Heinrich Wildner Tagebücher 1938-1944: „Heute geht es gegen die Juden, morgen kann es gegen die anderen gehen…“ [1 ed.] 9783205214557, 9783205214533

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Heinrich Wildner Tagebücher 1938-1944: „Heute geht es gegen die Juden, morgen kann es gegen die anderen gehen…“ [1 ed.]
 9783205214557, 9783205214533

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GERTRUDE ENDERLE-BURCEL (HG.)

HEINRICH WILDNER TAGEBÜCHER 1938–1944

„HEUTE GEHT ES GEGEN DIE JUDEN, MORGEN KANN ES GEGEN DIE ANDEREN GEHEN …“

Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg Herausgegeben von Robert Kriechbaumer · Franz Schausberger · Hubert Weinberger Band 83

Gertrude Enderle-Burcel (Hg.)

Heinrich Wildner Tagebücher 1938–1944 »Heute geht es gegen die Juden, morgen kann es gegen die anderen gehen …« Bearbeitet von Gertrude Enderle-Burcel und Roland Starch

Böhlau Verlag Wien · Köln

Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung durch  : Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten der Republik Österreich Nationalfonds der Republik Österreich Zukunftsfonds der Republik Österreich Amt der N.Ö. Landesregierung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 Böhlau, Zeltgasse 1, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore  ; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland  ; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildungen  : Portrait-Foto  : Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten. Faksimile von stenografischen Notizen  : Österreichisches Staatsarchiv, Nachlass Wildner, E/1791, Konvolut 67. Korrektorat  : Constanze Lehmann, Berlin Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21455-7

Inhaltsverzeichnis

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7 Gertrude Enderle-Burcel Darstellung der Quelle – Grundsätzliches zur Edition . . . . . . . . . . . . . . .   9 Gertrude Enderle-Burcel/Roland Starch Heinrich Wildner – eine biografische Annäherung. »Wir erfahren (darüber) nichts, aber die Leute sprechen davon.«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  19 Heinrich Wildner Tagebücher 1938–1944. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  41

ANHANG Gertrude Enderle-Burcel/Roland Starch Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 Ausgewählte Literaturhinweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 Biografien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 Verwandtenliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933 Geografisches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936 Personenregister.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963

Dank Zu besonderem Dank sind wir Erika Gonsa, Katrin Kubetschka und Peter Enderle verpflichtet. Sie haben uns drei Jahre bei unseren Forschungen in vielfältigster Weise unterstützt. Für das sorgfältige Endlektorat danken wir Elisabeth Gmoser. Für Hilfe bei den Recherchen haben wir zu danken: Angerer, Thomas (Universität Wien) Artl, Gerhard (Österreichisches Staatsarchiv, im Ruhestand) Dabringer, Gerhard (Militärbischöfliche Bibliothek und Archiv) Denk, Ulrike (Universitätsarchiv) Domnanich, Renate (Österreichisches Staatsarchiv) Ebner, Peter (privat) Eccher, Roman (Österreichisches Staatsarchiv) Eminger, Stefan (Niederösterreichisches Landesarchiv) Fritzer, Pater SJ (Kirchenrektor) Gaul, Jerzy (Hauptarchiv Alter Akten/Warschau) Gangl, Pater Peter (Jesuiten in Zentraleuropa/Regionalverwaltung Wien) Gangoly, Lukas (Stift Klosterneuburg) Gehler, Michael (Universität Hildesheim) Göbl, Michael (Haus-, Hof- und Staatsarchiv) Hall, Murray G. (Universität Wien, im Ruhestand) Hartmann, Gerhard (Universität Graz, im Ruhestand) Hehenberger, Susanne (Kunsthistorisches Museum Wien) Hollaus, Pascal M. (Provinzarchiv der Franziskanerprovinz Austria) Höslinger-Finck, Annette (Österreichische Nationalbibliothek) Huebner, Gerda (Stadtarchiv Hollabrunn) Jeřábek, Rudolf (Österreichisches Staatsarchiv) Kandler, Eva (London) Kohl, Gerald (Universität Wien) Koll, Johannes (Wirtschaftsuniversität Wien) Knight, Robert (Loughborough University, im Ruhestand) Kramml, Peter F. (Stadtarchiv Salzburg) Knipping, Andreas (privat) Korotin, Ilse (Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien) Kubu, Eduard (Universität Prag) Lautner, Dieter (Österreichisches Staatsarchiv) Lebensaft, Elisabeth (Österreichisch Biographisches Lexikon, im Ruhestand) Ma-Kircher, Linda (Wiener Stadt- und Landesarchiv, im Ruhestand)

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Anhang

Mach, Stefan (Österreichisches Staatsarchiv) Mang, Ria (Curmuseum Bad Gleichenberg) Massani, Manfred (Provinzbibliothek der Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol Innsbruck) Mayer, Monika (Archiv und Provenienzforschung des Belvedere) Mayrhofer, Pater Florian (Stift Heiligenkreuz, Bibliothek) McKinley, Caroline (Diözesanarchiv Wien) Melichar, Peter (Vorarlberger Landesmuseum) Mentschel, Christoph (Universität Wien) Mugrauer, Manfred (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands) Mueller, Wolfgang (Universität Wien) Nečak, Dušan (Universität Laibach, im Ruhestand) Neuner, Lina (privat) Oliver, Pater (Kirche St. Peter, Wien) Oppitz, Christine (Stadtarchiv Herzogenburg) Palme, Christine (privat) Pilch-Karrer, Erna (Österreichisches Staatsarchiv) Rasinger, Larissa (Schottenstift Wien) Reiter-Zatloukal, Ilse (Universität Wien) Schinkowitz, Michael (privat) Schmitz, Georg (privat) Schriffl, David (Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten) Seliger, Maren (Wiener Stadt- und Landesarchiv, im Ruhestand) Semotan, Stefan (Österreichisches Staatsarchiv) Staudinger, Anton (Universität Wien, im Ruhestand) Stumpf, Edith (privat) Stumpf, Markus (Universität Wien/Bibliothek Institut für Zeitgeschichte) Swoboda, Gudrun (Kunsthistorisches Museum) Tauber, Joachim (Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa) Tepperberg, Christoph (Österreichisches Staatsarchiv, im Ruhestand) Tezzele, Rita (Wirtschaftskammer Österreich, Archiv) Vopava, Herbert (Österreichisches Staatsarchiv) Wallnig, Pia (Österreichisches Staatsarchiv) Wangemann, Falk (Staatsarchiv Hamburg) Weigl, Andreas (Wiener Stadt- und Landesarchiv) Werner, Margot (Nationalbibliothek) Winkelbauer, Thomas (Universität Wien) Wotawa-Hahlheimer, Eva (Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten)

Gertrude Enderle-Burcel

Darstellung der Quelle – Grundsätzliches zur Edition Vorbemerkungen Meine erste wissenschaftliche Beschäftigung mit den Kriegstagebüchern des österreichischen Spitzendiplomaten Heinrich Wildner und dem Thema geht auf einen Vortrag für das Jüdische Institut für Erwachsenenbildung und das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes im Jänner 2013 zurück. Die Frage nach dem Wissen der Zeitgenossen um die Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung der Juden gehört zu den zentralen Fragen in der Holocaust-Forschung. Der Plan einer Edition der Tagebuchaufzeichnungen der Jahre 1938 bis 1944 entstand zwar bereits rund um den Vortrag im Jahre 2013, doch zeigte sich schon bei dessen Vorbereitung, dass die Umsetzung aufgrund der Fülle an Inhalten und an erwähnten Personen eine besondere wissenschaftliche Herausforderung darstellt. Die Öffnung der Archive des Vatikans rund um die Frage, was Papst Pius XII. über den Holocaust wusste, rückte diese Fragestellung wieder mehr in den Fokus historischer Forschungen. Die Akten des Vatikans – u. a. Schreiben aus dem August 1942 vom Erzbischof der Stadt Lemberg und ein Brief eines amerikanischen Abgesandten, die Papst Pius XII. nachweislich im September 1942 gelesen hatte – korrespondieren zeitlich mit den vielzitierten Tagebüchern von Victor Klemperer.1 Bei Klemperers Tagebüchern wurde hervorgehoben, dass dieser schon 1942 von Auschwitz Kenntnis hatte. Heinrich Wildner schrieb sogar schon im November 1941  : »K. erzählt, ein Universitätsprofessor sei kürzlich bei Mauthausen gewesen, der Schornstein des dortigen Konzentrationslager-Krematoriums rauche Tag und Nacht.« Wildner wusste und berichtete – im Stil eines Chronisten – über die Gräueltaten des NS-Regimes bereits ein Jahr früher als Klemperer.2

1 Vgl. dazu erste Informationen im Dossier in »DIE ZEIT«, 23. April 2020, S. 14 f., »Der Papst, der wusste und schwieg«  ; vgl. auch Victor Klemperer, Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten, T ­ agebücher 1933–1945, Berlin 1995 (in zwei Bänden publiziert). 2 Dies war Anlass, ein Forschungsprojekt mit dem Ziel einer Edition von Wildners Kriegstagebüchern zu entwickeln. Das Forschungsprojekt beim Zukunftsfonds der Republik Österreich (P 20-4011) lief in der Zeit von 1. Juni 2020 bis 28. Februar 2021. Ein weiteres Forschungsprojekt ermöglichte es, das Rohmanuskript zu überarbeiten und notwendige ergänzende Forschungen zu leisten. Das Forschungsprojekt beim Zukunftsfonds der Republik Österreich (P 21-4372) lief in der Zeit vom 1. September 2021 bis 28. Februar 2022.

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Gertrude Enderle-Burcel

Fast zeitgleich verspürte im September 1941 etwa auch Erich Kästner »eine neue innenpolitische Aktivität«, die er allerdings noch nicht genau einordnen konnte  : »Und seit Tagen werden die Juden nach dem Warthegau abtransportiert, … was sie erwartet, wissen wir nicht.«3 Erich Kästner ahnte, aber Heinrich Wildner wusste, was sie erwartete.

Der Weg ins Archiv, Sperre und Freigabe Im Österreichischen Staatsarchiv befindet sich der Nachlass Heinrich Wildners, der 1958 unter nicht ganz nachvollziehbaren Umständen von seinem Bruder Clemens Wildner,4 der ebenfalls im diplomatischen Dienst tätig war, an das Staatsarchiv abgeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt lagerten die aus 23 Paketen bestehenden Materialien im Zimmer des damaligen Generaldirektors des Staatsarchivs Dr. Gebhard Rath.5 Im Mai 1968 wurde der Nachlass von Generaldirektor i. R. Hofrat Dr. Rath an das Haus-, Hof- und Staatsarchiv mit einer Sperrklausel bis zum Jahre 2000 übergeben.6 Aus nicht ganz zu klärenden Gründen blieb der Nachlass bis 2009 weiter für die Forschung gesperrt. Um die Gründe »ranken sich Mythen«, wie Rudolf Agstner in seiner Einleitung zu den Kriegstagebüchern 1915/1916 geschrieben hat.7 Im Testament von Heinrich Wildner ist eine Beilage III angeführt, ein »Schreiben an das Haus-, Hof- und Staatsarchiv betreffend die Überlassung und Behandlung gewisser Teile meines Schriftennachlasses, Wien ebenso geschrieben und unterschrieben am 17. Juni 1957.«8 1980 wurde bei der »Benützung des 1944 übernommenen Amtsnachlasses« von Wildner auch die Frage der »Benützungsgrenze« seines privaten Nachlasses vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv entschieden, indem eine Sperrklausel – »ein Wunsch des Verstorbenen« – bis zum Jahr 2000 verhängt wurde. Dazu 3 Zitiert nach Sven Hanuschek, Kästners Kriegstagebücher  : Eine Einführung, in  : Erich Kästner, Das Blaue Buch, Geheimes Kriegstagebuch 1941–1945, Zürich 2018, S. 7–41, hier S. 12. 4 Zur Kurzbiografie Clemens Wildner siehe Biografischer Anhang. Eine umfassendere Biografie vgl. Rudolf Agstner/Gertrude Enderle-Burcel/Michaela Follner, Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky, Biographisches Handbuch der Diplomaten des Höheren Auswärtigen Dienstes 1918 bis 1959, Wien 2009, S. 465 f. Zu Clemens gibt es in den Texten Wildners und in Personalunterlagen auch immer wieder die Schreibweise Klemens. Auf dem Grabstein des Familiengrabes am Döblinger Friedhof findet sich die Schreibweise Clemens. 5 Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, GD Zl. 429/1958. 6 Ebenda, GD Zl. 6.358/1968. 7 Rudolf Agstner (Herausgeber), 1915/1916, Das etwas andere Lesebuch zum 1. Weltkrieg, Heinrich Wildner  : Tagebuch, Wien 2014, S. 17. 8 Wiener Stadt- und Landesarchiv, Verlassenschaftsabhandlungen, BG Innere Stadt (I) A4/104  ; Heinrich Wildner, gestorben 4.  12.  1957, Esteplatz 3/18. Im Jänner 2021 wurde im Österreichischen Staatsarchiv angefragt, ob es diesen Brief gebe.

Darstellung der Quelle – Grundsätzliches zur Edition

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wurde auch die ehemalige Sekretärin von Heinrich Wildner, Margarete Jungwirth,9 kontaktiert. Im edierten Tagebuch des Jahres 1945 steht, dass der Nachlass »aufgrund einer Verfügung des Bruders Klemens Wildner bis zum Jahr 2000 gesperrt« war.10 Das Verzeichnis des Nachlasses enthält seitens des Archivs den Hinweis, dass dieser vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv 1996 an das Allgemeine Verwaltungsarchiv übergeben wurde und dass »bis auf weiteres ungeklärt ist, welche Sperrverfügung von Heinrich oder Clemens Wildner getroffen worden ist«, weshalb »nur Einzelstücke des Nachlasses unter Beachtung des Datenschutzes benützt werden« können. Die Sperrfrist wurde aus nicht nachvollziehbaren Gründen seitens des Archivs bis 2009 verlängert.11 Als Gerücht hält sich hartnäckig, dass »ein bekannter österreichischer Historiker Bedenken hatte, den Nachlass zugänglich zu machen, solange Helga Gruber, die 2003 verstorbene Witwe des früheren Bundesministers für die Auswärtigen Angelegenheiten, Dr. Karl Gruber, am Leben war«, da Wildner über »Eskapaden« des Ministers berichtete.12 Für einen Benützer ist die Sperre bis 2009 bzw. die Freigabe in diesem Jahr nicht nachvollziehbar.

Umfang der Quelle Die gesamten Materialien des Nachlasses liegen derzeit in 170 nach Materien geordneten Mappen im Österreichischen Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Finanz- und Hofkammerarchiv (Standort Zentralarchiv).13 Die Originale der Tagebuchaufzeichnungen in Gabelsberger-Kurzschrift gibt es im Nachlass zu den Jahren 1909, 1911, 1913, 1917, 1923 bis 1950. Darüber hinaus sind Transkriptionen der Tagebuchaufzeichnungen für die Jahre 1903 bis 1905 sowie durchgehend für die Jahre 1914 bis 1950 vorhanden.14 Diese Typoskripte wurden vermutlich von Wildner dik 9 Margarete Jungwirth, ab 1947 im BKA/Auswärtige Angelegenheiten tätig. 10 Das Tagebuch von Heinrich Wildner 1945, »Ich bestelle Sie hiemit zur Leitung des Außenamtes, …«, herausgegeben vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Bearbeiter/Bearbeiterin Roman Eccher, Stefan Mach, Ulrich Christian Stabel und Eva Wotawa-Hahlheimer, Wien 2010, S. 11. 11 Im Jänner 2021 wurde im Archiv angefragt, ob es Informationen zur Freigabe 2009 gebe. 12 So die Formulierungen von Rudolf Agstner in Agstner, 1915/1916, S. 18  ; vgl. auch Florian Gasser, Das unbequeme Tagebuch – Lange waren sie unter Verschluss, Bald könnten die Aufzeichnungen eines Diplomaten wieder für Aufsehen sorgen, »DIE ZEIT« (Österreich-Ausgabe), 14. Februar 2014, S. 15. 13 Wien, 3. Bezirk, Nottendorfergasse 2. Zum Nachlass gibt es einen Archivbehelf E/1791. 14 Vgl. Österreichisches Staatsarchiv/Allgemeines Verwaltungsarchiv, Verzeichnis des Nachlasses Heinrich Wildner, E/1791, Mappen 1 bis 20  ; Mappen  64 bis 74.

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tiert und von ihm selbst an verschiedenen Stellen handschriftlich abgeändert – z. B. wurde die Schreibweise von Eigennamen korrigiert oder Namen wurden ergänzt. Wann die stenografischen Notizen transkribiert und die Typoskripte hergestellt wurden, lässt sich nicht feststellen. Vermutet wird, dass sie erst nach Wildners Pensionierung 1949 abgefasst wurden.

Die Tagebücher der Jahre 1938 bis 1944 Die Typoskripte für die Jahre 1938 bis 1944 befinden sich im Nachlass in den Mappen 12 bis 14. Die Tagebuchaufzeichnungen in Gabelsberger-Kurzschrift befinden sich in Mappe 67. Die Typoskripte für diese Jahre umfassen rund 480 Seiten. Für die Publikation des Tagebuchs des Jahres 1945 sind Stichproben durchgeführt worden, die nach Meinung der Herausgeber zeigten, dass es zwischen den Originalen und den Typoskripten nur geringfügige Abweichungen gibt.15 Auch für das Forschungsprojekt der Tagebücher der Jahre 1938 bis 1944 konnte eine Expertin zunächst für einen Vergleich der Originale in Gabelsberger-Kurzschrift mit dem Typoskript des Jahre 1938 gewonnen werden. Aufgrund der doch erheblichen Abweichungen wurden daher für die Edition sämtliche Typoskripte der Jahre 1938 bis 1944 dieser überaus mühevollen Arbeit unterzogen. Die Transkription wurde von Frau Erika Gonsa geleistet, der die Herausgeberin und der Bearbeiter zu größtem Dank verpflichtet sind. Penibel hat sie hunderte – oft nur kleine Abweichungen – ebenso erfasst wie auch längere Textstellen. Heinrich Wildner hat in seinen Typoskripten bewusst bestimmte Themenkomplexe nicht aufgenommen. Die Auswahl, die er für seine Typoskripte traf, zeigt deutlich seine Absicht, zu private Aufzeichnungen aus der schon damals nicht mehr gebräuchlichen Kurzschrift nicht zu transkribieren. Historisch relevante Abweichungen wurden in der Edition ausnahmslos aufgenommen und ausgewiesen. Da­run­ter finden sich einige, die Wildners Antisemitismus offenbaren, wenngleich seine Typoskripte an Deutlichkeit nichts missen lassen. Es zeigt sich kein bewusstes Weglassen antisemitischer Textstellen. Es finden sich durchgehend Einschätzungen von Personen und Ereignissen, die aus der Sicht der frühen 1950er-Jahre abgeändert hätten werden können, um den Schreiber des Tagebuchs in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Wildners Typoskripte sind sicher keine »geschönten« Texte. Die Ergänzungen aus dem Original in Gabelsberger-Kurzschrift sind in eckiger Klammer und durch Kursivschrift erkenntlich gemacht. Täglich finden sich oft im gleichen Wortlaut abgefasste Ausführungen zur Wetterlage, gesundheitlichen Be15 Das Tagebuch von Heinrich Wildner 1945, S. 12–15.

Darstellung der Quelle – Grundsätzliches zur Edition

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findlichkeiten, zu seiner Einsamkeit und Depression, zu seinen ausgedehnten Spaziergängen durch Wien und Umgebung, zu seinen häufigen Kirchenbesuchen, zu seinen Lesegewohnheiten bzw. seinem Lesestoff, zu seinen Freizeitaktivitäten (Thea­ter-, Opern-, Konzert-, Ausstellungs- und Museumsbesuchen). Ebenso gibt es regelmäßig Bemerkungen zu Treffen mit Familienangehörigen. Im biografischen Teil zu Heinrich Wildner wird in einer Zusammenfassung auf diese sehr privaten Eintragungen eingegangen. Die Gesamtübertragung der stenografischen Tagebuchaufzeichnungen im Rahmen der Edition vertiefte die Sicht auf Wildner als Privatmensch, doch hätte die Aufnahme der unendlich vielen, oft nur sehr kurzen Eintragungen die vorgegebenen Typoskript-Texte stark verändert. Der politische Charakter des Textes, den Wildner offenkundig in den Mittelpunkt stellen wollte, wäre dadurch in den Hintergrund getreten. Zudem hätten hunderte Einschübe die Lesbarkeit des Textes erschwert und den Umfang der Edition gesprengt.

Die Tagebücher als historische Quelle Die Kriegstagebücher von Heinrich Wildner haben einen besonderen historischen Stellenwert, da hier ein zwar pensionierter, doch gut vernetzter ehemaliger hochrangiger Diplomat seine ganz persönlichen Eindrücke des Geschehens festhält. Wildner ist ein geübter Tagebuchschreiber, der seit 1903 die täglichen Ereignisse, Eindrücke und Einschätzungen notierte. Er blieb Zeit seines Lebens unverheiratet und das Tagebuch ermöglichte ihm, die Geschehnisse zu reflektieren. Seine Tagesnotizen sind wie viele andere Tagebücher »Aufzeichnungen des unmittelbaren Erlebens, bestimmt von den Eindrücken des Augenblicks, in dem man das Gehörte und Gesehene niederschreibt, wie es eben kommt …«.16 Es gibt zu jedem Tag einen Eintrag, fallweise sind die Ereignisse von zwei Tagen zusammen beschrieben. Es findet sich kein Hinweis, dass Wildner seine Tagesnotizen in der Absicht verfasst hätte, sie später zu veröffentlichen. Die Übertragung aus der zu dieser Zeit nicht mehr gebräuchlichen Kurzschrift lässt aber doch zumindest den Schluss zu, dass Wildner seine Tagebuchaufzeichnungen für die Nachwelt erhalten wissen wollte. Sie zeigen viele Facetten seines Alltags und sind flüssig geschrieben, wobei ein Ereignis oft übergangslos zu einem anderen wechselt. Die oft nur punktuellen Einblicke weisen eine enorme Vielfalt auf. Die Tagebücher für die Jahre 1938 bis 1944 liefern detaillierte Angaben zu Geschehnissen in Wien, zu Kriegs- und Frontereignissen in Europa, Afrika und Asien, zum Verhalten vieler seiner ehemaligen Kollegen oder anderer Personen aus Verwal16 Schicksalsjahre Österreichs 1908–1919, Das politische Tagebuch Josef Redlichs, I. Band 1908–1914, bearbeitet von Fritz Fellner, Graz/Köln 1953, S. IX.

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tung und Politik, zu Gerüchten, zu Witzen, die im Umlauf waren, aber auch zu der von ihm wahrgenommenen, rasch eingetretenen antideutschen Stimmung in Wien. Durchgängig finden sich Hinweise auf die nationalsozialistischen Gräueltaten, auf die Enteignung von jüdischem Besitz und die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung auf österreichischem Gebiet, in Polen, auf dem Balkan und in Russland bzw. in der Sowjetunion, auf die Enteignung von Klöstern und Großgrundbesitz von Adeligen, auf Kunstraub und entsprechende Versteigerungen im Dorotheum, auf Euthanasie, auf Zwangsarbeit und auf Kriegsverbrechen. Woher stammten seine Informationen und entsprachen diese auch den Tatsachen  ? Der Quellentext wurde im Hinblick auf diese Fragestellungen wissenschaftlich bearbeitet. Die vorliegende Edition zielte nicht auf eine Biografie des Schreibers ab. Umfassende Recherchen wurden zu seinen Angaben über Personen und Ereignisse durchgeführt, um Wildners unglaublichen Wissensstand zu verdeutlichen und aufzuzeigen, dass seine Aufzeichnungen sowohl zeitlich als auch inhaltlich stimmen. Nur sehr selten irrte sich Wildner bei Angaben. Die Frage nach seinen Informationsquellen lässt sich aus den Tagebuchaufzeichnungen beantworten. Wildner war eine zentrale Figur im diplomatischen Dienst der Zwischenkriegszeit gewesen. Durch sein äußerst weitreichendes Netzwerk erhielt er während des ganzen Zweiten Weltkrieges Informationen, die weit über die offiziellen Darstellungen in den Medien hinausgingen – die aber auch sicher weit über die Informationen vieler Österreicherinnen und Österreicher hinausgingen. Dazu kam eine äußerst scharfe Beobachtungsgabe. Aus kleinen Alltagsbegebenheiten zog er richtige Schlüsse. Offenkundig wird auch seine Neigung, Tratsch und Klatsch selbst aus der Intimsphäre vieler Persönlichkeiten festzuhalten. Dies mag vielleicht ein Grund dafür sein, dass der Nachlass so lange ohne irgendeine rechtlich haltbare Basis im Staatsarchiv für die Benützung gesperrt blieb.17 Wildners Kriegstagebücher bestehen aus einer schier unerschöpflichen Aneinanderreihung von Informationen zum Tagesgeschehen. Eine Quelle seines Wissens waren Gespräche mit ehemaligen Kollegen, Bekannten, Verwandten, Zufallsbekanntschaften, aber auch – wie er schreibt – mit »Gewährsmännern«.18 Ein Hauptinformant war aber sicher sein Bruder Karl Wildner, der während des Zweiten Weltkrieges für eine nachrichtendienstliche Stelle in Wien tätig war. Wildner zog Informationen zu Personen und Geschehnissen förmlich an. Wie genau sein Wissen war, kann etwa am Beispiel der Familie Schmitz gezeigt werden. Am 25. August 1941 gibt es den Eintrag  : »… Für Schmitz hätte sich sein Bruder eingesetzt, der eingerückt ist und der von der Geheimpolizei eine bessere Behandlung und 17 Siehe dazu die Ausführungen im Resümee des Abschnittes Heinrich Wildner – eine biografische Annäherung. 18 Vgl. die Eintragungen am 22. 1. 1941, 25. 8. 1941, 4. 7. 1943.

Darstellung der Quelle – Grundsätzliches zur Edition

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die Freilassung seines Bruders verlangt hätte …«. Hofrat Georg Schmitz, der im Besitz vieler Familienunterlagen ist und dem ich für die Informationen überaus dankbar bin, meinte zunächst, dass diese Angabe bei Wildner recht unwahrscheinlich sei, da der Bruder von Richard Schmitz, Hans Schmitz, 1941 in Finnland stationiert gewesen war. Eine Intervention sei lediglich für 1943 gesichert. Erst die Übertragung des in Gabelsberger-Kurzschrift abgefassten Kriegstagebuchs von Hans Schmitz durch Hofrat Georg Schmitz zeigte, dass dieser zwischen dem 18. und 24. August 1941 auf Fronturlaub in Berlin gewesen war und es vermutlich doch zu einer Vorsprache von ihm im Reichssicherheitshauptamt gekommen war. So winzig dieses Detail auch ist, zeigt es aber den Quellenwert der Aufzeichnungen von Wildner. Details in den Biografien korrespondieren zeitlich und inhaltlich stets mit den Tagesnotizen. Sie sind ein Schlüssel zu Wildners Wissen um die handelnden Personen und das Kriegsgeschehen.

Textgestaltung Die Typoskripte der Tagesnotizen werden ungekürzt ediert. Die originale Schreibweise wird beibehalten. Offensichtliche Schreib- bzw. Tipp- sowie Flüchtigkeitsfehler im Text wurden bereinigt, sprachliche Unebenheiten belassen. Fehlerhafte Schreibweisen von Personen- und Ortsnamen wurden richtiggestellt. Wenn mehrere Interpretationen möglich sind, wurde die ursprüngliche Schreibweise des Typoskripts im Anmerkungsapparat wiedergegeben. Der Anmerkungsapparat ist so einfach wie möglich gehalten. Im Anmerkungstext wird die falsche Schreibweise der Namen ausgewiesen. Personen, die im Text nur ihrer Funktion nach erwähnt sind, werden identifiziert. Im Anmerkungsapparat finden sich in diesen Fällen neben dem Namen noch Angaben zu Geburts- und Sterbejahr. Wo eine zweifelsfreie Identifizierung nicht möglich war, wird dies angemerkt. Eine Herausforderung stellte eine Angewohnheit Wildners dar, fallweise nur den Anfangsbuchstaben eines Namens zu schreiben. Diese Personen konnten auch nicht mit den Übertragungen aus den Gabelsberger-Aufzeichnungen identifiziert werden. Im Anmerkungsapparat wird dies durch »Nicht zu eruieren« ausgewiesen. In den wenigen Fällen, in denen es zu der Auflösung eine Vermutung gibt, wird dies ebenfalls im Anmerkungsapparat vermerkt. Ergänzungen von historisch relevanten Textpassagen aus den in GabelsbergerKurzschrift abgefassten Originalen der Tagesnotizen wurden in den Text der Edition aufgenommen und sind durch eckige Klammer und Kursivschrift kenntlich gemacht. Einige wenige Textstellen sind unleserlich. Dies wird durch geschwungene Klammern angezeigt.

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Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge Heinrich Wildners Angaben, Bemerkungen und Reflexionen weisen ein überaus breites inhaltliches Spektrum auf. Seine in kleinste Details gehenden Angaben zu Geschehnissen in Wien und Österreich sind stets eingebettet in das komplexe historische Geschehen des »Anschlusses« und des Zweiten Weltkrieges. Einträge zu weltweiten Krisen, zu paramilitärischer Gewalt, zu Treffen hochrangiger Politiker und Militärs, zur Redetätigkeit in- und ausländischer Politiker, zu Militär- und Wirtschaftsbündnissen, zu Neutralitätsvereinbarungen, zu bilateralen Wirtschaftsabkommen, zu Zeitungsartikeln und vielem mehr sind absatzlos aneinandergereiht. Die Texte geben eine überaus vielschichtige Sicht auf die NS-Zeit. Erläuternde und ergänzende Kommentare zu der Überfülle an Inhalten und Personen hätten den Rahmen der Edition gesprengt. Die Überprüfung vieler Inhalte und Personenangaben zeigt aber, dass er Fakten nicht manipulierte. Sehr selten irrte Wildner. Zum besseren Verständnis der Tagebuchaufzeichnungen wurden aber dennoch in einem Anhang erläuternde Bemerkungen zu den wichtigsten im Text erwähnten Ereignissen verfasst, die chronologisch geordnet sind. Zusätzlich zu den Einzelstellenerläuterungen werden allgemeine Hinweise zum Kriegsgeschehen – in Kursivschrift – gegeben. Erklärte Begriffe und Ereignisse im Text sind durch Fettdruck gekennzeichnet. Für diese als Orientierungshilfe gedachten Hinweise wurde eine Form gewählt, bei der die gute Lesbarkeit des Textes – streckenweise spannend wie ein Roman – erhalten bleibt. Ein überbordender Anmerkungsapparat hätte den Charakter der Quelle stark verfremdet.

Biografischer Anhang Zum leichteren Verständnis der Tagebücher wurde ein umfangreicher biografischer Anhang verfasst. Die Kurzbiografien enthalten die Lebensdaten und die wichtigsten Berufsstationen. Ein Schwerpunkt der Lebensläufe liegt auf den Jahren vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Angaben sind oft sehr genau, da dies zeigt, wie zutreffend Wildners Wissen war. Die Biografien ermöglichen zudem eine rasche Orientierung, ob es sich um Opfer, Täter oder Mitläufer handelte. Die Angehörigen der Familie Wildner sind in einer Verwandtenliste erfasst, die auch die im Text vorkommenden Vornamen bzw. Kosenamen enthält.

Darstellung der Quelle – Grundsätzliches zur Edition

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Abkürzungsverzeichnis, geografisches Register und Personenregister Das Abkürzungsverzeichnis enthält die Auflösung der Abkürzungen aller Textteile der Publikation. Das geografische Register umfasst die Orte, wie sie in den Tagebüchern vorkommen. Daneben werden die aktuellen Bezeichnungen, fallweise mehrsprachig, angegeben. Veraltete Schreibweise, wie etwa Rußland, Jugoslavien oder Slovakei wurde im Text belassen. Nicht enthalten sind die geografischen Angaben in den Einleitungsteilen und in den Erläuterungen. Das Personenregister ermöglicht die rasche Orientierung, wer im Text Erwähnung findet, und vermittelt einmal mehr einen Eindruck vom Netzwerk Heinrich Wildners. Die kursiv gesetzte Seitenangabe verweist auf die Kurzbiografie im biografischen Anhang. Für die Lesbarkeit wurde auf geschlechtsspezifische Doppel- oder Mehrbezeichnungen verzichtet, an deren Stelle werden das generische Maskulinum und Femininum – Wesenselemente der deutschen Sprache – verwendet.

Zeichenerklärungen [] = Hinweise auf Ergänzungen durch die Bearbeiter [kursiv] = Hinweise auf Ergänzungen aus der Gabelsberger-Kurzschrift {} = Hinweise auf unleserliche Textstellen

Gertrude Enderle-Burcel/Roland Starch

Heinrich Wildner – eine biografische Annäherung »Wir erfahren (darüber) nichts, aber die Leute sprechen davon.«

Das Zitat stammt vom 28. Mai 1941 und drückt die Gefühle von Heinrich Wildner und vielen seiner Zeitgenossen angesichts der gleichgeschalteten Nachrichtenpropaganda in der NS-Diktatur aus. Wie man dieser einseitigen Informationspolitik entgehen konnte, zeigen die Aufzeichnungen Heinrich Wildners. Der Spitzendiplomat der Zwischen- und Nachkriegszeit hielt in seinen Tagebüchern der Jahre 1938 bis 1944 beklemmende Details zu Geschehnissen in Wien, zum opportunistischen Verhalten und zur Verfolgung von Zeitgenossen aus Verwaltung und Politik, aber auch zur antideutschen Stimmung der Bevölkerung, zu Kriegsereignissen, zur Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in Österreich und in den besetzten Gebieten, zur Enteignung von Klöstern und Großgrundbesitz von Adeligen, zu Kunstraub, Euthanasie, Zwangsarbeit und Kriegsverbrechen fest. Wer war dieser Mann, der in Wien lebte und so viel wusste  ?

Berufslaufbahn Heinrich Wildner wurde am 27. Mai 1879 in Reichenberg/Liberec in Böhmen als Sohn von Heinrich und Adelheid Wildner geboren und starb am 4. Dezember 1957 in Wien. Er hatte vier jüngere Brüder – Karl, Clemens, Alfred und Hans –, die auch in den Typoskripten seiner Tagesnotizen regelmäßig vorkommen, aber nicht als Brüder ausgewiesen werden. Zu seinen zwei jüngeren Schwestern – Adele und Claire, bei Wildner nur als Klara erwähnt – finden sich Eintragungen nur in den Originaltexten in Gabelsberger-Kurzschrift. Die Schwestern lebten in Reichenberg.1 Die Aufzeichnungen Wildners zeigen ihn nicht gerade als Familienmenschen. Treffen mit den Geschwistern, Geburtstagsfeiern oder andere Familienfeste finden in den Typoskripten keine Erwähnung.2 Wildner blieb Zeit seines Lebens unverheiratet. Er absolvierte die k. u. k. Konsularakademie (Oktober 1897 bis Juli 1902) und leistete danach vom Oktober 1902 bis September 1903 das Einjährig-Freiwilligenjahr beim k. k. Landwehr-Infanterieregiment Nr. 10 in Jungbunzlau. 1903 trat er in 1 Vgl. dazu im Anhang eine Liste der Verwandten. 2 Vgl. dazu den Abschnitt Heinrich Wildners Privatsphäre.

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den k. u. k. Auswärtigen Dienst.3 Im November 1903 wurde er dem Generalkonsulat St. Petersburg zugeteilt,4 wo er bis Jänner 1909 blieb. Im Dezember 1903 erfolgte seine Ernennung zum Konsularattaché und seine Vereidigung als Beamter. 1905 erreichte er den Rang eines Vizekonsuls. 1907 erhielt er das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens verliehen, eine – nach Einschätzung Rudolf Agstners – für einen jungen Vizekonsul ungewöhnliche Auszeichnung. Im Juni 1908 hatte er sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien mit der Promotion zum Doktor der Rechte abgeschlossen. Im Februar 1909 trat Wildner seinen Dienst als provisorischer Gerent (Kommissarischer Verwalter) des Konsulats in Belgrad an. Im Jänner 1911 wurde er zu dessen Leiter bestellt und im Dezember 1911 erreichte er den Rang eines Konsuls. Die Versetzung nach Belgrad erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Beziehungen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zum Königreich Serbien knapp nach der Annexion von Bosnien-Herzegowina auf einem Tiefstand angelangt waren. In seine Amtszeit fielen die beiden Balkankriege 1912 und 1913, durch die Serbien an Größe und Bedeutung gewonnen hatte. Im September 1913 wurde Wildner das Ritterkreuz des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse verliehen. Im Jänner 1914 erfolgte seine Abberufung aus Belgrad und Einberufung in das Außenministerium.5 Die Jahre in Belgrad hatten ihn zum Kenner der Lage in Ser-

3 Eine Kurzbiografie vgl. Rudolf Agstner/Gertrude Enderle-Burcel/Michaela Follner, Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky, Biographisches Handbuch der Diplomaten des Höheren Auswärtigen Dienstes 1918 bis 1959, Wien 2009, S. 467 f. Weitere Details zu Wildners Beamtenkarriere folgen in enger Anlehnung an die Angaben von Rudolf Agstner. Er gibt in seiner Publikation als Quelle dafür lediglich »Personalverzeichnis« an. Im Verzeichnis der verwendeten Archivmaterialien und der gedruckten Quellen findet sich aber kein Hinweis darauf. Es wird daher angenommen, dass sich dieses »Personalverzeichnis« noch in den Archivbeständen des Außenministeriums befindet. Die Angaben zur Berufslaufbahn sind sicher alle richtig, da Rudolf Agstner ein akribischer Sammler von Daten war und ihm die Materialien im Außenministerium zur Verfügung standen. Vgl. Rudolf Agstner (Herausgeber), 1915/1916, Das etwas andere Lesebuch zum 1. Weltkrieg, Heinrich Wildner  : Tagebuch, Wien 2014, S. 13–16. Auf den Tag genaue Ernennungsdaten vgl. Das Tagebuch von Heinrich Wildner 1945, »Ich bestelle Sie hiemit zur Leitung des Außenamtes,…«, herausgegeben vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Bearbeiter/Bearbeiterin Roman Eccher, Stefan Mach, Ulrich Christian Stabel und Eva Wotawa-Hahlheimer, Wien 2010, S. 11 f. 4 Zu Wildners Reise nach St. Petersburg veröffentlichte Rudolf Agstner »Die Hitze ist hier wieder kolossal …«, Des Kaisers Diplomaten und Konsuln auf Reisen – Reiseschilderungen 1908–1918, Forschungen zur Geschichte des österreichischen Auswärtigen Dienstes, Band 9, Wien 2014, S. 196 f. Vgl. auch Materialien im Nachlass Heinrich Wildners im Österreichischen Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, E 1791, Mappe 75, Aufzeichnungen über den Dienst in St. Petersburg  ; Mappe 76 Maschinschrift  : Über die zaristische Polizei (aus in St. Petersburg 1907 gemachten Notizen). 5 Die genaue Bezeichnung war »k. u. k. Ministerium des kaiserlichen und königlichen Hauses des Äu-

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bien und auf dem Balkan gemacht. Dazu finden sich umfangreiche Aufzeichnungen in seinem Nachlass.6 Wildner blieb in der handelspolitischen Abteilung des Außenministeriums von 1914 bis 1938. Er war nie mehr im Ausland in Verwendung. Das Departement 9, in dem er tätig war, umfasste die handels- und agrarpolitischen Agenden. Die seit dem Ausgleich 1867 zwischen Ungarn und Österreich alle zehn Jahre fälligen Ausgleichsverhandlungen wurden hier ebenso vorbereitet wie alle anderen handelspolitischen Belange der Monarchie mit anderen Staaten koordiniert. Die Verhandlungen mit Ungarn wurden im Laufe des Ersten Weltkrieges durch die sich verschlechternde Versorgungslage immer schwieriger.7 Zudem nahmen die 1916 beginnenden Verhandlungen in Richtung eines wirtschaftlichen Anschlusses Österreich-Ungarns an das Deutsche Reich breiten Raum ein. Fast schon routinemäßig erhielt er im Februar 1916 wieder eine Auszeichnung – das Offizierskreuz des Franz-Joseph-Ordens.8 Wildner war an allen wesentlichen wirtschaftspolitischen Verhandlungen dieser Zeit beteiligt, so nahm er im Frühjahr 1918 etwa als Wirtschafts-Experte auch an den Friedensverhandlungen mit Russland und der Ukraine in Brest-Litowsk teil. Er blieb auch nach dem Zusammenbruch der Monarchie weiter in Verwendung. Im November 1918 erfolgte seine Bestellung zum Vorstand der Abteilung 10 im Staatsamt für Äußeres, dem Nachfolger des k. u. k. Ministeriums des Äußern. Im Jänner 1919 in den Dienst der Republik Deutsch-Österreich übernommen, wurde er in rascher Folge im Oktober 1919 zum Generalkonsul 2. Klasse befördert, erhielt im März 1920 den Titel »Legationsrat 1. Klasse« und wurde im Juni 1920 zum Generalkonsul 1. Klasse befördert. Im Mai 1922 erhielt er den Titel »außerßern«, das seit 1913 aus drei Sektionen bestand  : Politische Sektion, Handelspolitische Sektion und Administrative Sektion. 6 Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Nachlass Wildner, E 1791, Mappe 22 Maschinschrift  : Serbische Politik Streiflichter 1909–1914, 156 Seiten, Unterzeichnet  : HW. 1951  ; Mappe  25 Balkankrise 1912  ; Mappe  26 Maschinschriften und amtliche Drucke zur »Balkankrise 1912«  ; Mappe  27 Druck »Im gemeinsamen Ministerrate vom 26. und 27. Februar 1913 festgesetztes Programm für die wirtschaftlichen Vereinbarungen mit den Balkanstaaten«  ; Mappe 33 Ankauf der Orientbahn-Aktien (1913)  ; Mappen  34 bis 36 Bosnien und Hercegovina  ; Mappe 77 Korrespondenzen 1910 bis 1914  ; vgl. auch Mappe 31 Handakten und amtliche Drucke sowie Maschinschriften »Albanien« (ca. 1913/1914)  ; weiters die Mappen 149 bis 170 sowie 172. 7 Beispielhaft vgl. Gertrude Enderle-Burcel, Denn Herrschaft ist im Alltag primär  : Verwaltung, Verwaltung im Ausnahmezustand – die Wiener Zentralbürokratie im Ersten Weltkrieg, in  : Im Zentrum des Zusammenbruchs, Wien im Ersten Weltkrieg, herausgegeben von Alfred Pfoser/Andreas Weigl, Bad Vöslau 2013, S. 274–283, hier S. 277. 8 Die Auszeichnungen werden nur beispielhaft angeführt. Wildner war Träger von 28 in- und ausländischen Auszeichnungen. Vgl. Agstner, 1915/1916, S. 16. Ein Verzeichnis der verliehenen Orden vgl. Das Tagebuch von Heinrich Wildner 1945, S. 19. Die schematische Kurzbiografie enthält auch Hinweise auf wichtige Handelsvertragsverhandlungen und Sonderverhandlungen unter seiner Führung.

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ordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister« und wurde zum Leiter der handelspolitischen Abteilung im Bundesministerium für Äußeres, so die Bezeichnung seit der Inkraftsetzung der Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, bestellt. Nach dessen Auflösung im April 1923 und Umwandlung in zwei Sektionen des Bundeskanzleramtes wurde er Leiter der Abteilung 22 in der Sektion »Auswärtige Angelegenheiten« des Bundeskanzleramtes, ab 1926 war dies die Abteilung 14 in der Sektion III.9 1932 erfolgte die Ernennung zum »außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister«. Bis zur Versetzung in den dauernden Ruhestand gemäß Paragraf 6 der Berufsbeamtenverordnung mit 31. Mai 1939 blieb er Leiter der handelspolitischen Abteilung. Paragraf 6 ermöglichte es, dass »zur Vereinfachung der Verwaltung oder im Interesse des Dienstes« Beamte, »auch wenn sie noch nicht dienstunfähig sind«, in den Ruhestand versetzt werden konnten.10 Wildner war demnach bis zur Vollendung seines 60. Lebensjahres im Dienst belassen worden. Er war – neben Richard Riedl11 und Richard Schüller12 – maßgeblich an allen handelspolitischen Verhandlungen der Ersten Republik beteiligt. Während Richard Riedl schon 1926 in den dauernden Ruhestand versetzt wurde, blieb Richard Schüller bis 1938 in Verwendung und durchlief eine glänzende Karriere, obwohl er sich zum Judentum bekannte. Von Schüller heißt es, dass er die Taufe abgelehnt habe, obwohl man ihm sagte, dass der Kaiser keinen Juden zum Sektionschef ernenne.13 Er stand in besonderer Verwendung und führte sämtliche handelspolitischen Verhandlungen Österreichs der Zwischenkriegszeit. Ab 1933 wurde jedes Jahr seine Weiterbelassung im Dienst durch den Ministerrat beschlossen.14 Wildners Tagebucheintragungen der Jahre 1938 bis 1944 zeigen durchgängig einen ausgeprägten Antisemitismus, zu seinem Verhältnis zu Schüller schweigt das Tagebuch. Er musste Schüller als Konkurrenten gesehen haben, der noch dazu Jude war.

 9 Zum organisatorischen Aufbau des Außenministerium vgl. Michaela Follner, Der Aufbau des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten von 1918 bis 1959, in  : Agstner/Enderle-Burcel/Follner, Österreichs Spitzendiplomaten, S. 77–101. 10 Vgl. 160. Kundmachung des Herrn Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums vom 31. Mai 1938 bekanntgemacht wird. 11 Riedl, Richard (1865–1944)  ; siehe Biografischer Anhang und weitere biografische Details Agstner/ Enderle-Burcel/Follner, Österreichs Spitzendiplomaten, S. 382–385. 12 Schüller, Dr. Richard (1870–1972)  ; siehe Biografischer Anhang und weitere biografische Details Agstner/Enderle-Burcel/Follner, Österreichs Spitzendiplomaten, S. 409–411. 13 Vgl. dazu im Detail Gertrude Enderle-Burcel, Antisemitismus am Beispiel der Spitzenbeamten, in  : Antisemitismus in Österreich 1933–1938, Gertrude Enderle-Burcel/Ilse Reiter-Zatloukal (Herausgeberinnen), Wien 2018, S. 571–586, hier S. 573. 14 Gertrude Enderle-Burcel/Michaela Follner, Diener vieler Herren, Biographisches Handbuch der Sektionschefs der Ersten Republik und des Jahres 1945, Wien 1997, S. 423–425.

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Die Jahre 1938 bis 1945 verbrachte er – von den Nationalsozialisten in den Ruhestand versetzt – in Wien. Über seine Lebensumstände geben seine Tagebucheintragungen Aufschluss. Er schrieb u. a. auch an einem Manuskript für ein Buch »Die Technik der Diplomatie«, das er im Jänner 1943 fertigstellte.15 Ab 1943 wurde er auch beim »Technischen Notdienst bei der Betreuungsstelle für Fliegergeschädigte beim Sozialdienst der Stadt Wien« verwendet. Liest man seine Tagebuchaufzeichnungen der Kriegsjahre genau, so zeigt sich, dass er schon recht früh – etwa ab Herbst 1942 – immer wieder Überlegungen für die Nachkriegszeit angestellt hatte, wobei er auch sich selbst eine Rolle zudachte.16 Im April 1945 trat er wieder in den Auswärtigen Dienst ein. Am 17. Juli 1945 wurde er – wie Rudolf Agstner schreibt – »formlos durch eine Mitteilung Renners im Rahmen der 17. Sitzung des Kabinettsrates zum Generalsekretär der Auswärtigen Angelegenheiten und damit zur de-facto Leitung des Außenamtes der neuerstandenen Republik Österreich bestellt.«17 Obwohl schon 66 Jahre alt, übte er diese Funktion vom Juli 1945 bis November 1949 aus. Insgesamt betrug seine Dienstzeit als Beamter »46 Jahre, 1 Monat und 3 Tage«.18 Er war damit der ranghöchste Diplomat der Republik. Wildner – wie Rudolf Agstner als Insider schreibt – »kontrastierte auffällig mit seinem Vorgesetzten, dem 30 Jahre jüngeren Dr. Karl Gruber«,19 ab 26. September 1945 Unterstaatssekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten, von Dezember 1945 bis 1953 Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten. Aus seiner Zeit als Generalsekretär stammte sein Spitzname »saurer Heinrich« bzw. »der Polizist«, da er immer alles unter Kontrolle haben wollte.20

Politische Einstellung In den kurzen biografischen Abrissen, die es zu Heinrich Wildner gibt, findet sich kaum etwas zu seiner weltanschaulichen oder politischen Haltung. Die Beantwortung der Frage nach der Parteizugehörigkeit gehört dabei zu den schwierigsten Fra-

15 Agstner, 1915/1916, S. 16  ; publiziert wurde es posthum  : Heinrich Wildner, Die Technik der Diplomatie – L’art de Negocier, Wien 1959. 16 Details und Zitate aus dem Tagebuch vgl. im Abschnitt Die Tagebücher 1938 bis 1944 – ein Schlüssel zu Heinrich Wildners Weltanschauung. 17 Agstner, 1915/1916, S. 16. 18 Das Tagebuch von Heinrich Wildner 1945, S. 18. 19 Agstner, 1915/1916, S. 16. 20 Ebenda, S. 16  ; im Nachlass Wildner gibt es z. B. Dossiers zu oft geringfügigen Dienstvergehen einiger seiner Kollegen.

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gestellungen. Bei der Rekonstruktion der Berufslaufbahn aus Personalakten finden sich keine Informationen dazu, doch liefert sein Gauakt einige Hinweise.21 In dieser Quelle gibt es eine ausführliche Charakteristik Wildners. Er wird als ein »Diplomat« bezeichnet, »der keine Gewähr jederzeitigen Einsatzes für NSDAP bietet«, und als »Gegner der NSDAP« eingeschätzt, der »seine Nichteinlieferung nach Dachau nur seinen guten Beziehungen zuzuschreiben hatte.« Er war Mitglied der Vaterländischen Front  ; 1938 bis 1944 Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und Mitglied des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes. Im Gauakt finden sich auch Hinweise, woher die Informationen zu Wildner kamen  : Der Erhebungsbericht entstand auf Grund von Informationen seitens Personen, die während der ganzen Amtstätigkeit des Beauskunfteten in dessen nächster Umgebung waren. Zunächst ist zu bemerken, dass sich W. nach einwandfreien Zeugenaussagen nach außen anders gab, als er innerlich in Wirklichkeit war. Er war als geschickter, außerordentlich tüchtiger Diplomat bekannt, und geschätzt … und trug seine Persönlichkeit ebenfalls mit diplomatischem Geschick zur Schau. Dank diesem Vorgehen war es ihm z. B. möglich, sofort nach dem Umbruch sozusagen eine totale Umstellung für den Nationalsocialismus im Sinne loyalster Anerkennung vorzutäuschen. Es wird behauptet, dass er seine Nichteinlieferung nach Dachau nur seinen guten Beziehungen zuzuschreiben hatte. W. ist Junggeselle, etwas verschroben und von einem gewissen Klassengeist beherrscht gewesen, den er nach dem Umbruch etwas abgebaut hat. Er war als Student nach dem nationalen Lager ausgerichtet, hielt sich während der Verbotszeit (er war Leiter des handelspolitischen Referats im ehem. Auswärtigen Amt) von politischen Diskussionen bewusst fern – wiewohl aber von einem Zeugen beobachtet wurde, dass er den Leiter des politischen Referates im ehem. Auswärtigen Amt Hornbostel wiederholt während des schärfsten Abwehrkampfes gegen den Nationalismus entscheidend beeinflusst hat – ist aber als ausgesprochener Feind des nat.soc. Gedankengutes anzusehen (Äußerungen während der Kampfzeit 1933–1938  : ›Das ist ja eine Hitler-Schnauze. Lassen sie ihren Schnurrbart wieder anders wachsen, steht ihnen viel besser.‹ – ›Geben sie das Hitlerbild weg, verbrennen sie es, ich kann es nicht sehen.‹) Das Amtszimmer des W. wurde allgemein als ›Löwengrube‹ bezeichnet, da er besonders gegen Untergebene herablassend, rücksichtslos und schroff war. Gleichgestellten gegenüber bildete er einen gewissermaßen neutralen apolitischen Pol und wird auch von

21 Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Zivilakten der NS-Zeit (1938–1945), Gauakt Zl. 2.579, Heinrich Wildner  ; die ausführliche Charakteristik stammt aus dem Jahr 1939. Zur Quellenproblematik der Gauakten vgl. Rudolf Jeřábek, »In einer Demokratie höchst bedenkliche Akten«  : Die Gauakten, in  : Uwe Bauer/Karin Gradwohl-Schlacher/Sabine Fuchs (Herausgeber), Macht Literatur Krieg, Wien/Köln/Weimar 1998, S. 449–462.

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diesen nicht als betonter Gegner bezeichnet. Leute jedoch, die ihn ohne Deckmantel zu sehen bekamen, zweifeln keinen Augenblick daran, dass er ein unbeugsamer, weil charakterologischer Gegner der NSDAP ist. Überhaupt bestehen im Hinblick auf die Abstammung des W. gewisse Zweifel. Er wurde seinerzeit als Reichenberger Judenstämmling bezeichnet und der ehemalige Bundeskanzler soll auf die Frage eines Diplomaten, ob es stimme, dies bejaht haben. Eine interessierte Stelle hat im genealogischen Kalender, der sämtliche, allerdings nur arische Namen der Adels- und höheren Beamtenfamilien enthält, nachschlagen lassen und der Name Wildner kommt dort nicht vor. W. hat stets auffallend viele Juden empfangen und war in der Systemzeit regelmäßiger Leser der Frankfurter Zeitung. W. wurde entgegen anderen seiner Berufskollegen nicht nach Berlin in den diplomatischen Dienst übernommen, sondern um die Jahreswende 1938/39 in den Ruhestand versetzt. Nach dem Umbruch soll W. sein Verhalten nach außen hin verändert haben, und auch den Hitler Gruß etwa 3–4 Wochen nach dem 12. März 1938 entboten haben. W. gilt nach wie vor als strenggläubiger, frommer Katholik und war ein großer Verehrer Seipels.22

Der Gauakt liefert viele Beobachtungen und Einschätzungen, die durch die Tagebücher der Jahre 1938 bis 1944 bestätigt werden. Wildner war ein großdeutsch ausgerichteter katholischer Konservativer. Wie katholisch er war, zeigen die in Gabelsberger-Kurzschrift abgefassten Original-Tagebücher. Nur in diesen Aufzeichnungen finden sich die Hinweise auf seine regelmäßigen und häufigen Kirchenbesuche. Eine Nähe zu katholischen Adelskreisen ist ebenso offenkundig. Es findet sich durchgängig Kritik an den Vertretern des NS-Regimes. Sein Wissen um die NS-Verbrechen ist umfassend und seine Notizen darüber sind streckenweise beklemmend. Durchgängig ist auch seine Kritik am anbiedernden Verhalten ehemaliger Kollegen. Abweichend von der Einschätzung im Gauakt weisen ihn seine Tagebücher als unverhohlenen Antisemiten aus. Die Ergänzungen aus den Original-Tagebüchern verfestigen dies. Ein Zitat unter vielen  : 29. 6. 1938  : »… Es ist doch traurig, dass die früheren Regierungen ohne Juden nicht auskommen konnten und sich sie nicht entsprechend vom Leib gehalten haben …«

22 Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Zivilakten der NS-Zeit (1938–1945), Gauakt Zl. 2.579, Heinrich Wildner.

