Höfische Kompromisse: Acht Kapitel zur höfischen Epik 9783110931372, 9783484108073

The subject of the book is the relationship between literary imagination and the mindscape of aristocratic culture in th

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Höfische Kompromisse: Acht Kapitel zur höfischen Epik
 9783110931372, 9783484108073

Table of contents :
VORWORT
0. EINLEITUNG UND ÜBERBLICK
1. FORSCHUNGSÜEERBLICK: NOMINALKOMPOSITION UND SYNTAX
1.1. Der historische Ansatz
1.2. Neuere Grammatiken
1.3. Der strukturelle Ansatz
1.3.1. Die amerikanischen Deskriptivisten
1.3.2. Marchands Theorie der Wortbildung
1.3.3. Die Paraphrasenmethode
1.3.4. Fleischers 'Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache '
1.4. Der transformationell-syntaktische Ansatz
1.5. Der transformationell-semantische Ansatz
1.6. Zusammenfassung
2. VORBEREITENDE ÜBERLEGUNGEN UND UNTERSUCHUNGEN
2.1. Skizze des Aufbaus des Wortschatzes
2.2. Lexikalisierte vs. reguläre Bildungen
2.3. Struktureigenschaften von Komposita
2.4. Exkurs: Zur Attribution
3. KOMPOSITION IN EINER GENERATIVEN TRANSFORMATIONSGRAMMATIK I: 'ASPECTS'-GRAMMATIK
3.1. Zur Grammatik
3.1.1. Forderungen an eine Grammatik
3.1.2. Motivation der Wahl der 'Aspects'-Grammatik
3.2. Aufbau der 'Aspects'-Syntax
3.3. Basisregeln
3.4. Probleme der transformatianellen Ableitung von Nominalkomposita
3.5. Probleme der Klassifizierung
4. KOMPOSITION IN EINER GENERATIVEN TRANSFORMATIONSGRAMMATIK II: KASUS-GRAMMATIK
4.1. Zusammenfassung und Skizze der Neuorientierung
4.2. Motivation für die Wahl der Kasus-Grammatik: erster Überblick
4.2.1. Darstellung und Kritik von Fillmores Konzeption
4.2.2. Exkurs
4.3. Aufbau der Kasus-Grammatik
4.3.1. Basiskomponente
4.3.2. Transformationsteil
4.3.3. Transformationsbedingungen zur Ableitung von Komposita
4.4. Beschreibung, Ableitung und Klassifizierung von Nominalkomposita
4.4.1. Prinzipien der Klassifizierung
4.4.2. Komposita vom Typ I: REL + N
4.4.3. Konposita vom TypII: N + N
4.4.4. Konposita vom Typ III: N + REL-N
SUMMARY
LITERATURVERZEICHNIS
SACHREGISTER
WORTREGISTER

Citation preview

Linguistische Arbeiten

18

Herausgegeben von Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Wilfried Kürschner

Zur syntaktischen Beschreibung deutscher Nominalkomposita Auf der Grundlage generativer Transformationsgrammatiken

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1974

ISBN 3-484-10807-1

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1974 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist ea auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany

VDIWORT

Die vorliegende Arbeit stellt eine leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die im Frühjahr 1973 vom Fachbereich Neuphilologie der Universität Tübingen angenommen wurde. Herrn Prof.0.Werner danke ich für viele hilfreiche Hinweise und Diskussionen; ebenso den anderen Tübinger Kollegen, mit denen ich über die Arbeit sprechen konnte. Frau Edith Dannecker und Fräulein Annegret Haussier habe ich für ihre Mithilfe beim Schreiben der Druckvorlage zu danken. Frau Jeanette Wootbon danke ich für die Durchsicht der englischen Zusammenfassung (all errors are mine).

Tübingen, förz 1974

Wilfried Kürschner

INHALT

VORWORT

v

0.

EINLEITUNG UND ÜBERBLICK

l

1.

FORSCHUNGSÜBERBLICK: NOMINALKOMPOSITICN UND SYNTAX

4

1.1.

Der historische Ansatz

4

1.2.

Neuere Grammatiken

8

1.3. Der strukturelle Ansatz 1.3.1. Die amerikanischen Deskriptivisten 1.3.2. Marchands Theorie der Wortbildung 1.3.3. Die Paraphrasennethode 1.3.4. Fleischers 'Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache '

11 12 15 17 19

1.4.

Der transformationell-syntaktische Ansatz

19

1.5.

Der transformaticnell-semantische Ansatz

22

1.6.

Zusammenfassung

25

2.

VORBEREITENDE ÜBERLEGUNGEN UND UNTERSUCHUNGEN

28

2.1.

Skizze des Aufbaus des Wortschatzes

28

2.2.

Lexi-kalisierte vs. reguläre Bildungen

32

2.3.

Struktureigenschaften von Komposita

38

2.4.

Exkurs: Zur Attribution

45

3.

KOMOSITICN IN EINER GENERATIVEN TRANSFORMATIONSGRAMMATIK I: 'ASPECTS'-GRANMATIK

50

3.1. Zur Grammatik 3.1.1. Forderungen an eine Grammatik 3.1.2. Motivation der Wahl der 'Aspects'-Grammatik

51 51 54

3.2.

56

Aufbau der 'Aspects'-Syntax

viii 3.3.

Basisregeln

66

3.4.

Probleme der transformaticnellen Ableitung von Nocninalkonposita

74

3.5.

Probleme der Klassifizierung

101

4.

ΚΟΜΌ6ΓΠΟΝ IN EINER GENERATIVEN TRANSFOFMATICNSGRAZWATIK II: KASUS-GRAMMATIK

103

Zusaimenfassung und Skizze der Neuorientierung

103

4.1. 4.2.

Motivation f r die Wahl der Kasus-Grammatik: erster berblick 4.2.1. Darstellung und Kritik von FiHmores Konzeption 4.2.2. Ejdcurs 4.3. Aufbau der Kasus-Grammatik 4.3.1. Basiskomponente 4.3.1.1. Tiefenkasus 4.3.1.2. Basisregeln 4.3.1.3. Chomskys lexikalistisohe Hypothese und ihre Integration in die Kasus-Grammatik 4.3.1.4. Restliche Basisregeln und Zusaimenfassung 4.3.1.5. Lexikon 4.3.1.5.1. Selektionsmerkmale 4.3.1.5.2. Pro-Formen 4.3.2. Transformationsteil 4.3.3. Transformationsbedingungen zur Ableitung von Komposita 4.4.

Beschreibung, Ableitung und Klassifizierung von Nominalkomposita

106 106 113 115 115 115 120 126 136 137 137 139 142 147 151

4.4.1.

Prinzipien der Klassifizierung

152

4.4.2.

Komposita vom Typ I:

REL + N

158

[RELA - INSTRB - {(AG)} - {(OBJ)}]

158

4.4.2.1. 4.4.2.2. 4.4.2.3. 4.4.2.4.

I.I.: I.2.: I.3.: I.4.:

A

B

[REL - IuC[-dyn] A

- {(AG)} - {(OBJ)}

6

REL - TEMP - {AG} - {(OBJ)} A

[EEL -

BJ* - {AG} J

163 165 165

IX

4.4.2.5. 4.4.2.6. 4.4.2.7. 4.4.3.

1.5.:

RELA - OBJ8

I.6.:

A

1.7.:

II. 1.

4.4.3.3. 4.4.3.4. 4.4.3.5.

II. 3. 11.4. 11.5.

4.4.3.6. 4.4.3.7. 4.4.3.8. 4.4.3.9.

11.6.

4.4.4.1. 4.4.4.2.

REL

- CONFTO - {AG} - {(OBJ)}

167

- OBJ - {AG}

Kbirposita vom Typ II:

4.4.3.1. 4.4.3.2.

4.4.4.

166

REL[+pass] A

165 8

II.2.

11.7. 11.8. 11.9.

N +N

168

OBJ7^ - AG8 - {transferier} - {Pro-Relator} OBJ - LOG -

168 169

OBJ - TEM> - . , - {Pro-Relator}

176 177 179 181 181 183 184

.. - {Pro-Relator} OBJ - ΜΚΓ - .. - {Pro-Relator} THEMAA - OBJ8 - {sei ber} POSSA - OBJ8 - {besitz} BEl^ - OBJ8 - {bestinmt f r} OBJ - IEENT - {Pro-Relator}

OBJ - INSTR -

Koitposita vom Typ III: lila: Illb:

8

Jf^ - REL-N8 - K8 -

N + REL-N

186 190 195

SUMYIARY

197

LITERATURVERZEICHNIS

207

SACHREGISTER

218

WORTREGISTER

221

0.

