler, siehe Król, S. 206. Auf polnische Gegenbesuche, die Beck, der Justizminister Grabowski und einige Generäle unternommen haben, gehe ich nur bei Beck ein. 91 ADAP/C, VI/1, S. 4: Moltke an Weizsäcker, 23. 2. 1937 (keine Wünsche); [J. Szembek], Diariusz III, S. 28: Aufzeichnung vom 16. 2. 1937 (Korridor nicht), ebenso Polskie Dokumenty Dyplomatyczne [künftig PDD] 1937. Warszawa 2012, S. 80. 92 Zum Piłsudski-Haus siehe M. Pietsch, Verachtung, S. 250/Anm. 46; E. C. Król, Polska, S. 190, 737 (das Gebäude ist Ende der 1940er Jahre entfernt worden). Über die deutsche Piłsudski-Literatur siehe B. Drewniak, Polen und Deutschland, S. 153 – 156. 93 Die Einzelheiten sind den Büchern von B. Drewniak, Polen und Deutschland, und K. Pryt, Freundschaft, zu entnehmen. Zur Filmproduktion auch Marei Gerken, Stilisierung und Stigma. Vom patriotischen Helden zum Untermenschen, in: Hendrik Feindt (Hg.), Studien zur Kulturgeschichte des deutschen Polenbildes 1848 – 1939. Wiesbaden 1995, S. 213 – 225 (dort S. 213 das Zitat).

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können, denn von 1934 bis 1938 gab es einen Jugend- und Studentenaustausch, der die Teilnahme an offiziell organisierten Rundreisen oder Ferienkursen ermöglichte und gelegentlich zu der Erfahrung führte, dass Deutschfreundlichkeit in Polen nicht selbstverständlich war.94 Ein lebhaft beackertes Feld war schließlich der Sport. Er war geeignet, weite Kreise in die deutsch-polnischen Begegnungen einzubeziehen, und das wurde sogleich 1933 ausgenutzt. Es begann mit einer Sensation auf dem Fußballfeld. Am 3. Dezember 1933 fand in Berlin das erste deutsch-polnische Länderspiel statt, Goebbels erschien dazu auf der Tribüne.95 Das Spiel ist erwiesenermaßen aus politischen Gründen vereinbart worden und vier weitere sollten bis 1938 folgen. Ähnliches ist von den Reitern, die 1935 bei einem Turnier in Warschau antraten, und den Radrennfahrern zu sagen, die mehrfach eine deutsch-polnische Fernfahrt BerlinWarschau austrugen. Andere Sportarten wie Boxen, Rudern oder Leichtathletik kamen hinzu, und wenn wir die Tausende von Touristen, die vor allem zu den Fußballspielen in Deutschland und Polen anreisten, oder die Zuhörer, die durch Rundfunkreportagen am Geschehen teilhatten, einbeziehen, ist davon auszugehen, dass viele Deutsche auf die eine oder andere Weise von der Polenwelle berührt wurden. Müßig zu erwähnen, dass auch die Presse in den Dienst der guten Nachbarschaft trat. In einem amtlichen Schriftwechsel hieß es, es sei eine ausgemachte Sache, dass „die deutsche Öffentlichkeit nicht mehr im antipolnischen Sinne beeinflusst wird, sondern dass alles geschieht, um den deutsch-polnischen Vertrag … auch psychologisch und stimmungsmäßig zu untermauern“.96 Die Presseanweisungen des Goebbelsschen Propagandaministeriums sorgten dafür, dass der deutsche Leser ein positives Bild der polnischen Politik erhielt, dass ihm ein Gleichklang zwischen Polen und Deutschland in einzelnen Fragen suggeriert wurde (Behandlung der Juden und Kommunisten, Führerkult) und dass sich die Beziehungen angeblich zu einer „Achse Berlin-Warschau“ verdichteten.97 Der Erfolg der Bemühungen ist schwer zu schätzen und im allgemeinen wird es so gewesen sein, „dass sie nicht zu nachhaltigen Veränderungen in der Einstellung der

94 Maria Gierlak, Der Schüleraustausch zwischen Deutschland und Polen in den 1930er Jahren, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 50 (2001), S. 73 – 94; AA/PA Warschau 202: Deutsch-polnischer Studentenaustausch (darin Berichte deutscher Teilnehmer 1936 – 1938). 95 Über die Fußballspiele und andere Sportbegegnungen siehe D. Hertz-Eichenrode, Sport und Politik. 96 So ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes gegenüber der NSDAP-Führung am 7. 1. 1936, siehe P. Fischer, Publizistik, S. 209 f./Anm. 67. 97 Über die Pressepolitik gegenüber Polen siehe Fritz Sänger, Politik der Täuschungen. Wien 1975, S. 364 ff.; ferner E. C. Król, Polska, S. 124 f., 147 ff., 162, 183 f., 195 f., hier auf S. 151 die Formel von der Achse Berlin-Warschau (aus dem Völkischen Beobachter, 27. 1. 1938).

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Deutschen zu … den Polen geführt haben“.98 Auf der einen Seite war die Zeit für solche Veränderungen zu kurz, auf der andern Seite ist zu bedenken, dass Organisationen wie der Bund Deutscher Osten oder der Verein für das Deutschtum im Ausland, die sich unter anderem der Belange der deutschen Minderheit im östlichen Europa annahmen, während der NS-Zeit weiter arbeiteten und dass sich die deutschen Ostforscher nur widerstrebend auf die Entspannungspolitik einließen und mit ihren kritischen Aussagen über Polen den freundlichen Anschein, den die offizielle Propaganda schuf, unterliefen.99 Es wäre noch abzuwägen, inwieweit die deutsche Regierung beziehungsweise Hitler mit den Ergebnissen ihrer Polenpolitik zufrieden waren. Da liegt es auf der Hand, dass die Weigerung Warschaus, auf Görings Sondierungen wegen einer gemeinsamen Front gegen die Sowjetunion einzugehen, enttäuscht hatte. Die Enttäuschung wuchs, als Polen 1936 den Kontakt mit Frankreich intensivierte und Marschall Rydz-S´migły nach Paris reiste. Göring versuchte zwar im Februar 1937, bei Rydz-S´migły Stimmung zu machen für eine konformistische Beeinflussung der öffentlichen Meinung, für die Entwicklung kollegialer Beziehungen zwischen den beiden Armeen und Vertiefung der kulturellen Kontakte, doch sein Gesprächspartner blieb reserviert und zog sich darauf zurück, dass die polnische Regierung in diesen Punkten weniger Möglichkeiten habe als die deutsche.100 Das deutsche Befremden ist gewachsen, als sich im Sommer 1936 abzeichnete, dass Polen nicht einem Vertragssystem, das sich gegen die Sowjetunion beziehungsweise gegen die Kommunistische Internationale (Komintern) richten sollte, beitreten würde.101 Es handelte sich um den sogenannten Antikominternvertrag, den Deutschland gemeinsam mit Japan entwickelte und dem sich Italien anschloss. Besonders verstimmend wirkte die polnische Politik gegenüber der deutschen Minderheit. Sie war darauf gerichtet, die polnischen Staatsbürger deutscher Nationalität daran zu hindern, als eigenständige ethnische oder gar politische Gruppe im Lande aufzutreten. Als die deutsche Regierung 1937 anregte, einen Vertrag über die Behandlung der Minderheiten bei98 E. C. Król, Polska, S. 194; ähnlich P. Fischer, Publizistisk, S. 189, 208. Vergleiche oben Anm. 82. 99 Siehe M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 254 ff.; Michael Burleigh, Germany turns eastwards. Cambridge u. a. 1988 (vorzugsweise über die Nordostdeutsche Forschungsgemeinschaft); Karol Fiedor, Bund Deutscher Osten w systemie antypolskiej propagandy. Warszawa/Kraków 1977, und Jörg Hackmann, Deutsche Ostforschung und Geschichtswissenschaft, in: Jan Piskorski u. a. (Hg.), Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. Osnabrück/Poznan´ 2002, S. 25 – 45; ferner Bogusław Drewniak, Problem tzw. Korytarza w publikacjach niemieckich okresu mie˛ dzywojennego, in: Olsztyn´skie Studia Niemcoznawsze [I] 1986, S. 24 ff., und Götz Aly/Susanne Heim, Vordenker der Vernichtung. Frankfurt/M. 1993, S. 91 – 124. 100 ADAP/C, VI/1, S. 499 ff.: von Moltke an von Weizsäcker, 23. 2. 1937, und [J. Szembek], Diariusz 3, S. 28 ff. 101 M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 327 f.; H. Roos, Polen, S. 257, 259; S. Z˙ erko, Stosunki, S. 55. Die Autoren beziehen sich auf den Besuch eines Emissärs der Dienststelle Ribbentrop in Polen, der im Vorfeld des Antikominternvertrages vom 25. 11. 1936 zu dem Ergebnis kam, dass Polen solch eine Politik nicht unterstützen würde,

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derseits der Grenze abzuschließen, wich die polnische Regierung aus und ließ sich nur herbei, eine Erklärung aufzusetzen, die einige allgemeine Grundsätze wie Verzicht auf Assimilierung, Gebrauch der Muttersprache, Vereinigungsrecht oder Berufsfreiheit formulierte und die die Staatsoberhäupter am 5. November 1937 gleichlautend gegenüber Vertretern der jeweiligen Minderheit verkündeten.102 Einen Erfolg mochte die deutsche Seite darin nicht sehen. Nach alledem verwundert es nicht, dass Hitler 1936 die Beziehungen zu Polen als „Vernunftverhältnis“, nicht als Liebesehe begriff, aber er betonte, sie hätten „uns die Aufrüstung ermöglicht“.103 Ein Jahr später, als er seine offensive Politik für 1938 entwarf, war er sich Polens nur bedingt sicher: „Unsere Abmachungen mit Polen behielten nur so lange Geltung als Deutschlands Stärke unerschüttert sei“, und das werde maßgeblich von „der Schnelligkeit unseres Handelns“ abhängen.104 Sollte Deutschland aber Schwächen zeigen, könnte Polen versucht sein, sich Ostpreußens, Pommerns oder Schlesiens zu bemächtigen. Für Hitler spielte Polen nach wie vor eine Rolle und wurde in der Krise, die der Griff nach Österreich und der Tschechoslowakei auslösen musste, dringend gebraucht. Deshalb vermied er öffentlich jeglichen Zweifel an den deutsch-polnischen Beziehungen und pries, dass zwischen den Nachbarn „ein aufrichtig freundschaftliches Zusammenarbeiten“ entstanden sei.105 Er setzte auch weiterhin einiges daran, seine polnischen Partner günstig zu stimmen. Als Beck im Januar 1938 zu einem Gespräch ins Berliner Auswärtige Amt kam, legte Hitler Wert darauf, ihn ebenfalls zu sprechen. Und ganz ungewöhnlich war es, dass Hitler im Mai 1938, als er Mussolini in Rom besuchte, sich die Zeit nahm, Polens dortigen Botschafter Wysocki zu empfangen und sich mit ihm der Anfänge der deutsch-polnischen Annäherung von 1933 zu erinnern, an denen Wysocki seinerzeit einen positiven Anteil gehabt hat.106 Hitler bemühte sich, mit solchen Gesten das Renommee, das er bei den Polen besaß, zu nutzen und eine freundschaftliche Atmosphäre zu kultivieren. Doch seine Bemerkung von der Schnelligkeit des Handelns deutete bereits an, dass es damit nicht sein Bewenden haben würde und gegebenenfalls der „Freund“ überrumpelt, vielleicht unter Druck gesetzt werden sollte. 102 Albert S. Kotowski, Polens Politik gegenüber seiner deutschen Minderheit 1919 – 1939. Wiesbaden 1998, S. 280 ff. Ferner [J. Szembek], Diariusz 3, S. 325 ff., dort auf S. 387 f. über das Verhalten des polnischen Präsidenten Mos´cicki beim Empfang der Sprecher der deutschen Minderheit, das diese als unwürdig empfanden; über Hitlers parallelen Auftritt in Berlin siehe M. Domarus, Hitler I/2, S. 746 f. 103 [J. Goebbels], Tagebücher, Teil I, Bd. 3/II, S. 273 (Eintrag vom 2. 12. 1936). 104 F. Kießling (Hg.), Quellen, S. 168 f. (Hossbach-Protokoll, 10. 11. 1937). Der Begriff „Geltung“ im Zitat ist als „[ihre] Wirkung“ zu verstehen. 105 Hitler im Reichstag, 20. 2. 1938, in: M. Domarus, Hitler I, S. 802. Am 30. 1. 1939 wiederholte er, dass „die deutsch-polnische Freundschaft eine der beruhigenden Erscheinungen des europäischen politischen Lebens“ sei, siehe Domarus, a.a.O. II, S. 1065. 106 Zu Beck siehe unten S. 47, zu Wysocki siehe Otto Meissner. Staatssekretär unter Ebert, Hindenburg, Hitler. Hamburg 1950, S. 345, und [J. Lipski], Papers and Memoirs of Józef Lipski. Diplomat in Berlin, 1933 – 1939. New York/London 1968, S. 364.

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2. Die polnische Politik und Józef Beck Wir ändern die Blickrichtung und prüfen, wie Polen bei alledem auf seine Rechnung gekommen ist. Von vornherein ist zu berücksichtigen, dass Polen von sich aus nicht an derart werbenden Maßnahmen interessiert war, wie sie Hitler ergriffen hat. Es blieb in einer abwartenden Rolle und war darauf bedacht, sich nicht zu eng an Deutschland zu binden. Seinen Part bei der Bekundung einer deutsch-polnischen Freundschaft hat es zwar gespielt, aber in der Regel keine eigene Initiative entwickelt. Diese etwas gewundene Linie einzuhalten, war die Hauptaufgabe des polnischen Außenministers Beck. Er stützte sich dabei auf seinen Ruf, einst der Vertraute Piłsudskis gewesen zu sein und nun dessen außenpolitisches Erbe zu verwalten. Tatsächlich hatte Beck seine politische Karriere Piłsudski zu verdanken. 1894 geboren war er eine Generation jünger als sein Mentor, in dessen persönliche Umgebung er 1919 eintrat.107 Er hatte seit 1914 als Artillerist in den Polnischen Legionen gekämpft und war Piłsudski als geschickter Emissär aufgefallen, als es 1918/19 darum ging, zwischen den brüchigen Kriegsfronten die polnischen Soldaten aus den russischen und österreichischen Armeen zu sammeln. Es sind das gewagte Operationen gewesen, die ihn bald in die Bahnen des militärischen Geheimdienstes lenkten und den Grundstein für seinen etwas schillernden Ruf legten, gerne geheimdienstliche Methoden anzuwenden. Diese Aura umgab ihn bereits 1922/23, als er Militärattaché in Paris war und vom französischen Geheimdienst beargwöhnt wurde. Aus solchen Anfängen formte sich allmählich eine „schwarze Legende“, die ihn als zwielichtig und illoyal abstempelte.108 Doch bei Piłsudski hat ihm das nichts geschadet. Seit dem Staatsstreich von 1926 gehörte er zum engsten Zirkel der Regierung: zuerst als Kabinettschef bei Piłsudski, 1930 als Staatssekretär im Außenministerium und seit November 1932 als Außenminister. Diplomatische Beobachter beurteilten den neuen Minister sehr kritisch und hielten ihn für schlau, intrigant und gewaltbereit.109 In der Tat konnte er im gegebenen Moment die polnischen Interessen rigoros durchsetzen, wie 1938 gegenüber Litauen und der Tschechoslowakei geschehen, aber aufs Ganze gesehen gehörte er nicht zu den Scharfmachern seiner Zeit. Vielmehr sprach es für sein Geschick, dass er sich bis 1939 im Amte halten konnte und am Vorabend des Zweiten Weltkrieges als dienstältester Außenminister Europas galt. Es gab allerdings nicht wenige, die es beklagten, dass er im dienstlichen Verkehr sich als undurchsichtiger Gesprächspartner erwies. Ein Zeitgenosse berichtete nach einem Interview, dass Becks Redeweise „immer undeutlicher“ geworden sei, „um 107 Literaturhinweise zu Beck siehe oben Anm. 46. Seinen deutsch klingenden Namen verdankte er einem Vorfahren, der wahrscheinlich im 16. Jahrhundert aus Flandern nach Polen kam. 108 Der Begriff „schwarze Legende“ bei M. Kornat, Beck-zarys, S. 88. 109 Paweł Korzec, Deutsche diplomatische Berichte zur Ernennung von Oberst Józef Beck zum polnischen Außenminister, in: Zeitschrift für Ostforschung 29 (1980), S. 367 – 384. Ferner M. Kornat/M. Wolos, Beck, S. 509 f.

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schließlich als Säuseln zu enden“, vermutlich um sein Gegenüber „vom entscheidenden Punkt abzulenken“.110 Es war noch das Geringste, dass ihm unterstellt wurde, ein Opportunist zu sein, der sein Land zwischen den Großmächten so lange neutral halten wollte, bis es sich auf die Seite des Stärkeren schlagen und dadurch eine territoriale Beute sichern könne. Der französische Botschafter in Warschau ging 1938 so weit, Becks Gebaren geradezu als zynisch zu bezeichnen.111 Die Quelle des Unmuts war Becks Deutschlandpolitik. Er hielt an der Verständigung von 1934 fest und beraubte damit Frankreich der Möglichkeit, mit Hilfe Polens und der Tschechoslowakei ein koordiniertes Gegengewicht zur deutschen Revisionspolitik zu formen. Beck hatte allerdings den Eindruck, dass Frankreich nicht willens sei, solch ein Gegengewicht wirklich einzusetzen, und dass Polen gut daran täte, sein Verhältnis zu Deutschland pfleglich zu behandeln. Das mochte auf Dritte opportunistisch und zynisch wirken, es war aber eine realistische Konsequenz aus der Appeasementpolitik der Westmächte. So gesehen war Beck aus situationsbedingten Gründen ein zynischer Realist und als solcher keineswegs eine „der wirklich bösartigen Kreaturen“ der 1930er Jahre.112 An einem Punkt verließ Beck jedoch sein Realismus, das war sein Verhältnis zu Hitler. Die positive Beurteilung, die Hitler teilweise in Polen genoss, hat Beck geteilt und er hat bis Januar 1939 daran festgehalten. Er baute darauf, dass Hitler als Österreicher und Antikommunist den nationalistischen Traditionen der deutschen Außenpolitik fernstünde und gegenüber Polen keine Vorurteile hege. Beck ist Hitler dreimal begegnet (Juli 1935, Januar 1938, Januar 1939) und sah sich immer aufmerksam empfangen. Die verbindliche Atmosphäre, die ihm bereitet wurde, hat ihn beeindruckt, und erst Anfang Januar 1939 schied er von Hitler mit der Erkenntnis, dass dieser unberechenbar geworden sei und nicht mehr dem Bilde entsprach, das er sich von ihm geformt hatte. Die Einsicht war bitter und brachte das, was wir die Lebenslüge in der polnischen Deutschlandpolitik nennen könnten, zum Einstürzen. Auch in anderer Hinsicht war Becks politisches Handeln bedenklich. Zu seinen leitenden Maximen gehörte es, dass die Zeit der kollektiven Sicherheit und der multilateralen Verträge verstrichen und insofern auch der Völkerbund wenig brauchbar sei – übrigens eine Ansicht, die er mit Hitler gemeinsam hatte.113 Er zögerte zum Beispiel nicht, 1934 den Minderheitenschutzvertrag, den Polen auf der 110 Friedrich Sieburg, Polen. Legende und Wirklichkeit. Frankfurt/Main 1934, S. 53. Ein weiteres Beispiel bei [Anthony Eden], The Eden Memoirs. (Bd. 1) Facing the Dictators. London 1962, S. 170: es bedürfe vieler Geduld, um Becks „Meinung zu erfassen“. 111 Noël an Bonnet, 31. 5. 1938, in: Documents Diplomatiques Françaises [künftig: DDF], 2e série/tom IX, S. 977. Ferner Kennard an Halifax, 15. 11. 1938, in: Documents on British Foreign Policy 1919 – 1939, 3rd series/vol. I, S. 445, und von Moltke an AA, 12. 7. 1938, in: ADAP, Serie. D/Bd. II. S. 358 f. (beide vermuten opportunistisches Verhalten). 112 H. L. Roberts, The Diplomacy, S. 610 („not one of the really malignant creatures of the decade“). 113 Siehe dazu [J. Szembek], Diariusz 3, S. 253, 261 (über Becks Kritik am Völkerbund), J. Beck, Beiträge, S. 226 ff., 317 ff., 334 ff., 417 ff., wo diese seit Anfang 1936 wachsende Kritik entwickelt wird.

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Versailler Friedenskonferenz widerwillig hatte unterschreiben müssen, einseitig aufzukündigen und die Stellung der Minderheiten in Polen der Aufsicht des Völkerbundes zu entziehen.114 Da Deutschland 1933 aus dem Völkerbund ausgetreten war, gab es von dieser Seite keinen Widerstand mehr. Was Beck vorschwebte, war ein betonter Bilateralismus in der Außenpolitik, und er rechnete es sich als Erfolg an, dass sich die polnische Politik völlig „vom europäischen Chaos“ gelöst und die „Festigung des Friedens in Osteuropa“ erreicht habe.115 Gemeint war damit die Verständigung mit der Sowjetunion von 1932 und mit Deutschland von 1934. Vergebens versuchte der französische Botschafter, ihn in seiner selbstgefälligen Haltung zu stören, indem er ihm vor Augen hielt, „dass Polen sich bis auf weiteres nicht allein schützen könne und auf die Hilfe gerade der Mächte angewiesen sei, die Anhänger des Völkerbundes wären“, also der Westmächte.116 Die Standpauke verletzte zwar Becks Stolz, aber sie war zutreffend. Tatsächlich gestand sich Beck selbst ein, dass die internationale Lage seit der Mitte der 1930er Jahre unsicherer geworden war. Es war die Zeit, als Italien Abessinien eroberte, der spanische Bürgerkrieg bevorstand, die deutsche Revisionspolitik den status quo erschütterte und die Sowjetunion einen neuen Platz in der europäischen Politik erreichte – ein „Chaos“, das zu bändigen dem Völkerbund und den Westmächten nicht gelang. Beck hielt unter diesen Umständen einen „Weltanschauungskrieg“ zwischen Deutschland und Russland für möglich und fürchtete, dass Polen dabei in eine prekäre „Schlüsselrolle“ geraten könnte – eine Schlüsselrolle, die es durch eine konsequente Neutralitätspolitik ausfüllen sollte, um zu verhindern, dass es selbst zum Schlachtfeld würde.117 Des weiteren hoffte Beck, um Polen herum eine Kombination von Staaten schaffen zu können, die das östliche Mitteleuropa vor dem Zugriff der benachbarten Großmächte verriegeln würde.118 Der Plan war plausibel, aber kaum ausführbar, weil niemand willens war, sich gerade an Polen anzulehnen, das mehr als jeder andere Staat zwischen Deutschland und Russland gefährdet war. Im Übrigen ist zu bedenken, dass Beck ungeachtet aller Sorgen, die er sich um Polens Sicherheit machte, auch vorteilhafte Ansatzpunkte in der instabilen Lage 114 H. Roos, Geschichte, S. 60 f.; Włodzimierz Borodziej, Geschichte Polens im 20. Jahrhundert, München 2010, S.107 f. Den Minderheiten wurde darin ein Beschwerde- und Klagerecht vor dem Völkerbund beziehungsweise dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zugesprochen. 115 [J. Szembek], Diariusz 1, S. 267 (Äußerung vom 12. 4. 1935/„Frieden“), und Diariusz 2, S. 198 (Äußerung vom 20. 5. 1936/„Chaos“). 116 [J. Szembek], Diariusz 3, S. 261: von Moltke an das Auswärtige Amt, 7. 5. 1937. Der Zusammenstoß wird von französischer Seite bestätigt, siehe DDF 2e série/tome V, S. 690 f.: Noël an Delbos, 6. 5. 1937. 117 [J. Szembek], Diariusz 2, S. 221 (Äußerung vom 15. 6. 1936/Schlüsselrolle); S. Z˙ erko, Stosunki, S. 27; ferner M. Kornat, Polen, S. 227 ff., der auf Polens Neutralität im „Glaubenskrieg“ abhebt. 118 Über Becks Plan, durch polnische Initiative eine Kombination mittelosteuropäischer Staaten zu schaffen, siehe M. Kornat, Polen, S.119 ff., und H. Roos, Geschichte, S. 153 ff.