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Die Tagebücher 1938 bis 1944 – ein Schlüssel zu Heinrich Wildners Weltanschauung Die Themen in den Tagebüchern sind breit gestreut. Die Aufzeichnungen liefern detaillierteste Angaben zu Geschehnissen in Wien, zu Kriegs- und Frontereignissen in Europa und Afrika, zum Verhalten vieler seiner ehemaligen Kollegen oder anderer Personen aus Verwaltung und Politik, zu Gerüchten und Witzen, die im Umlauf waren, aber auch zu der von ihm wahrgenommenen, rasch eingetretenen antideutschen Stimmung in Wien. Durchgängig finden sich Hinweise auf die nationalsozialistischen Gräueltaten, auf die Enteignung von jüdischem Besitz und die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung auf österreichischem Gebiet, in Polen, auf dem Balkan und in der Sowjetunion, auf die Enteignung von Klöstern und adeligem Großgrundbesitz, auf Kunstraub und entsprechende Versteigerungen im Dorotheum, auf Euthanasie, Zwangsarbeit und Kriegsverbrechen. Eine kleine Auswahl von Zitaten aus Wildners Eintragungen soll einen Eindruck von seiner Beobachtungsgabe und seinen Reflexionen geben. Dabei muss auch darauf hingewiesen werden, dass seine Eintragungen für ihn selbst und auch für andere sehr gefährlich hätten werden können. Die Abfassung in Gabelsberger-Kurzschrift war kein Schutz, da diese Kurzschrift damals noch viele Menschen beherrschten. Die Tagebücher, in falsche Hände gelangt, hätten unabsehbare Folgen für ihn haben können. Seine regelmäßigen Eintragungen zur Stimmung in der Bevölkerung zeigen einen raschen Wandel. Durchgehend hält er auch sein eigenes Unbehagen fest. Die Stimmung im November 1940 schildern die Vorfälle im Wiener Stadion besonders eindrucksvoll. Am Sonntag, den 17. November 1940, gab es ein Freundschaftsspiel zwischen Admira Wien und Schalke 04. Das Spiel endete 1  :1, nachdem zwei Treffer der Admira nicht anerkannt wurden. Es kam zu wilden Ausschreitungen, zu denen es sogar Hinweise in der zeitgenössischen Presse gibt. Wildner hielt dazu fest  : 20. 11. 1940  : »… Der Wirbel im Stadion am Sonntag war doch viel größer und ernster … Angeblich wurden die Fenster des Schirachautos eingeschlagen und die Pneus beschädigt. Fest steht, dass massenhaft verschiedenes Zeug wie Flaschen, hineingeworfen wurden, daß man laut ›Pifke‹ brüllte. Einem Soldaten wurde der Säbel zerbrochen. Die Antialtreichstimmung hält eben weiter an. – Hitler in der Früh angekommen. Weite und strenge Absperrmaßnahmen. Das angesammelte ›Volk‹ war nicht besonders zahlreich gegenüber früheren Anlässen …« 23. 11. 1940  : »… Soldaten mit Altreichakzent wurden belästigt. Die Fußballmannschaft musste in Trikots schleunigst durch Überfallwagen weggebracht werden …« 26. 11. 1940  : »… Die Erzählungen über den Stadionskandal wollen nicht aufhören. Den Polizeileuten, die einige Schreier anhalten wollten, wurden die Helme eingetrieben.

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Sprechchöre schrien  : ›Ihr werdet uns Ostmärker noch kennen lernen, wir wollen kein Drittes Reich, wir wollen unser Österreich  !‹ usw …« 29. 11. 1940  : »… Immer noch Geschichten vom Stadion. Ein österreichischer Spieler namens Schilling wurde immer apostrophiert  : ›Bravo Schilling, wir … auf die Mark.‹ Einzelne Soldaten hätten die Waffen gezogen, seien aber überwältigt worden. Minutenlange Sprechchöre verhinderten die Fortsetzung des Spiels, kurz, es sei ein ungeheurer Skandal gewesen, und im Ausland wird natürlich noch viel mehr erzählt werden … « 30.  11.  1940  : »… Sogar Personen der Militärstreifen wurden wehrlos gemacht und konnten sich aus der Gewalt der Menge schließlich nur durch die Polizei befreien … Laut H. soll die Volksstimmung für den Führer nicht besonders groß sein. Die Absperrungsmaßnahmen waren noch strenger als sonst. Das Imperial-Hotel war zur Gänze geräumt worden und Hitler hat seinen Aufenthalt vorzeitig abgebrochen …«

Die Tagesnotizen Wildners relativieren den »Jubel der Massen«. Die Begeisterung scheint rasch abgenommen zu haben. Das Verhalten der Parteibonzen aus dem Altreich, Willkür, Korruption und Misswirtschaft werden von der Bevölkerung negativ registriert. Bestätigt werden diese Eindrücke von dem schwedischen Journalisten Arvid Fredborg, dem Berliner Korrespondenten des »Svenska Dagbladet«, der im Frühjahr 1943 nach einem längeren Aufenthalt auf österreichischem Gebiet berichtet  : Fünf Jahre deutscher nationalsozialistischer Herrschaft … haben die Österreichidee wieder erweckt. Viele Österreicher stellen sich ernsthaft die Frage  : Sind wir überhaupt dasselbe Volk wie die Deutschen  ? ... Auf jede mögliche Weise versuchen sich die Österreicher von allem zu distanzieren, was deutsch hieß. Dabei war es nicht einfach der Nationalsozialismus, sondern das Deutschtum schlechthin, mit dem sie nichts mehr zu tun haben wollten.23

Der antifaschistische Journalist kam im März 1943 zu denselben Einschätzungen wie Wildner, dass »zumindest die Hauptstadt des alten Österreich politisch für das Dritte Reich verloren war.«24 Wildner beobachtete u. a. die Verkäufe im Dorotheum  : 26. 11. 1940  : »… Ein Sensal im Dorotheum erzählt mir heute, daß unglaublich viel Silber in Wien war. Wir seien doch ein wirkliches Österreich gewesen. Jeden Tag würden gegen 1000 kg Silber ins Reich abgefertigt. Einer Jüdin im Hause Oser, die 36 kg Silber abliefern musste, seien dafür 600 Mark gegeben worden …« 23 Zitiert nach Karl Stadler, Österreich 1938–1945 im Spiegel der NS-Akten, Wien 1966, S. 301. 24 Ebenda, S. 302.

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22.  10.  1943  : »… Dabei finden fortwährend im Dorotheum Versteigerungen von niederländischen Gemälden und alten Möbeln statt, die aus Holland stammen, und die Ausräumung der Klöster und der bei uns beschlagnahmten Schlösser, deren Versteigerung, soweit sie nicht für öffentliche und private Zwecke gebraucht werden, ist weiter im Gange …«

Es gibt auch immer wieder Hinweise auf Streiks. Zu beidem – schlechte Stimmung und Streiks – gab es keine Notizen in den gleichgeschalteten NS-Zeitungen. Bei Besuchen hoher NS-Führer gab es nach Wildners Beschreibungen Schwierigkeiten, genug Menschen für Empfangsspaliere zu finden – entgegen anderslautenden Zeitungsmeldungen. Die Unzufriedenheit mit den herrschenden Zuständen, die Erkenntnis der Entrechtung und die unerfüllten Erwartungen – nicht nur der illegalen NSDAP-Mitglieder – waren sicher nicht Ausdruck einer antifaschistischen Überzeugung und mengenmäßig schwer einzuschätzen, doch zeigen sie ein wachsendes Unbehagen am NS-Regime. Wildner beobachtete auch äußerst genau das Verhalten vieler seiner ehemaligen Kollegen und anderer Personen aus Verwaltung, Politik und Kirchenkreisen. Er hält ihre Anbiederungsversuche fest, wusste aber auch von jenen, die Verfolgung erlitten. 1938 werden in rascher Folge Selbstmorde, Deportationen in KZ, Verhaftungen oder Pensionierungen von Kollegen angeführt. Doch gibt es auch in den späteren Jahren Hinweise auf Verfolgung und Ermordung von Menschen aus seinem Umfeld. Immer wieder finden sich auch scharfe Beurteilungen des opportunistischen Verhaltens vieler seiner Kollegen. Ein besonders prägnantes Beispiel ist Karl Hudeczek, unter Wildner im Außenamt in der handelspolitischen Abteilung für Wirtschaftsfragen Südosteuropas und Italiens zuständig. Er hatte drei Mal um Aufnahme in die NSDAP angesucht und wurde 1940, 1942 und 1944 abgelehnt.25 Heinrich Wildner schreibt  : 15. 7. 1938  : »… Hudeczek geht heute nach Berlin. Noch vor wenigen Wochen hatte er bemerkt, daß ihm nicht einfalle, der Partei beizutreten, weil er sich innerlich gehemmt fühle. Heute platzte er mit der Erzählung heraus, er habe sich zum Beitritt gemeldet, sei aber in der Ortsgruppe eher brüsk behandelt worden und wolle jetzt in Berlin im Auswärtigen Amt beim dortigen Vertreter der Partei sein Glück noch einmal versuchen. Er sei doch immer für die nationale Sache gewesen und könne vielleicht da, wenn er hineinkomme auf seinem Fachgebiet regulierend wirken. Da blieb mir die Spucke weg. Derselbe Mann, der seine ganzen Studien mit Juden zugebracht hatte, fast nur solche Bekannte hatte, sich durch sie vorwärts schieben zu lassen bestrebte, dann nach25 Zur Kurzbiografie von Hudeczek vgl. Agstner/Enderle-Burcel/Follner, Österreichs Spitzendiplomaten, S. 259–262.

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dem die Depositenbank abgewirtschaftet hatte, zur ›katholischen Gruppe‹ überging, im Ausschuß des Katholischen Akademikerverbandes das Jahrbuch herausgab, von welcher Tätigkeit er allerdings mir selbst dann enttäuscht bekannte, alle seien sie dort etwas geworden, nur er hätte nichts davon gehabt, worauf er sich von Dr. Schüller in den Verwaltungsrat der Südbahn bringen ließ …«

Im November 1944 notiert Wildner zu Hudeczek  : 27. 11. 1944  : »… Hudeczek bei mir, sehr betroffen, verwahrt sich dagegen, daß er, wie man es von ihm erzähle, eine so großartige Stellung im Außenamt gehabt habe, er sei nur ein kleiner Referent gewesen … Hier würden schon die Listen für das Kommende zusammengestellt …«

Wildner traf regelmäßig ehemalige Kollegen – darunter auch jene, die Mitglied der NSDAP geworden waren –, u. a. bei den sogenannten Pensionisten-Spaziergängen im Stadtpark, bei denen Informationen ausgetauscht wurden. Ab Ende 1942 nahmen die Treffen mit Kollegen zu, bei denen es auch immer wieder Überlegungen zu einer Neuordnung nach dem Krieg gab. Wildner sah die Lage pessimistisch  : 16. 11. 1942  : »… Im Unterschied zum Zusammenbruch nach dem 1. Weltkrieg fehle es jetzt an einer breiten Beamtenorganisation, es sei doch alles zerschlagen, die Leute teils weg, teils verblödet, zu alt, teilweise verhetzt … Ich erwähnte, daß man jetzt schon Männer in den Vordergrund schiebe, wie Ender und den Kink. Der Eine [Ender] sei ein Vorarlberger ohne weiten Blick geblieben …«

Aus Andeutungen ist aber zu merken, dass er sich eine Rolle bei der Nachkriegsordnung zudachte  : 8. 10. 1943  : »C. erzählt, in gewissen, sich mit einer künftigen Neuregelung befassenden Kreisen, werde gegen mich gearbeitet. Für die Stelle eines Generalsekretärs soll Thedy [Hornbostel] in Betracht kommen. Ich zeige keine Neugierde …«

Emigranten und Juden hatten in Wildners Konzeptionen keinen Platz  : 27. 1. 1943  : »… [während der Schlacht um Stalingrad], daß angeblich die Amerikaner an die Wiederherstellung des alten Vorkriegsstandes denken … Man werde gegebenenfalls mit einem fertigen Organismus von drüben kommen und die alten früheren Leute würden nicht mehr viel bedeuten. Das glaube ich auch (Übrigens ist die Umgebung nicht besonders, Martin Fuchs hat kein Format und ist ein Jude. An die Judenfrage scheint man bei allen Zukunftsprojekten nicht zu denken) …«

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25. 2. 1943  : »… Unterhaltung mit Rudolf Colloredo, das zersetzende jüdische Element ist eben ausgeschaltet und dürfte später auch nicht mehr eine Rolle spielen können …«

Die Äußerung rief bei Wildner keine Reaktionen hervor und zeigt in aller Deutlichkeit den weitverbreiteten Antisemitismus in katholisch-konservativen Kreisen. Es gibt auch Belege für die allgemeine Abneigung gegen Emigranten  : 4. 11. 1944  : »… Franckenstein soll eine für die Österreicher bestimmte Rede gehalten und sie zur Selbstbetätigung gegen die Deutschen aufgefordert haben. Dabei hat er sich selbst in die englische Staatsbürgerschaft geflüchtet und hätte als solcher wohl kein moralisches Recht, sich an österreichischen Dingen zu beteiligen …«

Die wenigen ausgewählten Zitate zeigen Wildners Überlegungen für die Nachkriegsgesellschaft in Österreich und bestätigen das durch die Forschung der letzten Jahrzehnte belegte Grundmuster, dass Juden und Emigranten keinen Platz in dieser Neuordnung finden sollten. Sein offenkundiger Antisemitismus zeigt sich durchgehend in den Aufzeichnungen. Sein umfangreiches Wissen um die Verfolgung der Juden hatte keinen Wandel seiner Einstellung gebracht. In den Texten gibt es rund hundert Eintragungen zu Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden österreich- und europaweit. Er schreibt von Attacken gegen die Juden, systematischen Judenaustreibungen und von Pogromen. Dazu einige Zitate aus dem Jahre 1938  : 11.  11.  1938  : »… Die Pogrome sind planmäßig durchgeführt worden. Die Behörden griffen nicht ein. Die Synagogen waren mit Petroleum angezündet worden, infolgedessen konnte die Feuerwehr auch schwer löschen …Viele Juden sind eingesperrt, darunter viele hundert in den Sophiensälen. Die jüdischen Firmentafeln sind alle verschwunden …« 15. 11. 1938  : »… Baron Oppenheimer soll sich gestern von einem Fenster seiner Wohnung auf die Straße gestürzt haben und tot liegen geblieben sein … der frühere Herausgeber der ›Österreichischen Rundschau‹. H. erzählt Einzelheiten über die hiesige Judenverfolgung. Die Juden seien mit Gummiknütteln geschlagen worden, ein Jude sei gezwungen worden, sich mit einer Peitsche selbst durchzupeitschen, Juwelen und Wertgegenstände wurden ohne Bestätigung abgenommen, ein Jude wurde mit dem Gummiknüttel dazu verhalten, eine schriftliche Bestätigung darüber auszustellen, daß er seinen Radioapparat entgeltlich dem betreffenden SA-Mann gegeben habe. Ein SA-Mann fuhr einen Juden an  : ›Haben Sie Waffen  ?‹ Und warf selbst den Revolver in die Schublade … Man fragt sich  : Heute geht es gegen die Juden, morgen kann es gegen die anderen gehen …«

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Die Überlegungen, dass die Entrechtung der Juden nur der Anfang sei und ein ähnliches Vorgehen für viele andere Gesellschaftsschichten folgen werde, kehren in Wildners Tagebüchern immer wieder. Er weiß aber auch, was im Ausland vor sich geht. So schreibt er 1939 von Maßnahmen gegen Juden in Triest, in Russland und in Polen  : 7. 12. 1939  : »… in Polen werde weiter gewütet. Die Leute werden zu Hunderttausenden umgebracht …«

Während es zu den Massenmorden in Polen bei Wildner schon im Dezember 1939 klare Hinweise gibt, wurde über das Wissen der deutschen Bischöfe noch 1995 publiziert  : »Die Greuelstätten in Polen hingegen lagen weit entfernt und hinter einem Schleier von Geheimnis.«26 Eine beklemmende Eintragung stammt aus dem November 1941  : 23. 11. 1941  : »… K. erzählt, ein Universitätsprofessor sei kürzlich bei Mauthausen gewesen, der Schornstein des do. Konzentrationslager-Krematoriums rauche Tag und Nacht …«

Wildner wusste also bereits zu dieser Zeit von der Massenvernichtung der Juden auf österreichischem Gebiet. Es folgten viele weitere Einträge zu Gräueltaten, oft kurz, aber in allen Details  : 10.  1.  1942  : »… In Jugoslavien seien Juden und Zigeuner praktisch ausgerottet. Die Praxis der Gestapo ungeheuerlich. In gewissen Lagern ergehe man sich in sadistischen Folterungsmethoden. Glücklich jeder, der früher hinübergeht …« 4. 3. 1942  : »… In Charkow sind angeblich 40.000 Juden auf einem Hügel in die Luft gesprengt worden …« 26. 7. 1942  : »… K. erzählt, daß an der Ostfront systematisch Juden umgebracht werden, an einer Stelle 17.000 in der Weise, daß sie sich nackt einer neben den anderen und in weiterer Folge übereinanderlegen müssen, worauf dann ein SS-Mann mit ungewöhnlich hohen Stiefeln kommt, um jeden einzelnen durch Kopfschuß abzuknallen. Die SSLeute können dies angeblich auch nur im Rausch vollführen. Gleiche Greuel habe ich auch von anderer Seite mit noch größeren Ziffern gehört …«

Zu den Wiener Verhältnissen heißt es recht lapidar  : 22. 9. 1942  : »… Die Judenfrage in Wien soll erledigt sein. Die Kultusgemeinde verlässt am 18. Oktober Wien. Alle weiteren Maßnahmen werden eingestellt …« 26 Konrad Repgen, Die deutschen Bischöfe und der Zweite Weltkrieg, S. 130, AHIg 4 (1995), S. 97–145.

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Die Tagebucheintragungen zur Verfolgung der jüdischen Bevölkerung sind erschreckend. Seine Beobachtungen und Informationen hält er aber ohne Wertung oder Anteilnahme fest. Es finden sich keine moralisierenden Interpretationen, weder in den Originaltexten noch im Nachhinein in den Typoskripten der 1950er-Jahre. Sein Wissen über Arisierung, Raub und Vernichtung in den KZ in Österreich – »die hiesige Judenverfolgung« –, in Italien und auf dem Balkan, Ereignisse an der Ostfront sowie die Vorgänge in Ungarn ist genau und umfassend. Wildner wusste als Zeitgenosse über das Morden in Mauthausen, in Charkow, in Orel und über die Massengräber in Polen Bescheid. Orte und Größenordnungen der Morde waren ihm genau bekannt. Er ist von den Geschehnissen niemals »überwältigt, sprachlos« wie etwa Erich Kästner.27 Die Tagebücher lassen eine innere Bewegtheit oder Anteilnahme mit den jüdischen Opfern gänzlich vermissen, vielmehr kommt bei seinen Überlegungen die Furcht zum Ausdruck, dass die Entrechtung der Juden nur der Anfang sei und, dass ein ähnliches Vorgehen auch für andere Gesellschaftsschichten folgen könnte. Die Richtigkeit seiner Angaben über die Massenvernichtungen von Juden, über Orte und Geschehnisse sowie über das Ausmaß des Mordens finden in der aktuellen wissenschaftlichen Forschung zu den Themen ihre Bestätigung. Wildner zeigt sich auch über Euthanasie bzw. die Entrechtung und Ermordung von psychisch kranken Menschen in Steinhof – die »dem Hingang zugeführt werden«  – informiert  : 30. 9. 1940  : »… Die Nachrichten über den plötzlichen Tod (Herzschlag) von nach außen gebrachten Geisteskranken vom Steinhof mehren sich …« 18./19. 3. 1941  : »… Immer wieder hört man von Fällen, daß geisteskranke oder geistesschwache Personen ins Jenseits befördert wurden. Die Angehörigen bekommen nachher einfach die Aschenurnen …«

Beispiele für Willkür und Entrechtung im Umgang mit den Adeligen finden sich durchgehend  : 23.  3.  1939  : »… Rudolf Colloredo getroffen, sein Gut ist unter kommissarischer Verwaltung und sein bisheriger Forstmeister amtiert, während er, der Eigentümer, nicht einmal hinkommen darf …« 18. 9. 1940  : »… In Niederösterreich sind die Schlösser alle besetzt. Über den reichen Schwarzenbergbesitz ist die Aufsicht verhängt, offenbar als Anfang der Einziehung …« 8. 1. 1941  : »… [Reichenberg] Agitation gegen die Besitzenden und religiös Eingestellten. Wiederum Gerüchte über neue Klosterräumung …« 27 Sven Hanuschek, Kästners Kriegstagebücher  : Eine Einführung, in  : Erich Kästner, Das Blaue Buch, Geheimes Kriegstagebuch 1941–1945, Zürich 2018, S. 7–41, hier S. 10.

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18. 8. 1944  : »… traf F. Coll. (Ferdinand Colloredo), der sehr ängstlich ist  ; viele seiner Standesgenossen sind verhaftet, besonders solche in Kärnten …«

Wildners Sorge galt aber letztlich vor allem der katholischen Kirche. Immer wieder gibt es Eintragungen zur Enteignung von Vermögen von Stiften und Orden, von Klosterräumungen, Verhaftungen von Geistlichen und Bespitzelung von Gläubigen  : 21.  12.  1939  : »… In den sudetendeutschen Schulen ist das Singen der Lieder ›Stille Nacht‹ und ›Es ist ein Reis entsprungen‹ verboten worden. In Prag darf überhaupt nicht eine Christmette abgehalten werden …« 8./9.  10.  1940  : »… Das Stift Klosterneuburg soll enteignet werden, um Platz für die bessarabischen Rückwanderer zu machen. Es wird also weiter gestohlen und genommen. Die Stimmung wird immer schlechter …« 30. 12. 1940  : »… In den Kirchen wird fleißig das ›Stille Nacht, Heilige Nacht‹ gesungen als offene Demonstration …« 5. 5. 1941  : »… Klosterneuburg und St. Gabriel sind auf Grund der Verordnung über das volks- und staatsfeindliche Verhalten beschlagnahmt worden …« 5. 7. 1941  : »… Der Klostersturm der Nazi geht weiter, jetzt wollen sie auch die Schotten vertreiben, um daraus eine Musikschule zu machen …« 7. 7. 1941  : »… Hirtenbrief der deutschen Bischöfe, die das Ärgste befürchten, wie Kirchenschließungen usw. … befürchten sogar, daß der Austritt aus der Kirche von den Beamten verlangt werde …« 4. 8. 1941  : »… Abgesandte der Partei sollen jetzt in den Häusern feststellen, wer in die Kirche geht, wer Besuch von Geistlichen empfängt und mit ihnen verkehrt …«

Die in Gabelsberger-Kurzschrift abgefassten Originale zeichnen Wildner als einen zutiefst gläubigen Menschen. Seine häufigen Kirchenbesuche und der Besuch der heiligen Messe (oft auch Abendmesse) zeugen von einer gelebten Religiosität. Persönliche enge Kontakte zu Geistlichen lassen sich allerdings nicht feststellen. In den Jahren 1943 und 1944 dominiert in seinen Eintragungen das Kriegsgeschehen, es finden sich aber auch Überlegungen für eine neue Nachkriegsordnung.

Der ehemalige Spitzendiplomat Bei dem Versuch, aus diesen Aufzeichnungen und aus der Überfülle von Informationen und Kontaktpersonen ein Bild der Persönlichkeit von Heinrich Wildner herauszuarbeiten, zeigen sich einige durchgehende Wesenszüge. Der Spitzendiplomat Heinrich Wildner ist durch und durch Diener seines Vaterlandes. Der Patriotismus ist sein zentraler Orientierungspunkt zur Beurteilung der Innenpolitik sowie des

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Weltgeschehens, daran misst er die jeweils herrschende Politik und die Verwaltung. Dieser Maßstab gilt sowohl für den »Ständestaat« als auch für das »Dritte Reich«. Hitler und den Nationalsozialismus bewertet er danach, wieweit diese politische Bewegung seinen eigenen Ideen von Politik entspricht, inwieweit sie seinen Vorstellungen von erfolgreicher Staatsführung entgegenkommt. Wildners politisches Selbstverständnis ist großdeutsch, katholisch-konservativ, mit großer Sympathie für den Adel und antisemitisch ausgerichtet. Dem austrofaschistischen Regime, dem er zuletzt gedient hatte, stellt er kein gutes Zeugnis aus. Schuschnigg erscheint ihm als »schwach«, was sich nicht nur in dessen politischen Entscheidungen, sondern auch in seiner persönlichen Lebensführung äußert (er heiratete eine Geschiedene  !), und deshalb an der Staatsspitze als Fehlbesetzung. Diverse Führungsfiguren der politischen Elite des »Ständestaats« hätten sich mehr um sich selbst, um ihre Pfründe und Karrieren gekümmert als um das Land. Auch wenn er es nicht in dieser Direktheit niederschreibt, sind seine Einschätzungen doch eindeutig erkennbar. Dem Nationalsozialismus stand er skeptisch gegenüber, weil er Hitler nicht recht zutraute, mit seiner Politik Erfolg zu haben. Die Lektüre des Tagebuches erweckt den Eindruck, dass Wildner die Befürchtung hegt, Hitler würde sich zu viel vornehmen. Wildner war gegen den »Anschluss«, doch da dieser 1938 Tatsache geworden war, arrangiert er sich mit den Gegebenheiten. Er sieht sich durchaus als Angehöriger des neuen Staates. Formulierungen mit dem national gemeinten »wir« finden sich zwar bis 1944, doch vermitteln sie nicht den Eindruck eines deutschen Patriotismus. Im »Anschluss« sieht er die Gefahr eines Kriegsgrundes, und seine Überlegungen gehen in die Richtung, ob Hitlers politische Ziele nicht vielleicht besser in kleineren Häppchen und eventuell sogar ohne Krieg zu verwirklichen wären. Hitler solle doch viel mehr auf die Diplomaten alter Schule hören, die ihr Handwerk von Grund auf gelernt hatten. Wildners »Kritik« deckte sich mit der unmittelbar nach dem »Anschluss« vorherrschenden Einschätzung eines Großteils der Bevölkerung, dass diese »Pifke« bloß überhebliche und großspurige Leute seien, die Großes für die Heimat versprechen und es dann doch nicht halten würden, was er im Übrigen auch dem alten Regime zum Vorwurf gemacht hatte. Seine schärfste Beschuldigung gegenüber den neuen Machthabern lautet, dass sich die (reichsdeutschen) Nazis – ausgerechnet – »jüdisch« benehmen würden mit ihrer Postenschacherei und Raffgier und die Österreicher wiederum, wie vormals wegen der Juden, zu kurz kommen würden. Die Nazi hätten bloß die Juden abgelöst – ein Vorwurf von enttäuschten Österreichern. Hitler und die Nationalsozialisten verdächtigt der stets elitär denkende Wildner, dahergelaufene Emporkömmlinge, wenn nicht gar »Sozialisten«, zu sein, ungeeignet, einen Staat zu führen. Seinen Verdacht sieht er ausgerechnet durch die Kriegsmaßnahmen, die massive staatliche Regelungen erforderten, erhärtet. Eine Kriegsvorbereitung und -durchführung, die ohne enormes staatliches Wirken über-

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haupt nicht machbar wären, hält Wilder für sozialismusverdächtig, weil ihm eben jede (sozial-)staatliche Regelung gleich als Sozialismus erscheint. Der Höhepunkt seines Sozialismusverdachts ist mit dem Hitler-Stalin-Pakt im August 1939 gegeben  ; Wildner schätzt Hitler als Kompagnon Stalins ein. Als Wildner aber frühzeitig von den Kriegsvorbereitungen gegen die Sowjetunion Kenntnis erhält und den Zweck des Abkommens erkennt, relativiert er seinen Verdacht. Über die Vernichtung der Juden, die er als aus dem Vaterland zu entfernende Störenfriede sieht, ist er von Anfang an gut informiert. Sorgen bereiten ihm nicht die Massenmorde, sondern lediglich, dass eine derartig brutale Behandlung auch anderen Gruppen drohen könnte – aber auch, dass diese Grausamkeiten im Falle einer Niederlage gerächt werden könnten. Darum ist er bei aller Skepsis gegenüber den Erfolgen Hitlers und des Nationalsozialismus unbedingt dafür, dass Deutschland den Krieg gewinnen müsse. Daher befürwortet Wildner grundsätzlich den deutschen Überfall auf die Sowjetunion  : Obwohl die Öffentlichkeit über den neuen Krieg entsetzt ist, glaube ich doch, daß die Luft gereinigt und man in Rußland tüchtige Beschäftigung bekommen wird, daß dort etwas realer herausgeschlagen werden kann ist wenigstens das Programm Hitlers selbst, das auf Ausdehnung des Raumes geht. (22. Juni 1941)

Ganz besonders muss ein Sieg des Sozialismus bzw. des Bolschewismus, oder genauer gesagt dessen, was Wildner unter diesen Begriffen versteht, verhindert werden, weil das die Zerstörung der Nation bedeuten würde. Mit der Ablehnung des Bolschewismus steht Wildner bei weitem nicht allein da. So findet sich etwa in den Kriegstagebüchern von Astrid Lindgren am 18. Juni 1940 der Eintrag  : Am schlimmsten ist, dass man Deutschland bald kaum mehr noch eine Niederlage zu wünschen wagt, den jetzt haben die Russen wieder angefangen, sich zu bewegen … Und ein geschwächtes Deutschland könnte für uns im Norden nur eins bedeuten – dass wir die Russen auf den Hals kriegen. Und dann, glaube ich, sage ich lieber den Rest meines Lebens ›Heil Hitler‹, als den Rest meines Lebens die Russen bei uns zu haben.28

Obwohl die Lage Schwedens durch die Ereignisse im benachbarten Finnland bedrohlicher war, zeigt sich daran doch, dass die Angst vor den Sowjets stärker war als die vor dem deutschen Faschismus, über dessen Gräueltaten Lindgren durch ihre Arbeit bei der Briefzensur des schwedischen Nachrichtendienstes gut informiert war. Auch bei Erich Kästner gibt es am 26. Juni 1941 den Eintrag  : 28 Astrid Lindgren, Die Menschheit hat den Verstand verloren, Tagebücher 1939–1945, Berlin 2016, S. 62.

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… Es hat den Eindruck, als ob Deutschlands Kreuzzug gegen den Bolschewismus in allen, auch den unterdrücktesten Ländern, eine geradezu erstaunliche Sympathiesteigerung für Hitler hervorgerufen habe.29

So gegensätzlich die Weltsicht dieser drei Persönlichkeiten ist, auf der einen Seite der christlich-konservative Spitzendiplomat, auf der anderen Seite der von den Nationalsozialisten verbotene Schriftsteller und die für den gesellschaftlichen Fortschritt offene, spätere Trägerin des Alternativen Nobelpreises, eint sie doch die Furcht vor dem Kommunismus sowjetischer Prägung, ein für das 20. Jahrhundert durchgängiges Denk- und Handlungsmuster, das auch bis in die Gegenwart nachwirkt. Wildners Sicht auf Politik und Gesellschaft ist paradigmatisch für das Denken vieler Angehöriger der katholisch-konservativen Eliten in Österreich. So hält er ein Gespräch mit Viktor Kienböck30 vom 25. Jänner 1943 fest  : »… Am Abend bei Kienböck, der meinte, das Bedrückende sei nicht, daß viele Einzelne hinübergegangen seien und in Gesinnungsänderung mehr getan hätten als man anständig nennen könne, sondern, daß die große Masse als solche gegenüber dem Umbruch so versagt habe …«

Über das Versagen der katholisch-konservativen Elite, zu der er sich zugehörig fühlte, oder gar über ein persönliches Versagen gibt es in seinen Tagebüchern keine Überlegungen.

Heinrich Wildners Privatsphäre Die Tagebücher Heinrich Wildners ermöglichen zwar einen umfassenden Eindruck von seinem Charakter und seinem Wertesystem, seine Privatsphäre blieb in den von ihm angelegten Typoskripten weitgehend ausgespart. Auch in den Materialien seines Nachlasses fehlen persönliche Dokumente. So gibt es auch keine Privatkorrespondenz. Selbst zu seinen engsten Verwandten finden sich kaum Angaben. Es erforderte auch einige Mühe, die Lebensdaten seiner nahen Verwandten zu ermitteln.31 Dafür waren Recherchen auf Wiener Friedhöfen und eine Kontaktaufnahme zu in Deutschland lebenden Verwandten notwendig.

29 Hanuschek, Kästner, Das Blaue Buch, S. 92. 30 Kienböck, Dr. Viktor (1873–1956)  ; siehe Biografischer Anhang. 31 Vgl. dazu die Liste der Verwandten im Anhang.

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Die Übertragungen der Originaltagebücher der Jahre 1938 bis 1944 aus der Gabelsberger-Kurzschrift32 ermöglichen erstmals auch einen Blick in das private Leben Wildners. Nur in den Stenogrammen finden sich neben den durchgehenden Kommentaren zur Wetterlage hunderte kurze Eintragungen zu seinen Ängsten, seiner angeschlagenen Gesundheit, zu dem stets angespannten Verhältnis zu seinen engsten Verwandten, zu seinen Freizeitbeschäftigungen, zu seiner Religiosität. Ab März 1938 wird er von Existenzängsten geplagt. Es gibt fast täglich oft gleichlautende Einträge  : »schlafe schlecht«, »werde immer unruhiger«, »kann überhaupt nicht mehr schlafen«, »schlecht geschlafen«, »weiter unruhig«. Ab Mai 1939 – unter dem Eindruck seiner Pensionierung – leidet er wieder unter Schlaflosigkeit. »Von Wahnvorstellungen verfolgt«, beschließt er  : »ich muß mich viel mehr zusammennehmen.« Als Folge dieser Überlegungen beginnt er ab Juni 1939 seine Studien zur Technik des Auswärtigen Dienstes. Im September 1939 leidet er immer noch an Schlaflosigkeit und entschließt sich, Schlafmittel zu nehmen. 1940 zwingt er sich zur »Selbstzucht gegen die Nervosität«. Im März 1943 beginnen wieder Eintragungen  : »Sorgen um die Zukunft«, »sehr unruhig«, »nervös«, »schlechte Aussichten«. Dies setzt sich 1944 fort  : Er »grübelt über Zukunft«, über »Eventualität« und ist von »Besorgnissen verfolgt.« Ab Mai 1943 schreibt er immer wieder von Depressionen, unter denen er leidet. Von Zeit zu Zeit finden sich Eintragungen  : »traurig«, »traurige Stimmung«. Zu der Schlaflosigkeit kommt eine Einsamkeit, zu der er all die Jahre immer wieder kurze Einträge im Tagebuch verfasst  : »für mich«, »immer für mich«, »innerlich allein«, »alleine«, »niemand getroffen«, »alleine gegessen«, »führe einsames Leben«, »wieder allein mit den Gedanken«, »alleine wie immer«, »man ist halt allein«. In dieser Art gibt es rund 600 Einträge in seinen kurzschriftlichen Tagebuchaufzeichnungen. Im Juni 1939 schreibt er anlässlich eines Spazierganges »mit den älteren Herren im Stadtpark«  : »wirkliche Freunde und Kollegen hatte ich doch immer nicht gehabt«. Im März 1943 findet sich angesichts von Zukunftssorgen der Eintrag  : »ich wüßte auch nicht, bei wem ich hier Anlehnung finden könnte.« Er sieht »keine Möglichkeit der Aussprache.« Wildners Ängste und Einsamkeit haben Auswirkungen auf seine Gesundheit, die sich im Laufe der Kriegsjahre verschlechtert. 1938 bis 1943 dominieren Eintragungen wie »müde«, »sehr müde«, »nicht beinand«, »nicht wohl«. Ab 1943 gibt es Hinweise auf »Hunger« und immer wieder Beschreibungen über Herzbeschwerden. Wildner trifft zwar sehr regelmäßig seine engsten Verwandten, vor allem die Brüder Karl und Hans, letzterer stirbt allerdings 1941. Seltener trifft er seine Brüder Klemens und Fred, der sich nur gelegentlich in Wien aufhielt. Die Zusammenkünfte der Familie verlaufen aber nicht sehr harmonisch und führen regelmäßig zu negativen Kom32 Für diese unendlich mühevolle und akribische Arbeit ist Frau Erika Gonsa zu danken.

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mentaren  : »es ist keine geruhsame Unterhaltung«, »ungute Unterhaltung«, »es geht keine rechte Unterhaltung«, »alle gingen mir auf die Nerven, man sollte sich aus dem Weg gehen«, »wieder nichts«, »man ist sich doch fremd«. Alle Brüder »bleiben ihm doch fremd« und er kommt zu dem Schluss, »das Blut wirkt doch nicht so ohne weiters« und »man muß mehr Distanz halten.« Wildner vermisst ein »richtiges Verstehen von Herz zu Herz.« Stets enden die Treffen in gereizter Stimmung, nicht zuletzt aufgrund von politischen Differenzen, die aber von Wildner nur angedeutet werden. 1939 gibt es Eintragungen über zu viel Alkoholkonsum bei diesen Treffen, der ihm nicht bekommt. Die Familie scheint in den ersten Kriegsjahren für den Nationalsozialismus aufgeschlossen gewesen zu sein. Anfang 1940 beschreibt Wildner seinen Neffen Hansi als »Mann der neuen Zeit« und »berechnend«, der ein »Gangsterbenehmen« und einen unguten Charakter zeigt. Die einzigen Ausnahmen im Kreis der Verwandten sind seine Schwester Adi (Adele) und sein Neffe Gottfried. Schwester Adi besucht ihn regelmäßig in Wien und Wildner besucht sie in Reichenberg. Diese gemeinsamen Tage verlaufen stets in Harmonie. Zu seinem Neffen Gottfried hält er fest  : »doch ein ernster, strebend und denkender Mensch.« Eine so positive Beurteilung findet sich bei Wildner äußerst selten. Nach Ansicht der Familie Turnwald standen sich Wildner und sein Neffe wegen ihrer Religiosität sehr nahe. Meist beschreibt er die Menschen seines Umfeldes überaus kritisch und mit scharfen abwertenden Worten. Wildner fühlt sich all die Jahre zwar einsam und krank, doch führt er in seiner Einsamkeit ein aktives Leben. Ausgedehnte Wanderungen führen ihn durch Wien, in den Prater, in die Außenbezirke, in den Wienerwald und in die umliegenden Gemeinden. Oft beschreibt er detailreich diese Wanderungen und Spaziergänge. Trotz Herzproblemen versucht er diese Gewohnheit beizubehalten. Häufige Kirchenbesuche und der Besuch von Gottesdiensten (oft auch Abendmessen) geben ihm Kraft. Bei Gott findet er Ruhe. Die Unruhe, die ihn nach seiner Pensionierung erfasst, bekämpft er mit einem Arbeitsprogramm zum Thema »Technik des Auswärtigen Dienstes«33 und zu Fragen der Adriapolitik. Mit der Zeit gelingt es ihm, gut und regelmäßig zu arbeiten. Dazu frequentiert er verschiedene Bibliotheken (Nationalbibliothek, Bibliothek der Konsularakademie, Bibliothek des Gewerbemuseums). Nach dem Tod seines Bruders Hans 1941 finden sich regelmäßige Eintragungen zu »Hans-Bibliothek«. Dazu kommen Forschungen im Staatsarchiv. Sein Lesestoff zeigt ein breites Spektrum, das weit über Fachliteratur hinausgeht. Bei seinen regelmäßigen Kaffeehausbesuchen liest er in- und ausländische Zeitungen. 1938 vergleicht er noch die Meldungen der deutschen, englischen und französischen Zeitungen. Kurz nach dem »Anschluss« kauft er ein Radio. Nach dem Verbot von Auslandszeitungen im September 1939, zeigt sich Wildner aber noch immer 33 Heinrich Wildners Buch »Die Technik der Diplomatie« erschien posthum 1959 in Wien.

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bestens über ausländische Zeitungsartikel informiert. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass in den nicht verbotenen italienischen Zeitungen oft spaltenweise englische und französische Meldungen wiedergegeben werden und Wildner die italienische Sprache beherrschte. Er besucht auch regelmäßig Museen, Ausstellungen, Konzerte und geht in die Oper. Gelegentlich findet sich auch der Eintrag »Violine gespielt«. Der Vergleich der Stenogramme mit den Typoskripten zeigt, dass Wildner allzu Privates nicht bzw. nur fallweise in die Transkripte übernahm. Seine Einsamkeit, sein angespanntes Verhältnis zu den Verwandten und sein schlechter Gesundheitszustand sollten wohl nicht allgemein zugänglich gemacht werden.

Resümee Wildner war in den Jahren 1938 bis 1944 ein Privatmann, ein Pensionist, der auf ausgedehnten Spaziergängen mit ehemaligen Kollegen und Bekannten zu seinen Informationen kam. Nach Abschluss der überaus aufwendigen Editionsarbeiten kann geschlossen werden, dass sein Bruder Karl einer seiner Hauptinformanten war. Dieser war während des Zweiten Weltkrieges für eine nachrichtendienstliche Stelle in Wien tätig. Erst die Übertragungen aus den Stenogrammen zeigen, wie regelmäßig die unverheirateten Brüder einander trafen, wenngleich das Verhältnis immer angespannt war. Wildners Sucht nach Informationen siegte offensichtlich über seine zeitweise doch recht ausgeprägte Abneigung seinem Bruder Karl gegenüber. Die Tagebücher erzeugen in ihrer Dichtheit ein Gefühl der Beklemmung. Allgemein wird von Wildner der Verlust der bürgerlichen Werte – Familie/Kirche/Eigentum/Recht – beklagt. Die Entrechtung der Juden wurde nur aus dem Blickwinkel verurteilt, dass diese auch auf andere Bevölkerungsgruppen ausgeweitet werde. Seine Überlegungen für die Nachkriegsgesellschaft in Österreich bestätigen schon das durch die Forschung der letzten Jahrzehnte belegte Grundmuster, dass Juden und Emigranten, aber dies sei fairerweise hinzugefügt, auch Wegbereiter des Nationalsozialismus und Opportunisten – für die er nur Verachtung zeigte – keinen Platz in der Neuordnung finden sollten. Wildners Wissen um die Ereignisse sind nicht singulär, sondern zeigen auch, dass es sehr viele Menschen gegeben hat, die »Bescheid« wussten, auch wenn viele dies später verdrängten und in den lautstarken Chor der Vertreter des »das haben wir nicht gewusst« einstimmten. Es war daher keine Frage für Wildner, der über so vieles informiert war, sich im April 1945 sofort zum Dienst zu melden und im Auswärtigen Amt seine Arbeit wieder aufzunehmen, wo er 1938 aufgehört hatte – doch nun als Generalsekretär für Auswärtige Angelegenheiten.

HEI N R ICH W ILDN ER TAGEBÜCHER 1938 –194 4

5. 1. 1938  : Wieder im Amt. Nichts Neues, Schmidt1 ist noch am Arlberg. 8. 1. 1938  : Thedy2 erzählt, daß die Italiener diesmal verrückt seien. Sie hätten eben vor 3 Tagen eine in 4 Punkten formulierte Erklärung für die Pester Konferenz vorbereitet, die ganz unmöglich sei. Wir sollten uns offen an die Rom-Berliner Achse anschließen, dann eine verrückte Komintern-Kampfformel bis zum »finaltà«, dann eine FrancoSpanien-Formel und endlich eine Völkerbundgeschichte, die für uns wegen der darin enthaltenen Beschimpfung des Völkerbundes ganz unmöglich sei. Er war einen Tag in Pest gewesen, um sich mit den Ungarn zu besprechen, die jetzt angeblich energisch von Berlin abrücken wollen, weil ihnen die dortigen Zustände unheimlich werden. Sogar die ungarischen Militärs hat das Grausen erfaßt und sie fürchteten, daß irgendeine Explosion erfolge. Schmidt3 ist angeblich jetzt stark auf Berlin geladen, nur den Göring wolle er sich warmhalten und will ihm auch privat zum Geburtstag gratulieren. Von Schuschnigg hat Thedy keinen guten Eindruck, er soll zwiespältiger Laune sein und hin- und hergerissen. Papen wollte jetzt ein Memorandum überreichen, hat es sich aber doch wieder überlegt und wird es nicht tun. – Für den März hatten die {Nationalsozialisten} etwas vorgehabt. Man ist einer neuen Militärgeschichte auf die Spur gekommen. Jedenfalls reden eingesperrte Nazi so, als ob ihnen nichts passieren könne, weil im März ohnedies {unleserlich}. Vollgruber auf Urlaub hier, klagt sehr über gegen ihn gerichtete Anzeigen der Vaterländischen beim Kanzler. Die Franzosen hätten sich endlich mit dem autoritären Regime bei uns ausgesöhnt, sie verständen es. Aber ansonsten wollten sie nichts davon wissen. Schmitz4 ist wieder in Paris, packelt sehr mit den paar katholischen Abgeordneten. Seine Reise ist ausdrücklich als eine rein private bezeichnet worden. – Mußte, da der Staatssekretär nicht da ist, unbedingt auf den Musikalischen Rout auf der Deutschen Gesandtschaft gehen, trotzdem ich gar nicht beinand’ war. Hatte dazu noch den Ehrenplatz am Tische der Hausfrau,5 wo der Bundespräsident,6 die Fürstin Öttingen,7 der mich Wilhelm8 vorstellte, eine Mumie, dann Pernter und die Frau Jäger9 als Doyenne. Ich führte die bisher mir persönlich unbekannt gewesene Gräfin Lanckoroński, zu 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Guido Schmidt. Theodor Hornbostel. Guido Schmidt. Richard Schmitz. Martha von Papen (1880–1961). Wilhelm Miklas. Sophie Oettingen. Nicht zu eruieren. Nicht zu eruieren.

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der ich Gott sei Dank rasch Anschluß fand durch einige Bemerkungen über ihren Mann10 und vor allem über den Maler,11 der die schönen Fresken im Faniteum hier gemalt hat. Ansonsten sehr viele, aber auch sehr ermüdende Gespräche. 12. 1. 1938  : Wir erkennen die Franco-Regierung an, also konnten wir dieser in Pest gestellten Forderung nicht entkommen. – Sektionschef Inama, dessen Sohn12 in Innsbruck tätig ist, kam sich zu verabschieden. Er geht in Pension, denn die Geschichte gefällt ihm nicht. Die Innsbrucker Polizei sei ganz gegen das Regime eingestellt. Den Radecki,13 Direktor des Fremdenverkehrsbüros, hatte die Polizei verdächtigt, daß er weggekommenes Geld, 100.000 S, nach Steenokkerzeel14 gebracht habe. – Die gestrigen monarchistischen Versammlungen sind zum größten Teil gestört worden. Inama bemerkte noch, daß bei den bravsten Elementen der Beamtenschaft die Zuversicht nachzulassen beginne, überhaupt sehe die Bevölkerung nicht den Lohn für das jahrelange Aushalten und komme drüber nicht hinweg, daß es anderswo doch besser gehe. 13. 1. 1938  : Wir sind eher »betropetzt«,15 indem wir erklären, daß wir mit den Pester Ergebnissen sehr zufrieden seien. 14. 1. 1938  : Thedy16 hat noch immer nicht den Inhalt der Pester Gespräche von Guido17 diktiert erhalten. 17. 1. 1938  : Großes Durcheinander wegen der Vorbereitungen für den morgigen Ministerrat. Anerkennung Francos und Krieg gegen die Prager. Die Anerkennung Francos ist noch nicht formell durchgeführt. Ich habe es noch aufhalten können, damit unsere Staatsangehörigen in Rotspanien noch herausgezogen werden können.

10 Karl Lanckoroński (1848–1933). 11 Wilhelm Steinhausen (1846–1924). 12 Hans Inama-Sternegg (1907–1989). 13 Nicht zu eruieren. 14 Im Typoskript durchgehend  : Steenockerzel. 15 Wiener Ausdruck für bestürzt. 16 Theodor Hornbostel. 17 Guido Schmidt.

18. 1. 1938

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18. 1. 1938  : Scherereien mit den tschechischen Verhandlungen. Wir trachten, die Prager einzuschüchtern, um mehr herauszubekommen. 19. 1. 1938  : Der Hohenberg18 hat ein Hakenkreuz beim Eisenbahnbüro zerschlagen. Er scheint doch ein unbeherrschter Herr zu sein. Wir haben uns dafür entschuldigen und er wird bestraft werden müssen. 20. 1. 1938  : Die Ungarn sind gar nicht begeistert von der Freundschaft der Deutschen und der Italiener mit den Jugoslaven und die rumänische Geschichte wird ihnen auch unheimlich. Aus den Pester Unterhaltungen ist nicht viel herausgekommen. Die Deutschen solle man ruhig reden und sich selbst nicht provozieren lassen. Guido19 hatte gesagt, er glaube nicht, daß es mit ihnen zu einer dramatischen Auseinandersetzung kommen werde. 22. 1. 1938  : Lange mit dem Staatssekretär gearbeitet. Sitzungen, nichts Besonderes. 24. 1. 1938  : Schüller hat in Pest nichts ausrichten können, natürlich. Sie sind doch noch immer verdreht. 25. 1. 1938  : Es wird wieder viel herumgeredet. Der Gardekommandant soll ein Schwager20 des Schuschnigg sein. Sein Bruder Arthur,21 der bei der Ravag untergebracht ist, soll sehr hoch bezahlt sein, seine Gattin22 wird mit ihren Toiletten auf den Festen unter den Anwesenden genannt. 26. 1. 1938  : Im Amt wieder Durcheinander. Auseinandersetzung mit Kienböck, sie mit seinem Nachgeben bestanden. – Merkwürdig, wie der Professor DDr. Hilgenreiner in sei-

18 Ernst Hohenberg (1904–1954). 19 Guido Schmidt. 20 Jaromir Czernin (1908–1966). 21 Artur Schuschnigg (1904–1990). 22 Marianne Schuschnigg (1911–1994).

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ner Zeitschrift23 bei Besprechung des Kanzler Schuschnigg-Buches24 in scharf ablehnender Weise von Österreich und seiner gegenwärtigen Politik spricht und wie »lahmlackert« die »Reichspost« von heute, die einen Auszug bringt, mit diesen Bemerkungen polemisiert. 28. 1. 1938  : Die neuen Verhaftungen haben viel Aufsehen erregt  ; Thedy25 tut so, als ob er triumphiere. Ich glaube es aber nicht recht. Die Polizei hat mehr Schneid’, Skubl soll aber nicht recht mittun. Gestern Ministerbesprechung über die deutsche Sache. Alle waren recht schwach. Schüller meinte zum Schluß  : »Es tut mir leid, daß ich ein Jude bin. Dann möchte ich gegenüber den Deutschen ordentlich hineinfahren.« – In der großen Politik nichts Neues. 31. 1. 1938  : Lange verhandelt. 1. 2. 1938  : Es muß wieder etwas los sein. Was tut sich übrigens in Berlin mit der BlombergGeschichte  ? Was ist das für ein Mann, der sich einfach wieder so seltsam verheiratet. 2. 2. 1938  : Wieder etwas in der Luft. 3. 2. 1938  : Thedy26 sieht sehr schwarz. Die Berliner werden sehr aggressiv. Neurath führe merkwürdige Reden. Im Mai werde die Schillinggeschichte erledigt sein. General Jansa sehr nervös und Thedy glaubt, daß die inneren Unstimmigkeiten in Deutschland wieder zu einer Diversion nach außen drängen. Guido27 und Schuschnigg seien aber der Meinung, daß man uns nur schrecken wolle  ; die Italiener hat man über die beunruhigenden Nachrichten informiert, sie haben aber noch nichts von sich hören lassen. Den Engländern und den Franzosen wollen die »Großkopferten«28 noch nichts sagen. Thedy spricht von den letzten Tagen von Pompeji usw., räsoniert sehr

23 Karl Hilgenreiner war Herausgeber mehrerer Zeitschriften, siehe Biografischer Anhang. 24 Kurt Schuschnigg, Dreimal Österreich, Wien 1937. 25 Theodor Hornbostel. 26 Theodor Hornbostel. 27 Guido Schmidt. 28 Eine Wiener Bezeichnung für »mächtig tuend«, aber auch für »einflussreiche Personen«.

4. 2. 1938

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über den Schuschnigg, der alle Beamten verachte, die seien verkalkt und unfähig. Er verstehe aber dabei nichts von den Dingen, vor allem nichts von den wirtschaftlichen. 4. 2. 1938  : Jugoslavische Verhandlung. Der Pilja sehr vorsichtig, professoral, will uns zum freien Devisenverkehr bringen. Schüller, der selbst diese neue Einrichtung verkündet – wenigstens von Genf aus –, muß hier dagegensprechen. Etwas Ärger mit Generalkonsul Kronholz, der sich in diese Verhandlung eindrängen wollte und – sich auf Wimmer berufend – hergekommen war. Er mußte abgewimmelt werden. – Steidle war bei mir, mokierte sich über Starhemberg, der kein Führer gewesen sei, rechthaberisch, eifersüchtig, niemanden geduldet habe, der ein bißchen höher kam. Einer seiner Standesgenossen hätte gesagt  : »Wir wissen es ja, daß wir zum größten Teil Trotteln und faul waren. Aber wir haben es wenigstens immer verstanden, uns Helfer und Mitgeher zu verschaffen, die für uns die Arbeit leisteten.« Aber das gerade habe der Fürst nicht verstanden. Der Franzi Windischgraetz sei einmal mit Rüdiger29 in Rom gewesen und als er dort mit »Durchlaucht« angesprochen worden sei, habe das den Starhemberg gleich sehr gestiert. Im Parlament hätte man sich im Beisein von Seipel einmal darüber unterhalten und jemand hätte gesagt  : »Ja, woher hätte er es denn haben können, bei dieser Mutter«,30 wozu der Seipel bemerkt habe, einen Vater31 habe er aber auch gehabt. Steidle findet die Lage in Italien gar nicht glänzend. Es werde von den Faschisten selbst sehr geschimpft. Der neue Paradeschritt ärgere die Leute sehr. In Triest sei übrigens der größte Teil der Bevölkerung rot. Die Truppen in Südtirol gingen jetzt nach der französischen Grenze, würden aber durch andere vom Süden her ergänzt. In Libyen werden die Rüstungen fortwährend verstärkt. 5. 2. 1938  : Seemann hatte vorgestern eine Information bekommen, wonach der ganze Konflikt nur eine Auseinandersetzung Blomberg-Fritsch bedeute, welch’ letzterer mit den anderen Offizieren den Feldmarschall wegen seiner Heirat mit der Tochter32 einer übel beleumundeten Masseuse, die sich mit den Auffassungen des Heeres nicht vereinbaren lasse, hinaus haben wollte. Er sei mit dieser Auffassung bei Hitler und Göring durchgedrungen. Das scheint aber nicht zu stimmen, im Gegenteil scheint Fritsch mit 10 anderen Generälen das Opfer geworden zu sein. In England soll in den maßgebenden Kreisen ein panikartiger Eindruck entstanden sein. Die Leute sollen wie vor den Kopf geschlagen sein, insbesondere von der Ernennung Ribben29 Ernst Rüdiger Starhemberg (1899–1956). 30 Franziska (Fanny) Starhemberg (1875–1943). 31 Ernst Rüdiger (Fürst) Starhemberg (1861–1927). 32 Luise Margarethe (»Eva«) Gruhn (1913–1978).