EINLEITUNG LND ÜBERBLICK

Die zusammenfassenden Darstellungen der deutschen Wortbildungslehre hat der Wellenschlag moderner linguistischer Diskussion bisher nicht oder doch jedenfalls nur sehr schwach berührt. Im Grunde ist W,Wilmanns ihr .geistiger Großvater; seine hervorragende historische Darstellung erschien aber immerhin vor fast 7O Jahren, und es ist an der Zeit nachzuziehen. Daß in der notwendigen Diskussion der eine oder andere Gedanke überspitzt wird, manches vielleicht auch zurückgenommen werden muß, ist nur natürlich. Jeder wissenschaftliche Arbeiter muß den Mut zur Hypothese und den Mut zu einer gewissen Vereinfachung haben. Wer nicht springt, riskiert keinen Beinbruch, kommt aber auch nicht voran. (Fleischer 1968:170)

Diese Äußerung Fleischers über den Stand der Wortbildungslehre des Deutschen hat auch jetzt noch Gültigkeit. Zwar sind seither mehrere Arbeiten, auch zusanmenfassende Darstellungen, erschienen, die das konplexe Gebiet der Wortbildung des Deutschen mit linguistischen Methoden angehen. Doch wurde ein wichtiger Aspekt der Wortbildung, der syntaktische, noch nicht genügend berücksichtigt. Die Beschreibung von Wbrtbildungssyntagrnen und die Beschreibung von Sätzen werden weitgehend noch immer als getrennte Aufgaben angesehen. Ich will in dieser Arbeit, ausgehend von älteren Anregungen, versuchen, Satzbeschreibung - die traditionelle Domäne der Syntax - und Wbrtbildungsbeschreibung einander anzunähern und zu zeigen, ^aß zumindest für ein Teilgebiet der dt. Wortbildung gilt, daß Wortbildungsbeschreibung nur ein spezieller Fall einer allgemeinen Satzbeschreibung ist, daß also Wortbildung im Rahmen der Syntax behandelt werden kann. Diese Auffassung ist keineswegs neu; sie wurde bisher auf die dt. Wortbildung oder eines ihrer Teilgebiete nur noch nicht genügend konsequent und explizit angewendet. Diese Arbeit beschäftigt sich mit einem Teilgebiet der Wortbildung des Neuhochdeutschen. Es geht darum, im eben angedeuteten Sinn Wbrtbildungskonstrukticnen zu behandeln, die aus Grammatiken und Handbüchem als 'Zusammensetzungen' oder 'Kortposita1 bekannt sind. Je nach der Wortklasse, der ein solches Kompositum angehört, unterscheidet man in der Hauptsache zwischen substantivischen, verbalen und adjektivischen Komposita. Uns interessieren hier nur die Bildungen, die der Wortklasse 'Substantiv1 angehören; wir bezeichnen sie mit dem üblichen Terminus als Nominalkomposita.

Problems der Nctninalkomposition haben von jeher in Grammatiken, Monographien und Aufsätzen starke Beachtung gefunden. Man hat sie unter •verschiedenen Gesichtspunkten, mit unterschiedlicher Zielsetzung und mit diversen Methoden untersucht. Die Ergebnisse, die man dabei gewonnen hat, sind demgemäß auch unterschiedlich. Wir müssen sie aber zur Kenntnis nehmen und die eigene Zielsetzung und Methode mit anderen vergleichen, um relative Stärken und Schwächen einschätzen zu können. Dazu ist es nötig, auf vorliegende Arbeiten einzugehen, ihre forschungsspezifischen Charakteristika zu erkennen, um den hier vertretenen Ansatz auf diesem Hintergrund deutlicher darzustellen und zu erproben. Diese Arbeit steht ihrerseits natürlich auch innerhalb einer bestimmten Tradition, die zwar von vielen Linguisten abgelehnt, von anderen als überholt angesehen wird, im ganzen aber zumindest noch immer fruchtbare Impulse liefert. Es handelt sich um die Tradition der generativen Transforinationsgrarmvatik (gTG). Innerhalb dieses Rahmens, dessen Wahl später genauer begründet wird, steht der Hauptteil der Untersuchung. Bevor aber der Versuch, die nhd. Nominalkomposition - genauer: ihre m.E. wichtigsten Erscheinungen - in einer gTG zu erfassen, vorgestellt wird, wollen wir uns mit den erwähnten 'anderen1 Ansätzen beschäftigen. Die mehr referierende Wiedergabe wird das erste Kapitel ausfüllen. Dort werden historische, strukturelle, semantische und, sozusagen im Vorgriff, auch transformationeile Wortbildungslehren charakterisiert, und zwar immer in Hinblick auf unser Thema: die Nommalkomposition des Deutschen, und auf unsere Zielsetzung: die spezifischen Beziehungen zwischen Komposition und Syntax zu erkennen. Die Leitfrage lautet etwa so: Wie wurde in den erwähnten Richtungen das Verhältnis Nominalkomposition - Satzbildung gesehen, und welche Schlüsse wurden daraus für Beschreibung und Klassifizierung unterschiedlicher Typen von Komposita gezogen? Im zweiten Kapitel geht es dann um die Frage, in welchem Teil der Grammatik Komposita zu behandeln sind. Sind es syntaktisch nicht zu analysierende Elemente des Lexikons, die am besten lexikologisch zu erfassen sind, oder sind es Elemente der Oberflächenstruktur von Sätzen, die durch bestimmte syntaktische Regeln zustande kommen? Wir werden unterscheiden zwischen lexikalisierten Bildungen, die als Lexikonelemente angesehen werden, und regulären (syntaktischen) Komposita, die nach syntaktischen Regeln gebildet werden und syntaktisch beschrieben werden können. Die strukturellen Eigenschaften von Komposita der zweiten Gruppe werden dann vorwiegend aus

heuristischen Zwecken beschrieben. Aufbauend auf den festgestellten Eigenschaften werden dann im dritten und vierten Kapitel zwei Gramrnatiknodelle entworfen, in denen eine Erklärung der Eigenheiten von Konposita und ihrer Beziehung zu anderen syntaktischen Konstruktionen versucht wird. Aus mehreren Gründen werden wir zunächst das Modell der gTG benutzen, das von Chomsky 1965 entwickelt wurde ("Aspects'-Grammatik). An einigen Beispielen wird gezeigt, welche Probleme bei der Beschreibung der Komposition in diesem Modell entstehen. Zur Lösung dieser Probleme wird dann in Kapitel 4. eine Grairmatik vorgeschlagen, die auf Fillmores Tiefenkasus-lheorie basiert. Auf der Grundlage einer modifizierten Version der Kasus-Grammatik werden zentrale Typen dt. Nominalkonposita beschrieben und klassifiziert.

1.

PORSCHUNGSÜBEEBIJCK: NOMTNALKOMPOSITION UND SYNTAX

1.0. Die Absicht dieses Kapitels liegt darin, an avisgewählten, exemplarischen Arbeiten darzustellen, wie der syntaktische Aspekt der Nominalkomposition in verschiedenen sprachwissenschaftlichen Richtungen in den Blick könnt. Wir zielen hier weder auf eine detaillierte Wiedergabe der einzelnen methodischen Ansätze ab, noch geht es um Vollständigkeit in der Aufführung der bislang erprobten Methoden. An dieser Stelle einen extensiven Forschungsbericht zu liefern wäre ein Unterfangen, das für sich schon ein Buch füllen könnte. In Seymours Bibliographie zur Wortbildung von 1968 finden sich bis zum Berichtsjahr 1966 2OOO Titel zur Wortbildung in den germ. Sprachen; für das Nhd. allein hat Seymour ca. 50O Titel ermittelt. Seither sind - von verschiedenen Ansätzen ausgehend - viele weitere Arbeiten publiziert worden.

Ich beschränke mich darauf, referierend und mit Zitaten belegend, darzustellen, wie der Zusanmenhang zwischen Wortbildung und Syntax in den folgenden Richtungen gesehen wird: (a) In der historisch (diachronisch) orientierten Wortbildungslehre (1.1.), (b) in neueren Granmatiken des Nhd. (1.2.), (c) in der strukturell orientierten Wortbildungslehre (1.3.)/ (d) in der transformationeilen (1.4.) und (e) in der semantisch orientierten Wortbildungslehre (1.5.).

1.1.

Der historische Ansatz

1.1.0. Für den historischen Ansatz im deutschen Bereich repräsentativ sind die Arbeiten von Paul, Wilmanns, Brugmann, Benzen. Ihnen geht es darum, sprachliche Gesetzmäßigkeiten aufzudecken und zu formulieren, nach denen in den indoeuropäischen Sprachen bestimmte Konstruktionen herausgebildet wurden, die Wortzusairmensetzungen oder Komposita genannt werden. Diesen Konstruktionen entsprechen zeitlich vorangehende andere Konstruktionen, die nicht Komposita sind. Man könnte diese - in moderner Terminologie - Syn-

tagnen nennen oder Phrasen, die aus mehr Morphemen bestehen als Konposita und die eine von Konposita verschiedene Phrasenstxuktur besitzen. Zwischen ihnen und Konposita besteht ein historisches oder diachrones Entwicklungsverhältnis. Wie im folgenden deutlich wird, rechnen die historisch orientierten Forscher jedoch auch mit Neubildungen, denen nicht zeitlich vorausgehende syntaktische Konstruktionen entsprechen, sondern die aufgrund von Analogien zu bereits existierenden Bildungen gebildet werden. 1.1.1. Paul beschäftigt sich in den 'Prinzipien der Sprachgeschichte' (1880/e1968) mit der Entstehung der Konposita, wobei er 'Entstehung' ambivalent im Sinn von 'historisch/diachron' oder 'synchron1 gebraucht. In einer unvollständigen Liste beschreibt er einige Typen von nhd. Konposita folgendermaßen: So entstehen Komposita aus der Verbindung des Genitivs mit dem regierenden Substantiv? vgl. nhd. Hungersnot, Hasenfuss, Freudenfest, Kindergarten, ... aus der Verbindung des attributiven Adjektivums mit dem Substantivum, vgl. nhd. Edelnann (mhd. noch edel man, gen. edeles marines), ... aus der appositioneilen Verbindung zweier Substantiva, vgl. nhd. Christkind, Gottmensch . . . ( 3 2 6 )

Paul betont die Notwendigkeit, zwei Schichten von Kompositis zu unterscheiden, eine ältere, die entweder direkt aus der Ursprache überkommen oder nach ursprachlichen Mustern gebildet ist, und eine jüngere, die unabhängig davon auf dem Boden der Einzelsprachen entwickelt ist ... Letztere sehen wir grossenteils vor unseren Augen entstehen, und zwar durchgängig aus der syntaktischen Aneinanderreihung ursprünglich selbständiger Elemente. (326)

Wie dieses Entstehen zu denken ist, führt Paul im Kapitel über die Analogie aus. Er schreibt: Sehr bedeutend ist die schöpferische Tätigkeit des Individuums ... auch auf dem Gebiete der W o r t b i I d u n g und noch mehr auf dem der F l e x i o n . Bei den wenigsten Nominal- und Verbalformen, die wir aussprechen, findet eine rein gedächtnismässige Reproduktion statt, manche haben wir nie vorher gesprochen oder gehört, andere so selten, dass wir sie ohne Hilfe der Gruppen, an die sie sich angeschlossen haben, niemals wieder in das Bewusstsein zurückrufen können. Das Gewöhnliche ist jedenfalls, dass Produktion und Reproduktion zusammenwirken, und zwar in sehr verschiedenem Verhältnis zu einander. (112)