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Europas vermutete. Ende 1936 erwartete er vom spanischen Bürgerkrieg eine Lähmung Frankreichs, die in Mitteleuropa zu spüren sein würde und für Polen den Moment schüfe, „grundlegende Entscheidungen“ zu treffen: entweder den tschechischen Teil des Teschener Gebietes zu besetzen oder Litauen militärisch zu bedrohen oder aber Danzig zu nehmen.119 Das wären Handstreiche gewesen, die das europäische „Chaos“ sicherlich vermehrt hätten. Sie besagten, dass die Tschechoslowakei verstümmelt (außer Teschen sollte sie die Slowakei und die Karpathoukraine verlieren), Litauen militärisch zum endgültigen Verzicht auf Wilna, das Polen 1920 an sich gerissen hatte, genötigt oder Danzigs Bindung an den Völkerbund gekappt werden sollte. Das setzte freilich voraus, dass die guten Beziehungen zu Deutschland andauerten, doch hinter ihnen stand mittlerweile ein Fragezeichen. Das Fragezeichen ergab sich daraus, dass sich Deutschland Schritt um Schritt der militärischen Fesseln, die ihm der Versailler Vertrag angelegt hatte, entledigte, und Polen je länger desto mehr versuchte, sich dem Sog und Druck der deutschen Politik zu entziehen. Die beiden Partner des Abkommens von 1934 taten sich schwer, ein Fundament gemeinsamer Interessen zu finden. Einen kritischen Moment der europäischen Politik schuf Hitler Anfang März 1936, als er einseitig den Einmarsch der deutschen Wehrmacht in das Rheinland befahl, das seit 1919 eine demilitarisierte Pufferzone zum Schutze Frankreichs und Belgiens war. Das war ein Bruch des Versailler Friedensvertrages und des LocarnoVertrages von 1925. Die Westmächte verzichteten jedoch auf scharfe Gegenmaßnahmen und begnügten sich damit, diplomatischen Protest einzulegen und den Völkerbund anzurufen. Der Vorfall fand in Polen große Beachtung und schürte das Misstrauen gegenüber der deutschen Politik. Die Zeitung Kurier Poranny schrieb, „Deutschland ist zu allem fähig“, es könne „eines Tages über seine Grenzen hinausgreifen und die Ordnung der politischen Kräfte in Europa völlig umgestalten“.120 Auch Beck beobachtete die Rheinlandkrise mit Unbehagen. Er bewertete sie im Nachhinein als Beispiel der Hilflosigkeit Europas angesichts der deutschen Gewaltpolitik und beklagte „das Chaos, das in den internationalen Beziehungen herrschte“.121 Doch das enthob ihn nicht der Aufgabe, den Umgang mit Deutschland so zu gestalten, dass dessen gewachsenes Gewicht sich nicht zum Nachteil Polens auswirkte. In dieser Hinsicht tat sich ein Dilemma auf, das sich bereits 1935 angebahnt hatte und nun verstärkte: wie sollte Polen auf Hitlers Wunsch reagieren, langfristig in eine bündnisartige, antikommunistische Zusammenarbeit einzutreten? Diese Gretchenfrage schob die polnische Regierung vor sich her und das spürte besonders deutlich Jan Szembek, Staatssekretär im Außenministerium, als er im August 1936 für mehrere Tage nach Berlin kam. 119 [J. Szembek], Diariusz 2, S. 354 (Äußerung vom 21. 12. 1936). Für Danzig wollte Beck gemeinsam mit Deutschland eine neue völkerrechtliche Regelung finden. 120 Kurier Poranny, 15. 9. 1936 (nach [J. Szembek], Diariusz 2, S. 504). Allgemein zur Situation in Polen Richard. Breyer, Das Deutsche Reich und Polen 1932 – 1937. Würzburg 1955, S.166 f., 207 f. 121 J. Beck, Rapport, S. 115, 118.

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In Berlin fanden zu dieser Zeit die Olympischen Spiele statt, die viele Besucher in die Stadt lockten. So auch Szembek, der die Gelegenheit zu zahlreichen politischen Gesprächen nutzte. Er traf sich mit Hitler, Göring, Außenminister von Neurath und von Ribbentrop, der damals das Außenpolitische Amt der NSDAP leitete. Alle bestätigten ihm den Wert, den die Beziehungen zu Polen hätten, dass diese sich noch in einem Anfangsstadium befänden und – so Ribbentrop – dass „zweifellos der Moment komme, an dem wir, ob wir wollen oder nicht, werden gemeinsame Entscheidungen treffen müssen“.122 Er hörte dabei zweierlei heraus: einmal die Erwartung, dass Polen Deutschlands „naturgegebener Verbündeter sein werde im künftigen Kampf mit den Sowjets und dem Kommunismus“, andrerseits die Befürchtung, dass Polen doch nicht solch ein Bundesgenosse werden könnte, weil es im Innern teils zu instabil, teils zu antideutsch gesinnt sei.123 Er zog daraus den Schluss, dass Polen mit einem Wiederaufleben der deutsch-russischen Zusammenarbeit, der Rapallo-Politik, rechnen müsse, wenn es die deutschen Hoffnungen nicht erfülle. Diese Bedenken erörterte er am 30. September 1936 mit Rydz-S´migły, dem Nachfolger Piłsudskis an der Spitze der polnischen Armee. Rydz-S´migły besaß dank seiner militärischen Stellung ein ausschlaggebendes Gewicht im obersten Warschauer Regierungszirkel und neigte dazu, die Politik Deutschlands misstrauisch zu beurteilen. Ende Juni 1936 meinte er, dass die deutsche Aufrüstung gegen Polen gerichtet sei und wahrscheinlich in zwei bis drei Jahren „zur vollständigen Kampfbereitschaft“ gelangen werde, das heißt, dass der deutsche Angriff 1938 oder 1939 erfolgen könnte.124 Szembek kannte Rydz-S´migłys Einstellung und legte wohl deshalb einigen Wert darauf, ihn zu informieren. Er wies darauf hin, dass Polen seinen Standpunkt, zwischen den rivalisierenden Mächten neutral zu bleiben, „nicht lange werde aufrechterhalten können“, sobald „die Situation heranreife.“ Mit Blick auf die negativen Erfahrungen, die Polen im 18. Jahrhundert mit seiner Politik des Beiseitestehens gemacht habe, hob er an zu sagen: „Wenn wir gezwungen sein sollten, uns für eine der Seiten auszusprechen, so scheint mir …“, als ihm RydzS´migły das Wort abschnitt und einwarf: „Sicherlich nicht für die bolschewistische.“125 Das heißt, Rydz-S´migły wich dem Gedanken einer Option für Deutschland 122 [J. Szembek], Diariusz 2, S. 265 (Aufzeichnung vom 14. 8. 1936). Die kursive Passage ist in der Quelle auf deutsch wiedergegeben. 123 [J. Szembek], Diariusz 2, S. 270 (aus: „Bemerkungen und Beobachtungen, betreffend die polnisch-deutschen Beziehungen, gesammelt während des 10-tägigen Aufenthalts in Berlin während der Olympiade, im August 1936“). Die Niederschrift ist auch enthalten in Polskie dokumenty diplomatyczne 1936 [fortan PDD], S. 533 – 535. 124 [J. Szembek], Diariusz 2, S. 238 (Eintrag vom 30. 6. 1936). Diese Prognose war sehr hellsichtig, nicht zuletzt deshalb, weil Hitler zur gleichen Zeit, im Sommer 1936, eine Denkschrift ausarbeitete, in der er verlangte, die wirtschaftlichen Grundlagen der Aufrüstung zu festigen und bis 1940 kriegsbereit zu sein, siehe Wilhelm Treue, Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 3 (1955), S. 184 – 210. Hitlers abschließende Forderung lautete: „Die deutsche Armee muss in 4 Jahren einsatzfähig sein“ (S. 210). 125 [J. Szembek], Diariusz 2, S.293. Ferner H. Roos, Polen, S. 258, und R. Breyer, Reich, S. 188 ff.

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aus, er war für ihn gewissermaßen unaussprechbar, und damit stand er in Polen nicht allein. Für Beck galt ähnliches. Wie wir noch sehen werden, hat er 1938 im Falle eines europäischen Krieges die Seite der Westmächte wählen wollen, nicht die Deutschlands.126 Wenn Szembek die Absicht gehabt haben sollte, die Bündnisfrage im Schoße der Regierung mit Nachdruck zu stellen, dann ist ihm das misslungen. Sein Anlauf endete im Leeren, denn in Warschau war niemand bereit, sich festzulegen, bevor die „Situation herangereift“ war. Die Crux der polnischen Außenpolitik blieb unentschieden. Das Verwirrende dabei ist, dass sich die darin verborgenen Risiken einstweilen nicht auswirkten und Beck im Gegenteil zwei seiner Ziele, die er Ende 1936 angepeilt hat, verwirklichen konnte. Im Frühjahr 1938 nötigte er Litauen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen und im Herbst die Tschechoslowakei, das Teschener Gebiet abzutreten.127 Beides verdankte er nicht zuletzt seinem Einvernehmen mit Deutschland, das mit dem Anschluss Österreichs (März 1938) und der Inkorporation des tschechischen Sudetengebiets (September/Oktober 1938) die europäische Ordnung so stark erschüttert hatte, dass Polen sozusagen im Windschatten dieser Ereignisse seine eigenen Ziele realisieren konnte. Beide Erfolge wurden in Polen lebhaft begrüßt und Beck war vorübergehend der gefeierte Mann der Stunde. Doch die Westmächte haben ihm sein Verhalten sehr verübelt und viele Historiker sind ihnen darin gefolgt.128

3. Hitlers und Becks Endspiel 1938/39 So wie sich die Dinge bis Anfang 1938 entwickelt hatten, war der politische Spielraum Polens gegenüber Deutschland geschrumpft, und Beck ist sich dessen bewusst gewesen. Deshalb dachte er durchaus, wie wir sehen werden, an drastische Alternativen, falls das polnisch-deutsche Verhältnis in die Brüche ginge. Er war keineswegs der Gefangene einer opportunistischen Politik, sondern imstande, rigorose Konsequenzen zu ziehen, sobald er es für notwendig hielt. Und die Notwendigkeit war für ihn gegeben, wenn es um den Bestand Polens und das Ansehen oder – wie er sagte: die Ehre – des polnischen Volkes ging. Solch eine Situation trat im Frühjahr 1939 ein. Seine Parlamentsrede vom 5. Mai 1939, in der er seine

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Siehe unten S. 48. H. Roos, Geschichte, S. 155 f. Das Verhältnis zu Litauen war seit 1920 gestört, weil Polen sich einseitig des Wilnaer Gebietes bemächtigt hatte; das Teschener Gebiet war von Polen, Tschechen und Deutschen bewohnt und 1920 gegen den Willen Polens geteilt worden. 128 Der Kritik an Beck widmet sich ausführlich P. Zychowicz, Pakt Ribbentrop-Beck, S. 24 f., 134 ff. 264 ff.; ferner S. Z˙ erko, Stosunki, S. 492 ff., und H. Roos, Polen, S. 400. Sehr drastisch Bogdan Dopierała, Gdan´ska polityka Józefa Becka. Poznan´ 1967, S. 317 f., der Becks Deutschlandpolitik blind, unfähig und naiv nennt. 127

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kämpferische Einstellung öffentlich bekundete, ist zu einem Dokument in der polnischen Geschichte geworden.129 Doch bevor er auf diesen Höhepunkt seiner nationalen Wirksamkeit gelangte, hat er monatelang daran gearbeitet, das Äußerste zu vermeiden. Dazu gehörte, dass er Hitlers Aggressionslust zu bremsen versuchte, sich um den vertraglichen Ausbau des polnisch-deutschen Verhältnisses bemühte und außerdem eine Annäherung an England anstrebte, um so Polens Stellung zu stärken. Letzteres ist ihm im April 1939 gelungen, aber das brachte Hitler nicht mehr zum Einlenken. Vielmehr schloss dieser den bekannten Pakt mit der Sowjetunion und bereitete damit das Terrain für den Untergang der Republik Polen im September 1939 vor. Davon konnte freilich Anfang 1938 keine Rede sein. Noch stand die deutschpolnische Vereinbarung von 1934 in Kraft und wurde in Warschau als guter politischer Hebel geschätzt. Becks Bereitschaft, sich an der Seite Deutschlands zu halten, beruhte auf der bekannten Ansicht, dass der Nationalsozialismus eine für Polen günstige Richtung verfolge und einem schroffen Antikommunismus huldige, der Polen automatisch aus der Zange der deutsch-russischen Rapallo-Politik befreite. Dessen eingedenk wichen Beck und Rydz-S´migły, wie schon erwähnt, dem Drängen nach Partnerschaft gegen Russland aus, weil sie annahmen, dass Deutschland bei seiner antikommunistischen Linie bleiben werde.130 Eine andere Hypothese dürfte gewesen sein, Deutschland werde seine Politik so weit zügeln, dass es nicht zwischen Russland und den Westmächten in einen Zweifrontenkrieg geriete. 1936 äußerte Beck zum französischen Botschafter, dass er nicht mit politischen Abenteuern Deutschlands rechne, sollte es dennoch dazu kommen, so sei er sicher, dass „die Reaktion sehr kräftig“ sein werde.131 Die Reaktion erwartete er von den Westmächten. Schon im März 1933 hatte Warschau angenommen, dass Deutschland sich durch nationalistische Eskapaden die „Sympathien der westlichen Demokratien“ verscherzen und die gleichen Abwehrkräfte wecken könnte, „die sich einst zur Unterdrückung des ,imperialistischen‘ Vorkriegsdeutschlands zusammengefunden haben“.132 Bekanntlich ließ die westliche Gegenwehr lange auf sich warten. Als Hitler im März 1936 einseitig den Einmarsch in das demilitarisierte Rheinland befahl, begnügte sich Frankreich mit dem Versuch, über den Völkerbund Sanktionen gegen Deutschland zu verhängen. Deshalb verkam Polens Bereitschaft, bei einem militärischen Konflikt seine Beistandspflicht zu erfüllen, zu einer leeren Geste.133 129

Siehe dazu unten S. 57. Siehe oben S. 44. 131 [J. Szembek], Diariusz 2, S. 71 f. (Gespräch vom 4. 2. 1936). 132 ADAP/C, I/1, S. 125: von Moltke an das Auswärtige Amt, 8. 3. 1933. 133 Siehe J. Beck, Dernier rapport, S. 112 ff., 274 f., und A. M. Cienciala, Poland and the Western Powers, S. 26 f. Gegen die Meinung, Beck habe hier Frankreich über seine wahren Ansichten getäuscht – so H. Roos, Polen, S. 235, und M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 283, 288 f. –, spricht die Tatsache, dass Frankreich von vornherein auf eine militärische Reaktion verzichtet hat, siehe dazu PDD 1936, S. 140 f.: Frankowski (aus Paris) an das Außenministerium, 8. 3. 1936 (die französische Regierung beabsichtige nicht, „jetzt mit militärischen 130

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Das Jahr 1937 verstrich ohne offensichtlichen Konflikt, barg aber den Keim künftigen Unheils in sich, nämlich Hitlers Absicht, alsbald gegen Österreich und die Tschechoslowakei aktiv zu werden – eine Absicht, die er am 5. November 1937 in einem vertraulichen Kreise entwickelte und bei der er auch das Verhältnis zu Polen berührte.134 Es kam das Jahr 1938, das Beck viel Anlass bieten sollte, das Verhältnis zu Deutschland neu zu bedenken. Obwohl von außen betrachtet die deutsch-polnischen Beziehungen in den gewohnten Formen verblieben, hat sich für Beck auf der inneren, gedanklichen Ebene einiges bewegt und zwar so sehr, dass er an eine Abkehr von Deutschland dachte, an Krieg, Niederlage und späteren Sieg im Verein mit den Westmächten. Er rechnete also mit schweren Krisen, wusste aber nicht, wann es soweit sein würde. Deshalb blieb er darauf bedacht, die Verbindung mit Deutschland aufrecht zu erhalten. In dieser Absicht begegnete er sich mit Hitler, der seinerseits – wie schon angedeutet – daran interessiert war, bei den Ereignissen, die er 1938 auszulösen gedachte, Polen weiterhin an seiner Seite zu haben. So hielten beide eine Situation aufrecht, die eigentlich immer prekärer wurde. Da Beck mit den kommenden Dingen gerechnet hat, hielt er es für angebracht, sich über das zu Erwartende Klarheit zu verschaffen und in Berlin auf den Busch zu klopfen. Er scheute sich nicht, vorab das Thema Österreich anzutippen, indem er öffentlich daran erinnerte, dass die Existenz Österreichs bereits 1935 durch ein mehrseitiges internationales Abkommen hatte gesichert werden sollen. Das hatten damals Italien und Frankreich vorgeschlagen, doch ihr Vorstoß ist folgenlos geblieben. Dieser Wink mit einem veralteten Projekt war etwas weit hergeholt, sicherte aber Beck in Berlin eine schnelle Zusage, als er sich Anfang Januar 1938 um ein Gespräch mit Außenminister von Neurath bemühte. Zu allem Überfluss hat auch Hitler ihn sprechen wollen, so dass er sich aus berufenem Munde über die politische Stimmung in Berlin orientieren konnte. Sein Eindruck war, dass die österreichische und sudetendeutsche Frage ein „kritisches Stadium erreicht und die Gedanken Hitlers beschlagnahmt“ hätten. Er seinerseits gab zu verstehen, dass sein Hinweis auf Österreich nur eine Anregung hätte sein sollen und Polen „keinerlei politische Interessen in Österreich“ habe.135 Beck entnahm aus alledem, dass die deutsche Außenpolitik sich 1938 beschleunigen würde und die Existenz Österreichs und der Tschechoslowakei fraglich werden könnte. Es lag an ihm zu beurteilen, was das für Polen bedeutete. Wegen der Österreicher und Tschechen machten sich die Polen keine großen Sorgen, aber sie durften sich nicht verhehlen, dass Deutschland durch einen territorialen Zugewinn an Maßnahmen zu reagieren“). Das heißt, Beck hatte richtig vorhergesehen, dass der Bündnisfall für Polen nicht eintreten würde, siehe PDD 1936, S. 131 f., und [J. Szembek], Diariusz 2, S. 72, 94, 403. 134 Vergleiche oben S. 39. 135 J. Beck, Dernier rapport, S. 145 (kritisches Stadium), ähnlich [J. Szembek], Diariusz 4, S. 418 (Eintrag vom 13. 1. 1938); ADAP, Serie D/Bd. 5, S. 33: Aufzeichnung von Neurath, 13. 1. 1938 (keinerlei).

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seiner Südgrenze stärker und als Nachbar anspruchsvoller würde. Die Konsequenzen, die das haben konnte, waren schwer wägbar, und Beck bemühte sich im Sommer 1938, vorbeugende Signale in möglichst viele Richtungen auszusenden, um die Umwelt auf Polens Verhalten im etwaigen Krisenfalle vorzubereiten. Adressaten dieser Signale waren Frankreich und England, aber auch Deutschland und die skandinavischen wie baltischen Staaten, selbst die USA waren in seinem Visier. Aufgeschreckt hat ihn vor allem die sogenannte Maikrise vom 21./22. Mai 1938, die Europa plötzlich in Kriegsgefahr versetzte. Im März war der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich vorausgegangen und das hatte die polnische Regierung dank ihrer Vorkenntnisse gelassen hingenommen. Danach hatte Hitler die sudetendeutsche Frage aufgeworfen, die ob des Bündnisses zwischen der Tschechoslowakei und Frankreich das Potential für eine schwere internationale Krise in sich barg. Diese bedrohliche Dimension blitzte auf, als die Tschechoslowakei am 21. Mai eine Mobilmachung verkündete, weil sie befürchtete, dass ein deutscher Angriff bevorstünde. Damit hat sie Frankreich und England in Unruhe versetzt, und vor allem letzteres sah sich veranlasst, in Berlin eindringlich zum Frieden zu mahnen. Doch der deutsche Außenminister von Ribbentrop wollte sich weder beschwichtigen noch einschüchtern lassen und wertete die englische Intervention als Kriegsdrohung. Er kündigte dem englischen Botschafter an, Deutschland werde dem Krieg nicht ausweichen, und behauptete, Frankreich würde dann die „größte Niederlage … in der Weltgeschichte“ erleiden und England einen Kampf „bis aufs Messer“ erleben.136 Obwohl sich die Aufregung als Fehlalarm erwies, weil Hitler jetzt noch nicht militärisch vorgehen wollte, war sie für den Zustand Europas bezeichnend. Nicht zuletzt wirkte sie sich in Warschau aus. In diesem hitzigen Moment markierte Beck für Polen die Pflicht, die Partei der Westmächte zu ergreifen, sobald es zum Kriege käme. Im engsten Regierungskreise sagte er, dass Polen, wenn wider Erwarten ein Krieg ausbräche, binnen 24 Stunden seine Politik ändern müsse, „denn im Falle eines wirklichen europäischen Krieges gegen Deutschland können wir nicht an der Seite des letzteren sein, nicht einmal indirekt“.137 Da er jedoch bezweifelte, dass Frankreich in der Sudetenfrage tatsächlich kriegsbereit sei, ließ er sich nicht dazu verlocken, seinerseits in Berlin zu Gunsten der Tschechoslowakei zu intervenieren: das hat ihm in Paris und London viel Unmut eingetragen. An dieser Stelle ist es jedoch wichtig festzustellen, dass Beck ein militärisches Zusammengehen mit Deutschland ausschloss und die polnische Politik auf ein Taktieren zwischen den Großmächten ausrichtete, mit der

136 ADAP Serie D/Bd. 2, S. 250: Aufzeichnung von Ribbentrop, 21. 5. 1938. Ausführlich dazu Andreas Krämer, Hitlers Kriegskurs, Appeasement und die „Maikrise“ 1938. Berlin, Boston 2014. 137 J. Beck, Dernier rapport, S. 162 f. Soweit ich sehe, sind bei M. Kornat/M. Wolos, Beck, S. 555 ff., weder die eben zitierte Äußerung Becks, noch seine (hier noch folgenden) Versuche, die Bereitschaft Polens zum Kampf an der Seite der Westmächte anzukündigen, berücksichtigt worden.

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Tendenz, sich im Ernstfalle den Westmächten anzuschließen. Das hat er 1938 mehrfach angedeutet. Beck war mit Blick auf die Tschechoslowakei überzeugt, es sei besser für Polen, dem Verdacht vorzubeugen, dass „wir in irgendeiner Kombination mit Deutschland“ stünden.138. Das war am sichersten zu erreichen, wenn der Zwang zur Parteinahme umgangen und insbesondere Deutschland von einer Eskalation der Lage abgehalten wurde. In diesem Sinne versuchte Beck einige Wochen lang, den Gang der Dinge zu beeinflussen. Es lohnt sich hier, etwas ausführlicher auf Becks Agieren einzugehen, weil sich zeigen lässt, wie geschmeidig er taktierte und wie sehr ihm die deutsche Politik zum Problem wurde. Er wollte die Unruhe, die in Mitteleuropa von Deutschland ausging, mindern, indem er Hitler mittelbar zu verstehen gab, dass ihm und Deutschland eine gefährliche Isolierung drohe, falls Polen einen radikalen Kurswechsel vollziehen würde. Er hoffte, dass Polens Gewicht in Berlin nach wie vor einiges zählte, daran wollte er anknüpfen. Anlässlich der Maikrise wählte er ein verdecktes Verfahren, um ein erstes Signal auszusenden: er lancierte eine fälschliche Nachricht in die englische Presse. Am Montag nach der Maikrise (23. Mai 1938) brachte die Londoner Zeitung Evening Standard auf der Titelseite mehrere Meldungen, die sich auf die Sudetenkrise bezogen und in die eine Passage eingeflochten war, die das deutsch-polnische Verhältnis betraf. Ihr zufolge habe Hitler am Samstag Abend vom deutschen Botschafter in Warschau die Nachricht erhalten, Polens Außenminister Beck habe ihn – den Botschafter – darüber informiert, „dass Polen nicht neutral bleiben könne, falls ein Krieg ganz Europa erfassen sollte“.139 Es war sozusagen die Beschlusslage der polnischen Führung, die auf diesem Wege der Öffentlichkeit serviert wurde, mit andern Worten: eine Indiskretion auf höchstem Niveau. Es ist jedoch zu fragen, ob die Indiskretion wirklich von Beck ausgegangen ist. Der polnische Außenminister war seit dem 22. Mai auf Reisen, um im Sinne seiner ostmitteleuropäischen Pläne tätig zu werden. Das schließt nicht aus, dass er die besagte Meldung noch in Warschau oder unterwegs veranlasst haben könnte. Er dürfte sich dabei eines Kontaktmannes bedient haben, der in eingeweihten Kreisen nicht unbekannt war: eines Journalisten russischer Herkunft, namens Wladimir Poljakow. Er publizierte unter dem Pseudonym Augur und ihm wurde nachgesagt, dass er Kontakte zum polnischen Außenministerium gehabt habe.140 Inwieweit er ein Sprachrohr Becks war, ist un138

[J. Szembek], Diariusz 4, S. 157 (Aufzeichnung vom 22. 5. 1938). Evening Standard, 23. 5. 1938 (Aufmacher auf der Titelseite: „Premier: Czech Situation is somewhat easier“). Die Kenntnis dieses Artikels verdanke ich der freundlichen Vermittlung von Herrn Dr. Michael Schaich (Deutsches Historisches Institut in London). Der Inhalt der Meldung ist auf französisch referiert in DDF 2e serie/vol. 9, S. 883/Anm. 2. 140 Stefania Stanisławska, Wielka i mała polityka Józefa Becka (marzec-maj 1938). Warszawa 1962, S. 188/Anm. 39. Die polnische Botschaft in London tippte auf Poljakow als Autor der Nachricht, siehe [J. Szembek], Diariusz 4, S. 159 (Eintrag vom 23. 5. 1938). Weitere Angaben zu Poljakow/Augur in: W. P. Potjomkin, Geschichte der Diplomatie, Bd. 3/Teil 2. Berlin 1948, S. 284. In der Zeitung wird weder Poljakow noch Augur genannt, da die Meldung redaktionell in einen weiter gefassten Artikel eingearbeitet ist. 139