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trops. Letzteren Ernennung wird als äußerst gefährlich bezeichnet. Chamberlain soll förmlich entsetzt gewesen sein und das Konzept jener Kreise, die mit Hilfe Neuraths und der Reichswehr ein Einvernehmen zwischen Deutschland und England herbeiführen wollten, soll endgültig erledigt sein. Der Apor wiederum sagt, die Berliner Entscheidungen bedeuteten einen absoluten Sieg der Partei und wir würden sehr bald eine verstärkte Aktivität der Deutschen im Südostraum verspüren bekommen. 6./8. 2. 1938  : Das vorgestrige Fest der Kirchenfürsten, Bischofball wurde es genannt, hatte ich mir geschenkt. Schade um das Geld für die Eintrittskarte. Es soll eine recht unglückliche Geschichte gewesen sein, die den besten Stoff für eine Satire den Nazis gegeben hat. Durcheinander, Taktlosigkeiten, Geschmacklosigkeiten. – Die Engländer sind über die deutsche Regierungsumbildung noch immer wie vor den Kopf geschlagen. Eden befürchtet von Ribbentrop das ärgste. Dabei weiß man noch nicht recht, was eigentlich vorgegangen ist. Sicherlich hat die Reichswehr hiebei den Kürzeren gezogen, vom Auswärtigen Amt nicht zu reden. Und eigentlich müßten die Feinde Deutschlands froh sein, denn an sich sind das Zeichen der Zersetzung. 9. 2. 1938  : Über Ungarn höre ich, daß die antisemitische Stimmung immer mehr zunimmt. Die jüngeren Elemente wollen alle den Zug nach rechts und man will den Juden ihre Spitzenposten in der Industrie, im Handel und Bankwesen abjagen. Einer der Führer, ja sogar Wortführer, ist der Bornemisza, der sich über den Darányi nicht gerade respektvoll ausspricht. Darüber sprach ich heute mit Kienböck, der ähnliches gehört hat und die weitere Entwicklung der Dinge in Ungarn flau beurteilt. – Frühstück für die Jugoslaven, nichts Besonderes. 10. 2. 1938  : Lange Unterhaltung mit Sektionschef Friedmann (Prag) über Vorbereitungen zur Annäherung zwischen den donauländischen Kleinstaaten. Er meint, wir sollten dafür bestimmte Formeln in die neuen Verträge bringen, wie es die Prager im neuen Vertrag mit Amerika gemacht hätten. Unverbindlich fragte ich, was die Italiener und Jugoslaven in Prag gemacht haben, ob das nicht stören würde. Sie hätten sich nicht gerührt. Dann über unsere eigentlichen Vertragsverhandlungen. 11. 2. 1938  : Die Verhandlung mit Jugoslavien geht recht schlecht. Schüller wollte es rasch machen und etwas Größeres zustandebringen. Jetzt kommt nur eine kleine Geschichte zustande, wenn überhaupt. – Mit Leg. Rat Clodius vor- und nachmittags verhandelt. Es schaut gar nicht gut aus. Er reitet nach wie vor auf der Spitzengeschichte herum.

12. 2. 1938

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Schmidt33 ist ärgerlich, daß wir nicht zaubern können. – Wilde Gerüchte über die Verhältnisse im Reich. Bei uns ist man alarmiert. Die Bewachung ist verstärkt. Als ich am Abend das Amt verließ, wurde gerade eine Probealarmierung vorgenommen. – In Rumänien Standrecht. Neue Regierung  ;34 schäbiger ist eine Regierung wohl nicht davongejagt worden wie die Regierung des unfähigen Goga, von der die Italiener bald abrückten  ; nur die Deutschen glaubten, sie für sich in Anspruch nehmen zu können. 12. 2. 1938  : Thedy35 sagt mir in der Früh, Schuschnigg und Schmidt36 seien nach Obersalzberg gefahren. Er sehr gedrückt. Es wurde schon lange verhandelt, er habe versucht, die Sache aufzuhalten, aber Papen habe sich einen guten Abgang zu verschaffen getrachtet und so sei die Einladung gekommen. Schmidt sei sehr bald umgefallen, sei überhaupt jetzt wieder im nazistischen Fahrwasser. Der Kanzler habe sich zuerst gezogen, sei aber dann auch auf einmal umgefallen und habe sich für die sofortige Reise entschieden, weil er angenommen habe, daß Hitler in seiner geplanten Reichstagsrede scharf gegen uns losgehen wolle. Dabei sei der Kanzler wiederum hin- und hergerissen worden, habe, wie Schmidt gesagt habe, sogar sich mit der Möglichkeit gespielt, daß er in Deutschland zurückbehalten werden würde, worauf er, Thedy, gesagt habe, da wäre es um ihn nicht schade gewesen, denn jetzt erweise sich doch ganz klar, daß er kein Führer sei. – Gestern meldete mir der zugeteilte Legationssekretär Peter-Pirkham,37 er habe den Auftrag direkt vom Staatssekretär bekommen, sich für morgen in der Abteilung zu absentieren. Worum es sich handle, konnte er mir nicht sagen. Kurz vorher hatte mir Schmidt gesagt, er werde mich noch einmal kommen lassen, um mit mir etwas Besonderes zu besprechen. Ich war aber, trotzdem ich bis am Abend gewartet hatte, nicht gerufen worden. Vielleicht hat das mit der Sache einen Zusammenhang gehabt. – Der allgemeine Eindruck hier ist sehr schlecht. Beim Empfang auf der Nuntiatur drückten sich die Diplomaten ziemlich unverblümt aus. Thedy bemerkte noch hiezu, daß persönliche Veränderungen von den Deutschen verlangt würden, er selber, Ludwig und vor allem der Jansa müßten wegkommen. Am Abend erzählte mir noch ein Journalist auf der Nuntiatur, als aus deutscher Quelle stammend, der Kanzler habe bezüglich der wirklichen Besserung der Beziehungen darauf hingewiesen, daß zunächst im Reich mit der Verfolgung der Katholischen Kirche eingehalten werden müsse. Etwas sonderbar. – Dreistündige 33 Guido Schmidt. 34 Kabinett Miron Cristea I (1868–1939), 11. Februar bis 30. März 1938 Ministerpräsident. 35 Theodor Hornbostel. 36 Guido Schmidt. 37 Otto Peter-Pirkham.

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Unterhaltung mit Clodius. Es kam nicht viel heraus. – Nach der Kirche wieder ins Amt. Kein Mensch da. Allein gegessen. Alles redet nur von dem gestrigen Ereignis. Clodius erzählte beim Essen, ein Chauffeur habe ihm erzählt, gestern sei Ministerrat gewesen, alle Minister seien da gewesen, der Kanzler habe gefehlt, man habe gewartet, er müsse doch kommen. Erst nach stundenlangem Warten hätten die Herren erfahren, daß der Kanzler nach Berchtesgaden gefahren sei. 14. 2. 1938  : Wie Thedy38 erzählt, sind die ärgsten Befürchtungen übertroffen. Hitler habe den Kanzler sehr scharf angegangen wegen Nichterfüllung der Abmachungen vom 11. Juli, zu Drohungen gegriffen, er gebe dem gegenwärtigen Zustand in Österreich 2 Jahre Zeit, dann werde aber Herr Schuschnigg ein Emigrant sein. Daß er den Planetta habe hängen lassen, könne überhaupt nicht verziehen werden. Schließlich habe Hitler den General Keitel kommen lassen und von militärischen Maßnahmen gesprochen. Der Kanzler habe sich zur terminierten Erfüllung verschiedener Punkte verstehen müssen  : Beteiligung der Nationalen an der Regierung, allgemeine Amnestie für die Nazis, Zusammenwirken der militärischen Stellen, Austausch von Offizieren usw. Innerhalb dreier Tage könnte der Kanzler noch seinen Rücktritt von den Stipulationen erklären. – In Rom wurde sofort angefragt, wie man sich verhalten solle. Man wartete aber die Äußerung gar nicht ab, sondern schritt sofort zur Durchführung der Abmachungen. Thedy meint, das sei das Ende. (Schon vor 14 Tagen hat er übrigens ähnlich gesprochen  ; also scheint man schon seit längerer Zeit darüber verhandelt zu haben.) Ich habe den Eindruck – seit dem 11. Juli vermute ich es –, daß die Verhandler des 11. Juli eben mit den Deutschen so gesprochen haben, daß sie sich vollkommen im Recht fühlen, die Durchführung zu verlangen, Glaise und tutti quanti. Jetzt soll Seyß-Inquart39 das Innere mit der Sicherheit bekommen. – Am Abend großes Diner für ca. 100 Personen, von Schmidt gegeben dem Diplomatischen Corps und der Regierung und einigen besonderen Persönlichkeiten im Zeremoniensaal, anschließend großer Empfang mit Tanz, gegen 500 Personen. Allgemeine Unruhe und Neugierde. Botschafter Fürstenberg sieht sehr schwarz, wollte Näheres wissen, was ich ihm natürlich nicht sagen konnte. Er meinte aber im Hinblick auf die deutschen Forderungen, die ja bekannt seien, könnten wir nicht mehr aufhalten, daß wir verschluckt werden. Dieser Ansicht bin ich nicht. Guido Schmidt, der eben ein langes Gespräch mit Clodius hatte, rief mich zu sich und wies mich an, mit Clodius weiterzusprechen. Dieser hatte auf einmal wieder von der Währungsunion zu sprechen angefangen, sagte aber selbst, sie könne nicht sofort als solche gemacht werden, und entwickelte mir dann einen mir nicht ganz verständlichen Plan, 38 Theodor Hornbostel. 39 Im Typoskript durchgehend  : Seyss-Inquart.

15. 2. 1938

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den er selber mit gewisser Unsicherheit vorbrachte. Ich konnte ihm da nicht folgen. – Das Ganze eine macabre Szene. 15. 2. 1938  : Große Unruhe, vor allem im Publikum. Man redet sehr viel vom bevorstehenden Einmarsch. Sehr ernste Lage. Frühstück auf der französischen Gesandtschaft. Puaux sehr nervös. Schmitz40 auffallend zahm. Hoffinger meinte auch, daß die Berchtesgadner Sache ein vollständiger Umschmiß sei. Schuschnigg hätte vollständig die Nerven verloren. Als er und Schmidt41 nach Salzburg kamen, hätten sie einen erbarmungswürdigen Anblick geboten. (Ich  : Der Kanzler hätte eben auf die Zumutungen des Hitler das Haus verlassen und in die Öffentlichkeit sprengen sollen.) – Verhandlungen, müde. 16. 2. 1938  : Das neue Kabinett42 ist gebildet in der üblichen Hast, ein Sammelsurium verschiedener Existenzen und Schattierungen. Schmidt43 wollte uns einreden, daß er Bundesminister gegen seinen Willen geworden sei, er hätte es gerne verschoben, um nicht in den Geruch eines betont Nationalen zu kommen, der Kanzler hätte aber darauf bestanden, um vorderhand Ruhe zu haben. Dr. Wolf kommt in den Bundespressedienst als Verbindungsmann für die deutschen Angelegenheiten. – Schmidt verlangte von mir in Gegenwart der bereits im Zimmer Befindlichen, Hornbostel und Hoffinger, die Eingliederung des Fischböck in die Handelspolitische Abteilung als Referenten für die deutschen Angelegenheiten. Er setzte dieser Forderung eine kurze Bemerkung über die Berchtesgadner Besprechung voraus, die eine Bezugnahme auf diese Forderung betraf. Ich war anfangs sprachlos, die andern zwei sagten auch nichts und meine sofort herausgestoßene Erwiderung war eine kurze, wenig verbindlich umschriebene Verneinung, die ich zweimal paraphrasierte mit der Andeutung, daß ich da nicht mittun würde, weil ich eine solche Maßnahme sachlich und diensttechnisch für untunlich halte, und ich gebrauchte sogar die Wendung, was da die hohen Herren in Berchtesgaden angestellt hätten. Diese letztere Bemerkung verbot sich Guido44 sehr heftig und auch Hornbostel nahm die Partei der hohen Herren mit den Worten, sie hätten viel Ärgeres verhütet. Ich blieb aber dabei, es sei doch unmöglich den Fischböck in die Ministerbesprechungen zu bringen, weil dann kein Beamter mehr sich etwas zu reden getrauen werde. Fischböck ist nämlich ein 40 Richard Schmitz. 41 Guido Schmidt. 42 Kabinett Schuschnigg IV, 16. Februar bis 11. März 1938 Bundeskanzler. 43 Guido Schmidt. 44 Guido Schmidt.

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Nazi, hat eine lange Polizeikarte, wie Hornbostel auch erzählte. Schmidt zog übrigens gleich seinen Vorschlag zurück und sagte, man werde unter diesen Umständen trachten müssen, den Fischböck wo anders unterzubringen. Ich nannte Bundeshandelskammer und er wollte sich mit dem Handelsminister45 ins Benehmen setzen. 17. 2. 1938  :46 Ein gemeinsames deutsch-österreichisches Kommuniqué besagt, daß die beiden Teile die sofortige Durchführung von Maßnahmen beschlossen haben, die gewährleisten, daß ein so enges und freundschaftliches Verhältnis der beiden Staaten zueinander hergestellt werden soll, wie es der Geschichte und dem Gesamtinteresse des deutschen Volkes entspricht. Dazu hat Oberst Adam47 mit Genehmigung des Bundeskanzlers im Radio erklärt, daß die Grundsätze des Abkommens vom 11. 7. 36 keine Änderung erfahren, wie auch die Maiverfassung von 1934 und die Stellung der Vaterländischen Front nicht berührt werde. – Vortrag Papen in der ÖsterreichischDeutschen Arbeitsgemeinschaft  : ein selbständiges Österreich kann seine Aufgabe nur sehen im Rahmen der gesamtdeutschen Entwicklung und nur als Mitwirkender an dem Geschehen dieser Tage, in der Wiedererringung der Stellung des geistigen Einflusses des Reichs. – Jansa sagte mir auf dem vorgestrigen Rout  : »Nun, ich bin erledigt, das wird der Dank dafür sein, daß ich immer an meiner Ansicht über Berlin festgehalten habe. Der Reichenau ist immer ein Haupttreiber gegen uns gewesen. Das war schon zu merken gewesen, als ich (Jansa) mit ihm, da er das Referat der Militärattachés führte, zu tun gehabt hatte.« Am Obersalzberg ist übrigens außer Ribbentrop noch zugegen gewesen der General Keitel und der General Reichenau und angeblich der Befehlshaber48 der in Bayern befindlichen Teile der Luftwaffe. Die Generäle wurden vom Hausherrn hereingerufen und hatten sich vor Schuschnigg über die Bereitschaft des deutschen Heeres und die angeblich von uns getroffenen Vorbereitungen zu erklären. Jansa hatte übrigens auch bemerkt, daß er mit seinen Plänen, die Abwehrmaßnahmen zu verstärken, kein Glück gehabt habe. 17. 2. 1938  : Blaas sagte mir heute, die Stimmung sei grauslich und er fühle sich immer unheimlicher. Hornbostel habe ihm heute erklärt, daß er den Dienst ganz verlassen wolle. Hornbostel schiebe die ganze Schuld auf den 11. Juli. Das hätte er früher denken und sagen sollen. Damals war er meines Wissens nicht derjenige im Haus, der das offen gesagt hatte. Sektionschef Chavanne meinte heute, der Hitler sei doch ein Narr und es sei eine Schande, 45 Julius Raab (1891–1964). 46 Zum 17. Februar 1938 gibt es zwei getrennte Eintragungen. 47 Walter Adam. 48 Nicht zu eruieren.

18. 2. 1938

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wie sich das ganze Volk ihm unterordne. Das hat ihm offenbar der Kanzler gesagt. Ich glaube eher, daß der Hitler ausgezeichnet Komödie gespielt hat. Der Glaise-Horstenau scheint ihm, als er ihn im Juli als einen Schauspieler bezeichnete, besser durchschaut zu haben. Schmidt49 sehr nervös und fahrig. Er spürt jetzt das Ganze. 18. 2. 1938  : Am Abend ersuchte mich Turner von der englischen Gesandtschaft um sofortige Rücksprache. Er kam um ¾ 8 und wollte wissen, ob in Berchtesgaden über Zollunion und Währungsunion gesprochen worden sei. Man spreche allgemein vom Rücktritt Kienböcks. Der Kurs auf der schwarzen Börse steige, Kapitalflucht sei im Gange. Ich sagte ihm, meines Wissens sei es nicht geschehen und so etwas nicht vereinbart worden. Man habe auch von den wirtschaftlichen Dingen gesprochen, dabei meine Gespräche mit Clodius erwähnt, die rücksichtlich der Erneuerung des Wirtschaftsabkommens und der Beseitigung der Spitze nichts Neues ergeben hätten, und habe nur allgemein gesagt, daß auch diese Angelegenheit energisch angepackt werden solle. Dann erklärte ich ihm, was es für eine Bewandtnis mit dem Clearing in der Spitze habe, und die darauf bezüglichen beiderseitigen Vorschläge, daß man deutscherseits an Forcierung gewisser Lieferungen, darunter für öffentliche Bauten, denke und daß bei dem von Clodius erwähnten Gedanken einer Währungsunion das Gespräch auch über eine Änderung des Kurses ging, daß aber über all diese handelspolitischen Lösungen Clodius erst nachdenken wolle. Darüber, ob andere Seiten und Personen sich mit weiter reichenden Plänen beschäftigen, könne ich natürlich nichts Bestimmtes sagen. Im vorigen Jahr hätte ich die Empfindung gehabt, daß wir bei der Alpine in die Berechnungen des Vierjahresplans mit aufgenommen worden sind. Dies mußte ja den Engländern bekannt sein, denn die englischen Anträge, Stahl nach England zu liefern, mußte ja die Alpine infolge Einspruchs der deutschen Majoritätsbesitzer ablehnen. – Ansonsten hält die Unruhe weiter an. Die Reise des Seyß-Inquart ist sehr merkwürdig. Er meldete sich in Berlin und holt sich offenbar Instruktionen. 19. 2. 1938  : Dem Thedy50 das Gespräch mit Turner erzählt. – Der Italiener ist gar nicht um Entscheidung in der Berchtesgadner Ultimatumsache gebeten worden, sondern Schmidt51 hatte es so gemacht – angeblich war Schuschnigg auch dafür gewesen –, daß wir sagten, die und die Forderungen seien in der und der Form gestellt worden. Um den Weltfrieden nicht zu gefährden, werden wir sie annehmen, worauf sich Ciano einverstanden erklärte und froh war, außer Obligo zu sein. Dafür sollen jetzt, 49 Guido Schmidt. 50 Theodor Hornbostel. 51 Guido Schmidt.

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wie Thedy sagt, die Engländer sehr brav sein, während die Franzosen aktionsunfähig seien. Thedy schiebt nach wie vor die ganze Schuld auf den 11. Juli, [und hat vergessen, daß er diesen 11. 7. damals immer wieder in Schutz genommen hat.] Fischböck ist nur Konsulent im Handelsministerium geworden und hat heute schon in der Handelspolitischen Abteilung vorgesprochen, um sich zu orientieren. Er denkt nur an militärische Aufträge und öffentliche Bauten, wie Straßen. Schmidt hatte mir noch gestern gesagt, daß er den Fischböck dem Raab aufgebunden habe, ob es mir recht sei, was ich natürlich bejahte. Thedy sagt jetzt, daß jetzt auf einmal die Losung ausgegeben worden sei, wir seien gar nicht vergewaltigt worden, sondern alles hätte sich in schönster Ordnung und einvernehmlich abgespielt. Das glaubt doch den Leuten kein Mensch. Es wird schon jetzt fest gehetzt. 20. 2. 1938  : Kam auf der Ringstraße in eine Nazidemonstration hinein, überwältigend viel Leute waren es gerade nicht, sie schrieen nur. Trotzdem ist alles scharf bewacht und abgesperrt. 21. 2.1938  : Nazidemonstrationen auf dem Ring. 22. 2. 1938  : Schmidt52 sehr schlecht gelaunt, es fehle an wirklicher Aufbautätigkeit im Inneren, die VF versage immer wieder. 23. 2. 1938  : Blaas erzählt, in Salzburg hätten – wie er selbst gesehen – am Nazifackelzug Gendarmen und Bundesheerleute teilgenommen. Schmidt räsoniert über Fischböck, daß er doch nichts Grundgreifendes könne. 24. 2. 1938  : Im Parlament. Schuschnigg-Rede. Schlecht gehört. Die Vera Czernin-Fugger53 verfolgte mit verzückten Augen die Rede. Ungeschickte Claque. Bei gewissen Sachen kann man doch nicht mit. 25. 2. 1938  : Jansa verabschiedet sich von mir. Er sei froh, wegzukommen, sei längst nicht mehr am Platz gewesen. – Die Berchtesgadner Unterhaltung muß doch eine lange Vorge52 Guido Schmidt. 53 Vera Schuschnigg (1904–1959).

28. 2. 1938

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schichte gehabt haben. Es kann doch nicht aus dem blauen Himmel gekommen sein. Man muß vorher doch schon über Verschiedenes gesprochen haben. – Keppler hat hier wiederholt mit allen möglichen Leuten gesprochen über Personalveränderungen. Anstelle Zehners hätte Glaise kommen sollen, was abgelehnt wurde, an Stelle Jansas wurde Böhme genannt. 28. 2. 1938  : Die Zerrüttung hält an. In der Regierung scheint es ein Durcheinander zu geben. Das Hakenkreuz wird offen getragen, wie Besucher aus der Steiermark erzählen. Gerüchte über Truppenverstärkungen. 1. 3. 1938  : Die Steiermark scheint ganz offen nazistisch geworden zu sein. L.54 meint, daß in Wien allein 85.000 Mann der Partei angehören. Die Bewegung sei viel stärker als man allgemein glaube. Die Nationalen würden in der VF dieselben Rechte verlangen, wie sie die Monarchisten haben. Am 25. II. war Tauschitz mit Neurath anläßlich eines im Reichspräsidentenpalais gegebenen Essens beisammen, bei welcher Gelegenheit Neurath ihn zur Seite zog und lange auf ihn einsprach. Es müsse endlich Ordnung im Verhältnis zwischen den beiden Staaten gemacht werden. So könne es nicht mehr weiter gehen. Tauschitz fragte  : »Was soll geschehen  ?« Neurath antwortete, die Nazipartei müsse anerkannt und zugelassen werden. Tauschitz meinte geschickt, er könne nicht für die Regierung sprechen und werde selbstverständlich das Gespräch nach Wien melden, könne aber jetzt schon die Antwort sagen, daß es unmöglich sei, diese Forderung zu erfüllen, weil die österreichische Verfassung keine Parteien kenne, sondern nur eine einzige Partei, worauf Neurath mit wegwerfender Handbewegung sagte  : »Ach was, Verfassung.« Damit fand das Gespräch sein Ende. Tauschitz berichtete darüber, wurde nach Wien berufen, wo ihm Guido55 eine große Szene machte, wie er zu dieser Alarmmeldung gekommen sei. Neurath habe doch noch im November bei der Jagdausstellung in Berlin ganz anders, viel versöhnlicher gesprochen. Tauschitz beharrte bei seiner ernsten Auffassung und sagte ausdrücklich, daß man in Berlin offenbar daran denke, uns anzuschließen. Guido bestritt diese Ansicht und sagte dann erregt, daß er sich entschlossen habe, in Berlin einen Gesandtenwechsel vorzunehmen. Tauschitz möge sich mit Winterstein56 wegen eines anderen Postens besprechen, etwa Prag, von wo Marek wegmüsse, mit einer Jüdin57 verheiratet usw. Guido machte dann auch noch im späteren die Bemerkung, daß 54 Nicht zu eruieren. 55 Guido Schmidt. 56 Paul Winterstein. 57 Hedwig Marek (1881–1964).

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Neurath einen Wechsel angeregt habe. Als Tauschitz weggegangen war, wurde er bald darauf dringend gesucht. Er war bei Glaise-Horstenau gewesen, der gerade die Nachricht von der Entlassung Blombergs und Fritsch’ sowie Neuraths, Dirksens58 und Papens erfahren hatte. Tauschitz ging wieder zurück zu Guido, der ganz aufgeregt ihn fragte, was diese Neuigkeiten bedeuten, worauf Tauschitz sagte, daß die letzten Hindernisse zur Durchführung des Anschlusses gefallen seien, denn die Generäle waren besonders gegen die leere Terrorpolitik gegenüber Österreich gewesen und hatten die Mitwirkung der Armee abgelehnt  ; auch Neurath hatte davon abgeraten. Tauschitz wurde daraufhin sofort nach Berlin zurückgeschickt, um festzustellen, was eigentlich los sei und welche Absichten man in Berlin habe. Tauschitz hatte begründeten Anlaß anzunehmen, daß von all dem Schuschnigg nichts erfahren habe. Sein Bericht sei ihm jedenfalls vorbehalten worden. [Lücke im Text] – In der wirtschaftlichen Verhandlungsfrage bleibt Berlin – wie ich es mir gedacht habe – auf dem strengen Standpunkt. Es ist ja anders auch nicht mehr zu machen. 2. 3. 1938  : Kánya war da, er hat nur mit den Ministern gesprochen. 3. 3. 1938  : Frühstück bei Pernter zu Ehren Hoovers, der entgegen der ihm vorangehenden Beschreibung ein jovial lächelnder, freundlicher alter Herr ist. Die Unterhaltung usw. nicht sehr auf der Höhe. Jemand erzählte, Fischböck hätte eigentlich Finanzminister werden sollen. 4. 3. 1938  : Verschiedenes Gerede, daß die Parteien sich wieder bilden sollen. Stepan abgesetzt. Der wäre doch nirgends etwas wert gewesen, eine der Unbegreiflichkeiten. 6. 3. 1938  : Schmidt59 sehr nervös, sagt, die ganze Zeit hätte er vergeblich gearbeitet, die Finanzierung der Spitze hätte Kienböck hintertrieben, der jetzt ein langes Gesicht mache. Er habe beim Kanzler auf die Eindämmung der Judenpresse hingewirkt und vergeblich gegen die Legitimistenpropaganda gesprochen. Jetzt werde man eben unter starken Druck gesetzt. Zernatto sei ganz apolitisch. Er spricht sich also nicht besonders gut mit Schuschnigg.

58 Im Typskript durchgehend  : Dierksen. 59 Guido Schmidt.

8./9. 3. 1938

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8./9. 3. 1938  : [Müde, unwohl ein schlechtes Gefühl die ganze Zeit, am Abend hörte ich durch Zufall von der Aktion einer Volksabstimmung.– Extrablatt der Reichspost mit Angaben darüber, saudumm eine solche ist doch eher Eindruck, der böse Wirkung haben muß. Was muß Berlin dazu sagen. (10. 3.) Durcheinander, Kepler war hier – die Berliner Reise stark in Frage gestellt  ; neue Demonstration, Ballhausplatz gesperrt. (11. 3.) Wieder Demonstration, immer in der Kärntnerstraße. Schlägereien zwischen Frontleuten und anderen, es sieht gar nicht gut aus. Am Nachmittag auf einen Sprung zu Hornbostel, der nichts sagt und verstörten Gesichts wegrennt.] R.R.F60 kommt am Abend gegen 6 Uhr zu mir, um mir mitzuteilen, eben sei in einer Sitzung der VF das Vorgehen für eine vom Kanzler für den Sonntag angesagten Volksabstimmung besprochen worden. Eine ähnliche Nachricht höre ich von anderer Seite. Ich verstand die Sache nicht und fragte telephonisch bei Thedy61 an, der zuerst zurückfragte, von wem ich die Nachrichten habe, etwa von einem Journalisten. Als ich mich auf F.62 berief, sagte er  : »No ja, es stimmt, es ist aber bis 9 Uhr abend, zu welcher Zeit der Kanzler es in Innsbruck verkünden wird, gesperrt.« Das Ganze ein guter Plan, an dem er nicht ganz unbeteiligt sei. Von Innsbruck habe man eben erfahren, daß dort eine ausgezeichnete Stimmung herrsche. Ich fühle ein furchtbares Durcheinander und kann mir keinen Reim dazu machen, was die andern dazu sagen werden. Beim Verlassen des Amtes treffe ich auf der Stiege den eben hin­ ausgehenden Sektionschef Chavanne, der ganz aufgeregt auf ein in seinen Händen befindliches Extrablatt der »Reichspost« hinwies und laut rief  : »Eine unmögliche Geschichte, wie kann etwas so gemacht werden  !« Er ließ mich das Blatt lesen, in dem die Bedingungen für die Durchführung der Abstimmung wiedergegeben sind. Nichtangehörige der VF sollen mit erreichter Volljährigkeit wählen können, für Angehörige der Front gilt diese Beschränkung nicht. Chavanne stieß sich besonders an dieser Unterschiedlichkeit und rief aus  : »Warum hat man uns Beamte nicht gefragt, dazu sind wir doch da, um vom fachlichen Standpunkt aus Auskunft zu geben. Aber so ist der Kanzler, er ist weltfremd, weiß nichts, was in der Welt vorgeht. Natürlich, er fährt ja nur vom Belvedere ins Amt und zurück und ist auf wirklich sachliche Informierung nicht bedacht.« Ich gehe ganz betäubt nach Hause. 10. 3. 1938  : Am Samstag war Seyß-Inquart in Linz und sprach dort vor 500 Vertrauensmännern des Volkspolitischen Referats, um im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler und Frontführer Weisungen für das Verhalten zu geben. Er sagte, daß Österreich gemäß seiner Verfassung sowie den Abmachungen mit Deutschland vom 11. Juli 1936 sowie 60 Abkürzung für Regierungsrat F.; nicht zu eruieren. 61 Theodor Hornbostel. 62 Nicht zu eruieren.

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vom 12. Februar 1938 frei und unabhängig sei. Das Schicksal der beiden Staaten bleibe aber gemeinsam und Österreichs Unabhängigkeit werde vom deutschen Volk gewährleistet. Die Frage der Staatsform sei nicht dringlich und könnte nur vom Standpunkt des gesamtdeutschen Schicksals gelöst werden. Österreich behalte seinen Charakter als christlicher und ständischer deutscher Staat. Auch jeder Nationalsozialist müsse nun einen Versuch, den Glauben mit der Politik zu bekämpfen, entschieden zurückweisen. Er hob hervor, daß jede parteipolitische Gruppenbildung, Betriebszellen, Organisationen, Sturmabteilungen usw. unstatthaft seien, weil niemand aus dem Rahmen der VF heraustreten dürfe. Demnach müsse man auch jede staatlich verbotene Parteitätigkeit sofort einstellen. Die Rechte der Nationalsozialisten würden in allen öffentlichen Stellen durch Umbesetzung in den Landtagen, Gemeindetagen, Landesregierungen und anderen öffentlichen Einrichtungen vollständig gewahrt werden. Jede Benachteiligung nationalsozialistischer Vereine und Veranstaltungen werde laut Zusage des Frontführers unterbleiben. Der Frontführer habe die Hoffnung geäußert, daß in nicht ferner Zeit die Behinderung des Grußes sowie der Fahnen und Abzeichen fallen werde, d. h. dann, wenn diese Äußerlichkeiten nicht mehr den Charakter des Protestes und der Demonstration gegen die Staatsführung oder eine Drohung gegen eine andere Gesinnung beinhalten werden. – Durcheinander. Keppler war hier. Die Berliner Reise des Generals Zehner ist in Frage gestellt. Ein Jahrgang einberufen. Neue Demonstrationen. Ballhausplatz abgesperrt. Am Abend große Unruhe in der Stadt. Aufzüge auf dem Ring. Beim Weggehen frage ich den jetzt als Oberinspektor auftretenden früheren Leibdetektiv des Seipel,63 was der Aufzug und die Lieder auf dem Ring bedeuten. Er meinte ganz ernstlich, das sei eine Gegendemonstration der VF. Kurze Zeit nachher stellte sich heraus, daß es Naziaufzüge sind. Das Tor des Bundeskanzleramtes war zur Vorsicht aber schon geschlossen gewesen. Ich glaube, die Dinge gehen wo anders hin. 11. 3. 1938  : Wieder Demonstrationen. In der Kärntnerstraße ziehen VF-Leute und Nazis zu Fuß und in Lastwagen hin und her und schreien sich gegenseitig an. Die Polizei bleibt ruhig. Während des Mittagessens im Meißl & Schadn flüchtet sich herein ins Hotel der Chauffeur eines Regierungsautos, der von Demonstranten blutig geschlagen war. Die Nazis sind weit in der Überzahl, die Vaterländischen sind aber sehr mutig. Bei aller Lust an der Hetze sieht es doch ernster aus. Im Amt lasse ich am Nachmittag die Akten liegen und gehe auf die Politische Abteilung hinüber, um zu hören, was eigentlich los ist. Hornbostel sagt nichts, wie ich hereinkomme, und rennt verstörten Gesichts weg. Hoffinger sagt mir nur kurz  : »Finis Austriae«. Berlin habe ein Ultimatum gestellt  : sofortige Absage der Volksabstimmung. Gegebenenfalls 63 Nicht zu eruieren.

12. 3. 1938

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würde die Reichswehr einmarschieren, auch die Legion solle nach Wien kommen. Die Truppen seien bereitgestellt, die Volksbefragung sei bereits abgesagt, Schuschnigg habe demissioniert, Miklas habe aber noch nicht die Demission angenommen. In mein Zimmer zurückgekehrt, kommen die andern Kollegen, die von der Sache schon wußten, Schuschnigg habe es schon im Radio verkündet. Am Spätabend gehe ich noch einmal hinüber, Hornbostel telephoniert noch, alles ist verstört, Schmidt64 kommt herein, Miklas habe noch immer nicht zugestimmt, Schuschnigg habe vom Widerstand nichts wissen wollen, um Blutvergießen zu vermeiden. Die bereits gestellten Truppen sollen sich zurückziehen. Deutscherseits werde ein Ultimatum in Abrede gestellt. General Muff soll irgendeine Rolle spielen, man telephoniert noch mit den hiesigen Gesandtschaften, ich verstehe vieles nicht. Schmidt meint auf einmal, man werde jetzt die Zollunion machen, und rennt wieder weg. Die Absperrung um den Ballhausplatz ist durchbrochen, wie ich durch das Fenster sehe. Ich gehe daraufhin zurück und schaue [mit Kunschak], aus dem Haus wegzukommen. Durch das rückwärtige Tor werden wir nicht mehr herausgelassen. Es warten eine Reihe anderer Leute in der Finsternis, schließlich werden wir vom Kommandanten der Garde65 durch das Staatsarchiv hinausgelassen. Unter den Hinausgehenden bemerke ich Fey und Ludwig der sich von mir verabschiedet. Auf den Straßen brandet das Volk. Aus Polizeialarmwägen strecken die Polizisten die Arme heraus. Ganz betäubt. 12. 3. 1938  : Seyß-Inquart Bundeskanzler,66 Dr. Wolf Außenminister, der uns gleich alle versammeln läßt, ich ihn kurz begrüßt. Er sprach in seiner etwas längeren Rede von den beiden deutschen Staaten. Tohuwabohu bei uns und auf den Straßen große Begeisterung. 13. 3. 1938  : Miklas ist »über Wunsch des Seyß-Inquart« zurückgetreten. Am Abend erfahren wir durch das Radio die Durchführung des Anschlusses, also das Ende. 14./15. 3. 1938  : Traf Clodius, der erzählt, er sei aus Linz gekommen, wo er nach seinen Reden eine gewisse Rolle gespielt zu haben scheint. Er erzählt, daß man sich im Auswärtigen Amt in Berlin auf die Nachricht von der Ausschreibung der Volksabstimmung umarmt habe, man hätte 2 Jahre erspart. Jetzt werde alles gleich und einfach gemacht werden. Hitler wolle 2 Milliarden in Österreich investieren, im Juni werde es in Österreich keine Arbeitslosen mehr geben. Im Amt meine Akten in Ordnung zu 64 Guido Schmidt. 65 Nicht zu eruieren. 66 »Anschlußkabinett« Seyß-Inquart, 12. März bis 24. Mai 1938 Bundeskanzler.

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bringen getrachtet. Hornbostel nicht im Amt. Angeblich soll Pacher die Politische Abteilung übernehmen. Hoffinger kommt zu mir, um sich zu verabschieden. Auf meine Frage, was los ist, sagt er  : »No ja, wegen meiner Großmutter.«67 Wolf läßt mir sagen, daß Leitmaier nicht weiter amtieren solle. – Ankunft Hitlers, maßlose Begeisterung. Die Menschen sind wie außer Rand und Band. 16. 3. 1938  : Unsere Zimmer sind gesperrt worden, angeblich, weil Verdacht besteht, wir räumten kompromittierende Akten weg. An allen Treppenaufgängen und Türen stehen SSLeute. Der Zugang ist nur mehr mit besonderer Legitimation erlaubt. Man muß bei jedem Posten sich legitimieren. Zur Vorstellung vor Ribbentrop kommandiert, der auf die Begrüßung durch Wolf in ziemlich wohlgesetzten Worten erwidert und hofft, daß man alle Herren, die aus der berühmten Metternich’schen Diplomatentradition hervorgegangen sind, im Reichsdienste werde verwenden können. Sodann ins Imperial befohlen, wo unter Vorsitz des Staatssekretärs Weizsäcker die Liquidierung des Außenamtes geregelt wurde. Sie soll rasch vor sich gehen, einzelne Beamte werden gleich nach Berlin dirigiert, darunter Adamović68 von meiner Abteilung, Schwagula u. a. Ein junger hin- und hergehender und sehr aufmerksam zuhörender SS-Mann erregt meine Aufmerksamkeit. Auf Befragen nennt man mir den Namen Spitzy, der Sohn des Universitätsprofessors und Orthopäden Spitzy,69 der schon vor längerer Zeit hinübergegangen war. Nachher, Essen im Imperial. Ich konnte Ribbentrop sehr gut beobachten. Er sehr nervös und beinahe den Eindruck eines geistig Abwesenden machend. Papen behandelt ihn beinahe von oben. Papen erzählt mir sehr stolz, daß er den Kardinal70 zum Hitler gebracht habe, sie hätten sich gut gesprochen. Konnte dann noch die Parade anschauen und den Hitler ganz von der Nähe sehen, der ein merkwürdig weiches Gesicht hat, ganz abweichend von den früheren Gesichtern, die ich mir von ihm beim mehrmaligen früheren Betrachten gemerkt hatte. Das Verhalten des Publikums und sein Herumschreien wirkten auf mich, als ob ich im Theater wäre. Das ist nicht mehr natürlich gewesen. Ich schaute, wegzukommen. 16./17. 3. 1938  : Sehr viel Scherereien [und Schwierigkeiten wegen meiner Dokumente.] Dem Botschaftsrat Stein, der zum Liquidierungskommissär bestellt ist, sagte ich heute, daß ich vom 67 Im Jänner 1939 erfolgte die Versetzung Maximilian Hoffingers in den Ruhestand gemäß § 3 der Berufsbeamtenverordnung. Der Artikel betraf jüdische Beamte oder »Beamte die jüdische Mischlinge« waren. 68 Franz Josef Adamović. 69 Hans Spitzy (1872–1956) hatte zwei Söhne, Karl Hermann und Reinhard, beide waren aktive Nationalsozialisten. 70 Theodor Innitzer (1875–1955).

18./20. 3. 1938

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Dienst genug habe und mich müde fühle. Davon wollte er nichts wissen, der Minister selbst habe sich für mich interessiert, ich würde einen schönen Posten im Südosten, wo etwas zu leisten sei, bekommen. Ich blieb dabei, daß ich genug habe. 18./20. 3. 1938  : Keine rechte Tätigkeit. Die Hauptsache ist die Unterbringung der Kollegen. Die Angst bei vielen und das Drängen, ja nicht zu spät zu kommen. 21./26. 3. 1938  : Mein Zimmer, in dem ich 20 Jahre war, geräumt und in die der Liquidierungsgruppe zur Verfügung gestellten Räume in der Deutschen Gesandtschaft gezogen. 27. 3. 1938  : [Mit Karl71 zusammen, am Abend bei Hans72 – wegen unserer Dokumente. Kann überhaupt nicht mehr schlafen.] 28. 3. 1938  : Generalkonsul Schwagula schreibt ganz begeistert von Berlin. Schiffner ist ihm gestern nachgefolgt. Platzer wurde heute dem Baron Braun von Stumm zugeteilt. – Immer noch mit Wallenberg mit Räumung der Lokalitäten beschäftigt und kommissioneller Durchsicht der Schreibtische. [Müde, habe mir ein Radio angeschafft.] 29./30. 3. 1938  : [Rede Goebbels bei Hans73 angehört, ist wohl der Beste der Parteiredner, die ich bisher gehört habe.] Die Massenpsychose scheint doch etwas abzuflauen. Heute aber wieder eine aufreizende Rede Goebbels. Merkwürdig die Modulationsfähigkeit seines Organs. [Nichts geleistet, Aktenkurier gesichtet.] 31. 3. 1938  : [Letzte Besichtigung mit Wallenberg vorgenommen. Nichts los – Stein noch nicht zurück.] Die Besichtigung der Zimmer abgeschlossen. Großes Durcheinander bei Schüller gewesen. Auch mir hatte man persönliche Notizen vorzuenthalten geglaubt. – Der deutsche Archivbevollmächtigte Prof. Frauendienst bezeichnet sie aber ausdrücklich auf dem Umschlag als meine persönlichen Notizen. – Die seit dem Jahr 1919 laufenden politischen Akten sind übrigens schon seit einigen Tagen durch SS-Transportkommandos weggebracht worden. 71 Karl Wildner. 72 Hans Wildner senior. 73 Hans Wildner senior.

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1. 4. 1938  : Der Straßburger Sender berichtet, daß der Vatikan von der Erklärung der österreichischen Bischöfe abgerückt sei. Er habe weder vorher etwas davon gewußt, noch sie nachher gebilligt. Was steckt dahinter  ? Gespräch mit Wolf, der offen sagt, Schuschnigg hätte den 11. Juli als den Schlußpunkt, Berlin ihn als den Anfang angesehen. Damit finde ich meine bisherigen Beobachtungen und Eindrücke bestätigt. Jetzt wird sehr viel über die in Österreich herrschende materielle Not geredet und von Hilfsaktionen gesprochen. Dafür wird jetzt hier alles von den Deutschen aufgekauft, vor allem Eßwaren und Textilien. Das äußere Bild der Stadt hat sich vollständig geändert. Andere Leute, der frühere spezifische Charakter hat sich verwischt und ist teilweise schon verschwunden, dazu sehr viel Uniformen. – Wolf meint, daß die Entwicklung noch nicht abgeschlossen sei und daß bei den andern noch mit sehr scharfen Gegensätzen und Konflikten zu rechnen sei. 2. 4. 1938  : Auf einmal wieder eine Menge zu tun. Viele Besuche. Wer jetzt alles auf einmal etwas werden will  ! – Der Vatikan hat die Erklärung der Bischöfe abermals durch seinen Sender aufgegriffen und noch schärfer kritisiert. Sie hätten sich nicht auf die politische Seite beziehen sollen. Dafür hat Innitzer heute eine neue Erklärung dem Gauleiter74 abgegeben und gegen eine mir nicht bekannte Havasmeldung polemisiert. – Rückkehr der Legion, die Leute sehen alle ausgezeichnet aus. Sehr gut ernährt, braun, gut gehalten, stechen förmlich von den einzelnen der hiesigen Formationen ab. 3. 4. 1938  : [Kirche mit Karl,75 stark verkühlt – 20 Grad – Föhn – lese Mein Kampf – unerhört scharf die Gedanken richtig ausgesprochen. Es ist doch eine Gemeinheit, daß man hier die Stellungnahme Hitlers in der Religionsfrage verschwiegen hat. – Müde.] 4. 4. 1938  : Die Bischofsache scheint sich einzurenken. [Innitzer soll jetzt einen Schreck bekommen haben. Der Vatikan selbst wieder scheint sich die Sache überlegt zu haben.] Es wird von verschiedenen Seiten gearbeitet, Kooperator Jauner,76 der den Kardinal zu Hitler begleitet hat, soll da eine besondere Rolle spielen und auch Dr. Wolf ist eingespannt worden. – Die Übernahme der Kollegen scheint sich sehr zu ziehen, offenbar werden 74 Franz Richter (1905–1973). 75 Karl Wildner. 76 Johann Jauner-Schrofenegg.

5. 4. 1938

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weitläufige Informationen eingezogen. – Urbas meinte heute, die große Rede, die Schuschnigg im Bundestag gehalten hat, sei ohne Genehmigung des Kabinetts gehalten worden. Das habe ich auch von anderer Seite gehört. Beim Zuhören fiel mir das starre Gesicht des Seyß-Inquart auf. Vielleicht hat auch der Besuch des Salata zur weiteren Vermanschung beigetragen, auf den sich Schuschnigg angeblich immer sehr verlassen hat. Aber immer noch ist mir der Verlauf der Dinge nicht ganz klar geworden. 5. 4. 1938  : Innitzer ist nach Rom gefahren. Der Vatikan ist unterdessen von gewissen Erklärungen seiner Zeitungen und seines Radios abgerückt  ; Wolf scheint nach wie vor damit viel beschäftigt zu sein. Waitz dürfte nicht mehr lange obenauf sein  ; Wolf meinte mir gegenüber, daß Waitz etwa an den Primas von Deutschland gedacht habe. – Wieviele Leute entdecken jetzt, daß sie alte Nazis sind  ! Selbst Egon Berger77 hat in einem Brief, den ich gelesen habe, ein Bekenntnis abgelegt. 6. 4. 1938  : Mit Stein laufende Angelegenheiten besprochen. Er erzählte im weiteren Verlauf, Schuschnigg habe in seinem letzten Gespräch mit ihm zur Erfüllung des 11. Juli bemerkt, es seien 50 Kandidaten von der nationalen Opposition da und man wisse nicht, ob und wer dahinterstecke und ob sie Gefolgschaft hätten. Damals wäre Leo­ pold der richtige Mann gewesen. Gegebenenfalls hätten andere genannt werden können. Es sei aber nichts geschehen und die Verbindung mit Stockinger hätte sehr geschadet, weil dieser auf das Geschäft ausgegangen sei. Schuschnigg habe mit niemandem weitergesprochen und hätte alles allein erwogen. Dann erzählte er von Gewaltvorbereitungen, die Schmitz78 getroffen hätte. 7./8. 4. 1938  : Innitzer hat sich in Rom zu verschiedenen Einschränkungen verstanden. Man scheint hier weiter zu applanieren. Den Besuch der angesagten Beamtenversammlung habe ich mir geschenkt. Hudeczek erzählte mir, daß die Rede des Beamtenführers79 nicht gepackt habe. Es hätte keine gegenseitige Fühlung bestanden. 9. 4. 1938  : Die Gesandtschaft hatte mir einen Sitz für die heutige große Hitlerversammlung im Nordwestbahnhof angeboten. Ich habe dafür mit der Bemerkung gedankt, daß ich 77 Egon Berger-Waldenegg. 78 Richard Schmitz. 79 Hermann Neef (1904–1950).

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Heinrich WildnerTagebücher 1938–1944

mich gesundheitlich nicht auf der Höhe fühle, diesem Trubel beizuwohnen. Auf dem Nachhauseweg sah ich den Zug Hitlers, der unter unheimlich starker Bewachung fuhr. Wie er im Wagen dastand – eine mystisch gespensterhafte Figur. 11. 4. 1938  : [Schwierigkeiten mit den Dokumenten – im Übrigen kümmert sich niemand um einen – sachlich wird nicht viel gearbeitet.] Die Beschäftigung läßt wieder nach. Das neue Arbeitstempo ist überhaupt nicht berühmt. Es geht eher alles durcheinander. [Nichts los – der neue Reichstag ist um 20 Uhr zusammengetreten – das Abstimmungsergebnis gewirkt – die breiten Massen sind gewonnen.] – Merkwürdige Vorbereitungen. Bei uns werden die Pferde und Pferdewagen gezählt. – Traf Urbas, der meinte, bei der Dreierkonferenz in Pest hätte man deutlich gesehen, daß Österreichs Schicksal besiegelt sei. Am zweiten Tag hätten die Italiener alle möglichen Forderungen  : Verlassen des Völkerbundes usw. an uns gestellt, wir hätten abgelehnt, dann seien offenbar Rückfragen erfolgt und dann hätte sich Ciano um nichts mehr gekümmert. Rom hätte offenbar Nachricht erhalten, daß der gegenwärtige Zustand nicht mehr lange dauern werde. Schuschnigg hätte ihm, Urbas, dann am 4. Tag gesagt, er wolle mit Ungarn jetzt ein so inniges Verhältnis eingehen, daß die Welt darüber staunen werde. Daraus sei aber nichts geworden und als Kánya nach der Obersalzberger Sache nach Wien gekommen war, wäre er nach einigen Stunden abgereist, offensichtlich auf Schuschniggs Konzept nicht eingegangen, was nicht hindere, daß jetzt die Ungarn die Nase hängen ließen. – Jetzt wird erst recht der große Marsch und Drang nach Osten beginnen. 12. 4. 1938  : Wolf erzählt, daß General Zehner, der gestern abgeholt werden sollte, sich erschossen habe, warum, weiß man nicht. Er sei schon sehr zermürbt gewesen. Hängt die Sache vielleicht mit der gewissen Zeitungsnachricht zusammen, die von einer Teilnahme an den Militärgerichtsverhandlungen im Sommer 1934 gesprochen hatte  ? [Ansonsten gewöhnliches Tagewerk – nicht wohl.] – Immer wieder wird mir erzählt (Wolf, Peter-Pirkham80), daß der Vatikan stark unter freimaurerischem Einfluß gestanden habe und noch stehe und daß es darüber auch Material gebe. [Dieser Tatbestand paßt eigentlich ins Bild der Politik an sich, ist aber doch grauslich.] 13./14. 4. 1938  : [Immer noch nicht wohl – ich komme nicht zurecht mit den Dokumenten, fortwährend stimmt etwas nicht – schlecht geschlafen, verfolgt von allerhand Gedanken.]

80 Otto Peter-Pirkham.

15. 4. 1938

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In der inneren Politik scheint etwas Ruhe eingetreten zu sein. Jetzt sollen wirtschaftliche Vorkehrungen einsetzen. Durch das Zurücktreten der Juden mache sich eine gewisse Stagnation im Binnengeschäft geltend. – Undén besucht. Er ist sehr gedrückter Stimmung, geht jetzt für ständig nach Pest, sagt mir, er hätte in seiner Berichterstattung die hiesige Entwicklung genau vorhergesagt. Zum Abschied will er nur Miklas und Hainisch besuchen und von den früheren Ministern keine Notiz nehmen. – Dr. Ender ist wegen einer Steuergeschichte aus früherer Zeit, als er noch Rechtsanwalt und Teilhaber einer Firma war (Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft) in Untersuchung gezogen worden. – Die Kollegen von den Gesandtschaften, die sich nach und nach bei uns eingefunden haben, wissen nichts Besonderes zu erzählen. Marek und Vollgruber habe ich nach der Massenneubeeidigung nicht mehr gesehen. 15. 4. 1938  : [Nur Ärger, nicht beinand – muß mich mehr zusammennehmen.] Hornbostel und Vaugoin sollen in Dachau sein. 16./17. 4. 1938  : Auferstehung im Stephansdom war schwach besucht. Es lag ein Druck über allen. Der Umzug war dürftig. 18. 4. 1938  : [… wir sind doch recht ungeschickt regiert worden – und ich hatte recht, als ich immer wieder sagte, daß man weder durch Gewalt noch durch Überredung die Leute auf die Regierungsseite bringen könnte – daß man sich mehr einsetzen müßte …] Glaise schildert im »Völkischen Beobachter« einige Vorgänge des 11. März  : wie gereizt Schuschnigg war. Als Glaise und Seyß-Inquart von ihm die Absage der Volksabstimmung verlangten, sei er sich keineswegs des Ernstes der Lage bewußt gewesen, in die er sich unter dem verhängnisvollen Einfluß gewissenloser Berater begeben hatte. Wen hat er damit gemeint  ? Von allen möglichen wird gesprochen, sogar neben Schmitz81 von Adamović. Angeblich geht nach dieser Richtung eine Untersuchung und eine eventuell besondere Aktion, ebenso die Wiederaufrollung der nach dem 25. Juli geführten Prozesse. – Blaas erzählte vorvorgestern, Franckenstein wäre in letzter Stunde beauftragt gewesen, beim englischen König82 zu intervenieren, und sei bei ihm noch am Nachmittag vorgekommen. Der Schritt war aber vergeblich gewesen. Davon soll der Ribbentrop erfahren haben. Franckenstein wurden angeblich jetzt goldene Brücken für die Rückkehr gebaut. Was heißt das  ? Ich weiß nichts davon. – 81 Richard Schmitz. 82 Georg VI. (1895–1952).

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Heinrich WildnerTagebücher 1938–1944

In Abwesenheit Wolfs wurde ich vorvorgestern vom Prälaten Wagner angerufen, der etwas über Schuschnigg ausrichten wollte. Die Unterhaltung wurde aber abgebrochen. Offenbar handelte es sich um die Ehegeschichte und wollte Wagner eigentlich mit Wolf sprechen. – In Baden wurden Kollmann und Brusatti mit dem Vorwurf bei der Sparkasse begangener Unterschlagungen eingesperrt. Beneš gebrauchte in der diesmaligen für das tschechoslovakische Rote Kreuz verkündeten Osterbotschaft die Worte  : »Der Mensch, der versklavt und seiner Menschenwürde beraubt werden soll, dem Toleranz, Objektivität und guter Wille versagt werden, hat das Recht, sich zu wehren, ebenso wie jede Gesellschaft, Nation und Staat.« [Wie sind diese Worte eigentlich gemeint  ? Ich glaube, darüber herrscht etwas Unklarheit … mehr Zuteilungen – auch für Kollegen – nichts weiter los.] 20. 4. 1938  : [gearbeitet] Wolf macht sich Gedanken über seine Zukunft. Er möchte am liebsten die Ministerpension haben und dann eine Dozentur anstreben. Er leidet übrigens an einer Hypertrophie der Hypophyse. Deswegen das Größerwerden des Kopfes und seiner Hände. – Alfred Schmid erzählt, daß der eben hier weilende Budgetreferent des Auswärtigen Amtes83 in Berlin sich über die Übernahme unserer Kollegen sehr skeptisch ausgesprochen habe. Die über 55 hätten überhaupt keine Aussichten, man werde wegen des Nachdrängens der jungen Elemente die Grenze von 65 Jahren nicht aufrechterhalten können und die Alten schon mit 60 Jahren in den Ruhestand schicken. Das wäre ja mein Fall. – Frühstück bei Stein zu Ehren des Personalchefs Prüfer, der mit seiner Frau84 hier ist und sich für die Konsularakademie interessierte. Ein sehr beweglicher kleiner Mann mit lebhaften Augen, war natürlich Konsularparia, erzählt gerne und nicht uninteressant. [Gutes Benehmen …, bei Peter,85 der recht frisch ist.] 21. 4. 1938  : Am 25. soll eine Umwandlung der österreichischen Landesregierung erfolgen. SeyßInquart, meinte Wolf, werde einstweilen bleiben, obwohl er in der Partei keine starke Position habe. Es drängen die alten Kämpfer, sowohl die gesessenen wie die sich sonst in der neuesten Zeit hervorgetan haben, ferner die nach Deutschland gegangen waren, energisch vor. Glaise-Horstenau dürfte General werden und dann wieder ins Kriegsarchiv zurückgehen. Wahrscheinlich dürfte es nur mehr ein Wirtschaftsministerium, Finanzministerium und Justizministerium geben. Auch in der Stellung der Bundesländer dürften sich Änderungen ergeben. Es werde aber noch 83 Curt Prüfer (1881–1959). 84 Anneliese Prüfer. 85 Franz Josef Peter (1866–1957).