Zur Rolle der Analogie in der Wortbildung schreibt Paul weiter: Auf dem Gebiete der Wortbildung sind die Verhältnisse nur zum Teil ähnlich wie auf dem der Flexion. Manche Bildungsweisen allerdings erzeugen sich analogisch ebenso leicht und unbefangen wie die Flexionsformen, vergleiche namentlich Komparativ und Superlativ aus Positiv. Bei anderen rufen die überlieferten Wörter nur in beschränktem Masse Analogiebildungen hervor, wieder bei ändern gar keine. Dieses verschiedene Verhalten ist einfach bedingt durch die verschiedene Fähigkeit des überlieferten Stoffes zur Gruppenbildung. (113)

Die in den "Prinzipien der Sprachgeschichte1 entwickelten Vorstellungen liegen auch in der 'Wortbildungslehre', Teil V der 'Deutschen Grammatik1 (1920/alS68), zugrunde. Das folgende Zitat leitet das Kapitel über die Zusannensetzung ein: Die Zusammensetzung hat sich aus der syntaktischen Verbindung mehrerer Wörter entwickelt. Dies ist nicht so zu verstehen, daß jedes einzelne Wort, das wir als eine Zus. betrachten, so entstanden wäre, vielmehr, nachdem eine Anzahl syntaktischer Verbindungen zu einer Worteinheit verschmolzen waren, wirkten dieselben als Zusammensetzungen, nicht mehr als syntaktische Verbindungen analogisch weiter. Bei weitem die meisten der uns überlieferten Zuss. sind solche Analogieschöpfungen. (5)

Ich habe Paul aus zwei Gründen ausführlicher zitiert: Einerseits um Belege dafür zu geben, daß er durchaus Verbindungen zwischen Karposition und Syntax sieht, sie jedoch nur als historisch-genetische interpretiert; andererseits um zu zeigen, daß er mit neugebildeten Komposita rechnet, die in Analogie zu bereits existierenden, also ohne den Uhweg über die Syntax, gebildet werden. Die Analogie wird aus historisch überlieferten Kcnposita abstrahiert und auch historisch beschrieben. Den Schritt, die Analogien oder "Proportionengruppen" (1880/81968:107) - aus einem synchron funktionierenden Sprachsystem zu analysieren, hat Paul nicht getan. Man vgl. übrigens mit dem dritten zitierten Passus allenthalben bekannte Ausführungen in der Literatur zur generativen Grammatik, in denen die Kreativität des kompetenten Sprechers, "die schöpferische Tätigkeit des Individuums" betont wird. Pauls Stellung in bezug auf die moderne Linguistik untersucht Koerner 1972.

1.1.2. Wilmanns verfolgt im Rahmen seiner 'Deutschen Grammatik' (21899) die Möglichkeiten der Konpositionsbildungen vom Got. über das Ahd., Mhd. zum Nhd. hin; er gibt einen historischen Überblick über Formen der Komposition, wobei die Verhältnisse des Nhd. nur den letzten Entwicklungspunkt darstellen. Sie werden nicht als ein Gebiet angesehen, das ohne Rückgriff auf die Diachronie beschrieben werden kann. Das zeigt sich bereits in der Terminologie, wenn Wilmanns z.B. von •"eigentlichen" und 'uneigentlichen1 Komposita spricht. - Diese Begriffe sind von J.Grimm übernommen. In eigentlichen Komposita erscheint in der ersten Konstituente der stamm, in uneigentlichen eine Form, die als Flexionsform interpretiert wird. Zur Unbrauchbarkeit dieser Unterscheidung für eine synchrone Darstellung der nhd. Komposition vgl. Zepi£ 197O:22f.

Wilmanns sieht, wie Paul, Komposita als Verschmelzungen "syntaktisch verbundener Wörter" an (3) und spricht, in historischem Sinn, von der "Isolierung syntaktischer Gefüge und Bildung fester Conposita" (4). Die syntaktische Grundlage der Konposition zeigen deutlich die 'uneigentlichen1 Konposita; sie "erwachsen aus syntaktischen, durch die Flexion bezeichneten Wortverbindungen" (5). Auf dieser Grundlage kann Wilmanns Type11 von Konposita aufstellen, und zwar nach dem Kriterium der Flexionsform der ersten Konstituente, wenn diese ein Substantiv ist. So spricht er beispielsweise von "Genitiv-Composita" (521) wie Landesverrat, von "Accusativ^-Conposita" (526) wie We-intrinker. Aber auch in Fällen, in denen die norphologische Form keinen Hinweis auf die Flexion gibt - das ist bei allen 'eigentlichen1 Konposita der Fall -, wird ein gleiches Verhältnis zwischen "Wortverbindung" und Konpositum angenormen: Auch die Glieder eigentlicher Composita lassen sich nicht selten als im Genitivverhältnis stehend auffassen; z . B . ... nhd. FUSS-sehernel, der Schemel der Füsse; ... nhd. Schuhriewen, der Riemen eines Schuhes; ... (523)

Hier wird deutlich, daß eine synchrone Bestirmoig des syntaktischen Verhältnisses zwischen den Konstituenten eines Konpositums in Konflikt geraten kann mit diachron gewonnenen Einteilungen wie 'eigentlich - uneigentlich'. Es zeigt sich auch, daß bald morphologische, bald syntaktischsemantische Kriterien zur Klassifizierung herangezogen werden, so daß sich kein einheitliches Bild ergibt. 1.1.3. Die Klassifizierung von Wilmanns findet sich bei Henzen, 'Deutsche Wörtbildung1 (1947/31965), wieder. Henzen steht auch sonst in der diachron orientierten Tradition der Wortbildungslehre, und sein Buch kann als letzte ZusamtEnfassung der dort gewonnenen Ergebnisse gelten. Was unsere spezielle Frage angeht, so sieht Henzen prinzipiell einen Zusammenhang zwischen Wortbildung und Syntax: Es muß aber auch gesagt werden, daß die Zusammensetzungen grundsätzlich als aus syntaktischen Verbindungen entstanden zu betrachten sind. (3)

Bei den "Genitivkonposita" bemerkt er, daß dieser Typ als "Zusammenziehung eines freien syntaktischen Gefüges" anzusehen ist (54). Es gibt in Benzens Buch an mehreren anderen Stellen Hinweise auf den uns interessierenden Zusammenhang. Er wird jedoch wie bei Paul und Wilmanns als historischer Prozeß der Umwandlung einer syntaktischen Konstruktion in ein Kompositum gesehen und nicht «T« synchron wirksames Verfahren. Neubildungen

werden der Wirkung von Analogien zugeschrieben, die in der Wortbildung eine "überragende Rolle" spielen (13). Die Analogie sei so wesentlich, daß man . . . die Wortbildungen geradezu einteilen kann in solche, die m i t und solche, die o h n e Analogiewirkung entstanden sind. Zu den analogischen Wortbildungen gehören dann weitaus die meisten Zusammensetzungen und die ganze Ableitung. (13)

1.1.4. Auch Brugmann sieht in seinem 'Grundriß1 - der zweite Band (1889) behandelt die Wörtbildungslehre - in den Wortbildungen der idg. Sprachen "durch Zusartnenwachsen syntaktischer Wortconplexe neu entstandene Gebilde" (1). Die Betrachtungsweise ist wieder historisch, wie etwa das folgende Zitat zeigt: Verschmilzt ein syntaktischer Wortcomplex zu einer Worteinheit, so nennt man diese ein C o m p o s i t u m , z.B. ... nhd. hungersnot aus rahd. hungers not, (3)

Brugmann warnt jedoch vor der AnnahirE, daß jede Wortbildungskonstruktion auf nachweisbare, historisch vorherliegende syntaktische Konstruktionen zurückginge. Im Zusanmenhang mit den sog. Bahuvrihi- oder exozentrischen Konposita - er nennt sie "mutierte" Korposita - bemerkt er: Man hüte sich vor der Vorstellung, als habe jedes mutatum, das wir in den idg. Sprachen a n t r e f f e n , jene Bedeutungsentwicklung für sich durchgemacht. Weitaus die meisten traten sofort mit dem mutierten Sinne als Nachbildungen nach den älteren fertigen Musterformen auf. (88)

Deutlich wird hier wiederum auf die Rolle der Analogie im Wortbildungsprozeß hingewiesen, deren Betonung bei Paul, Wilmanns und Henzen schon vermerkt wurde. Der Begriff der Analogie bleibt jedoch weitgehend unbestiimit. Es zeigt sich also im ganzen, daß in der historisch orientierten Wortbildungsforschung gewisse ZusannEnhänge zwischen Satz- und Wortbildung gesehen wurden, diese Zusaitmenhänge jedoch im genetisch-historischen Sinn interpretiert wurden. Die Explikation solcher Beziehungen im synchronen System einer Sprache wurde erst später in strukturell-linguistischen Untersuchungen in Angriff genoirmen.

1.2.