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bekannt. Auch fehlt es an einem greifbaren Beleg, dass Beck selbst die falsche Information, er habe in besagtem Sinne mit dem deutschen Botschafter gesprochen, herausgegeben hat.141 Aber wer sollte es sonst gewesen sein? Wird die Meldung dem Ausland zugeschrieben, etwa Frankreich oder der Sowjetunion, wäre es schwer zu erklären, wie der Urheber so schnell eine intime Information aus dem Schoße der polnischen Regierung verarbeiten konnte – dass es sich dem Inhalt nach nicht um eine Fiktion, sondern um eine realistische Information handelte, wissen wir bereits. Derselbe Einwand gilt für die denkbare Hypothese, die falsche Nachricht könnte über Berlin gewandert sein, da sie durch den deutschen Botschafter an Hitler vermittelt worden sei und dort vielleicht der Wunsch bestand, die Freundestreue Polens zu testen. Aber wer in Berlin sollte solch einen Einfall gehabt haben? Bleibt also Warschau als Quelle. Da könnten auch Widersacher Becks, denen seine Rücksichtnahme auf Deutschland und Hitler missfiel, tätig geworden sein. Das ist aber unwahrscheinlich, weil sich Beck höchstpersönlich einige Wochen später positiv auf diese Meldung bezogen hat. Am 1. Juli 1938 berichtete der deutsche Botschafter, Beck habe ihm gegenüber die Meldung des Evening Standard als Beweis dafür genannt, dass die internationale Bereitschaft, die Tschechoslowakei zu schützen, sehr gewachsen sei.142 Anders ausgedrückt: Beck hat nochmals davor gewarnt, in der Sudetenfrage eine riskante Politik zu treiben, also die gleiche Tendenz verfolgt, wie mit der Evening Standard-Botschaft. Sein sowohl warnender als auch belehrender Ton ist in Berlin nicht überhört worden, und am Ende der Affäre ließ das Auswärtige Amt in Warschau wissen, es habe Polens Haltung in der Sudetenfrage „gewürdigt“ – kein Wort darüber, in welchem Sinne das geschehen sei.143 Wenn es ein Dank oder Lob war, dann war er denkbar karg. Im Zusammenhang mit der Maikrise ist noch zu erwähnen, dass die polnische Regierung neben der verdeckten Operation über den Evening Standard sich auch offiziös zur Lage geäußert hat. Sie hat dabei ihre Beistandspflicht gegenüber Frankreich anerkannt, aber einschränkend hinzugefügt, sie werde sich nicht in Konflikte hineinziehen lassen, in die Frankreich wegen seiner Bindungen an dritte Staaten geraten könnte. Mit Nachdruck betonte sie, außenpolitisch eine freie Hand zu haben, nicht zuletzt in einem deutsch-tschechischen Konflikt.144 Dasselbe Nebeneinander von grundsätzlicher Bündnistreue und momentaner Handlungsfreiheit hat Beck am 24. Mai bekundet, als er der französischen Regierung seine Sicht auf die 141

Das polnische Außenministerium veranlasste noch am 23. 5. 1938 ein Dementi, siehe [J. Szembek], Diariusz 4, S. 159, das in der Londoner The Times erscheinen sollte. Dort habe ich weder in der digitalisierten, noch in der Mikrofilmwiedergabe einen entsprechenden Text gefunden. In der bisherigen Literatur wird das Dementi als gegeben betrachtet, (Keesings) Archiv der Gegenwart. Wien 1938, S. 3569E meldet es ebenfalls. 142 ADAP Serie D/Bd. 2, S. 358: von Moltke an AA, 1. 7. 1938. Beck habe auch sein Dementi erwähnt, von dem Moltke aber sagte, dass er es nicht kenne. 143 ADAP Serie D/Bd.2, S. 293: Aufzeichnung von Weizsäcker, 31. 5. 1938. 144 Die Stellungnahme gilt als amtlich inspiriert und erschien am 24. 5. 1938 im Illustrowany Kurier Codzienny, hier inhaltlich referiert nach (Keesings) Archiv der Gegenwart. Wien 1938, S. 3572B, und The Times, 25. 5. 1938: „Poland keeping a free hand.“

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Maikrise vermittelte.145 Erkennbar ist also Becks Absicht, in der Hinterhand zu bleiben und sowohl gegenüber Deutschland als auch gegenüber der Tschechoslowakei abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden. Das war taktisch geschickt, konnte aber nicht verheimlichen, dass er nicht die Macht hatte, die herannahenden Entscheidungen zu beeinflussen. Sein Gestus der freien Hand war eng verknüpft mit der Sorge, am Ende eine leere Hand zu haben. Wie zu sehen, hat die deutsch-tschechische Maikrise von 1938 heftig auf das politische Verhalten Becks eingewirkt. Sie hat ihn genötigt, die gewundene Linie, die er in der europäischen Politik verfolgte, gedanklich preiszugeben und die Konfrontation mit Deutschland zu erwägen.146 Da die Spannung vom Mai sich nicht kriegerisch entlud und in das Münchener Abkommen von Ende September 1938 mündete, blieb es ihm vorerst erspart, die Konsequenzen aus seinen Erwägungen zu ziehen. Das polnisch-deutsche Verhältnis setzte sich in den Formen von 1934 fort und dennoch wollte sich Beck nicht mehr darauf verlassen. Stärker als bisher trachtete er danach, eine neue Komponente in die Hand zu bekommen, indem er die Verbindung zu England suchte. Das tat er in Gesprächen mit verschiedenen Partnern, denen er einen Einfluss in London, aber auch in Berlin zutraute, und die er teilweise mit düsteren Andeutungen über die Lage, in die Polen bald geraten könnte, beeindruckte. Er erwartete nämlich einen Konflikt mit Deutschland, in dem sein Land mit allen Kräften kämpfen, aber unterliegen werde. Erst nach Schluss des Krieges, der europäische Ausmaße annehmen und von den Westmächten siegreich beendet würde, werde Polen als Verbündeter der Sieger große Gewinne auf Kosten Deutschlands verbuchen können. Das waren Visionen, die im Sommer 1938 befremdlich anmuten mochten und Becks Glaubwürdigkeit nicht unbedingt erhöhten, aber wie wir wissen, haben sie das bestätigende Siegel der Geschichte erhalten. Becks Versuch, England nachhaltiger für Polens Schicksal zu interessieren, taucht in mehreren Vorgängen auf. Zum einen benutzte er 1938 seinen Sommerurlaub an der Ostsee, um in Gdingen den englischen Marineminister Alfred Duff Cooper zu treffen und ihm begreiflich zu machen, dass Polen im Ernstfalle kampfbereit sei und auf eine Verständigung mit England hoffe.147 Ein anderer Partner, dem er im Sommer 1938 seine Ansichten offenbarte, war der amerikanische Botschafter Drexel Biddle, den er wiederholt in sein Vertrauen zog. Biddle hatte schon vor der Maikrise erfahren, dass

145 Beck an Botschafter Lukasiewicz, 24. 5. 1938, in: [Juliusz Łukasiewicz], Papers and Memoirs of Juliusz Łukasiewicz. New York/London 1970, S. 90 f. 146 Anna Cienciala, The Munich Crisis of 1938. Plans and strategy in Warsaw …, in: Igor Lukes/Erik Goldstein (Hg.), The Munich Crisis 1938. London 1999, S. 60, erkennt bei Beck 1938 die Absicht, in seiner Politik eine radikale Wende vorzubereiten. 147 Duff Cooper an Halifax, 8. 8. 1938, in: Gerd Wehner, Großbritannien und Polen 1938 – 1939. Frankfurt a. M., Bern 1983, S. 111 f. Duff Cooper fand Becks Gesprächsführung als „extrem kraus“, „weitschweifig“ und „ins Allgemeine“ abgleitend. Zu Becks Englandpolitik ferner M. Kornat, Polityka zagraniczna, S. 305 – 320.

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Beck sich vorzugsweise enge Beziehungen zu England wünschte.148 Mitte 1938 war er auf Grund des Gehörten überzeugt, dass Polen an der Seite Englands und Frankreichs gegen Deutschland kämpfen würde und dass vor allem wegen der deutschen Ambitionen in der Ukraine eine militärische Konfrontation drohe. Beck fürchtete nämlich die geopolitischen Nachteile an Polens Südostgrenze, die drohten, wenn Deutschland eine starke Position in der Ukraine erhielte.149 Wenn es zu solch einem Kampf käme, rechnete Beck zunächst mit einer Niederlage gegen Deutschland, aber im Rahmen des europäischen Krieges, der zu erwarten sei, werde Polen auf der Seite der Sieger England und Frankreich sein. Biddle nahm diese Prognose als Beleg für die polnische Neigung „of picking the winning horse“, aber solch ein Urteil verkennt, dass der Einsatz bei dieser Wette sehr hoch gewesen wäre: ein verlorener Krieg und ein Strom an Blut und Tränen. An diesem Punkt war es weniger Opportunismus, dem Beck gefolgt wäre, als vielmehr Fatalismus. Es gab noch einen Dritten, dem sich Beck 1938 anvertraute, nämlich den Schweizer Carl Jacob Burckhardt, der als Kommissar des Völkerbundes für die Freie Stadt Danzig fungierte. Auf einer Schiffsfahrt in der Danziger Bucht hat ihm Beck ausführlich dargelegt, dass er bereit sei, mit Hitler über die beiderseitigen Beziehungen zu verhandeln. Jedoch müsse dieser sich bewusst sein, „welchem Potential“ er gegenüberstünde: Frankreich werde Polen militärisch beistehen, Russland werde ebenfalls nicht gestatten, dass Deutschland in Polen eindringt, und die öffentliche Meinung in England sei antideutsch gestimmt, für Deutschland werde „bald der Moment gekommen sein …, an dem es gilt einzuhalten“, denn einen Zweifrontenkrieg könne Hitler nicht führen.150 Es liegt nahe, dass Beck darauf rechnete, Burckhardt werde sein Lagebild in Berlin mitteilen und der deutschen Regierung raten, ihren Kurs in der Sudetenfrage zu mäßigen.151 Tatsächlich hat Burckhardt Ende 1938 gegenüber Außenminister von Ribbentrop Becks Botschaft an den Mann gebracht. In einem längeren Gespräch über politische Fragen meinte Ribbentrop etwas von oben herab, die Polen würden im Ernstfalle ebenso wenig wie die Tschechen willens sein zu kämpfen, woraufhin ihm Burckhardt widersprach und sagte, sie „werden marschieren“, denn sie seien kriegsbereit und verlangten gewissermaßen nach dem Schlachtfeld.152 Obwohl er die Entschlossenheit der Polen zum Widerstand 148 Philipp V. Cannistraro/Edward Wynot/Theodore P. Kovaleff (Hg.), Poland and the coming of the Second World War. The Diplomatic Papers of A. J. Drexel Biddle jr., United Staates Ambassador to Poland, 1937 – 1939. Columbus 1976, S. 17: Biddle an Roosevelt, 10. 12. 1937. 149 Ph. Cannistraro u. a. (Hg.), Poland, S. 221, 212 f.: Biddle, „Streamless observations …“, 19. 6. 1938. 150 Carl Jacob Burckhardt, Meine Danziger Mission 1937 – 1939. München 1980, S. 163 f.: Burckhardt an Walters, 20. 8. 1938. Die Begegnung mit Beck fand am 23. 7. 1938 statt. 151 Burckhardts Bereitschaft, vermittelnd tätig zu werden, bestätigen zwei Schriftstücke aus den deutschen Akten, siehe ADAP Serie D/Bd. 5, S. 58, 110: Generalkonsul in Danzig an AA, 18. 7. 1938, und Vermerk Böttcher, 21. 11. 1938. 152 Burckhardt an Walters, 20. 12. 1938, in: [Michael Freund, Hg.], Geschichte des Zweiten Weltkrieges in Dokumenten, [Bd.] 1. Freiburg, München 1953, S. 401. Burckhardts Brief ist vollständig abgedruckt in: Documents on British Foreign Policy, 3rd series, vol. III, S. 657 ff.

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richtig beurteilt hat, betrachtete er ihren Mut skeptisch: sie seien unbedacht und verwegen genug, einen Krieg gegen Deutschland zu riskieren, und rechneten dabei mit einer „unvermeidlichen deutschen Katastrophe“, bei der „man für Polen auf den höchsten Gewinn hofft“, nämlich auf Ostpreußen, Schlesien und Pommern. Selbst Beck betreibe ein doppeltes Spiel und bemühe sich, „die Deutschen ganz methodisch in ihren Fehlern zu bestärken“.153 Anders ausgedrückt: Becks Haltung gegenüber Deutschland war für Burckhardt trügerisch und die Haltung der Polen insgesamt eher friedensgefährdend als friedensfördernd. Aufs Ganze gesehen war er damit im Unrecht, weil die treibende Kraft in den politischen Eskalationen jener Jahre nicht Polen, sondern Hitler beziehungsweise Deutschland war. Allerdings sollten wir Burckhardts Unmut über die expansionistischen Gelüste der Polen nicht einfach ignorieren. Es gab damals nicht wenige Polen, die in nationalistischen Begehrlichkeiten schwelgten und die daran dachten, „das Staatsterritorium Polens zu erweitern“; sie sahen „die Oder als westliche und Königsberg und die Ostsee als die nördliche Grenze“.154 Solche Eroberungspläne waren nicht dazu angetan, in krisenhaften Zeiten die Gegensätze zu verringern, aber war Polen überhaupt in der Lage, derartige Ziele aus eigenen Kräften zu erreichen? Das Land, welches 1938 nach Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs gerade eine bessere Konjunktur erreicht hatte, litt unter großen strukturellen Defiziten, war in sozioökonomischer Hinsicht sehr inhomogen und kämpfte mit nationalen und sozialen Gegensätzen – unter diesen Umständen fehlte ihm die Stoßkraft für einen Eroberungskrieg vollständig.155 Wer meint, Beck habe 1938 oder 1939 in solchen Kategorien gedacht oder Deutschland gar provozieren wollen, irrt sich. Beck kam es darauf an, seinem Land den Spielraum zwischen Deutschland und Russland zu erhalten, und wenn das nicht mehr möglich sein sollte, die „Ehre“ seines Volkes durch bewaffneten Widerstand zu wahren.

153 C. J. Burckhardt, Mission, S. 156 f. Für Stefan Scheil, Polen 1939. Kriegskalkül, Vorbereitung, Vollzug. Schnellroda 2013, S. 56, und ders., Ribbentrop oder die Verlockung des nationalen Aufbruchs. Berlin 2013, S. 273 f., ist Burckhardts Aussage ein Anhaltspunkt dafür, dass Beck seit 1932 ein Eroberungsprogramm gegenüber Deutschland verfolgt und 1938/39 realisiert habe – eine abwegige Ansicht, die die Verantwortung für den September 1939 nicht Deutschland, sondern Polen zuschieben will. 154 H. Olszewski, Der Nationalsozialismus, S. 549. Ferner Janusz Farys´, Niemcy w polskiej mys´li politycznej 1938 – 1939, in: Stanisław Sierpuchowski (Hg.), Niemcy w polityce mie˛ dzynarodowej 1919 – 1939. t. IV. Poznan´ 1992, S. 397 ff. Weitere Auskunft über die polnischen Ansprüche auf eine Grenze an der Oder und Ostseeküste in J. Piskorski (Hg.), Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung. In Parallele dazu sei erwähnt, dass Hitler Ende März 1939 seinen Wehrmachtsoffizieren sagte, er denke daran, „eine vom Ostrand Ostpreußens bis zur Ostspitze Schlesiens vorgeschobene Grenze“ zu schaffen, er wollte also etwa ein Drittel des polnischen Staatsgebietes annektieren, siehe Weisung Hitlers an den Oberbefehlshaber der Wehrmacht, 25. 3. 1939, in: Rudi Goguel (Hg.), Polen, Deutschland und die Oder-NeißeGrenze. Berlin 1959, S. 64. 155 Zur innenpolitischen Entwicklung Polens in den 1930er Jahren siehe W. Borodziej, Geschichte, S. 176 – 186.

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Obwohl die fatalistischen Momente in Becks Gedanken, wie wir sie eben kennengelernt haben, unübersehbar sind, wäre es falsch, daraus eine unschlüssige Politik abzuleiten. Dazu gab es keinen Anlass. Beck setzte darauf, dass die Signale polnischer Kampfbereitschaft, die er aussandte, Hitler vom Äußersten, nämlich vom Zweifrontenkrieg zwischen Polen und den Westmächten, abhalten würden. Er traute sich also einigen Einfluss auf Hitlers Entschlüsse zu und hat es sich stets angelegen sein lassen, aus dem besonderen Verhältnis zu Deutschland für sein eigenes Land Vorteile zu ziehen. Gewiss, er ist nicht deutschfreundlich eingestellt gewesen, sondern hat in der Annäherung an die Westmächte die ultima ratio seiner Politik gesehen.156 Doch solange Frankreich und England den deutschen Revisionismus duldeten, hielt er sich an der Seite Deutschlands und wollte im Einvernehmen mit ihm recht pragmatische, konstruktive Ziele erreichen. In diesem Sinne erwog er bereits 1936, verschiedene polnisch-deutsche Streitfragen „auf dem Wege eines ,einheitlichen großen Ausgleichs‘“ zu regeln, das heißt eine umfassende Befriedigung der polnischen Interessen zu erreichen.157 Dieser Faden ließ sich damals nicht sogleich anspinnen, weil die öffentliche Meinung Polens nach der Rheinlandaffäre von 1936 kritisch auf die deutsche Politik reagierte und im Warschauer Außenministerium die Sorge wuchs, eine Politik zu vertreten, die im Lande „von unten desavouiert“ werde.158 So dauerte es bis 1938, ehe Beck einen dreiteiligen Katalog aufstellte, der den „großen Ausgleich“ bringen sollte. Dabei handelte es sich um eine Verständigung über Danzig, eine deutsche Erklärung über die polnische Grenze und eine Verlängerung des Januar-Abkommens von 1934, also eine Fortsetzung des Gewaltverzichts über 1944 hinaus.159 Darüber war schon andeutungsweise zwischen Warschau und Berlin gesprochen worden, doch gerade in der Grenzfrage taktierte Beck vorsichtig. Er wollte Hitler den Vortritt lassen und bemerkte Ende Mai 1938, Hitler bewege sich gegenüber Polen in Etappen und „werde schrittweise immer deutlicher“160, das heißt, er rechnete mit neuen Angeboten – oder Geboten. Erst im Spätsommer 1938 bewogen ihn die Turbulenzen der Sudetenkrise, offener aufzutreten und etwas Druck in Berlin auszuüben. Er hielt den Botschafter an, mutig vorzugehen, „viel stärker als in normalen Verhandlungen“! Er meinte, die deutsche Position sei nicht allzu stark und 156 Bereits 1933 hieß es: Beck „ist nicht prodeutsch und er wird es niemals sein“, siehe Rudolf Herrnstadt, Becks Tonfall, in: Berliner Tageblatt, 4. 11. 1933. 157 [J. Szembek], Diariusz 2, S. 65 (Gespräch vom 1. 2. 1936). Das deutsche Wort „Ausgleich“ im polnischen Text. 158 [J. Szembek], Diariusz 3, S. 74 (aus einem Gespräch mit Beck, 12. 4. 1937). 1938 bestätigte der deutsche Botschafter, dass aus seiner Sicht die Stimmung in Polen „niemals befriedigend“ gewesen sei und die Erwartungen von 1934 enttäuscht habe, siehe ADAP/D, V, S. 63: von Moltke an das Auswärtige Amt, 2. 9. 1938. 159 [Jósef Lipski], Papers and Memoirs. New York, London 1968, S. 403 f. (Lipski an Beck, 16. 9. 1938), 407 (Beck an Lipski, 19. 9. 1938); polnischer Wortlaut PDD 1938, S. 489 ff., 509 f. Zur Entstehung des Katalogs siehe M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 406 f., 411 f., 437; ferner S. Z˙ erko, Stosunki, S. 78 (und öfters); außerdem J. Beck, Dernier rapport, S. 149. 160 [J. Szembek], Diariusz 4, S. 171 (Gespräch mit Beck, 30. 5. 1938).

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lasse Raum dafür, „unsere Bedingungen standhaft aufzustellen“.161 Das waren markige Worte. Doch Beck verfügte über keinen Trumpf in diesem Spiel gegen Hitler, nicht zuletzt, weil er Deutschland brauchte, um seine Teschener Beute einsammeln zu können.162 Wie Berlin die Dinge sah, brachte Göring zum Ausdruck, der nach der Münchener Konferenz vergnügt sagte, Polen werde wohl aus der veränderten Situation die Konsequenzen ziehen und „seine Allianz mit Frankreich für eine Allianz mit Deutschland“ eintauschen.163 Nicht Deutschland wollte Bedingungen erfüllen, sondern Polen sollte es tun. Die Politik der deutsch-polnischen Freundschaft erreichte ihr kritisches Endstadium. Was Göring angekündigt hatte, trat bald ein. Polen wurde aufgefordert, sich fester auf die Seite Deutschlands zu stellen. Am 24. Oktober 1938 legte Reichsaußenminister von Ribbentrop in acht Punkten ein Programm zur „Generalbereinigung aller bestehenden Reibungsmöglichkeiten“ vor.164 An erster Stelle stand Danzig, das zum Deutschen Reich zurückkehren sollte, an zweiter Stelle sollte Deutschland exterritoriale Bahn- und Straßenlinien (nach Ostpreußen) im Korridor erhalten und Polen entsprechendes auf Danziger Gebiet zum Hafen, des weiteren würden beide Staaten ihre gemeinsamen Grenzen anerkennen und die Januar-Erklärung von 1934 auf 25 Jahre verlängern sowie um eine Konsultationsklausel erweitern, schließlich sollte Polen dem Antikominternvertrag beitreten. Aus deutscher Sicht waren die Forderungen ebenso maßvoll wie geschickt gewählt, weil sie an die polnischen Wünsche – Danzig, Grenzgarantie, Dauer der Januar-Erklärung – anknüpften und somit eine laufende Diskussion fortsetzten. Neu war allenfalls der deutsche Vorschlag einer Konsultativklausel, die zu einer engeren außenpolitischen Zusammenarbeit führen sollte, und das dezidierte Verlangen nach den exterritorialen Verkehrswegen im Korridor. Überraschend ist dagegen, dass ein förmliches Bündnis nicht erwähnt wurde, wohl ein Zeichen dafür, dass es Hitler jetzt noch nicht auf einen Feldzug gegen Russland ankam.165 Der Antikominternvertrag war mehr auf symbolisches als auf tätiges Handeln angelegt und eine Zusage zu Konsultationen hätte in erster Linie 161 [J. Lipski], Papers, S. 407 (stärker); M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 469, 471; M. Kornat/M. Wolos, Beck, S. 602; Peter Raina, Stosunki polsko-niemieckie 1937 – 1939. London 1975, S. 33 (Beck an Lipski, 18. 9. 1938/Bedingungen). Die letztere Bemerkung bezog Beck auf die deutsche Judenpolitik, die auch polnische Juden in Deutschland bedrohte. 162 Becks vergebliches Bemühen, 1938 deutsche Konzessionen zu erlangen, betont A. M. Cienciala, Poland and the Western Powers, S. 105 f., 112 f., 118 f. Für M. Kornat/ M. Wolos, Beck, S. 602, endete es in einem „Fiasko“. 163 [J. Lipski], Papers, S. 438 (Lipski an Beck, 1. 10. 1938). Siehe ADAP/D, V, S. 127/ Anm. 3: Aufzeichnung von Bismarck [2. 1. 1939], wonach Deutschland für Polen „heute die einzige Macht in Europa sei, an die es sich anlehnen könne“. 164 F. Kießling (Hg.), Quellen, S. 220 ff. (Zitat S. 222). M. Wojciechowski, Beziehungen, S. 546, erwähnt, dass die deutschen Vorschläge an die vorherigen polnischen Initiativen anknüpften. 165 Es genügte Hitler in diesem Moment, sich im geplanten Kampf mit Frankreich Polens wohlwollende Neutralität zu sichern, siehe dazu aus der Sicht Ribbentrops Wolfgang Michalka, Ribbentrop und die deutsche Weltpolitik. München 1980, S. 276 f.

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den diplomatischen Verkehr, nicht die militärische Kooperation betroffen. Trotzdem hat Polen Ribbentrops Angebot nach einigem Zögern abgelehnt, vor allem wegen der territorialen Konsequenzen (Danzig, Verkehrskorridore) und der Gefahren für die eigene politische Selbstständigkeit – es drohte eine ungleiche Partnerschaft, eine societas leonina. Dem setzte Warschau eine Politik des in principiis obsta entgegen.166 Das Konzept der Generalbereinigung war, verglichen mit Hitlers Vorgehen gegen Österreich oder die Tschechoslowakei, gemäßigt und auf eine freundschaftliche Verständigung berechnet. Hitler war weiterhin daran interessiert, bei seinen nächsten außenpolitischen Schritten Polen an seiner Seite zu haben und wollte das mit einer Art bevorzugter Partnerschaft erkaufen, zum Beispiel durch Verzicht auf große Grenzveränderungen. Doch wie vertrauenswürdig war sein Vorgehen? Die polnischen Politiker fanden, dass zwei empfindliche Linien ihrer Staatsräson berührt waren: die territoriale Integrität und die unabhängige Stellung zwischen Deutschland und Russland, das heißt, sie sahen die Souveränität Polens bedroht. Die Staatsgrenzen unter Einschluss der Position in Danzig galten ihnen als unverhandelbar und nicht minder hochrangig war das Prinzip der Ungebundenheit zwischen den großen Nachbarn: nur so sei die Gefahr zu vermeiden, „dass sich auf polnischem Boden der Konflikt zwischen den Repräsentanten der beiden Weltanschauungen entfaltet“.167 Stimmen, die zum Einlenken gegenüber Deutschland mahnten, waren sehr selten und wurden wie im Fall Studnicki zum Schweigen gebracht. Polen fürchtete, auf die Bahn zum Vasallentum gezwungen zu werden, und entschloss sich im Januar 1939, nachdem Beck im engsten Warschauer Führungskreis über seine Gespräche mit Hitler und Ribbentrop berichtet hatte, zum Widerstand.168 Nachdem die Warschauer Regierung sich überzeugt hatte, dass Deutschland seine Forderungen aufrecht erhielt – das geschah im März 1939 nach der Umwandlung der Tschechoslowakei in das deutsche Protektorat Böhmen und Mähren –, hat sie eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie sich jeder gewaltsamen Zumutung widersetzen werde, eine Teilmobilmachung am 23. März 1939 bekräftigte das. Außerdem hat sie wiederholt erklärt, für Polens Souveränität kämpfen zu wollen. Eine häufige Re-

166 Ich lasse es auf sich beruhen, ob Beck in der Danzig-Frage nach Konzessionen gesucht hat – siehe G. L. Weinberg, Foreign Policy II, S. 193, 501 f. – und ob er in Sachen Verkehrskorridore Kompromisse für möglich hielt – siehe S. Z´erko, Stosunki, S. 148 ff., 262 f.; M. Kornat, Polen, S. 159 ff., 169 f.; P. Zychowicz, Pakt Ribbentrop-Beck, S. 205 ff. –, denn es kam nicht zu konkreten Angeboten, auch war Deutschland kaum willens einzulenken. Im übrigen ist zu erwähnen, dass die Tschechoslowakei am 19. 11. 1938 eine exterritoriale Autobahn auf der Strecke Breslau-Brünn-Wien zugestanden hat, was aber ihren Untergang nicht verhindert hat, siehe M. Domarus, Hitler II, S. 1044. 167 [J. Szembek], Diariusz 2, S. 221 (Beck am 15. 6. 1936). 168 J. Beck, Dernier rapport, S. 183 f. (vermutlich am 8. 1. 1938), sowie PDD 1939/1, S. 204 f.: (Dienstliche) Bekundung Becks, 24. 3. 1939. Bekräftigend im Sinne Becks M. Kornat, Polen, S. 158, 166. Zu den Warnungen Studnickis und der Reaktion der Regierung darauf siehe St. Z˙ erko, Stosunki, S. 386 ff., und P. Zychowicz, Pakt Ribbentrop-Beck, S. 323 ff.