22. 4. 1938

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eine gewisse Zeit dauern, weil Hitler doch, wie mir auch Keppler seinerzeit gesagt hatte, auf organische Entwicklung bedacht sei. 22. 4. 1938  : Schuschnigg soll nach Leipzig gebracht worden sein. Die Vera Fugger86 hat bisher treu zu ihm gehalten. Seit seiner Inhaftnahme wollte er sie heiraten. Dafür wurden verschiedene Stellen bemüht. Über sie hatte mir seinerzeit Orsini erzählt, er habe, als er ins Haus gekommen sei, dem Guido Schmidt als Staatssekretär erzählt, sie sei seine Cousine, die er sehr gut kenne, sie sei erblich belastet durch ihre Mutter Hohenlohe,87 die eine geb. Kaunitz, in welcher Familie die sexuelle Überreizung herrsche. Sie hätte schon viele Verhältnisse gehabt. Man müsse den Kanzler warnen. Schmidt habe sich in die Sache nicht einmischen wollen  ; schließlich sei alles durch einen Grafen Marenzi dem Schuschnigg gesagt worden, aber vergeblich. [Einige Monate Anfang 37 erzählte Theodor,88 die Vera habe auch ein Verhältnis mit dem Erzherzog Max,89 dem der Schuschnigg, als er von seinen Geldschwierigkeiten durch sie gehört habe, einen größeren Betrag aus seinem Fond habe zukommen lassen – davon hatte St {unleserlich} gehört oder dessen hiesige Vertretung und hatte die Rückstellung der Unterredung veranlaßt – worauf Schuschnigg sich sehr geärgert hatte – der »reine Tor«  ! Die plötzliche Entfernung des Lennkh aus dem inneren Dienst im vorigen Jahr ist darauf zurückzuführen, daß dieser damals in Paris dem Max erzählt hatte, daß der Schmidt Chance auf den Posten des Kanzlers habe  ; dies hätte Max sofort wieder Vera geschrieben, die es wieder dem Schuschnigg weitergab, worauf dieser die Entfernung des Lennkh – wieder nervös, da es nun doch zu einer Einberufung bald kommen kann.] 23. 4. 1938  : Der französische Abgeordnete Parmentier hat kürzlich in einer Versammlungsrede gegen Deutschland gehetzt und dabei sich auf Marin berufen, der erfahren habe, daß Guido Schmidt bei der Berchtesgadner Zusammenkunft durch die Zwischenwand gehört habe, wie Hitler dem Schuschnigg folgendes gesagt habe  : »Ich werde das römisch-germanische Reich gründen und die Franzosen werden sich nicht rühren. Ich werde Elsaß und Lothringen nehmen und darüber noch etwas mehr.« Nach der Darstellung des Redners würden das Nancy und die 3 Bistümer Metz, Toul und Verdun sein. Wolf bemerkte hiezu, daß nach seinem Wissen er das gerade Gegenteil erklärt habe, so die gewisse Erzählung vom Turm des Straßburger Münsters, der, wenn die Franzosen dort sind, nach Deutschland schaue, und vice versa. 86 Vera Schuschnigg. 87 Vera Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst-Kaunitz (1882–1940). 88 Theodor Hornbostel. 89 Maximilian Hohenberg.

68

Heinrich WildnerTagebücher 1938–1944

24. 4. 1938  : Die Erklärungen Henleins sind ein eindeutiges Bekenntnis zum Nationalsozialismus und zur Freistellung der deutschen Teile der Tschechei. 25. 4. 1938  : Dem Wolf ist angeblich von Berlin angetragen worden, entweder die Geschäftsführerschaft in der Reichskulturkammer oder die Leitung eines deutschen Kulturinstitutes am Balkan in Belgrad oder in Sofia, also nichts Berühmtes. Im Unterrichtsministerium ist offensichtlich kein Platz für ihn, auch sonst scheint er nicht viel hinter sich zu haben. 26./27. 4. 1938  : [Gar nicht wohl – in der Nacht in Kurzgeschichte 14. Jahrhundert Geschichte über Judenverfolgung gelesen – Parallele zur heutigen Zeit.] Gestern wurden in unserer Nachbarschaft, sogar in unserem Hause, jüdische Frauen heruntergeholt und auf Lastwagen in Wäschereien gebracht. [Einer der Ehemänner, ein mir im Gesicht seit langem bekannter jüdischer {unleserlich} hat sich daraufhin noch am Nachmittag vergiftet.] – Bürckel ist zurückgekehrt. Die Angliederung und Vereinheitlichung soll nun energisch in Angriff genommen werden und, wie PeterPirkham90 behauptet, hier gewissermaßen als Muster für das übrige Reich. Es sollen nur 3 Gaue bestehen bleiben. Ob das gerade den Leuten hier passen wird  ? 28. 4. 1938  : Noch im Dezember v. J. hatte Seyß-Inquart einmal dem Guido91 gesagt, er glaube in Berlin schon das Verständnis dafür erweckt zu haben, daß Vorschläge, wie Währungs- und Zollunion in Wirklichkeit ein Abschieben des Problems auf utopische Geleise darstellen und eigentlich ein Verneinen einer Lösungsmöglichkeit seien. So weit entfernt hat er damals die Anschlußmöglichkeit gehalten. 29. 4. 1938  : Wolf wieder zurück. Er scheint nur im Auswärtigen Amt herumgegangen zu sein und dort auf ein Unterkommen zu rechnen. Goebbels hat mit ihm nur durch einen Abgesandten verkehrt. Wolf erzählte, daß Göring sich wieder über Guido Schmidt erkundigt habe, wahrscheinlich werde man für ihn einen Posten in der Industrie ausfindig machen. Schmidt wolle aber nicht von Wien weggehen.

90 Otto Peter-Pirkham. 91 Guido Schmidt.

30. 4. 1938

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30. 4. 1938  : [… Schlafe weiterhin schlecht. Beim Hans92 Scherereien wegen seiner Verbindung mit Stockinger.] 1. 5. 1938  : Mit Leschanofsky und Hudeczek die Feier auf der Ringstraße betrachtet. Die Reden waren auffallend vernünftigerweise kurz. [Der Führer sprach sehr nüchtern und ließ es auf Beifall nicht ankommen.] Die Sache ging schnell vorüber. Es waren ungeheure Volksmengen auf den Straßen. [Wenn es auch zum Großteil dieselben Leute sind, die bei den Roten gekommen sind, sind es doch darüber neu und verhältnismäßig viel mehr gewesen. … Lese im Mein Kampf – Die Stellen über Dogma, Religion, Kirche, kann jeder Katholik unterschreiben, so weltklug und charaktervolle Äußerungen  !] 2. 5. 1938  : Wolf findet, daß die gestrige Rede des Hitler, die übrigens in den Zeitungen anders als wirklich gehalten, wiedergegeben worden sei, einen merkwürdig nicht optimistischen Ton gehabt habe. Sie habe eigentlich resigniert geklungen. Ich habe sie sehr nüchtern vorgetragen gefunden, auch kein einziges Wort mit Bezug auf Österreich. Mit der Durchführung in Österreich und überhaupt der hiesigen Entwicklung soll Hitler gar nicht zufrieden sein. Es fehle auch der richtige Mann, der durchgreifen und ordnen könne. Er, Wolf, wolle darüber mit Bürckel sprechen und hat sich dafür schon für übermorgen angesagt. Ohne es ausdrücklich zu sagen, meinte Wolf damit die Schwierigkeiten, die sich hier aus dem hiesigen Parteigetriebe ergäben. In außenpolitischer Beziehung ist Wolf auch heute schwarzseherisch. Die Franzosen scheinen sich, meinte er, immer mehr auf einen Präventivkrieg einzustellen. Bei der Romreise Hitlers handelt es sich vor allem darum, den Mussolini bei der Stange zu halten, in welcher Beziehung man auch nicht so sicher sei, denn die Engländer machten ihm großartige Anträge und er brauche Geld. Bezüglich der Entwicklung im Innern gebraucht Wolf das Wort von »tumultuoser Entwicklung«. – Die französischen Zeitungen schreiben sehr scharf gegen Guido93 und Wolf sowie Menghin, die persönlich als Hauptmitarbeiter am Umbruch bezeichnet werden. 3. 5. 1938  : Alfred Schmid meinte heute, die Reise Hitlers nach Italien sei eigentlich ein Abschiedsbesuch. Die Italiener würden bald abschwenken, aber dann zwischen zwei Stühlen sitzen. So rasch wird es wohl nicht gehen. Aber der Meinung begegnet man immer öfter, daß der Umbruch dem Mussolini und anderen maßgebenden Stellen 92 Hans Wildner senior. 93 Guido Schmidt.

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gar nicht gefallen habe und daß sie schon nach Rückendeckung umschauten. Die Engländer würden übrigens den Italienern niemals Abessinien auf die Dauer lassen. [Immer häufiger wird von dem doch bevorstehenden Krieg gesprochen.] – Ich hörte am Abend den Empfang in Rom. Es war wohl der stärkste Volksjubel, der in den letzten Jahren zu hören war. – Rudi Roessler, Ackerbauministerium, erzählt ebenfalls von der Drängelei der Parteileute, die mit kleinlichen Mitteln und Anzeigen arbeiten. Das könne sich nicht halten. – Wolf erzählt, daß er für Kleinwächter in Berlin bei Göring interveniert hätte. Die Lage Kleinwächters sei ernst genommen worden. Alle seine Tagesgespräche wurden überhört. 4. 5. 1938  : Wolf meinte heute, in der Provinz sei eine viel bessere Stimmung, dort seien auch die Parteileute vernünftiger und ruhiger. In Wien werde wohl erst dann ein Wandel eintreten, wenn die neue Gaueinteilung herausgekommen sei, was noch im Mai erfolgen dürfte. Seyß-Inquart mache nichts, warte und erwäge, wie er es auch früher schon getan habe. Wolf selbst scheint sich sehr schwach zu fühlen, redet von Kulturarbeit in Österreich, besonders in Wien. In der »Revue des deux mondes« ist ein Artikel über das Verschwinden von Österreich als selbständiger Staat, in dem der Verfasser Viator94 auf Grund von Informationen, die er von verschiedenen Personen erhalten hat, als Haupthandlanger den Guido95 und den Wolf bezeichnet. 6. 5. 1938  : Der ehem. k. u. k. Konsul Fillunger kommt aufgeregt zu mir, um seine Wiederindienstsetzung zu betreiben. Ich kann ihn nur nach Berlin verweisen. Er macht seit dem Umbruch hier als SA-Mann politischen Dienst und erzählt u. a., daß seit Obersalzberg die Angliederung besiegelt war. Nur hatte man noch mit 1½–2 Jahren gerechnet. Der Vatikan habe schon vor einem Jahr Österreich fallen lassen. Dies sei uns ja bekannt gegeben worden. Die Politik und das Verhalten der letzten »RegimeMachthaber« sei schlechthin unverständlich gewesen, Analogie mit Mentalität des bayerischen Königs Ludwig II. – Der Pariser Sender sagte heute [nach süß-sauren Bemerkungen] im Bericht über den Hitlerbesuch in Rom, es hätten Studenten in Rom gegen den Virginio Gayda, der auch Professor an einer faschistischen Akademie sei, demonstriert und ihm seine im Jahre 1934 abgegebenen Erklärungen über Österreich gezeigt und ihn unter Gegenüberstellung seiner jetzigen Haltung um Aufklärung ersucht, worauf er seine Papiere gepackt und davongegangen sein soll. Im Allgemeinen machen die französischen Radioerklärungen nicht gerade den Eindruck innerlicher Solidität. 94 Robert William Seton-Watson (1879–1951), Pseudonym  : »Scotus Viator«. 95 Guido Schmidt.

7. 5. 1938

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7. 5. 1938  : Die heutige Kundmachung des Gauleiters96 bestätigt, was man in den letzten Wochen geraunt hatte. – Langes Gespräch mit Wolf, der meint, Schuschnigg habe die Lage in Deutschland falsch eingeschätzt und habe geglaubt, daß dort die Situation, durch die infolge der Ereignisse vom 4. Februar erfolgte Schwächung der Armee sehr unsicher sei und daß man nicht mehr so aktionsfrei gewesen sei. Gerade das Gegenteil sei der Fall gewesen. Bei den Unterhaltungen am gewissen Freitag sei auch Keppler dabei gewesen. [Also wiederum ein Beweis, daß man intern in den beiderseitigen Gesprächen viel weiter gegangen war, als man die Öffentlichkeit ahnen ließ  ! Wiederum Überlegungen über persönliche Zukunft – immer fühle ich mich durch sachliche und persönliche Erwägungen darin bestärkt, die Ruhe anzustreben – Maiandacht in der Jesuitenkirche – die Frau Miklas97 neben mir – allein.] 9. 5. 1938  : Wolf ist nach München gereist, wahrscheinlich in eigener Sache. Das Botschaftsgebäude wird jetzt von der Langoth-Organisation verlangt. Immer neue Organisationen etablieren sich, die schön untergebracht werden sollen. 10. 5. 1938  : Die laufende Beschäftigung läßt nach. Es gibt aber fortwährend irgend etwas Neues, das dann aufhält. – Am Abend in der Maiandacht in der Rochuskirche. Der Prediger, Pfarrer Schmid,98 wies mit einer gewissen Genugtuung auf seine vor 2 Jahren gehaltenen Predigten hin, für die er gemaßregelt worden sei. Er habe immer nur gegen die Vermischung von Religion und Politik gesprochen. Der christliche Staat sei begraben. 11. 5. 1938  : Hauptmann Leopold soll am Sonntag zum Ehrenbürger von Krems ernannt werden. Jetzt fangen diese Geschichten auch an  ! – Hoffinger sagt mir, daß Schuschnigg sich bezüglich der letzten Vorgänge auf Hornbostel ausgeredet habe. Er hat diese Mitteilung vom Bruder Hornbostel.99 Hoffinger findet das empörend  ; aber Theodor100 hat sich doch immer darauf zugute getan, daß die Obersten nichts von Politik verstünden und daß er sie zu beeinflussen trachte. Hoffinger behauptete weiter, daß Hornbostel am Mittwoch vormittag erst durch Guido Schmidt vom Entschluß des Schuschnigg  96 Franz Richter (1905–1973).  97 Leopoldine Miklas.  98 Leopold Schmid.  99 Fritz Hornbostel (1887–1947). 100 Theodor Hornbostel.

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erfahren habe, die Volksabstimmung durchzuführen. Nicht nur Chavanne, sondern auch Jäckl hätten nichts davon gewußt. Letzterer hätte erst am Freitag den Auftrag erhalten, für Samstag ein Gesetz vorzubereiten, mit dem die mehrfache Stimmenabgabe verboten und unter Strafe gestellt würde. 12. 5. 1938  : Bürckel hat heute den politischen Führern verboten, Ehrenbürgerernennungen anzunehmen. Damit ist der Kremser Ehrenbürgerbrief für Leopold erledigt. Der Hinweis ist zu deutlich. – Der Bürgermeister101 verlangt durch die Zeitungen die allgemeine Beflaggung für den bevorstehenden Besuch des Göring. Sogar Wurzian hält sich darüber auf. – Aufstand in Brasilien angeblich niedergeschlagen. Tausende Verhaftungen. – Was geht in Ungarn vor  ? Die Großgrundbesitzer, die Aristokraten scheinen die Judengesetze doch unangenehm zu empfinden. Heute mir, morgen dir. – In Polen brodelt es. Die demokratischen Elemente dringen wieder vor. – Leg. Rat. Stockert (jetzt in der Preisprüfungsstelle) erzählt, daß mit der Regelung der Mietzinsfrage im Sinne einer Erhöhung der Zinsen jetzt Ernst gemacht werden soll. Von Erhöhung der Gehälter werde nicht gesprochen. – Die amerikanische Regierung hat energisch und nachdrücklich sich die Anwendung der Göringschen Judenvermögenmaßnahmen auf die amerikanischen Juden verbeten und entsprechende Äußerung verlangt. – Gesandter Pogatscher war bei mir, merkwürdig frisch mit seinen 79 Jahren. Er, ebenso wie Botschafter Mensdorff,102 redeten mir sehr zu, weiter zu dienen und nicht gleich abzublasen. Ein innerliches Gefühl rät mir aber davon ab. [Ich bin nicht auf der Höhe mit meinen Ahnungen.] Pogatscher meinte hiebei  : »So jämmerlich ist noch kein Staat zu Grunde gegangen und gestorben wie Österreich durch die Schuld seiner Lenker.« [Es hätte, so wie ich sagte, elegant gemacht werden sollen.] 13. 5. 1938  : Orsini aus Ägypten zurückgekommen. Sein dortiger schwedischer Kollege103 hat ihm die Abschrift eines Berichtes von Undén gezeigt, in dem dieser den Schuschnigg als einen Mann mit vielen Hemmungen schilderte, mit einem Minderwertigkeitskomplex, Dollfuß habe ihn nicht als Nachfolger haben wollen und immer wieder fernzuhalten gesucht. – Wolf ist wieder zurück, hüllt sich in Reserve über das, was er in München gehört hat. Mit der Übernahme der Beamten, meint er aber, habe es noch gute Weile. – Notierte mir nochmals die Bemerkung Dumaine’s,104 als er 1914 als letzter Botschafter Wien verließ und auf der Bahn einem hiesigen Freund sagte  : 101 Hermann Neubacher (1893–1960). 102 Im Typoskript  : Menstorff. 103 Nicht zu eruieren. 104 Alfred Chilhaud-Dumaine.

16. 5. 1938

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»Mein Nachfolger hier wird ein Generalkonsul sein.« – Um ¾ 2 kam eine Militärabteilung in die Gesandtschaft und nahm am Hof Aufstellung. Dann kam ein Generalstabsoffizier und stellte Posten auf. Es ergab sich, daß die Langoth Organisation das Gebäude einfach besetzt hatte, während nach General Muff das Gebäude schon für die Unterbringung des Offiziers-Militärkasinos in Aussicht genommen worden war. Die Langoth-Leute, die sich mit 6 Autos und vielem Zubehör hier etabliert hatten, mußten am Abend das Gebäude wieder räumen. Auch ein Beitrag für die neue Ordnung. – Göring hat heute mittag in Linz erklärt, daß es mit der Gemütlichkeit bei der Arbeit bei uns sein Ende haben müsse. – Hans105 erzählt mir, Brandl habe sich bei der Übernahme der Präsidentschaft in der DDSG sehr anständig benommen, nur die 2 Pg’s hätten sich sehr vordrängen wollen. [Wie lange werden sie sich halten.] – Mensdorff, von Budapest zurückgekehrt, bei mir und erzählt, er habe in Budapest niemanden gesehen, nur sein Neffe106 habe ihm erzählt, daß die deutsche Agitation auf dem Lande sehr zugenommen habe. Ich habe Zweifel, daß der Imrédy sich halten kann. 16. 5. 1938  : Wurzian erzählt trotz seiner Vorsicht, daß in Favoriten die Leute recht scharfe Reden führen, Teuerung, es geschehe doch nichts, der Mann mit dem großen Bauch solle nicht so dicktun  ; bei den Militärs würden die unsrigen fortwährend zurückgesetzt usw. – Göring hat die angekündigte Judenrede anscheinend doch nicht gehalten. 17. 5. 1938  : Wolf sehr unzufrieden. Scheint mit seinem Einfluß auf dem Trockenen zu sein. Berlin läßt nichts von sich hören. Der Stellenkampf geht weiter. – In der Auswirkung nach außen ist es aber wesentlich ruhiger geworden und Mussolini scheint seine Bluffpolitik überspannt zu haben. – Gesandter Wimmer erzählt, Stojadinović habe ihm im Februar noch wegen uns (Berliner Besprechung) gesagt, dies sei so oder so wie mit der Kolonialfrage, also auf jeden Fall. Andrić habe ihm übrigens bei der Besprechung des italienisch-jugoslavischen Vertrages gesagt  : »Das werden wir noch einmal gegenüber Deutschland brauchen können.« – In Ungarn Panikstimmung in der oberen Gesellschaft. Hoffnung, daß man sich mit einer Tributzahlung in Weizen werde loskaufen können. Meiner Ansicht nach geht die Sache tiefer. Die gewisse Agitation nützt nur die bestehende organische Zerrissenheit und Unzufriedenheit auf dem Lande aus. 18. 5. 1938  : Wolf erzählt, daß Göring mit seinem Besuch Österreichs gar nicht zufrieden war. Die Vorbereitungen seien schlecht gewesen, nichts klappte in den zeitlichen Anord105 Hans Wildner senior. 106 Nicht zu eruieren.

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nungen, in Kaprun waren so wenig Leute, daß er überhaupt nicht reden wollte und dann aber schließlich doch sprach, aber von der angekündigten Rede über die Judenfrage Abstand nahm. Auch hier in Wien sollen, wie verschiedene Leute erzählten, sehr wenig Zuschauer im Spalier gewesen sein. Besonders fiel auf, daß er stets von 20 mit Gewehren versehenen Leuten auf Motorrädern umgeben war. An Guido107 soll er aber doch gedacht haben. Wolf erzählte weiter, daß die Schuschniggsache noch in der Schwebe sei. Mussolini habe den Wunsch ausgesprochen, daß die Vorgeschichte nicht aufgerollt werde. – Wilhelm-Heininger war zur Gestapo vorgeladen und wurde dort zurückgehalten. Angeblich soll er gestanden haben, daß er im Nachrichtenverkehr tätig gewesen sei. Andererseits wird wieder von einer Frauengeschichte gesprochen. Bisher hat man eine Äußerung dem Amte verweigert. [Nicht gerade angenehm für uns und das Schicksal unseres Kollegen, der Mann war mir immer egal – Schlechtwetter.] 19. 5. 1938  : Urbas war nach Ungarn geschickt worden. Zurückgekehrt, erzählte er, daß die Panik unter den bisherigen Nutznießern weiter andauere. Er bezweifelt, daß Imrédy die Dinge meistern könne. Der Druck komme von unten und die Reorganisation des Feudalismus werde sich nicht mehr durchführen lassen. Kánya soll sehr betrübt sein über das Verschwinden Österreichs. Sein Kabinettschef108 sagte aber  : »Wir konnten uns nicht den Luxus erlauben, für die Rettung zweier Kadaver – worunter dieser Herr Österreich und die Tschechei verstand – aufzukommen.« Wiederum die Überheblichkeit bei den Ungarn. Die Irredentaleute hoffen dort, daß der Zusammenbruch der Tschechei bald die abgetrennten Gebiete zurückbringen werde. Da werden sie sich schneiden, denn jetzt werden die Deutschen schon darauf sehen und als ihr Interesse empfinden, daß beispielsweise Preßburg nicht hergegeben werde und daß die deutschen Randgebiete Ungarns herübergezogen werden. – Für Vollgruber soll, wie Hudeczek von Schüller erfahren hat, die italienische Königin109 interveniert haben, jedoch ohne Erfolg. – Csáky hatte noch dem Urbas erzählt, daß Mussolini auf die Nachricht von der Umwälzung in Wien hochgesprungen sei und sich lange nicht beruhigen konnte. 20. 5. 1938  : Hudeczek erzählt, daß der Besitz Conrad-Eybesfelds in Steiermark schon zur Enteignung bestimmt und ein Parteiangehöriger zum Verwalter bestimmt war. Der alte Baron hatte aber vorher mit dem designierten Verwalter verhandelt und es wurde so107 Guido Schmidt. 108 István Csáky (1894–1941). 109 Elena von Montenegro (1873–1952).

21. 5. 1938

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wohl von der Enteignung wie von der kommissarischen Verwaltung Abstand genommen, da jetzt die Sache in Ordnung sei. – Dr. Stiasny,110 der Freund der Tänzerin Krausenecker, hatte sich vor 2 Jahren am Klosterneuburger Strand ein Weekendhaus um 32.000 S bauen lassen. Das wurde jetzt auf 300 Mark geschätzt und ihm weggenommen. – Dr. Wolf erzählt, er habe die 2 SA-Männer, die nach der Kundgebung des Innitzer zum Kardinal gekommen waren und ihn zur Abdankung aufgefordert hatten, weil niemand von den Katholiken diese Erklärung der Kirchenfürsten nach ihrer bisherigen Haltung ernst nehmen könne und werde, wieder frei bekommen. Sie seien eingesperrt worden.111 Innitzer hatte dem Abgesandten des Bürckel, der nach der Erklärung des Kardinals zu ihm gekommen war, wie Wolf erzählte, wirklich gesagt, daß er abdanken wolle, und sich hiebei auf das Ansinnen der zwei jungen SA-Leute – der eine heiße Diesenreiter – berufen, worauf die zwei eben eingesperrt wurden. In der Haft befanden sie sich in Gesellschaft von Baar112 und Steidle. Letzterer soll ganz gut aufgelegt gewesen sein. [Jetzt erst erfahre ich, daß der Zernatto sich in der Karolinengasse ein Haus um 216.000 S gekauft hat und daß seine Frau, die ich für eine reine Christin aus Südtirol gehalten habe, eine Jüdin, geborene Weidenhaus, sein soll.] – Wolf bezweifelt die Richtigkeit der Behauptung Fillungers, wonach der Vatikan uns schon vor einem Jahr habe fallen lassen. 21. 5. 1938  : In Deutschböhmen geht es wild zu. Wolf meinte heute, wir würden auf einmal, vielleicht schon morgen, in dieser Sache befangen sein. [Ich  : es ist wohl anzunehmen, daß die Auseinandersetzung und der … Deutschland noch im laufenden Jahr, im Herbst etwa kommen würde, Berlin kann aber jetzt die Sudetendeutschen doch nicht sitzen lassen.] 22. 5. 1938  : In der Burgkapelle. Mir gegenüber saß der bisherige englische Gesandte,113 der fleißig Rosenkranz betete. – Wieder aufregende Nachrichten aus der Tschechei. Die Engländer sehr besorgt, die Franzosen spielen die Kaltblütigen. Bei Bernhardsthal hat tschechisches Militär die Brücke sperren wollen, die Regierung hat sich daraufhin beim Gesandten Eisenlohr entschuldigt. Die gegenüber Ungarn verfügte Grenzsperre wurde aufgehoben. [Wegen des Zwischenfalls fiel mir ein Wort von Stein ein, der vor einigen Wochen meinte, es dürfte böse werden, wenn sich tschechischerseits provozierte Grenzzwischenfälle ereigneten.]

110 Nicht zu eruieren. 111 Im Typoskript durchgestrichener Satz. 112 Eduard Baar-Baarenfels. 113 Michael Palairet (1882–1956).

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23. 5. 1938  : Es werden hier doch gewisse Vorbereitungen getroffen, besonders in der Marchgegend. Nach dem vorvorgestrigen Brückenzwischenfall hat heute ein tschechisches Flugzeug die sächsische Grenze überflogen, ging wieder zurück und geriet in Brand. – Peter-Pirkham114 erzählt sehr aufgeregt von Gerüchten, daß einflußreiche Leute im Reich wegen der Aufrechterhaltung des Regimes Bedenken hätten. Das wäre dann erst recht die Ernte für den Bolschewismus. Die Reichswehr könnte dann diese Entwicklung nicht aufhalten, wenngleich sie sich die Kraft dazu zutraue. [Ich bin auch der Ansicht, daß jetzt natürlich von einem Wandel doch nicht die Rede sein könnte.] – In München finden mit Bürckel und Seyß-Inquart Beratungen wegen der Gaueinteilung statt. 24. 5. 1938  : Die letzte Sonntag-»Times« spricht sich recht unfreundlich über die Haltung der Reichsregierung im Konflikt mit der Tschechei aus, bemerkt aber doch ganz trocken, daß die als gewöhnliche Manöver hingestellten militärischen Bewegungen der deutschen Truppen nur dazu dienen sollen, um die Tschechen in Atem zu halten, sie weiter zu zermürben und damit den Prozeß der Zersetzung in der Tschechei zu beschleunigen. Es erscheint auch mir plausibel, daß auf diese Weise die Tschechei umgebracht wird. Sie wird es auch wirtschaftlich nicht mehr lange aushalten können. – Die Geldabhebungen nehmen zu. – Botschafter Dumba war heute bei mir und erzählte, daß er zwei Stunden von der Gestapo wegen der Völkerbundliga verhört wurde. U. a. hat man ihn gefragt, ob er schon als Botschaftsrat in Paris den Plan der Gründung einer solchen Liga gefaßt habe. Als er auf die Frage, was mit ihm nach seiner Belgrader Gesandtenzeit geschehen sei, antwortete, er sei von Aehrenthal115 nach Wien ins Ministerium berufen worden, meinte der Ausfrager  : »also ins Ackerbauministerium. Wer war Aehrenthal usw.?« Dabei weiß Dumba, wie er sagte, noch heute nicht, wer und welche Abteilung ihn eigentlich verhört habe, und bis heute konnte er nicht erfahren, was mit dem Vermögen der Völkerbundliga und mit seinem eigenen persönlichen Eigentum in der Liga geschehen ist. Das Faustrecht zur Weltanschauung erhoben, meinte er. – Die Unruhe an der tschechischen Grenze und in den deutschen Gebieten hält weiter an. 25. 5. 1938  : In München ist gestern die Entscheidung über die neue Gaueinteilung und Regierungsumbildung gefallen. Nur mehr 3 Minister. Glaise, Menghin und Wolf mit Neumayer verschwinden in der Versenkung. Die Gaueinteilung gekennzeichnet 114 Otto Peter-Pirkham. 115 Im Typoksript teilweise  : Ährenthal.

26. 5. 1938

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durch die starke Vergrößerung der Steiermark, die den Lungau, das Burgenland und Niederösterreich bis Wr. Neustadt erhält, also die ganze Schwerindustrie. Niederösterreich verliert ferner die großen Orte um Wien, wie Klosterneuburg, Korneuburg, Fischamend und Mödling, St. Pölten wird Hauptstadt des Niedergaues. Bei der Neuordnung vor allem innerpolitische Erwägungen maßgebend gewesen, da Niederösterreich bisher am wenigsten die Bewegung angenommen hat. Steiermark wird eben besonders belohnt. Osttirol zu Kärnten, Salzburg hat aber nicht das Berchtesgadner Land bekommen. Für Wien wird ein nicht hiesiger bestellt, Neubacher ist durchgefallen, gegen ihn richten sich viele Parteieinflüsse. Übrigens hatten sich 81 Kandidaten gemeldet, wie Peter-Pirkham116 heute erzählte. Leopold wurde durch Zuteilung zum Stab in Berlin kaltgestellt. Bürckel wird sich jetzt leichter tun. – Gesandter Hauenschield, der jetzt im Luftabwehrdienst arbeitet, erzählte, daß 800 SA-Männer von hier abgezogen worden sind, um die Eigenmächtigkeiten in der Arisierungsbewegung abzustellen. – Immer wieder Nachrichten über tschechische Mißgriffe, so daß es beinahe aussieht, als ob man von dort auf den Konflikt hinarbeite, vielleicht auch das hussitische Temperament. In Preßburg sollen schon viele russische Flieger sein. Der Moskauer Sender soll (Troll)117 wüste Reden führen und von Zerstörung Wiens und Berlins sprechen. Der Ton der Engländer ist unfreundlich. Die englische Botschaft hat den englischen Staatsangehörigen empfohlen, Frauen und Kinder abreisend zu machen und sonstige Vorbereitungen zu treffen. Der »Völkische Beobachter« greift auch heute Chamberlain an. 26. 5. 1938  : [… durch die Wiesen nach Laab am Wald, gut gegessen, ein älterer, sehr netter Mensch, versuchte zu politisieren, wegen Deutschböhmen brauche sich das Reich nicht militärisch zu bemühen, werden als reife Frucht uns in den Schoß fallen, die große Auseinandersetzung mit den Bolschewiken werde uns aber nicht erzählt werden, in 4–5 Jahren etwa, jetzt stecke hinter dem Widerstand der Tschechen das französische Geld.] Rochuskirche. Maiandacht von Pater Schmid118 über künftige Auseinandersetzung. An Gottes Geboten dürfe nicht gerührt werden, wäre auch umsonst. Anders stehe es mit den kirchlichen Geboten. – Die Abwicklungsstelle soll bald aufgelöst werden, das Auswärtige Amt würde sich vom Stellvertreter des Führers119 und vom Finanzministerium eine Vollmacht geben lassen, um eine Reihe von österreichischen Beamten zu übernehmen, [wenn es wirklich noch dazu kommt.]

116 Otto Peter-Pirkham. 117 Herbert Troll-Obergfell (1891–1978). 118 Leopold Schmid. 119 Rudolf Heß (1894–1987).

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Heinrich WildnerTagebücher 1938–1944

29. 5. 1938  : Merkwürdig, wie viele Leute das Aussehen der deutschen Brüder annehmen. Eine Art Mimikry. – Nach Berlin sind gefahren, um sich um Übernahme in den Reichsdienst zu bewerben, ohne aber bisher Glück zu haben  : Generalkonsul Jorda, der bisher unentwegte Anhänger von Seipel und Dollfuß, früher Redakteur der »Reichspost«, der von Funder wegen Unbrauchbarkeit hinausgelehnt worden war, [und von uns als Presseattaché übernommen werden mußte,] ständiger Korrespondent des Seipel und Dollfuß. Auf einmal ist er seit jeher national gewesen. Dann Buchberger, der Freund des Rintelen, der aber mit einer Großmutter nicht in Ordnung ist und sich jetzt darüber beklagt hatte, daß seine Untergebenen, Woinovich und Winter, nachhaltig gegen ihn intrigiert und ihn als »Anationalen« angeschwärzt haben. Dann der Baron Versbach, der in Berlin behauptete, er sei ein Opfer des Systems, wohlweislich aber nicht sagte, daß er nach dem Zusammenbruch 1918 einer der schärfsten Beamtenvertreter mit marxistischen Manieren war, dann sich unter den Schutz des Seipel begab, mit seiner ersten jüdischen Frau, einer geborenen Todesco,120 [immer gegen mich intrigierte, wie wiederholt mich Peter121 aufmerksam machte,] in Ägypten umschmiß und auf Einschreiten der Ägypter abberufen werden mußte, nach Ankara versetzt, von dort auch wieder weg mußte, weil sich seine Frau mit einem arabischen Koch oder Chauffeur eingelassen hatte, und seine Frau sich scheiden ließ, dann er in Zivilehe seine jetzige Frau, geborene Schick,122 heiratete, die ein Verfahren gegen ihren Vater123 wegen Aberkennung der jüdischen Vaterschaft eingeleitet hatte. Hatte dann Geschichten mit der Kirche, kroch dann wieder zu Kreuz, tat Abbitte und ließ sich ein Zeugnis geben, daß er mit der Kirche ausgesöhnt sei. Auch beteiligte er sich bei der Heimwehr, war maßgebender Funktionär in Hietzing und dann gab es eine Ehrenaffäre. – Dann die Frau von Pacher124 usw. 30. 5. 1938  : Hudeczek erzählt von seiner Dokumentenfahrt ins Kamptal, die Stimmung sei dort viel weniger begeistert als vor 4 Wochen, sogar eher gedrückt, die Bauern sprächen nur von Krieg und hätten Angst. – Blaas erzählt, er habe von der Vera Czernin erfahren, daß Schuschnigg am Donnerstag oder Freitag von hier weggebracht worden sei. Carl125 hatte mir schon am Freitag erzählt – als Äußerung eines Polizisten –, daß Schuschnigg große Angst habe und keinen Mut zeige. [Was wird mit ihm ge-

120 Dorothea Versbach (1887–1961). 121 Franz Josef Peter (1866–1957). 122 Lydia Versbach-Hadamar (1900–1986). 123 Nicht zu eruieren. 124 Margaretha Pacher-Theinburg (1887–1969). 125 Carl Hudeczek.

31. 5. 1938

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schehen – ich habe wirklich nicht viel für ihn übrig, schon am 11/7 hatte ich ihn als den Totengräber seiner angeblichen Idee und Österreich bezeichnet, in ihm würde sich nur das erfüllen, …] Blaas erzählte weiter, Guido126 sei guten Muts, sei am Arlberg auf der Jagd und bekomme angeblich einen Posten bei den Göringwerken mit 5000 Mark Monatsgehalt. – 31. 5. 1938  : Hans127 (DDSG) erzählt, daß in Ungarn wieder etwas mit der Regierung nicht in Ordnung sei. Das Kabinett128 sei aber doch rechts und eigentlich gegen sozialistische Sachen eingestellt. Der Kriegsminister129 sei ein Pfeilkreuzler. Immer wieder versuche man, etwas mit dem Vermögen der DDSG zu machen, die sich darauf berufe, daß sie sich im Rahmen der ungarischen Gesetze gehalten habe. Auch die deutsche Regierung habe schon Mahnungen nach Pest weiterleiten lassen. – Wolf ist also heute abgegangen, nicht gerade rühmlich. Er will nach Salzburg übersiedeln. Von Athen und Belgrad habe er nichts wissen wollen, eigentlich vergrämt. Glaise scheint sich entgegen seinen früheren Behauptungen noch gehalten zu haben. 2. 6. 1938  : Graf van der Straten, Gesandter des Malteserordens, bei mir, jammert darüber, wie er durch die neue Zeit geschädigt werde, nichts sei sicher, 25 Jahre Arbeit in der Industrie seien vergeblich. Behauptet, daß allenthalben große Unzufriedenheit. 3. 6. 1938  : Der frühere Unterstaatssekretär Egon von Pflügl meinte kürzlich zu Wurzian, die innerpolitische Regelung, die vor einigen Tagen erfolgt ist, und die Ämterverteilung seien eigentlich eine Auseinandersetzung zwischen SA und SS gewesen und hätten mit dem Sieg der letzteren geendet. Er beklagte es, daß Leopold unterlegen sei. – In der Tschechei geht die Unruhe weiter. Auch anderswo brodelt es. Die Engländer scheinen zu einer aktiven Politik auch äußerlich übergegangen zu sein. Genfer Zeitungen berichten, daß die Engländer hätten wissen lassen, Frankreich werde, wenn die deutschen Maßnahmen fortgesetzt würden, ebenfalls zur Mobilisierung schreiten. Jetzt heißt es – und man beruft sich auf Sauerwein –, daß die Tschechen durch die von den Engländern übermittelten Nachrichten über deutsche Mobilisierungsmaßnahmen zur eigenen Mobilisierung bewogen worden seien.

126 Guido Schmidt. 127 Hans Wildner senior. 128 Regierung Béla Imrédy (1891–1946), 14. Mai 1938 bis 16. Februar 1939 Ministerpräsident. 129 Jenő Rátz (1882–1949).

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Heinrich WildnerTagebücher 1938–1944

4./7. 6. 1938  : War 2 Tage in Gmunden. Das Gesicht dieses Ortes hat sich sehr verändert. Große Teuerung, wenig Wiener, das meiste Bayern, sehr viel Militär. – Hans130 meint, daß neue Attacken gegen die Juden vorbereitet werden. Die SS werde aber Obacht geben. Sie soll kürzlich SA-Leute, die auf eigene Faust in den Anlagen am Donaukanal Juden zusammengefangen hatte, eingesteckt und in Überfallautos weggebracht haben. Auf der Rückfahrt Station in Lambach gemacht, wo uns ein Geistlicher herumführte. Das Hakenkreuz auf dem Abtwappen in der Sakristei, das angeblich dem Hitler den Anstoß zur Wahl dieses Abzeichens gegeben haben soll. Er war dort als Sängerknabe gewesen. – Die Zermürbungscampagne gegen die Tschechei dauert an. Jetzt sind auch die Slovaken stärker hervorgetreten. 8. 6. 1938  : Die meisten unserer Gesandten drohen in die Versenkung zu stürzen. Frau Prochnik131 hat eine Wäschevertretung übernommen. Buchberger will jetzt in Schweden einen Nebenerwerb suchen. Große Unruhe durch das Damoklesschwert der Bestimmungen des neuen Beamtengesetzes, das für politisch Unverläßliche die Pensionskürzung, gegebenenfalls sogar die Einstellung der Bezüge vorsieht. 9. 6. 1938  : Der auf dem Dach der Stephanskirche dargestellte Doppeladler wird mit schwarzer Farbe ausgestrichen, angeblich. [Niemand darf dazu etwas sagen – trotzdem räsonieren schon die Leute – nichts Neues – im »Mein Kampf« gelesen – die Todfeinde sind Frankreich, es muß isoliert werden, das wird jetzt angestrebt, die tschechische Sache scheint allerdings jetzt … zu sein – die Tschechen sind es jetzt, oder besser gesagt, die Russen, die zur Intrige übergegangen sind.] 12. 6. 1938  : Bei der Feier der DDSG in Fünfkirchen gab es mehrere Zwischenfälle. Man hatte sich erst in letzter Stunde daran erinnert, die Hakenkreuzfahnen auszuhängen, was den Ungarn gar nicht recht war. Der Bischof,132 der die Einweihung vornahm, kam nicht zum Frühstück und erklärte, wenn er es früher gewußt hätte, wäre er überhaupt nicht gekommen. Die Polizei wollte die Fahnen bei den Verwaltungsgebäuden einziehen, worauf der Obergespan133 vermittelnd eingriff. – Imrédy hat es sehr schwer

130 Hans Wildner senior. 131 Gretchen Prochnik (1892–1984). 132 Ferenc Virág (1869–1958). 133 Nicht zu eruieren.

13. 6. 1938

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mit den Pfeilkreuzlern. Nach wie vor kann ich mir nicht denken, daß er die Sache lange halten kann. 13. 6. 1938  : [… Rede des Goebbels recht gewöhnlich.] Hudeczek erzählt, daß die Raunzerei zunehme, und zwar besonders unter den hiesigen Nazis. Ganz erpichte Nazis sagen hier, früher sei es doch besser gewesen. – Firmung angesehen. Wenig Firmlinge. Bei den Mädchen, die in der Partei sind, soll die Losung ausgegeben worden sein, sich nicht firmen zu lassen. Wöchentlich 100 Übertritte aus der katholischen Kirche zum evangelischen Glauben. – Die tschechische Aufregung scheint abzuflauen. Auch in Berlin scheint abgeblasen zu werden. Die Engländer führen international weiter. 15. 6. 1938  : Für die Opernvorstellungen in der Festwoche werden keine Karten verkauft. Für wen wird also jetzt gespielt  ? fragt man. 16. 6. 1938  : Beim Umgang. Sehr wenig Leute. Keine offiziellen Personen. Innitzer ist ganz grauweiß geworden. – Die altdeutschen Offiziere sollen sich gegenüber den sogenannten illegalen Österreichern sehr wenig freundlich benehmen. 17. 6. 1938  : Stein ist nach Berlin gefahren, Heinz134 ist nach Mexiko, Wallenberg ist nach Bagdad, Richthofen135 nach Kalkutta versetzt worden. Warum alle so weit weg  ? Darüber zerbricht man sich hier den Kopf. Das sieht nicht gerade sehr nach Belohnung aus. 19. 6. 1938  : Alles klagt über schlechte Geschäfte. 20. 6. 1938  : Baron Flotow (Erster k. u. k. Sektionschef i. R.) bei mir, erzählt, Bülow-Schwante sei nicht mehr im Amte als Protokollchef, weil ihm angeblich – wie ihm von der Lancken mitgeteilt habe – schlechte Placierung einiger Damen beim italienischen Besuch Hitlers von Ribbentrop verübelt worden sei. – Wimmer hat in Berlin von {unleserlich} gehört, daß die Übernahme noch Monate auf sich warten lassen werde. 134 Möglicherweise Heinrich Schmid, doch war dieser nie in Mexiko eingesetzt  ; Edzard Wallenberg war vom Dezember 1938 bis Dezember 1941 an der Gesandtschaft in Mexiko. 135 Oswald von Richthofen (1908–1994).

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21./22. 6. 1938  : Heinz136 verabschiedete sich, sagte, er sei froh, Wien verlassen zu müssen, wo es gar nicht mehr schön sei. Allenthalben Unzufriedenheit und schlechte Stimmung und kein richtiges gesellschaftliches Leben mehr. – Hasslacher (Holzhändler) schloß sich mir auf der Straße an. Ich erwähnte die neuen Holzvorschriften, die doch recht verwickelt seien. Werde man sich da wirklich auskennen  ? »Ja«, meinte dieser eifrigste Nationale und jetzt offenbar Enttäuschte, »warum soll man nicht etwas umständlich machen, wenn es einfacher gesagt werden könnte.« Und überhaupt, es sei doch schade, daß man das Gute, das hier war, nicht beibehalten und nicht übertragen habe. Darüber hätte sich Dr. Wolf, den er in Salzburg getroffen hätte, besonders aufgehalten. – Stein erzählt, man wolle den über 60 Jahre alten Beamten den Rücktritt nahelegen, um Luft zu schaffen. Das werde im Reich jetzt einige Botschafter treffen. Die Jungen drängten nach und hätten die Partei für sich. 23. 6. 1938  : Min. Rat Schilder vom Finanzministerium meint, daß die Angleichung in steuerrechtlicher Beziehung noch lange Zeit brauchen werde. Man sei durch die Erfahrungen, die man bei den unter politischem Druck erfolgten Preisherabsetzungsmaßnahmen gemacht habe, vorsichtiger geworden. Die handelspolitische Aktion gehe gut vorwärts, auch mit den Engländern dürfte man sich wegen der österreichischen Anleihe einigen. – Von Hans137 höre ich, daß eine große Anzahl der SA-Männer aus der Leopoldstadt wegen der von ihnen verübten Gewalttätigkeiten und Mißbräuche nach Dachau gebracht worden seien. 24. 6. 1938  : Min. Rat Mokry, der nach dem Umbruch als bekannter Nationaler mit der Leitung der Präsidialgeschäfte betraut und nach einigen Wochen längere Zeit krank war, jetzt wieder gesundet ist, sagte mir heute auf der Straße, er sei posten- und zimmerlos. An seine Stelle sei ein anderer gekommen und die früher von ihm geführte Abteilung sei auch anderweitig besetzt worden. Er bemühe sich jetzt um eine neue Stelle, was sehr schwer sei. – Das Betreten des Stadtparks, Türkenschanzparks und Schönbrunner Parks ist den Juden vom Polizeipräsidenten138 untersagt worden. [In meinem Haus sind viele Kündigungen erfolgt – unruhige Stimmung.] – Stein hat dem Peter-Pirkham139 abgeraten, in die Tschechei zu fahren, es wäre für ihn unsicher.

136 Nicht zu eruieren. 137 Hans Wildner (1921–1995). 138 Otto Steinhäusl (1879–1940). 139 Otto Peter-Pirkham.

26. 6. 1938

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26. 6. 1938  : Die Russen wollen in Spanien angeblich gegen die Italiener losgehen. Warum sie nicht früher gegen Mallorca sich gewendet haben, ist eigentlich nicht recht verständlich. – Falser erzählt auf Grund von Äußerungen italienischer Gewährsleute, daß Abessinien noch lange nicht erobert, geschweige denn pazifiziert sei. Die Italiener hätten nur notgedrungen das ganze Land jetzt für sich in Anspruch genommen. Mangels ausreichender Verkehrsverbindungen könne das Land auch nicht wirtschaftlich ausgenützt werden und die römische Finanzverwaltung weigere sich, weiter Geld hineinzustecken. Der italienisch-deutsche Vertrag über Teilnahme an der Ausnützung und Erschließung Abessiniens könne nicht ausgeführt werden. Es fehle an Geld und sogar an der Möglichkeit zu Investitionen. In dem westlichen Teile müßten die Armeen noch mindestens 5 Jahre auf Kriegsfuß gehalten werden. Die italienische Devisenbehörde habe immer nur für höchstens 2 Monate freie Devisen. Die Finanzverwaltung weigere sich auch, für die Kosten des Hitlerbesuches aufzukommen, welche Kosten im Betrage von 500 Millionen Lire einstweilen von der Partei vorgestreckt worden seien. 28. 6. 1938  : Hoffinger kommt verstört zu mir, während gerade Wimmer bei mir ist, und behauptet, daß der Gesandte Eckhardt von der Gestapo zurückbehalten worden sei. Ich weiß nichts davon. Auf Anfrage stellt sich heraus, daß die Nachricht falsch war, sie wurde aber von denjenigen, die sie gehört hatten, für zutreffend gehalten, obwohl keiner von ihnen irgendeinen Anhaltspunkt für die Begründung einer solchen Anhaltung hatte. Bezeichnend für die Stimmung bei uns Beamten. Überhaupt große Unruhe, die durch die fortwährenden Gerüchte genährt wird. 29. 6. 1938  : Der heutige Feiertag war gestern vom Reichskommissar140 als Arbeitstag erklärt worden, was Anlaß zu viel Bemerkungen im Publikum gab. – Die Nachricht von einer antideutschen Verschwörung der jüdischen Emigranten in Paris wird vom Propagandadienst ausführlich propagandistisch erörtert. Dr. Martin Fuchs und noch ein anderer Angehöriger141 der Österr. Gesandtschaft in Paris werden als Teilnehmer genannt. [Es ist doch traurig, daß die früheren Regierungen ohne Juden nicht auskommen konnten und sich sie nicht entsprechend vom Leib gehalten haben – nichts Besonderes.] 30. 6. 1938  : Nach den Auslandszeitungen mehren sich die Schauernachrichten über die hiesigen Zustände. »Daily Herald« spricht vom Bevorstehen eines bewaffneten Losbruches. 140 Josef Bürckel (1895–1944). 141 Nicht zu eruieren.

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[{unleserlich} sind freilich die Begleitumstände der Arisierung, die propagandistisch ausgenützt werden – aber schließlich ging es anderswo auch nicht anders zu.] 1. 7. 1938  : Bürckel verkündet Maßnahmen zur Abstellung verschiedener Auswüchse und Mißbräuche. 2. 7. 1938  : [Ein sehr guter Artikel in der Times vom 29. vorigen Monats über die wahre Stimmung in Amerika, daß New York ausschlaggebend sachlich nichts bedeutet, daß der Mittelwesten, wie ich schon vor Jahren vernommen habe, das Hauptgewicht der amerikanischen Politik verkörpert, und daß dort Europas … ist  ; daß man sich eigentlich nur für England interessiert, aber nicht in der Weise, daß man mit England durch Dick und Dünn gehe, geschweige im Krieg zusammenstehen will – daß man sich für die Außenseiter Staaten und das was sie treiben, so gut wie gar nicht interessiert, daß sie aber auch nicht auf irgendein Entgegenkommen rechnen können – für mich, nichts los.] Bürckel soll die Überprüfung der verschiedenen hier vorgenommenen Verhaftungen angeordnet haben und hat auch in das Getriebe der kommissarischen Verwalter eingegriffen, [das soll einen sehr guten Eindruck gemacht haben.] 3. 7. 1938  : [Schöne Messe in der Jesuitenkirche – müde – Karl142 gesucht – er war im Salzkammergut, mit Ausnahme von Salzburg wird überall von den Wirten über den Ausfall im Fremdenverkehr geklagt – die Juden fehlen und die alten Reichsdeutschen kommen nicht – letzteres hat auch Bürckel bemängelt …] Klagen aus dem Salzkammergut, daß mit Ausnahme von Salzburg selbst der Fremdenverkehr beinahe ausgefallen ist. – Pfarrer Schmid143 hat in seiner letzten Maipredigt seine Gedanken über römischen Katholizismus deutscher Nation entwickelt. Rom sei ausschlaggebend in den Fragen der Dogmen, der Moral und der Sakramente, hinsichtlich der Formen aber hätten wir jedoch ein Mitbestimmungsrecht, das wir ausüben müßten. Dazu gehöre vor allem die Kirchensprache, da sei schon ein Anfang, die liturgische Bewegung, gemacht worden. Wozu das Latein, dem die Gläubigen nicht folgen können  ? Die Gläubigen sollen mittun und das schon Erreichte müßte ausgebaut werden. Dann sprach er von der äußeren Form der Andacht. Wir seien eben etwas anderes als die Chinesen und die Italiener, deren Formen uns nicht paßten. Die Deutschen seien gerade Menschen, so sei auch unsere Andachtsform. Dieser Geistliche polemisiert zu viel und ergeht sich in versteckten Anspielungen. Dabei ist die Zuhörerschaft, auf die er es offenbar abgesehen hat, gar nicht da, 142 Karl Wildner. 143 Leopold Schmid.

4. 7. 1938

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sondern in der Kirche sind nur die Frauen und älteren Leute, die offenbar auch gar nicht der Partei angehören und sich über das Vorbringen des Pfarrers öfters nicht gerade mitgehende Gedanken machen. 4. 7. 1938  : Die jungen Kollegen, die von uns nach Berlin gegangen sind, jammern sehr über ihre schlechten Bezüge und schreiben von Zurückkommen. – Der englische Handelsattaché Turner verabschiedete sich, er zieht sich auf das Land zurück und ist froh, ein kleines Besitztum zu haben, das er, wie er hinzufügte, gegebenenfalls ohne Dienstboten bewirtschaften könne. 5. 7. 1938  : [Nichts Neues – sehr müde und verkühlt – unangenehme Unterhaltung bei Hans mit Karl und Fred144 – aber man will im Familienkreis überhaupt nicht über Politik reden – die Leute sind zu nervös und hemmungslos – für mich.] 6. 7. 1938  : Botschaftsrat Stein kommt zu mir. Die Berliner wollen weitere Einschränkung des Betriebs. Die Übernahme unserer Kollegen scheint sich nach wie vor weiterzuziehen. Ich sprach wiederholt von meinem Ausscheidungsbedürfnis, wogegen er wieder protestierte. [»Wir brauchen Sie doch als Spitzel – in Betracht käme dann für Sie vermutlich eine kommissarische Verwendung, wie nur als Beispiel gegriffen, Innenkommissar einer Staatsstellung usw.« – nun das liegt mir auch nicht – und ich hoffe nur, daß ich bald Ruhe haben werde.] – Von Schuschnigg erzählte er, daß er noch in Wien weile und sich im Hotel Metropol bei der Gestapo befinde. Er habe durch Stellvertretung die Czernin145 geheiratet. Dem Hornbostel werde nichts geschehen. Unter weiterem bemerkte er, daß Hitler noch am Mittwoch nicht an die Angliederung gedacht habe. 7. 7. 1938  : In der heutigen Abendnummer des »Tagblatt« wird auf der ersten Seite gesprochen von 25 Bombenanschlägen in Shanghai, 35 Millionen Gasmasken für die englische Bevölkerung, in Paris 132 Millionen frs. für Gasmasken vorgesehen. Chamberlain zur Frage der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln. Das sieht gut aus. Dabei kommt mir vor, daß es beinahe schon zu spät wäre, wenn die früheren Ententemächte mit dem Vorschlag kämen, Deutschland wirtschaftpolitisch entgegenzukommen und den früheren freien Wirtschaftsverkehr herzustellen. – Für die kommissa144 Hans Wildner, Karl Wildner, Alfred Wildner. 145 Vera Schuschnigg, geborene Czernin von und zu Chudenitz, 1924–1936 mit Leopold Fugger von Babenhausen verheiratet.