Neuere Grairtnatiken

1.2.0. Unter unserer Leitfrage sollen nun die Auffassungen von drei gängigen neueren Grammatiken des Nhd., die sich den hier besprochenen Forschungsansätzen nicht völlig zuordnen lassen, skizziert werden. Es handelt sich um

die Duden-Gramtatik 1959/21966 und 31973, die 'Grammatik der deutschen Sprache' von Jung 1966 und die 'Deutsche Granmatik1 von Erben 1958/111972. 1.2.1. In der Grammatik von Jung 1966 heißt es, daß durch Konposition Begriffe und Sachverhalte zusammengefaßt werden können, die sonst durch längere syntaktische Fügungen wiedergegeben werden müßten. (394) Innerhalb eines zusammengesetzten Wortes ... ist die syntaktische Bindung der Glieder noch erschließbar, nicht aber eindeutig erkennbar ... (395)

Jung unterscheidet wie Paul, Wilnanns und Henzen zwischen echten oder eigentlichen und unechten oder uneigentlichen Korcposita. In bezug auf syntaktische Verhältnisse wird außer dem gerade zitierten Satz vermerkt: Echte Zusammensetzungen können wie die unechten vielfältige syntaktische Beziehungen zwischen den Gliedern, auch Pluralverhältnisse, ausdrücken. (399)

Es folgt dazu eine kurze Beispielliste, in der das "logische Verhältnis der Glieder" (399), das in eins gesetzt wird mit dem syntaktischen, demonstriert wird. - Mit knappen Beispiellisten begnügen sich auch die DudenGrammatik 21966:350f. und Henzen 1947/31965:53f.; die Listen geben kaum mehr an als die von Paul 1920/21968:9f., auf die inner wieder zurückgegriffen wird. 1.2.2. Ähnlich wie bei Jung heißt es in der Duden-Grantnatik 21966 zu Anfang der Ausführungen über die Zusammensetzung: Die Zusammensetzung ... ist ein bedeutsames sprachökonomisches Mittel, einen Inhalt, der sonst nur durch syntaktische Fügungen der verschiedensten Art wiedergegeben werden kann . . . , in einem Wort zu verdichten. ( 3 4 7 f . )

Die Rolle der Analogie wird betont, gleichzeitig aber auch eingeschränkt: Der weitaus größte Teil der heutigen Zusammensetzungen ist in Analogie zu älteren Mustern gebildet worden. Sie können aber auch unmittelbar aus syntaktischen Fügungen hervorgegangen sein. (348)

Wie der im letzten Satz angedeutete Prozeß beschaffen ist,

wird nicht

weiter ausgeführt. Stattdessen werden nur allgemeine Züge genannt: Stellt man die determinativen Zusammensetzungen den entsprechenden syntaktischen Fügungen gegenüber ..., so entspricht das Bestimmungswort in den meisten Fällen einem Attribut, zuweilen auch einem Objekt oder einem anderen Satzglied. (350)

Ausführlicher, wenn auch noch recht unpräzise, wird die Komposition - und die Wortbildung im allgemeinen - in der 3.Auflage der Duden-Grammatik (1973) in einen Zusammenhang mit den grammatischen Teiltheorien Syntax und Semantik gebracht. Nach der allgemeinen Bestürmung der Aufgabe einer synchronischen

10

Wortbildungslehre ("die produktiven Wbrtbildungsmuster einer Sprache aufzuzeigen") wird festgestellt: Die nach diesen Mustern gebildeten Wörter sind syntaktisch-semantisch durchsichtig [Terminus nach Gauger 197l] und sollen deshalb entsprechend erklärt werden. (345)

Das Erklärungsprinzip wird folgendermaßen formuliert: Bei den durchsichtigen Wörtern gehen wir von der Annahme aus, daß jedem Satz mit einem abgeleiteten oder zusammengesetzten Wort ... ein inhaltlich entsprechender Satz zugeordnet werden kann. In diesem Sinne sprechen wir fortan v o n E n t s p r e c h u n g s s ä t z e n (Paraphrasen). (345)

Die Wortbildung wird dann zusammenfassend als "syntaktisch-seinantisdier Prozeß" (345) charakterisiert. Die eben zitierten programmatischen Thesen werden zumindest bei der Behandlung der Nominalkomposition (394-402) kaum eingelöst. Der Hauptgrund dafür scheint mir zu sein, daß das Verhältnis Komposition - Syntax theoretisch ungeklärt bleibt. Es werden keine grammatischen Mittel genannt, die die Relation zwischen einem Satz mit Konpositum und seinem Entsprechungssatz explizieren könnten. So bleibt es bei der Gegenüberstellung von Komposita und Paraphrasen, z.B. (1.1), (1.2), die zwar zur Klassifizierung von Kompositionstypen verwendet wird, ansonsten aber keine theoretische Klärung bringt: (1.1)

Der Regierungsbevollmächtigte ist Regierung (394)

(1.2)

Das Kleid aus Seide ist

Bevollmächtigter der

das Seidenkleid

(395)

(Man beachte auch, daß hier nicht Satz mit Kompositum und Entsprechungssatz verwendet werden, sondern nur ein quasi-definitorischer Satz.) 1.2.3.

Auch in der neuesten Auflage der "Deutschen Grammatik1 von Erben

(111972) sind im Vergleich zur 9.Auflage (1966) Züge einer zunehmenden "Syntaktisierung" (nach Polenz 1973:153) der Wortbildung festzustellen. Das macht folgender Passus deutlich: Das Beispielkompositum Kugel form ist offensichtlich als Zusammensetzung zweier üblicher Grundmorpheme zu verstehen: Kugel-Form, umformbar in das ebenfalls sprachübliche Syntagma Form einer Kugel ... , aus dem wir uns umgekehrt auch das Kompositum Kugelform als Ergebnis 'nominaler Verdichtung' der Wortgruppe entstanden denken können. Ähnlich können wir Garten-Schere ... in Schere für den Garten(-bau) umformen ... ( 4 2 f . )

Der thematisierte Zusammenhang zwischen Syntagma und Kompositum wird aber nicht weiter begründet und fundiert und nicht in den Rahmen der Gesamtgrarmiatik gestellt.

11

In diesem Zusammenhang soll noch auf eine wichtige Einsicht hingewiesen werden, die Wilmanns1 und Henzens Einteilung von Komposita nach der angeblichen Flexionsform der ersten substantivischen Konstituente überwindet. Erben stellt fest: Die Abhängigkeit eines voranstehenden Bestimmungsgliedes kann durch die Hinzufügung von Flexionselementen unterstrichen und die 'Kompositionsfuge' markiert werden, doch dient gemeinhin weder die Kategorie des Kasus noch des Numerus zum Ausdruck grammatischer Oppositionen ... Die besondere syntaktische und semantische Beziehung zwischen den Kompositionsgliedern bleibt unausgedrückt ... (128)

Es ist fraglich, ob tatsächlich, wie Erben meint, "Flexionselemente" hinzugefügt werden. Fleischers Position, der Fugeneleinente zur vorangehenden Konstituente zieht und von Morphemvarianten spricht (1969:112f.), ist wohl richtiger, aber trotzdem hat Erben recht mit der Feststellung, daß aus der morphologischen Form der ersten Konstituente keine Rückschlüsse auf zugrunde liegende syntaktisch-semantische Relationen der Glieder gezogen werden können. Vgl. auch Morciniec 1964:53, für den die Fugenglieder keine semantische Funktion haben. Ich werde morphologische Fragen im folgenden weitgehend unberücksichtigt lassen und verweise, bes. zur Allomorphik, auf die Ausführungen in den folgenden Werken: Duden-Grammatik 3 1973:4O3-4O7; Jung 1966:400f. ; Erben 1958/ 11 1972:44; Fleischer 1969:112-122; am gründlichsten: Sepie 1970:27-74.

1.3.

Der strukturelle Ansatz

1.3.0. Die Abwendung von einer nur historisch arbeitenden Sprachwissenschaft und die Hinwendung zu einer strukturellen, Sprachzustände synchronisch beschreibenden Linguistik hat auch zu einer Neuorientierung in der Wbrtbildungslehre geführt. Nach Lees 1960/51968:xx sind für den hier zu besprechenden strukturellen - nach seiner Terminologie taxonomischen Ansatz in der Vfortbildungslehre zwei "vorwissenschaftliche" (pre-scientific) Fragen typisch: 'Given such-and-such fied? 1

compounds in some language, how may these be classi-

'Given some expression, by what criteria may it be recognized and classed as a compound?'

12 Die zweite Frage betrifft die sog.

Entdeckungsprozedur des klassischen

amerikanischen Strukturalismus. Die erste Frage führt zu der Operation, die in der strukturellen Grammatik dem Segmentieren folgt: zur Klassifikation. Daß Lees 196O/51968:xix die Grammatik des Pänini als repräsentativ für den taxonomisehen Ansatz auswählt, scheint nicht korrekt zu sein. Es ist zwar richtig, daß Pänini Komposita in verschiedene Klassen ordnet (Tatpurusa, Dvandva, Bahuvrihi, um einige der bekannteren zu nennen) und damit 'taxonomisch 1 vorgeht; Lees scheint jedoch Päninis Methode, Komposita aus zugrunde liegenden Phrasen abzuleiten, zu ignorieren. Man könnte Päninis Methode viel eher mit dem generativen Ansatz in Parallele setzen, wie es Staal 1965/ 66 tut. (Brekle 1970:93 weist Lees1 Einschätzung des Pänini ebenfalls als falsch zurück.) - Wenn Klassifizieren gleichbedeutend mit Taxonomie ist, müßte Lees seine eigene Arbeit zum taxonomischen Ansatz rechnen, denn auch er stellt Klassen von Komposita zusammen.

1.3.1. Die amerikanischen Deskriptivisten 1.3.1.0. Hierher gehören vor allem Werke von Bloomfield, Hockett und Gleason als klassische Formulierungen des amerikanischen Deskriptivismus. Die Hauptfrage ist wieder die nach dem Verhältnis Komposition - Syntax. Es wird sich zeigen, daß diesem Problem wenig Bedeutung beigemessen wird, während EntdeckungsprOzedur und Methoden der Klassifizierung breiteren Raum einnehmen. 1.3.1.1. Bloomfield 1933 geht die Frage, welche vorgefundenen sprachlichen Ausdrücke als Komposita anzusehen sind, mit Hilfe der IC-Analyse an. Die IC-Analyse deckt nicht nur die hierarchische Struktur von Sätzen auf, sie ist auch anwendbar auf kleinere Einheiten bis hinunter zur Morphemebene. Auf dieser Ebene - und daher auch im Morphologie-Kapitel behandelt sind Komposita ("compound words") eine Untergruppe der "secondary words", die aus mehr als einer "free form" bestehen. Als Beispiele nennt Bloomfield engl. door-knob und wild-animal-tamer (209). Er diskutiert Kriterien, durch die sich Komposita von anderen, ähnlichen Konstruktionen unterscheiden lassen (spezialisierte Bedeutung, Betonung, morphologische Besonderheiten: 227-233). In unserem Zusammenhang wichtig ist Bloomfields Bemerkung: ... the constructions of compound words are most similar to the constructions of syntax. ( 2 2 7 )

13

Um einerseits die Ähnlichkeit von Konposita mit syntaktischen Konstruktionen, andererseits die Differenzen zwischen ihnen deutlich zu machen, führt Bloomfield die Unterscheidung zwischen "syntactic corrpounds", "asyntactic" und "semi-syntactic compounds" ein (233f.). Syntaktische Konposita sind solche, whose members stand to each other in the same relation as words in a phrase ... ( 2 3 3 ) .