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densart war: „Wir sind keine Tschechen“.169 Recht beliebt war die Warnung vor dem polnischen Nationalcharakter. „Die Polen sind ein Volk, das zu allem bereit ist“, belehrte Szembek den deutschen Botschafter, „keine Bedenken werden uns abhalten, plötzlich radikale Mittel zu ergreifen“.170 Den Hintergrund solch eines furor polonicus bildete das ebenso häufig angesprochene Ehrgefühl. Ihm verlieh Beck am 5. Mai 1939 im Parlament Ausdruck, als er unter stürmischem Beifall sagte: Polen wolle keinen Frieden um jeden Preis, denn „im Leben der Menschen, Völker und Staaten [gebe es] nur eine Sache, die unschätzbar ist: das ist die Ehre!“171 Kalkül und Pathos gingen Hand in Hand. Das Kalkül war dazu bestimmt, den Deutschen den Krieg als Konsequenz ihres Vorgehens anzukündigen, und das Pathos diente dazu, in jedem Polen das Gefühl zu wecken, dass es um das Höchste und Letzte gehen werde. Wie wir wissen, entkräftete Hitler im August 1939 das Kalkül Becks durch den Vertrag mit Moskau, und in der nun militärisch hoffnungslos gewordenen Lage blieb den Polen tatsächlich nur noch das Pathos der Ehre. Der Widerstand, mit dem Polen dem Vorschlag einer Generalbereinigung begegnete, stieß in Deutschland auf unterschiedliche Reaktionen. Einige fühlten sich bestätigt. Der deutsche Botschaftsrat in Warschau hatte schon Ende 1938 gemeint, dass die „Voraussetzungen für eine wirklich freundschaftliche Annäherung zwischen Polen und Deutschen … nicht vorhanden sind“. Andere waren erleichtert, dass die gekünstelte Freundschaft ein Ende hatte. Der Generalstabschef bekannte, ihm sei darob „ein Stein vom Herzen gefallen“.172 Aber Hitler dachte keineswegs ebenso. Er hatte gehofft, die Polen würden den deutschen Vorschlag annehmen, und er hat lange, bis in den März 1939, mit dieser Möglichkeit gerechnet. Über Monate hielt er die Angelegenheit in der Schwebe. Dem Besuch, den ihm Beck am 5. Januar 1939 machte, gab er eine freundliche Note: „der Reichskanzler empfing den polnischen Minister mit großen Ehren, war höflich, sogar entgegenkommend.“173 Noch am 21. März 1939 ließ er mitteilen, er sei verwundert, weshalb Polen nicht auf sein 169 S. Z´erko, Stosunki,, S. 206. Auf eine ausführliche Darstellung der Krise in den deutschpolnischen Beziehungen 1938/39 wird hier verzichtet; das Erforderliche ist bei S. Z´erko und G. L. Weinberg, Foreign Policy II, sowie Hermann Graml, Europas Weg in den Krieg. München 1990, zu finden. 170 [J. Szembek], Diariusz 4, S. 489 (Gespräch am 6. 2. 1939). In anderem Zusammenhang hieß es sogar: „Unser größter Trumpf ist unbestreitbar unsere Unberechenbarkeit“ und das Wissen im Ausland, „dass wir jede Art von Verwirrung stiften können“ ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, a.a.O., S. 487 (Poklewski-Koziełło, 4. 2. 1939). 171 Zitiert nach Gazeta Polska, 6. 5. 1939 (deutsche Übersetzung in: Bundesarchiv Berlin NS 5 VI Nr. 39620). Die „Wahrung der Ehre“ (salwowanie honoru) war für Beck ein wichtiger Gesichtspunkt, Nachgeben gegenüber Deutschland war ihm Politik „ohne Wahrung der Ehre“, siehe S. Z˙ erko, Stosunki, S. 264. P. Zychowicz, Pakt Ribbentrop-Beck, S. 275, sieht in Becks Verweis auf die Ehre einen Sieg der Phrase über den Verstand. 172 AA/PA Warschau 202: von Wühlisch an das Auswärtige Amt, 28. 11. 1938 (das Zitat ist aus dem Konzept des Berichts; in der Reinschrift ist „nicht vorhanden“ durch „schwer herzustellen“ ersetzt); Christian Hartmann/Sergej Slutsch, Franz Halder und die Kriegsvorbereitungen im Frühjahr 1939, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45 (1997), S. 482 f. 173 H. Jackiewicz, Polska, S. 113.

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Angebot eingehe und statt dessen die Beziehungen verschlechtere.174 Scheinbar geduldig wartete er auf ein Einlenken und verzichtete auf Gewaltakte, um – wie es hieß – „Polen nicht dadurch in die Arme Englands [zu] treiben.“ Doch seine Duldsamkeit war nun nur noch taktisch gemeint. Im Hintergrund stand seine Absicht, zu gegebener Zeit „die polnische Frage zu lösen“ und dabei Polen so niederzuschlagen, „dass es in den nächsten Jahrzehnten als politischer Faktor nicht mehr in Rechnung gestellt zu werden brauchte“.175 Vorüber war die Zeit, da er darauf spekuliert hatte, dass es in Polen, zumindest in der Regierung, eine Bereitschaft gäbe, den Schulterschluss mit Deutschland zu vollziehen; vorhandenen Widerstand hatte er geglaubt, überwinden zu können: „Zur gegebenen Zeit würde er die Polen schon sturmreif schießen“, sagte er am 1. Oktober 1938.176 Doch das ist ihm misslungen und am Ende stand nicht die deutsch-polnische Generalbereinigung, sondern der englisch-polnische Beistandspakt vom 6. April 1939. Hitlers Reaktion war trotzig. Am 28. April 1939 kündigte er in öffentlicher Rede die Januar-Erklärung von 1934 auf, nicht ohne abermals die „mir unverständliche Haltung der polnischen Regierung“ zu bedauern.177 Ein letztes Mal ließ er seine Verständigungsbereitschaft und seine Verehrung Piłsudskis anklingen. Sein Ton wirkte ruhig, aber entschieden. Seit Anfang April hatte die Wehrmacht den Auftrag, am 1. September 1939 bereit zum Angriff auf Polen zu sein.178 Hitler brauchte also die Zeit von Oktober 1938 bis April 1939, um sich endgültig von der Idee zu trennen, seine Expansionspolitik im Bunde mit Polen zu treiben. Ein ähnlicher Lernprozess lässt sich in Warschau, vor allem bei Beck, beobachten. Bekanntlich hatten Piłsudski und seine Anhänger eine gewisse Vorliebe für den Nationalsozialismus und Hitler entwickelt. Sie hielt bis in den Winter 1938/39 an, obwohl Beck spätestens seit der Sudetenkrise ahnte, dass Hitlers Politik für Polen wachsende Risiken barg. Das Programm der Generalbereinigung wurde Ribbentrop, nicht Hitler zur Last gelegt – allerdings unberechtigterweise, denn Hitler hatte es genehmigt.179 Beck hoffte, dass Hitler nicht darauf aus sei, „Schwierigkeiten in den polnisch-deutschen Beziehungen zu schaffen“, und dass es ihm – Beck – gelingen könne, die Linie des Vertrages von 1934 wieder aufzufrischen.180 Sein Damaskus erlebte er Anfang 1939 in Berchtesgaden. Der Besuch bei Hitler, der in so freund174

ADAP/D, VI, S. 59 (Gespräch Ribbentrop – Lipski, 21. 3. 1939). Beide Zitate in seiner Weisung an den Oberbefehlshaber der Wehrmacht vom 25. 3. 1939, siehe oben Anm. 154. 176 H. von Kotze (Hg.), Heeresadjutant, S. 40. 177 F. Kießling (Hg.), Quellen, S. 269 (Hitler im Deutschen Reichstag). Die Kündigung war Polen am 27. 4. 1939 förmlich mitgeteilt worden. 178 ADAP/D, VI, S. 154, 186 ff. (Weisungen Keitels vom 3.4. und Hitlers vom 11. 4. 1939). 179 [J. Lipski], Diplomat, S. 467: Lipski an Beck, 19. 11. 1938, entsprechend [J. Szembek], Diariusz 4, S. 359: Gespräch Szembek-Lipski, 22. 11. 1938. Über Hitlers Einverständnis siehe G. L. Weinberg, Foreign Policy II, S. 481 f. 180 [J. Szembek], Diariusz 4, S. 357, 376 f.: Gespräche Beck-Szembek, 18.11.(Zitat) und 7. 12. 1938. 175

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lichen Formen verlief, belehrte ihn darüber, dass die Generalbereinigung ganz im Sinne des Führers war. Gereizter Stimmung kehrte er nach Warschau zurück. Bisher hatte ihm Hitler als ein „Beispiel für Vernunft in der Außenpolitik“ gegolten, doch nun stellte er „einen gefährlichen Wandel bei diesem Menschen“ fest, er habe die „Merkmale der Berechenbarkeit verloren, die er bisher sogar in schwierigen Fragen besessen“ habe.181 Er antwortete darauf mit einer offenen Hinwendung zu den Westmächten und das lag in der Konsequenz der Präventivkriegspläne von 1932/33 sowie der Anerbietungen an Frankreich von 1936. So gesehen gab es bei Beck ein durchgängiges Denkmuster, das auf die Westmächte gerichtet war.182 Ende März 1939 traf er auf das Entgegenkommen Englands, das ob des deutschen Vorgehens in Prag alarmiert und ernüchtert war: am 15. März hatte Hitler die Auflösung der tschechoslowakischen Republik erzwungen und das deutsch beherrschte Protektorat Böhmen und Mähren errichtet. London sagte daraufhin Polen seinen förmlichen Schutz zu, was Beck als großen Erfolg empfand. Aber de facto hat er damit sein Land unwiderruflich in die deutsche Schusslinie gebracht. Wenn Hitler 1939 entschlossen war, seinen Krieg um Lebensraum zu beginnen – und dafür spricht vieles –, dann mussten sich Deutschlands Nachbarn fragen, wer von ihnen als erster angegriffen würde. Hitlers Blick war zunächst auf Frankreich gerichtet, und dementsprechend enthielt das Angebot einer Generalbereinigung für Polen die Gewähr, dass es nicht angegriffen werden sollte. Der Entschluss der Warschauer Regierung, das Angebot auszuschlagen, veranlasste Hitler, die erste Etappe des Zweiten Weltkrieges nicht gegen Frankreich, sondern gegen Polen zu eröffnen. Ob das Land die Kriegs- und Besatzungsgräuel, die es seit dem September 1939 ertragen musste, hätte vermeiden können, wenn es sich dem Gebot Hitlers gefügt hätte, ist eine hypothetische Frage, die auf das Gebiet einer Geschichte des „Was wäre, wenn?“ hinüberführt.183 Polens Gründe, sich anders zu entscheiden, waren mutig und ehrenhaft, in größerer historischer Perspektive sogar richtig, da es sinnvoll war, dem Expansionsstreben Deutschlands Widerstand zu leisten.

181 [J. Szembek], Diariusz 4, S. 465: Gespräch Szembek-Lubien´ski, 8. 1. 1939 (gereizte Stimmung), und PDD 1939/1, S. 204: Beck am 24. 3. 1939 (Berechenbarkeit); S. Z˙ erko, Stosunki, S. 349: Beck an Wieniawa-Długoszowski, 10. 5. 1939 (Vernunft etc.). 182 Selbst der Beck-Kritiker P. Zychowicz, Pakt Ribbentrop-Beck, S. 84, räumt ein, das Bündnis mit den Westmächten sei richtig gewesen, hätte allerdings erst während des Krieges kommen sollen, um Polen die Rolle des ersten deutschen Angriffsziels zu ersparen. 183 Dieser kontrafaktischen Geschichtsbetrachtung widmet sich in extenso P. Zychowicz, Pakt Ribbentrop-Beck. Er plädiert für die Annahme des deutschen Angebots und leitet daraus große Erfolgsaussichten für Polen während des Krieges ab. Das ist weitgehend spekulativ, hat aber die Wahrscheinlichkeit für sich, dass es unter dem Dach einer deutsch-polnischen Generalbereinigung nicht den deutsch-russischen Vertrag vom August 1939 und nicht den deutschen Angriff am 1. 9. 1939 gegeben hätte, also die polnische Katastrophe des Herbstes 1939 so nicht eingetreten wäre.

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Es bietet sich an, das polnische Verhalten von 1939 unter ein Urteil Leopold Rankes zu stellen: „Gewiss klug ist das nicht, aber es ist groß.“184 Das meint, dass historische Größe nicht immer mit menschlicher Klugheit einhergeht, dass sie aber trotzdem unsere Anerkennung verdient. So betrachtet ist die Kritik, die einige Historiker an der Politik, die Polen vor dem September 1939 betrieben hat, etwas engherzig, weil sie gedanklich mit Auswegen spielt, die es angesichts der Entschlossenheit Hitlers, den Krieg um Deutschlands Lebensraum zu eröffnen, nicht gab. Es ist wohl richtig, dass Polen seit Anfang Januar und verstärkt seit Mitte März 1939 sich dafür entschieden hatte, gegenüber den deutschen Forderungen unnachgiebig zu bleiben oder, wie Beck sagte, ihnen „unser non possumus“ entgegenzusetzen.185 Die Beharrlichkeit, mit der Beck das bis zum Ende tat, ist ihm oft zum Nachteil angerechnet worden. Deutsche Historiker haben bei ihm „grandiosen Starrsinn“ gesehen, aus dem heraus er „hochmütig abweisend“ den Tod als „Polens einzige Idee“ entwickelt habe.186 Er habe sich aus „hochfahrendem Stolz“ in einer „eigensinnig kompromisslosen Haltung“ verfangen und seinen politischen „Wirklichkeitsverlust … mit kaltem Todesmut“ kompensiert.187 Auch von englischer Seite wurde ihm vorgeworfen, „mit herausfordernder Festigkeit“ ein hohes Risiko gewagt und „va banque“ gespielt zu haben.188 Das verborgene Ansinnen in diesen Urteilen ist, dass Polen 1939 mehr hätte tun sollen, um Hitler vom Kriege abzuhalten. Doch die Aussicht auf Erfolg wäre gering gewesen und Polens Politik ist angesichts des Schicksals der Tschechoslowakei verständlich. Es ist daran zu erinnern, dass die deutsche Regierung entschlossen war, sich so oder so aus eigener Initiative einen Anlass für den Krieg zu verschaffen. Im Sommer 1939 liefen die Vorbereitungen für angebliche Grenzverletzungen, die den Polen angelastet werden sollten. Bekannt ist der sogenannte Überfall auf den deutschen Sender Gleiwitz, der in der Nacht zum 1. September 1939 von der SS in polnischen Uniformen ausgeführt wurde. Weniger bekannt ist, dass die SS auch jenseits der Grenze viele Aktionen geplant hat, bei denen deutscher Besitz auf polnischem Boden beschädigt werden sollte.189 Und ebenfalls bekannt ist, dass Hitler

184 Leopold von Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd. 1. Wiesbaden o. J., S. 528. Das Urteil bezieht sich auf die protestantischen Stände, die 1529 mehr auf Gott als auf politische Bündnisse vertrauen wollten. 185 J. Beck, Rapport, S. 183 f. Die Wendung „non possumus“ wiederholte Beck, verstärkt um die Worte „wir werden uns schlagen“, in seiner (Dienstlichen) Bekundung vom 24. 3. 1939, siehe oben Anm. 168. 186 J. C. Fest, Hitler, S. 808, 822. 187 Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871 – 1945. Darmstadt 1995, S. 679 f. 188 Alan J. P. Taylor, Die Ursprünge des Zweiten Weltkrieges. Gütersloh 1962, S. 322, 324. Als „va banque“ bezeichnet Becks Politik auch St. Z˙ erko, Stosunki, S. 497. 189 Alfred Spieß/Heiner Lichtenstein, Das Unternehmen Tannenberg. Wiesbaden München 1979 (zu Gleiwitz); Edmund Jan Osman´czyk, Dowody prowokacji. (Warszawa) 1951; Karol Marian Pospieszalski, Nazi-Anschläge gegen deutsches Eigentum, in: Polnische Weststudien 2

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sich am 22. August 1939 anheischig machte, den „propagandistischen [!] Anlass zur Auslösung des Krieges geben“ zu können, „gleichgültig, ob glaubhaft“ oder nicht.190 Das heißt, Deutschland wollte unabhängig vom Gang der diplomatischen Geschäfte den Krieg beginnen. Da spielte es eine untergeordnete Rolle, ob Beck starrsinnig, hochmütig und kompromisslos handelte – Hitler war ohnehin zum Kriege entschlossen. Angesichts dieser Situation hatte Beck zwei handfeste und eine vage Möglichkeit: handfest wäre ein Bündnis mit Deutschland oder Russland gewesen, vage dagegen das Bündnis mit Frankreich und England, letzteres allenfalls angereichert durch die Hoffnung, Hitler werde das Risiko eines Zweifrontenkrieges scheuen. Die Alternative Deutschland oder Russland lehnten mehr oder weniger alle Polen ab, weil sie der Loyalität dieser potentiellen Bundesgenossen mit Recht misstrauten, und das Bündnis mit den Westmächten war trügerisch, weil es nur geringen militärischen Schutz verhieß. Das Risiko des geringen Schutzes kannte Beck. Er hat es dennoch sich und seinem Lande aufgebürdet, alles andere war ihm ein „non possumus“ – darin bestand in der Stunde der Not seine Größe. Ob sie auch mit Klugheit gepaart war, mögen die Polen untereinander diskutieren. Uns Deutsche steht es jedenfalls nicht gut an, unserm Nachbarn politische Einfallslosigkeit vorzuwerfen, nachdem wir ihn in eine fatale Zwangslage versetzt hatten. Abschließend ist es als historisch interessant zu bezeichnen, dass Polen und sein Außenminister Beck zweimal nachhaltig auf Hitlers Außenpolitik eingewirkt haben. 1934 haben sie Hitler mit dem Freundschaftsabkommen einen ersten außenpolitischen Erfolg ermöglicht und 1939 mit der Weigerung, jenes Abkommen zu einer bündnisartigen Allianz zu erweitern, eine erste außenpolitische Niederlage bereitet. Hitlers Polenpolitik endete also mit einem Fehlschlag, was er selbst zugegeben hat, als er einräumte, dass er die erwünschte Zusammenarbeit mit Polen nicht erreicht und sich überhaupt im polnischen Volk getäuscht habe.191 Es ließe sich hinzufügen, dass er sich außerdem gegenüber England getäuscht hatte, denn er hatte gehofft, dass dieses Land sich aus den osteuropäischen Fragen heraushalten würde. Als es anders kam, war er einen Moment ratlos. Bezeichnend dafür ist eine Situation, die am 3. September 1939 in der Berliner Reichskanzlei entstand. Hitler hatte gerade die Nachricht erhalten, England werde Deutschland den Krieg erklären, und versank in Schockstarre. Wie ein Augenzeuge berichtet, „herrschte völlige Stille“ im Raum, „wie versteinert saß Hitler da“ und fragte schließlich den anwesenden Ribbentrop: „Was nun?“192 Zwei Worte, die einem politischen Offenbarungseid gleichkamen. Hitlers Plan, den Kampf um den deutschen Lebensraum mit Duldung Englands und im Einvernehmen mit Polen zu führen, hatte sich schon am Ausgangspunkt zerschlagen. Trotzdem gab es für Hitler kein Zurück. Er stürzte sich und das Deutsche (1983), S. 109 – 145. Pospieszalski hat ermittelt, dass etwa 180 Anschläge geplant waren, von denen mindestens 23 verwirklicht worden sind. 190 Ansprache Hitlers vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht, 22. 8. 1939, in: R. Goguel (Hg.), Polen, Deutschland, S. 90. 191 Vergleiche oben S. 33. 192 Paul Schmidt, Statist auf diplomatischer Bühne. Bonn 1949, S. 473 f.

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Reich in den Zweiten Weltkrieg aus machtpolitischer Verblendung, militärischer Überheblichkeit und diplomatischem Ungeschick.

Epilog Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten Deutsche und Polen feststellen, dass ihre vorangegangene Politik wenn schon nicht erfolgreich, so doch folgenreich gewesen ist. Beide mussten große Veränderungen hinnehmen: das Territorium, auf dem sie lebten, erhielt eine neue Gestalt, viele der Menschen waren heimatlos geworden, und das politische Regime, dem sie unterworfen waren, änderte sich von Grund auf. Sowohl die einen als auch die anderen sahen sich, wenn auch auf unterschiedliche Weise, in politischer Hinsicht als fremdbestimmt: die Deutschen durch das Besatzungsregime, das die Siegermächte einrichteten, und die Polen durch die Kommunisten, die ursprünglich im Lande eine kleine Minderheit waren und nun mit Hilfe der Sowjetunion an die Macht gelangten. Obwohl das beiderseitige Schicksal aus der Ferne betrachtet vergleichbare Züge aufwies, empfanden Deutsche und Polen nichts Gemeinsames. Sie betrachteten sich mit Abneigung und Misstrauen, geleitet von ihren aufgewühlten Gefühlen. Von guter Nachbarschaft war keine Rede. Doch blicken wir auf die Tatsachen. Was das Territorium betrifft, so hat Polen im Osten 180.000 qkm, die überwiegend von Ukrainern und Weißrussen bewohnt waren, an die Sowjetunion verloren und im Westen 103.000 qkm, die fast ausschließlich von Deutschen bewohnt waren, hinzugewonnen. Mit anderen Worten, es rückte ab von Osteuropa und näherte sich Mitteleuropa. Städte wie Wilna und Lemberg, die den Polen viel bedeuteten, gehörten nun zu Litauen und der Ukraine beziehungsweise zur Sowjetunion. Im Westen kamen zwar Breslau, Stettin und Danzig dazu, aber es brauchte seine Zeit, bis aus den von Menschen entleerten Trümmerhaufen, die diese Städte zunächst waren, lebendige polnische Gemeinwesen wurden. Das geschah im Zuge des Bevölkerungsaustausches, der ab 1945 stattfand. Die etwa 7 Mio. Deutschen, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Schlesien, Pommern und Ostpreußen gelebt hatten, wurden ersetzt durch Menschen, die aus Zentral- und Ostpolen kamen; im Osten verwies die Sowjetunion 1,24 Mio. Polen des Landes, die überwiegend in den neuen Westgebieten untergebracht wurden. Aufs Ganze gesehen war es dem polnischen Nachkriegsstaat praktisch unmöglich, die ehemals deutschen Gebiete schnell mit Menschen zu füllen, weil das Volk infolge des Krieges 5 – 6 Mio. Tote zu beklagen hatte, also seine ethnische Substanz sehr gemindert sah. Es ist berechnet worden, dass die Bevölkerungszahl 1945 etwa auf den Stand von 1910 zurückgefallen war.193 193 H. Roos, Geschichte, S. 211 (von dort auch die vorherigen Angaben). Die Zahl der Kriegstoten schwankt bei polnischen Autoren zwischen 4,5 und 6 Mio., darunter ca. 3 Mio. Juden, eine Zahl, die allgemein akzeptiert ist, siehe Klaus-Peter Friedrich, Erinnerungspolitische Legitimierungen des Opferstatus, in: Dieter Bingen/Peter Oliver Loew/Kazimierz Woj-

Epilog

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Gleichzeitig hatten die Kriegs- und Nachkriegsereignisse auf andere Weise ein unerwartetes Ergebnis: das neue Polen erfreute sich einer „bislang unbekannten ethnischen Homogenisierung“.194 Die zahlreichen Minderheiten, die bis 1939 zu Polen gehört hatten, waren bis auf einige Reste aus dem Staat ausgeschieden: Ukrainer, Weißrussen und Litauer auf Grund der Grenzveränderungen, die Deutschen infolge der Flucht oder Vertreibung und die Juden wegen ihrer Ermordung durch die Nationalsozialisten und ihrer nach 1945 andauernden Auswanderung. Polen ist jetzt von innen her so polnisch, wie es seit Jahrhunderten nicht war, und hat sich gewissermaßen als Nationalstaat etabliert. Unter dem Blickwinkel der nationalstaatlichen Entwicklung, die Europa seit dem 19. Jahrhundert genommen hat, wäre das ein Gewinn. Aber wer wollte das gelten lassen angesichts der großen materiellen und ideellen Opfer, die diesen Prozess begleitet haben? Das Maß an Not und Leid, das die Polen ertragen mussten, dürfte die Befürchtungen, die Beck im Sommer 1938 hegte, als er über Krieg, Niederlage und Sieg laut nachdachte, bei weitem übertroffen haben. Im Lichte der Erfahrungen, die die Polen gemacht haben, hatte der Appell an Ehrgefühl und Patriotismus, den Beck 1939 an seine Landsleute gerichtet hatte, viel von seinem Klang verloren. Der Schriftsteller Tadeusz Nowakowski bezweifelte, dass der Tod fürs Vaterland ein sinnvolles Opfer gewesen wäre, und beklagte, dass der „grausame polnische Snobismus des Sterbens“ ein „mit vergifteter Poesie genährtes Volk“ geschaffen habe.195 Die Selbstkritik, die hier anklingt, hat der Soziologe Józef Chałacin´ski 1958 verallgemeinert, als er geradezu „zum Neubeginn nach einigen Jahrhunderten verpfuschter Geschichte“ aufrief.196 Was er forderte, war die Abkehr von einem Geschichtsbild, das den polnischen Staat weit nach Osteuropa hin ausgedehnt sah; statt dessen sollte die andere Traditionslinie, die an die Herrscherdynastie der Piasten anknüpfte, die im Mittelalter den ersten polnischen Staat im Bereich der Flüsse Weichsel, Warthe und Oder schuf, wieder leitend werden – weg vom Osten, hin nach Westen. Es ist zweifelhaft, ob Chałacin´ski mit dem Verweis auf die piastische Tradition seine Landsleute in positivem Sinne auf Deutschland und die Deutschen hinlenken wollte, aber de facto erinnerte er damit an eine Zeit (10. und 11. Jahrhundert), in der die polnischen Herzöge und Könige ihre Macht im Zusammenspiel mit dem Deutschen Reich und dessen Königen festigten. Dieses polnisch-deutsche Miteinander beschworen jedenfalls ausführlich die polnischen Bischöfe, als sie 1965 ihre deutschen Kollegen zur Tausendjahr-Feier der Christianisierung Polens einluden und ihnen –

cicki (Hg.), Die Destruktion des Dialogs. Wiesbaden 2007, S. 176 – 191; Czesław Madajczyk, Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen 1939 – 1945. Berlin 1987, S. 617. 194 W. Borodziej, Geschichte, S. 259. 195 Tadeusz Nowakowski, Polonaise Allerheiligen. München 1964, S. 147 (vergleiche dort auch S. 25 über Vaterlandsliebe). 196 Józef Chałacin´ski, Vergangenheit und Zukunft der polnischen Intelligenz. Marburg 1965, S. 224.