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rischen Beamten der hiesigen Liquidierungsdienststelle werden Zulagen beantragt. Ich habe sie für mich ausdrücklich abgelehnt. – Lange Unterhaltung mit General Leitner, der im Oktober auch in Pension geht. Er sagte, es werden sehr wenige ältere Offiziere übernommen, die in Mittelstellungen befindlichen bekommen Lokalverwaltungsanstellungen, die jüngeren kommen gut unter. – In Niederösterreich fehlt es an Erntearbeitern, die Studenten sollen jetzt aushelfen. Viele Kollegen sind mit ihren Abstammungsdokumenten noch immer nicht in Ordnung. 11. 7. 1938  : Wolf ist wieder zurückgekommen. Die Konsularakademie soll doch als solche erhalten bleiben, auch die Partei interessiert sich dafür. Er selbst soll jetzt nach Rom fliegen, offenbar in kirchenpolitischen Fragen. Hudeczek, der es schon lange nicht hatte erwarten können, ist nach Berlin einberufen worden. – Er erzählt von einem Herrn Schönburg,146 der 80 Tage in Schutzhaft war, ohne bisher verhört worden zu sein. Am 81. Tage kam er dran und wurde gefragt, warum er eingesperrt sei. Er antwortete  : »Das möchte ich selbst gerne wissen.« Am nächsten Tag war er frei. – Luftschutzversammlung durch die Polizei gegen Quittung aufgefordert. Zuerst ein Vortrag. Der Redner erwähnte zur Einleitung die Gründe, die zum Weltkrieg geführt hätten. Zunächst sei dies in der Hauptsache die Konkurrenz gewesen, die Deutschland wirtschaftlich den anderen Staaten, vor allem England, auf dem Weltmarkt bereitet habe. Bei der Erläuterung der Wichtigkeit der Luftwaffe erwähnte er, hätte Deutschland die Flugwaffe nicht ausgebildet, so wäre der Anschluß nicht möglich gewesen. So mußten die anderen Staaten, die Lust zum Widerstand gehabt hätten, einfach Ruhe halten. Dann sanfter Zwang zum Eintritt, indem der Ausgang gesperrt wurde. Min. Rat Willfort147 erzählte mir nachher, Bürckel sitze wie auf Kohlen, die Sache gehe gar nicht und im Herbst würden einige führende Herren daran glauben müssen. Seyß-Inquart habe Oberwasser gewonnen und mit ihm jene, die für die Erhaltung des bestehenden eintreten. Es herrsche jetzt noch größere Konfusion und Durcheinander-Regieren. Aber er selbst, der Pg. ist, meinte, wenn er noch 7 Jahre dienen müßte, ginge er lieber jetzt. Das gleiche meint auch der Hofrat Duda, der an meinem Tisch gesessen war, und sagte, das ganze gefalle ihm nicht. – Stein kam heute wiederum auf meine Verwendung zu sprechen. Ich meinte, es wäre mir am liebsten, wenn ich hier in Wien in Ruhe gelassen würde. 13./14. 7. 1938  : Peter (der frühere Generalsekretär) kommt zu mir und erzählt, daß sogar sein Sohn, der Staatsanwalt,148 wegen unbefriedigender nationaler Gesinnung angezeigt wor146 Nicht zu eruieren. 147 Felix Willfort (1884–1970). 148 Wilhelm Peter (1906–1964).

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den sei und sich jetzt ein besonderes Zeugnis vom Polizeipräsidenten Steinhäusl verschaffen mußte. Er meinte weiter, überall sehe er Zeichen der Unzufriedenheit, es müsse eben die erste Schichte abwirtschaften. Mit seiner ganzen Familie will er dieser Tage in eine italienische Sommerfrische gehen, weil es hier überall zu teuer sei. 15. 7. 1938  : Hudeczek geht heute nach Berlin ab. Noch vor wenigen Wochen hatte er bemerkt, daß ihm nicht einfalle, der Partei beizutreten, weil er sich innerlich gehemmt fühle. Heute platzte er mit der Erzählung heraus, er habe sich zum Beitritt gemeldet, sei aber in der Ortsgruppe eher brüsk behandelt worden und wolle jetzt in Berlin im Auswärtigen Amt beim dortigen Vertreter der Partei149 sein Glück noch einmal versuchen. Er sei doch immer für die nationale Sache gewesen und könne vielleicht da, wenn er hineinkomme, auf seinem Fachgebiet regulierend wirken. Da blieb mir die Spucke weg. Derselbe Mann, der seine ganzen Studien mit Juden zugebracht hatte, fast nur solche Bekannte hatte, sich durch sie vorwärts schieben zu lassen bestrebte, dann, nachdem die Depositenbank abgewirtschaftet hatte, zur »katholischen Gruppe« überging, im Ausschuß des Katholischen Akademikerverbandes das Jahrbuch herausgab, von welcher Tätigkeit er allerdings mir selbst dann enttäuscht bekannte, alle seien sie dort etwas geworden, nur er hätte nichts davon gehabt, worauf er sich von Dr. Schüller in den Verwaltungsrat der Südbahn bringen ließ. – Hudeczek erzählte übrigens heute, der Kustos Baldass habe ihn kürzlich um Rat gefragt, ob er der Partei beitreten solle. Bisher gehöre kein einziger Kunsthistoriker der Partei an. 16./17. 7. 1938  : Die Tschechen haben doch wieder Mobilisierungsvorkehrungen getroffen. Man kommt nicht zur Ruhe. 20. 7. 1938  : Stein muß wieder nach Berlin fahren, diesmal mehr in seiner eigenen Sache. Der Brüsseler Posten, den man ihm angeblich angeboten hatte, ist ihm von BülowSchwante weggenommen worden, dem man ein Pflaster geben mußte. Stein meinte  : »Hoffentlich bleibt alles in den nächsten Monaten ruhig. Wenn nur schon der Oktober da wäre, da würde man wenigstens für heuer nicht mehr an einen Krieg denken.« Hitler gehe sehr vorsichtig vor und würde nur dann etwas machen, wenn der Erfolg ganz sicher sei, so wie er es im Falle Österreich gemacht hätte. Am Samstag, den 12. März, wäre er noch gar nicht entschieden gewesen, wirklich zuzugreifen, trotzdem in Wien schon alle formellen Vorbereitungen getroffen waren (durch Stein

149 Nicht zu eruieren.

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angeblich mit dem Staatssekretär Wimmer).150 Erst als er in der Nacht auf Sonntag einen außenpolitischen Bericht erhalten hatte, habe er zugegriffen und jetzt gar müsse man besonders vorsichtig sein, denn es handle sich doch nur um etwa 2 Millionen, die neu dazukämen. 21. 7. 1938  : Vollgruber ist noch im hiesigen Polizeigewahrsam. Es soll ihm gesundheitlich und sonst gut gehen und man scheint sich schon überzeugt zu haben, daß man ihm nichts vorwerfen könne. – Hauptmann Wiedemann, der persönliche Adjutant Hitlers, ist in London. Das Deutsche Nachrichtenbüro dementiert jeden politischen Auftrag. Er war aber doch bei Halifax. – Die »Reichspost« ist jetzt auch ein Klischeeblatt geworden. Bei der Besprechung der neuen Ehegesetze äußerte sie Genugtuung darüber, daß die Ehe nicht mehr ein privater Vertrag sei und daß dem Ehedispenswirrwarr ein Ende bereitet wurde. Aber sie hat sich auch schon früher schäbig benommen, als sie gegen die Eheerleichterungen für die hohen Herren nicht aufgetreten war. 23. 7. 1938  : Die Personalienangelegenheit ändere sich, meinte Alfred Schmid, immer wieder kaleidoskopartig. Jetzt ist nicht eine Auswahlliste, sondern die ganze Liste der Beamten beim Staatskommissär Wächter, wenn ich die Situation richtig verstehe. Das kann also noch lange dauern. 25. 7. 1938  : Der Chefredakteur des »Giornale d’Italia«151 bringt einen Artikel über Österreich, der mit der Bemerkung schließt, der Nationalismus habe den Wienern eine Lehre beigebracht  : mehr arbeiten und weniger essen. Bisher sei der Wiener gewöhnt gewesen, 5mal am Tag zu essen und 3mal Kaffee zu trinken, das habe sich jetzt aufgehört. Alles, was recht ist, aber dieser Herr Gayda, der offenbar der Verfasser ist, ist doch ein recht armseliger Schuft. – Die Mission Wiedemann war doch ganz ernst. Hitler soll durch ihn darauf hingewiesen haben, daß er stets für den Frieden sei, es sei aber höchste Zeit, daß das deutsche Problem in der Tschechei endlich gelöst werde. Nach Verhandlungen, die schon am Donnerstag begonnen haben, wird jetzt der frühere Handelsminister Runciman als Berater der tschechischen Regierung in der sudetendeutschen Frage nach Prag kommen. Was heißt das  ? Ist es ein stärkeres Einsetzen der Engländer für die Prager oder umgekehrt  ? In Londoner Zeitungen wird gesagt, daß die Kluft zwischen der sudetendeutschen Forderung und den tschechischen Erklärungen und Absichten zu groß sei und eine gedeihliche Lösung nicht erwarten 150 Friedrich Wimmer (1897–1965). 151 Virginio Gayda (1885–1944).

26. 7. 1938

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lasse. Andererseits hat Beneš in der »Lidove Noviny« erklären lassen, daß die Nachgiebigkeit der Tschechei in der Erhaltung ihrer Souveränität ihre Grenzen haben müsse. – Die »Männer des 25. Juli« sind heute von der Turnhalle in der Siebensterngasse zum Bundeskanzleramt marschiert und wurden dort durch den Gauleiter und Statthalter152 geehrt. Zwei Gedenktafeln, die eine am Ballhausplatzgebäude, die andere am Gebäude der Ravag, wurden enthüllt. [Ich kann mir nicht helfen, es wäre besser gewesen, wenn der Putsch unterblieben wäre, er hat sachlich doch nichts bedeutet, das Regime Dollfuß wäre kurze Zeit nach dem 25. 7. ohnedies von selbst zusammengebrochen – müde – gut gearbeitet – nichts Neues sonst.] 26. 7. 1938  : Leg. Rat Schwinner (Moskau) erzählt, daß die Russen auf den Konflikt hinarbeiten, aber aktiv so spät wie möglich eingreifen möchten, erst wenn der Pallawatsch im Gange sei. Beneš und Litwinow seien in fortwährender Verbindung. Gesandter Bismarck153 sei sehr besorgt, daß die Geschichte wirklich anfangen könnte. Man tue alles, um das Äußerste zu vermeiden. 27. 7. 1938  : Peter-Pirkham154 erzählt, im Waldviertel würden Räumungen vorgenommen. Die Schwester Hitlers155 sei delogiert worden. Burgsdorff soll mit Wächter Krach gehabt haben wegen der engherzigen Anwendung des Beamtengesetzes. Man könne doch nicht so viele Leute spazieren gehen lassen. 28. 7. 1938  : Der Min. Rat Slameczka, der unsere Personalien bearbeitet, stand am 25. Juli während der Gedenkfeier am Fenster mit einigen Maschinenschreibfräulein und blieb auf das Fensterbrett gelehnt, als die Hymne gespielt wurde, dies, ohne zu sehen, daß von unten Mißbilligungsgesten und Rufe kamen. Nach der Feier kamen SS- und SAMänner hinauf und führten ihn mit anderen ab. Er ist jetzt inhaftiert. – In dem Haus, in dem ich wohne, sind die Inhaber der Eisengroßfirma Schneider & Wolkenberg156 abgeführt worden, ihre Magazine niedergerissen, die Vorräte an die Göringwerke verkauft und 70 Angestellte entlassen. [Acht Wohnungen werden leer.]

152 Odilo Globocnik (1904–1945). 153 Otto Christian Archibald von Bismarck-Schönhausen (1897–1975). 154 Otto Peter-Pirkham. 155 Paula Wolff (1896–1960). 156 Albert Schneider (1872–  ?). Weitere Inhaber konnten nicht eruiert werden.

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30. 7. 1938  : Willfort erzählt, daß die Handelskammer neu organisatorisch besetzt werde. Rafelsberger übernehme die oberste Leitung, Riedl157 muß weg. Seine Herrlichkeit hat also nicht lange gedauert und er hat auch so gut wie nichts leisten können. Die faktische Leitung bekommt Sektionschef Schmidt,158 [von dem mein Mitredner nicht viel hält, wie ich auch,] die Leitung der einzelnen Gruppen wird Vertretern der betreffenden Erwerbszweige übertragen, darunter für die Industrie dem Herrn von Possanner, der schon bei seiner Tätigkeit im Dorotheum bewiesen hat, daß er ein Schieber ist. Für den Handel ist der Herr Hudl bestimmt, das ist der verkappte Major, der die Juliputschisten geführt hatte. Das wird also nicht lange dauern. – Bei der DDSG sind alle Nazis hinausgeworfen worden, mit Ausnahme des früheren Marineoffiziers Pospischil,159 weil sie sich vom gleichfalls entfernten Generaldirektor Korwik gegen Inaussichtstellung von Vergütungen zu gemeinsamen Arbeiten veranlaßt gesehen haben sollen. Der neue Generaldirektor160 soll ein früherer Kampfflieger sein und guter Freund Görings. Willfort, den ich heute wieder traf, meinte von Bürckel, er sitze hier wie jemand auf dem Dache, der sich nicht zu helfen wisse. [Sehr selbstbewusst und von wirklicher innerer Selbstsicherheit scheint er nach den Erfahrungen der letzten Wochen tatsächlich nicht zu sein.] Im Übrigen werde sich das Bild immer wieder kaleidoskopartig ändern. Wächter scheint so gut wie kein Material über unsere Leute zu haben. 1. 8. 1938  : Willfort klagte auch letzthin über die Zunahme von Denunziationen und Stellenjägerei. Es sollten doch mehr Preußen herkommen, um Ordnung zu machen. Daß der Leopold den Seyß-Inquart aus der Partei ausgeschlossen hatte, wußte ich übrigens nicht. Sensationsnachrichten  : zahlreiche Verhaftungen in Schlesien, Neisse und Hindenburg, vorher solche von SA-Leuten in Sachsen. In Paris Dekret über Organisation der passiven Verteidigung. In Westdeutschland Aufenthaltsverbot für fremde aktive Militärpersonen. Die Russen an der mandschurischen Grenze von den Japanern verjagt, mit Verlust vielen Materials, sogar von Tanks. Die Russen scheinen aber zum Gegenangriff übergegangen zu sein. 2. 8. 1938  : Rätselraten, ob die Russen wirklich angreifen werden oder nicht.

157 Richard Riedl (1865–1944). 158 Hans Schmidt. 159 Wahrscheinlich Friedrich Pospischil (1900–nach 1966). 160 Wilhelm Voss (Voß) (1896–1978).

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3. 8. 1938  : Wir wissen immer weniger von den wirklichen Zuständen im Ausland. – Die heutigen Zeitungen bringen Leitartikel über Österreich, wonach es ein solches in den letzten Jahren überhaupt nicht gegeben habe, der Begriff Österreich sei überholt und schon gar nicht habe es einen österreichischen Menschen gegeben usw. – Wem soll da präludiert werden  ? Die Ausstellung »Der ewige Jude« von Seyß-Inquart eröffnet. Nachträglich notiere ich mir folgende Bemerkungen, die Wolf kürzlich mir gegenüber gemacht hat. Man (die Regierung und andere) habe schon am Tage vor dem 25. Juli gewußt, daß ein Putsch bevorstehe. Rintelen hätte sich auf Dollfuß verlassen, hätte nichts gegen ihn unternommen. Man sei gewarnt worden. Am Vormittag hätte Rintelen noch im Reichenberger Beisl161 gemeint, es werde ein Gentlemenputsch sein. Wären Dollfuß und die andern nicht so nervös gewesen, wäre es nur eine Köpenickiade geworden. Dollfuß habe nicht den Schuschnigg als seinen Nachfolger bezeichnet, sondern den Rintelen, der den Frieden machen solle. Am gleichen Tage hatte mir Wolf gesagt, Göring sei ganz ernst gewesen, umgebe sich mit Fachleuten, der andere Mann (G.)162 treibe sein Spiel weiter, es werde noch eine furchtbare Auseinandersetzung geben (?). – Wächter dürfte nicht mehr lange bleiben. 4./5. 8. 1938  : Gespräch mit Sektionsrat Danner von der Obersten Bergbehörde, der sagt, daß die Erschließung der verschiedenen Erzvorkommen lange nicht den Fortgang nehme, von dem in den Zeitungen gesprochen werde. Es koste doch zu viel Geld, so daß es vorläufig noch nicht rentabel sei. Dafür wird das Goldunternehmen (Gastein) ernstlich angegangen. Der englische Konzessionär soll unsere Ingenieure ausbilden. Man wird aber sehr viel Geld, viele Millionen Mark, hineinstecken müssen. Es herrsche jetzt ein förmliches Goldfieber. – Sperrmaßnahmen in den Grenzgebieten. Auch für Inländer der Paß vorgeschrieben. Die Tschechen verbeißen sich immer mehr. 6. 8. 1938  : Ich weiß noch immer nicht, wie es zur Runciman-Mission gekommen ist. P.163 meint, daß der böhmische Hochadel dahinterstecke, Clary Ledebur.164 – {unleserlich} meint, daß der Fischböck sehr bald mit seiner Platte, Baurat Heller usw., entfernt werden wird. Heller sei schon mißliebig durch seine Verwaltungsratstellenhamsterei.

161 Wiener Ausdruck für kleines Wirtshaus. 162 Nicht zu eruieren. 163 Nicht zu eruieren. 164 Ledebur-Wicheln und Clary-Aldringen waren zwei Familien des böhmischen Hochadels.

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8. 8. 1938  : [Nichts los – für mich – auch Alfred165 war schon im Februar mit der Partei in Berührung.] Wieder ein Kollege, der schon im Februar mit der Partei in Berührung getreten sein soll. 9. 8. 1938  : Knaffl-Lenz, der nach der Enthebung von der Gesandtschaft in Argentinien die Hochschule für Bodenkultur absolviert hatte und ein Gut übernehmen wollte, ist auf einmal nicht mehr so begeistert von der Landwirtschaft und sagt, die Verhältnisse hätten sich doch geändert, der Landwirt habe nicht mehr wie früher die Hände frei, dazu die Leutenot, bezeichnend aus dem Mund eines großen Nationalen. Seine Frau, eine Schwedin,166 wieder erzählt, daß die Juden sich sicherer fühlen und ihre Häuser nicht mehr verkaufen wollen, weil sie mit einem Umschwung rechnen. Sie erzählte auch, daß in Horn Delogierungen vorgenommen wurden. – Troll (Konsul in Preßburg)167 war gestern da, sagt, daß in der Slovakei von Russen nichts zu merken sei  ; das Gerede von den vielen russischen Flugzeugflügen sei sachlich nicht begründet. – [In der Mandschurei werden die Sachen entgegen dem bisherigen öffentlichen Gerede der Japaner immer ernster – für mich, müde.] Der kommissarische Landeshauptmann von Kärnten, der Theresianist Pawlowski, ist vom Landesregierungsrat, als welcher er wegen seiner Nazigesinnung entfernt worden war, kürzlich zum Sektionschef befördert worden. Er ist mit einer geborenen Rainer-Harbach168 verheiratet, deren erster Mann169 im Jahre 1934 im Kampf gegen die Nazis gefallen ist. 10. 8. 1938  : Stein kommt zu mir, um mitzuteilen, daß die Liquidierungsstelle mit 31.  8. aufgelöst werde. Ich stehe auf der Übernahmsliste obenauf  ; ob er dem Prüfer sagen solle, wofür ich mich besonders interessiere, worauf ich Bedenken geltend machte und wie früher sprach. Er zog gegen die Wirtschaft auf dem Ballhausplatz los, wo nichts vorwärts komme, und nichts vorbereitet sei. [Fortwährend Transporte, meistens in der Nacht, in der Umgebung gewisse Teile schon abgezogen.] 11. 8. 1938  : Nehme die Stein’sche Erzählung nicht ernst und rühre mich nicht weiter.

165 Alfred Wildner. 166 Yolanda Knaffl-Lenz. 167 Herbert Troll-Obergfell (1891–1978). 168 Jertha Georgine Pawlowski (1897–1975). 169 Johann Adam Seutter-Loetzen (1897–1934).

12. 8. 1938

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12. 8. 1938  : Urbas sucht mich beim Mittagessen auf. Er war wieder bei Kánya gewesen, der die Situation ruhiger beurteilt, aber doch an die baldige Unabwendbarkeit eines Krieges glaube. – Auf der Straße von Morsey angehalten, der von der Notwendigkeit sprach, etwas für Vollgruber zu tun. [Ich lehnte eine Unterhaltung ab und mußte dies wiederholen, da er mit Fragen und Drängen nicht aufhören wollte – wohl ein schwacher Kampf.] Er war sich aber noch nicht klar, wie man etwas anfangen könnte. – Graf Rudolf Colloredo soll angehalten sein, warum  ? 13. 8. 1938  : [Nichts Besonderes – wirtschaftlich geht es schon vorwärts, dennoch] das Raunzen geht weiter und die Stimmung wird schlechter. 15. 8. 1938  : Peter-Pirkham170 erzählte vorgestern bei Erörterung der Kirchenfrage, Jauner habe seinerzeit kurz vor dem Umbruch von dem eigensinnigen Greis im Vatikan171 gesprochen. Jetzt, meint Peter, werde bei voller Aufrechterhaltung des römischen Primats an dem Plane für eine Sonderstellung der deutschen Kirche gearbeitet, besonderer Primas, Maßnahmen zur Versöhnung mit den Evangelischen, Aufhebung des Zölibats usw. Tatsächlich führt die Kirchenanschlagzeitung, die von Pius Parsch in Klosterneuburg herausgegeben wird, eine eigentümliche Sprache, so auf der letzten Ankündigung, das Zölibat sei kein Dogma, und die heutige Ausgabe, es sei nur eine katholische Kirche, aber man müsse sich in jedem Land den besonderen Eigentümlichkeiten des Volkes, der Rasse usw. anpassen. Dafür wurde heute in der Jesuitenkirche die Lauretanische Litanei lateinisch gesungen und führte der Prediger eine recht selbständige Sprache. 17./18. 8. 1938  : H.172 sagt selber jetzt  : »Was gäbe ich dafür, wenn es wiederum die schönen alten Zeiten gebe.« 19. 8. 1938  : Bielka aus Dachau entlassen, darf nichts von den dortigen Vorgängen erzählen. Theodor173 soll sich gesundheitlich und sonstig gut befinden.

170 Otto Peter-Pirkham. 171 Pius XI. (1857–1939). 172 Hans Wildner senior. 173 Theodor Hornbostel (1889–1973).

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22. 8. 1938  : Predigt des Pater Schmid174 in der Rochuskirche über »Friede und Freiheit in Christus«. Die Kirche habe keine Gewalt, nur das Wort, bestehe 2000 Jahre, werde weiter bestehen. Die Angriffe gegen die Päpste, was bedeuten sie  ? Zugegeben, es habe schlechte Päpste, 22 von 260 gegeben, wieviele Heilige aber unter ihnen usw.? Wir sind ja alle Menschen. Aber welche Dynastien, welche Systeme immer, welche politischen Formen immer können sich damit messen  ? Sehr scharf sprach er gegen den Mythos. »Wir nehmen den Kampf auf« usw. 24. 8. 1938  : Beschleunigung der Liquidierungsarbeiten. Die Personalsachen bleiben weiter in der Schwebe und werden in Berlin behandelt werden. – Heinz Schmid175 soll während einer Abendunterhaltung beim deutschen Botschafter,176 als die Anschlußnachrichten aus Österreich kamen, in Ohnmacht gefallen sein. [Ich habe ein grauseliges Gefühl – die Tschechen werden immer frecher.] 26. 8. 1938  : Die zu Übernehmenden werden immer weniger. 27. 8. 1938  : Wegen der Übernahme der Kollegen, den M. R. Klezl zu mir gebeten, [weil die Betreuung unserer Kollegen, die nicht übernommen werden, mir doch nicht so sicher erscheint, immer wieder kommt das Außenamt zum Handkuss,] der sich nicht vorstellen kann, daß der gegenwärtig auf dem Ballhausplatz in großartiger Weise eingerichtete Apparat wirklich durch Auflösung des Landes aufgegeben werde. Es gehe aber dort ziemlich durcheinander, alle haben viel zu tun und keine Zeit. Dabei werde aus dem Vollen gewirtschaftet, früher habe es, wie auch Peter-Pirkham177 wiederholte, nur 6 Regierungsautos am Ballhausplatz gegeben, jetzt 26. Der SeyßInquart allein habe 3, davon eines für seine Frau.178 Jeder der 3 Sekretäre habe ebenfalls 1 Auto bekommen, allerdings ohne Wagenführer. – Die Polizeiverwaltung ist heute auf das Budget des Reiches übergegangen, nachdem eine Ressortbesprechung nur Schwierigkeiten zutage gebracht hatte. Ein wirkliches Präsidium, das die Dinge in der Hand hätte, gibt es nicht. Fortwährend werden neue Stellen und Ämter gegründet. Der im Rahmen der Reichsstatthalterei für die Belange des 174 Leopold Schmid. 175 Heinrich Schmid. 176 Franz von Papen (1879–1969). 177 Otto Peter-Pirkham. 178 Gertrud Seyß-Inquart (1894–  ?).

29. 8. 1938

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ehem. Unterrichtsministeriums Mühlmann usw. eingerichtete Apparat hat nicht die Einstellung des analogen Dienstes im Unterrichtsministerium zur Folge gehabt. Dort geht der ganze einschlägige Betrieb ruhig weiter. Das Präsidium ist personell jetzt etwa 7mal stärker besetzt als früher. – Peter-Pirkham179 erzählt mir von seinem gestrigen Gespräch mit Diplomkaufmann Körber, daß dieser sehr schwarz für die Zukunft sehe, das internationale Judentum bereite eine Riesenaktion gegen Deutschland mit dem Ziele dessen vollständiger Vernichtung vor, die gefährlichsten Mittel, wie Bakterienkrieg usw. sollen rücksichtslos angewendet werden. Auch Körber, der, was ich nicht wußte, sehr viel in der Welt herumgekommen ist (Goldene Tapferkeitsmedaille usw. hat), sieht das Heil nur darin, daß der Krieg nicht in die Länge gezogen werde, sonst wäre Deutschland wegen der Nahrungs- und Rohstoffbeschränkung erledigt. Körber ist übrigens auch mit den jetzigen Zuständen nicht zufrieden, hat keine Anstellung gefunden, wie er sie sich erwartet hatte. – Die Tschechen werden immer heftiger. – In unseren Zeitungen ist noch nichts über die gestrige Rede des Simon180 zu lesen, die sehr ernst und nachdrücklich war, gegen Berlin gerichtet, fortwährend von Krieg handelnd. Die gewissen Erklärungen, die Chamberlain Ende März bezüglich eines Konfliktes in Mitteleuropa und der eventuell von England und Frankreich zur Verteidigung ihrer Ideale von Freiheit und Demokratie zu spielenden aktiven Rolle abgegeben hat, wurden besonders unterstrichen. – Wurzian, vom Wörthersee zurückgekehrt, erzählt von ähnlichem Gerede über die jüdischerseits geschürte Kriegsgefahr. 29. 8. 1938  : Abschied bei Stein für die Dienststelle. Er ist sehr unsicher, muß weiter hierbleiben. Er hofft, daß ja kein Krieg kommen werde, das Scharfmachen gegenüber den Tschechen diene nur dazu, um möglichst viel für die Henleinleute herauszuschinden. General Muff wird nur stellvertretender kommandierender General in Hannover, scheint nicht recht zu wollen, hatte sich mehr erwartet. Er meinte, es sei nicht gut, daß der Wächter hier in Wien auf den gewissen Posten gestellt wurde, er sei nicht der Mann dafür, sei viel zu scharf und zu jung, er, Muff, kenne ihn ganz genau, in der Nacht nach dem Juliputsch habe er ihn 2 Tage bei sich in der Wohnung versteckt und dann über die Grenze gebracht. Stein redete wieder von einem Gesandtenposten für mich, er wisse aber nichts Näheres. Führte ansonsten über sich selbst merkwürdige Reden. Er selber möchte nur etwas Kleines nehmen, denn man müsse immer mit einer Geschichte, die einem bereitet würde, rechnen.

179 Otto Peter-Pirkham. 180 John Allsebrook Simon (1873–1954).

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30. 8. 1938  : Die tschechische Geschichte ist viel ernster als man gemeiniglich glaubt. Die Engländer waren bis heute sehr nervös und von Paris kommen auch scharfe Reden. Schöner, der eben von Berlin gekommen ist, erzählt, daß man dort in politischen Kreisen allgemein von Krieg spricht. 31. 8. 1938  : Die Dienststelle wurde durch Einziehen der Flagge eingestellt. Stein sagt, daß er bis auf weiteres hier zu bleiben habe. Warum, sagte er nicht. Er erging sich in einem starken Ausfall gegen Schuschnigg, der die Inkarnation der Ferdinande, vor allem Ferdinand II. gewesen sei, der Vertreter des politischen Katholizismus, wollte ein Österreich auf katholischer Grundlage, womöglich mit Heranziehung Bayerns und Schlesiens schaffen. Er werde am Leben erhalten bleiben, weil der Mussolini ihn schütze. Aber das Vermögen werde ihm wie den anderen, Schmitz181 und Reither, aberkannt werden. Berlin wolle den Krieg vermeiden. Die Engländer wollten anscheinend bindende Erklärungen bezüglich der Tschechei, die Berlin wieder wohl nur abgeben könnte, wenn eine Volksabstimmung stipuliert werde. Hitler werde mit der Tschechei abrechnen, wenn man mit ihr allein zu tun habe, was wohl bald der Fall sein werde. England werde genug anderswo beschäftigt sein. Dann komme die andere Reihe der offenen Punkte, der Korridor, die Kolonien, wo nicht viel herausschauen werde, und dann um das Jahr 44 die Abrechnung mit Rußland oder der Ausgleich mit ihm. Schuschnigg habe doch mit Leopold verhandelt, ihm aber nur ½ Stunde gewährt, worauf Leopold zwar energisch redete, aber natürlich nichts herauskam. 1. 9. 1938  : [Es geht unheimlich zu.] Die englische Flotte soll bei der schottischen Küste konzentriert sein. Tschechische Zeitungen fordern zu einer Flottendemonstration vor Helgoland auf. Die französische Luftflotte ist ebenfalls konzentriert, zur Grenze zu. Bei uns sind die Bahnen verstopft, es werden nur Lebensmittel befördert. Henlein ist nach Obersalzberg, um sich Instruktionen für sein Verhalten gegenüber dem neuen Hodžaplan zu holen. [Überdies besteht kein Zweifel, daß die Engländer und Franzosen im Fall eines bewaffneten Konflikts losgehen würden. Nach wie vor glaube ich nicht, daß der Führer sich zu so etwas jetzt hergibt.] – Die Zeitung »Der Telegraph« ist eingestellt, die »Reichspost« dürfte demnächst mit einem Konkurs folgen, trotzdem sie die Erlaubnis zum Erscheinen weiter verlängert erhalten hat, [über den 1. 9., eigentlich könnte sie als Kommanditgesellschaft gar nicht erscheinen – um den Telegraph ist nicht schade. – Nachmittag nach langer Zeit wieder einmal im Kino.] 181 Richard Schmitz.

2. 9. 1938

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2. 9. 1938  : Am Ballhausplatz bei Klezl wegen der Betreuung der ehem. Außenamtsbeamten. Es sieht noch sehr ungeordnet aus, nur Parteileute zu sehen und bei den anderen viel Unzufriedenheit und Ungewißheit. Ich bin einstweilen auf Urlaub. [Habe mich immerhin vorläufig für die erste Zeit meines Urlaubs, da ich in Wien bleibe, zur Verfügung gestellt. – Nichts Neues – in der Außenpolitik wird weiter beruhigt.] – In der Partei brodelt es. Die Illegalen sind nicht zufrieden und die turbulenten Elemente drängen. 3. 9. 1938  : In Schönbrunn am Nachmittag. Ein Zivilist, auf einer Bank neben mir sitzend, äußert sich sehr besorgt über die Kriegsgefahr, wir würden uns nicht rechtzeitig schützen können, die Tschechen würden in 7 Minuten schon hier sein, Luftschutzkeller hätten wir nicht und die Masken fehlten auch. [Wenn man uns nur 5 Jahre in Ruhe ließe, würden jetzt Menschen vorwärtskommen können.] – Hauenschield hat mit der Technischen Nothilfe sehr viel zu tun, die Vorbereitungen werden sehr beschleunigt. In der Nacht gehen fortwährend Truppentransporte, die Reibungen mit den Polen mehren sich. – In Italien gibt es auch schon systematische Judenaustreibung [und gerade auf Italien hatte Schüller so stark gebaut – auch der Zivilist meinte, wir stünden einem Angriff der Juden, die alle zusammenfassen, gegenüber.] 5. 9. 1938  : Die Westmächte fangen an, den Daumen fest zuzudrücken. Die französische Regierung182 gibt bekannt, daß sie im Hinblick auf die deutschen militärischen Vorkehrungen an der Westgrenze sich zu Reservisteneinberufungen veranlaßt gesehen habe. Dies sei eine Vorsichtsmaßregel, die die Öffentlichkeit nicht beunruhigen solle. Überdies sei in der politischen Lage eher eine Entspannung wahrzunehmen. Bei uns hält die Unruhe in militärischen Dingen an. 6. 9. 1938  : Auf die gestrige französische Mitteilung über militärische Vorsichtsmaßnahmen hat Berlin gleich geantwortet und sein Befremden ausgesprochen. Die Franzosen haben auch Techniker mobilisiert, während hier die Reservisten unter 45 Jahren, die noch nicht gedient haben, 3 Monate zurückgehalten werden, die Nachrichtentruppen 4 Monate. – Prag will jetzt mit einem endgültigen Vorschlag herauskommen, der angeblich so ziemlich alle 8 Punkte des Karlsbader Programms annehmen würde. Falls die Henleinleute dies nicht annehmen, soll nichts mehr gemacht werden und man will sich dann ganz auf England verlassen, das dann ebenfalls eine schärfere Sprache führen würde. – Nach Horn und ins Kamptal einen Ausflug gemacht. Überall und 182 Kabinett Édouard Daladier (1884–1970), 10. April 1938 bis 20. März 1940 Ministerpräsident.

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fortwährend auf den Straßen militärische Transporte, in der Ferne Artillerieschießübungen zu vernehmen. 9. 9. 1938  : Urbas erzählt, General Fritsch habe sich im Vorjahr gegen die Landnahme Österreichs gewendet, weil sie nur mit der Beherrschung der Tschechei zu machen und auf die Dauer gehalten werden könnte. Diesen Gedankengang habe man sich natürlich jetzt vor Augen gehalten. – Im Radio die Rede Hitlers an die politischen Leiter angehört. Wie mir vorkommt, zu starke Betonung des Sich-aufeinander-Verlassens und der Tätigkeit der Auslandsprophezeiung über Zerfall der Partei. Da können sich Spezialisten à la Freud183 wieder einhaken. Mit Hoffinger zusammen nach Schönbrunn. Ich ließ mich über die Hybris des Regimes aus. Dazu die Rede des Führers der Liberalen im englischen Oberhaus.184 Hitler denke wohl nicht mehr ernstlich an einen Krieg, denn er wisse wohl, daß ein Krieg das Ende seines Werkes und das Ende Deutschlands bedeuten würde. 11. 9. 1938  : Hudeczek hier, in Sorge wegen seines Fortkommens. Er weiß, daß Wächter über ihn noch nichts gesagt hat, will jetzt alle möglichen Leute einspannen, damit sie zu seinen Gunsten intervenieren, sehr enttäuscht von Berlin, schlechte Behandlung, es schaue gar nichts heraus, ein großes Intrigennest, einer gegen den andern, bei den höheren Vorgesetzten gar nicht vorgelassen worden, jetzt hier zur Südbahnverhandlung, weil die Franzosen auf Regelung der Obligationenfrage bestehen. Von Min. Rat Schiffner vorgetragener und von der Regierung angenommener Standpunkt, daß die Rechtsnachfolge abgelehnt werden müsse, ist offenbar nicht haltbar. Die Italiener nützen die Achsenposition rücksichtslos aus und setzen fortwährend Konzessionen durch. Wirtschaftliche Lage in Italien schlecht. In Turin und sonst in Oberitalien starke Betriebseinschränkungen. Der Anschluß koste 500 Millionen RM Devisenzuschuß für das Handelsbilanzdefizit und Zahlung der Außenschulden. Die Devisenlage werde sich verschlechtern, vorläufig noch günstig, aber die Ausfuhr nehme sehr stark ab und es sei mit einem starken Nachlassen der Deviseneingänge im nächsten Jahr zu rechnen. Scharfes Vorgehen gegenüber der Tschechei, Erwägung einer wirtschaftlichen Blockade. Unsere Mannlichergewehre sollen den Ungarn abgetreten werden, dafür Einführung der Mauserbewaffnung. Der Dienst im Auswärtigen Amt klappe gar nicht. Sehr verspätetes Laufen der Akten und Telegramme und Durcheinander der Erledigungen.

183 Sigmund Freud (1856–1939). 184 Nicht zu eruieren.

12. 9. 1938

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12. 9. 1938  : Die Hitlerrede angehört. Ich fand sie unerhört drohend, ja vernichtend klingend. London hat noch in der Nacht beraten, Schweiz, Holland und Belgien sichern ihre Grenzen. Göring soll krank sein, sein gestriger Ausfall gegen die Tschechen als solche war ganz geschmacklos. 13. 9. 1938  : Es wird mir immer unheimlicher, obzwar ich die Entwicklung hatte kommen sehen. General Schäffer, den ich traf, meinte, militärisch sei man nicht so weit vorbereitet, namentlich was die Ausbildung der Truppen anlangt, um wirklich mit Ernst den großen Krieg auf kurze Zeit wagen zu können. – Ges. Riedl drückte sich bezüglich der wirtschaftlichen Vorbereitung und Möglichkeit ähnlich aus. Sie sei zwar besser als 1914, aber doch nicht genügend. – In den sudetendeutschen Gebieten gehen die Schießereien weiter. 14. 9. 1938  : Chamberlain fährt morgen zu Hitler, offenbar, um noch einmal zu sagen, daß die Engländer losgehen müssten, wenn die tschechische Frage nicht friedlich gelöst werden könne. 15. 9. 1938  : [In der Czernin Galerie, das Vermeer-Bild macht nicht mehr den großen Eindruck auf mich.] In Eger hat sich das dortige Hauptquartier der Sudetendeutschen Partei mit Waffen versehen. Es brach ein Gefecht aus, in dem die Tschechen sogar Geschütze verwendeten. Auch anderswo haben die Sudetendeutschen mit Waffengewalt opponiert, was schlecht ist und den Tschechen einen besseren locus standi gibt, ihnen freilich auf die Dauer nichts nützen kann. Standrecht auch in Reichenberg. 16./17. 9. 1938  : Die Tschechen werden konfus. Der Haftbefehl gegen Henlein und die Auflösung der Henleinpartei ist zurückgezogen. Andererseits ist Henlein geflüchtet. 18. 9. 1938  : Prag versteift sich, will von Volksabstimmung nichts wissen. 19. 9. 1938  : Die Tschechen bleiben dabei, daß sie nicht einmal von der Volksabstimmung etwas wissen wollen. – In London scheinen sich aber Engländer und Franzosen auf die Abtretung der deutschen Gebiete geeinigt zu haben und es scheint von der Neutralisierung der rein tschechischen Gebiete durch eine Garantie der Nachbarstaaten und

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durch England und Frankreich gesprochen worden zu sein. Die Rede Sebekovskys in Dresden am Abend angehört. Sie war, wie der Beifall, natürlich für die Umwelt bestimmt. Überzeugend klang mir nur der Hinweis darauf, daß Beneš mit seinem Finassieren und Politisieren am Ende sei. Bei ihm mußte man doch an Trug glauben, weil er immer wieder nicht wirklich Ernst mit der Anwendung der demokratischen Grundsätze gemacht hatte. 20. 9. 1938  : An der Grenze ist schon eine Art Kleinkrieg im Gange. Fortwährend Flieger über der Stadt. 21. 9. 1938  : Beneš scheint beizugeben. Vollgruber freigelassen. 22. 9. 1938  : Nach der Rückkehr von einem Ausflug nach Laab im Walde fand ich spät nachts eine Mitteilung der Dienststelle Stein vor, das Auswärtige Amt, Staatssekretär Weizsäcker, wünsche dringend meine sofortige Reise nach Berlin. Stein angerufen, wußte nur zu sagen, daß es sich um Fragen des Staatsvertrages von St. Germain handle. 23. 9. 1938  : Die mündliche Unterhaltung mit Stein führte nichts weiter zutage. Allenthalben nervöse Stimmung. Stein meinte unwirsch, es würde noch schlechter kommen können, man solle sich aber auf den Mann verlassen. Tatsächlich scheint die Verhandlung in Godesberg nichts weniger als die allgemein hier und von den Sudetendeutschen erwartete Einigung und Klärung gebracht zu haben. Ob man nicht wieder aneinander vorübergeredet hat wie bei den früheren Zusammenkünften und ob nicht die Engländer die befürchtete Hinhaltungstaktik betreiben  ? Mit Stein kam ich überein, daß ich doch nach Berlin fahre, um zunächst festzustellen, was eigentlich los ist, da eine Rückanfrage zu spät käme. 24. 9. 1938  : Mit 3 Stunden Verspätung angekommen. Überall auf den Stationen ernste Gesichter. In Sachsen sah ich vereinzelt Geschütze auf den Dächern, Maschinengewehre, Beobachtungsposten, die alle nach Osten Ausschau hielten. Im Auswärtigen Amt ist weder Weizsäcker noch Altenburg da, die Personalabteilung weiß nichts von meiner Einberufung. Es soll sich aber nach weiteren Informationen nur um eine kurze politische Information über politische Grenzfragen handeln. Warum gerade ich  ? Wahrscheinlich, weil man gehört habe, daß ich mit diesen Fragen mich nebenbei beschäftigt hätte.

25. 9. 1938

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25. 9. 1938  : Beneš hat gestern die Gesamtmobilisierung angeordnet. Nach den englischen Zeitungen, wie »Daily Telegraph« und »Times«, die ich eben gelesen habe, ist die Mobilisierung angeordnet worden, weil das tschechische Territorium von Deutschen angegriffen worden sei, vor allem von SA-Truppen. Die Franzosen haben 10 Divisionen an die Ostgrenze geschickt. Der Ministerpräsident185 hat erklärt, daß im Falle als die Tschechei angegriffen werden sollte, Frankreich seine Pflicht erfüllen werde. Die zwei englischen Zeitungen führen eine sehr heftige Sprache gegen Deutschland, besonders die »Times«, aber auch der sonst so deutschfreundliche »Daily Telegraph«. Besonders scharf wird die deutsche Propaganda hergenommen, die jedes Maß von Anständigkeit vermissen lasse und als einzige Waffe die Lüge verwende. Im Ausland glaube man ihr nicht mehr, im deutschen Inland lasse die Wirkung immer mehr nach. Aus den Zeitungen ist zu entnehmen, daß in Godesberg wirklich ein vollständiger Stillstand der Verhandlung eingetreten war, daß Chamberlain verlangte, es müsse die Besetzung und die militärische Bedrohung der Tschechei aufhören. Hitler hat ein Memorandum übergeben lassen, das, mit einer Karte versehen, schon an die Tschechei weitergeleitet worden ist, in dem die Durchführung der versprochenen Räumung verlangt wird. Die hiesige Presse greift sehr scharf das neue tschechische Kabinett186 an, das die Zusage Hodžas, Annahme der englisch-französischen Vorschläge, nicht mehr einhalten wolle  ; alles sehr unklar. Hitler soll morgen im Sportpalast sprechen. Vom Auswärtigen Amt keine Nachricht. 26. 9. 1938  : Bei Altenburg. Es stellt sich heraus, daß ich eigentlich für Godesberg gebraucht wurde. Man hatte Zweifel wegen einiger Grenzfragen gegenüber dem österreichischen Gebiet, hatte jemanden gesucht, Prof. Bittner und meine Wenigkeit waren genannt worden, worauf man sich sofort für mich entschieden hatte. Jetzt wolle man mich aber weiter behalten, da auf alle Fälle einmarschiert werden werde und den Militärs eine Delegation des Auswärtigen Amtes beigegeben werden solle, die unter Leitung des Fürsten Bismarck187 stehen würde. Ich solle Berater sein. Ich zog mich unter Hinweis auf meinen Gesundheitszustand zurück und erreichte zunächst – dies bei einer weiteren Unterhaltung mit dem Botschafter Bülow-Schwante –, daß ich wieder zurückfahren und einen weiteren Abruf abwarten solle. Ich empfing nicht den Eindruck, daß technisch diese Dinge in Berlin gut vorbereitet sind. Als Sprachenkarte dient ihnen die Winklerische Karte.188 Im Übrigen herrschte nur große Hast, 185 Édouard Daladier (1884–1970). 186 Kabinett Jan Syrový I (1888–1970), 22. September bis 30. September 1938 Ministerpräsident. 187 Otto Christian Archibald von Bismarck-Schönhausen (1897–1975). 188 Sprachkarte von Wilhelm Winkler (Sprachkarte von Mitteleuropa – Deutsches Selbstbestimmungsrecht  !), Wien 1923.

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heute soll nochmals Horace Wilson, der Berater des Chamberlain, nach Berlin kommen mit einer besonderen Botschaft. Hitler soll fest davon überzeugt sein, daß die Franzosen – und damit auch die Engländer – nicht losgehen werden. Das deutsche Militär werde aber marschieren. – Mit Hudeczek beisammen. Er ist eher unglücklich über seine Verwendung, was ich auch von den anderen Kollegen höre. Die ganze Technik macht ihnen Schwierigkeiten. – Am Abend die Rede Hitlers im Sportpalast angehört. Er wolle mit dem Volke bei der letzten Entscheidung gehen. Clodius, mit dem ich auch noch zusammenkam, konnte bezüglich der letzten Wendung, die in Godesberg zum Ausdruck gekommen war, nur sagen, daß Franzosen und besonders der französische Generalstab jetzt wieder scharfmacherisch geworden seien, auch Chamberlain habe bei sich eine starke Opposition gefunden. Das Wesentliche aber, daß die Sache von Berlin aus mit Gewalt gemacht werden soll, zuerst die Tschechen hinaus, Besetzung durch das deutsche Militär, und dann Volksabstimmung, wurde von keiner Seite genannt. Ich habe wieder den Eindruck, daß man abermals aneinander vorbei gesprochen habe. In Godesberg ist Chamberlain sich offenbar dessen inne geworden, daß Hitler von Anfang an eine ganz andere Linie hatte, die er wiederum von Chamberlain gebilligt glaubte, eben die Linie, die im Memorandum zum Ausdruck kommt. – Von Clodius erfuhr ich übrigens, daß Preßburg fallen gelassen und den Ungarn überlassen werden soll. Außerdem glaube ich aus seinen Bemerkungen verstanden zu haben, daß man bisher nicht ganz genau gewußt hatte, was Oderberg, die Station, wegen ihrer Verbindungen mit der Slovakei bedeute und daß es ähnlich wie Preßburg in diesem Falle den Polen überlassen wurde. Ich machte große Augen. Am Abend nach Wien zurück. 27. 9. 1938  : Bei Stein, der ganz entsetzt ist über die Entwicklung der Dinge. »Um Gottes Willen, nur keinen Krieg  ! Das Memorandum können die Tschechen doch nicht annehmen.« Aus Budapest seien übrigens bessere Nachrichten da. Daran, daß Preßburg den Ungarn überlassen wird, findet er gar nichts, änderte aber gleich seine Ansicht, als ich auf die Slovakei hinwies, die doch nicht wieder den Ungarn überlassen werden könne. Das werde man niemals verstehen können. Auf die Ungarn ist man übrigens nicht gut zu sprechen. Göring soll ihr Verhalten, nichts machen und dann etwas haben wollen, als Leichenfledderei bezeichnet haben. – Hier wird erzählt, daß fremde Flieger Wien überflogen haben, daher ein allgemeines Verbot, Wien zu überfliegen. Heute große Demonstrationen. Die Stimmung bei den ernsten Leuten und im Publikum ist sehr ängstlich, die Jugend randaliert. 28. 9. 1938  : Die von den Franzosen gebrachte deutsche Übersetzung der Chamberlain RadioBotschaft klingt etwas anders als die von den hiesigen Zeitungen wiedergegebene.

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Einige Stellen  : »Der Tschechei erscheint es unmöglich, sich dem im Memorandum angegebenen Vorgang anzuschließen. {unleserlich} Als ich nach Deutschland zurückkehrte, mußte ich mit Erstaunen und Schrecken feststellen, daß Hitler verlangt, daß das Gebiet sofort ausgeliefert werde und seine Truppen es besetzen, ohne daß Vorkehrungen getroffen werden, um die nichtdeutschen Bewohner zu schützen. Ich muß erklären, daß ich diese Haltung ungerechtfertigt finde. Da Hitler Zweifel in die Haltung der Tschechen zu setzen schien, erbot ich mich, die Garantie der englischen Regierung für die Übernahme zu geben. Ich würde nicht zögern, mich zum 3. Mal nach Deutschland zu begeben, wenn es nützlich wäre. Gegenwärtig ist dies aber nicht der Fall.« Dann sprach er eingehend von den englischerseits getroffenen Maßnahmen und denjenigen, die bevorstehen, die aber nicht bedeuten, »daß wir zum Krieg entschlossen sind oder daß der Krieg bevorstehe. Wenn wir aber sehen, daß eine Nation der Welt ihre Herrschaft einer anderen aufzwingen wollte, so könnten wir nicht zurückbleiben, das Leben wäre nicht lebenswert.« Die Versprechungen bezüglich der Übernahme sind nicht der deutschen Regierung gemacht worden, sondern tschechischerseits der englischen und französischen Regierung. – Berlin ist jetzt auch in einer Sackgasse und es wäre interessant zu wissen, ob Chamberlain dem Hitler mit genügender Deutlichkeit seinerzeit die gewissen Erklärungen über die Übernahme, also die nicht direkte, abgegeben hat. Dieser unselige Obersalzberg  ! Diese direkten Verhandlungen der Staatsmänner, die immer schief gehen. Solche Pallawatsche hat die zünftige Diplomatie doch nicht verursacht. – Die Panik unter den Tschechen scheint noch größer zu sein. Am Abend höre ich, daß die Engländer den Mussolini um Intervention ersucht haben und daß dieser sich dazu bereit erklärt habe, worauf Hitler den Engländer, den Franzosen und den Italiener für morgen nach München lud. [Keine Nachrichten von unseren Geschwistern aus der Tschechei – die Panik unter den Tschechen scheint noch größer zu sein – am Abend Gott sei Dank gehört, daß die Engländer den Mussolini um Intervention ersucht haben und dieser sich dazu bereit erklärt hat – wofür Hitler den Engländer für morgen nach München ladet.] 29. 9. 1938  : München scheint gut zu gehen. Mastný ist nur Beobachter. – Mit Hoffinger zusammen, der nichts weiß. 30. 9. 1938  : Die »Großkopferten« haben sich in München geeinigt. Hitler und Chamberlain haben sich ewigen Frieden geschworen. Was werden die Russen dazu sagen  ? [Wir können jedenfalls froh sein, hoffentlich geht die Sache in der Tschechei glimpflich ab.]

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1. 10. 1938  : H.189 wurde kürzlich in aller Früh geweckt. Alle Inhaber von Waffenpässen, mit Ausnahme SS- und SA-Angehöriger mußten ihre Waffen auf Grund Parteibefehls sofort abliefern. Das scheint so etwas gewesen zu sein wie mit den jüdischen Autos. Ein Polizist, der sich einmischen wollte, wurde bei der Parteistelle gröblichst hinausgewiesen. [Das sind wieder Dinge, die einem nicht gefallen können.] 2. 10. 1938  : [… Abendandacht in der Rochuskirche, der Pfarrer Schmid190 installierte eine Art Erntedank vor und ein schönes Tedeum anlässlich der Befreiung des Sudetenlandes.] 3. 10. 1938  : In Deutschböhmen wird einmarschiert. 4. 10. 1938  : [Mit der Adi191 nach Schönbrunn – dann nach Rodaun zum Ursulinen klösterliches Erziehungsinstitut – die Nonnen dürfen nicht mehr unterrichten, dürfen auch nicht weg, das Klostergebäude soll ihnen weggenommen werden, einstweilen sind sie aber in Sicherheit, da im Kloster eine Flakabteilung untergebracht ist – auch Frohsdorf und Wiener Neustadt, was sie mühselig eingerichtet hatten, soll ihnen weggenommen werden – das sind die örtlichen Nazi – und keine Hilfe, keine Instanz dagegen …] Die Slovakei macht sich selbständig. Beneš ist zurückgetreten. Dieser Mann ist an dem Zusammenbruch zum größten Teil schuld. – Lese zum ersten Mal »Mythos des 19. Jahrhunderts« von Rosenberg.192 Viele Unklarheiten, Unrichtigkeiten, schiefe Urteile. Peter-Pirkham193 hatte über Rosenberg am Obersalzberg mit dem Pressechef Dietrich194 zu sprechen Gelegenheit, der ebenso wie ein anderer Nationalsozialist das Buch als ein oberflächliches Machwerk erklärte. – Die englische Opposition gegen Chamberlain ist ziemlich stark. Näheres wissen wir nicht. 7. 10. 1938  : [… die Tage von Godesberg und Einmarsch Vollzug nicht schön gemacht.]

189 Hans Wildner senior. 190 Leopold Schmid. 191 Adele Wildner. 192 Alfred Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts, München 1930. 193 Otto Peter-Pirkham. 194 Otto Dietrich (1897–1952).

9. 10. 1938

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9. 10. 1938  : Alles spricht von dem gestrigen Pogrom im Palais des Erzbischofs.195 Er soll am Tag eine heftige Antinazirede gehalten haben und angeblich soll es sich um das Werk von Provokateuren handeln. Jetzt, am Abend, sind alle Kirchen unter Schutz der Partei gestellt worden, in die Wohnung des Kardinals darf niemand kommen. Am Stephansplatz kleine Ansammlungen, sehr viele Funktionäre und Schutz- und Geheimpolizei. Das wird von der Auslandspropaganda gehörig ausgeschrotet werden. 10. 10. 1938  : Die Fensterscheiben des Erzbischöflichen Palais sind noch immer zerschlagen, sogar jene der Andreaskapelle. Wie mir eine Zeitungsverkäuferin, die das Ganze mitangesehen haben will, erzählt, ist die Hitlerjugend eingedrungen nach einem offensichtlich festen Plane, habe auch im Inneren Verschiedenes zerstört, ein Bild des Kardinals196 herausgebracht und verbrannt. Vor dem Palais war heute wieder Bewegung. Am Abend nahm sie so zu, daß 2 Überfallskommandos der Polizei kamen und den ganzen Platz mit der Rotenturmstraße räumten und auch die uniformierten Mitglieder der Partei sehr ruhig und bestimmt zum Verlassen zwangen. Das Ganze ein Skandal für die Partei. Die offensichtliche Unfähigkeit der Parteileitung, über die hier offen gesprochen wird, wird wohl bald einen Wechsel zur Folge haben. Am Nachmittag ein Wirbel bei der Rochuskirche, diesmal von Frauen. Der Pfarrer Schmid197 hat, wie vorauszusehen war, die Nazis durch seine Haltung nicht gewinnen können. Der Anlaß zum Überfall auf das Erzbischöfliche Palais sollen Äußerungen des Innitzer gewesen sein, der vor Kindern im Stephansdom erklärte, daß er nur einen Führer kenne, nämlich Gott, und daß er sich über die Kleidung der HJ aufhielt. Das werden wahrscheinlich nicht in gerade geschickter Form getane Äußerungen gewesen sein. Aber schon vor 3 Jahren haben sich katholische Akademiker über Innitzer recht despektierlich ausgesprochen. – In Frankreich scheint sich ein Widerstand gegen die Politik Daladiers vorzubereiten, ebenso in London gegen Chamberlain. 11. 10. 1938  : Neubacher hat gestern in einer Versammlungsrede den Innitzer nicht gerade geschickt erwähnt, auch er wird dafür keine Lorbeeren ernten.