Den engl. Beispielen blackbird und whitecap entsprechen dt. Dunkelbier oder Rotuein, die - nach Bloomfield - "show the sane construction of adjective plus noun as do the words in the phrases black bird and white cap" (233) bzw. dt. dunkles Bier und roter Wein. Im Deutschen sind Komposita durch zwei Merkmale von Phrasen unterschieden: Betonung (wie im Englischen) und Nichtflektierbarkeit der ersten Konstituente.

Engl. door-knob ist ein Beispiel für asyntaktische Komposita, whose members stand to each other in a construction that is not paralleled in the syntax of their language - for English has no such phrasal type as *door knob. ( 2 3 3 ) .

Zwischen den Polen 'asyntaktisch - syntaktisch' stehen semisyntaktische Konposita: ... the relation of the members parallels some syntactic construction, but the compound shows more than the minimum deviation from the phrase. (234)

Bloomfields Beispiele zeigen folgende Möglichkeiten: Vertauschung der normalen Wortfolge (engl. to housekeep vs. keep house} , Unterschiede in Artikel und Numerus (engl. turnkey vs. turn the key oder turn keys) , Unterschiede im Gebrauch von Präpositionen (frz. botte-a-lettres vs. bo£te pour les lettres) usw. Diese Einteilung wird überlagert durch andere Klassifizierungsnöglichkeiten, die wir hier nur erwähnen, nicht weiter erörtern wollen: (a) Man kann - nach der indischen Tradition - zwischen kopulativen und determinativen Konposita unterscheiden und innerhalb dieser Klassen weitere Subklassen feststellen. (235) (b) Nach der Beziehung zwischen dem Konpositum als ganzem und seinen Gliedern kann man zwischen endozentrischen und egozentrischen Konposita unterscheiden. (235f.)

14

Die Bloomfieldsche Gliederung nach ' syntaktisch - semisyntaktisch - asyntaktisch1 geht von den Gegebenheiten der Oberflächenstruktur von Sätzen aus. Sie ist daher nur ein Mittel zur Klassifizierung von Komposita, indem diese mit entsprechenden syntaktischen Konstruktionen verglichen und gegebenenfalls von ihnen abgesetzt werden. Die tieferliegenden Verbindungen zwischen syntaktischen Konstruktionen und Kcnposita werden noch nicht erfaßt. 1.3.1.2.

Hockett 1958 widmet der Konposition wenig Aufmerksamkeit. In-

teressant für uns ist lediglich seine Bemerkung zu engl. "phrasal compounds" wie blackbird, bluebird, blackboard: "...

their structure is syntactical,

not morphological" (243). Er führt diesen Gedanken jedoch nicht weiter aus, so daß wir die Bemerkung lediglich als Hinweis auf eine Verbindung zwischen Syntax und Konposition nehmen können. 1.3.1.3.

Bei Gleason 1955 wird die Komposition ganz der Morphologie

zugewiesen (59, 109). Auf irgendeinen Zusaimenhang zwischen Syntax und Konposition weist Gleason nicht hin. 1.3.1.4.

So läßt sich zusammenfassend feststellen, daß die 'Klassiker'

des amerikanischen Deskriptivismus das Problem Syntax - Konposition kaum berücksichtigt haben. Lediglich Bloomfield zeigt Ansätze einer syntaktischen Analyse der Komposition. Es ist auch im ganzen zu beobachten, Haft Wortbildungsfragen in den Handbüchern wenig intensiv behandelt wurden. Das trifft auch auf neuere Einführungen in die strukturelle Linguistik wie Lyons 1968, Bunting 1971 zu. 1.3.1.5.

Wie die Konposition im Bereich der tagmemLschen Analyse be-

handelt wird, zeigt Cooks Einführung von 1969/1971. Zunächst werden Kriterien zur "conpound recognition" genannt (132), die Entdeckungsprozedur also. Eine erste Klassifikation ergibt sich nach der Wortartzugehörigkeit der Konstituenten (133f.). - Cook erkennt an, Haf? in Konposita syntaktische Beziehungen zu erkennen sind: The relationship between the two roots of a compound is generally the same as between those form classes elsewhere in the grammar, but is in highly condensed form. Where the grammatical relations are obscure, the compound is called asyntactic ... (135) Man beachte, daß 'asyntactic' hier anders definiert wird als bei Bloomfield.

15

Bei Cook folgt noch ein Hinweis darauf, daß die funktionelle Bedeutung von Koitposita weiter geklärt werden könne, indem sie auf die ihnen zugrunde liegenden Satzmuster ("sentence patterns") zurückgeführt werden, wie es Ißes 1960 getan habe (135). Auch Cook begnügt sich also mit allgemeinen Bemerkungen, die auf einen Zusammenhang von Konposition und Syntax hinweisen, ohne ihn jedoch präziser zu fassen. 1.3.2. Marchands Iheorie der Wortbildung Marchand ist der erste Forscher, der die Wortbildungslehre des Englischen auf strikt struktureller Grundlage angeht. Nach vorbereitenden Aufsätzen erscheint 1960 sein Buch 'The categories and types of present-day English word-formation', in dem alle Gebiete der engl. Wortbildung nach einer einheitlichen Theorie dargestellt werden. In Marchands Aufsätzen nach dem Erscheinen seiner Monographie zeigt sich eine inner stärkere Einbeziehung syntaktischer Fragen in die Theorie der Wortbildung. Marchand hat die neuen Ergebnisse in die zweite Auflage seines Buches (1969) eingearbeitet, so daß wir die folgende Darstellung auf der Grundlage dieser völlig überarbeiteten Auflage des Buches geben können, ohne auf die Aufsätze im einzelnen zurückzugreifen. Nach Marchand besteht die Aufgabe der Wortbildungslehre darin, die Muster ("patterns") zu untersuchen, nach denen in einer Sprache neue lexikalische Einheiten gebildet werden. Diese müssen sowohl fornal als auch semantisch analysierbar sein. (2) Sie bilden Syntagmen, die aus einem Determinans und einem Determinatum bestehen (3). Die Begriffe 'Deterrainans 1 und 'Determinatum 1 hat Marchand von Bally übernommen und für den Bereich der Wortbildung erweitert. Die Überlegenheit der Determinans-Determinatum-Theorie über die 'modifier-head 1 -Theorie Jespersens weist Brekle 1970:32-36 nach. Man vgl. dazu auch Gauger 1968.

'Determinans1 und 'Determinatum1 sind Begriffe, die auch auf die Beschreibung von Sätzen anwendbar sind: A sentence is based on the same structural principle of a deterrainaturn/ determinant relationship as is a compound, the difference being that the sentence is a complete utterance, while the compound is only part of an utterance. Yet in either, the determinatum represents the basic part about which a statement is made by the determinant ... (31)

16

Es folgt dann die zentrale Idee, die auch Bally 21944 1965:102 vertritt, wenn er Konposita als "syntagmes reduits" bezeichnet: Morphologic composites (= compounds, suffixal derivatives, prefixal combinations) are 'reduced' sentences in substantival, adjectival, or verbal form and as such explainable from ' f u l l ' sentences ... ( 3 1 )

Der Satz, aus dem ein Kompositum "reduziert1 ist, heißt bei Marchand "kernel sentence" (31) oder "underlying sentence" (32). Je nachdem, welches Satzglied des Kern- oder zugrunde liegenden Satzes zum Determinatum eines Kompositums - besser: eines "morphologic composite" - wird, ergeben sich verschiedene "types of reference" (32). So können aus dem engl. Satz (1.3)

we eat

apples

die Komposita apple eater als Subjekt-Typ, apple eating als PrädikationsTyp und eating apple als Cbjekt-Typ abgeleitet werden. Damit ergibt sich nach den möglichen Referenztypen eine erste Möglichkeit der Klassifizierung von Komposita. Für eine Anzahl von Komposita reicht die syntaktische Beschreibung jedoch nicht aus. So genügt es, um ein dt. Beispiel zu wählen, nicht, für Putzfrau anzugeben, das es aus einem zugrunde liegenden Satz wie (1.4)

die Frau patzt

abgeleitet ist - und damit einen Subjekt-Typ darstellt -; eine ausreichende Beschreibung muB auch angeben, daß in der Bedeutung von Putzfrau eine Komponente wie "die Tätigkeit des Putzens wird habituell/berufsmäßig ausgeführt1 enthalten ist. Die spezifische Bedeutung sei weder aus (1.4) noch aus dem Referenztyp ableitbar, so daß sie erklärt werden müsse "from the compound at its surface level" (57). Marchand stellt ein Modell für die Beschreibung von Konposita auf, das außer den bereits erwähnten Komponenten: (a) Angabe des zugrunde liegenden Satzes und des aus ihm resultierenden Inhalts des Kompositums (55-57), (b) Angabe des Referenztyps (57), (c) Angabe von zusätzlichen semantischen Spezifizierungen auf der morphologischen, d.h. Cberflächenebene (57f.) die beiden folgenden berücksichtigt: (d) Angabe der 'morphologischen Gestalt1 ("morphologic shape"), d.h. der Wortartzugehörigkeit der Konstituenten (54), (e) Angabe der morphologischen Struktur in Form einer IC-Beschreibung unter Berücksichtigung des Datermnans-Determinatum-Verhältnisses (54).