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soweit das möglich sei – Vergebung und Vergessen anboten.197 In solchen Bekundungen spiegelte sich das Bemühen der Polen, die Erschütterung, die sie von 1939 bis 1945 erlebt hatten, zu überwinden und eine neue politische Orientierung zu gewinnen. Allerdings konnten sie sich diese Orientierung unter dem sowjetischen Machtanspruch, der sich über das Land gelegt hatte, nur unvollkommen erarbeiten. An die Politik Piłsudskis und seiner Anhänger ließ sich nicht anknüpfen, weil sie durch ihre antirussische Note und die Niederlage von 1939 diskreditiert war. Die anderen politischen Lager waren ebenfalls geschwächt und entbehrten einer soliden organisatorischen Grundlage. Ein erheblicher Teil der Politiker, die bis 1939 im Vordergrund gestanden hatten, war gestorben oder emigriert. Hinzukam, dass die Kommunisten die Regeneration des Parteiensystems hintertrieben und bis 1947 die Regierungsmacht an sich zogen. Die neue Orientierung, die die Polen auf diese Weise erhielten, war eine kommunistische und prosowjetische, die keiner der bisherigen Traditionen entsprach und dem Volk fremd war. Auch den Deutschen war vieles fremd an der politischen Lage, in die sie 1945 geraten waren. Es gab freilich einen großen Unterschied: während die Polen darüber diskutieren konnten, wie viel von ihrem Unglück durch die Macht der Verhältnisse, durch die Gewalt ihrer Nachbarn oder aber durch eigenes Ungeschick bedingt war, mussten sich die Deutschen eingestehen, dass sie sich die Ursachen ihrer Not selbst zuzuschreiben hatten. Es verfängt in diesem Zusammenhang wenig, auf die unbilligen Härten des Versailler Friedensvertrages von 1919 zu verweisen und geltend zu machen, dass diese Härten zu Ursachen des Zweiten Weltkrieges geworden seien, der also auch von anderen Staaten, neben Deutschland, mitzuverantworten sei. Denn was 1939 begann, war ein Kampf um Größe, Macht und Lebensraum, den Hitler initiiert hatte und der damit endete, dass für Deutschland die Größe verspielt, die Macht verloren und der Lebensraum verkleinert waren. Es ereigneten sich unglaubliche Dinge: das Deutsche Reich, eine europäische Großmacht, wurde vollständig besiegt und erobert, die politische Macht im Lande ging an die vereinigten Sieger über und ein großer Teil der Politiker, die Deutschland während der NS-Zeit geführt hatten, wurde vor ein internationales Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und gehenkt. Wann hatte es dergleichen in Europa gegeben? Das waren situationsbedingte Ereignisse, die passierten und vergingen. Doch daneben sind auch Veränderungen eingetreten, die bleiben sollten und dem Dasein des deutschen Volkes ein neues Format gaben. Vornean steht die Tatsache, dass das Territorium Deutschlands verkleinert wurde. Die Ostprovinzen Schlesien, Pommern und Ostpreußen mit 114.300 qkm gingen an Polen und Russland über, das waren die Gebiete östlich der neu gezogenen Oder-Neiße-Grenze. Von der gesamten deutschen Bevölkerung haben während des Krieges 5,7 Mio. Menschen ihr Leben verloren; wenn wir die sogenannten Volksdeutschen, die vor 1939 außerhalb der deutschen Reichsgrenzen gewohnt haben, einbeziehen, erreicht die Zahl der Toten etwa 7 Mio. 197 Siehe den Einladungstext in Reinhard Henkys (Hg.), Deutschland und die östlichen Nachbarn. Stuttgart/Berlin 1966, S. 218 ff.

Epilog

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Menschen.198 Die Verlustzahlen sind ähnlich denen, die für Polen ermittelt worden sind, sie haben jedoch nicht das gleiche Gewicht: in Deutschland beziehen sie sich auf eine Bevölkerung von 69,3 Mio., in Polen auf 23,3 Mio.(jeweils 1939) – bei letzterem ist der prozentuale Anteil der Toten also viel höher.199 Dafür war das deutsche Volk noch auf eine andere Weise von den Veränderungen betroffen: die Deutschen verloren ihre Präsenz im östlichen Europa. Im Laufe der Jahrhunderte waren immer wieder deutschstämmige Adlige, Kaufleute, Bauern und Handwerker nach Osteuropa abgewandert und hatten dort in mehr oder weniger geschlossenen Siedlungsgebieten gelebt. Es handelte sich um Landschaften wie das Baltikum, Wolhynien, die Bukowina, Bessarabien, Siebenbürgen oder das Banat, in denen vor 1939 etwa 2,1 Mio. Deutsche lebten (unter Einschluss Polens und der Tschechoslowakei erreicht die Zahl 7,2 Mio.).200 Sie verkörperten einen Teil der multiethnischen Symbiose, die sich in vielen Bereichen Europas entwickelt hatte und die nun im 20. Jahrhundert großenteils liquidiert wurde. Die Rückführung der Deutschen aus Osteuropa und dem Balkan begann 1940/41, als die Hitler-Regierung unter der Parole „Heim ins Reich“ 550.000 Menschen von Amts wegen umgesiedelt hat.201 Dieser Prozess nahm 1945 große Formen an, als die zwangsweise Vertreibung von 3,6 Mio. Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei einsetzte. Hinzukamen 6,9 Mio. Menschen, die aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reichs geflohen oder vertrieben worden sind.202 Das alles gestaltete sich zu einer historischen Zäsur, die die Verzahnung der Deutschen mit Osteuropa auflöste und aus Deutschland ein Gemeinwesen machte, das politisch und gesellschaftlich mehr denn je nach Westen, nach Westeuropa orientiert ist. Die verkrampfte Ansicht Hitlers, dass die Deutschen ihren Lebensraum im Osten finden müssten, hat sich ins Gegenteil verkehrt – der Unsinn einer ideologisch begründeten Politik ist deutlich ad absurdum geführt worden. Was wir heute einigermaßen gelassen zur Kenntnis nehmen, ist nach 1945 nicht immer so betrachtet worden. Lange Zeit neigten die Deutschen dazu, die Folgen des Zweiten Weltkrieges etwas spitzfindig relativieren zu wollen. Hinter einem Schleier rechtlicher und politischer Fiktionen haben sie jahrzehntelang versucht, die unerbittliche Tatsache, dass mehrere Provinzen verloren und Millionen Menschen dauerhaft ihrer ursprünglichen Heimstatt beraubt waren, anzufechten. Da das Potsdamer Abkommen von 1945 den Vollzug der territorialen Konsequenzen, die der Zweite Weltkrieg für Deutschland haben sollte, zwar sofort zuließ, aber unter den Vorbehalt eines noch abzuschließenden Friedensvertrages stellte, wurde in der westdeutschen Bundesrepublik argumentiert, dass das Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937 198 Regierung Adenauer 1949 – 1963. Hgg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Wiesbaden 1963, S. 23, 33 f. 199 Zu Polen siehe H. Roos, Geschichte, S. 211 f. 200 Regierung Adenauer, S. 52. Nicht berücksichtigt sind die Russlanddeutschen. 201 Regierung Adenauer, S. 48. 202 Regierung Adenauer, S. 52.

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A. Hitler, Piłsudski, Beck

noch bestünde, dass es völkerrechtlich ein Annexions- und Vertreibungsverbot gäbe und dass die Vertriebenen ein Recht auf ihre Heimat hätten, anders ausgedrückt, dass die Handlungen der Polen in den Gebieten jenseits der Oder und Neiße rechtswidrig seien.203 Es ist jedoch zu betonen, dass das vereinfachte und nicht allgemein bejahte Standpunkte waren, die in den 1960er Jahren zunehmend bestritten wurden. Es setzte Schritt für Schritt ein Bewusstseinswandel ein, bei dem auch das Versöhnungsangebot der polnischen Bischöfe eine Rolle spielte. Noch stärker war die Breitenwirkung einer Denkschrift der Evangelischen Kirche (1965), die ausführlich die Lage der Heimatvertriebenen und ihre Bedeutung für das Verhältnis zu den östlichen Nachbarn Deutschlands erörterte.204 Sie betonte unter anderem, dass eine künftige Friedensordnung „nicht ohne Opfer des deutschen Volkes auch an alten Rechtspositionen zu haben sein“ werde, und dass die Bereitschaft, solche Opfer zu bringen, durch die „Einsicht in eine höhere Notwendigkeit“ vorbereitet werden müsse.205 Einen vorläufigen Ruhepunkt fand diese Entwicklung mit dem deutsch-polnischen Vertrag vom 7. Dezember 1970 und seiner Aussage, dass die Grenzlinie an Oder und Neiße „die westliche Staatsgrenze der Volksrepublik Polen“ bilde und dass die Vertragspartner „gegeneinander keinerlei Gebietsansprüche“ hätten.206 Bekanntlich hat Bundeskanzler Brandt dem völkerrechtlichen Befund noch einen moralischen Akzent gegeben, indem er vor dem Ghettodenkmal in Warschau niederkniete. Wir schließen die Betrachtung, die wir einem Kapitel der deutsch-polnischen Geschichte gewidmet haben, mit einer Frage ab: Was bleibt? Es bleiben die Folgen, die im Epilog benannt worden sind, und es bleibt die Hoffnung, dass die deutschpolnische Konfrontation, die sich seit der Aufteilung des polnischen Staates unter Russland, Österreich und Preußen im 18. Jahrhundert aufgebaut hat, endgültig vorüber ist. Hitlers und Piłsudskis Versuch von 1933/34, diese Konfrontation zu beenden, ist fehlgeschlagen, weil beide Staatsmänner unterschiedliche Absichten dabei verfolgt haben. Aus polnischer Sicht ließe sich immerhin sagen, dass die Sicherung der Grenze gegenüber Deutschland nun an der Oder und Neiße gelungen sein dürfte. Aus deutscher Sicht dagegen, dass die von Hitler geschürte nationale Hybris zur Ernüchterung und Selbstbescheidung geführt hat. Es ist zu hoffen, dass Deutschland seinen Platz in Europa gefunden hat und wenn schon nicht von Freunden, so doch von guten Nachbarn umgeben ist – und nicht zuletzt auch selbst ein guter Nachbar ist.

203

Ein Beispiel für die Berufung auf die Grenzen von 1937 in: Joachim Freiherr von Braun, Gericht ohne Gnade? Würzburg 1966, S. 198: der in der Präambel des Grundgesetzes benutzte Begriff Deutschland meine das „nach Staats- und Völkerrecht bestehende Staatsgebiet“ und das sei „Deutschland in seinen Grenzen vom 31. Dezember 1937“. 204 Abgedruckt in: R. Henkys (Hg.), Deutschland, S. 176 ff. 205 R. Henkys (Hg.), Deutschland, S. 210 (Opfer), 215 (Einsicht). 206 Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Dokumente von 1949 bis 1994. Köln 1995, S. 341. Dort, S. 744 f., auch der deutsch-polnische Vertrag vom 14. 11. 1990, der die Regelung von 1970 bekräftigte.

B. Sport und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen von 1933 bis 1939* I. Einleitung Vieles ist über die Geschichte der NS-Zeit geschrieben worden, über Führerkult, Rassenwahn, Gewaltherrschaft und Massenmord, über Aufrüstung, Krieg und Katastrophe. Angesichts der zahllosen Darstellungen regt sich der Eindruck, dass es kaum noch ein Detail der deutschen Geschichte von 1933 bis 1945 gibt, das unerforscht geblieben wäre. Das gilt auch für die Geschichte des Sports dieser Jahre, in der die Rolle von Organisationen, Personen und Ereignissen vielseitig ausgeleuchtet worden ist. Und doch gibt es gerade auf diesem Gebiet eine Leerstelle, die ungewöhnlich anmutet: es handelt sich um die fünf Fußball-Länderspiele zwischen Deutschland und Polen von 1933 bis 1938, die bisher keine tiefer gehende Beachtung gefunden haben. Gewiss sind diese Begegnungen von der Nachwelt nicht unbemerkt geblieben, aber es war eine recht beschränkte Aufmerksamkeit, die ihnen zugewandt wurde. Was hat die Sporthistoriker zögern lassen, die regen Sportbeziehungen zwischen Deutschland und Polen zu untersuchen? War es einfach die Unkenntnis der Ereignisse? – doch in jeder Statistik des Deutschen Fußball-Bundes sind die Spiele verzeichnet, so auch in der Geschichte der Länderspiele, die der DFB-Pressewart Lutz Koch 1937 veröffentlicht hat.1 Oder war es ein Unbehagen angesichts der Aufgabe, den freundschaftlich-sportlichen Verkehr zweier Völker erörtern zu sollen, die 1939 durch ihre militärische Konfrontation den Auftakt zum Zweiten Weltkrieg lieferten? Oder war es die Ratlosigkeit darüber, wie die Verquickung von Sport und Politik, die damals stattfand, zu bewerten sei? Es muss eine Hemmung gegeben haben, sich auf diese Spiele näher einzulassen, obwohl Gerd Krämer bereits 1961 auf sie hingewiesen hatte. 1991 hat Hans Joachim Teichler nachdrücklich die deutsch-polnischen Sportbeziehungen während der 1930er Jahre angesprochen, ohne aber auf die Fußballspiele einzugehen. Besonders auffallend ist, dass ein in der politischen Geschichtsschreibung geschulter Autor wie Nils Havemann die sportliche Facette im deutsch-polnischen Verhältnis überging. So blieb es einem Journalisten, Thomas Urban, vorbehalten, 2011 die in regionaler wie ethnischer Hinsicht breit angelegte * Zuerst erschienen in der Zeitschrift „SportZeiten“, 12. Jg. (2012), S. 7 – 36. Hier wird nur der Text, ohne die seinerzeit eingefügten Abbildungen, wiederholt. 1 Lutz Koch, Hinein … Tor, Tor. Berlin 1937, S. 135 f., 147, 158, 171.

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B. Sport und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen 1933 – 1939

Wechselseitigkeit der deutsch-polnischen Fußballbeziehungen im Allgemeinen und die Länderspiele während der NS-Zeit im Besonderen einem größeren Publikum wieder bewusst zu machen.2 Da sein Interesse vorzugsweise dem persönlichen Schicksal der Sportler gegolten hat, bleibt über die Spiele und ihre politischen Implikationen einiges nachzutragen. Das soll hier geschehen. Als erstes wird das historische Umfeld der Spiele in den Blick genommen, danach die Ursachen des Auftaktspiels am 3. Dezember 1933 und anschließend werden auch die übrigen Spiele sowie weitere Aspekte der deutsch-polnischen Sportbeziehungen behandelt.3

II. Das historische Umfeld der Spiele Die deutsch-polnischen Fußballspiele während der NS-Zeit sind historisch auffällig, weil vor 1933 die politischen Beziehungen der beiden Nachbarstaaten so unfreundlich waren, dass selbst die Annäherung auf dem Sportplatz gemieden wurde. Das beiderseitige Verhältnis litt vor allem unter dem unverhüllten deutschen Anspruch, dass die von 1919 bis 1921 gezogene Grenze zu Polen revidiert werden müsste. Zielpunkte waren dabei die Freie Stadt Danzig, der polnische Korridor zwischen Pommern und Ostpreußen sowie das östliche Oberschlesien. Der Druck dieser Revisionspolitik hatte seit 1930 zugenommen, außerdem wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland sein militärisches Potenzial durch Aufrüstung vermehren könnte, und nicht zuletzt zeichnete sich eine Steigerung dieser Absichten durch den Einzug einer militant-nationalistischen Partei, der NSDAP, in die Reichsregierung ab – eine Entwicklung, die 1932 weit gediehen war. Die polnische Regierung stand vor einer schwierigen Wahl: sollte sie Deutschland mit Gewalt an der Entfaltung seiner Revisionspolitik hindern oder sollte sie auf diplomatischem Wege eine gewaltfreie Entspannung herbeiführen? Beide Alternativen sind erwogen worden. 1932/33 versuchte Polen zu erproben, ob es, gestützt auf seinen Verbündeten Frankreich, mit militärischen Mitteln, einer Art Präventivkrieg, Deutschland an der Aufrüstung hindern könne. Als sich das als untunlich erwies, schwenkte es 1933/34 zu dem Versuch um, das deutsche Wohlverhalten mit einem vertraglich gesicherten Gewaltverzicht zu erlangen. Inzwischen waren in Deutschland tatsächlich Hitler und 2 Gerd Krämer, Im Dress der elf Besten. München 1961, S.159 f., 187, 208, 219 f.; HansJoachim Teichler, Internationale Sportpolitik im Dritten Reich. Schorndorf 1991, S. 131 ff.; Nils Havemann, Fußball unterm Hakenkreuz. Frankfurt a. M./New York 2005; Thomas Urban, Schwarze Adler, Weiße Adler. Göttingen 2011, S. 34 ff., 47 f. Ferner ist zu nennen Carsten Roschke, Der umworbene „Urfeind“. Marburg 2000, S. 27 f., 270, dessen Hauptaugenmerk der Wiedergabe der deutsch-polnischen Sportkontakte in den Medien gilt. 3 Mehrere Partien aus den folgenden Abschnitten 1, 2 und 3 habe ich im Rahmen eines Vortrages verwertet, sie sind veröffentlicht unter dem Titel Dieter Hertz-Eichenrode, Sportsfreunde? Die deutsch-polnischen Fußball-Länderspiele von 1933 bis 1938, in: D. Blecking/ L. Peiffer/R. Traba (Hg.), Vom Konflikt zur Konkurrenz. Göttingen 2014, S. 114 – 122.

II. Das historische Umfeld der Spiele

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seine NSDAP an die Regierung gelangt, und die Frage über Krieg und Frieden schwebte in der Luft. Zur Überraschung vieler entschied sich Hitler im Frühjahr 1933 zu einer wortreich verkündeten Friedenspolitik, als deren auffälligste Frucht die deutsch-polnische Erklärung über Gewaltverzicht vom 26. Januar 1934 anzusehen ist.4 Deutschland verpflichtete sich darin auf zehn Jahre, bei der Lösung strittiger Fragen auf Gewalt zu verzichten und ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu Polen anzustreben. Die Kriegsgefahr war gebannt und ein schiedlich-friedliches Nebeneinander der Nachbarn eingeleitet. Die Wendung entsprang Hitlers Erkenntnis, dass er seine Politik der militärischen Aufrüstung verdeckt betreiben müsste, wenn er nicht eine Intervention der Partner des Versailler Vertrages riskieren wollte. Deshalb vergatterte er Anfang Juli 1933 seine Parteigenossen dazu, wegen der Aufrüstung „kein großes Tamtam zu schlagen“ und „allergrößte Zurückhaltung in außenpolitischer Beziehung“ zu üben; das Gebot der Stunde sei, „zu einer Verständigung zu kommen mit jedermann, mit dem man sich verständigen kann“.5 Er selbst hatte beschlossen, den Ring möglicher Widersacher zu sprengen und Polen auf seine Seite zu ziehen. Am 17. Mai 1933 bekundete er in einer Reichstagsrede seine Friedensbereitschaft und seinen Respekt für die „nationalen Rechte auch der anderen Völker“, wobei er insbesondere Franzosen und Polen als „unsere Nachbarvölker“ würdigte, an deren Existenz „kein geschichtlich denkbarer Vorgang“ etwas ändern könne. Und zehn Tage später bekräftigte er noch einmal den friedlichen Charakter seiner Politik: „Der Nationalsozialismus kennt keine Politik der Grenzkorrekturen auf Kosten fremder Völker.“6 Das war ein unverfrorenes Täuschungsmanöver, aber er hatte Erfolg damit. Die polnische Regierung ging auf seine Angebote ein. Die Politiker in Warschau rückten von ihren Präventivkriegsplänen ab, weil sie sich von den Westmächten allein gelassen fühlten und den Vorteil, zehn Jahre lang von akuten deutschen Revisionsforderungen verschont zu bleiben, hoch schätzten. Außerdem erleichterte es sie, dass Berlin auf eine außenpolitische und völkerrechtliche Unterstützung der Deutschen in Polen verzichtete, ein Tatbestand, der ihnen vorher sehr unbequem gewesen ist. Für diese realen Vorteile nahmen sie das Risiko in Kauf, dass Deutschland seine Aufrüstung eigenmächtig forcierte und sich der Bindungen aus dem Versailler Friedensvertrag entledigte. Tatsächlich ist das eingetreten: 1935 Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, 1936 Aufhebung des demilitarisierten Gebiets westlich des Rheins, 1938 Annexion Österreichs sowie Einverleibung des tschechischen Sudetengebiets – alles Ereignisse, denen die 4 Siehe dazu Hermann Graml, Zwischen Stresemann und Hitler. München 2001; Günter Wollstein, Vom Weimarer Revisionismus zu Hitler. Bonn/Bad Godesberg 1973; Marian Wojciechowski, Die polnisch-deutschen Beziehungen 1933 – 1938, Leiden 1971; Hans Roos, Polen und Europa. Tübingen 1957. 5 Hitler vor einer Konferenz der Reichsstatthalter, 6. 7. 1933, in: Friedrich Kießling (Hg.), Quellen zur deutschen Außenpolitik 1933 – 1939. Darmstadt 2000, S. 57 f. 6 Beide öffentlichen Äußerungen bei Max Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. 1. Wiesbaden 1973, S.73, 273, 279.

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B. Sport und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen 1933 – 1939

Westmächte widerstrebten, die sie aber trotzdem duldeten. Und Polen tat es ihnen gleich. Es unterstrich sein gutes Verhältnis zu Deutschland unter anderem mit den Fußballspielen, die 1935, 1936 und 1938 jeweils im September sozusagen im Schatten der erwähnten politischen Ereignisse stattfanden. Erst im Winter 1938/39 erkannte die polnische Regierung, dass sie sich mit ihrer Deutschlandpolitik auf Gefahren eingelassen hatte, die seit 1934 nicht geschrumpft, sondern gewachsen waren. Ihr Land stand nun vor der Existenzfrage. Und das mündete folgerichtig in das Ende der Sportkontakte, das die deutsche Sportführung in den letzten Maitagen 1939 verfügte.7 Doch kehren wir zurück an den Anfang dieser Kontakte und betrachten die Umstände, die das erste Länderspiel ermöglichten.