195 Theodor Innitzer (1875–1955). 196 Theodor Innitzer (1875–1955). 197 Leopold Schmid.

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12. 10. 1938  : Der Nuntius198 soll hier sein, um sich wegen der Zwischenfälle von Samstag und Sonntag zu erkundigen. Die Sache ist doch viel ernster gewesen, siehe ein Bericht des hiesigen »Times«-Korrespondenten,199 der die Vorgänge selbst beobachten konnte. Es sollen 5000 Menschen beteiligt gewesen sein, ein Crucifixus und ein Muttergottesbild wurden verbrannt. Außerdem viel Mob. Im Kurhaus wurde nach dieser Darstellung ein Priester200 vom Fenster in den Hof gestürzt, kurzum eine miserable Geschichte und eine neue Hetze, namentlich des »Schwarzen Korps« hat wieder eingesetzt. In der Leopoldstadt, die immer an der Spitze der rüdesten Hetzer marschiert, wurde den Politischen Leitern nahegelegt, aus der Kirche auszutreten, es koste nur 25 Rpf. Andererseits ist die Unruhe in der großen Politik wieder größer. Eben hörte ich eine neue Hitlerrede, in der er das Gelöbnis verlangte, wenn es notwendig wäre, mit dem Leben und der Gewalt das eben Erworbene zu bewahren. Die englische Flotte hat nicht demobilisiert. 13. 10. 1938  : Auf dem Heldenplatz große Kundgebung gegen den politisierenden Klerus. Globocnik201 hatte die Erwartung ausgesprochen, daß jeder anständige Genosse kommen werde. Er selbst sprach nicht, aber Bürckel, der mit dem Kardinal202 abrechnete. Nachher Vorbeimarsch beim Erzbischöflichen Palais. Ich verstehe die Sache nicht ganz. Es muß etwas hinter den Kulissen vorgegangen sein. Die Verhandlungen mit dem Kardinal, die nicht recht vorwärtskamen, dabei gewissen Elementen nicht paßten, oder hat Globocnik, dessen Position stärker erschüttert sein soll, einen Gegenstoß zu seinen Gunsten führen wollen. [Der Nuntius203 ist hier gewesen, um sich an Ort und Stelle zu unterrichten.] Von den gewissen Unentwegten abgesehen, scheint aber doch die Stimmung der meisten dafür zu sein, daß Ruhe gehalten werde. Freilich ist man sich über die Unzulänglichkeit des Innitzer so ziemlich einig. Andererseits aber, wer soll es glauben, daß man, wie von einer gewissen Propaganda behauptet wurde, wirklich Überfälle auf die Hitlerjugend vorbereite  ? [Hans204 rückt um so stärker von diesen Dingen ab …]

198 Cesare Orsenigo (1873–1946). 199 Nicht zu eruieren. 200 Johannes Krawarik (1903–1968). 201 Im Typoskript durchgehend  : Globocnig. 202 Theodor Innitzer (1875–1955). 203 Cesare Orsenigo (1873–1946). 204 Hans Wildner senior.

14. 10. 1938

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14. 10. 1938  : Die ungarisch-slovakischen Verhandlungen haben sich zerschlagen. Die Ungarn mobilisieren. Kánya soll sich bei seiner Antwort nicht einmal die Mühe genommen haben, die Unterhaltung sitzend zu führen. Darányi wurde nach Obersalzberg geschickt und Csáky nach Rom. Imrédy soll in Berlin nicht mehr gut angeschrieben sein, weil er für die Hergabe des Burgenlandes ein Militärbündnis vorgeschlagen habe. Seltsam, daß er sich mit so einem Schwindel überhaupt hervortraute. Sie haben nichts gelernt und die Slovakei ihnen überantworten, heißt ein schreiendes Unrecht begehen. Wie werden übrigens die Dinge sich weiter entwickeln  ? Chamberlain hatte in seinem Bericht über die Godesberger Unterhaltung erwähnt, Hitler hätte gesagt, er werde vor einem Weltkrieg nicht zurückschrecken, um den Sudetendeutschen das Selbstbestimmungsrecht zu garantieren, und hatte England gefragt, ob es das Selbstbestimmungsrecht anerkennen würde, dies unter der Voraussetzung, daß nichts in der Tschechei geschehe. Daraufhin hatte Chamberlain, wenn ich mich richtig erinnere, sich einverstanden erklärt, eine Zusage zu machen, daß die mehr als 50 % tschechischen Gebiete abgetreten werden, wenn Deutschland sich einer internationalen Garantie anschlösse, daß nämlich die neuen Grenzen gegen einen nicht provozierten Angriff geschützt werden. Die Tschechen haben sich am 21. 9., tags darauf, einverstanden erklärt. Hitler hat dann zur Frage der Garantien bemerkt, er habe nichts dagegen, könne sie aber in so lange nicht übernehmen, als sie nicht auch die anderen Mächte hätten. Auf den Vorschlag der Abtretung wollte er sich unter den geschilderten Verhältnissen nicht einlassen, weil er zu den Tschechen kein Vertrauen mehr habe. Zuerst käme die deutsche militärische Besetzung. Chamberlain sah darin eine unbedingte Ablehnung seines Vorschlages, der durch andere Vorschläge ersetzt sei, an die man in London und sonst nie gedacht habe, Hitler wollte einstweilen ganz kurze Zeit Ruhe lassen, vorausgesetzt, daß in der Tschechei das gleiche geschehe. Zur schriftlichen Fixierung sah sich Chamberlain deswegen veranlaßt, weil er die Empfindung hatte, daß er bei der mündlichen Unterhaltung nicht richtig verstanden worden sei. Tatsächlich hat dann England zur Garantie nachgegeben, wie die heutige Veröffentlichung zeigt, und ist darüber sogar hinausgegangen, indem die Volksabstimmung, die seinerzeit sogar deutscherseits vorgeschlagen worden war, fallen gelassen wurde. – England wird jetzt in Hongkong von den Japanern und in Cypern von den Griechen gezwickt. In Frankreich steigert sich die Agitation gegen das Kabinett Daladier. Die Austritte aus der Gruppe Flandin sind ja eigentlich gegen Daladier gerichtet. 15. 10. 1938  : Spaziergang mit Hoffinger. Er hat gehört, daß die Übernahme der Beamten sich deswegen hinausziehe, weil der Ribbentrop vorher seine Leute übernehmen lassen wolle, etwa 80 Mann. – Die Brasilianer haben die Abberufung des Botschafters Ritter verlangt.

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17. 10. 1938  : Diverse Pogromnachrichten. – Wiederum Luftschutzversammlung mit stark antisemitischer Note. [R.205 erzählt, daß der Pfarrer von Mödling206 ermordet worden sei – in der Times vom 15. steht, daß in der Nacht vorher der Mob in eine Synagoge eingedrungen sei und Brand gelegt habe.] 18. 10. 1938  : Klezl erzählt, es bestehe jetzt der Plan, alle Beamten, gegen die die Politische Abteilung hier keinen Einspruch erhoben habe, sofort auf den Etat des Auswärtigen Amtes zu übernehmen, und jene, die nicht sofort benötigt werden, einfach zur Disposition zu stellen. [Ich bin skeptisch wegen der weiteren Entwarnung – Altenburg und die anderen Herren haben noch nicht weiter gerührt – über verschiedene Kollegen wurde schon geurteilt.] Wildmann ist angeblich ohne Bezüge entlassen worden als politischer Adlatus des Adam,207 ebenso Baron Fröhlichsthal, der noch vor einem Jahr außertourlich avancierte, ferner Winterstein208 als Personalreferent und Nichtarier. Das scheint aber nicht zu stimmen, indem er sich bemüht, dahin zu wirken, daß er möglichst spät pensioniert werde. Min. Rat Schier ist im Landesgericht. Es sollen Gelder aus dem Zentralspendenfonds fehlen. 20. 10. 1938  : Die Militärverwaltung im Sudetenland ist schon aufgegeben. Damit ist der seinerzeitige Plan des Auswärtigen Amtes offenbar erledigt, der mir schon in Berlin ganz unsicher schien. [Wie recht unsicher mir das Ganze schon in Berlin vorgekommen war – Wurzian bei mir, nichts Neues {unleserlich} viel gedacht, viel gefällt mir nicht, unsichere Gefühle über die Gestaltung der großen Politik – es wird weiter gerüstet und gehetzt.] 22. 10. 1938  : Beck209 scheint sich in Rumänien ein ordentliches Refus geholt zu haben in der Frage des Karpathengebietes. Die Rumänen legen die Ohren immer mehr zurück und denken sich  : morgen mir usw. Wie lange wird sich Imrédy noch halten können  ?

205 Nicht zu eruieren. 206 Nicht zu eruieren. 207 Walter Adam (1886–1947). 208 Paul Winterstein. 209 Józef Beck (1894–1944).

23. 10. 1938

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23. 10. 1938  : Der Kardinal210 ließ nach der Messe auf die Anschuldigungen eines Nachrichtenbüros antworten, er habe in seiner Dompredigt mit keinem Wort gegen den Führer gesprochen, habe mit dem Wirbel, der nachher entstanden war, nichts zu tun gehabt, die Warnung an die Priester wegen der Beteiligung an der Gemeinschaft für den konfessionellen Frieden sei auf einen Beschluß aller österreichischen Bischöfe zurückzuführen. Die Befreiung seiner deutschböhmischen Heimat habe er durch Dankgottesdienste und Kirchengeläute feiern lassen. 24. 10. 1938  : Beim alten Peter,211 der zum zweiten Mal von einem Auto überfahren wurde, ohne daß ihm etwas Ernstliches geschehen ist. Er meinte, daß die Unordnung weitergehe, es werde erst die dritte Garnitur kommen müssen. 25. 10. 1938  : Horicky getroffen, der erzählt, Innitzer habe in der Predigt den Kindern gesagt, es gebe für sie nur einen einzigen Führer und dieser sei unser Herr Jesus Christus. [Das war natürlich in dieser Form zu mindest sehr ungeschickt.] Horicky gehört einem IglauKomitee an, zusammen mit dem Schriftsteller Strobl.212 Sie haben bei Seyß-Inquart und in Berlin bei Reichsminister Lammers vorgesprochen, damit die Interessen des Iglauer Deutschtums gewahrt bleiben. Es soll jetzt ein deutscher Vizekonsul nach Iglau kommen. Horicky meint, es müsse erst die jetzige Führerschichte und die zweite nachfolgende abwirtschaften, bis hier eine wirklich ruhige Entwicklung einsetzen könne. Hitler war nachmittag nach Wien gekommen. Die Nachricht verbreitete sich nur sehr langsam in der Stadt. Das Hotel Imperial und die dazu gehörigen Teile der Ringstraße sind streng abgesperrt. – In Litauen tut sich etwas. 26. 10. 1938  : Heinl getroffen. Er ist mit ¼ Abzug pensioniert worden und aus der Konzeptsbeamtengruppe herausgenommen worden, in die er, wie er selbst zugibt, erst voriges Jahr hineingegeben wurde. Er ficht aber die Kürzung an. Im Übrigen ist ihm nichts geschehen. Im Hinblick auf die gegen ihn erhobenen Anwürfe ist er noch gut davongekommen. Im Übrigen ist er im Cercle Club tätig, wo, wie er auch erzählt, Dumba, Mensdorff und Gautsch sein sollen. – Die Tschechen bleiben gegenüber den Ungarn fest. Letztere müssen schon zugeben, daß sie das Karpathenrußland nicht bekommen können und daß sie auf Preßburg verzichten. 210 Theodor Innitzer (1875–1955). 211 Franz Josef Peter (1866–1957). 212 Karl Hans Strobl (1877–1946).

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28. 10. 1938  : Auf einmal wird von Berlin aus mehr von Demokratie gesprochen, von der echten, wahren, wirklichen, wie sie in Deutschland bestehe, die Verbundenheit zwischen Führenden und Gefolgschaft, die sich besonders in der Krise des Vormonates gezeigt habe  ; besonders der Goebbels spricht so. – Will man damit einer Stimmung im Volke folgen oder soll es nur an die Adresse der Westmächte, besonders England und Amerika, gerichtet sein  ? – Der große Brand in Marseille, der in der Nähe des Kongreßlokales der Radikalsozialistischen Partei ausgebrochen ist und nicht aufhören will, ist doch etwas Merkwürdiges. [Fast wäre man versucht, auch hier wie bei unserem Justizpalast die Hände Moskaus zu suchen.] 30. 10. 1938  : Reg. Rat F.,213 der bis zum Umbruch bei uns Leiter der Dienststelle der Vaterländischen Front war, ein früherer Offizier, trägt das Parteiabzeichen. 31. 10. 1938  : [… lese Führergeschichte – so unwirklich was jetzt geschieht – Schande.] 1. 11. 1938  : Göring ist hier, angeblich nur privat mit seiner Frau,214 wird durch eine Staatsjagd gefeiert. Vielleicht will er auch die Schiedsgerichts- und diplomatischen Verhandlungen kontrollieren, die morgen hier wegen der Tschechoslovakei im Belvedere stattfinden sollen. Aus Berlin kommen die ungarischen Prätentionen abwiegelnde Stimmen. Die Ungarn sind etwas »gedäftet«. Preßburg und das Karpathenland dürften sie nicht bekommen. Das scheint schon sicher zu sein. Ihr Generalstabschef215 ist, wie schon seit Wochen verlautete, zurückgetreten. 3. 11. 1938  : Günther216 erzählt, daß die Fa. Petzold in Krieglach seit dem Umbruch ihren Eisenbedarf nicht mehr bei der Alpine, sondern aus dem Siegerlande decken muß und daß sie um 20 % billiger verkaufen muß, trotzdem sie teuerere Frachten zu zahlen hat, was zur Folge hat, daß das Werk monatlich mit 70.000 Mark unterbilanziert. Der Betrieb wurde daraufhin von Berliner Fachleuten untersucht, die eine Umgestaltung des Werkes mit neuen Maschinen verlangten, die aber erst in 2 Jahren geliefert wer-

213 Nicht zu eruieren. 214 Emmy Göring (1893–1973). 215 Lajos Keresztes-Fischer (1884–1948). 216 Otto Günther (1884–1970).

4. 11. 1938

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den könnten. Knips,217 als Machthaber der Firma, hat das Werk den altreichsdeutschen Herren umsonst angeboten. [Ein von der Treuhandgesellschaft vorbereiteter Kredit von 300.000 Mark würde natürlich an der katastrophalen Lage nichts ändern.] Frage  : Was kosten die neuen Anlagen, die jetzt an der Westgrenze in Bau oder schon fertiggestellt sind, angeblich 170.000 Betonwerke  ? – Günther erzählte weiter, im »Tempo« sei behauptet worden, daß Fröhlichsthal als Hauptzeuge gegen Schuschnigg geführt werden soll. Hoffinger erzählt, daß Sommaruga mit ¼ und Seemann mit ½ Kürzung pensioniert wurden. 4. 11. 1938  : Ciano hat gestern noch eine Jagd auf Fasane in der Lobau mitgemacht. In der großen Politik wird wieder flau gemacht. [Ribbentrop ist heute zurückgefahren – nichts Besonderes – das Buch des Botschafters218 über Panslawismus und Panamerikanismus wieder einmal durchgelesen – auch er kommt zum Schluss, daß die Tschechei in den großdeutschen Raum gehört, daß sie aber mit den Bewohnern des Elberaumes als besonderes Problem behandelt werden muß – ist auch meine Meinung seit jeher gewesen.] In Paris betätigt sich angeblich stärker die Volksfrontpolitik und Daladier ist angeblich in den Hintergrund gedrängt. – Mussolini hat heute an die Frontkämpfer anläßlich der Wiederkehr der Beendigung des Weltkrieges eine Ansprache gehalten und gesagt, man dürfe sich nicht übertriebenem und voreiligem Optimismus hingeben. Man müsse die Augen offenhalten und weiter mit dem Haupt auf dem Tornister schlafen. Bei der Erwähnung der errungenen heiligen und natürlichen Grenzen des Vaterlandes rief die Menge  : »Tunis«, dann »Savoia« und bei der Erwähnung der Schaffung des wahren Friedens auf Grundlage der Gerechtigkeit rief man »Nizza« und bei den Worten vom Schlafen auf dem Tornister erscholl der Ruf  : »Malta«. [Übrigens wurde auch sonst in Italien gegen Frankreich scharf gemacht, das sich darüber klar werden müsse, daß es jetzt die Änderung der Dinge im Mittelmeer und die besondere Stellung Italiens anerkennen müsse – ich las anläßlich der Unterhausrede Chamberlains von vorgestern – auch er genierte sich zu sagen, daß man in München zu gute und freundschaftliche Regelung auf Kosten der Tschechei zu Willen gehandelt habe.] – Die Rotspanier haben veröffentlicht, daß in Weißspanien noch 90.000 Italiener sind und daß die abgezogenen italienischen Truppen durch neue ersetzt werden. 6. 11. 1938  : Der polnische Rundfunk erklärt, daß die karpathische Frage nicht geregelt sei und daß Ungarn und Polen das Streben nach einer gemeinsamen Grenze nicht aufgege217 Im Typoskript  : Kniep. 218 Konstantin Dumba (1856–1947), Dreibund- und Entente-Politik in der Alten und Neuen Welt, Wien 1931.

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ben haben. – H.219 erzählt, daß die DDSG schon ein Defizit von 3 Millionen Mark habe. Bisher hatte keine Verwaltungsratssitzung stattgefunden. Lauter SS- und SAMänner werden angestellt. 4 Autos statt 2 früher. Witz  : Warum wir uns noch weiter des Tschechischen im Rundfunk bedienen  ? Antwort  : Damit die Väter der maßgebenden SS- und SA-Leute etwas davon erfahren, was in der Welt vor sich geht. [Die Partei verlangt von uns Ariern im Haus, daß wir die Kündigung der jüdischen Mieter verlangen sollen – wir Beamte werden dem Ansinnen wohl kaum ausweichen können. – Na, servus, das vorgestrige Erdbeben habe ich förmlich vorhergespürt, mein Bett schwankt von Nordost nach Südwest, das Gemäuer wackelte sehr lang – die Parteizelle legte einen Bogen zur Unterschrift als Brief an die Hausherrnschaft mit Ersuchen der Kündigung der jüdischen Mieter vor – nach Rücksprache mit verschiedenen Leuten, darunter H. verteidigte ich es auch, ärgere mich aber die ganze Zeit darüber, daß ich es getan habe.] 7./8. 11. 1938  : Min. Rat. Willfort meinte heute, als wir von den Scherereien mit den Parteizellen sprachen, es werde nicht früher Ruhe sein, bis ein zweiter 30. Juni gekommen sei. Globocnik habe schon den blauen Bogen bekommen, wehre sich aber noch. 9. 11. 1938  : Der deutsche Leg. Rat vom Rath in Paris ist gestorben. Jetzt wird es wieder neue Ausschreitungen geben. 10. 11. 1938  : Pogrome haben im ganzen Reich begonnen, besonders heftig in Berlin, wo 9 Syna­ gogen angezündet wurden. Große Verwüstungen am Kurfürstendamm und in der Friedrichstadt, trotzdem am Nachmittag Goebbels Aufhören verlangt hatte. Auch hier sind mehrere Synagogen angezündet worden, man ließ sie ruhig brennen und trachtete nur, die umliegenden Häuser zu schützen. Die Schutzformationen sind jetzt alarmiert worden, viele jüdische Geschäfte zerstört. Traf Stein, der darüber sehr verstört und nebenbei erzählt, Ribbentrop sei mit seinem Ministerium nicht recht zufrieden und wolle offenbar es mit seinen Leuten stärker besetzen. [Stein bleibt vorläufig weiter hier.] 11. 11. 1938  : Die Pogrome sind planmäßig durchgeführt worden. Die Behörden griffen nicht ein. Die Synagogen waren mit Petroleum angezündet worden, infolgedessen konnte die Feuerwehr auch schwer löschen. Das Ganze hat einen miserablen Eindruck gemacht und wird gegen das Regime im Ausland sehr stark ausgenützt werden. Viele Juden 219 Hans Wildner senior.

12. 11. 1938

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sind eingesperrt, darunter viele hundert in den Sophiensälen. Die jüdischen Firmentafeln sind alle verschwunden. – Vorgestern haben tschechische Studenten das Masarykdenkmal bei der Universität in Prag umgestürzt. Beneš ist aus der Liste der Ehrenmitglieder des Tschechoslovakischen Kreuzes gestrichen worden. Wer hätte das vor zwei Monaten gedacht  ? 12. 11. 1938  : In England und in Amerika läuft die Presse Sturm gegen Deutschland. Man will auch in den Parlamenten eine Unterhaltung herbeiführen. Den deutschen Juden ist eine Sühneabgabe von 1 Milliarde Mark für die Ermordung des Herrn v. Rath auferlegt worden. Es soll jetzt strenge Ordnung gehalten werden. In Reichenberg und in Gablonz sind die Synagogen ebenfalls eingeäschert worden. 13. 11. 1938  : Bei einer Militärmesse, die heute in der Karlskirche zur Einführung des neuen Feldpropstes220 in Anwesenheit des Feldbischofs221 stattfand, hat der neue Propst, wie mir K.222 erzählte, eine Ansprache gehalten, in der er sagte  : »›Grüß Gott  !‹ wird heute von gewissen Leuten gesagt, die es nicht, wie es sein sollte, sagen. Warum sollen wir nicht ›Heil Hitler  !‹ sagen, denn was bedeutet das Wort ›Heil‹  ? Es kommt von Heiland, der Heiland hat uns ihn gegeben, der Deutschland wieder groß gemacht hat, Gott hat uns begnadet usw.« Die Kirche war gesteckt voll. – Traf den jüngeren Kollegen L.,223 der noch keinen Posten hat, aber jene glücklich schätzt, die noch hinauskommen konnten, nämlich ins Ausland. – Jetzt würde man hier das Silber anmelden müssen, zunächst zu statistischen Zwecken, [was nicht wahr zu sein scheint – die den Juden auferlegte Kontribution gebe zumindest zu Deutungen Anlaß.] – Stojadinović hat heute in Neusatz eine Rede gehalten. Die Lage Jugoslaviens sei großartig und ganz sicher. Es habe nicht für 1 Milliarde Kosten mobilisieren müssen, weil es seine Grenzen durch Verträge wirklich gesichert habe. Es werde auch nichts abtreten, denn Jugoslavien sei nicht am grünen Tisch geschaffen worden, sondern durch Blut und Eisen. Es werde also keine Fußbreite abtreten und darüber auch nicht verhandeln. – Tatsächlich können auch die Ungarn den Jugoslaven gegenüber das volkspolitische Prinzip ins Treffen führen. Im Übrigen berief sich Stojadinović auf die Entente mit Rumänien und auf die Abreden, die mit Ungarn in Bled getroffen worden sind.

220 Georg Werthmann (1898–1980). 221 Franz Justus Rarkowski (1873–1950). 222 Karl Wildner. 223 Nicht zu eruieren.

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14. 11. 1938  : In England geht die Erregung wegen der hiesigen Judenmaßnahmen weiter. – Winterstein224 bei mir, erzählt mir von seiner Entlassung, kann sich die Gründe dazu nicht erklären, ist wieder zutiefst betroffen, daß Guido Schmidt bisher nicht mit ihm sprechen wollte. – Klastersky eingesperrt, angeblich im Zusammenhang mit den Dingen des Min. Rat Schier. 15. 11. 1938  : Die deutschen Zeitungen und das Radio gehen gegen die englische Palästinapolitik los und ihre Grausamkeiten gegenüber den Arabern. – Der englische Geschäftsträger225 hat im Auftrag Chamberlains wegen der etwa britische Juden betreffenden Maßnahmen und wegen eines Artikels des »Angriff« interveniert, der verschiedene englische Abgeordnete, wie Churchill usw., mit dem Attentäter Grynszpan226 in Verbindung brachte. Goebbels soll gesagt haben, daß er von dem Artikel vorher keine Kenntnis hatte, worauf die englischen Zeitungen erwidern, daß Goebbels als oberster Propagandachef auch für die durch die deutschen Zeitungen gegen die englische Palästinapolitik gebrachten Artikel verantwortlich sei. – Der Papst227 hat wegen der neuen italienischen Ehebestimmungen, die er als einen Bruch der Konkordatsabmachungen bezeichnet, einen Brief an den König228 und an Mussolini gerichtet und heute vom König eine sehr beruhigende Antwort erhalten. – Die Schweizer Regierung hat die 3 nationalsozialistischen Zeitungen in der Schweiz verboten. Nachdem am Samstag noch der Bundespräsident229 festgestellt hatte, daß kein Zusammenhang mit den deutschen nationalsozialistischen Verbänden bestehe, sind gestern und heute 3 deutsche Nazis in der Schweiz verhaftet worden. Nach dem Straßburger Sender soll es sich bei diesen Personen um Leute handeln, die in der seinerzeitigen Autonomistenbewegung im Elsaß eine Rolle gespielt hätten. – Baron Oppenheimer soll sich gestern von einem Fenster seiner Wohnung auf die Straße gestürzt haben und tot liegen geblieben sein (der frühere Herausgeber der »Österreichischen Rundschau«). – H.230 erzählt Einzelheiten über die hiesige Judenverfolgung. Die Juden seien mit Gummiknütteln geschlagen worden, ein Jude sei gezwungen worden, sich mit einer Peitsche selbst durchzupeitschen, Juwelen und Wertgegenstände wurden ohne Bestätigungen abgenommen, ein Jude wurde mit dem Gummiknüttel dazu verhalten, eine schriftliche Bestätigung darüber auszustellen, daß er seinen Radioappa224 Paul Winterstein. 225 Nevile Henderson (1882–1942). 226 Im Typoskript  : Grünspan. 227 Pius XI. (1857–1939). 228 Viktor Emanuel III. (1869–1947). 229 Johannes Baumann (1874–1953). 230 Hans Wildner senior.

18./20. 11. 1938

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rat entgeltlich dem betreffenden SA-Mann gegeben habe. Ein SA-Mann fuhr einen Juden an  : »Haben Sie Waffen  ?« und warf selbst den Revolver in die Schublade. Man geniert sich jetzt sehr und Bürckel hat mit Berufung auf eine eben mit Göring gepflogene Rücksprache verlangt, daß mit Demonstrationen und Plünderungen aufzuhören sei und Plünderer an die Wand gesteIlt werden würden. Man fragt sich  : Heute geht es gegen die Juden, morgen kann es gegen die andern gehen. Hitler soll entschlossen sein, mit noch schärferen Mitteln bei uns Ordnung zu machen. Aber in Berlin ist doch auch geplündert worden. – Unterdessen wird hier die Beute verteilt und setzen sich andere Leute in den Besitz der verschiedenen Gesellschaften und Unternehmungen. 18./20. 11. 1938  : Veröffentlichungen über die gegen Schier und Klastersky erhobenen Beschuldigungen. [Auch Klastersky ist dabei und soll selber Gelder verschoben haben – ich habe ihn doch immer für angefault gehalten – die anderen sollen aber auch drankommen, die von den Geldern indirekt gelebt hatten durch Einladungen und Feste, die sie veranstalteten.] 21. 11. 1938  : In der Außenpolitik sieht man deutlich, daß die Annäherungsversuche einen starken Rückschlag erfahren haben, daß die Franzosen an ihre Sicherung denken und deswegen die Engländer bedrängen. [Während Chamberlain durch Judenfrage gehandikapt ist – für uns, Berlin, ist die Hauptsache, daß uns die Juden abgenommen werden – die Australier sollen doch 50.000 bis zu 100.000 abnehmen.] In Berlin soll das Abkommen über die endgültige Grenze mit den anderen Fragen heute zustande gekommen sein. – Weitere 60 tschechische Dörfer mit 50.000 Einwohnern werden zu Deutschland geschlagen. Wo ist da der Austausch  ? 22. 11. 1938  : Schaute mir heute den Einzug des neuen Flak-Regimentes an. Diese neuen Waffen sind imponierend, so ungeheure und geheimnisvolle Apparate. – Aus dem Westen kommen immer unangenehmere Situationsmeldungen. Von Verhandlungen über Kolonien soll vorläufig keine Rede sein, ebensowenig von Vertiefung der Beziehungen. – Im heutigen »Völkischen Beobachter«, Wiener Ausgabe,231 ein Artikel des Chefredakteurs232 an die Adresse der Ungarn, »Wir erwarten Loyalitäten«, nagelt das Verhalten der Ungarn gegenüber den Slovaken fest, wobei er die Bemerkung scharf machte, daß schließlich nur Deutschland allein sich in der tschechischen Sache angestrengt habe. 231 Völkischer Beobachter, 22. November 1938, S. 4. 232 Walther Schmitt (1907–nach 1961).

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23. 11. 1938  : Die deutsch-französische Nichtangriffserklärung wurde von der französischen Regierung genehmigt. Die französischen Zeitungen erklären dazu, daß damit die Frage der französischen Kolonien nicht weiter in Betracht käme. Was werden die Italiener eigentlich dazu sagen  ? 24./25. 11. 1938  : Unterhaltung mit Günther,233 der in der Finanzfrage ganz schwarzsieht. Erzählt von Wimmer, daß er sich in England habe neutralisieren lassen wollen, das Innenministerium soll aber abgelehnt haben. Er scheint sich vor allem auf Juden zu verlassen. Von seiner Frau234 Geschichten, die noch über die Frau Veverka gehen. Als der griechische König235 nach Griechenland zurückgekommen war, hätte eine Freundin der Baronin Wimmer erzählt, der König sei sehr unzufrieden, weil man in Athen nicht das englische weiche Papier beschaffen könne, an das er gewöhnt sei, worauf die Baronin nach dem Weggang des Besuches ans Telephon gestürzt sei und den Hofmarschall Levidel236 angerufen habe, um ihm zu sagen, sie haben eben gehört {unleserlich} und könne aushelfen, daß sie über eine Menge dieses Papiers verfüge, worauf L. sehr gelacht und gesagt haben soll, daß der König keinen Bedarf habe. Diese Geschichte sei überall in der Gesellschaft erzählt worden. [Meine Münzen habe ich Gott sei Dank frei bekommen – in Frankreich nimmt die {unleserlich}bewegung an Heftigkeit und Gewalttätigkeit zu.] – In Pest sind heute jüdische Geschäfte und Zeitungshäuser demoliert worden. [Was dort eigentlich vorgeht, verstehe ich nicht, wir sind gegen Imrédy und was will er eigentlich …] 27. 11. 1938  : Notierte mir eine Äußerung von Starace  : Das Mitleid sei eine Ideologie, mit der der Faschismus nichts zu tun haben will. 28. 11. 1938  : Den Grafen Rudolf Colloredo auf dem Ring getroffen, ist sehr abgemagert, erzählt, daß er 10 Wochen gesessen sei auf Grund von Beschuldigungen mehrerer Leute auf seinem Gute, die unsinnig und unbegründet waren, das Gut habe jetzt einen kommissarischen Leiter.237 Er ist aber trotzdem guter Dinge, so soll es ja jeder sein. – Die Polen verhandeln mit Rußland, was offenbar die Reaktion auf die Zurückweisung in 233 Otto Günther. 234 Maria Wimmer (1890–1976). 235 Georg II. (1890–1947). 236 Möglicherweise Paulos Leludas (1889–  ?). 237 Nicht zu eruieren.

29. 11. 1938

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der Karpathenrußland-Angelegenheit ist. – Innitzer soll angeblich nach Rom kommen und durch einen deutschen Bischof ersetzt werden. [Seine Lage ist ja für alle Seiten unhaltbar geworden.] 29. 11. 1938  : [K.238 hat hier seinen Kampf begonnen.] K. wurde in Berlin vom Personalchef vorgehalten, daß er anti-nazistische Haltung eingenommen habe, daß er insbesondere getarnt an Versammlungen teilgenommen habe, um Material für Berichte sich zu beschaffen. – Imrédy scheint sich zu halten, Kánya will aber gehen. Er soll von den Gesandten der Achse scharfe Vorhaltungen wegen der ukraino-karpathischen Angelegenheiten erfahren haben, illoyale Haltung, sogar grobe Lügen wurden ihm vorgeworfen. Dabei scheinen die Italiener doch am Anfang sich mit Bethlen eingelassen und den Ungarn Waffenhilfe, wie 200 Flugzeuge, die in Görz schon bereit waren, versprochen zu haben. Hitler soll aber sehr scharf eingegriffen haben. Die Ungarn sollen sich überhaupt so benommen haben, als ob der Schiedsspruch nicht bestanden hätte. Das wurde ihnen auch vorgehalten, kurz, sie sind jetzt außenpolitisch unten durch. Dabei haben sie aber auch mit den westlichen Mächten durch Financiersvermittlung packeln wollen. Militärisch sind sie ebensowenig auf der Höhe. Beim ersten Ansturm sind sie von den Tschechen fürchterlich durchgehaut und wären beinahe vernichtet worden. Die Mobilisierung sei miserabel gewesen, vor allem was die Ausrüstung anlangt. Deswegen wurden Kriegsminister239 und Generalstabschef240 davongejagt. Bei den ersten vorher geführten Verhandlungen hatten die Ungarn auf den Antrag, sich aktiv in voller Stärke zu beteiligen, zuerst auf das Verhältnis zu den Westmächten, das geschont werden müsse, hingewiesen und dann sich mit der mangelhaften militärischen Vorbereitung ausgeredet, worauf ihnen die sofortige Beistellung eines Armeecorps in Westungarn und der Schutz von Budapest gegen Fliegerangriffe in Aussicht gestellt wurde. Auch da hätten sie nicht angebissen. Dann aber, wie alles großartig für die Deutschen vonstatten ging, wollten sie es einholen und haben, nachdem Imrédy miserabel behandelt wurde, den Darányi nach Berchtesgaden geschickt, der sich zu allem bereit erklärte, worauf ihm gesagt wurde  : Austritt aus dem Völkerbund interessiert uns nicht, Militärkonvention ist für uns wertlos. Leichenfledderer. – Der Tscheche241 wieder sprach den Hitler mit »Mein Führer« an und sagte zu allem »Zu Befehl, ich habe die Ehre usw.« Ein bißchen Tollhaus muß das schon gewesen sein. Die Engländer schüren weiter und behaupten, daß

238 Clemens (Klemens) Wildner. Dies geht aus der Biografie hervor. 239 Jenő Rátz (1882–1949). 240 Lajos Keresztes-Fischer (1884–1948). 241 František Chvalkovský (1885–1945).

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in Deutschland wieder mobilisiert werde. Man wird sich aber doch nicht wundern, wenn nächstens den Polen eins aufs Dach gegeben werden wird. 1. 12. 1938  : Krise in Ungarn. Csáky soll ein kranker Mensch sein, dem Rückenmarkinjektionen gemacht werden müssen, soll von Mussolini gerne gesehen sein, dabei eine eher schwache Natur. Ich kenne ihn nur aus Telephongesprächen, die ich vor einigen Jahren mit ihm hatte, wobei er nicht den Eindruck einer bedeutenden Persönlichkeit machte. Dem Imrédy würde es besser liegen, schon weil er auf diese Weise das Außenamt stärker in die Hand bekommen könne. Aber Imrédy selber wird in Berlin, Wilhelmstraße, und in Parteikreisen als Politiker nicht voll genommen und als Bankmann bezeichnet, die alte Geschichte, wenn man jemandem etwas aufs Zeug flicken will, erklärt man ihn für einen tüchtigen Spezialisten. 2. 12. 1938  : Hitler hat in Reichenberg gesprochen. Andere Reden waren besser. Er muß müde und heiser gewesen sein. 3./5. 12. 1938  : Die Tunis- und Korsikahetze der Italiener regt die Franzosen sehr auf. Es kommt schon zu Demonstrationen. Im französischen Radio wurde ironisch vermerkt, daß, wenn sich die Regierung angeblich mit den Kundgebungen in der Kammer und auf der Straße nicht identifiziere, offenbar die italienische Regierung nicht mehr Herr der Straße und der Zeitungen sei. 6./7. 12. 1938  : Die Tunis- und Korsikahetze geht weiter. Im »Giornale d’Italia« stand vor 4 Tagen, das italienische Volk sei eins mit der Regierung, sei bereit zu marschieren, wenn notwendig, gegen Frankreich. Dabei findet die französische Propaganda es am Platze zu sagen, Italien hätte sich zur Aufwerfung der Frage den unpassendsten Zeitpunkt ausgesucht. Das würde also beinahe heißen, man könne darüber reden. – In der Personalsache der österreichischen Außenbeamten gibt es jetzt 3 Listen, die eine der Übernommenen, die andere der Nichtübernommenen und die dritte der der Statthalterei besonders Empfohlenen. Die Münchener Parteileitung hat jetzt neue Stellung bezogen, Leute, die von Berlin übernommen worden sind, begegnen Widerspruch bei Heß242 oder bei Wächter oder sonstwo, also das Durcheinander, das ich schon mehrmals zu beobachten Gelegenheit hatte. Dazu kommt die Haltung Ribbentrops, die noch aussteht, und es wird von ihm gesagt, daß er seinen Widerstand 242 Im Typoskript durchgehend  : Hess.

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gegen die Berufsbeamten verstärke. – Überall werden böse Witze erzählt, ganz offen, beim Friseur, im Gasthaus. Damit reagieren sich die Leute ihre Unzufriedenheit ab. Die meisten Witze kommen angeblich aus dem Altreich, Goebbels ist die Hauptfigur. Politische Gerüchte  : Bevorstehen einer Viererkonferenz in Rom, die sich mit Tunis beschäftigen soll. Daladier will Tunis und Korsika im Jänner besuchen. Die Demonstrationen in Italien und in Tunis gehen weiter. 8. 12. 1938  : In Paris haben sich Studenten, wie das Radio meldet, einen Scherz geleistet. Sie sind im Quartier Latin herumgezogen und haben gerufen  : »Venedig hat sich an Nizza und Italien an Korsika anzuschließen.« In Tunis waren neue Demonstrationen, bei denen die Präsidenten der italienischen Sport- und Frontkämpfervereinigung243 verhaftet wurden. Der Rummel geht weiter und man scheint jetzt französischerseits den Italienern zeigen zu wollen, daß man auf ihre Bluffs nur mit Frotzeleien antworten will. 9. 12. 1938  : Die Lage in Rumänien wird immer mehr als unsicher und bedrohlicher dargestellt. Die hungaristische Zeitung »Magyarság« bringt einen Brief aus Siebenbürgen, in dem der innere Zusammenbruch und die außenpolitische Isolierung Rumäniens vorhergesagt wird. Rumänien werde von einer jüdisch-liberalen Clique beherrscht, lege sich jenen großen politischen Kraftlinien im Donauraum in den Weg, die im Endergebnis die Zertrümmerung des jüdischen Bolschewismus in Rußland bezwecken. Ungarn müsse gegenüber diesen Vorgängen vor allem innerlich gerüstet dastehen. Das sind so Fingerzeige für die erwartete oder beabsichtigte nächste Entwicklung. Andererseits haben jetzt die Ukrainer in Polen im Reichstag die Autonomie verlangt, wobei dahinter mehr zu stecken scheint als bloße Autonomie innerhalb Polens, sondern schon an großukrainische Organisationen gedacht wird. 10. 12. 1938  : Seit einigen Tagen gibt es keine Butter, Margarine ist auch knapp geworden. 11. 12. 1938  : H.244 erzählt, daß die Parteigewaltigen in der Leopoldstadt abgesetzt worden sind. Sie hätten sich schmählich benommen. Dazu erzählt jemand anderer, daß Bürckel, der stark durchgreifen wolle, vorderhand als Demonstration das Abzeichen nicht

243 Nicht zu eruieren. 244 Hans Wildner senior.

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tragen wolle. In der Frage der Judenrepressalien wird angeblich zurückgeblasen werden. 12. 12. 1938  : In der Memelsache tut sich schon wieder etwas. Die gestrigen Wahlresultate sind noch nicht bekannt. Dafür meldet Berlin, durch eine Verordnung der Memeler Behörden sei die litauische Polizei auf dem Boden Memels ausgeschaltet worden. Von anderer Seite wird berichtet, der litauische Ortskommandant245 lehne die Verantwortung für die Wirksamkeit seines Truppenteiles ab, weil seine Angehörigen ständig von deutscher Seite, Memel, herausgefordert werden. Der französische Botschafter246 hat heute in der Wilhelmstraße vorgesprochen und erklärt, daß Frankreich als Unterzeichner des Memeler Statuts sich nicht von der Memelfrage desinteressieren könne. Die gleiche Erklärung hat der englische Geschäftsträger247 abgegeben. Warum ist übrigens der englische Botschafter noch nicht auf seinen Posten zurückgekehrt  ? Im englischen Unterhaus wurde heute fleißig interpelliert und in der Presse wurde erklärt, nunmehr müsse auch Deutschland seinen Beitrag zur Beseitigung der Spannungen leisten. Der südafrikanische Verteidigungsminister Pirow hat sich sehr pessimistisch über die kommenden Dinge ausgesprochen. Er habe während seiner ganzen Rundreise in Europa den Eindruck erhalten, daß im nächsten Jahre der Krieg unausweichlich sei. Die ganze Entwicklung der Dinge dränge darauf hin. – Inama erzählt, in Tirol würden noch bessere Witze und Bemerkungen über das Regime gemacht als hier. 14. 12. 1938  : Die außenpolitische Rede, die Chamberlain gestern beim Bankett der ausländischen Korrespondenten gehalten hat, ist in unseren Zeitungen bisher nicht vollständig wiedergegeben worden. Die Franzosen berichten, daß er ausdrücklich gesagt habe, die englische Regierung sei der Meinung, daß die im englisch-italienischen Arrangement enthaltene Verpflichtung, den status quo zu respektieren, sich zweifellos auf Tunis erstrecke, und jede Aktion, die dem zuwider liege, eine Lage aufwerfen würde, die sehr ernst wäre. Er fügte hinzu  : »Wir wollen doch an die Möglichkeit eines Angriffes nicht glauben«. Außerdem sagte er ausdrücklich, daß das englisch-französische Verhältnis über die bestehenden juristischen Bindungen hinausgehe. Das ist also deutlich gewesen. Die italienische Presse und der italienische Rundfunk haben über diese Dinge nichts gebracht. Die Deutsche Botschaft und die deutschen Presseleute sowie Gesandter Aschmann haben übrigens ihre Teilnahme an dem Bankett 245 Nicht zu eruieren. 246 Robert Coulondre (1885–1959). 247 Nevile Henderson (1882–1942).

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plötzlich kurz vorher abgesagt. Chamberlain hat auch scharfe und bestimmte Ausdrücke über die Haltung der deutschen Presse gegenüber England, dann zur Frage der Aufrüstung und der möglichen Entwicklung der autoritären Regimes angewendet, kurz, es sieht schlecht aus. Infolgedessen werden die Aussichten Schachts, der sich eben in London aufhält, um wegen der interalliierten Schulden zu verhandeln, ungünstig beurteilt. Mussolini hat weitere Rüstungen im Betrage von 10 Milliarden angeordnet, weil sie sich angesichts der Lage als notwendig erweisen. 15. 12. 1938  : Im Prater in der Früh Löwenthal getroffen, der wieder Lust zum Dienen hat, will aber noch warten. Er erzählt von Guido,248 daß dieser sich sehr gräme wegen des Schicksals seiner früheren Mitarbeiter und deswegen, daß er für einen Verräter gehalten werde. Er habe sich auch darüber besonders geärgert, daß in einer französischen Zeitung behauptet wurde, er habe die ganze Zeit mit Papen für den Anschluß gepackelt, weil ihm ein glänzender Posten in Aussicht gestellt worden sei. [Für mich – nichts Neues – B.249 hat in der Kammer verschiedene Auskünfte erteilt – Ribbentrop hat ihm erklärt, daß die italienisch-deutsche Achse aufrecht stehe, Deutschland sei aber an den Vorgängen im Mittelmeer nicht direkt interessiert.] – Die englische Regierung hat dem Grafen Ciano gestern durch den Botschafter250 erklären lassen, daß der status quo, auf dem das jüngste italienisch-englische Arrangement bezüglich des Mittelmeers beruhe, auch Tunis umfasse. [Frankreich hat eine gemeinsame Aktion England Frankreich gegenüber Japan wegen dessen Politik im {unleserlich} Gebiet angeregt, die auch stattgefunden hat  ; da Japan keine befriedigende Antwort gegeben hat, werden die Interventionen in einer gemeinsamen Aktion wiederholt werden. – Chamberlain soll übrigens heute im Unterhaus erklärt haben, er hoffe, daß sich die deutschen Staatsmänner, nicht nur das deutsche Volk, für den Konfliktfall vor Augen halten werden, daß England nicht nur über militärische Rüstungen verfüge, sondern auch über finanzielle Rüstungen, die es in den Stand setzten, einen Krieg längere Zeit auszuhalten. – Aus allem sieht man nur, daß die Westmächte jetzt im Angriff sind – die Italiener müssen sich tüchtig ärgern, daß die französischen Demon­ strationen zur Lächerlichmachung der italienischen Ansprüche fortdauern.] 16. 12. 1938  : Überall Unzufriedenheit und Schimpfereien über Teuerung, keine Waren. Andro­ szowski, der glaubt, daß er wegen einer Gedächtnisrede auf Dollfuß, die er in den Ferien gehalten hatte, in Pension geschickt wurde, hat Ronge gesehen, der freigelassen worden ist und seiner alten Beschäftigung im neuen Regime nachgehen soll. 248 Guido Schmidt. 249 Möglicherweise Auskünfte Benito Mussolinis vor der Abgeordnetenkammer. 250 Eric Drummond (1876–1951).

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Er rechnet bestimmt mit einem neuen Krieg im nächsten Jahr und wünsche nur, daß der einzelne heil herauskomme. Die Überzeugung vom Bevorstehen eines neuen Krieges ergreift immer mehr weitere Kreise und es kommt mir vor, daß man sich bei den Westmächten mit dem Gedanken vertraut macht, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, wobei die Engländer glauben, daß sie es eben länger aushalten können. Hiezu hat besonders Chamberlain in der letzten Zeit mehrere deutliche Bemerkungen gemacht. 18. 12. 1938  : H.251 erzählt von der DDSG  : gründliche Säuberungen, wobei der Leiter252 erklärt, daß nur Parteileute unterzubringen sind, die ja einen jeden Posten ausfüllen können. Zum Personalchef ist ein kaum 30 Jahre alter Pg.253 ernannt worden, der einige Monate wegen illegaler Tätigkeit gesessen ist und früher eigentlich nur Praktikantendienste geleistet hat. Er verteilt jetzt schon freigebig Zulagen. In großer Zahl werden SS-Männer eingesetzt, jeder Tag bringt neue aus dem Reiche hieher. – Der Bezirksleiter der Leopoldstadt254 ist abgesetzt worden, weil er die Judenpogrome ohne Wissen der Kreis- und Parteileitung organisiert hatte. Jetzt ist er kommissarischer Leiter eines Eisenwarengeschäftes, dessen Lager auf 15.000 Mark geschätzt worden waren, in Wirklichkeit natürlich ein x-faches wert sind, und er hat jetzt, obzwar er eigentlich wo anders hingehörte, die Möglichkeit, das Geschäft um 7.000 Mark zu übernehmen, wenn er für das Geld Bürgen stellen kann. – Im Konzerthaus finden Musikstückversteigerungen statt. Die Zuschläge gehen bei einzelnen Stücken in mehrere tausend Mark. Der eigentliche Zahler ist aber nicht der einzelne, sondern die oder eine Gesamtheit, die Banken, die Industrieunternehmungen, die Stadt Wien, zum Schluß einzelne Kreise, die einfach die Summe durch mit entsprechendem Druck vorgenommene Sammlungen beschafft haben. Das heißt dann das goldene Wiener Herz. 19. 12.1938  : Hoffinger erzählt, er sei zur Einreichung seines Pensionsgesuches aufgefordert worden, worauf seines arischen Defektes nicht Erwähnung getan wurde. – Präsident Ettingshausen ist von der Leitung der Advokatenkammer entfernt worden. Warum  ? Weil er angeblich den Starhemberg vertreten haben soll. Hiezu soll er sich aber darauf berufen haben, daß diese Vertretung und seine Reise in die Schweiz mit Vorwissen der Parteistellen erfolgte. Überdies las er einen Brief Görings an Starhemberg vor, der ihm zusagte, auf die Applanierung seiner Sache später zurückzukommen. 251 Hans Wildner senior. 252 Franz Brandl (1875–1953). 253 Nicht zu eruieren. 254 Nicht zu eruieren.

20. 12. 1938

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Die Zeit sei hiefür noch nicht gekommen. – Seyß-Inquart soll sich angeblich schriftlich sehr energisch für die Übernahme unserer Kollegen und deren Aktivierung eingesetzt haben. Es mögen eben ältere deutsche Beamte enthoben werden. 20. 12. 1938  : Die Personalsache ist noch immer nicht in Ordnung. Jetzt ist zur Abwechslung die Frage der Disponibilität von der Reichsstatthalterei angegriffen worden, weil dadurch die nicht übernommenen oder nicht an den deutschen Dienst denkenden Leute auf Wartestand gesetzt worden seien. Das Durcheinander geht also weiter. Schüller, Alexich und Bischoff sind angeblich einfach entlassen worden, Buchberger und Herzfeld in den Ruhestand wegen ihrer jüdischen Versippung. – In England nimmt die antideutsche Stimmung zu und die Umbildung des Kabinetts wird als sicher bezeichnet. 22. 12. 1938  : Fahrt nach Reichenberg. Traf im Zug den Tauschitz, der nach Berlin fuhr. Er wußte nichts von dem in Beamtenfragen geltenden Verfahren, hatte sich in Wien über seine Pensionierung erkundigen wollen, es hatte aber niemand mit ihm sprechen wollen und man hätte ihn auf den schriftlichen Weg verwiesen. Er hat es nun mit der Angst bekommen und will von Berlin aus Vorbeugungsmaßnahmen treffen. Er sieht in Guido255 seinen Feind, der ihn im Februar, nachdem er den Bericht über die von uns wegen Verhütung der Katastrophe getroffenen Maßnahmen geschrieben hatte, nach Wien berufen und ihm erklärt hätte, er sei nicht seiner Ansicht, die Situation sei nicht so schlimm, und hätte ihm einige Tage später gesagt, man werde ihn abberufen. Der Kanzler,256 bei dem er später war, sei aber der Meinung gewesen, daß er seinen Berliner Posten nicht verlassen solle. Als er noch einmal dem Schuschnigg auseinandersetzte, daß nur die Begnadigung der Illegalen und die Heranziehung der Nazis zur Regierung übrigbliebe, hätte Schuschnigg gemeint, das sei ausgeschlossen, das wäre gegen das Gesetz. – Sah auf der Fahrt überall Bunker und Drahtverhaue. Neue Einrichtung, die Bahnhofwache, die wie die italienischen Faschisten seinerzeit es getan haben, durch die Züge geht und auf den Bahnhöfen herumkommandiert. Sehr wenig Verkehr, keine Träger. 23. 12. 1938  : Man erzählt mir, daß vor dem Besuch Hitlers lange beraten wurde und dann genaue Hausdurchsuchungen vorgenommen wurden. Trotzdem wurden angeblich viele Flugzettel verteilt, die mit Attentaten drohten und flau zu machen trachteten. Für 255 Guido Schmidt. 256 Kurt Schuschnigg (1897–1977).

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Hitler wurde eigens im Rathaus ein neues Badezimmer eingerichtet. Zum Besuch waren gegen 5000 Mann Verfügungsabteilung und Leibwache gekommen. 25. 12. 1938  : R.257 erzählt, daß 3 Tage vor der Ankunft Hitlers eine Gruppe von mit Maschinenpistolen ausgerüsteten Tschechen in Rosenthal ausgehoben wurde. Die Polizei sei sehr nervös gewesen. – Auch hier wird schon sehr geraunzt. Ein Reichenberger beschwert sich gegenüber einem andern, daß es so ganz anders geworden sei. Der andere fährt ihn an  : »Du Maulaffe du, du hast ja auch dafür gestimmt.« 28. 12. 1938  : Überall hört man nur Meckern, wobei Hitler immer wieder ausgenommen wird. Im Altreich soll es ähnlich zugehen. Auch hier fortwährend Angeberei und Wichtigtuerei der neuen Bonzen. 29. 12. 1938  : A. E.258 nach Jahren wieder gesehen. Erzählt von Prag, daß man dort den weiteren Anschluß der übrigen tschechischen Gebiete nur für eine Frage der nächsten Zukunft halte. Auf dem Masarykgrab sind Stinkbomben gefunden worden. Allgemeine Verurteilung der Politik des Beneš und seiner Leute. Die Schwierigkeit der tschechischen Nationalbank kam zum großen Teil von der Transaktion des Petschek259 her, der 3 Millionen Kč in Devisen abgenommen habe. 10. 1. 1939  : Schlechte Rückfahrt. Die Bahnen und das Personal scheinen dem Verkehr nicht mehr gewachsen zu sein. Fortwährend Umsteigen. Traf hier Colloredo,260 der erzählt, daß Wiesner am Leben ist und in Kassel ständig wohnt. Traf dann Gautsch, der meinte, der Judenrummel sei zwar allgemeines Recht geworden, werde sich aber bald überleben. Dann kam Hudeczek, der weiterhin große Scherereien wegen seiner Parteibeschreibung hat. Nachdem die ersten Beschuldigungen, daß er ein erpichter Klerikaler sei, was insbesondere durch seine Zugehörigkeit zum Katholischen Akademikerverband illustriert wurde, durch den Hinweis abgewehrt werden konnte, daß der Staatsminister Glaise-Horstenau Präsident dieses Vereines gewesen ist, worauf ich ihn seinerzeit aufmerksam gemacht hatte, wird ihm jetzt Salonbolschewis257 Da sich Heinrich Wildner in Reichenberg befindet, möglicherweise sein Schwager Rudolf Turnwald. Dies kann aus zwei Erwähnungen in den Originalen der Tagebuchaufzeichnungen geschlossen werden. 258 Nicht zu eruieren. 259 Hans Petschek (1895–1968) oder Paul Petschek (1886–1946). 260 Entweder Ferdinand oder Rudolf Colloredo.

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mus vorgeworfen sowie grundsätzliche Gegeneinstellung zum Nationalsozialismus. Er versucht, sich durch Vermittlung aller möglichen Leute zu wehren, wie Neubacher, Bardolff, Dr. Wolf, Seyß-Inquart usw., findet aber immer wieder neue Hindernisse. Klagt darüber, daß man in Berlin nichts von Politik höre, und ist ganz entsetzt, hier von allen möglichen Leuten zu hören, daß ein baldiges Unternehmen in der Ukrainefrage bevorstehe. In Berlin sei man unruhig wegen der hiesigen Zustände. Die tschechische Geschichte sei ein reiner Bluff, Eden habe recht. Auf einen zweiten Versuch würden aber die westlichen Leute nicht hineinfallen und das sei die große Gefahr. Auf Polen und Ungarn sei doch kein Verlaß. Keppler arbeite an der Vorbereitung der ukrainischen Campagne von der wirtschaftlichen Seite her. Die wirtschaftspolitischen Verhandlungen mit der Tschechei führe jetzt der Dr. Ritter, der als Botschafter erledigt zu sein scheine. Er bediene sich einer sehr kassanten261 Sprache. Die Tschechen gäben fortwährend nach, nur in der Frage des Abschlusses einer Wirtschaftsunion hätten sie sich gleich reserviert benommen und auf ihre Verhandlungen mit England wegen der Anleihe hingewiesen. – Über Goebbels werde sehr viel geredet, er behandle seine Frau262 sehr schlecht, habe x Verhältnisse, seine Frau sei deswegen in die Schweiz gereist, um sich scheiden zu lassen, da habe Hitler eingegriffen und die Sache geleimt, worauf die gewissen Bilder mit dem Ehepaar und den Kindern erschienen seien. Der Befehl zum Pogrom soll vom Propagandaministerium gegeben worden sein, das werde aber jetzt von diesem geleugnet. Die Devisenlage sei sehr gespannt. Mit dem letzten Ultimo gebe es 200 Millionen ungedeckte Auslandswechsel. Die Ausfuhr lasse nach, sie werde jetzt forciert. Eine große Lokomotivfabrik, die 500 Maschinen erzeuge, solle jetzt 450 exportieren. Die Verhandlungen Schachts bezögen sich natürlich nur darauf. 12. 1. 1939  : Hudeczek wieder bei mir, behauptet, daß seine Sache jetzt günstig stehe, seine Mißlichkeit sei auf eine Angeberei des Kollegen Pacher zurückzuführen. – Die bisher für die Übernahme in Aussicht genommenen Herren stellen gerade keine Sonderauslese dar. – Hier werden innerpolitische Veränderungen in der allernächsten Zeit erwartet, die von der SS durchgeführt werden sollen, Reformen an Haupt und Gliedern. 13. 1. 1939  : Unterhaltung mit Günther263 über die Finanzlage. Nach einer französischen Meldung hat Schwerin die Erhöhung der Steuern beantragt, weil sonst die laufenden Ausgaben nicht gedeckt werden könnten. Hitler habe dies abgelehnt, worauf einst261 Kassante Sprache – schroffe Sprache. 262 Magda Goebbels (1901–1945). 263 Otto Günther.