17

Cfowohl Marchand seine Theorie der Wortbildung am Englischen entwickelt hat, ist sie auf die Erfassung der Verhältnisse in anderen Sprachen übertragbar. Man kann davon ausgehen, daß sich auf ihrer Grundlage auch die Wortbildung des Deutschen beschreiben ließe. An einigen Punkten ist jedoch, zumindest was die Konposition angeht, Kritik zu üben. Zunächst einmal wird nicht klar, wie die Überführung oder Umformung eines zugrunde liegenden Satzes in ein Konpositum innerhalb von Marchands Theorie zu denken ist.

Aufgrund der von ihm gewählten Terminologie, die

sich am Sprachgebrauch der gTG orientiert - z.B. "kernel sentence" (32), "underlying sentence" ( 3 2 ) , "granmatical deep structure" (55), "surface level" (57) -, wäre es naheliegend zu meinen, daß die Überführung durch den in der gTG genutzten Apparat der Transformationen geleistet wird. Doch kommt der Begriff "Transformation1 nicht vor - Marchand lehnt es in der Auseinandersetzung mit der transformationeilen Methode von Lees 1960 ausdrücklich ab, Komposita als Resultate von Transformationen zu sehen (1965:58). Vgl. Lees' Replik 1966. Damit bleibt bei Marchand die Frage offen, durch welche grammatischen Mittel Tiefen- und Oberflächenstruktur verbunden sind, und der technische Ausdruck "derive" in der Aussage: "the nominal composite is derived from a sentence" (32), bleibt unexpli ziert. Der zweite, wichtigere Punkt: Dadurch, daß die Wortbildung als autonome gramratische Disziplin, zwar vielfältig verbunden mit Syntax, Semantik, Morphologie, gesehen wird, ist Marchands Theorie nicht in der Lage, die Beziehungen, die zwischen Kompositum einerseits und diversen syntaktischen Konstruktionen andererseits bestehen, zu erfassen. Bei ihm kommt im syntaktischen Bereich nur das Verhältnis Kompositvm - ganzer Satz in den Blick, nicht aber die Beziehungen, die außerdem zwischen Konpositum und attributiven Konstruktionen, z.B. Substantiv mit abhängiger Präpositicnalphrase oder Genitivattribut, bestehen. 1.3.3.

Die Paraphrasenirethode

Auch bei der Beschreibung der dt. Wortbildung haben in den letzten Jahren strukturell arbeitende Forscher damit begonnen, die Beziehungen zwischen Wortbildungskonstruktionen und anderen syntaktischen Konstruktionen zu untersuchen. Man bediente sich dabei der Paraphrasenmethode (Terminus nach Polenz 1973:154) und ging aus

18 von der umgangssprachl. Möglichkeit, die Bedeutung eines w[ort]B[ildungs]Syntagmas durch eine Paraphrase zu definieren, in der die Wortkernplereme als Simplicia, d.h. als freie Plereme in freier Fügung vorkommen. (Polenz 1973:154)

Auf dem Gebiet der Wortbildung von Adjektiv und Verb hat besonders Polenz in zwei Aufsätzen (1968a, 1968b) diese Msthode angewendet. Basierend auf Vorschlägen von Motsch 1962, setzt er Strukturen wie (1.5)

die Brücke besteht aus Holz

(1.6)

hölzerne Brücke

und

in eine Transformationsbeziehung zueinander (1968b:15). Ausdrücklich geht er bei Strukturen wie (1.5) von oberflächenstrukturellen Sätzen aus, die in oberflächenstrukturelle Formen wie (1.6) transformiert werden. Der Terminus 'Transformation1 wird hier also in einem anderen Sinn als in den späteren Entwicklungsstufen der gTG gebraucht, wo Transformationen nicht Oberflächenstrukturen in Oberflächenstrukturen abbilden. Er entspricht eher dem Transformationsbegriff von Harris. In einem neueren Aufsatz (Polenz 1972) wendet er eine ähnliche Methode, in vielem erweitert und von Ideen Marchands und Brekles beeinflußt, auch auf die Beschreibung von Konposita an; als zugrunde liegende syntaktische Theorie benutzt er die von Heringer 1970a entwickelte. Es ist wichtig zu betonen, daß Polenz aus expliziteren Strukturen wie (1.5) 'verkürzte1, "reduzierte1 Strukturen wie (1.6) gewinnt. Andere Arbeiten, die ebenfalls die Paraphrasenmethode benutzen, gehen umgekehrt vor und verwenden ebenfalls den Terminus "Transformation1, nun aber in dem Sinn, daß ein Konpositum in eine äquivalente Konstruktion aufgelöst wird. Das ist z.B. bei 2epio 1970 der Fall, der versucht, das formale AbhängigkeitsVerhältnis der Glieder [eines Kompositums] mit entsprechender Transformation zu zeigen ( 8 7 f . ) ,

und zur Demonstration das unglückliche Beispiel "Handschuh - Schuh für die Hand" (88) wählt. Denselben Transformationsbegriff verwendet Pelka 1971, der von der "Transformation der Zusannensetzung in eine Wortgruppe" (113) spricht. In den erwähnten Arbeiten - weitere führt Polenz 1973:154f. auf - wird ein ZusaimBnhang zwischen Koitposition - oder Wortbildung allgemein - und Syntax erkannt und durch einen allerdings unscharfen, schlecht definierten Transformationsbegriff zu fassen versucht. 2epi6 und Pelka gehen analytisch vor, indem sie das "fertige1 Konpositum in eine andere Konstruktion auf-

19

lösen, während Polenz synthetisch von komplexeren syntaktischen Konstruktionen ausgehend Wortbildungskonstruktionen ableitet. Bei der Beschäftigung mit der Wortbildung sind beide Analyserichtungen notwendig. In dieser Arbeit werde ich das analytische Verfahren zu heuristischen Zwecken benutzen; das in Kapitel 4. vorgeschlagene Verfahren hingegen ist synthetisch. Zum analytischen und synthetischen Verfahren in der Wortbildung: Lipka 1971a:223f. und Dokulil 1968 (Untersuchung der "Wortgebildetheit" und "prozessuale Wortbildung").

1.3.4.

Fleischers "Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache'

Die 1969 erschienene Monographie von Fleischer ist die erste umfassende Darstellung der dt. Wortbildung auf struktureller Basis. Die Frage nach dem Verhältnis Wortbildung - Syntax wird bei Fleischer, abgesehen von wenigen beiläufigen Bemerkungen, nicht systematisch behandelt. Es scheint, als habe er die Arbeiten von Lees, Marchand u.a. nicht weiter zur Kenntnis genonnen. Zwar spricht auch er einmal davon, daß die Beziehungen zwischen den Konstituenten [eines bestimmten Typs von Komposita] durch Transformation i n eine W o r t g r u p p e ... deutlich werden, (87)

doch hat er diese Methode nicht konsequent und reflektiert angewendet. Fleischer behandelt stärker Fragen der Identifizierung, der IC-Beschreibung und der Semantik, ohne jedoch von einer einheitlichen Theorie der Wortbildung auszugehen. Einer scharfen Kritik hat Kastovsky 1971b Fleischers Darstellung unterzogen. Kastovsky wirft ihm vor allem vor, sich nicht genügend mit den von Marchand vertretenen Ansichten auseinandergesetzt zu haben.

1.4.

Der transformationell-syntaktische Ansatz

1.4.0. In der gTG werden Wortbildungskonstruktionen konsequent als mit syntaktischen Mitteln und Begriffen zu erfassende Phänomene aufgefaßt. Im folgenden nennen wir die wichtigsten Annahmen und Prinzipien, die der Behandlung der Wortbildung, speziell der Nominalkonposition, in einer gTG zugrunde liegen. Der Überblick kann knapp gehalten werden, da in den Kapiteln 3. und 4. mit diesem Grammatikmodell gearbeitet wird, so daß bestimmte Einzelfragen dort ausführlicher behandelt werden und wir uns hier

20

mit einer mehr beschreibenden Zusaimenfassung begnügen können. 1.4.1. Auf der Grundlage des frühesten Modells der gTG, Chomsky 1957, und dieses z.T. erweiternd und modifizierend, beschreibt Lees 1960/51968 die Nominalisierung im Englischen. Als ein Teilbereich der Nominalisierung wird auch die Nominalkonpcsition behandelt. Lees geht von der folgenden, durch Vergleich zwischen Kompositum und paraphrasierendem Ausdruck gewonnenen Beobachtung aus: ... English nominal compounds incorporate the grammatical forms of many different sentence types, and of many different internal relationships within sentences, such as subject-predicate, subject-verb, subject-object, verb-object, etc. (119)

Bei diesen Sätzen handelt es sich um sog. 'Kemsätze1, die als attributive Konstituentensätze transformationell in Matrixsätze eingebettet werden, und zwar neben dem N eines Matrixsatzes, das später als zweite Konstituente des Konpositums fungiert. Nach der Einbettung tilgen Transformationen Elemente, die im Korrpositum nicht mehr vorhanden sind, und bringen die verbleibenden Konstituenten in die richtige oberflächenstrukturelle Reihenfolge. Je nach den grammatischen Relationen, an denen die Konstituenten des Konpositums im zugrunde liegenden Konstituentensatz beteiligt sind, lassen sich Konposita in verschiedene Typen klassifizieren. Lees findet für das Englische acht Typen, die nach verschiedenen Kriterien weiter unterteilt werden. An Lees' Vorgehen läßt sich vom gegenwärtigen Stand der gTG her gesehen in vielen Punkten Kritik anbringen. Wir verzichten jedoch an dieser Stelle darauf, da in Kapitel 3. grundsätzliche Überlegungen zur Ableitung von Konposita aus einer syntaktischen Tiefenstruktur nach dem ' Aspects'Modell gemacht werden. Dort wird Lees' Ansatz, der sich leicht in die 'Aspects'-Version umformulieren läßt, ausführlicher dargestellt und kritisiert (bes. 3.4., 3.5.)· Soviel bleibt festzuhalten: In der gTG werden Nominalkomposita generell als Elemente der Oberflächenstruktur angesehen, die trans formationell aus einem zugrunde liegenden Konstituentensatz (der Tiefenstruktur) abgeleitet werden. Die Motivationen und Gründe für diese Auffassung lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen: (a) Paraphrasen zeigen, daß in Komposita die gleichen (syntaktischen) Relationen enthalten sind wie in Sätzen. Sie werden materiell jedoch nicht realisiert, können aber in der Tiefenstruktur rekonstruiert