III. Die politischen Ursachen des Spiels vom 3. Dezember 1933 Wie schon erwähnt, fürchtete Hitler, dass seine Rüstungspolitik bei Deutschlands Nachbarn auf Widerstand stoßen könnte. Das wollte er mit seiner demonstrativen Friedenspolitik verhindern und zu deren Instrumentarium gehörte auch der Sport. Die NS-Regierung hat 1933 den Sport ebenso wie viele politische und gesellschaftliche Bereiche einer Gleichschaltung unterzogen, die darauf abzielte, die betroffenen Institutionen, Verbände und Organisationen unter nationalsozialistische Führung zu bringen. Anfang Mai wurde der SA-Gruppenführer Hans von Tschammer und Osten als Reichskommissar für Sport und Leibesübungen eingesetzt, am 19. Juli avancierte er zum Reichssportführer und in dieser Funktion proklamierte er Anfang 1934 den Deutschen Reichsbund für Leibesübungen als Spitzenorganisation des Sports. Die Sport- und Turnverbände waren damit endgültig gleichgeschaltet.8 Der Reichssportführer zögerte nicht, von seinen Machtmitteln zugunsten einer deutsch-polnischen Annäherung Gebrauch zu machen. Es ist allerdings vorauszuschicken, dass die Nationalsozialisten nicht die Ersten waren, die mit Hilfe des Sports die Beziehungen zu Polen verbessern wollten. 1929 ließ sich der Deutsche Fußball-Bund durch sein Mitglied, den Schiedsrichter Peco Bauwens, der 1928 im polnischen Kattowitz das Spiel Polen-Schweden geleitet hatte, dazu bewegen, ein Länderspiel anzubahnen, und noch im selben Jahr wollte eine polnische Sportzeitung wissen, dass das erste Spiel vom DFB für 1930 vorgesehen sei; daraus wurde jedoch nichts.9 Der Widerstand, an dem der Kontakt scheiterte, könnte vom Auswärtigen Amt in Berlin ausgegangen sein. Denn als der 7

Siehe dazu H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 148 ff. Zu Tschammer siehe Dieter Steinhöfer, Hans von Tschammer und Osten. Berlin/München/Frankfurt a. M. 1973; H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 73 ff. 9 Auf Bauwens’ Anregung verweist G. Krämer, Im Dress, S. 159. Er verlegt das Kattowitzer Spiel jedoch ins Jahr 1927. Die polnische Meldung findet sich im Przegla˛d Sportowy (27. 4. 1929), den Hinweis auf sie verdanke ich Herrn Thomas Urban. 8

III. Die politischen Ursachen des Spiels vom 3. Dezember 1933

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polnische Gesandte Wysocki etwas später, im Dezember 1931, bei deutschen Sportfunktionären anregte, „durch Förderung der sportlichen Beziehungen zwischen Polen und Deutschland“ das Verhältnis beider Völker zu verbessern, winkte das Auswärtige Amt ab und meinte, „dass die Zeit für solche [Sport-] Veranstaltungen in Polen noch nicht reif ist und der Ausbau dieser Beziehungen jedenfalls nicht von uns betrieben werden sollte“.10 Das entsprach der distanzierten Haltung, die das Auswärtige Amt bis April 1933 gegenüber Polen einnahm. Im Sommer 1933 griff von Tschammer und Osten ein und verlieh dem Sportverkehr mit Polen eine erhöhte Dringlichkeit. Bereits im Juni hob er hervor, dass zwischen Außenpolitik und Sport eine positive Beziehung bestehe: „wir müssen außenpolitische Rücksichten nehmen“, und da sei der Sport „das einzige Aktivum, das wir aufzuweisen haben“, um die Meinung im Ausland deutschfreundlich zu beeinflussen.11 Zwei Monate später sprach er Polen direkt an, indem er mitteilte, ihm sei „nahegelegt worden, besonders aus außenpolitischen Gründen, den Sportverkehr mit Polen in möglichst umfangreichem Maße auszubauen, da auf diese Weise mit verhältnismäßig wenig Mitteln eine gute Propaganda aufgezogen werden könnte“.12 Und aus einem anderen Schreiben gleichen Datums geht hervor, dass von Tschammer in Danzig bereits einen Mitstreiter gefunden hatte, nämlich den NSGauleiter Albert Forster. Forster hat beim deutschen Generalkonsul angeregt, „einen Fußball-Länderkampf zwischen Deutschland und Polen auf dem Gebiet der Freien Stadt Danzig zu veranstalten“, denn das wäre „eine wertvolle Unterstützung der gegenwärtig von der Reichsregierung angestrebten Befriedung der deutsch-polnischen Beziehungen“.13 von Tschammer hatte offensichtlich den Auftrag erhalten, die Verbindungen des Sports ins Ausland zu nutzen, um die schwierige außenpolitische Lage Deutschlands zu entlasten. Dabei sollte er die Beziehungen zu Polen besonders beachten, und das gab ihm oder dem Danziger Gauleiter den Gedanken ein, alsbald ein Fußballspiel Deutschland-Polen herbeizuführen. Es lässt sich nicht bestimmt sagen, von wem von Tschammer seinen Auftrag erhalten hat. Aber es ist denkbar, dass es Hitler selbst war, der ihn entsprechend instruiert hat, denn beide sind sich am 30. Juli1933 in Stuttgart beim Deutschen Turnfest und vermutlich auch am 6. August 1933 auf dem Ober10 Auswärtiges Amt Berlin. Politisches Archiv [fortan PA], Warschau 30: Präsident des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, Lewald, an Staatssekretär von Bülow, 11.12,1931; Auswärtiges Amt an [Lewald], 4. 1. 1932. Der deutsche Gesandte in Warschau beurteilte die Frage differenzierter und hielt den Auftritt deutscher Sportler in verschiedenen Gebieten Polens für möglich oder gar erwünscht, siehe a.a.O.: Gesandtschaft an Auswärtiges Amt, 3. 2. 1932. 11 von Tschammer und Osten am 11. 6. 1933, in: H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 96 f. 12 PA Warschau 30: von Tschammer und Osten an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 10. 8. 1933 (Auszug). 13 PA Warschau 30: Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt, 10. 8. 1933; ferner Generalkonsul in Posen an das Auswärtige Amt, 30. 8. 1933, wo ein Aufenthalt von Tschammers in Danzig und dessen Forderung nach sportlichen Beziehungen mit Polen bestätigt wird.

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B. Sport und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen 1933 – 1939

salzberg bei einem Treffen der Reichs- und Gauleiter begegnet.14 Gewiss ist jedenfalls, dass diese sportpolitische Initiative nicht aus einem Ministerium, sondern von der NSDAP gekommen ist, darauf weist die Rolle hin, die von Tschammer und der Gauleiter Forster übernommen haben. In der NS-Presse wurde geltend gemacht, dass der Länderspielkontakt mit Polen „der Initiative der nationalsozialistischen Sportbehörde“ zu verdanken sei.15 Mangels greifbarer Unterlagen ist nur zu vermuten, dass im Laufe des Monats September der Faden zum polnischen Fußballverband angesponnen wurde. Anfang Oktober tauchten Nachrichten auf, dass schon Ende des Monats ein Länderspiel Deutschland-Polen in Danzig stattfinden solle. Der Termin verschob sich gerüchteweise in den November, doch das endgültige Datum wurde der 3. Dezember 1933 und der Austragungsort Berlin statt Danzig.16 Danzig kam für den polnischen Fußballverband von vornherein nicht in Betracht. Die Stadt war völkerrechtlich ein eigenständiges Gebilde, in dem Polen einige politische und wirtschaftliche Vorrechte genoss, die es nicht durch den Anschein, dass die deutsche Nationalmannschaft dort ein Heimspiel austrug, verdunkeln lassen wollte.17 Außerdem gab es im polnischen Verband interne Widerstände gegen die deutsche Einladung, die erst überwunden werden mussten. Die deutsche Presse berichtete, dass „Polens Marxisten gegen Deutschland-Polen“ Front machten, denn zwei sozialistisch orientierte Vorstandmitglieder des polnischen Verbandes hätten gegen den Abschluss des Länderspiels gestimmt, jedoch „hauptsächlich auf Betreiben polnischer Staatsstellen“ sei am 6. November entschieden worden, zwei Spiele, also mit einem Revanchespiel, und als Spielort jeweils die Hauptstädte zu vereinbaren.18 Auch auf deutscher Seite begegnete die Entwicklung einigen Bedenken. von Tschammers Ankündigung, den deutsch-polnischen Sportverkehr anzukurbeln, rief die deutschen Diplomaten in Polen auf den Plan. Die Konsuln bezweifelten die Opportunität des Tschammerschen Vorstoßes und rieten in verschiedenen Teilen Polens vom Auftritt deutscher Sportler ab. Vor allem in Krakau, Posen und Pommerellen sei der Einfluss der Nationalisten, Sozialisten und Juden so stark, dass „eine sympathische Aufnahme deutscher Sportsmannschaften von vornherein“ ausgeschlossen sei. Da die Diplomaten aber wussten, dass die Regierung entschlossen war, mit Hilfe des Sports um die Gunst Polens zu werben, zogen sie sich auf die Forderung zurück, dass nur „erstklassiges Mannschaftsmaterial [!] zu Wettkämpfen nach Polen entsandt werden“ dürfe, damit die Polen in Respekt versetzt und die deutsche 14

Siehe dazu M. Domarus, Hitler, Bd. 1, S. 291 f. Der Angriff (9. 11. 1933): „Am 3. Dezember in Berlin“. 16 Zu den Ankündigungen und Daten siehe verschiedene Presseausschnitte in PA Warschau 29 und Warschau 30, außerdem Völkischer Beobachter (4. 10. 1933): „Sport-Allerlei“. 17 Organisatorisch war der Danziger Fußball freilich dem Deutschen Fußball-Bund angeschlossen, siehe PA Warschau 29: DFB (Linnemann) an das Auswärtige Amt, 28. 6. 1932. 18 Völkischer Beobachter (17. 11. 1933); Der Angriff (9. 11. 1933). Polens Bedingung, in den Hauptstädten zu spielen, nennt G. Krämer, Im Dress, S. 159. 15

III. Die politischen Ursachen des Spiels vom 3. Dezember 1933

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Minderheit nicht enttäuscht werde.19 Derart prestigeorientiert blieben die Konsuln auch weiterhin und weil in dem sich anbahnenden Sportverkehr Sieg und Niederlage keineswegs einseitig verteilt waren, haben sie an diesem neuen Element der deutschpolnischen Beziehungen wenig Gefallen gefunden. Es bleibt noch zu erörtern, welche Rolle bei alledem der Deutsche Fußball-Bund gespielt hat. Er verkörperte innerhalb der Sportbewegung den Fußballsport und war deshalb für die Organisation der Länderspiele zuständig. Wenn von Tschammer Spiele der deutschen und der polnischen Auswahl erreichen wollte, dann musste er den DFB als ausführendes Organ an seiner Seite haben. Und das ist der Fall gewesen. Es ist oft genug dargestellt worden, wie bereitwillig der Vorstand des DFB mit Felix Linnemann an der Spitze 1933 die nationalsozialistische Umgestaltung des Sportwesens unterstützt hat.20 Die DFB-Führung ist beinahe nahtlos in den Deutschen Reichsbund für Leibesübungen hineingewachsen, und es ist davon auszugehen, dass sie sich 1933 gerne der außenpolitisch motivierten Aktivierung internationaler Fußballspiele angenommen hat. Das lag im Falle Polens umso näher, als der DFB in dieser Richtung schon 1929 einen Anlauf unternommen hatte und seit 1929 auch mit anderen, ehemals verfeindeten Staaten Länderspiele aufgenommen hat, zunächst mit Schottland, dann mit England (1930), Frankreich (1931) und Belgien (Oktober 1933). Der Kontakt zu Polen lag also auf einer konsequenten Linie. Es besteht kein Anlass zu argwöhnen, dass der DFB im Falle der deutsch-polnischen Länderspiele etwas Verwerfliches getan hat. Ob er auch den Hintergrund der Hitlerschen Außenpolitik, der er letzten Endes zugearbeitet hat, durchschauen musste, ist eine andere Frage. Ein „Aber“ müssen wir dennoch einfließen lassen. Es ist offenkundig, dass die leitenden Personen des DFB 1933 vom Geist der Zeit ergriffen gewesen sind und sich in seinen Dienst gestellt haben. In Verbindung mit dem Polenspiel von 1933 geht das aus den Äußerungen hervor, die der Redakteur der Fußball-Woche, Ernst Werner, dem Ereignis gewidmet hat. Den politisch hochrangigen Besuch, den das Spiel hatte – es handelte sich um den Reichsminister Goebbels, mehrere Staatssekretäre und Offiziere sowie den Reichssportführer –, deutete er als Beweis dafür, „dass der Fußballsport in die aktive politische Front des neuen Deutschlands weitergerückt ist“, der DFB also die Anerkennung der NS-Machthaber besitze. Das habe er sich verdient, indem er „die besondere Mission, die ihm oblag, erfüllt“ und ein „sichtbares Zeichen des deutschen Willens, mit den Nachbarn in Frieden zu leben“, gesetzt hat.

19 PA Warschau 30: Gesandtschaft an das Auswärtige Amt, 18. 10. 1933; in diesem Aktenband sind auch die Berichte der Konsuln vom 8. bis 26. 9. 1933 enthalten. 20 N. Havemann, Fußball, S. 92 ff., und als kritische Ergänzung die Beiträge von Arthur Heinrich sowie Hubert Dwertmann, in: Lorenz Peiffer/Dieter Schulze-Marmeling (Hg.), Hakenkreuz und rundes Leder. Göttingen 2008, S. 58 – 80 und 244 – 262.

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Dieser Mission sei er spontan, „aus der Volksstimmung heraus“ gefolgt, „ohne dass er etwa dazu kommandiert worden wäre“.21 Wie spontan das Verhalten des DFB in Wirklichkeit gewesen ist, stößt angesichts der Vorgaben, die von Tschammer im August 1933 angekündigt hat, auf Zweifel. Aber dass der DFB sich guten Gewissens an seinen polnischen Partner gewandt hat, ist glaubhaft. Das konnte er umso eifriger tun, als er damit auch dem eigenen Interesse diente, sich in die Neuordnung des Staates einzufügen und seine Existenz als Verband zu sichern. Das war ein verbandspolitischer Opportunismus, der im kritischen Jahr 1933 begreiflich ist. Weniger begreiflich ist es, wenn einzelne Repräsentanten des DFB dem Zeitgeist über Gebühr huldigten. So der Bundesvorsitzende Felix Linnemann, der am 11. November 1933 erklärte, der Sport habe im NS-Staat „seine politische Mission erhalten“ und werde sich „an nationaler Hingabe“ von niemandem übertreffen lassen, oder der Pressewart des DFB, Guido von Mengden, der die Auswahlspieler des DFB 1934 zu „politischen Soldaten des dritten Reiches“ beförderte.22 Das Bekenntnis zu einem politischen Mandat des Sports im NS-Staat ist mehr als anrüchig und deutet einen Eifer an, der über die bloße Loyalität hinausging. Was die Ausübung solch eines Mandats gegenüber Polen betrifft, so ist das Ergebnis – die Herstellung eines aktiven Sportkontakts – an sich nicht anrüchig, sondern sinnvoll und begrüßenswert gewesen. Tatsache bleibt jedoch, dass der DFB bereits 1933 bei der Auswahl seiner Länderspielpartner politischen Erwägungen Raum gegeben und sich darin der Reichssportführung untergeordnet hat.23 So viel zur Vorgeschichte des ersten deutsch-polnischen Länderspiels Ende 1933. Es ist nun zu erörtern, welche Resonanz dieses und die übrigen Spiele gehabt, welchen Platz sie in den deutsch-polnischen Beziehungen eingenommen haben.

IV. Zum Charakter der deutsch-polnischen Länderspiele von 1933 bis 1938 Bevor etwas über die Spiele gesagt wird, ist es angebracht, eine quellenkritische Überlegung zu den Sportberichten aus den 1930er Jahren anzustellen. Beim Erfassen sportlicher Ereignisse ist der Historiker auf die Berichte in der Tagespresse und den Sportzeitschriften angewiesen, er hängt also von den Worten der Journalisten ab. Eingedenk der Sprachregelung, mit der das NS-Propagandaministerium die Presse zu lenken suchte, besteht Anlass zu fragen, ob die Berichte der Sportreporter hin21 Die Fußball-Woche (4. 12. 1933, S. 4 und 8). Werner ist vor 1933 zeitweise Pressesprecher des DFB gewesen, siehe dazu L. Peiffer/D. Schulze-Marmeling (Hg.), Hakenkreuz, S. 27. 22 L. Peiffer/D. Schulze-Marmeling (Hg.), Hakenkreuz, S. 35; Hajo Bernett, Guido von Mengden. Berlin/München/Frankfurt a. M. 1976, S. 31. 23 Dies gegen N. Havemann, Fußball, S. 139, der meint, der DFB habe in den ersten Jahren der NS-Herrschaft seine internationalen Gegner ohne politische Erwägungen ausgewählt.

IV. Zum Charakter der deutsch-polnischen Länderspiele 1933 – 1938

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reichend objektiv sind. Was ist davon zu halten, wenn die Journalisten 1934 aufgefordert wurden, den Länderspielsieg in Warschau zusammen mit anderen Erfolgen „in einem längeren Kommentar“ positiv herauszustellen, oder ihnen 1938 geraten wurde, das bevorstehende Länderspiel „gut“ zu behandeln und gegenüber den polnischen Gästen „die Kritik sogar etwas zurücktreten“ zu lassen?24 Das war der Versuch einer dirigierenden Einflussnahme. Wie sehr sie sich ausgewirkt hat, ist schwer zu sagen. Es lässt sich jedoch nachweisen, dass die Fußballjournalisten einen gewissen stilisierten Sprachgebrauch entwickelt haben.25 Sie waren offensichtlich bemüht, wie Claudia Kaiser zeigt, einen günstigen, vielleicht sogar idealen Eindruck von den Länderspielen zu vermitteln, indem sie ihnen Eigenschaften wie Fairness und Anstand, Freundschaft und Friedfertigkeit, aber auch Kampfkraft und Stärke unterlegten. Das Ziel der Übung dürfte gewesen sein, den deutschen Sportler als vorbildlich und das Land, für das er auftrat, als friedlich darzustellen. An den Berichten über die deutsch-polnischen Länderspiele fällt auf, dass wertende Begriffe wie freundschaftlich, kameradschaftlich, ritterlich oder vorbildlich wiederholt benutzt wurden und damit ein harmonisches Gesamtbild beschworen wird.26 Was ist daran subjektiver Eindruck, objektiver Bericht oder vorgeschobene Tendenz? Wenn die Journalisten bei den deutsch-polnischen Begegnungen die Begriffe Freundschaft oder freundschaftlich verwenden, dann ist das unterschiedlich zu deuten: einmal als Ausdruck einer guten persönlichen Erfahrung, zum andern als Freude darüber, dass eine konfliktträchtige Nachbarschaft sich entspannt hat, aber auch als Bekräftigung einer staatspolitisch gewollten Hinwendung zum Nachbarvolk. Die Skala reicht also von privater Empfindung bis zu politischer Intention. Wir haben es mit einer Mischung der Impulse zu tun, die wiederum vor dem Hintergrund eines politischen Systems zu sehen ist, das solchen Begriffen wie freundschaftlich oder ritterlich nicht entsprochen hat. Der Historiker stößt auf ein spannungsreiches Geflecht von Bezügen, dessen er sich bei der Benutzung der journalistischen Quellen bewusst sein muss. Er kann aber nicht umhin, sich dieser Quellen zu bedienen und sich der Gefahr auszusetzen, sie misszuverstehen. Das ist eine Art von Berufsrisiko. Das einzige Gegenmittel ist Sachkenntnis und kritische Reflexion; in diesem Sinn wird im Folgenden verfahren. Die deutsch-polnischen Länderspiele haben dreimal in Deutschland, in Berlin, Breslau und Chemnitz, stattgefunden und zweimal in Polen, jeweils in Warschau. Jedes Spiel war praktisch ausverkauft, mitunter geradezu überlaufen: 34.500 Zuschauer waren es in Berlin, 45.000 in Breslau und 60.000 in Chemnitz, in Warschau 24 Hans Bohrmann (Hg.). NS-Presseanweisungen, Bd. 2. München/New York/London/ Paris 1985, S. 355, und Bd. 6/III, S. 860). Bei einer anderen Gelegenheit (Bd. 4/III, S. 1376) wurde den Journalisten bedeutet, dass sie internationale Fußballspiele „auch vom Politischen aus betrachten“ müssten. 25 Das weist anhand der Zeitschrift Der Kicker nach Claudia Kaiser, „Lustig im Winde“, in: Markwart Herzog (Hg.), Fußball zur Zeit des Nationalsozialismus. Stuttgart 2008, S. 183 – 194. Ergänzend dazu in demselben Sammelband Erik Eggers, „Deutsch wie der Sport“, S. 161 – 181. 26 Das ist mein Eindruck nach der Lektüre der Spielberichte in Die Fußball-Woche, Völkischer Beobachter, Der Angriff und Berliner Tageblatt.

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wurde das Stadion erweitert, um die Rekordzahlen von 32.000 und 40.000 Menschen unterbringen zu können. Die Publikumsresonanz war groß und lebhaft, die Interessenten kamen zum Teil von weit her mit Sonderzügen. Der Zuspruch wurde von den Veranstaltern gefördert durch niedrige Eintrittspreise und verbilligte Eisenbahnfahrkarten. Beim Spiel in Berlin (1933) kostete die Eintrittskarte nur 1 RM und 1934 wurde die Fahrkarte für eine Hin- und Rückfahrt zwischen Ostpreußen und Warschau für 10 RM angeboten.27 Die Fußball- und Reiselust der Deutschen war so groß, dass 1934 mehr Touristen in Warschau erschienen als Eintrittskarten verfügbar waren – die Überzähligen begnügten sich mit der Besichtigung der Stadt. 1936 haben findige Geschäftsleute solch einer Kalamität vorgebeugt, indem sie mehrere Tausend gefälschter Eintrittskarten in Umlauf brachten. Infolgedessen war das Stadion überfüllt und die Zuschauer standen bis an den Spielfeldrand.28 Das war zwar eine organisatorische Panne, aber sie zeugte davon, dass die deutsch-polnischen Begegnungen populär waren und nicht von Zurückhaltung oder gar Feindseligkeit unter dem Publikum beeinträchtigt wurden. Unabhängig davon ist zu beachten, dass der massenhafte Zustrom zu Fußballspielen seit 1919 im Trend der Zeit lag und nicht erst durch den Nationalsozialismus ausgelöst worden ist.29 Das NS-Regime förderte jedoch die Entwicklung, indem es große Sportanlagen errichtete – die Stadien in Breslau und Chemnitz sind aufwändig umgebaut worden und wurden durch die Spiele gegen Polen eingeweiht – und indem es das Zeremoniell bei Beginn der Spiele – Musik, Fahnen, Hymne – ausgestaltete.30 Im Falle Polens hatte das Zeremoniell seine besondere Wirkung. Die Gäste nahmen die Tatsache, dass ihre Nationalfarben und die Hymne 1933 in Berlin öffentlich gezeigt wurden, einigermaßen bewegt zur Kenntnis. Die Kattowitzer Zeitung „Polonia“ wollte es kaum glauben, dass eine „hitlersche SS-Kapelle die polnische Nationalhymne spielte“ und die Menge sich erhob, „die Männer das Haupt entblößten, die Militärs salutierten“.31 Solche Ehrenbezeigungen hatten die Polen bis dato vermisst und das Fußballspiel erhielt durch diesen Akt der Reverenz eine gesellschaftliche Bedeutung, die über das Sportliche weit hinausging. Ähnliche Erfahrungen machten die Deutschen 1934 in Warschau, wo sie Hakenkreuzfahnen und Deutschland- wie Horst Wessel-Lied empfingen. Dabei stellte 27

Völkischer Beobachter (7. 12. 1933): „Rund 32000 RM Einnahmen bei DeutschlandPolen“; PA Warschau 30 (darin anonymer ostpreußischer Zeitungsausschnitt vom 31. 8. 1934: „Für 10 RM zum Länderspiel.“). 28 Völkischer Beobachter (10. 9. 1934) erwähnt, aus Ostpreußen seien 2.000 Personen ohne Eintrittskarten nach Warschau gefahren. Zu 1936 siehe Th. Urban, Schwarze Adler, S. 65 f., und Andrzej Gowarzewski, Biało-czerwony, Bd. 1. Katowice 1991, S. 130. 29 Dazu Rudolf Oswald, „Fußball-Volksgemeinschaft“. Frankfurt a. M./New York 2008, S. 95 f., wo vom „Aufschwung des Fußballs als Konsumentensportart“ gesprochen wird. 30 R. Oswald, „Fußball“, S. 137 ff. Zum Stadionbau siehe Werner Skrentny, Die Stadionbauten der NS-Zeit, in: L. Peiffer/D. Schulze-Marmeling (Hg.), Hakenkreuz, S. 142 – 152. 31 Mitgeteilt in Die Fußball-Woche (6. 12. 1933), S. 6; ferner Berliner Tageblatt (4. 12. 1933): das „Ertönen der polnischen Nationalhymne“ sei für die Gäste der Höhepunkt gewesen.

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sich aber auch ein Hauch von Rivalität ein. Ein polnischer Zeitzeuge berichtet, es sei für ihn ein Schock gewesen, als im Stadion die deutsche Hymne erklang und „einige tausend Hakenkreuzfähnchen, einige tausend Hände zum Hitlergruß erhoben wurden“ und das „Deutschland, Deutschland über alles“ erschallte. Auf diesen „erschütternden Eindruck“ hätten die Polen im Stadion geantwortet, indem sie ihre Hymne mit „ungewohnter Hingabe“ sangen, „wie ich es noch nie gehört hatte“.32 Das war ein spannungsvoller Auftakt, den die Deutschen bewusst herbeigeführt hatten, denn das massenhafte Zeigen des Hakenkreuzes und Hitlergrußes kann nur als vorbereitete Demonstration verstanden werden. Der Rolle eines einfühlsamen Gastes entsprach das nicht. Ähnliches trifft auf die Schlussszenen zu. Nach dem Abpfiff stürmten Hunderte deutscher Schlachtenbummler mit Hakenkreuzfahnen und Sieg Heil-Rufen auf das Spielfeld, um die eigenen Spieler auf den Schultern davonzutragen. Die Polen nahmen es anscheinend gelassen hin.33 Verständlicherweise galt die besondere Aufmerksamkeit den beiden ersten Spielen. Sie fanden in den Hauptstädten statt und wurden nicht nur als sportliches, sondern auch als politisches Ereignis angesehen. Die Fußball-Woche stellte sie 1934 expressis verbis „in außenpolitische Zusammenhänge“ und erhob sie zur „Manifestation freundschaftlich-nachbarlichen Zusammenarbeitens zwischen zwei Nationen …, von denen man glaubte, sie hätten nur Gegensätzlichkeiten“.34 Beim Berliner Spiel wurde der politische Bezug dadurch verstärkt, dass zur zweiten Halbzeit der Minister Goebbels neben dem Reichssportführer und dem polnischen Gesandten auf der Tribüne Platz nahm. Sein Erscheinen besiegelte sozusagen den außerordentlichen Charakter des Spiels. In Warschau ist es übrigens nicht zu einem vergleichbaren Auftritt gekommen. Nach den deutschen Presseberichten herrschte in den Stadien eine Stimmung der Gastfreundschaft und des gegenseitigen Respekts. Anlässlich des Warschauer Spiels von 1934 teilte der Völkische Beobachter mit, dass die polnischen Journalisten sich ihrer deutschen Kollegen „in geradezu kameradschaftlicher Weise annahmen“ und im Stadion „das Publikum absolut neutral war und gute Leistungen der Deutschen ebenso beklatschte wie die der Polen“. Ein anderer Reporter wollte eine „Gastfreundschaft des Herzens“ erlebt haben, „so etwas spürt man bekanntlich!“35 In diesen betont positiven Berichten verblasste der vorangegangene Hymnenstreit zu einem begeisterten Gesang froh gestimmter Menschen.