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weilen 400 Millionen von der Arbeitsfront zur Deckung der vorläufigen Kasseausgaben beschafft wurden. Pacher hat übrigens dem Günther selbst persönlich mitgeteilt, er sei mit seiner ganzen Familie aus der Kirche ausgetreten. Nach einer Vatikanmeldung sind in Österreich bisher 57.000 Austritte erfolgt. – Mit H.264 zusammen, der auch von einer in allernächster Zeit bevorstehenden Aktion redet. Die Militärs in voller Tätigkeit, man verlangte binnen 24 Stunden die Bekanntgabe der unentbehrlichen Angestellten bei den Verkehrsanstalten, dies alles im Zusammenhang mit der ukrainischen Geschichte angeblich. – Die Zusammenkunft Chamberlain-Mussolini ist resultatlos verlaufen, wütender Angriffsartikel des »Tevere«. Es scheint aber nicht, daß diese Terroristentaktik die Franzosen wesentlich impressioniert. 14. 1. 1939  : Hauenschield erzählt ebenfalls von gewissen Vorbereitungen, im September eingerückt Gewesene sind wieder einberufen, große Kohlen- und andere Transporte nach Italien. – Ein HJ-Führer ist vorgestern überfallen und seiner Uniform beraubt worden. 16. 1. 1939  : Berlin hat die Ungarn bisher dunsten lassen. Die Korruption scheint in Budapest sich dem Balkanniveau genähert zu haben, sogar Militärs verlangen Prozente bei Lieferungen. Schoeller-Bleckmann rechnet angeblich mit 25 %. Die Position Imrédys wird für schwach betrachtet, Bornemisza betrachtet sich schon als Nachfolger. 17. 1. 1939  : Aus Rom kommen noch schärfere Reden. Bemerkung, daß eine etwaige Unterstützung der Rotspanier Italien freie Hand im Abgehen von der Nichtintervention geben würde. Das sagt Italien, das in den letzten Wochen die Unterstützung Francos forciert hat durch Beistellung von Flugzeugen usw. Berlin erklärt, daß man die italienische Stellungnahme vollkommen billige. – Die Behandlung der Danziger und der Memeler Frage scheint man in Genf jetzt weiter zu verschleppen, um nicht neue Erfolge der deutschen Politik herbeizuführen. – Ein Pressemann plauscht aus, daß Guido Schmidt vor einem Jahr der von ihm hofierten Tochter von der Lippe265 alle möglichen Konfidenzen in der inneren Politik gemacht habe, die von dort an Tavs weitergeleitet wurden. 18. 1. 1939  : Die Häuser beflaggt, kein Mensch denkt sich dabei, was damit beabsichtigt war. – Seyß-Inquart soll kürzlich im Kreise der Ballhausplatzbeamten eine Ansprache ge264 Hans Wildner senior. 265 Osterheldis von der Lippe (1917–2005).

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halten haben, die auf die bevorstehende Aufteilung in Gaue schließen läßt. Er war auch bei der ersten nationalsozialistischen Ehefeier, die gestern gehalten wurde im Zeremoniensaal der Hofburg. Ich habe ihn immer für unbedeutend gehalten, er ist es offenbar noch weniger. 19. 1. 1939  : Gestern abend hörte ich noch die hiesige Radiosendung »Die Stimme der Ostmark«, verfaßt von Bruno Brehm, eine recht schwache, kitschig gearbeitete Hörfolge. Bruno Brehm ist mir als Dichter immer verdächtig gewesen, nachdem ich seine ersten Romane gelesen hatte. Er produziert seine Sachen am laufenden Band. Der Vortrag durch Ewald Balser war schlecht, schwer verständlich und unschön, unwirksam vorgetragen. – Im Prater in der Früh den Bemühungen der berittenen Polizei zugeschaut, die ins neue Reglement unter preußischer Marschmusik eingeführt wurde. 20. 1. 1939  : Schacht ist als Reichsbankpräsident gegangen worden. Das wird auch außenpolitisch schlecht wirken und wieder als Auftakt zu neuen Inflationsmaßnahmen hingestellt werden. Er bleibt aber Reichsminister. 21. 1. 1939  : L. R. Kirchholtes sucht mich auf, ist mit Sonderauftrag seines Ministers hergekommen, um sich über die Stimmung und Verhältnisse in Wien und in der Ostmark zu erkundigen, ausgerechnet am selben Tag, an dem Stein wegkommen soll. Er findet die Lage hier gar nicht befriedigend. Es sollte doch etwas geschehen, vor allem in kulturpolitischer Beziehung, um die hiesigen Werte und deren Verwendungsmöglichkeiten mit dem Ausland ausnützen und ausbauen zu können. Ich hielt ihm ein kleines Privatissimum, vor allem darüber, daß es jetzt keine Gesellschaft gebe und daß die Wiener zu kritisch seien. Er war auch bei Seyß-Inquart gewesen, hat aber von ihm nichts Rechtes erfahren können. Was soll das Ganze  ? Über Goebbels erzählt er, daß Hitler mit ihm sehr unzufrieden sei und daß jetzt viele Leute sagten, sie möchten gerne »fröhlich« sein. Schacht hat vor wenigen Wochen seine Bekannten schriftlich unterrichtet, daß er künftig ohne Frau Schacht266 ausgehen werde. Schacht soll ein Verhältnis mit einer Bildhauerin267 haben. 23. 1. 1939  : Die westliche Presse schreibt sehr schwarz über die Lage in Deutschland. Der Markkurs sei in London um 35 % gesunken, trotzdem er schon um 60 % hinter der offi266 Luise Schacht (1874–1940). 267 Manci Vogler (1907–1999).

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ziellen Notierung stehe. Die letzte Verfügung, mit der der SA die militärische Vorschulung durch das SA-Wehrabzeichen übertragen wurde, sei eine Konzession an die Radikalen, sei aber auch die Vorbereitung auf den Krieg. Der amerikanische Senator Pittman268 hat wieder eine Rundfunkansprache gehalten gegen die totalitären Staaten und ist besonders gegen Deutschland losgezogen. Man müsse dem Vorwärtsdrängen dieser Staaten mit allen legalen Mitteln entgegenwirken, wenn das nicht ausreiche, dann mit dem Krieg. – Berlin dementiert, daß in Österreich Unruhen gewesen sind. Jetzt verstehe ich die Bemerkung des Kirchholtes, der hieher geschickt wurde, um einmal festzustellen, was hier los sei. Andererseits Nachrichten über Unruhen im westlichen Deutschland wegen nicht genügender Nahrungsmittel, worauf – insbesondere dem Mangel an Butter und Eiern – auch Kirchholtes Bezug genommen hatte. 24. 1. 1939  : Das heutige »Neue Wiener Tagblatt« bringt einen offenbar befohlenen Artikel über Greuelmärchen aus Österreich und nimmt auf die in der westlichen Presse erschienenen Pressemeldungen und sonstigen Nachrichten Bezug, von denen wir hier nichts wüßten. – Gawroński (bisher polnischer Gesandter) traf ich heute beim Schuster. Er ist auf der Durchreise und bemerkte, er habe eben die Memoiren Gortschakows gelesen, in denen dieser sagt, er glaube nicht an das, was in den Zeitungen stehe, es sei denn, wenn sie etwas dementierten. Das treffe auch für den vorliegenden Fall zu. Er sagte aber nicht, was für Nachrichten erschienen seien, und bemerkte nur nebenbei, daß hier die Stimmung gar nicht gut sei, jeder Mensch, mit dem er gesprochen habe, fühle sich unsicher, was auch von den einzelnen Herren gelte, die jetzt obenauf seien. Er sei kürzlich in Italien und sei paff gewesen, immer zu hören, wie groß die Unzufriedenheit in allen Kreisen mit dem Regime sei. Mussolini könne aber nicht mehr zurück. Auf meine Anzapfung, was sich in der ukrainischen Sache tue, meinte er gleich, gar nichts, es gebe doch kein ukrainisches Volk, das wisse man doch, und in dieser Beziehung werde auch nichts Ernstes geschehen. Was jetzt so viel erzählt werde, seien nur Ausstreuungen von untergeordneten Organen und werde auch erzählt, um die Aufmerksamkeit von anderen Dingen abzulenken. (Das möchte ich jetzt beinahe auch glauben.) Er könne positiv versichern, daß in der ukrainischen Sache sich auch nichts zwischen Polen und Berlin tue. – Der Besuch des tschechischen Außenministers in Berlin wird in der Presse wenig behandelt. In Budapest wird dazu gesagt, daß über 3 Punkte gesprochen wurde  : 1) Zollunion, 2) Währungsunion, 3) militärisches Zusammenwirken. 1) und 2) habe Chvalkovský abgelehnt, was vorauszusehen war. Über 3), was von deutscher Seite vage vorgebracht wurde, ist ein wenig gesprochen worden. – Ribbentrop muß jetzt in Warschau anzukurbeln 268 Im Typoskript  : Hetman.

25. 1. 1939

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versuchen. – Das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten wird immer schlechter. Immer stärker wird von dort gegen Deutschland Stimmung gemacht. Jetzt hat Staatssekretär Stimson die Aufhebung des Waffenausfuhrverbotes verlangt und ein anderer früherer Unterstaatssekretär269 verlangt die Abänderung der Neutralitätsregel. 25. 1. 1939  : Sektionschef Ruber erzählt mir, es sei doch unruhig in der Stadt. Kürzlich hätten 1500 Tramwayangestellte gestreikt. Aber auch große militärische Vorbereitungen. Deutsche Truppen seien auch in Addis Abeba. – Rede Boncours  :270 er garantiere, daß mit der Einnahme Barcelonas ein italienisches Ultimatum kommen werde wegen Dingen, die Frankreich entschlossen sei, nicht herzugeben, was abzuwehren, es aber schlecht vorbereitet sei, wobei die italienischen Forderungen von Deutschland unterstützt würden. Gestern hatte Rom militärische Vorbereitungen dementiert, heute wird offiziell mitgeteilt, daß der Jahrgang 1901, das seien 60.000 Leute, für den 2. Februar zu einer militärischen Übung einberufen sei. In den Pyrenäen ist ein zweimotoriges deutsches Flugzeug brennend abgestürzt. Die Insassen, 2 Offiziere und 3 andere, tot, die Fallschirme hatten versagt. Man fand eine deutsche Karte der Pyrenäen und ein Chiffrebuch. – Günther271 erwähnt Gerüchte, daß demnächst im Norden von uns etwas in Gang kommen werde. Mir kommt vor, daß die Oderberger Geschichte in Ordnung gebracht werden soll. Günther erzählt noch, daß sein Bruder272 ein Haus kaufen wollte, sich die Sache aber später überlegte und davon Abstand nahm, weil das Haus einem Juden gehörte. Man könne doch nicht wissen, ob man nicht später Scherereien haben würde. Das ist doch bezeichnend. 26. 1. 1939  : Die Nachricht von der Einberufung des italienischen Jahrganges 1901 wurde von unseren Zeitungen noch nicht gebracht. Dem Hansi273 sagte heute sein Gymnasialkollege, der Sohn eines italienischen Konsulatsbeamten  : »Ja, wir machen das, denn es ist ja nicht sicher, ob wir uns auf Euch verlassen können, daß Ihr wirklich mitgeht.« Die »Times« meint zu den italienischen Maßnahmen, die können doch nicht nur als Versuch aufgefaßt werden, die französische und die englische Regierung zu schrecken und zu Konzessionen zu veranlassen. Das englische Parlament einberufen und der deutsche Reichstag ebenfalls. – Unterhaltung mit Sektionschef Ballacs. Er sagt von Fischböck, daß er ein vollständiger Versager sei, der sonderbarste Minister 269 Wahrscheinlich Sumner Welles. 270 Joseph Paul-Boncour (1873–1972). 271 Otto Günther. 272 Nicht zu eruieren. 273 Hans Wildner junior.

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und Chef, den es je gegeben habe, kümmere sich nicht um seine Leute und denke nur daran, daß er einen Posten bekomme. Bisher sei er mit seinen Bemühungen durchgefallen, er wäre gerne Präsident der Tabakregie, dann Vizepräsident der Reichsbank geworden, jetzt möchte er bei der Creditanstalt unterkommen. Ein besserer Herr. Von Seyß-Inquart sagt er, er sei ein Schwarzer ohne Rückgrat, der sich nur hinaufgebogen habe und sich so lange als möglich zu halten trachte. Er gebe jedem Parteieinfluß nach, habe die Einteilung eines jungen, draufgängerischen, unreifen Nazis in die Organisation der Wehrwirtschaft verlangt, nur weil er gut empfohlen war, und als Ballacs ihn aus sachlichen Gründen ablehnte, habe er darauf bestanden und hinzugefügt, Ballacs täte gut, einer etwaigen Kritik zuvorzukommen. In ähnlicher Weise sprach sich heute mir gegenüber Sektionschef Pultar aus. Seyß-Inquart wohne nicht mehr in Dornbach. Pfarrer Spitzl,274 dortiger Pfarrer, habe ihm erzählt, Seyß-Inquart sei der Vorstand der Männerabteilung der Pfarre gewesen, habe aber jetzt auf 3 Briefe des Pfarrers nicht mehr reagiert. Seine Frau275 sei eine Protestantin und radikal. Das erklärt manches. Von Horicky erzählte er, sein Sohn sei SS-Mann276 geworden, der früher ein rühriges Mitglied im Kreuzbund war, der sich gegen die Turner des Pultar wegen deren unabhängiger Haltung wendete. Was ich nicht wußte, der Christliche Turnverein Pultars hatte sich, wie Pultar sagte, die Unabhängigkeit von den Geistlichen, die ihre Präsides einsetzen und die Ernennung der Vorstände haben wollten, zu bewahren gewußt. 30. 1. 1939  : Mit dem Grafen Mensdorff zusammengekommen. Er sagt, wie wenig geschickt die hiesigen Machthaber seien und wie ganz anders sich die Zentralstellen in Berlin verhielten. Langes Gespräch, auf dessen Fortsetzung er drängte. – Globocnik abgesägt, höchste Zeit. Ob es Bürckel machen wird  ? Er scheint zwar mehr Menschenkenntnis zu besitzen, aber innerlich nicht fest zu sein. – Die Rede Hitlers angehört. Mir fiel auf, wie schnell und fahrig er gegenüber früher sprach. Im ersten Teil kommt immer wieder das Ressentiment zum Ausdruck, also ein Zeichen innerlicher Schwäche. Diesmal hat er sich offen als Propheten hingestellt, was er, wie mir Keppler seinerzeit sagte, so besonders aus einem inneren Beruf heraustut. Die rohen Instinkte der Zuhörerschaft zeigten sich bei den Beifallskundgebungen, die sich an die Bemerkungen über die katholische Priesterschaft knüpften und dann an die Bemerkungen über die Engländer. Die ganz sonderbaren Verneigungen vor Mussolini. Weniger wäre besser gewesen. Ich komme über die Südtiroler Frage, die noch einmal sehr unangenehm werden wird, wenn nicht Mussolini von selbst eine großartige Geste macht, nicht hinweg. 274 Im Typoskript  : Spitzer. 275 Gertrud Seyß-Inquart (1894–  ?). 276 Entweder Alfred (1913–  ?) oder Alexander Horicky (1917–1944) gemeint.

31. 1. 1939

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31. 1. 1939  : In der Früh den ehem. Abgeordneten Klimann aus Klagenfurt getroffen. Er meinte, »wir gehörten alle in die Würschte.« Dr. [sic] Paulitsch ist bei der Polizeidirektion in Schutzhaft. Der letzte Landeshauptmann277 ist frei. Dr. Tschurtschenthaler ist in Dachau. 4. 2. 1939  : Schweizer Bundesrat und Parlament beschäftigen sich fortwährend mit militärischen Vorbereitungen. Die »Times« bringt gleiche Meldungen über England. Es zeigt sich also, wie wenig man den Erklärungen der Berliner Stellen traut. Die Matura auf den hiesigen Gymnasien soll schon spätestens Ende März stattfinden. Beim Schinkeneinkauf sagt mir der Fleischer wütend, er habe kein Fleisch zum Verkaufen, kein Schweinskarree, kein Kalbfleisch, er habe nur einen einzigen Schinken bekommen. Die Zeitungen bringen eine Philippika des Goebbels gegen die Meckerer. 6. 2. 1939  : Sah Einrückende, lauter ältere Leute, die nicht gerade hervorragend körperlich tüchtig aussehen. Ich höre, daß alles genommen wird, sogar die mit Bruchschäden. Eisenbahnverkehr weiter eingeschränkt. Es wird also demnächst wieder etwas geschehen. 7. 2. 1939  : Traf im Dorotheum den Guido Schmidt, den ich seit März v. J. nicht mehr gesehen habe. Sehr fahrig und klein. Bot bei einem Barockschrank mit, behauptete, daß er mit Göring einig geworden sei. Er werde in die Industrie eintreten, für welche Tätigkeit er ja gewisse Voraussetzungen mitbringe. Ich wiederholte ihm, was ich eben von Hauenschield gehört hatte, daß Vollgruber sich über die Gründe seiner Maßregelung bei Mokry278 erkundigt und dort erfahren habe, es genüge ja schon die Tatsache, daß er unter dem »Regime« zum Gesandten in Paris bestellt worden sei, worauf Vollgruber gesagt habe  : »Und was geschieht mit dem Minister, der mich dorthin geschickt hat  ?« Da war Guido noch kleiner geworden und sprach die Hoffnung aus, daß diese Maßregelungen nicht bleibend sein würden usw. 8. 2. 1939  : Die fremden Sender verkünden, daß bei uns die Jahrgänge 06 und 07 zu einer zweimonatigen Ausbildung einberufen werden, wobei die Angehörigen der Verbände ungeschoren bleiben sollen. Es sollen Flugblätter verbreitet worden sein, herrührend 277 Arnold Sucher (1898–1983). 278 Im Typoskript  : Mokre.

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von einem unabhängigen Wiederaufbaukomitee Josef Reiner (?), in denen gegen die Willkür und die Mißbräuche der Illegalen, die Herrschaft der Gestapo protestiert und offene Behandlung der verschiedenen Beschwerden verlangt werde. 11. 2. 1939  : Dr. M.279 erzählt, daß die Musterungen nach wie vor alles zu erfassen trachten. Nur offenbare Krüppel werden laufen gelassen. Die Leute werden auch häufig auf Tropentauglichkeit untersucht. Die frühere Begeisterung hat schon sehr nachgelassen und es wird noch mehr räsoniert, sogar vor der Polizei, die einfach nicht hört. 13. 2. 1939  : Traf wieder einmal Jean Bourgoing,280 der von der schlechten Stimmung im Westen erzählte, über die man sich keiner Täuschung zur Beurteilung der eigenen Lage hingeben dürfe. – Artikel der italienischen Zeitung »Relazioni Estere« an die Adresse Frankreichs, ist wohl einer der miserabelsten Hetzartikel, die einem in einer ernst zu nehmenden Zeitschrift unterkommen. Sagt  : Wenn wir Tunis, Nizza, Korsika usw. nicht gutwillig durch Verhandlungen bekommen, so werden wir es uns mit den Waffen nehmen. – Das italienische Geschwader, das jetzt gerade in Amerika ist und noch eine Weltreise unternehmen sollte, ist zurückgerufen worden. – Italienisch-türkische Gereiztheit. Eine türkische Zeitung bezeichnet die Italiener als lästige Fliegen, die sich überall hineinsetzen wollen, man werde sie Mores lehren. Das offiziöse türkische Blatt bemerkt beschwichtigend, Italien sei anderswo genügsam beschäftigt und übrigens sei die türkische Wehrmacht stark genug, um derartige Gelüste abzuwehren. – Minister Klausner plötzlich gestorben. Er war die beste Stütze des Seyß-Inquart, der sich überhaupt sehr auf die Kärntner stützt. Jetzt scheint der Tavs stärker vorwärtszukommen. 14. 2. 1939  : Beim alten Peter,281 der sehr kritisch geworden ist. Das Hitlerbildnis, das auf dem Klavier stand, ist schon längst weg, aber auch das Bild von Hindenburg ist weggestellt worden. Nur das Bild des Papstes282 hängt noch an der Wand. Er hört aus Eger, man sei dort sehr unzufrieden, Teuerung usw., man wäre mit der Autonomie ganz zufrieden gewesen. Auf den Guido283 hat er es besonders abgesehen, es wäre die höchste Zeit, die Rolle aufzuklären, die er vor einem Jahr gespielt habe. Sein Sohn, 279 Josef Müller (1875–1962). 280 Jean De Bourgoing. 281 Franz Josef Peter (1866–1957). 282 Pius XI. (1857–1939). 283 Guido Schmidt.

15. 2. 1939

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der Staatsanwalt,284 ist eingerückt, der andere, ein Mediziner,285 der schon dreimal jahrelang wegen Knochentuberkulose in Sanatorien war, ist für beschränkt tauglich erklärt worden. Deutsche Militärbehörden schicken öfters die hier assentierten Leute als untauglich sofort zurück. 15. 2. 1939  : Verschiedene Leute getroffen, alles schimpft. Goebbels hat wieder eine Philippika gegen die Intelligenz, diesmal gegen die Beamten, losgelassen. Loyalität genüge nicht, man verlange initiatives Mitgehen im nationalsozialistischen Sinn. – Der polnische General Sikorski hat zur spanischen Frage einen Artikel geschrieben, demzufolge er sich nicht vorstellen kann, daß es Franco als spanisches Interesse ansehen werde, sich zum Sturmbock gegen Frankreich benützen zu lassen. Die bisherige militärische Überlegenheit Italiens und Deutschlands sei im raschen Rückgang begriffen. Die Westmächte holten enorm auf, Amerika arbeite jetzt für die Westmächte, die noch dazu die ungeheure Rohstoff- und finanzielle Überlegenheit für sich hätten. – Die Engländer haben die Italiener wegen ihrer Truppenverstärkungen in Libyen befragt. Ciano hat sie zugegeben und mit den französischen Verstärkungen in Tunis begründet. Sie würden, sobald die Lage wieder normal sei, abgebaut werden. 16. 2. 1939  : Die Raunzerei wird immer heftiger. Bei den Heurigen soll es Wirbel mit den deutschen Brüdern gegeben haben. Man hat solche Herren fesseln müssen, angeblich auch Offiziere. 17. 2. 1939  : Die irische Regierung286 hat unzweideutig zu erkennen gegeben, daß sie wegen ihrer wichtigen wirtschaftlichen Interessen, die sie an England ketten, in einem Krieg nicht neutral bleiben könnten, und am selben Tag sagt der englische Finanzminister,287 daß Frankreich in einem Konflikt die absolute Unterstützung seitens Englands erhalten würde. Darin sei sich die ganze britische Nation einig. Warum wird das jetzt so energisch betont  ? Weiß man oder glaubt man zu wissen, daß etwas Erns­ tes bevorsteht  ? – Das Andenken des verstorbenen Papstes288 wird in den westlichen Ländern besonders auffallend geehrt, in Frankreich durch die Teilnahme der ganzen Regierung an der Gedächtnismesse, in beiden Häusern des Parlaments der Ver284 Wilhelm Peter (1906–1964). 285 Ludwig Peter (1900–1941). 286 Regierung Éamon de Valera (1882–1975), 9. März 1932 bis 10. Mai 1944 Ministerpräsident. 287 John Allsebrook Simon (1873–1954). 288 Pius. XI. (1857–1939).

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einigten Staaten durch besondere Gedächtnisworte der Vorsitzenden, Gebete der Parlamentskapläne und Aufhebung der Sitzung, in Berlin ging zum Requiem nur der Meissner und der Weizsäcker. 20. 2. 1939  : Die Engländer entwickeln eine ungeheure Geschäftigkeit, überall fahren sie jetzt hin, besonders auf den Balkan, auch mit den Russen fangen sie wieder zu reden an. Die Westmächte gehen offenbar zur Offensive über. 21. 2. 1939  : Klezl erzählt, daß unsere Beamtensache noch immer, und zwar zur Gänze, in der Schwebe sei. Angeblich will sich auch Ribbentrop die in Berlin befindlichen Herren einzeln anschauen. Infolgedessen sind die hiesigen Kollegen schon sehr niedergedrückt. Die Maßregelungen werden fortgesetzt, Marek ohne Pension entlassen. Hudeczek ist parteipolitisch noch immer nicht in Ordnung, erzählt, daß die Abteilung Bohle und das eigentliche Auswärtige Amt sich gegenseitig befehden und im Aktenwege kritisieren mit Randbemerkungen, wie »Unglaublich  !«. Aus den Zeitungen sieht man, welch’ sensationelle Dinge über Österreich erzählt werden, vor allem im Zusammenhang mit der Affäre Globocnik. Hier wird von Streitereien und sogar Prügeleien bei den Militärs erzählt, in Schwechat, wo sich die hessischen Unteroffiziere sehr viel herausgenommen hatten. 23. 2. 1939  : Seemann getroffen. Er will die Hoffnung nicht aufgeben, doch übernommen zu werden. Globocnik soll ihm bisher viel geholfen haben, angeregt durch die Frau Hueber.289 25. 2. 1939  : Traf in der Früh im Prater den Vollgruber, der mir erzählt, der König von Italien290 sei von den Ungarn für ihn interessiert worden. Zuerst hatte Villáni auftragsgemäß für Vollgruber und Hornbostel bei Mussolini interveniert, der aber eine Intervention ablehnte und an die Königin291 verwies. Diese schrieb dann an den Prinzen von Hessen,292 der aber nichts ausrichtete. Vollgruber erzählte weiter, daß Guido293 am Montag nach Berlin abgehe, um bis zum Herbst das Auslandgeschäft der Göringwerke zu organisieren. – In Polen Studentendemonstrationen, sogar vor der Deutschen Botschaft, in 289 Möglicherweise Paula Hueber (1890–1960), Ehefrau von Franz Hueber, Schwester von Göring. 290 Viktor Emanuel III. (1869–1947). 291 Elena von Montenegro (1873–1952). 292 Philipp Prinz von Hessen (1896–1980). 293 Guido Schmidt.

27. 2. 1939

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Warschau, auch in Krakau, besonders heftig in Kattowitz, wo es sogar zur Zerstörung von deutschen Anstalten und Verprügelung deutscher Studenten gekommen sein soll. 27. 2. 1939  : Mit Heinz Schmid294 zusammen, der nichts weiß. Er will sich nur um Musik, Oper und Wein kümmern. Im Vorjahr war er längere Zeit bei Villáni in Rom, wo ihm die italienischen Verhältnisse straffer und übersichtlicher erschienen wie hier. Es gebe dort keine Nebensonnen. Jeder trage eine Uniform oder mindestens eine Kappe. Wirtschaftlich mache Italien den Eindruck eines armen Landes. Was man zu kaufen und zu essen bekomme, sei schlechter Qualität. – Graf Teleki hat an Hitler ein Telegramm geschickt, ihm vom neuen ungarischen Kabinett295 Mitteilung gemacht und Zusammenarbeit mit Deutschland versprochen. Daraufhin hat er nur eine Antwort von Ribbentrop erhalten, der auftragsgemäß dankte und versicherte, die Reichsregierung werde eine auf Zusammenarbeit gerichtete Bestrebung gerne unterstützen. Das ist schon mehr als deutlich. 1. 3. 1939  : Im Kaffeehaus setzt sich v. d. Lippe zu mir. Er sprach sehr pessimistisch über die nächste Zukunft, was bis jetzt geschehen sei, selbst die Autostraßen, sei durchaus unproduktiv und entspreche nicht dem wirklichen Kräfteverhältnis. Schon jetzt hätte man nicht genug Treibkraftstoff, was sich bei der Sudetengauaktion im militärischen Getriebe erwiesen hätte. Das werde sich noch steigern. Finanziell seien wir schon die längste Zeit im Wickelwackel. Mit Anleihen sei nicht mehr viel herauszuholen, die letzte Tranche sei schon ein Versager gewesen. Also werde man bei den Steuern weiter herauszuholen trachten und dadurch immer stärker antikapitalistisch werden müssen. Was im Altreich darüber gesagt werde, gehe weit über das hinaus, was man hier räsoniere. Dazu die Dynamik in der äußeren Politik. Die ukrainische Sache sei ganz ernst gewesen, wie ihm August von Finck, der Bankier des Führers, im Jänner gesagt habe. Im Übrigen meinte er, daß das ganze System schuld sei, nicht die Männer. Es gehe nicht nur hier nicht, sondern erst recht nicht im Reich. Die Gauleiter seien ohne politische und praktische Erfahrung, müßten aber immer etwas zeigen, daher die Fehler der ganzen Maschine. 2. 3. 1939  : Pacelli ist zum Papst296 gewählt worden, was ja sicher zu erwarten war, jedenfalls ist er der beste Kenner der auswärtigen Beziehungen. 294 Heinrich Schmid (1888–1968). 295 Kabinett Pál Teleki (1879–1941), Februar 1939 bis April 1941 Ministerpräsident. 296 Pius XII. (1876–1958).

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4. 3. 1939  : Die Mißstimmung wegen der hohen Steuern nimmt immer mehr zu. Bürckel hat gestern eine Brandrede gegen die Preistreiber gehalten und neuerlich den Preisabbau verlangt  ; neue Verordnungen schon erschienen. Starke Worte über die Leute, die die jüdischen Geschäfte übernommen und sich vom jüdischen Geist nicht frei gemacht haben. – Die Agitation im Westen gegen Deutschland geht verschärft weiter. Der Bürgermeister von New York297 hat in einer Rede gesagt, daß die diplomatische Sprache nur dort Anwendung finden solle, wo man es mit Gentlemen zu tun habe. 7. 3. 1939  : In Anwesenheit des Sekretärs für die deutschen Belange298 wurden vorgestern die Amtswalter der Deutschen Partei in Preßburg auf Adolf Hitler vereidigt, dem Führer des geeinten deutschen Volkes als der eingesetzte Führer der deutschen Volksgruppe zur unbedingten Treue bis zum Tode. Das ist ganz etwas Neues. Auf diese Weise greift die Souveränität des Deutschen Reiches in die Slovakei hinein, ein Verfahren, wie es Habicht bei uns allerdings nur versucht hat, wogegen die österreichische Regierung von Anfang an nicht sofort ausdrücklich aufgetreten ist, weswegen der Schluß gezogen werden konnte, daß sie sich damit einverstanden erklärt habe. – Traf Fertsch Colloredo,299 der erzählt, die Rede Goebbels über die Notwendigkeit des Exportes für Deutschland sei absolut richtig. Er, Fertsch, habe schon seit Jahren dem Phipps immer wieder gesagt, man solle den Deutschen die Kolonien zurückgeben, sonst müsse dieser Kessel explodieren. Zum Falle Schuschnigg meinte er, es sei eben ein Wettlaufen gewesen, Schuschnigg habe sich, wie viele, eingebildet, das Berliner System werde sich früher von selbst zunichte machen und dann würde die hiesige Konzeption zur Wiederaufrichtung Mitteleuropas vorgenommen werden. Ich glaubte, dazu Einschränkungen machen zu müssen, weil die Deutschen eben alles gründlich und systematisch machten, dazu die Gewalt der Dinge selbst. Colloredo meinte übrigens, der hiesige Gedanke und überhaupt die hiesige Idee würde wiederkommen. Das glaube ich auch. So wie man es jetzt anscheinend unter Rosenbergschem Einfluß vornimmt, wird man anlaufen. 8. 3. 1939  : Jetzt sagen schon die italienischen und die Berliner Zeitungen ganz offen, was mir seit 3 Monaten immer wieder vorkommt, daß England und Frankreich auf dem Wege der Offensive sind. – Die Maßnahmen Bürckels sind – praktisch genommen –

297 Fiorello La Guardia (1882–1947). 298 Franz Karmasin (1901–1970). 299 Ferdinand Colloredo.

12. 3. 1939

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mehr Augenauswischerei und darauf abgestellt, der links gerichteten Agitation den Boden abzugraben. 12. 3. 1939  : Alarmnachrichten aus der Tschechei und Slovakei. Die Hlinka-Garde hat sich wiederum gegen das Militär gerichtet. In mehreren Orten wurde geschossen. Ausschreitungen gegen Deutsche, Zwischenfälle auch in Prag. Meldungen über bevorstehenden Putsch der Benešleute. 13. 3. 1939  : Die Lage in der Tschechei und Slovakei ist ganz konfus, die Ausschreitungen mehren sich. In der Slovakei scheint die Prager Regierung300 von allen guten Geistern verlassen zu sein, eine unverständliche Ministerernennung nach der anderen, die Kommunisten rühren sich, in Preßburg wird schon mit Sprengstoffen gearbeitet. Der geheime Kabinettsrat von Hitler einberufen, Göring von San Remo wieder abgereist. Heute war über Wien wieder starker Bombenflugzeugverkehr. Die Lage scheint unhaltbar zu sein nach diesen Nachrichten. Ich möchte auf die Loslösung der Slovakei tippen, die mit dem Reich eine Zollunion eingeht, so daß die Tschechen weiter in die Zange genommen werden. 14. 3. 1939  : Die Slovakei hat sich selbständig gemacht. Eigenes Ministerium mit Außenministerium usw. Die Sache wird nicht einfach sein. Wovon soll sie leben, sie hat doch nicht genug Geld  ? Der tschechische Präsident301 ist mit dem Außenminister302 heute nachmittag nach Berlin gefahren. Die Ungarn sind angeblich in Karpathorußland eingerückt und haben ein Ultimatum gestellt. Am Nachmittag ging von hier fortwährend Militär nach Norden. Tschechen und Franzosen haben sich angeblich desinteressiert. Die Zeitungsmeldungen über die Ausschreitungen erinnern an die Vorgänge vor der Besetzung des Sudetengaues. Werden die Münchener Signatarmächte wieder zusammentreten  ? 15. 3. 1939  : In der Früh verkündet Goebbels, daß der tschechische Staatspräsident303 das Schicksal der Tschechei vertrauensvoll in die Hände des Führers gelegt habe. Darüber ist eine Proklamation des Führers erfolgt, der von einer Regelung im Nebenraum des 300 Kabinett Rudolf Beran I (1887–1954), 1. Dezember 1938 bis 15. März 1939 Ministerpräsident. 301 Rudolf Beran (1887–1954). 302 František Chvalkovský (1885–1945). 303 Emil Hácha (1872–1945).

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deutschen Volkes und der 1000-jährigen Geschichte Böhmens im Rahmen des Deutschen Reiches spricht, d. h. also die vollständige Einverleibung. Wie verträgt sich aber dies – selbst bei Annahme einer Autonomie der Tschechei – mit den bisher verkündeten nationalsozialistischen Grundsätzen  ? Die Radiomeldungen sagen nichts über die Haltung des Auslandes. Nur die Brasilianer wollen angeblich keine Bedenken haben, England denke auch nicht an den Krieg. Abends höre ich durch den französischen Sender, daß die tschechische Armee entlassen werden soll, daß kein Zweifel darüber bestehe, daß die Tschechei eine deutsche Provinz geworden sei und die Tschechen deutsche Staatsangehörige. Die Ungarn seien in Karpathorußland eingerückt. Deutsche Truppen, die dorthin gegangen seien, seien wieder zurückgerufen worden, einen Hilferuf der karpathischen Regierung304 habe Berlin angeblich nicht beantwortet. Was heißt das, nachdem monatelang der Wiener Sender die Ukrainer zur Selbständigkeit aufgemuntert hatte  ? Die deutschen Truppen sind vormittag auf dem Hradschin gewesen und haben eine zweistündige Fahrt durch die Straßen veranstaltet, wobei es zu Pfeifen, aber nicht zu irgendwelchen ernsten Demonstrationen gekommen ist. Der deutsche General hat Henlein zum Gauleiter von Böhmen und Mähren bestellt.305 Hitler soll auf dem Wege nach Prag sein. Die Gestapo hat in aller Früh in Prag schon mit Verhaftungen begonnen. Ein Statut wird vorbereitet, demzufolge Böhmen und Mähren dem Deutschen Reiche politisch, wirtschaftlich, militärisch und verwaltungsmäßig angegliedert werde. Der tschechische Staat als solcher hat aufgehört. Die Tschechen haben eine lokale und kulturelle Autonomie auf Grundlage der Nazigrundsätze. London und Paris sollen doch Demarchen durch ihre Botschafter306 in Berlin unternommen haben, um Aufschluß über die Absichten der Berliner Regierung zu erhalten. Die Slovakei ist ein unabhängiger Staat, Polen hat bereits einen Gesandten307 bestellt. Der Münchener Schiedsspruch308 ist angesichts der Liquidierung des tschechoslovakischen Staates nur mehr historisches In­ strument. In Berlin soll die Nachricht von dem Einmarsch mehr mit Überraschung als mit Begeisterung aufgenommen worden. sein. Im englischen Unterhaus soll Lord Halifax erklärt haben, daß die Erklärung, die Inskip abgegeben hat, wonach sich England einstweilen zur Garantierung der tschechischen Souveränität gebunden fühle, keine Geltung habe. Die englische Regierung fühlt sich nicht mehr gebunden. Der englische Kredit von 10 Millionen Pfund, von dem noch 6 ¾ Millionen in der Bank von England liegen, wird zurückgehalten. Halifax fügte hinzu, daß die Maßnahmen der deutschen Regierung selbst bei Vorliegen der Zustimmung des tsche304 Regierung Awgustyn Woloschyn (1874–1945), 1938–1939 Ministerpräsident. 305 Nicht zu eruieren. 306 Nevile Henderson (1882–1942) und Robert Coulondre (1885–1959). 307 Nicht zu eruieren. 308 Gemeint  : Münchner Abkommen.

16. 3. 1939

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chischen Staatspräsidenten309 mit den Münchener Abmachungen nicht vereinbarlich seien. Nach ihm sprach sehr ernst und nachdrücklich Chamberlain über den schweren Schlag gegen den Frieden und Verlust des Vertrauens. – Sie fühlen sich eben alle blamiert und betrogen und alle Erklärungen, die jetzt von Berlin erfolgen werden, werden kein Vertrauen mehr finden. Aus dem ganzen Vorgang geht aber hervor, daß es sich um eine längst vorbereitete Sache handelt, bei der die Regie sehr gut geklappt hat. Ob das Ganze in seiner Art gut war, ist eine andere Frage. 16. 3. 1939  : Die englischen Blätter schäumen vor Wut, sprechen nur von roher Gewalt. Die »Times« sagt  : »Welches Land wird jetzt so toll sein, nicht alles zu tun, um die Verbindungen aufrechtzuerhalten, die es mit der übrigen zivilisierten Welt verbinden  ? Schimpf und Schande, die sich das deutsche Volk angetan hat« usw. – Beran310 und andere Leute sollen im Flugzeug in London angekommen sein, mit ihnen Angestellte der Skodawerke, mit gewissen wichtigen Plänen und Fabrikgeheimnissen. – Die Slovakei hat sich ebenfalls unter den Schutz des Reiches begeben. Entscheidend für das Schicksal der Tschechei war ihre Verbindung mit Rußland. Dieser Keil muß auseinandergetrieben werden, worauf die Bestrebungen Berlins gingen, die schon bei den Münchener Verhandlungen zu erkennen waren. Dazu die Anlage der Reichsautobahnen, Verlangen militärischer Zusammenarbeit, Zollunion. In dieser Richtung bewegten sich die militärischen Vorbereitungen und die Propaganda, Verstärkung der slovakischen Krise, Vorwärtstreiben der deutschen Minderheiten in Brünn und Ostrau und anderswo. Jetzt wird wohl Polen und früher das Memelland drankommen. Auch die Campagne gegen Ungarn verfolgt gleiche, rasch angestrebte Ziele. 17. 3. 1939  : Die Westmächte beginnen schärfer zu reagieren. Henderson angeblich abberufen. Im Unterhaus ist Hitler vom ehem. Ersten Lord der Admiralität311 ein dreifacher meineidiger Verräter genannt worden. Sehr scharfe Rede Chamberlains in Birmingham, ebenso Daladier in der Kammer, der außerordentliche Vollmachten verlangte. – In Friedeck und Misteck haben sich Teile der tschechischen Truppen gewehrt. Es gab viele Opfer. In Prag haben die Häuser auf Polizeibefehl flaggen müssen.

309 Emil Hácha (1872–1945). 310 Rudolf Beran (1887–1954), 1. Dezember 1938 bis 15. März 1939 Ministerpräsident der TschechoSlowakischen Republik, bis 27. April 1939 Ministerpräsident des Protektorats Böhmen und Mähren. 311 Alfred Duff Cooper (1890–1954).

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18. 3. 1939  : Wurzian hat den gestrigen Einzug Hitlers angeschaut. Er fand ihn selbst sehr schlecht aussehend und die Begeisterung der Menge sehr schwach. Das mußte also ein Pg. feststellen. Die Stimmung ist überhaupt schwach. Die Leute schütteln die Köpfe. – Die englisch-französische Demarche in der Tschechei hat das Auswärtige Amt als politisch, rechtlich und moralisch unbegründet zurückgewiesen. Neurath ist Reichsprotektor geworden. Er ist, so wie er im Auswärtigen Amt war, nur mehr Staffage, dahinter stecken die SS-Leute. Immer mehr Leute sagen auch hier, daß die ganze Aktion von langer Zeit her vorbereitet war. Die tschechischen Gesandten in Paris312 und in Washington313 haben sich geweigert, die Gesandtschaften den deutschen Botschaftern zu übergeben. Hurban in Washington hat übrigens erklärt, daß die Handlungsweise des Präsidenten314 gegen die Verfassung verstoßen habe, also ungesetzlich und ungültig war. Mit diesem Argument wird noch einmal viel gegen die Protektoratserklärung gearbeitet werden, ebenso gegen die Verletzung des sogenannten Selbstbestimmungsrechtes der Völker. Chamberlain hatte gesagt  : »I venture to prophesize Germany will bitter regret what the present Government did.« Ferner habe ich mir noch notiert aus seiner Rede  : »Das Vorgehen Hitlers ist der schwerste Schlag, den Europa je erfahren hat. Als ich im September bei ihm war, hat er ausdrücklich erklärt, die Angliederung der sudetendeutschen Gebiete sei der letzte seiner territorialen Wünsche in Europa und er wolle überhaupt nur Deutsche haben. Die gleiche Erklärung hatte er nachher in einer Rede in Berlin wiederholt. Im Münchener Abkommen ist auch die endgültige Grenzziehung den gewissen Kommissionen vorbehalten worden. Als er den Präsidenten der Tschechei empfing, der ihm Widerstand zu leisten keine Macht hatte, waren die deutschen Truppen gegen die Tschechen schon in Bewegung gesetzt worden. Niemand außerhalb Deutschlands kann glauben, daß die angeblichen Unordnungen in Böhmen Deutschland wirklich gefährden konnten  !« – Die Engländer werden sich offenbar jetzt zunächst mit den Dominien, mit Amerika und Rußland zusammensetzen und auch die kleineren Mächte aufrufen. Vorläufig werden die Botschafter abberufen werden. Diplomatisch gesehen war die Sache jedenfalls sehr schlecht gemacht und gab der berühmten Wilhelminischen Politik hinsichtlich grober Art und Hinterhältigkeit nichts nach. – In den Radios ist jetzt viel die Rede von angeblich durch den Ministerialdirektor Wohlthat in Bukarest gemachten Vorschlägen, Rumäniens Industrie und sonstige Produkte möge die gesamte Ausfuhr nach Deutschland lenken, wofür die deutsche Regierung bereit sei, die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit Rumäniens zu garantieren. Die Rumänen sollen den Vorschlag abgelehnt haben. Horthy 312 Štefan Osuský (1889–1973). 313 Vladimír Svetozár Hurban (1883–1949). 314 Emil Hácha (1872–1945).

19. 3. 1939

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soll angeblich nach Wien eingeladen worden sein. Dazu wird von Pest gemeldet, daß Horthy sich inzwischen in das karpatho-ukrainische Gebiet begeben habe, um nach dem Beispiel Hitlers bei seinen Truppen zu sein. 19. 3. 1939  : Die Sammeltätigkeit geht sehr schwach und es wird auch wenig gegeben. Nach Radiomeldungen treffen die Amerikaner militärische Vorbereitungen, ebenso Südafrika. Bei der Truppenparade in Prag war auch der Ministerpräsident315 anwesend, angeblich auch der General Syrový. Triumphaler Empfang Hitlers in Berlin. Göring begrüßte ihn mit dem Dank und dem Schwur des deutschen Volkes zum unbedingten Durchhalten, komme, was da wolle. Die deutschen Zeitungen schreiben in der schärfsten Weise gegen England. Beneš soll angeblich eine provisorische Regierung in Amerika errichten. Sowjetrußland hat die deutsche Note über die Protektoratserklärung mit einer mehrere Punkte umfassenden Verwahrung beantwortet und die Annexion nicht zur Kenntnis genommen. 20. 3. 1939  : Neue Rede Chamberlains im Unterhaus. Es seien verschiedene Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden. Unterdessen werde mit den anderen Regierungen verhandelt, um jeden neuen Angriff endgültig unmöglich zu machen. Die tschechoslovakischen Guthaben in England gesperrt. Chamberlain wurde gefragt, ob er gehört habe, daß Hitler gedroht habe, Prag bombardieren zu lassen. Chamberlain bejahte es. Eine englische Handelskommission soll sofort nach Rumänien geschickt werden. Der deutsche Botschafter316 abgereist, nachdem er sich vorher über den Ausfall des früheren Ministers Duff Cooper beschwert hatte, der von Hitler gesprochen hatte »that thrice-perjured traitor and breaker of oaths.« Vereinbarungen mit ihm seien wertlos. – Die karpathische Sache ist mir nicht ganz klar. Teleki hat jetzt in einem Telegramm an Ribbentrop der ungarisch-deutschen Zusammenarbeit anläßlich der Besetzung gedacht. Dabei wird behauptet, daß die deutschen Truppen schon weit vorgedrungen waren und jetzt nach Sillein zurückgenommen worden sind. Sind sie zu spät gekommen  ? Das wird aber nichts den Ungarn nützen. Sie werden auch drankommen. 21. 3. 1939  : Die Rede Halifax’ im Oberhaus war noch ernster und schärfer als die des Chamberlain. Er hat aber nichts darüber gesagt, was konkret geschehen wird. Gestern haben Zeitungen behauptet, es sei jetzt herausgekommen, die Engländer hätten die Pra315 Rudolf Beran (1887–1954). 316 Herbert von Dirksen (1882–1955).

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ger Regierung immer wieder zum Hartbleiben aufgemischt und ihr die Wiederkehr der sudetendeutschen Gebiete in Aussicht gestellt. In England ist man noch immer ganz perplex, mit welcher unheimlichen Sicherheit sich die Reichswehr Böhmens und Mährens, der dortigen Kriegsvorräte ohne Blutvergießen bemächtigt und die Hand auf die Waffenplätze von Pilsen und Brünn gelegt hat. Aus Ungarn kommt die Nachricht, daß das Karpathenrußland Rusiusko genannt werden soll, wobei in der schärfsten Art gegen das unleidige Ukrainertum losgezogen wird. Dabei arbeitet noch immer der hiesige Ukraine-Sender. 22. 3. 1939  : Memel angeschlossen, was ganz einfach gemacht wurde. Nur Ribbentrop trat in Aktion, der einfach dem vorsprechenden litauischen Außenminister317 erklärte, die Lage im Memellande werde unhaltbar. Wenn Litauen von selbst, spontan, das Land freilasse, werde das Reich diese Haltung in wirtschaftlicher Beziehung berücksichtigen, worauf der Ministerrat noch in der Nacht den Verzicht aussprach. 23. 3. 1939  :318 Besuch bei Peter,319 der von der Besetzung der Tschechei alles andere denn begeistert ist. Er hätte nie für eine solche Lösung angeraten. Diese stehe im Widerspruch mit den bisherigen Erklärungen Hitlers und den Grundsätzen der Partei, auch werde sie faktisch schwer aufrechterhalten werden können. – Die Dynamik der politischen Entwicklung wird unheimlich. Ich würde mich nicht wundern, wenn Hitler übermorgen nach Danzig führe. Übrigens scheint sich auch in der Slovakei etwas zu tun. Nach Berliner Nachrichten sollen die Ungarn an der Ostgrenze slovakische Orte besetzt haben und soll die slovakische Regierung320 um Hilfe gebeten haben. Dem Ministerialdirektor Wohlthat ist es anscheinend doch gelungen, ein umfangreiches und weitgehendes handelspolitisches Arrangement mit Rumänien zustande zu bringen, das über die bisherigen Vereinbarungen weit hinaus geht. – Chamberlain-Rede im Unterhaus, wo er hin und her redet zur Frage, ob die deutsche Regierung danach strebe, ihre Herrschaft über Europa zu errichten oder vielleicht noch weiterzugehen usw. Andererseits soll Eden eine Rede gehalten haben, in der er sagt, jede Stunde sei jetzt kostbar, es müsse gehandelt werden. – Rudolf Colloredo getroffen, sein Gut ist unter kommissarischer Verwaltung und sein bisheriger Forstmeister321 amtiert, während er, der Eigentümer, nicht einmal hinkommen darf. – Der hiesige Ukraine317 Juozas Urbšys (1896–1991). 318 Zum 23. März 1939 gibt es zwei Eintragungen. 319 Franz Josef Peter (1866–1957). 320 Kabinett Jozef Tiso (1887–1947), 14. März 1939 bis 26. Oktober 1939 Ministerpräsident. 321 Nicht zu eruieren.

23. 3. 1939

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sender sprach heute scharf gegen Polen und Ungarn, redete nur von ungarischer Korruption und endete mit dem Ausruf  : Es lebe die Ukraine  ! 23. 3. 1939  : Die von Rußland vorgeschlagene gemeinsame Aktion Englands, Frankreichs, Rußlands und der Türkei zu Gunsten der Unabhängigkeit Rumäniens hat nicht den Beifall der Engländer gefunden, die so etwas als verfrüht bezeichnen. Frankreich und England sollen ein gemeinsames Vorgehen für den Fall eines Angriffes auf Belgien und Holland festgelegt haben. 24. 3. 1939  : Neue Steuern. Allgemeines Räsonieren. Man spricht von Zwangsanleihen. – Mit Italien scheint auch etwas gespielt zu haben. Jetzt erst wird in den Zeitungen gesagt, alle Nachrichten über angebliche Unstimmigkeiten zwischen Berlin und Rom seien falsch. 25. 3. 1939  : Urbas kam wieder einmal zu mir beim Mittagessen und erzählt von einer Unterhaltung mit Toni Kiss,322 der kurz vorher den Besuch seines Schwagers, des Grafen Apponyi,323 gehabt hatte, dessen Schwester die Königin von Albanien324 ist. Sie und ihr Gatte325 waren kürzlich das Opfer eines Vergiftungsversuches, der von dem durch Italien bestochenen Hofmarschall326 unternommen wurde. Das war zu der Zeit, als Italien versucht hatte, Albanien einzustecken. – Beck327 soll jährlich 12 Millionen von B.328 erhalten. Chvalkovský soll schon während seiner römischen Zeit gekauft worden sein. – Otto329 wittere Morgengrauen, habe den Martin Fuchs zum Ministerpräsidenten für Österreich, Böhmen, Mähren und Ungarn mit Bayern ernannt mit einem Stabe von 18 Leuten. – Zernatto soll in seinem Buch330 die Zerschlagung der Heimwehren als den größten Fehler bezeichnet haben. Schon Ende 1937 war die Stellung der Regierung vollständig unterhöhlt. Ende 1936 sei Otto in Wien gewesen und habe mit Schuschnigg verhandelt und von ihm verlangt, daß er ihm den Platz räume. Schuschnigg habe gesagt, daß die Lage lange noch nicht reif sei, ins322 Im Typoskript  : Kis. Gemeint  : Anton Kiss de Ittebe (1880–1970). 323 Gyula von Apponyi (1923–1946). 324 Geraldine von Apponyi (Ehefrau von König Zogu I. von Albanien) (1915–2002). 325 Ahmet Zogu (König Zogu I.) (1895–1961). 326 Nicht zu eruieren. 327 Józef Beck (1894–1944). 328 Nicht zu eruieren. 329 Otto Habsburg. 330 Guido Zernatto, Die Wahrheit über Österreich, New York u. a. 1938.

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besondere Mussolini mache Schwierigkeiten, worauf Otto erklärt habe, er werde gleich den Wiesner nach Rom schicken. Dieser war auch dort und eine Stunde beim Duce,331 der ihm sagte, er sei absoluter Monarchist, sonst hätte er ja in Italien mit einer Handbewegung die ganze Dynastie wegfegen können, aber militärisch könne er Österreich für einen solchen Fall der Restauration nicht helfen. Daraufhin sei sofort Göring nach Rom geflogen und habe auch zur Kenntnis der österreichischen Gesandtschaft erklärt, daß die Restauration ein absoluter Kriegsfall wäre. – Urbas war jetzt einige Monate in Pest gewesen und meint, daß die Inbesitznahme Ungarns eine Frage nur kurzer Zeit sei. Ungarn sei nicht imstande, innerpolitisch Ordnung zu machen, das Nationalkasino würde demnächst zu einem Arrangement veranlaßt werden. Die Szálasi-Bewegung sei sehr stark. Bei der Galavorstellung, die anläßlich der Wiederinbesitznahme Karpathorußlands stattgefunden habe, seien zum Empfang Horthys 12 Pfadfinder aufgestellt gewesen, von denen einer an den Regenten eine patriotische Ansprache hielt, nach deren Schluß die andern 11 unisono schrien  : »Gerechtigkeit für Szálasi  !«, worauf der Reichsverweser sich umdrehte und 2 oder 3 der Burschen ohrfeigte. – Die Berner Regierung332 gibt bekannt – zur Beruhigung gewisser Bevölkerungskreise –, daß die Grenzstraßen unterminiert und die Grenzbewachung verstärkt wurde. Weitere Sicherungsmaßnahmen könnten gegebenenfalls auf Grund der neuen Vollmachten ohne weiteres getroffen werden. Die bisherigen Maßnahmen seien dieselben, die im September vorigen Jahres getroffen wurden. – Im polnischen Senat hat unter dem Beifall der Regierung333 und anderer Mitglieder ein Senator334 den Litauern das Mitgefühl Polens ausgesprochen und daran erinnert, daß im Vorjahr zwischen dem freien Polen und dem freien Litauen ein den bisherigen Spannungszustand beendender Vertrag abgeschlossen wurde. – In England große Verlegenheit wegen des Wohlthatvertrages, der natürlich mit Anwendung besonderer Mittel bei maßgebenden Leuten zustande gekommen ist. 26. 3. 1939  : Wiederum Sammlung. Die Leute haben schon genug und haben sich die bisherige gêne335 zur Abweisung abgewöhnt. Rede Mussolinis, nicht großartig, die obligaten Drohungen. Wenn eine Koalition gegen die autoritären Staaten einsetzen sollte, würde man sich nicht nur wehren, sondern auf allen Punkten zum Angriff schreiten. Übrigens gebe es keine lateinischen Verwandten mehr, sondern die Beziehungen der

331 Benito Mussolini. 332 Philipp Etter (1891–1977). 333 Regierung Felicjan Sławoj Składkowski (1885–1962), Mai 1936 bis September 1939 Ministerpräsident. 334 Nicht zu eruieren. 335 Gêne – Unbehaglichkeit, Verlegenheit.