21

und expliziert werden. (b) Die Grammatik wird vereinfacht, wenn (Oberflächen-)Sätze oder Teile von ihnen und die mit innen korrespondierenden Komposita auf dieselben zugrunde liegenden Strukturen zurückgeführt werden. Ihre unterschiedlichen syntaktischen Oberflächenstrukturen können durch unterschiedliche Anwendung von Transfonrationsregeln erklärt werden. (c) Das Lexikon wird vereinfacht, wenn es keine Koitposita enthält, sondern nur die - auch sonst benötigten - Formative, die Konstituenten von Koroposita sein können. Diese Grundauffassungen sind seit Lees 1960 im wesentlichen gleichgeblieben. Es wurde zwar auf verschiedene Schwächen und Probleme hingewiesen (vgl. Lees 1970a, 1970c, Motsch 1970a und die Rezension zu Lees von Rohrer 1966), ohne daß jedoch größere Revisionen vorgenommen wurden. Rohrer 1967 geht bei der Beschreibung der Komposition im Französischen wie Lees vor, ebenso wohl auch Reibel 1963 für das Altenglische (die Arbeit von Reibel ist mir nicht zugänglich). Auch Ifotsch 1970a behandelt eher Spezialprobleme des transformationeilen Ansatzes und schlägt keine substantielle Umorientierung vor. - überhaupt sind Probleme der Komposition wie der Wortbildung im ganzen in der gTG seltsamerweise im Hintergrund geblieben. Erst seit einigen Jahren ist eine stärkere Zuwendung zu diesem Probleirkreis zu beobachten, und zwar ist besonders die (Verbal- )Nominalisierung zu einem kontroversen Thema geworden. Zur Nominalisierung vgl. unten 4 . 3 . 1 . 3 . ( S . 1 2 6 f f . ) Ich verzichte darauf, an dieser Stelle eine vollständige Aufzählung der - spärlichen - Literatur zur Wortbildung in der gTG zu geben. An den betreffenden Stellen der Arbeit werde ich auf die relevante Literatur eingehen. Nicht weiter berücksichtigen werde ich in diesem Zusammenhang das Buch von Naumann 1972, das trotz vieler richtiger Einzeleinsichten eigentlich keine Behandlung der Wortbildung im Rahmen der gTG bringt - wie es die Überschrift von Kapitel 2 "Wortbildung und generative Grammatik" ( 1 9 ) ankündigt -, sondern eher zu der in 1.3.3. vorgestellten Paraphrasenmethode gehört.

1.4.2.

Es ist noch eine Arbeit zur Verbalkomposition im Deutschen zu er-

wähnen, deren Ergebnisse und Schlußfolgerungen gleichzeitig zu dem im nächsten Abschnitt vorgestellten Ansatz überleiten. - Lerot 1971 untersucht, wieweit sich verbale Kortposita (z.B. aufgleisen, vortanzen, eintrichtem usw.) im Rahmsn der 'Aspects'-Version der gTG beschreiben lassen. Das Auftreten verschiedenartiger Probleme bringt Lerot zu der Ansicht,

22

daß bestiirmten Erscheinungen nur Rechnung getragen werden kann, wenn die Tiefensyntax rein semantische Symbole enthält oder das Transformat einer tieferliegenden satzsemantischen Struktur bildet (1O9).

Im ganzen schätzt Lerot die Leistungsfähigkeit einer syntaktisch fundierten gTG für die Behandlung von Verbalkomposita folgendermaßen ein: Die Transformationsgrammatik hat uns zu einer besseren Einsicht der Bildung von Verbzusammensetzungen verhelfen. Wir hätten dieselbe Theorie mit ähnlichem Erfolg auf Verbableitungen anwenden können. Das Fazit ist eher positiv als negativ. Jedoch vermag die transformationelle Theorie nicht die ganze Problematik zu klären. Bessere Ergebnisse hätten vermutlich mit Hilfe von auf satzsemantischen Strukturen operierenden Transformationen erzielt werden können, aber dazu müßte zunächst eine neue Theorie entwickelt werden. Das ist eine Aufgabe für die Zukunft. (HO)

1.5.

Der transformationell-seinantische Ansatz

1.5.0. Offensichtlich sind die eben zitierten Sätze Lerots ohne Kenntnis des Modells geschrieben, das Brekle 1970 (in einer ersten Fassung 1968) vorgelegt hat und in dem wesentliche Forderungen Lerots erfüllt zu sein scheinen. Dieses Modell soll zum Schluß dieses Kapitels kurz •vorgestellt werden; anschließend werde ich einige weniger bekannt gewordene Überlegungen von Dokulil referieren, die in etwa die gleiche Richtung wie Brekle zielen und auch Einsichten der Kasus-Grammatik vorwegnehmen. 1.5.1. Gleichzeitig mit parallelen Bestrebungen amerikanischer Transformationalisten (McCawley, Lakoff, Postal u.a., Vertreter der sog. Generativen Semantik) wendet sich Brekle 1970 vom Standard-Modell der gTG mit syntaktischer Basis ab und postuliert ein neues Modell, dessen generative Basis semantisch aufgebaut ist. In der Basis werden wahlgeformte semantische Repräsentationen generiert; diese Tiefenstrukturen werden unter Benutzung des bekannten, z.T. modifizierten, logischen Prädikatenkalküls dargestellt. Der syntaktischen Komponente einer so konzipierten Grammatik fällt die Aufgabe zu, die mit Lexikoneinträgen versehenen und durch die Anwendung verschiedener Cperatoren umgestalteten Repräsentationen durch Transformationen in eine lineare Cberflächenform zu bringen, die dann phonologisch interpretiert wird. Wie der Übergang von semantischen zu syntaktischen Strukturen im einzelnen zu denken ist, führt Brekle nicht genauer aus. Er beschränkt sich im wesentlichen auf die Ausarbeitung der Basiskonponente.

23

In der Basis werden wie erwähnt semantische Repräsentationen ("Satzbegriffe") generiert, die die Inhaltsstruktur von Sätzen darstellen sollen. Eine genau definierbare Teilmenge dieser Strukturen stellt die Inhaltsstruktur engl. Nominalkoirposita dar. Nach dieser Auffassung geht ein Kompositum also nicht direkt auf eine Satzstruktur zurück; Sätze und Konposita haben vielmehr teilgleiche Tiefenstrukturen. Die Konposita zugrunde liegenden Tiefenstrukturen sind dadurch charakterisiert, daß sie 'ärmer1 sind als die von Sätzen; ihnen fehlen z.B. Determinierung und Quantifizierung von NPs, die Spezifizierung von temporalen und modalen Angaben usw., die benötigt werden, wenn ein Satz in eine konkrete Sprechsituation eingefügt wird. Daher ist es nötig, in der Grarmatik den Prozeß, der Komposita erzeugt, frühzeitig zu trennen von dem Prozeß, der Sätze erzeugt. Im Vergleich der Konzeption, die im Gefolge von Lees steht, mit der von Brekle liegt der Hauptunterschied also darin, daß nach Lees (Konstituenten-) Satz und korrespondierendes Konpositum aus einer identischen Tiefenstruktur abgeleitet werden, während nach Brekle Satz und Kortpositum auf semantische Tiefenstrukturen zurückgehen, die in bestimmter Hinsicht, in ihrem semantischen Kern (im "Satzbegriff"), gleich sind, in anderer Hinsicht jedoch differieren. Brekle hat diesen Unterschied nicht weiter diskutiert; ich werde in 3.4. zeigen, ffofl Lees' Konzeption in diesem Punkt tatsächlich problematisch ist und daß syntaktische und semantische Gründe dafür sprechen, eher dem Vorgehen Brekles zu folgen. Das in Kapitel 4. entwickelte Modell stellt dann eine Art Synbhese dar, in die Einsichten von Brekle die Tiefenstrukturen von Konposita und die von Sätzen sind nicht identisch, sondern nur teilgleich - und von Lees - Komposita gehen auf eine Struktur der Form N + attributiver Konstituentensatz zurück - eingehen, z.T. auch präzisiert und modifiziert werden. 1.5.2. In diesem Zusammenhang sei noch auf einen Autor hingewiesen, dessen Auffassungen weniger bekannt geworden sind. Dokulil 1964 behandelt in Auseinandersetzung mit Vertretern der sog. Polnischen Schule (vgl. dazu A.Helbig 1969:281f.) das "wechselseitige Verhältnis zwischen Wortbildung und Syntax" (Titel). Er erkennt grundsätzlich an, daß es Beziehungen zwischen motivierten Wortbildungskonstruktionen und syntaktischen Konstruktionen gibt; die Verwandtschaft jedoch ist von tieferer und wesentlicherer Natur: wie im Satzbau haben wir mit (prinzipiell) zweigliedrigen Strukturen der Bedeutungseinheiten zu tun,

24 die gegenseitig eng aneinander gebunden sind, und zwar als bestimmendes (determinierendes) und zu bestimmendes (determiniertes) Glied, mit Syntagmata nach der Terminologie Ch.Ballys. ( 2 1 5 )