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A. Gowarzewski, Biało-czerwony, S. 108, außerdem Rudolf Herrnstadts Bericht „Tradition des Sieges. Zum Fußballkampf Deutschland-Polen“ in: Berliner Tageblatt (12. 9. 1934). 33 Berliner Tageblatt (10. 9. 1934): „Mit 5:2 gewonnen!“ Schon beim Berliner Spiel sind abschließend viele Zuschauer auf den Platz gelaufen, haben die Nationalhymne gesungen und Minister Goebbels „nicht enden wollende Heilrufe“ dargebracht, siehe Völkischer Beobachter (5. 12. 1933): „Deutschlands 1:0 gegen Polen“. 34 Die Fußball-Woche (3. 9. 1934), S. 2. 35 Völkischer Beobachter (10. 9. 1934): „Deutschland schlägt Polen 5:2“; Die FußballWoche (10. 9. 1934), S. 3.

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Der polnischen Mannschaft wurde in der Regel von den deutschen Journalisten Anerkennung gezollt. Besonders 1933 war das „ausgezeichnete Spiel unserer Gäste“ eine „Bombenüberraschung“, es wurde sogar eingeräumt, dass ihre Mannschaft „im Spiel gegen die deutsche den besseren Zusammenhang“ aufwies.36 Das war eine Warnung für die kommenden Spiele, und obwohl Deutschland bis 1938 viermal gewonnen hat, ist die Bilanz kritisch zu betrachten. Zwei Spiele wurden nur knapp 1:0 gewonnen (1933, 1935), eins ging unentschieden aus (1:1 1936) und zwei brachten deutliche Siege (1934 5:2, 1938 4:1). Jedoch fällt beim Spiel von 1934 auf, dass die polnische Mannschaft lange Zeit 2:1 führte und erst in den letzten zwanzig Minuten einem deutschen Schlussspurt erlag. Wahrscheinlich sind dabei auf Seiten des Siegers gewisse Regieanweisungen im Spiel gewesen: was der Sportreporter als seinen Eindruck schilderte – „unsere Mannschaft erlegte sich eine gewisse Zurückhaltung auf …, sie wollte unter allen Umständen [einen guten] Eindruck machen“ –, das bestätigte der deutsche Gesandte, nämlich dass der Mannschaft „zur Pflicht gemacht worden [sei], in erster Linie ein schönes und ritterliches Spiel zu liefern und nur in zweiter Linie an den Sieg zu denken“.37 Interessant ist, dass auf polnischer Seite der entglittene Sieg einem tiefer liegenden, psychologischen Manko zugeschrieben wurde. „Der eigentliche Grund unserer Niederlage ist nicht das Pech“, schrieb die Warschauer Gazeta Polska, „sondern der Mangel einer Siegestradition. Unseren Mannschaften fehlt der Glaube an ihre eigene Kraft“.38 Dem wäre insofern beizupflichten, als die Deutschen vor ihren Spielen gegen Polen immer mit deutlichen Siegen rechneten. Sie wurden darin freilich einige Male enttäuscht und hatten danach Mühe, sich die mageren Ergebnisse zu erklären. Mitunter spielte ihnen wohl ihre Großmachtattitüde einen Streich, denn 1935 trugen sie zwei Länderspiele gleichzeitig aus: außer Polen war auch Estland der Gegner (es unterlag mit 0:5), es wurden also zwei Nationalmannschaften aufs Feld geschickt. Hinzu kam, dass zum selben Zeitpunkt (15. September 1935) der NSDAPParteitag in Nürnberg stattfand und dort ein Spiel des Fußballmeisters Schalke 04 gegen eine Kombination der Vereine 1. FC Nürnberg und Spielvereinigung Fürth angesetzt war, mit der Folge, dass mehrere Spitzenspieler nicht für die Nationalmannschaft verfügbar waren.39

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Die Fußball-Woche (4. 12. 1933), S. 4, 12. Die Fußball-Woche (10. 9. 1934), S. 4; PA Warschau 30: von Moltke an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 17. 9. 1934. Die Anweisung dürfte von der Reichssportführung gekommen sein. 38 Diese und andere polnische Pressestimmen teilte der Gesandte als Anlage zu seinem Bericht mit, siehe Anm. 37. Die polnische Selbstkritik erwähnt auch das Berliner Tageblatt (12. 9. 1934), siehe Anm. 32. 39 Stefan Goch, Schalke 04, in: L. Peiffer/D. Schulze-Marmeling (Hg.), Hakenkreuz, S. 410. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der DFB seit 1933 bestrebt war, einen großen Kader für die Nationalmannschaft zu haben, und dafür auch ein umfangreiches Spielprogramm auflegte. 37

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Ein durchgängiges Charakteristikum der Spiele war, dass ihnen aus deutscher Sicht stets sportliche Fairness bescheinigt wurde. Nach der ersten Begegnung rühmte die Fußball-Woche, „vorbildlich das Auftreten beider Mannschaft, die so fair miteinander verfuhren, dass es … nicht zu einer einzigen unliebsamen Szene kam“. Auch der Völkische Beobachter fand das Spiel „vorbildlich fair“, und ebenso zeigte sich der Reichssportführer von Tschammer und Osten befriedigt von „der fairen und ritterlichen Art“ des Spiels.40 Das setzte sich bei den folgenden Spielen fort, und das verdient betont zu werden. Denn der jeweilige Spielverlauf war keineswegs frei von Emotionen, wie schon erwähnt gab es mitunter demonstrative Aktionen und hochgespannte Erwartungen. 1936 soll in Polen vor dem Spiel die „Atmosphäre eines wahrhaft ,heiligen Krieges‘“ bestanden haben.41 Doch wenn es so weit war, behielt der Sportsgeist die Oberhand. Von einer Urfeindschaft zwischen beiden Nationen war hier nichts zu sehen. Es bleibt noch hinzuzufügen, dass in die positive Bewertung die einzelnen Spieler einbezogen wurden. Auf polnischer Seite beachteten die deutschen Journalisten besonders den Verteidiger Henryk Martyna, der ob seiner Figur und Spielstärke den Titel „polnische Eiche“ erhielt. 1934 fiel der noch jugendliche Ernst Willimowski auf, der als Könner modernster Schulung gelobt wurde. Er stand auch 1938 in der polnischen Elf, die damals zu drei Vierteln aus oberschlesischen Spielern bestand, die nach der Annexion ihrer Heimat durch NS-Deutschland von 1939 bis 1944 für deutsche Vereine spielberechtigt wurden; Willimowski gelangte sogar in die deutsche Nationalmannschaft.42 Auf deutscher Seite hatte das Spiel von 1938 ebenfalls einen eigentümlichen Anstrich. Ein halbes Jahr nach dem Anschluss Österreichs gelang der Kombination aus deutschen und österreichischen Spielern ein Sieg, was wenige Wochen vorher während der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich gründlich misslungen war. „Der erste großdeutsche Sieg!“ hieß es in der Presse erleichtert, und die Festigung der neuen Sportgemeinschaft wurde dadurch unterstrichen, dass der Wiener Pepi Stroh und der Dresdner Helmut Schön gleichermaßen im Angriff glänzten.43 Dieser Erfolg steht jedoch vor einem zwielichtigen Hintergrund. Hitler hat 1938 begonnen, die Landkarte Mitteleuropas zu verändern. Österreich war gefallen, die Tschechoslowakei war akut bedroht und Polen kam ebenfalls ins Visier. Es klang etwas ominös, als der Völkische Beobachter dem Chemnitzer Spiel die Funktion verlieh, „ein sichtbares Zeichen auch weiterhin bestehender guter Beziehungen 40

Die Fußball-Woche (4. 12. 1933), S. 11; Völkischer Beobachter (5. 12. 1933): „Deutschlands 1:0 gegen Polen“; Deutsche Allgemeine Zeitung (3. 12. 1933): „Der Reichssportführer über Deutschland-Polen“. 41 A. Gowarzewski, Biało-czerwony, Bd. 1, S. 130). Die Emotionen des Publikums von 1934 schildert Herrnstadt, siehe Anm. 32. 42 Die Fußball-Woche (16. 9. 1935) über Martyna (der übrigens in Polen den Spitznamen „Fässchen“/barylka hatte) und (12. 9. 1934) über Willimowski; über die polnischen Nationalspieler aus Oberschlesien siehe Th. Urban, Schwarze Adler, S. 48. 43 Die Fußball-Woche (19. 9. 1938): „In Chemnitz: Zum 5. Male gegen Polen“.

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zwischen Deutschland und Polen“ zu sein – war es bekräftigend oder warnend gemeint?44 Vermutlich eher warnend, denn die deutsch-polnische Freundschaft war seit 1936 nicht so ungetrübt, wie es nach außen hin den Anschein hatte. Das hing damit zusammen, dass sich Polen Hitlers Plänen entzog und nicht auf ein militärisches Bündnis, das sich gegen die Sowjetunion richten sollte, einließ. Hitler wollte bekanntlich für Deutschland Lebensraum in Osteuropa erobern und brauchte deshalb Polen als Bundesgenossen, der ihm die Aufmarschfläche im Osten bieten sollte. Im Interesse seiner eigenen Sicherheit lehnte Polen solch eine Bindung ab und trat Ende 1936 nicht dem Antikominternpakt bei, den Deutschland und Japan mit antirussischer Spitze geschlossen hatten. Statt dessen bemühte es sich, sein Verhältnis zu Frankreich wieder zu beleben und Deutschlands Bestreben, einen Vertrag über die Behandlung der beiderseitigen Minderheiten abzuschließen, auf Distanz zu halten. All das sollte keineswegs die Verständigung vom Januar 1934 außer Kraft setzen, aber es lief doch auf den Versuch hinaus, das Verhältnis zu Berlin in eine Balance mit den Beziehungen zu anderen Staaten zu bringen. Für die Nationalsozialisten kam das einem unfreundlichen Akt nahe, und Goebbels notierte Anfang März 1937 ingrimmig: „Und unsere Freunde sind die Polen auch keineswegs. Da dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben.“45 Wie gezeigt war der lebhafte deutsch-polnische Sportverkehr ein Kind politischer Konjunkturen und so musste sich der Wandel des politischen Klimas auch in dieser Hinsicht bemerkbar machen. Es fällt auf, dass die Bilanz der sportlichen Länderkämpfe zwischen Deutschland und Polen 1937 auf zwei absank und neben 1935 und 1938 (jeweils acht Länderkämpfe) einen Tiefpunkt darstellte.46 Davon war auch der Fußball betroffen. In der Reihe der jährlichen Begegnungen von 1933 bis 1938 klafft 1937 eine Lücke. Die Länderspiele sind 1933 und 1935 jeweils im Zweierpack, also mit einem Rückspiel vereinbart worden, dabei ist der Spieltermin seit 1934 in den Monat September gelegt worden.47 1937 ist der Abschluss eines dritten Zweierpacks unterblieben, und Deutschland hat den gewohnten September-Termin gar nicht besetzt, dagegen Polen hat am 12. September 1937 in Warschau gegen Dänemark gespielt, übrigens unter Leitung des deutschen Schiedsrichters Alfred Birlem.48 Es ist natürlich möglich, dass das „fehlende“ Spiel irgendwelchen organisatorischen Problemen zum Opfer gefallen ist, die müssten dann aber wie die politischen Gründe auf deutscher Seite gelegen haben, da Polen ja zum üblichen Zeitpunkt spielte. 1938 44

Völkischer Beobachter (19. 9. 1938): „Verdienter 4:1-Sieg“. [Goebbels] Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I, Bd. 3/2. München 2001, S. 32 (3. 3. 1937). 46 H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 131. Teichler hat für seine Statistik zwölf Sportarten erfasst, darunter auch Fußball. 47 Der Angriff (9. 11. 1933) meldete, dass das Rückspiel in Polen bis zum 15. 10. 1934 stattfinden sollte. 1934 erwähnte der deutsche Gesandte, dass die Fußballverbände eine jährliche Wiederholung der Spiele beschlossen hätten, siehe seinen in Anm. 37 genannten Bericht. 48 A. Gowarzewski, Biało-czerwony, S. 138. Am Rande sei angemerkt, dass deutsche Schiedsrichter, vor allem Bauwens und Birlem, von 1923 bis 1938 vierzehn Länderspiele mit der polnischen Mannschaft geleitet haben. 45

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war Deutschland bereit, die Serie der Spiele fortzusetzen, als Gastgeber in Chemnitz hat es dazu wahrscheinlich die Initiative ergriffen. Die internationale Unruhe, die Hitlers Vorgehen gegen Österreich und die Tschechoslowakei auslöste, musste ein gutes Verhältnis zu Polen erneut wertvoll machen. Das Spiel am 18. September 1938 konnte anzeigen, dass Polen Deutschlands Position in der Sudetenkrise deckte.49 In Wirklichkeit führte die neue internationale Lage dazu, dass dieses Spiel das letzte war und der Termin für ein denkbares Rückspiel – September 1939 – bereits in den Krieg fiel.

V. Sport, Politik und Nachbarschaft Bisher haben wir den Blick auf die Fußball-Länderspiele gerichtet und sie als ein Mittel verstanden, mit dem die Regierungen den verbesserten Beziehungen zwischen Deutschland und Polen einen Ausdruck verleihen wollten. Es versteht sich aber, dass die deutsch-polnischen Fußballtreffen nicht auf die nationale Ebene beschränkt waren. Recht beliebt waren zum Beispiel Städtespiele wie Berlin-Krakau, BreslauPosen oder Breslau-Lemberg. Das Spiel Warschau-Leipzig (31. 5. 1934, 5:0 für Warschau) fand einige Beachtung, weil es polnischerseits als Generalprobe für das Länderspiel am 9. September gedacht war und deutscherseits als peinliche Überraschung erlebt wurde. Die Leipziger hatten ihren Gegner unterschätzt und eindeutig den Kürzeren gezogen. Der deutsche Gesandte rügte ihren Leichtsinn und merkte vorwurfsvoll an: „Das sportliche Selbstgefühl der Polen ist durch den Sieg sehr gehoben worden.“50 Auf andere Weise überraschend war das Spiel Krakau-Berlin (11. 6. 1935, 2:0 für Berlin). Der Krakauer Konsul gehörte zu den deutschen Diplomaten, die 1933 gemeint hatten, dass von Sportkämpfen mit deutscher Beteiligung abgesehen werden sollte, und nun konnte er berichten, dass die Berliner freundlich empfangen und nach dem Spiel vom Ortskommandanten, General Mond, auf einem Empfang in polnischer und deutscher Sprache begrüßt worden seien. Zwei Jahre später gewann Berlin abermals in Krakau und die Fußball-Woche meldete, die Gäste hätten dank ihrer guten Leistung sogar die einheimischen Zuschauer auf ihrer Seite gehabt.51

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Auch Polen war zu dieser Zeit bemüht, sein Verhältnis zu Deutschland auszubauen, allerdings ohne dauerhaften Erfolg, siehe Stanisław Z˙ erko, Stosunki polsko-niemieckie 1938 – 1939. Poznan´ 1998, S. 66 ff. Die Sudetenkrise endete mit dem Münchener Abkommen vom 29. 9. 1938. 50 PA Warschau 30: von Moltke an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 8. 6. 1934. Abgesehen vom Spielergebnis bewertete Moltke den Auftritt der Deutschen in Warschau aber als positiv. 51 PA Warschau 30: Konsul in Krakau an die Gesandtschaft, 8. 9. 1933, derselbe an das Auswärtige Amt, 11. 6. 1935; Die Fußball-Woche (21. 6. 1937), S. 12: „3:1 gegen Krakau gewonnen“.

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Die Unannehmlichkeiten, vor denen die Diplomaten gewarnt hatten, sind am ehesten bei Spielen auf der Vereinsebene zu erwarten gewesen. Unsportliche Attacken während des Spiels, Benachteiligung durch den Schiedsrichter und deutschfeindliche Stimmungsmache vor Ort, das waren Beobachtungen, die deutsche Vereine in der Industriestadt Lodz machen konnten. Hier war es nicht zuletzt die jüdische Bevölkerung, der die Anwesenheit deutscher Sportler anstößig war und die einen Boykott der Spiele betrieb. Doch dagegen verwahrten sich wiederum andere Kreise, so dass dem Sport Genüge getan werden konnte.52 Eine spezifische Bedeutung hatten Spiele im grenznahen Bereich, wo einen Teil des Publikums die deutsche Minderheit bildete. Nach der Verständigung auf Regierungsebene kam es 1934/35 zu vielen Begegnungen, denn offensichtlich haben deutsche Vereine gerne Einladungen nach Polen angenommen. Es hat ihnen auch nicht viel ausgemacht, wenn sie auf dem Sportplatz unterlagen. So hat Viktoria Schneidemühl 1934 zwei Spiele in Bromberg verloren, 1935 eins in Thorn, vermutlich ohne sonderliche Gewissensbisse darüber, dass ihre Leistungen keine Werbung für Deutschland waren. Wer sich darüber aufregte, war der zuständige Konsul, der es nicht verstand, weshalb die Sportbehörden im Reich nicht dafür sorgten, dass siegesfähige Mannschaften nach Polen kämen. Im allgemeinen würden die Polen die Deutschen als überlegen ansehen, schrieb er, und es liege „wahrlich nicht im deutschen Interesse, dieses Gefühl der Unterlegenheit dem Polen zu nehmen“. Leichte und hohe Siege auf dem Sportplatz trügen dazu bei, dass das polnische Selbstvertrauen wächst.53 Das amtliche Missvergnügen gipfelte 1936 im Versuch des schlesischen Oberpräsidenten, die Spiele zwischen grenznahen reichsdeutschen und polnischen Vereinen ganz zu unterbinden, „da sie unserer nationalpolitischen Arbeit Abbruch tun“. Stattdessen sollten aus Polen nur noch „einwandfrei volksdeutsche Spiel- und Sportvereine“ herangezogen werden. Diese rigorose Forderung stieß sogar beim Thorner Generalkonsul auf Widerspruch, weil sie die polnischen Behörden zu amtlichen Retorsionen veranlassen würde, und das Auswärtige Amt hat den Breslauer Vorstoß dahingehend abmildern können, dass nicht der Verkehr mit polnischen Vereinen verboten, sondern der Verkehr zwischen reichs- und volksdeutschen Vereinen gefördert werden sollte. Trotzdem war der Vorfall ein Beleg dafür, wie hitzig mitunter die Geschäfte beiderseits der Grenze betrieben wurden.54

52 PA Warschau 202: Konsul in Lodz an das Auswärtige Amt, 15. 4. 1936, sowie deutsche Übersetzung aus Illustrowany Kurier Codzienny (11. 4. 1936), wo die Boykottaufrufe gegen ein Spiel Lodzki Klub Sportowy gegen Holstein Kiel (1:0 für die Einheimischen) gerügt werden. 53 PA Warschau 29: Passstelle Bromberg an Generalkonsulat Posen, 5. 4. 1934 (Zitat); PA Warschau 30: Konsulat Thorn an das Auswärtige Amt, 26. 4. 1935. Die angefochtene Kontrolle der Reichssportbehörde über den Sportverkehr ins Ausland erwähnt auch H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 143 f. 54 PAWarschau 202: Oberpräsident in Breslau an den Generalkonsul in Thorn, 12. 10. 1936, und Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt, 4. 11. 1936; PA R 104270: Vermerk Bergmann, 9. 4. 1937. Eine andere Interpretation bei H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 144 f., der meint, das Auswärtige Amt hätte sich dem Breslauer Oberpräsidenten angeschlossen.

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Das Thema dieses Aufsatzes ist zwar der Fußball, aber um zu zeigen, dass er nicht allein stand als Hilfsmittel der deutsch-polnischen Beziehungen, sei kurz auf einige andere Sportarten eingegangen. Beginnen wir mit den Reitern. Bei ihnen ist der politische Einfluss auf ihr Verhalten deutlich zu beobachten. Seit 1927 hatten sich die Polen um eine deutsche Beteiligung am Warschauer Reitturnier bemüht und waren nur auf Ablehnung gestoßen. Die Sportreiterei war damals an die militärische Kavallerie angelehnt und pflegte noch die aus dem Ersten Weltkrieg herrührenden Animositäten. Viele Reiter waren Offiziere und weigerten sich selbst zehn Jahre nach Kriegsende, in Ländern zu starten, „die zu unsern Feinden im Kriege gehörten oder jetzt zu diesen zu rechnen sind“ – so 1928 ihre Reaktion auf eine Anfrage aus Warschau.55 Das änderte sich plötzlich 1933 und im Juni 1934 waren die Deutschen in Warschau mit von der Partie. Sie errangen große Erfolge: sieben Siege in zwölf Konkurrenzen, darunter der „Preis des Marschalls“, gestiftet vom polnischen Oberkommandierenden Josef Pilsudski. Der Marschall war selbst erschienen, um den Preis zu überreichen, er unterhielt sich mit den deutschen Reitern und bewunderte ihr reiterliches Können. Der deutsche Militärattache gefiel sich danach in der Hoffnung, dass das Turnier „in Polen die Erkenntnis vom inneren Wert der deutschen Armee, ja vom Wert Deutschlands überhaupt“, vorangebracht habe. Der Kontakt wurde fortgesetzt, 1935 wurden die Polen nach Aachen eingeladen, 1938 waren die Deutschen wieder in Warschau.56 Ein anderes Betätigungsfeld der deutsch-polnischen Sportsfreundschaft betraten die Radrennfahrer. Sie einigten sich 1934 über eine Fernfahrt Berlin-Warschau, die über fünf Etappen führte und am Schluss vier deutsche Fahrer auf den vordersten Plätzen der Wertung sah.57 Dem polnischen Verband, der sich mit der Organisation seines ersten internationalen Rennens viel Mühe gegeben hatte, unterlief zum Schluss ein Missgriff. Er hatte in Warschau die deutschen Fahrer in einem Eisenbahnerheim einquartiert, das einer sozialistischen Gewerkschaft gehörte. Dort angekommen, gab es keine Zimmer, statt dessen eine Demonstration Jugendlicher, die aus dem Gebäude kamen, Plakate hoch hielten und die Internationale sangen, es flogen sogar Steine. Es blieb nur der schleunige Rückzug. Die Gastgeber entschuldigten sich vielmals und die Deutschen verabschiedeten sich anderntags in Frieden, nachdem sie am Grabmal des unbekannten Soldaten einen Kranz nieder-

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PA Warschau 29: Freiherr von Holzing-Berstett an Rauscher, 23. 6. 1928; desgleichen Graf von Westphalen an denselben, 5. 4. 1929: die Mehrheit der deutschen Reiter lehne den Verkehr mit ihren französischen, belgischen und englischen, also auch mit den polnischen Kollegen ab. 56 PA Warschau 30: [Militärattaché an das Auswärtige Amt, 15. 6. 1934]. Für die weiteren Kontakte PA R 104270: Reichskriegsministerium an das Auswärtige Amt, 10. 12. 1937 (Teilnahme 1938); [Jan Szembek] Diariusz i teki Jana Szembeka 1935 – 1945, Bd. 1. London 1964, S. 274 (über Einladung nach Aachen). 57 Völkischer Beobachter (22. 8. 1934): „Deutsche und polnische Straßenfahrer in großem Kampf“; die Ergebnisse in der Ausgabe vom 28. 8. 1934.

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gelegt hatten.58 Das Etappenrennen wurde 1935 und 1936 wiederholt, wobei noch einmal Steine und Bretter flogen, weil ein deutscher Fahrer im Rennen regelwidrig überholt hatte.59 In solchen Fällen blitzte etwas von der Spannung auf, die in Teilen der polnischen Bevölkerung vorherrschte, sobald es zur Begegnung mit Deutschen aus dem NS-Staat kam. Die Behörden und die Presse versuchten, die Leidenschaften zu zügeln, und aufs Ganze gesehen ist ihnen das auch gelungen. Zu den Sportlern, die sich häufig mit ihren polnischen Gegnern maßen, gehörten die Boxer. Länderkämpfe haben wiederholt stattgefunden, hinzukamen Begegnungen zwischen Städte- und Vereinsmannschaften. Bemerkenswert ist, dass die Berliner Staffel Anfang Januar 1934 noch vor Abschluss der deutsch-polnischen Erklärung über Gewaltverzicht in Posen antrat und verlor – sehr zum Leidwesen des deutschen Konsuls, der aber erstaunt anmerkte, dass das Hissen der Hakenkreuzfahne im Saal ruhig aufgenommen worden sei, das wäre „noch vor wenigen Monaten undenkbar gewesen“. Nicht minder korrekt und sieglos verlief 1937 der Vereinskampf von Heros Erfurt in Thorn beim Armeesportklub Gryf.60 Die Liste der Sportarten, die sich in den deutsch-polnischen Reigen einreihten, ließe sich noch um einiges fortsetzen: die Leichtathleten wären zu nennen, die Ruderer, die Turner. Ein besonderes Erlebnis wurde für die 5000 Zuschauer der Auftritt der deutschen Weltmeister im Eiskunstlauf, Maxi Herber und Ernst Baier, in Kattowitz. Deutsche und Polen vereinten sich im Beifall.61 Etwas bedenklich mutet dagegen die Teilnahme an der polnischen Internationalen Automobiltourenfahrt von 1938 an. Die deutschen Fahrer schnitten, obwohl zahlreich vertreten, schlecht ab, haben aber dennoch die Veranstaltung als sportlich und technisch wertvoll angesehen, weil die Autos „auf den schlechten polnischen Straßen einer Zerreißprobe unterzogen“ worden seien. Welchem Sportler mochte denn daran gelegen sein? Die Erklärung lautete: „An einer Beteiligung an der Internationalen polnischen Tourenfahrt war besonders die Wehrmacht interessiert.“62 Wir stoßen damit an die Grenze, die den friedlichen deutsch-polnischen Begegnungen gezogen worden ist. Nach längerem Zögern beendete Hitler April 1939 seinen Versuch, Polen außenpolitisch fester an sich zu binden. Die polnische Regierung hat es abgelehnt, auf die Generalbereinigung der beiderseitigen Beziehungen, die ihr Außenminister Ribbentrop im Oktober 1938 vorgeschlagen hatte, ein58 PA Warschau 30: Gesandtschaft an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 4. 9. 1934 (dort zwei polnische Zeitungsartikel, die über den Vorgang berichten). 59 C. Roschke, „Urfeind“, S. 96/Anm. 139. 60 PA Warschau 29: Generalkonsul in Posen an das Auswärtige Amt, 10. 1. 1934; PA Warschau 202: Generalkonsul in Thorn an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 8. 10. 1937. Hinweise auf die Boxländerkämpfe bei C. Roschke, „Urfeind“, S. 270 f. 61 PA Warschau 202: Generalkonsulat in Kattowitz an das Auswärtige Amt, 14. 2. 1939. 62 PA Nr. 104 270: Oberste Nationale Sportbehörde für die deutsche Kraftfahrt an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 20. 9. 1938; ferner H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 146.

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zugehen – der Vorschlag forderte unter anderem den Verzicht Polens auf Danzig und seinen Beitritt zum Antikominternpakt, bot aber auch die Verlängerung des Gewaltverzichts auf 25 Jahre an – und hat sich Ende März 1939 angesichts des deutschen Vorgehens gegen die Tschechoslowakei entschieden, ein Schutzbündnis mit England einzugehen. Daraufhin beschloss Hitler, Polen anzugreifen. Die Spannung nahm zu, als Polen am 23. März 1939 eine Teilmobilmachung seiner Truppen anordnete und Hitler am 28. April 1939 einseitig den Gewaltverzicht von 1934 aufkündigte.63 Das wirkte sich schnell auf den Sport aus. Ende Mai 1939 verbot die deutsche Sportführung erstmals Starts in Polen. Als Anlass nahm sie die Tennisbegegnung im Rahmen des Davispokals, die in Warschau einen spannenden und vom Publikum leidenschaftlich begleiteten Verlauf nahm. Beim Stand von 2:2 lag eine Sensation in der Luft und der deutsche 3:2-Sieg war knapp. von Tschammer behauptete, in Warschau sei der Sportplatz zum „Lärmplatz aufgeputschter politischer Leidenschaften“ geworden, und deshalb habe er mehrere deutsche Mannschaften, um sie vor Gefahren zu schützen, „von der Durchführung einiger sportlicher Kämpfe mit Polen entbunden“. Das hörte sich noch maßvoll an, doch in Wirklichkeit handelte es sich um eine komplette Absage des Sportverkehrs. Das Auswärtige Amt ließ am 2. Juni 1939 wissen, der Reichssportführer habe „alle Meldungen deutscher Mannschaften für Wettkämpfe in Polen rückgängig gemacht“.64 Das war das Ende einer Entwicklung, die 1933/34 recht überraschend begonnen hatte. Dazwischen lagen annähernd sechs Jahre, die ein vielgestaltiges Bild deutsch-polnischer Sportbegegnungen geboten haben. Unter dem beschirmenden Anschein politischer Vernunft ist es möglich gewesen, dass Hunderte von Sportlern miteinander in Kontakt traten und den staatlichen Beziehungen ein friedliches Aussehen gaben. Doch vergebens. Ihr Bemühen zerschellte an Hitlers Kampfansage vom 1. September 1939: „Seit 5.45 wird jetzt zurückgeschossen.“65

63 Zum Gang der deutsch-polnischen Beziehungen 1938/39 siehe St. Z˙ erko, Stosunki, und Gerhard Ludwig Weinberg, The Foreign Policy of Hitler’s Germany, Bd. 2. Chicago/London. 64 H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 148 ff.; PA Warschau 202: Auswärtiges Amt an die Botschaft in Warschau, 2. 6. 1939. Ähnlich schon die Presseanweisung vom 31. 5. 1939, siehe H. Bohrmann (Hg.), Presseanweisungen, Bd. 7/II, S. 522, sowie die Meldung vom 25. 4. 1939 (a.a.O. 393), wonach die deutsche Beteiligung an Sportveranstaltungen in Frankreich verboten worden ist. 65 Ergänzend sei nachgetragen, dass außer dem Sport auch die kulturellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Kontakte seit 1934 ausgebaut worden sind, um die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern, siehe dazu Bogusław Drewniak, Polen und Deutschland 1919 – 1939. Düsseldorf 1999, und Karina Pryt, Befohlene Freundschaft. Osnabrück 2010.

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B. Sport und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen 1933 – 1939

VI. Ein verfehlter Versuch? Angesichts dessen, was seit September 1939 in Polen geschah, ist das Urteil über Wert oder Unwert der vorangegangenen deutsch-polnischen Sportbeziehungen naheliegend: vergebens und gescheitert. Im größeren historischen Kontext leuchtet solch ein Urteil ein, und damit verlören diese Beziehungen eigentlich an Interesse. Aber das wäre voreilig. Es hat sie gegeben, und da jedes historische Phänomen seinen Eigenwert hat, verdienen sie es, um ihrer selbst willen gewürdigt zu werden. Deshalb seien noch einige Betrachtungen angeschlossen, die die Eigenart und Schwierigkeit sportlicher Beziehungen zwischen Deutschland und Polen reflektieren wollen. Zunächst ist einmal mehr daran zu erinnern, dass die Nationalsozialisten seit 1933/34 den Sport als ein Mittel der Sympathiewerbung für sich benutzt haben. Im Ausland wurde viel Kritik am nationalsozialistischen Deutschland geübt, eine Boykottbewegung gegenüber Personen und Waren, die aus Deutschland kamen, breitete sich aus und es zeichnete sich als möglich ab, dass der Boykott auch die Olympischen Spiele, die 1936 in Berlin stattfinden sollten, erfassen könnte. Da war es dringend geboten, jedes Mittel zu ergreifen, das geeignet war, den Bann einer internationalen Isolierung zu durchbrechen. Und der Sport gehörte dazu. Das hat der Reichssportführer von Tschammer und Osten oft betont, so im Herbst 1933, als er sagte, dass „in dieser schwierigen Zeit der Sport die Möglichkeit habe, Adolf Hitlers Aufgaben zum Teil mitzulösen, indem er seine ausländischen Sportbeziehungen in vorbildlicher Weise pflege“.66 In diesen Dienst hat er sich auch selbst gestellt, indem er ins Ausland reiste und mit einiger Eloquenz seine Ansicht über das Verhältnis zwischen Sport und Politik darlegte. „Politische Geschäfte kann man mit dem Sport nicht machen“, behauptete er 1935 in Paris, aber da Sport das Verstehen der Völker untereinander durch direkte Begegnungen fördere, werde mit ihm freilich „auch eine politische Wirkung erzielt“. Letzten Endes lief diese Wirkung für von Tschammer darauf hinaus, überall „im friedlichen Kampf der Völker … das deutsche Prestige zu wahren und zu fördern“.67 Sport war also die Einleitung der Politik mit anderen Mitteln, daraus wurde kein Hehl gemacht. Wenn wir nun Polen als Partner der NS-Sportpolitik nehmen, ist zunächst zu fragen, inwieweit dies Land geeignet war, der deutschen Suche nach Entspannung und Erfolg dienlich zu sein. Über die politischen Gründe, die das Wohlwollen dieses Landes erstrebenswert machten, haben wir bereits gesprochen. In sportlicher Hinsicht gab es zunächst keinen entsprechenden Anreiz. Als Sportnation ist Polen 1918/ 19, nach seinem staatlichen Wiedererstehen, sichtbar geworden und gehörte zu den Neulingen, die mit vielen Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen hatten. Eine auf 66 Märkisches Tageblatt (20. 11. 1933): „Der Reichssportführer sprach in Leipzig“ (Ausschnitt in Bundesarchiv Berlin: R 8034 III Nr. 476). 67 H. Bohrmann (Hg.), Presseanweisungen, Bd.3/II, S. 805; Völkischer Beobachter (4. 9. 1937): „Der Weg zum Volk in Leibesübungen.“ Zu Tschammers internationaler Aktivität siehe H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 140, 158).

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nationaler Ebene organisierte Sportbewegung war dort jungen Datums und eine nachhaltige staatliche Sportförderung begann erst 1927.68 In der Praxis bedeutete das, dass Verbände und Vereine organisatorisch wie finanziell schwach aufgestellt und ihre Mitgliederzahlen relativ niedrig waren. So hatte der Deutsche Fußball-Bund Ende 1932 etwa 1 Million Mitglieder, der polnische Verband PZPN kam 1930 auf 33.582 Mitglieder und 1938 sollen es 100.000 gewesen sein.69 Das schloss freilich nicht aus, dass die Polen von Fall zu Fall erfolgreicher waren als die Deutschen. Dafür lieferte die Olympiade von 1936 ein Beispiel. Während die deutsche Fußballmannschaft bereits im zweiten Spiel gegen Norwegen ausschied, erreichte ihr polnisches Pendant das Halbfinale und belegte den 4. Platz. Im selben Jahr trennten sich beide Nationalmannschaften bekanntlich 1:1, waren also gleichauf. Auch sonst fehlte es bei Spielen zwischen Städten und Vereinen nicht an polnischen Siegen, wir erwähnen Warschau – Leipzig 5:0 und Krakau – Berlin 1:0 (1934), Lemberg – Breslau 1:0 (1935), oder auf der Vereinsebene Klub Sportowy Lodz’ – Minerva Berlin 2:0 (1934) und Torunski SK – Viktoria Schneidemühl 4:3 (1935). Es war deshalb verständlich und berechtigt, wenn 1939 ein deutsches Urteil dahingehend lautete: „Die Polen sind ohne Zweifel begabte Sportler. Sie sind körperlich gut gebaut, zäh und besitzen einen staunenswerten Kampfgeist.“70 Mit andern Worten: die polnischen Sportler haben dem deutschen Prestigebedürfnis öfters einen Strich durch die Rechnung gemacht und sich als gleichrangig erwiesen. Doch es gibt auch die andere Seite der Medaille, auf der das größere Potential, über das die deutsche Sportbewegung verfügte, zur Geltung gekommen ist. 1934 siegten die deutschen Reiter in sieben von zwölf Wettbewerben, im selben Jahr entschieden die deutschen Frauen einen Leichtathletik-Länderkampf mit 66:35 Punkten für sich und die Radfahrer belegten bei der Fernfahrt Berlin-Warschau die ersten vier Plätze, 1938 haben deutsche Ruderer in Bromberg zwölf von vierzehn Rennen gewonnen – das waren Siegesserien, die den Sinn für Sportsfreundschaft bei den polnischen Gastgebern etwas strapazierten. Es überrascht deshalb nicht, dass bei der Regatta in Bromberg der Beifall für die Deutschen abflaute oder an andrer Stelle offen davor gewarnt wurde, sich als Kanonenfutter für die siegeshungrigen Deutschen herzugeben.71

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Der Bund polnischer Sportverbände wurde im Herbst 1919 gegründet, 1927 ein Amt für körperliche Ertüchtigung und halbmilitärische Erziehung errichtet und 1929 ein Zentralinstitut für Körpererziehung eröffnet, siehe dazu Deutsche Allgemeine Zeitung (10. 6. 1936): „Die Leibesübungen bei unserem östlichen Nachbarn“, und Bundesarchiv Berlin: NS 5VI Nr. 31482: „20 Jahre Sport und Leibesübungen in Polen“ (ohne Datum/vermutlich Januar 1939). 69 Für 1938 siehe „20 Jahre Sport…“ (oben Anm. 68), für 1930 Der Angriff (1. 12. 1933): „Fußballsport in Polen“. 70 Zitat aus „20 Jahre Sport…“ (siehe Anm. 68). 71 PA R 104270: Generalkonsulat in Thorn an das Auswärtige Amt, 14. 7. 1938 (Bromberger Regatta); PA Warschau 30: deutsche Übersetzung aus ABC/Nowiny Codzienne (1. 3. 1935): „Wir wollen kein internationales Radfahrrennen mit Deutschland“.

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B. Sport und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen 1933 – 1939

Im deutsch-polnischen Sportverkehr fehlte es nicht an Ambivalenzen, und es war durchaus angebracht, die deutsche Seite zu Fingerspitzengefühl zu ermahnen. Das tat 1938 die Botschaft in Warschau, als sie bei „sportlichen Zusammenkünften in Polen eine größere Zurückhaltung“ empfahl; Niederlagen schadeten dem deutschen Prestige und Siege erregten in Polen „bei der hier herrschenden Stimmung Unbehagen“, also sei es ratsam, jeden sportlichen Besuch „nach der politischen … Seite hin“ zu prüfen.72 Der Tendenz nach war das bereits eine Absage an den Sportverkehr und das nicht so sehr wegen der Spannung zwischen Sieg oder Niederlage, sondern wegen der politischen Lage. Noch deutlicher sagte das die Botschaft einige Monate später. Ihrer Ansicht nach sei „ein wirklich freundschaftliches und persönliches Verhältnis zwischen Deutschen und Polen schwer herzustellen“, nicht zuletzt weil „polnischerseits gerade einem stärker werdenden Deutschland gegenüber das traditionelle Misstrauen besonders stark ist“.73 Damit war gemeint, dass das um Österreich und das Sudetengebiet erweiterte deutsche Reich vielen Polen bedrohlicher vorkam als in der Anfangsphase des NS-Regimes. Im September 1938 fragte eine polnische Zeitung: „Warum garantiert Hitler nicht die deutsch-polnischen Grenzen?“ und zweifelte offen daran, dass die deutschen „Raub- und Expansionsbestrebungen schon für immer befriedigt“ seien.74 Die Polen fürchteten, dass sie nicht nur für sportliche, sondern auch für andere Siege der Deutschen herhalten sollten, und das unterminierte den Boden, auf dem sich der Sportverkehr entwickelt hatte. Als letztes sei noch die Minderheitenfrage angeführt, auch sie hat das freundschaftliche Einvernehmen der Sportler gestört. Beiderseits der deutsch-polnischen Grenze lebten Angehörige des jeweils anderen Volkes als nationale Minderheit und führten eine in politischer wie rechtlicher Hinsicht prekäre Existenz. Sie waren einem Druck zur Anpassung an das Staatsvolk ausgesetzt und fühlten sich in ihrer nationalen Eigenart bedroht. Von Berlin aus war die deutsche Minderheit in den Wojewodschaften Pommerellen, Posen (Großpolen) und Schlesien ein Gegenstand steter Beobachtung. Auch der Sportverkehr wurde daraufhin angesehen, ob er der Minderheit zugute kam oder nicht. Vor allem die deutschen Konsuln in Thorn, Posen und Kattowitz waren auf diese Sicht fixiert. Sie schrieben unverblümt, im Gebiet der deutschen Minderheit seien Sportbegegnungen „nicht nur unter sportlichen, sondern in erster Linie unter politischen Gesichtspunkten zu werten“, oder noch entschie-

72 PA Nr. 104270: Botschaft an das Auswärtige Amt, 16. 7. 1938, ebenfalls bei H.-J. Teichler, Sportpolitik, S. 146. 73 PA Warschau 202: Botschaft an das Auswärtige Amt, 28. 11. 1938. Im Konzept des Berichts hatte es noch schärfer geheißen, dass die Voraussetzungen einer freundschaftlichen Annäherung „eben doch nicht vorhanden sind“. 74 Słowo Pomorskie (17. 9. 1938), mitgeteilt in PA Warschau 62: Generalkonsulat in Thorn an das Auswärtige Amt, 20. 9. 1938.

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dener formuliert: selbst die „Entsendung … der kleinsten Städtemannschaft nach Polen muss eine rein politische Angelegenheit bleiben“.75 Ihre Beweggründe waren einfach: die Moral der Deutschen sollte gestärkt, die der Polen geschwächt werden. Besonders letzteres wurde immer wieder beschworen. Deutsche Niederlagen würden die Großmannssucht der Polen beflügeln und ihnen „ein weit über das Sportliche hinausgehendes politisches Sicherheitsgefühl“ vermitteln.76 Wie es eigentlich sein sollte, schilderte der Thorner Generalkonsul nach der schon erwähnten Bromberger Regatta. „Die überzeugende Art, in der die deutschen Mannschaften ihre Rennen gewannen, zwang dem Polen jene Achtung auf, die das Verhältnis der beiden Völker hier bestimmen muss, wenn der Abwehrkampf der deutschen Volksgruppe in Polen nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein soll.“77 Das waren anspruchsvolle Worte. Sie besagten, dass mit Hilfe reichsdeutscher Sportler den Deutschen in Polen das Gefühl der Stärke, der Überlegenheit gegeben werden sollte, obwohl sie wegen ihres Status als Minderheit vor Ort die Schwächeren, die Unterlegenen waren. Dem Sport wurde eine Aufgabe zugeschoben, die eine seiner Funktionen, nämlich durch gemeinsamen Wettkampf so etwas wie Annäherung und Verständigung zu stiften, verhindern musste. Nach Auffassung der Konsuln sollte der Sport im Gebiet der deutschen Minderheit die verschiedenen Bevölkerungsteile nicht einander annähern, sondern von einander abgrenzen. Dieser Reflex war angesichts der Politik, die der polnische Staat gegenüber seinen Minderheiten trieb, nicht ganz unverständlich, aber – wie schon gesagt – dem Sport wurde damit etwas Wesentliches vorenthalten.78 Diese Feststellung mag das Ende unserer Bemühungen um das Thema Fußball und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen von 1933 bis 1939 markieren. Das Ende ist insofern unerfreulich, als es das Übergewicht der Politik über den Sport konstatiert und deshalb dem deutsch-polnischen Sportverkehr jener Jahre etwas Eigenständiges abspricht. Doch das ist nur ein allgemeines Urteil, das über die Qualität der einzelnen Ereignisse und Begegnungen wenig aussagt. Was empfanden die führenden Leute des DFB, als sie 1933 die ersten Länderspiele mit Polen vereinbarten? Was empfanden die Verbands- und Vereinsfunktionäre, als sie Städtespiele mit Krakau und Warschau verabredeten oder Klubspiele mit Vereinen in Lodz abschlossen? Und was empfanden die Spieler und Sportler, die nach Polen reisten und dort zum öffentlichen Wettkampf antraten? Ganz zu schweigen von den Tau-

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PA Warschau 29: Generalkonsulat Kattowitz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 2. 3. 1934 („nicht nur“), Generalkonsulat Posen an das Auswärtige Amt, 12. 4. 1934 („Entsendung“). 76 Generalkonsulat Posen (wie Anm. 75). 77 Generalkonsulat Thorn (wie Anm. 71). 78 Zur polnischen Minderheitenpolitik siehe Richard Blanke, Orphans of Versailles. Lexington 1993; Albert Stefan Kotowski, Polens Politik gegenüber seiner deutschen Minderheit 1919 – 1939. Wiesbaden 1998; Andrzej Chojnowski, Koncepcje polityki narodowos´ciowej rza˛dów polskich w latach 1921 – 1939. Warszawa/Kraków/Gdan´sk 1979.

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B. Sport und Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen 1933 – 1939

senden an Touristen, die 1934 und 1936 der deutschen Fußballmannschaft nach Warschau folgten und im Stadion saßen oder durch die Stadt schlenderten. Wenn diese Menschen Berichte über ihre Erlebnisse hinterlassen hätten, würde sich daraus ein vielfarbiges Bild ergeben. Sicherlich enthielte es braune Farbstriche, die von Sympathisanten der NS-Bewegung stammten, aber auch andere Farben wären dabei. Warum sollte es unter den Sportlern und Schlachtenbummlern nicht solche gegeben haben, die wie jener deutsche Student dachten, der 1935 in Lemberg gewesen ist und meinte, die deutsch-polnische Verständigung sollte durch Vorträge und Arbeitsgemeinschaften vorangebracht werden, um „uns soweit kennen und verstehen zu lernen, dass wir nach Ablauf des Zehnjahrespaktes [von 1934] bei den später wieder akut werdenden Gegensätzen nicht zu den Waffen zu greifen brauchen“.79 Das könnte als Motto auf den deutsch-polnischen Sportverkehr passen: ein vernünftiges Ziel, angestrebt auf einem ungewissen Wege. Es sei noch einmal betont: die Pflege sportlicher Kontakte mit Polen war begrüßenswert, obwohl sie maßgeblich von den Nationalsozialisten ausging, und alle, die sich daran beteiligten, taten etwas Vernünftiges. Das Ende der sportlichen Kontakte 1939 war beklagenswert, aber unvermeidlich, weil die Nationalsozialisten weiterhin den maßgebenden Einfluss hatten und nun ihre Ziele mit Gewalt verfolgten. Was 1933 verheißungsvoll begonnen hatte, endete 1939 verhängnisvoll.

79 PA Warschau 202: Eberhard Hinze [an die Botschaft], 18. 5. 1935. Es ist freilich bezeichnend, dass Hinze glaubte, gerade für rassenbiologische Themen bei seinen polnischen Kommilitonen Interesse gefunden zu haben.

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Personenregister In das Personenregister sind Namen, die als Bestandteil der bibliographischen Angaben in den Fußnoten oder im Literaturverzeichnis erscheinen, nicht aufgenommen worden. Augur siehe Poljakow, Wladimir Baier, Ernst 84 Bauwens, Peco 70, 80 Beck, Józef 11 f., 22 ff., 27 f., 33, 36, 39 – 43, 45 – 61, 63 Biddle siehe Drexel Biddle Birlem, Alfred 80 Bismarck, Otto Graf von (junior) 55 Bonnet, Georges 41 Brandt, Willy 66 Brüning, Heinrich 24 Bülow, Bernhard W. von 24, 71 Burckhardt, Carl Jacob 52 f. Chałacin´ski, Józef 63 Delbos, Yvon 42 Dmowski, Roman 15 Drewniak, Bogusław 8 Drexel Biddle, Anthony Joseph 51 f. Duff Cooper, Alfred 51 Forster, Albert 71 f. Frankowski, Feliks 46 Giedroyc, Jerzy 14 Goebbels, Joseph 33, 35, 37, 73, 77, 80 Göring, Hermann 29, 35 f., 38, 44, 55 Grabowski, Witold 36 Halifax, Edward Frederick 41, 51 Havemann, Nils 67 Herber, Maxi 84 Herrnstadt, Rudolf 77, 79 Himmler, Heinrich 36 Hinze, Eberhard 90

Hitler, Adolf 7 f., 11 – 14, 16 – 22, 24 – 36, 38 – 41, 43 – 47, 49 f., 52 – 61, 64 ff., 68 – 71, 79 ff., 84 ff., 88 Holzing-Berstett, Max Freiherr von 83 Hossbach, Friedrich 39 Kaiser, Claudia 75 Keitel, Wilhelm von 58 Kennard, Howard William 41 Koch, Lutz 67 Koziełł-Poklewski, Alfons Aleksander 57 Krämer, Gerd 67 Lewald, Theodor 71 Linnemann, Felix 72 ff. Lipski, Józef 22 f., 34, 54 f., 58 Łubien´ski, Michał 59 Łukasiewicz, Juliusz 51 Luryl, Isidor 19 f. Martyna, Henryk 79 Mengden, Guido von 74 Moltke, Hans-Adolf von 36, 38, 41 f., 46, 50, 54, 78, 81 Mond, Bernard 81 Moniuszko, Stanisław 36 Mos´cicki, Ignacy 36, 39 Mussolini, Benito 39 Neurath, Konstantin von 21, 23, 29, 44, 47 Noël, Léon 41 f. Nowakowski, Tadeusz 63 Phipps, Eric 26 Piłsudski, Józef 11 – 31, 33, 35 f., 40, 44, 58, 64, 66, 83 Poklewski siehe Koziełł-Poklewski Poljakow, Wladimir 49

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Personenregister

Pospieszalski, Karol 61 Poznan´ski, Karol 20 Ranke, Leopold von 60 Rauscher, Ulrich 83 Rauschning, Hermann 21, 25, 30, 32 Ribbentrop, Joachim von 33, 38, 44, 48, 52, 55 f., 58, 61, 84 Roosevelt, Franklin Delano 52 Rumpf, Dagmar 19 Rydz-S´migły, Edward 36, 38, 44, 46 Schaich, Michael 49 Schön, Helmut 79 Simon, John 26 Stresemann, Gustav 16, 24 Stroh, Josef (Pepi) 79 Studnicki, Władysław 19, 56 Szembek, Jan 21, 28, 43 ff., 57 ff.

Teichler, Hans-Joachim 67, 80 Thorak, Joseph 36 Trevor-Roper, Hugh Redwald 33 Tschammer und Osten, Hans von 70 – 74, 79, 85 f. Turner, Henry Ashby 18 Urban, Thomas 67, 70 Wagener, Otto 18 ff. Walters, Frank 52 Weizsäcker, Ernst Freiherr von 36, 38, 50 Werner, Ernst 73 f. Westphalen, Lubbert Graf von 83 Wieniawa-Długoszowski, Bolesław 59 Willimowski, Ernst 79 Wühlisch, Johann von 57 Wysocki, Alfred 21 ff., 27, 30, 39, 71 Zaleski, August 19, 24 Zychowicz, Piotr 14