Dokulil leitet Wortbildungskonstruktionen also nidit aus "isosemantisdien" (216) syntaktischen Konstruktionen ab; er führt ihre Verwandtschaft vielmehr weiter zurück auf semantische Sachverhalte : Wie bereits aus dem, was wir bisher über die Art der Verwandtschaft zwischen Wortbildung und Syntax erwähnt haben, ersichtlich ist, geht es hier stets um inhaltliche Übereinstimmungen, bzw. Analogien, und zwar sowohl im Hinblick auf das Ganze, als auch in Hinblick auf dessen Struktur. Ausschließlich auf dieser inhaltlichen ... Ebene ist es möglich, Übereinstimmungen und Analogien zwischen Wortgebilden und syntaktischen Gebilden zu suchen. Nur da kann man das motivierte Wort als eine bestimmte Kondensation des entsprechenden syntaktischen Gebildes (und umgekehrt das syntaktische, mit den Wortgebilden äquivalente Gebilde als deren Ausweitung) auffassen. Das jedoch, was am syntaktischen Gebilde spezifisch syntaktisch ist, spiegelt sich in der Struktur des zusammengesetzten oder abgeleiteten, mit ihm inhaltlich äquivalenten Wort nicht wider. ( 2 1 7 )

Spezifisch syntaktische Beziehungen sieht Dokulil in den Abhängigkeiten, die die traditionellen Satzglieder ausdrücken: Subjekt, Prädikat, Cbjekt, Attribut, Adverbialbestiinnung usw. Wenn man nun, aufs Deutsche übertragen, zwischen -er und lehr- in Lehrer dieselbe Beziehung sieht wie zwischen er und lehrt in er lehrt (Subjekt, Prädikat), so sei das falsch, da Subjekt und Prädikat nicht inhaltlich (semantisch) , sondern grammatisch (funktionell) (Haupt) Satzglieder

definierte

seien (218) . Dokulil fährt fort: Die Satzglieder haben keinen unmittelbaren Zusammenhang mit den (gedanklichen) Inhalten, sie bezeichnen diese nicht direkt, sondern sie drücken Beziehungen im Satz, syntaktische Funktionen aus (und erst mittels dieser weisen sie auf die allgemeinen Kategorien des Inhalts hin) . (218)

Er weist dann darauf hin, ffoB in Wortbildungskonstruktionen inhaltliche Kategorien wie "Träger einer Eigenschaft1 , "Träger einer Handlung1 , "Werkzeug einer Handlung* usw. vorliegen können, denen nicht unmittelbar und eindeutig eine syntaktische Funktion (Satzglied) entspricht: Agens der Handlung (Urheber der Tätigkeit) , Gegenstand der Handlung, Resultat der Handlung, Werkzeug der Handlung usw. sind keine syntaktischen, sondern inhaltliche, gedankliche Kategorien, genauer gesagt: gnoseologischlogische Kategorien, die natürlich auch ihre Widerspiegelung (ihren Reflex) im grammatischen Sprachsystem, in den grammatischen, konkret gesagt, syntaktischen Kategorien haben, jedoch keine unmittelbare, einfache, sondern eine mittelbare, komplizierte. (218)

Aus all dem wird klar, daß Dokulil den engen Zusairmenhang zwischen Wortbildung und Syntax auf eine "gnoseologisch- logische" Struktur zurückführt, die beiden zugrunde liegt. In dieser Hinsicht kann man ihn als Vorläufer

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einer Konzeption ä la Brekle ansehen (Brekle selbst beruft sich allerdings nicht auf ihn). Es ist auch interessant zu sehen, wie Dokulil Gedanken ausführt, die später bei FillrtDre 1968 zum Tragen kottnen und zur Kasus-Grammatik führen. Besonders hervorzuheben sind die folgenden Punkte: (a) Den Satzgliedern der traditionellen Grammatik (den granmatischen Funktionen oder syntaktischen Relationen Chcmskys) können nicht eineindeutig semantische Kategorien (Agens, Patiens usw.) zugeordnet werden. Dieser Befund führt bei Fillmore zur Etablierung von Tiefenkasus, die transformationell auf Satzglieder/grammatische Funktionen abgebildet werden. (b) Wenn Satzglieder deitnach nicht primäre, sondern abgeleitete Begriffe sind, mit denen spezifisch syntaktische Eigenschaften eines Satzes erfaßt werden, sind sie ungeeignet zur Beschreibung der semantischen Verhältnisse, die zwischen den Konstituenten von Wortbildungskonstruktionen bestehen. (b) ist keine direkte Folgerung aus der Annahme einer Kasus-Grammatik; (b) wird jedoch indirekt auch schon von Lees 1970a:181-185 anerkannt, wenn er eine Beschreibung der engl. Nominalkomposition im Rahmen einer Kasus-Grammatik andeutet, und zwar mit der Begründung: ... such an analysis permits a much finer distinction and a closer connection between the meaning of a compound and its deep syntactic structures (181). Zur weiteren Explizierung seines Ansatzes vgl. Dokulil 1968; Referat und Diskussion in A.Heibig 1969:281-284. Vgl. auch Polenz 1973: 155f.

1.6.

Zusammenfassung

Die folgenden Schemata sollen die Grundannahmen der bis hier referierten Ansätze noch einmal verdeutlichen; wir berücksichtigen wiederum nur den Aspekt Komposition - Syntax:

26 (1.7)

Historisch K —- S

(a) (b)

Zeit -•K

K —·· K

(durch Analogie)

•-S

(1.8)

Strukturell (synchronisch) 1.

K

S

2. (a)

K

* S

s —-

(b)

(1.9)

(Zepic, Pelka)

(Marchand, Polenz)

Transformationell-syntaktisch (synchronisch) (a)

K

S

K und S werden auf gemeinsame syntaktische Tiefenstruktur zurückgeführt; dann: (b)

(1.1O)

Transformationell-semantisch (synchronisch) (a)

K —- S

K und S werden auf teilidentische semantische Strukturen zurückge führt; dann: (b)

Tn



T

27

Die Synbole 'S 1 und 'K' stehen für 'syntaktische Konstruktion' (Satz oder Teil eines Satzes) bzw. 'Kompositum'. Die riicht-durchbrochenen Pfeile geben die Richtung an, aus welcher Konstruktion die andere hervorgeht. Der durchbrochene Pfeil gibt die Relation 'läßt sich auflösen in1 wieder. In (a) stehen heuristische Schritte (Herstellung einer Paraphrasenrelation). 'T1 steht für "Transformation1, 'Tt ... Tn' für Transformationen, die für die Ableitung eines Satzes oder einer anderen syntaktischen Konstruktion, ' T . ' ... T, ' für Transformationen, die speziell zur Ableitung eines Köml

K.

positurns benötigt werden.

2.

VORBEREITENDE ÜBERLEGUNGEN UND UNTERSUCHUNGEN

2.0. In diesem Kapitel werden Aspekte unseres Untersuchungsgegenstandes herausgearbeitet, die in einer Grammatik der Naminalkomposition angemessen berücksichtigt werden müssen. Zuerst wird in einer groben Skizze des (morphologischen) Aufbaus des Wortschatzes der Ort von Wortbildungskon&truktionen bestimmt. Dabei werden einige zentrale Begriffe der Wortbildungslehre eingeführt. Wir unterscheiden zwischen lexikalisierten und regulären (syntaktischen) Komposita und zeigen, daß nur die regulären Bildungen syntaktisch beschrieben werden können, während lexikalisierte Bildungen im Lexikon zu behandeln sind. Die Unterscheidung ist oft nicht eindeutig zu treffen; wir schlagen einige Testverfahren vor, mit deren Hilfe eine relativ klare Trennung zwischen lexikalisierten und regulären Bildungen gezogen werden kann. Danach werden mit verschiedenen Tests Struktureigenschaften von Komposita aufgedeckt und ihre Verbindung mit anderen syntaktischen Konstruktionen gezeigt. Die These, auf der unsere Arbeit aufbaut, daß nämlich die Komposition einen Spezialfall der Attribution darstellt, wird abschließend genauer ausgeführt.

2.1.

Skizze des Aufbaus des Wortschatzes

2.1.1. Wenn man den Wortschatz des Deutschen, wie er etwa in gängigen Wörterbüchern verzeichnet ist, unter morphologischen Gesichtspunkten sichtet, so ergibt sich folgendes Bild: Die Anzahl der freien Morpheme, die nicht aus weiteren Morphemen zusaintengesetzt sind, ist relativ gering im Vergleich zu den Eintragungen im Wörterbuch, die - jedenfalls auf den ersten Blick - Konstruktionen aus mehreren Morphemen darstellen. Eine der traditionellen Aufgaben der Wortbildungslehre besteht nun darin, innerhalb der Menge der als Morpheirkonstruktionen erachteten Wörterbuch-

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eintrage eine skalierende Ordnung zu schaffen, die Einträgen wie begegn(en), vergess(en), Schornstein· einerseits, Begegnung, Steilwand andererseits einen verschiedenen Status zuweisen. Der Statusunterschied wird gemessen am Kriterium der Motiviertheit. Motivierte Bildungen sind dadurch ausgezeichnet, daß die Morpheme, aus denen sie sich konstituieren, auch außerhalb der im Wörterbuch vorkommenden Konstruktion als (freie oder gebundene) Morpheme auftreten können. Nicht-motivierte Bildungen stellen - auf der Inhaltsseite - gar keine Morphenkonstruktionen dar, wenn der Begriff des Morphems als Einheit von Inhalt und Ausdruck streng genommen wird. Wir wollen das an einem Beispiel demonstrieren: Die Phonemkette /äta^/, die in Schornstein und Steinwand vorkontnt, kann nicht Ausdrucksseite ein und desselben Morphems sein, weil ihr mindestens zwei Bedeutungen zugeordnet sind, wobei es überdies noch schwer ist,

dem -stein in Schornstein

überhaupt eine eigene Bedeutung zuzuordnen. Das zeigt sich auch darin, daß es kein Morphem Stein gibt, das in einem bestimmten Kontext Schornstein ersetzer: könnte. Genauso verhält es sich bei vergess (en),