28./29. 3. 1939

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Staaten untereinander würden durch die Gewalt, die Macht bestimmt. Es gebe nur die Parole  : »Noch mehr Waffen, noch mehr Flugzeuge  ! usw., und wenn darob das sogenannte Zivilleben zugrunde gehen sollte.« Dazu die obligaten Hiebe auf die Friedensfreunde, dieses verächtliche Gesindel. Der Friede sei übrigens der Feind der Kultur. (Der Mann ist toll geworden und wird demgemäß behandelt werden.) Auf der anderen Seite hat M. eine Rede verlesen lassen, in der von den Aktionen und Räubereien der Naziregierung gesprochen wird, die überall Komplotte und Machenschaften inszeniere, um alles einzustecken. – In Polen nehmen die Agitation und die Erregung gegen Deutschland zu. Gestern sind sowohl in der Provinz Posen wie in Schlesien Versammlungen gewesen, in denen heftige Resolutionen beschlossen wurden. In Teschen wurden Fahnen herumgetragen, auf denen stand  : »Danzig ist nicht Memel. Polen ist nicht die Tschechoslovakei usw.« Dementis  : Deutscherseits, daß Vorbereitungen in Süddeutschland gegen die Schweiz getroffen, italienischerseits, daß deutsche Truppen über den Brenner nach Libyen gebracht wurden. Dazu erzählt mir heute Günther,336 es seien hier zahlreiche Feldpostbriefe von Österreichern aus Italienisch-Afrika gekommen, die dort angeblich für einen Tropenkolonialkrieg geschult werden. Ähnliche Nachrichten gab es ja schon vor einigen Wochen. In Liechtenstein arbeitet eine Nazipartei, die für den Anschluß an Deutschland Stimmung macht. Radiokrieg zwischen Berlin und Brüssel wegen der Vorgänge in Eupen, wo bei der Vorlesung eines Hirtenbriefes gegen die Nazibewegung zahlreiche Leute, die aus Aachen herübergekommen waren, durch Pfeifen und Lachen demonstrierten. – Chamberlain wurde heute im Parlament wiederum wegen seiner Haltung gegenüber Hitler sehr bedrängt, wiederholte aber nur seine Zweifel, ob man künftigen Erklärungen und Zusagen Hitlers weiter Glauben schenken könne. – Anstelle Burgsdorffs ist Wächter getreten, was von den Beamten sehr bedauert wird, da es sich mit Burgsdorff, der ein geschulter alter Beamter mit viel Wohlwollen ist, gut arbeiten ließ. Man hofft aber, daß Wächter durch den Sektionschef Wolsegger, der ihm zugeteilt wurde, doch gut pilotiert werden wird. Bürckel will hierbleiben. Es wird ein neues Budget für ein ganzes Jahr gemacht. Das Land verschwindet, es bleibt aber ein Reichskommissar mit dem früheren Beamtenstand. 28./29. 3. 1939  : Die Diplomatische Korrespondenz hat gestern scharf gegen die polnische Regierung Stellung genommen und gefragt, ob man in Warschau noch weiter das gute Verhältnis aufrechterhalten wolle, wobei auf die geographisch-strategische Lage Polens Bezug genommen wurde. – Darauf antwortete heute eine polnische maßgebende Zeitung,337 daß diese Berliner Stimme sich ungefähr so vernehmen lasse, wie es vor 336 Otto Günther. 337 Die maßgebende polnische Zeitung könnte »Gazeta Polska« sein.

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kurzer Zeit gegenüber der Tschechei geschehen sei. Polnischerseits werde man aber vor solchen Drohungen nicht zurückschrecken. Die offiziöse Zeitung der Heeresleitung »Gazetta Zbrojna«338 schrieb kürzlich  : »Wir haben gesehen, wie ein Staat zusammengefallen ist, weil er sich auf Verhandlungen anstatt auf eigene Kraft verließ. Wir verstehen dies und deswegen ist Polen bereit zum Kampf auch gegen den Stärksten. Wir haben keinen Inferioritätskomplex und werden gegen welchen Feind immer kämpfen eingedenk der geschichtlichen Schlachten, in denen Polen numerisch stärkere deutsche Heere besiegt hat usw.« Blätter, wie »Berliner Tageblatt« sprechen von dem Vorstoß im Donauraum, der die Tradition der Habsburgischen Kaiser bis zur Besetzung von Bosnien wieder aufnehme von Wien aus. Voraussetzung sei allerdings die Wiederbeherrschung Prags gewesen. Ähnlich auch die »Deutsche Allgemeine Zeitung«. – Min. Rat D.339 äußert sich sehr pessimistisch über die Zerfahrenheit und das Durcheinander in der Verwaltung und die rechtsbolschewistischen Tendenzen. 30. 3. 1939  : Mit Hoffinger zusammengekommen, der eher betroffen ist, weil er auf Grund des Arierparagraphen pensioniert wurde. Er war in Berlin und schien Verschiedenes versucht zu haben, aber ergebnislos. Hat nur kleine Leute sehen können. 31. 3. 1939  : Neue Rede von Chamberlain, der auf einmal verkündet, daß England immer zu gütlichen Verhandlungen bereit sei, die schließlich alle Meinungsverschiedenheiten lösen könnten. Wenn Polen finden sollte, daß es sich in einer lebenswichtigen Frage zur Wehr setzen müßte, werde die englische Regierung bereit sein, Polen mit allen Mitteln Hilfe zu leisten. Hievon sei die polnische Regierung bereits in Kenntnis gesetzt worden und die französische Regierung werde ein gleiches Verhalten beobachten. Mit Rußland seien Konsultationen im Gange. Man begrüße das Mittun Rußlands mit Freude und sehe hiebei von ideologischen Erwägungen vollständig ab. Das Deutsche Nachrichtenbüro bezeichnet diese Erklärung über ein Bündnisverhältnis zwischen England und Frankreich zu Polen als nichts Neues und nur als einen lächerlichen Versuch, sich nochmals in Szene zu setzen. Früher habe London auch so hochtrabende Reden geführt und als Deutschland sich in seinen ehrlichen Ordnungsversuchen nicht stören ließ, sei es bei der platonischen Geste geblieben. Ähnliche Alarmreden Daladiers und Mussolinis. – Berlin gibt an die fremde Presse – nicht für die deutsche – Nachrichten über Mißhandlungen von Deutschen in Polen heraus. Die polnischen Behörden leugnen diese Vorgänge. – Das deutsche Verhältnis zu den Slovaken ist mir ganz unklar. Das scheint nicht recht zu gehen. Das un338 Die offiziöse Zeitung der Heeresleitung heißt »Polska Zbrojna« nicht »Gazeta Zbrojna«. 339 Wahrscheinlich Aladár Duda (1887–1969).

1. 4. 1939

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gute Gefühl nimmt zu. Die Reichsbank soll jetzt Änderungen erfahren, auch sehr unklar. Schacht ist nach Indien gefahren. Er denkt sich offenbar  : Ihr könnt mir auf den Buckel kriechen. 1. 4. 1939  : Sekt. Chef Mell kann sich über die politischen Maßnahmen gar nicht beruhigen, so viel er auch an dem früheren Regime, das ja zuerst das Gesetz gebrochen habe, auszusetzen hat. Gesandter Kohlruss meint, daß der neue Papst340 sehr vorsichtig sein werde, er soll eher ängstlich sein. Vielleicht, daß er noch einmal einen Versuch mit Berlin unternehmen wird. Im Allgemeinen soll der Vatikan glauben, daß man nicht viel ausrichten könne, weil das jetzige deutsche Regime nach einem festen, für längere Zeit ausgearbeiteten Plane vorgehe und diese Linie, die gegen das Katholische gerichtet sei, nicht verlassen werde. – Die Rede Hitlers in Wilhelmshaven angehört, eine ziemlich klobige, für die Empfindlichkeitsgrenzen der breiten Massen bestimmte Rede mit vielen Wiederholungen, keineswegs kriegsdrohend, aber sich als kampfbereit und als Erfolg darstellt. – Die Slovaken haben mit den Ungarn Frieden schließen und ihnen noch neue Gebiete abtreten müssen. Das slovakische Radio meinte dazu, daß die letzten Ereignisse nützlich waren, sie hätten erwiesen, daß es verfehlt war, sich auf die Hilfe und Freundschaft anderer zu verlassen. Jetzt sehe man klar. Dabei haben die Slovaken die von ihnen verlangten Kompensationen nicht erhalten. 2. 4. 1939  : Lese im Kaffeehaus, daß laut der Zeitschrift des deutschen Justizministeriums341 das Mitteilen von fremden Radionachrichten an andere, sofern es für die Wohlfahrt des Reiches oder der Partei nachteilig ist, mit Gefängnisstrafen bis 2 Jahren bestraft werden kann, bis zu 5 Jahren, wenn es öffentlich geschieht. Das ist doch eigentlich ein Schwächezeichen. 3./4. 4. 1939  : Die Engländer hauen zurück, sagen, von Einkreisungspolitik sei keine Rede, und Churchill fügte frotzelnd hinzu, man sei bereit, die gleichen Grundsätze gegebenenfalls auch zu Gunsten Deutschlands anzuwenden, wenn beispielsweise Dänemark Deutschland bedrohen wollte. – Wegen Albanien muß etwas los gewesen sein. Vermutlich hatten die Italiener wieder einmal etwas vor. Tirana dementiert die Nachrichten über Verhandlungen zur Errichtung eines italienischen Protektorates. Alba340 Pius XII. (1876–1958). 341 Deutsche Justiz, Amtliches Organ der deutschen Rechtspflege und Rechtspolitik (hrsg. vom Reichsminister der Justiz).

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nien wolle unabhängig bleiben und werde sich zu wehren wissen. Dazu verweisen die Engländer auf die italienisch-englischen Abmachungen, die ein solches Vorgehen, wie es Italien zugeschrieben werde, ausschlössen. 5. 4. 1939  : Der Erste Lord der Admiralität342 hat heute bei der Einweihung eines Flugzeugmutterschiffes erklärt, die Vertreter der Luftabwehr seien nicht zur Feier erschienen, weil er ihnen eben den Befehl erteilen mußte, sich gegen etwaige Luftangriffe gewappnet zu zeigen, die heute erfolgen könnten. Daraus ist eine Riesengeschichte entstanden. Die Zeitungen waren gebeten worden, nichts darüber zu schreiben, taten es aber dennoch vereinzelt und außerdem wurde die Nachricht durch den Empire Rundfunk weitergegeben. Chamberlain mußte sich dazu im Unterhaus äußern und redete sich auf eine Improvisation aus, die aber zeige, wie die englische Flotte jeder Eventualität gewachsen sei. – Großer Empfang in Prag für Neurath, auch die Schulkinder mußten ausrücken. – Die Polen erklären jetzt, daß sie eine Autostraße durch den Korridor nur auf Grund von Verhandlungen und unter voller Wahrung der polnischen Souveränität zugestehen könnten. Bei Abschluß des Eisenbahnkorridorabkommens habe man übrigens an die Möglichkeit einer Autoverbindung nicht denken können. 7. 4. 1939  : Die Italiener haben heute in der Früh Albanien angegriffen und zu besetzen angefangen. Heikle Lage der Jugoslaven. Große Unruhe. Die Holländer haben die Grenzstraßen teilweise gesperrt und neue Einberufungen angekündigt. Griechen und Türken beraten. – Das polnische Militärblatt befaßt sich mit der deutschen Armee, findet, daß die Kader nicht genug durchgebildet sind, daher nicht den Kampfwert von 1914 besitzen. Es werden jetzt nicht mehr Motorwagengeräusche und Kommandorufe genügen, um Staatsgrenzen zu zerbrechen. 8. 4. 1939  : Hudeczek bei mir, bezeichnet die Finanzlage als unter aller Kritik miserabel, man kenne sich eigentlich nicht mehr aus. Nach der Enteignung der Juden und der Erhöhung der Besteuerung greife man jetzt auf das Nichtzahlen. Keine Devisen. In zwei Jahren müßte das Ganze zusammenbrechen. Vorher vielleicht noch eine verstärkte Inflation, die aber eigentlich mit Rücksicht auf die bestimmten Erklärungen Hitlers ausgeschlossen wäre. Im Westen warte man einfach auf den Niederbruch und es werde den Leuten dort nicht einfallen, einen Angriffskrieg zu beginnen. Sie bleiben Gewehr bei Fuß. Tunis könne von Mussolini wegen der starken Befestigungen an der 342 Winston Churchill (1874–1965).

9. 4. 1939

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Ostgrenze nicht errungen werden. Daher seine Wut und daher auch sein Losgehen gegen Albanien, um seinen Leuten wenigstens etwas zu zeigen. Er werde schließlich auch gegen Jugoslavien losgehen müssen, weswegen Berlin wahrscheinlich das Prävenire spielen müsse, so daß die Jugoslaven überhaupt früher drankommen könnten, als man es sonst nach dem Tempo hätte annehmen können. Im Übrigen könne sich das Regime nur durch fortwährende außenpolitische Erfolge halten. Das Benehmen der Polen sei natürlich ein starkes Minus. Im Übrigen spüre man im alten Gebiet von der Einwirkung der Partei nur äußerlich, von der Verwurzelung mit dem Volke sei keine Spur. 9. 4. 1939  : Kam in Baden mit Urbas zusammen, der sehr schwarz sieht. Wir stünden vor dem Krieg, die Italiener hätten es eigentlich vor allem auf Griechenland abgesehen. Die tschechische Landnahme sei nur aus finanziellen Gründen vorgenommen worden und sei in dieser Beziehung daneben gegangen. Es sei doch nicht ausgeschlossen, daß jetzt die Engländer aktiver würden. – Sah in Baden in einer Buchhandlung eine Landkarte aufgehängt, auf der die Leute mit dem Finger herumfuhren und meinten, jetzt käme Dänemark an die Reihe. Im Gasthaus hörte ich Erzählungen. In der Schule hätte der Lehrer über die gegenwärtigen Grenzen Deutschlands gefragt, worauf der Schüler geantwortet hätte  : »Entschuldigen Sie, Herr Lehrer, ich habe die Zeitung noch nicht gelesen.« Ein anderer Witz, der mir aber nur unter 4 Augen erzählt wurde. Ein ostmärkischer Rekrut wurde von einem altreichsdeutschen Unteroffizier gedrillt, der immer unzufrieden blieb und schließlich meinte  : »Ihr Österreicher, ihr seid doch zu 50 % Trotteln«, worauf einer von den Mannen grinste. »Warum lachen Sie  ?«, worauf der antwortete  : »Ah, es hat sich doch gebessert, vor einem Jahr waren wir es noch zu 98 %.« In Baden sehr viel Publikum aus dem Altreich, alles ruhig beobachtende Leute. – Ein Sohn des Sekt. Chefs H.343 dient in Rathenow. Er war jetzt in der Tschechei und hat gestern seine Eltern von Graz aus besucht, gehört einer Panzerdivision an, die offenbar dort mit Rücksicht auf die Jugoslaven ist. 10. 4. 1939  : In Polen ist die allgemeine Beschlagnahme von Wagen und verschiedenen Gebrauchsgegenständen sowie die Inanspruchnahme menschlicher Dienstleistungen angeordnet worden. – Mussolini konnte also doch nicht am Ostersonntag nach Albanien fahren, die Engländer haben ihn offenbar durch ihre Demarche aufgehalten und erklären schon jetzt, daß sie Griechenland absolut halten werden. Da werden sie also Ernst zeigen müssen.

343 Nicht zu eruieren.

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11./12. 4. 1939  : Der Generaldirektor der Floridsdorfer Lokomotivfabrik344 wurde verabschiedet. An seine Stelle sind zwei junge SS-Leute345 gekommen. 13. 4. 1939  : Hiesige Barockmöbel werden bei Versteigerungen zum Vielfachen des Schätzpreises weggebracht. 14. 4. 1939  : Rede Roosevelts, daß Amerika bei den kommenden Auseinandersetzungen nicht beiseite stehen könnte. Der Ozean trenne nicht mehr Amerika vom alten Europa. Man müsse zusammenhalten gegen die Leute, die die Welt neu erobern wollen. – Nachrichten um Spanien, daß der Einzug in Madrid verschoben wurde, um nicht die Armee entlassen zu müssen, daß Chamberlain den Abzug der italienischen Truppen aus Spanien als praktischen Beweis der Loyalität der Italiener erwarte, daß eine große deutsche Eskader ihre Frühjahrsübungen längs der spanischen Ozeanküste abhalten werde und auch einige Schiffe ins Mittelmeer schicken werde. – Im Rundfunkwesen scheinen übrigens die einzelnen Sender im deutschen und im anderen Raum ziemlich eigene Politik zu machen. So werden Meldungen des bayerischen und des Kölner Senders heute dementiert. – Gayda polemisiert gegen Chamberlain mit dem Bemerken, daß er von der Einbeziehung Frankreichs absehe, da Frankreich seit 1936 aufgehört habe, ein selbständiger politischer Faktor in der europäischen Politik zu sein. 15. 4. 1939  : H.346 erzählt von großen militärischen Transporten. Es könne sich nur um Polen handeln. Die Auszüge aus der letzten Roosevelt’schen Botschaft lassen nicht gerade das Zeug eines ganz großen Staatsmannes ahnen. In England wird offenbar Hals über Kopf gerüstet. Von der Bereitschaft für den Kampf am Festland wird man aber noch sehr entfernt sein. 17./19. 4. 1939  : Dieser neue Trommelrhythmus geht mir auf die Nerven, den man überall vernehmen muß. – Der gegenwärtige stellvertretende Personalchef im Auswärtigen Amt347

344 Arno Demmer (1882–1964). 345 Paul Mauck (1900–1975)  ; Fritz Nölle (1895–  ?). 346 Hans Wildner senior. 347 Seit Jänner 1937 war Hans Schröder stellvertretender Personalchef im Auswärtigen Amt (für den

20. 4. 1939

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hat gehen müssen. Papen zum Botschafter in der Türkei bestellt, wo man ihn offenbar wegen seiner Beziehungen und seiner hier bewährten Art verwenden will. 20. 4. 1939  : Im Radio hörte ich heute, wie die kleinen Kinder in den Gedankenkreis des neuen Staates eingeführt werden. Die Kinder singen ein Lied  : »Wir sind die deutschen Kinder und sind im braunen Heer, wir sind die deutschen Kinder und lieben Hitler sehr.« Die Lehrerin erzählte dann, wie die Kinder auf die Politik vorbereitet werden, wie sie ihnen beibrachte, als das Horst-Wessellied gedichtet wurde, habe es noch wenig SA-Männer gegeben usw. Das ist doch beklemmend. – Die großen Staaten mit Ausnahme Italiens haben der Einladung, besondere Delegationen zum heutigen Tag zu entsenden, nicht Folge geleistet. Dafür waren aber Dänemark und Schweden durch militärische Missionen vertreten. [Lücke im Text] als man glauben könne. Das Militär wartet nur darauf. Allerdings wird auch in die Offizierskreise durch die forcierte Ernennung von Unteroffizieren ein Keil getrieben, das seien erprobte Parteileute, die gegen den preußischen Offiziersgeist eingestellt seien. 25./26. 4. 1939  : Die Engländer führen die allgemeine Dienstpflicht ein. Ein Major Reinhold, der heute im Londoner Radio deutsch sprach, sagte mit Hinweis auf die Mentalität der Engländer, die alles nur bei unbedingter Notwendigkeit tun, nicht vom Allgemeinen, sondern vom Besonderen zum Allgemeinen ausgehen und denken, daß die allgemeine Wehrpflicht bisher nur zweimal, in den Napoleonischen Kriegen und im Weltkrieg eingeführt worden sei, um den Gegner unbedingt niederzuringen, was auch geschehen ist, so auch jetzt. Die Engländer würden nicht dulden, daß jemand mit Gewalt die anderen niederhalten wolle. Mir fiel heute die Bemerkung von A.348 ein, es werde sich die Geschichte von Sarajewo wiederholen, auf einmal würden wir im Kriege drinnen sein und dann gleich ebenso enden, weil die anderen eben stärker sind. Der deutsche Vorrang in der Luft kann den Krieg nicht entscheiden. – Die Sabotageakte gegen das deutsche Militär in der Tschechei dauern weiter an. Wurzian erzählte heute von öfteren Schießereien gegen Posten. K.349 gab Erzählungen über Ausspucken vor den Posten wieder. In den Zeitungen lesen wir heute, daß in Pilsen systematisch Salzsäure gegen die deutschen Soldaten geschüttet wird, weswegen

mittleren Dienst zuständig), ab April 1939 stellvertretender Leiter der Personal- und Verwaltungsabteilung. Die Angaben Wildners stimmen damit nicht überein. 348 Nicht zu eruieren. 349 Karl Wildner.

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50 Bürger und 50 Juden in Haft genommen wurden und der Stadt die Entschädigung zur Last geschrieben wurde. 27. 4. 1939  : Sekt. Chef Pfaundler erzählt mir aus Gesprächen mit Berlin, die Ostmark höre am  1. Mai nicht auf und bleibe vorläufig bis zum 1. Oktober bestehen. Bürckel als Reichskommissar ist gleichzeitig Statthalter. Die Gaue werden nur innerhalb der Ostmark gebildet. – H.350 gibt mir Gespräche mit Pg.’s wieder, das Spitzelwesen usw. des Metternich’schen Regimes erscheine gegenüber dem jetzigen wie ein Paradies. Die Ostmärker würden überall hinausgedrückt. Die Meckerer werden immer heftiger. 28. 4. 1939  : Die Hitlerrede angehört. Sie war wie alle bisherigen stark polemisch und nützte die starken Blößen, die sich Roosevelt gegeben hatte, unbarmherzig aus. 8/10 galt wie immer der Vergangenheit und war nur Wiederholung. Am stärksten schien er den Vorwurf der Inkonsequenz empfunden zu haben sowie den Vorwurf, daß er seine Meinung geändert habe. Das englische Flottenabkommen und das polnische Abkommen werden als außer Kraft gesetzt betrachtet, Bereitschaft zu neuen Verhandlungen auf Grundlage voller Klarheit. 29. 4. 1939  : Hauenschield, der so begeistert vom neuen Regime getan hat, ist mit einfachem Formular in den Ruhestand versetzt worden. 1. 5. 1939  : Die heutige Hitlerrede fiel mir durch stetes Betonen der Einigkeit, die notwendig sei, um zu bestehen, auf, ferner durch das starke Betonen des Ich und der persönlichen Erfolge sowie durch die heftige Politik gegen die gegnerische Presse, wobei die Mme. Tabouis eine besondere Ehrung erfuhr. Die Rede wird daher ungünstig wirken müssen. Auch die Wendung über die Freiheit der Persönlichkeit war recht unglücklich gewählt und der Hieb gegen die Intellektuellen erst recht, denn indirekt wird gesagt, daß eben nur ein Verlaß auf die Nichtgebildeten sei usw. 2. 5. 1939  : Maurois spricht von rhéteur tapageur und rhétorique grossière.351 Die gestrige Rede Görings habe ich mir geschenkt. Sie war eine Kriegsrede, es habe nur so gedröhnt, wie Lippe mir erzählte. 350 Hans Wildner senior. 351 Rhéteur tapageur – Marktschreier, rhétorique grossière – primitive Rhetorik.

3. 5. 1939

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3. 5. 1939  : Gespräch mit Sektionschef Pfaundler. Er ist zum Verwaltungsrat der neu gegründeten Tabakgesellschaft bestellt und Freitag, 6 Uhr abend zur Sitzung nach Berlin berufen worden. Angekommen in Berlin zu einer telegraphisch für 12 Uhr angesetzten Sitzung, müssen die Ostmärker feststellen, daß kein Mensch davon etwas weiß. Nach langem Warten stellt sich dann heraus, daß die Sitzung um 2 Stunden verschoben wird usw., worauf dann eine weitere Verschiebung stattfindet. Schließlich habe Minister Glaise-Horstenau, der auch im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft sitzt, Krawall gemacht und die Sitzung wurde daraufhin noch kurz vor Abgang des Zuges abgehalten. Sie war rein formeller Art. Hinter den Kulissen soll inzwischen ein heftiger Kampf zwischen zwei altreichsdeutschen Ressortgewaltigen stattgefunden haben. Im Ganzen miserabler Eindruck. – Neubacher soll tatsächlich einerseits zu unternehmend, andererseits zu schläfrig gewesen sein und sich der Sache nicht gewachsen gezeigt haben. – Dr. Wolf (ehem. Minister) getroffen, der gerne mit mir länger sprechen möchte und einstweilen nur bemerkte, daß der Vatikan sehr behutsam vorgehe und daß momentan Ruhe in den beiderseitigen Beziehungen herrsche. Mit viel Meckerern zusammengekommen. Alles schimpft über die Versorgungsverhältnisse. Das Mehl ist sehr schlecht, dumpfig und an den zahlreichen Unterleibskrankheiten, die jetzt vorkommen, schuld. – In der großen Politik scheinen die Engländer jetzt mit den Russen große Schwierigkeiten zu haben, was vorauszusehen war, denn die Russen, und gar die Sowjetrussen, sind gefährliche Partner, aus deren Hilfe doch nichts herausschaut. 4. 5. 1939  : Wurzian erzählt von neuen militärischen Maßnahmen in der Richtung der slovakischpolnischen Grenze, wobei österreichische Truppenteile eingesetzt sind. Das Stift Göttweig soll in eine Ordensburg umgestaltet werden. Die meisten Geistlichen seien in Haft. – Litwinow von dem Posten gegangen, hat sich offenbar mit seinen Ansichten nicht durchsetzen können. Den Engländern ist ihre Verhandlung dadurch nicht leichter geworden. – Göring und Ribbentrop sind auf Erholungsurlaub nach Italien. 5. 5. 1939  : Beck352 hat eine gewisser Schärfe nicht ermangelnde Rede gehalten und u. a. gesagt, die Politik der Schwäche, der kollektiven Sicherheit und die Wandlung der diplo­ matischen Umgangsformen habe die Grenzen Polens erreicht. Polen habe keine Ursache, die Aufhebung des deutsch-polnischen Abkommens vom Jahre 1934 zu beklagen, wenn die Politik Deutschlands nicht von den Leitsätzen abweiche, die dem Vertragsabschluß zugrunde lagen, nämlich die Wahrung der Unabhängigkeit Polens, die Abstandnahme von einseitigen Forderungen und das Offenhalten nor352 Józef Beck (1894–1944).

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maler Beziehungen Polens zu den Westmächten. Hitlers Absicht, die Slovakei unter gemeinsames Protektorat Deutschlands, Polens und Ungarns zu stellen, habe Polen erst jetzt erfahren. Es wolle aber nicht auf Kosten anderer Geschäfte machen. Zum Hitler’schen Vorschlag einer Anerkennung der Grenzen Polens für 25 Jahre könne er nur sagen, daß diese Grenzen eine Selbstverständlichkeit seien usw. Chamberlain hat heute im Unterhaus erklärt, daß das Garantieversprechen unbeschränkt sei, und Daladier hat sich im selben Sinn geäußert. Tardieu hat von kriminellen Friedensbrechungen gesprochen. Wenn es zum Kriege käme, werde man Deutschland unbedingt viel schlechter behandeln müssen als im Jahre 1918. [Die Meckerei geht weiter.] 6. 5. 1939  : Der Text der Beckrede353 ist hier nur ganz auszugsweise und mit Hinweglassung vieler auffallender Stellen veröffentlicht worden. Das in Berlin überreichte polnische Memorandum ist ebenfalls hier noch nicht veröffentlicht worden. – In der »Times« setzt der englische Innenminister Hoare in langen Ausführungen auseinander, wie im Kriege die Presse behandelt werden soll. Auch das Format werde eingeschränkt werden, worüber bereits mit der Papierindustrie und den anderen Interessenten Vereinbarungen getroffen wurden. – Das englische Königspaar354 ist heute nach Kanada abgereist. Es wird also vorläufig nichts geschehen. [Unterdessen wird es wohl ruhig bleiben, denn wenn es jetzt zu einem uns zur Last gelegten Konflikt käme, würde der ganze Westen gegen uns losgehen.] 7. 5. 1939  : Die Polen erklären, daß sie ½ Million unter den Waffen haben und binnen 24 Stunden 5 Millionen mobilisieren können. 8. 5. 1939  : Hoffinger verabschiedet sich, übersiedelt nach Berlin. Guido Schmidt ist endgültig Exportchef bei den Göringwerken geworden. Hornbostel soll doch noch nicht frei gelassen sein, dafür aber der Kleinwächter. 9. 5. 1939  : [Chamberlain hat im Unterhaus erklärt, als er über deutsch-englisches Flottenabkommen gefragt wurde, es sei ungewöhnlich, daß eine befreundete Regierung ein Abkommen ohne weiteres aufkündigt. – In der russischen Frage ist die Lage recht unklar – die Russen wollen offenbar ein Abkommen, das alle Möglichkeiten berücksichtigt, während die Engländer nur ein eventuelles Abkommen für den Fall, daß England wegen Polen und Rumänien in den 353 Józef Beck (1894–1944). 354 Georg VI. (1895–1952)  ; Elizabeth Bowes-Lyon (1900–2002).

10. 5. 1939

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Krieg verwickelt werden sollte, vorgeschlagen haben und dabei vorläufig nur an eine optische Konstruktion gedacht haben.] 10. 5. 1939  : K.355 hört von seinen Bekannten am Ballhausplatz, daß Seyß-Inquart sich gesträubt habe, abzugehen. Bürckel behielt aber doch die Oberhand. Die Illegalen kommen in der Organisation stärker zur Geltung. Tavs soll die neuen Wiener Bezirke betreuen, Rentmeister wird Gaupropagandaleiter in Wien usw. Bürckel soll sich gegen die Anzeigerei erneut scharf verwahrt und erklärt haben, daß gegen alle in der Versammlung der Politischen Leiter anwesenden Personen Anzeigen eingelaufen seien. Globocnik soll als einfacher SS-Mann in der Leibstandarte Dienst tun. In der Postsparkasse gehen Entlassungen und Pensionierungen weiter. 11. 5. 1939  : Sah auf einem Spaziergang auf der Sandleiten, daß das schöne Wolgaschifferdenkmal von der Ries weggebracht wurde. Ist sie am Ende auch nicht in Ordnung gewesen  ? Neue energische und ernste Rede Chamberlains, der teilweise mit Hitler polemisiert. Endet mit der Beteuerung, England wolle nicht abwarten und zusehen, bis die Unabhängigkeit eines Staates nach dem anderen beseitigt werde. Die ganze Nation sei davon überzeugt, daß jeder Versuch, die Lage Polens durch Gewalt zu ändern, wobei die Unabhängigkeit Polens in Frage gestellt werde, unvermeidlich einen europäischen Krieg herbeiführen werde, in den England verwickelt sein würde. Daladier hat eine ähnliche Rede gehalten und ebenso der Außenminister von Australien.356 Dazu Nachrichten, daß der nordamerikanische Generalstabschef357 nach Brasilien fährt, um gemeinsame Beratungen zu führen. Die vier nordischen Staaten haben angeblich vorgestern beschlossen, ihre Neutralität zu wahren und sich keinem Block anzuschließen. – Das Anhören von englischen Nachrichten über interne deutsche Sachen wird hier gestört. [Ich finde das schlecht, wir brauchen uns doch vor den anderen nicht zu genieren – die Dinge sprechen für sich selbst.] 12. 5. 1939  : Die Engländer haben doch das Abkommen mit den Türken zustande gebracht. Nach ihrem Rundfunk erfährt man aber, daß es ein Beistandspakt für den Fall einer wo immer erfolgenden Angriffshandlung ist, die zum Krieg im Mittelmeer führt, wobei unter Mittelmeer die Dardanellen und das Schwarze Meer auch mitverstanden sind.

355 Karl Wildner. 356 Henry Somer Gullett (1878–1940). 357 Malin Craig (1875–1945).

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Papen ist also zu spät gekommen. Das Ganze zunächst gegen Italien gerichtet, aber auch die Franzosen werden in Syrien etwas zahlen müssen. 13. 5. 1939  : Gespräch mit Sekt. Chef Müller.358 Sein Sohn359 ist wegen Geheimbündelei angeklagt, hatte Schwierigkeiten, einen Verteidiger zu finden, die meisten fürchteten sich. Schließlich übernahm die Vertretung der alte Nazi Dr. Riehl, der nachher dem Vater erklärte, der Bub werde mit einer bedingten Strafe davonkommen. 14. 5. 1939  : Ging gestern längs des Steinhofs, vom Rosental kommend, zur Aussichtswarte. An der Mauer waren überall Bilder des Hitler mit Hakenkreuzen angemalt. Ich dachte mir  : »Risum teneatis amici, difficile est satiram non scribere.«360 Große Mussolinirede, die aber eher beschwichtigend und vorsichtig klang. [Er sieht eben auch, daß die anderen zur Attacke übergegangen sind und daß er jetzt alles verlieren kann, wenn es scharf gehen sollte. – Göring wieder zurück nach Berlin, sollte er wirklich krank sein, wie behauptet wird.] 15. 5. 1939  : H.361 war in Graz mit der Frau eines Bekannten, um verschiedene Lebensmittel einzukaufen, die dort eher zu haben sind als hier. Als er sich im Vergleich mit den Wiener Verhältnissen lobend aussprach, meinte die Frau  : »Ja, wir sind nicht so, auch bei uns hat es mit der Versorgung gehappert. Daraufhin sind wir Frauen mit nach unten gekehrten offenen Körben auf die Straße gegangen und haben im Chor gerufen  : ›Wir danken unserem Führer  !‹, worauf rasch die Versorgung besser wurde.« In den Betrieben ist wieder Unrast. Die Arbeiter sind mit ihren Löhnen nicht zufrieden und beklagen sich über das scharfe Arbeitstempo. Sie weigern sich, die KdF-Unterhaltungen mitzumachen. Dazu Äußerungen  : »Die Mark ist nur mehr so viel wie der Schilling wert.« Im Altreich soll es laut offen im Kaufhaus geführten Gesprächen ähnlich zugehen, so in Hannover und Berlin. In Znaim soll die Unzufriedenheit sehr hochgestiegen sein. Es wird wieder gehamstert, auch die öffentliche Hand nimmt Bevorratung vor. 358 Josef Müller (1875–1962). 359 Josef Müller (1917–  ?). 360 Dabei handelt es sich um zwei Zitate. Der erste Teil »risum teneatis amici« stammt von Horaz  : »Würdet ihr Freunde das Lachen zurückhalten  ?« Der zweite Teil stammt aus den Satiren von Juvenal. Richtig  : »difficile est saturam non scribere«  : »Schwierig ist es, nicht eine Satire zu schreiben.« Dies ist ein geflügeltes Wort und beschreibt eine Situation, die eben zu einem satirischen Kommentar herausfordert. 361 Hans Wildner senior.

16. 5. 1939

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16. 5. 1939  : Die Russen bleiben fest und die Engländer werden doch nachgeben müssen [und die militärische Allianz abschließen müssen, die Franzosen sind ohnedies dafür und die Türken werden es sicherlich verlangt haben – sonst hätte das Ganze ja keinen Sinn, damit muß wohl hier gerechnet werden – auch in Ostasien scheinen die Engländer und Amerikaner aktiver zu werden und einschreiten zu wollen, wie sich aus Amoy ergibt – der Führer hat seit gestern eine Besichtigung der neuen Westfront-Befestigungen unternommen und Mussolini tut dasselbe an der französischen Grenze zur eigenen Beruhigung und die der anderen.] Von allen Seiten der Welt kommen Nachrichten über Vorbereitungen. Dabei glaube ich gar nicht, daß die Franzosen irgendwo an der europäischen Grenze von selbst losgehen werden. H.362 meint auf Grund hiesiger Nachrichten, daß die Engländer erledigt sein würden, weil 100 ferngelenkte Flugzeuge gegen sie losgelassen werden würden. 20. 5. 1939  : Ka.363 erzählt mir aus einem Gespräch mit einem militärischen Kameraden, er habe gesehen, wie ein Rekrut mehrmals das Wort  : »Ich bin ein Kanonier  !« geschrieben hat. Auf die Frage, was er da tue, antwortete er, er müsse es 50mal schreiben, und der Unteroffizier erklärte dann  : »Ich muß dem Menschen endlich einmal beibringen, daß er hier Kanonier ist und nicht ein Obersturmbannführer.« Ein anderer österreichischer Rekrut wurde veranlaßt, auf einen Baum dreimal hinaufzuklettern und dabei zu sagen  : »Ich bin ein dämlicher Österreicher.« – Goebbels hat gestern in einer Rede in Köln zum Schluß gesagt  : »Wir sind gewappnet bis an die Zähne und vertrauen blind auf den Mann, der Deutschland aus seinem tiefsten Fall von 1919 zu der Höhe von 1939 emporführte. In diesem Sinne sind wir religiös und glauben an das Walten eines höheren Schicksals, das am Ende doch immer Mut und Kraft belohnen wird und das uns dann auch den Weg zeigt, um zu unserem Recht und zu unserer Freiheit zu kommen. In diesem Sinne haben wir Mut und Berechtigung, vor diese höher über uns waltende Macht zu treten und ihr zu sagen  : ›Wir haben uns selbst geholfen, nun, Gott, mußt Du uns auch helfen  !‹« Dieser ganze Absatz ist in den Abendzeitungen nicht wiedergegeben. 21. 5. 1939  : Die Zeitungen sind voll von der Transaktion, die mit den Klosterneuburger Gründen durchgeführt worden ist. Die Partei hat sie erworben, wie, wofür  ? Und Bürckel hat daraus einen Mutterfonds gemacht. Was steckt dahinter  ? Die illustrierten Zeitungen bringen lauter militärische Bilder von Hitler und Mussolini. In Alexandrien sind 52 englische Kriegsschiffe versammelt. Der »Matin« regt sich über den Markkredit an Sowjet362 Hans Wildner senior. 363 Karl Wildner.

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rußland auf, angeblich 1 Milliarde Mark, die schon im Jahre 1933 nach dem Brand des Reichstagsgebäudes wieder gegeben und jetzt alle Jahre erneuert wurden, 200 Millionen roulierend. 22. 5. 1939  : Beim alten Peter,364 der noch mehr räsoniert. Bisher sei es nur gegen die Juden gegangen, jetzt kämen auch die andern dran, siehe Klosterneuburg, was eine einfache Wegnahme sei. Was sei auch von einem Menschen wie Bürckel zu erwarten, der von sehr niedriger Bildungsstufe sei, durch seine Sauferei ein Gespött für die ganze Stadt. Die auswärtige politische Propaganda arbeite nur grob. Man müsse in den breiten Massen wirklich glauben, daß wir vor einem englisch-russischen Bündnis Angst hätten usw. 23. 5. 1939  : Das deutsch-italienische Bündnis ist für den Beobachter zunächst die Perennierung der Brennergrenze und die Preisgabe der Südtiroler. – Glaise-Horstenau sammelt Posten  : Aufsichtsrat bei Krupp, bei der Tabakregie, korrespondierendes Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften, er ist doch nur ein Schieber. – 24. 5. 1939  : Ausflug nach Breitenfurt und Grub, jedermann unzufrieden. Die Wirte sagen, die Touristen lassen nichts verdienen, und die Bauern verdienen selbst nicht entsprechend. Dem Stift Heiligenkreuz dürfte der Pachtgrund ebenso weggenommen werden wie den Klosterneuburgern. Klezl teilt mir mit, daß ich auf Grund des Überflüssigkeitsparagraphen pensioniert werde, ebenso wie der Prochnik, weil die Stellen für Nachmänner benötigt werden. Dabei hätte ich, wie er behauptet, i. k. W. nicht pensioniert werden dürfen. Ich werde mich hüten, etwas dagegen zu tun. Klezl übrigens verzweifelt, weil eine reine Willkürherrschaft herrsche, nur Versorgungsjagd, von Gesetz und Recht nach unseren alten Begriffen sei keine Rede mehr. 27. 5. 1939  : Zum Frühstück bekam ich das Formulardekret, mit dem ich im Interesse des Dienstes auf Grund § 6 des Gesetzes zur Regelung des Berufsbeamtentums in den Ruhestand versetzt wurde. Paßte gut zum heutigen Geburtstag. Das Ganze etwas konfus. Als Gesandter pensioniert und die Pension zugewiesen als an den Ministerialdirigenten. [Auch das ist mir egal – hoffentlich finde ich jetzt die innere Ruhe – jedenfalls heißt es aber jetzt noch mehr sparen …]

364 Franz Josef Peter (1866–1957).

28./29. 5. 1939

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28./29. 5. 1939  : [Adi,] meine Schwester365 sagte mir heute, so viel verdrossene Gesichter, wie man jetzt in Wien sieht, gar keine richtige Fröhlichkeit, alles wartet auf die ungewissen Dinge, die kommen werden. Überhaupt miserable Stimmung. Wer ein Geld hat, betrinkt sich. Kl.366 hat ein Gespräch mit D.367 aus Köln zur do. Lage  : allgemeine Unsicherheit und Beklommenheit. Was geschieht, wenn ihm etwas zustößt  ? Der Hermann sei schwer krank und unter den restlichen Diadochen sei kein wirklicher Nachfolger. Schwierigkeiten bei der Luftwaffe bezüglich der höheren Führung. Es fehlen die älteren Offiziere und auch jüngere. Deswegen wird schon von den Flak­ abteilungen hinübergeschoben. Die finanzielle Lage ganz unübersichtlich. Man weiß nicht, wieviel eigentlich ausgegeben wird. Abends im Gösser Bräu unerhörter Zustrom, dabei der Wirt sehr unzufrieden, er mache keine Gewinne und habe nur Schwierigkeiten, um Fleisch, Wein usw. zu beschaffen. Die Kellner mit der neuen Trinkgelderordnung unzufrieden, die zu ihrem Nachteil gehe. 1. 6. 1939  : Urbas erzählt, im Westen rechne man unbedingt für den Herbst mit dem Krieg, wenn nicht vorher ein wirtschaftlicher Vergleich erfolge, der auf Kosten der Mark und der deutschen Wirtschaft mit den sich daraus ergebenden Folgen vor sich gehen würde. Die Lage Deutschlands werde absolut pessimistisch beurteilt, im Protektorat gehe es drunter und drüber zu, die Attentate auf die Posten mehren sich, die Ungarn ebenfalls pessimistisch, Böhmen und Mähren seien Sperrgebiete. [Gleiche Nachricht über Böhmen von anderer Seite – am Abend bei Kl.368 – müde – meine Sache geht mir doch im Kopf herum – es ist vielleicht doch ein politischer Beigeschmack dabei.] 2. 6. 1939  : Weitere Nachrichten über die Lage im Protektorat. In Triest sind gegen die Juden gerichtete Maßnahmen im Gange, wenn nicht noch strengere, Überhörung der Telephongespräche. In Berlin sogar halte man sich über das hier geübte straffe Regiment auf, es werde aber vorläufig noch nicht dagegen eingeschritten werden. Weitere Maßnahmen gegen die Beamten in Sicht, Hammerstein-Equord369 ohne Gebühr entlassen. Gerichtliche Untersuchung gegen Draxler und Ludwig eingeleitet. – In Prag große Unruhen, die Polizei mußte an zahlreichen Stellen der Übermacht wei-

365 Adele Wildner. 366 Clemens Wildner  ; Heinrich Wildner schreibt meistens Klemens, Klem. oder Kl. 367 Nicht zu eruieren. 368 Clemens (Klemens) Wildner. 369 Hans Hammerstein-Equord (1881–1947).

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chen. Dem K.370 ist u. a. vorgeworfen worden, daß er seine Kinder in die Sacrecoeurschule schickte. [Mit den Geschwistern auf dem Kobenzl – meine Geschichte geht mir sehr durch den Kopf – es ist doch eine Gemeinheit, offenbar aber eine unbewußt angetane, es sei denn, daß man doch etwas vorhatte.] 5. 6. 1939  : Die Leute reden, daß es sich bei mir auch um politische Hintergründe gehandelt habe. – Einem Richter in Niederösterreich wird vorgeworfen, daß er und seine Frau regelmäßig in die Kirche gingen. – Im Protektorat hält die Unruhe an, die Posten dürfen nicht einzeln gehen. Staatssekretär Frank371 hat in einer Rede die Hoffnung auf ein Wiedererstehen des tschechischen Staates ein für alle Mal als utopisch erklärt. 6. 6. 1939  : Sekt. Chef Baron Flotow getroffen, der sehr schwarzsieht. Wir, die Deutschen, seien schon in der Hinterhand. Die Westmächte gehen auf unsere Vernichtung aus. Jetzt sei die Situation wie im Jahre 1914. Wir werden ja nicht den Krieg machen, aber die andern wollten ihn, und zwar bald. Der polnische General S.372 hat in einer polnischen Zeitung geschrieben, der Krieg werde nicht lange dauern, allerdings werde es zuerst die Blitzkriegsführung geben, die werde sich aber bald auslaufen, man sei auf sie gefaßt, die Hauptschwierigkeit für Deutschland werde in der Benzinfrage sein. – Die Russen ziehen sich und halten die Engländer zum Narren. Mir kommt beinahe vor, daß sie nur eine Sicherung im Westen haben und da gar nicht losgehen wollen, sondern nur an das Kriegstheater im Osten gegen Japan denken, wo sie immer stärker auftreten. – Peters373 beide Söhne374 waren eingeschriebene Nazis und hatten ihren Vater namens der Parteileitung anfangs der 30er Jahre aufgefordert, im Kreise der Partei über Außenpolitik Vortrag zu halten. Peter erzählt, Twardowski übersiedle nach Polen, er wolle nicht weitersehen, wie Wien verdorfe, nachdem 17 seiner engsten Freunde entweder erschossen oder eingesperrt worden seien. Peter erzählt noch, der am Samstag abgehaltene Blumenkorso sei eine Blamage gewesen, keine 1000 Zuschauer. Die 6 Rettungswagen seien gleich weggefahren, die Wagen selbst sehr wenig geschmackvoll. 7./8. 6. 1939  : [Von den Gedanken wegen meiner Pensionierung die Nacht heute verfolgt – gestern den Kletzl um Auskunft gebeten, daß die Auszahlung durch die Reichsstatthalterei-Buchhaltung 370 Wahrscheinlich Clemens (Klemens) Wildner. 371 Karl Hermann Frank. 372 Möglicherweise Kazimierz Sosnkowski (1885–1969). 373 Franz Josef Peter (1866–1957). 374 Ludwig Peter (1900–1941) und Wilhelm Peter (1906–1964).

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auf die Dauer der Bezugsberechtigung erfolgen wird – er konnte keine Auskunft geben, was mich noch unruhiger machte, dazu die Stelle der Verordnung, daß bis 31. 11. 39 wegen Verfehlung auch gegen Pensionierte eingeschritten werden kann – heute teilte mir Kletzl mit, daß durch eine ihnen erflossene Verfügung {unleserlich}, im Ganzen bleibt aber das unangenehme Gefühl und ich hatte in der Nacht böse Stunden der Schwachheit – Gott verzeihe mir und lasse mich stark sein – allein – Nachmittag mal geschlafen …] 9. 6. 1939  : [Lord Halifax hat wieder scharf über die deutsche Politik gesprochen – von Mangel des Vertrauens, der durch die Attacke auf die Juden und den Angriff auf die Tschechei vorgenommen worden sei – es sei ausgeschlossen, daß jetzt ein unabhängiger Staat durch den einseitigen Akt besondere Unabhängigkeit verlieren soll – seine und Chamberlains Ausführungen, daß es nicht wahr sei, daß England dem deutschen Handel zu schaden trachte, sind in Berlin übel aufgenommen worden – die russisch-englische Verhandlung scheint mir doch übel zu stehen und die Engländer machen dabei keine gute Figur – für mich, wieder von den Wahnvorstellungen verfolgt, ich muß mich viel mehr zusammen nehmen – und auch etwas arbeiten.] 10. 6. 1939  : Der Zwischenfall in Kladno, wo ein Polizeiwachtmeister375 aus dem Hinterhalt beschossen wurde, wird hier und draußen meiner Ansicht nach zu sehr aufgebauscht. Kladno war doch immer stark kommunistisch durchsetzt und kann für die Stimmung im ganzen Land nicht maßgebend sein. Man rechne nur nach, wie oft in der österreichischen Zeit in Kladno das Standrecht verkündet werden mußte. [Immer noch Gedanken, dabei immer ganz allein, was mir jetzt noch mehr zu Bewußtsein kommt, da ich nicht mehr die amtliche Muß-Beschäftigung habe – wirkliche Freunde und Kollegen hatte ich doch immer nicht gehabt.] 11. 6. 1939  : Hitler wieder in Wien. Keine 1000 Menschen waren auf dem Stück von der Oper bis zum Hotel Imperial. Der Anblick dieser ganz einfachen, schmucklosen Gestalt macht doch einen Eindruck. Der Oberkellner meines Restaurants meinte gestern  : »Da wird er wieder einigen großen Herren den Kopf waschen.« Für die große Menge ist er doch das Um und Auf. 12. 6. 1939  : Lange Unterhaltung mit Prof. Czyhlarz, der noch pessimistischer tut als ich. Diverse Nachrichten aus der Tschechoslovakei. Die Unruhen gehen dort angeblich weiter. Ebenso bedrohliche Nachrichten aus Polen. In Iwangorod sollen 3 Flugzeuge aus 375 Wilhelm Kniest (?–1939).

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der Slovakei angekommen sein. Die Bemannung verantwortet sich damit, daß sie den deutschen Kommandanten aus dem Wege gehen wollte. Meines Wissens ist aber doch die militärische Besetzung oder Kontrolle durch die Deutschen in der Slovakei durch das deutsch-slovakische Abkommen vorgesehen. 13. 6. 1939  : Wiederum Alarmnachrichten aus der Tschechei. 14./15. 6. 1939  : [Gestern war ich todmüde – Besuch des Wurzian gehabt, der mir immer schädlich ist – ich muß mich mehr von ihm fernhalten, trotzdem ich immer noch nicht an die Bösartigkeit dieses Menschen glauben kann – Programm für meine Arbeiten gemacht – ich werde sie ernst führen.] Die hiesige und überhaupt die deutsche Presse spricht übereinstimmend von einer neuen Greuelpropagandaoffensive seitens des Westens. Andererseits sehe ich aus den englischen Zeitungen, daß sich die Stimmen mehren, durch die endlich die Deutschen wirksam darüber aufgeklärt werden, daß englischerseits nicht an eine Einkreisungspolitik gedacht werde. – Die Vorfälle in Náchod, wo es angeblich infolge von Mißverständnissen zu Schießereien seitens der Polizei kam, können sehr unangenehm werden. Über die Schweiz hört man, daß die betreffende Hundertmannschaft der Schutzpolizei abgelöst wurde und, daß der Staatssekretär376 sich beim Ministerpräsidenten Eliáš entschuldigt habe. Auch wird von Widmung von 50.000 K für die Hinterbliebenen gemeldet. 16. 6. 1939  : Sekt. Chef Ruber erzählt beim Stadtparkspaziergang der Pensionisten, General List sei von einer hohen Berliner Persönlichkeit über die hiesige Stimmung gefragt worden und hätte aus ihr unter Hervorhebung der dafürsprechenden Umstände kein Hehl gemacht. Es sei nicht zu verstehen, daß man das ganze bisherige Personal und die bisherigen Einrichtungen zu ersetzen trachte, ebensowenig wie es nicht notwendig sei, alles österreichische Traditionelle auszumerzen und nicht mehr den Namen Österreich dulden zu wollen. Hitler habe sehr mißmutig ausgesehen, Bürckel sei zur Rede gestellt worden. 18./19. 6. 1939  : Die diesmalige Ansprache Bürckels war rein »weltanschaulich« gefaßt. Das liegt ihm als gelerntem Lehrer offenbar etwas besser. – Von der Lippe getroffen. Er war einige Tage in der Schweiz gewesen. Man weiß dort von den Dingen gerade so viel oder ge376 Karl Hermann Frank (1898–1946).

20. 6. 1939

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rade so wenig wie hier. Er habe den Eindruck, daß die Entwicklung auf den Konflikt zusteuere, wobei sich für die älteren Leute im Hinterlande der Beschäftigungszwang ergeben werde. Diesmal werde alles drankommen. Das Ganze als paramilitärische Formation für die Niederhaltung des inneren Feindes. – Im englischen Oberhaus erzählte Lord Strabolgi377 von der großartigen Stimmung in Belgien und Holland, wo alles auf Posten sei, alle wichtigen Übergänge unterminiert usw. 20. 6. 1939  : Es ist doch schwer, über die auswärtige Politik fortlaufend Erwägungen anzustellen, weil man unter den jetzigen Verhältnissen weder die Kräfteverhältnisse, noch die im Laufe befindlichen Operationen wirklich übersehen kann. 21. 6. 1939  : Von neuen Fällen der Maßregelung gemäß § 4 gehört. Immer nur Anzeigen. Unnütze kleinliche Quälereien. 23. 6. 1939  : Im Staatsarchiv bei Direktor Bittner, lange Unterhaltung. Er sagte, nur die Ungeschicklichkeit, ja der Wahnsinn des Schuschnigg, sei schuld an den heutigen Zuständen. Vom gesamtdeutschen Standpunkt hätte Österreich noch 20 Jahre bestehen können. Am Samstag hätte übrigens Hitler nur an die Übernahme der Präsidentschaft gedacht. Erst in der Nacht sei, wie ich ja schon wußte, die Entscheidung zur gegenwärtigen Form gekommen. Die jetzt im Gang befindlichen Maßregelungen seien sehr ungeschickt. Auch Hornbostel hätte man seiner Ansicht nach nur einfach pensionieren sollen. Aber die jungen Lausbuben täten unüberlegt, was ihnen einfalle. So werde die endgültige Regelung noch Jahre brauchen, denn alle Fälle sollen untersucht werden. Er meinte schließlich, daß er schon gerne in Pension wäre. Zum Fall Bischoff meinte er, daß dieser von der Staatspolizei ganz falsch behandelt werde, denn Bischoff sei ein nationaler Deutscher gewesen, aber ein junger Mann, der früher bei der Heimwehr Jäger war, hetze sehr gegen ihn. Schuschnigg habe zu der Freimaurerei über Hollnsteiner Verbindung gehabt, wie überhaupt auch der verstorbene Papst378 so eingestellt gewesen sei und Verbindungen mit freimaurerischen Kreisen gepflegt hätte. (Das ist ja voriges Jahr mir gegenüber auch von anderen Leuten behauptet worden, Peter-Pirkham379 und Wolf.)

377 Im Typoskript  : Starbolgie  ; siehe Joseph Montague Kenworthy. 378 Pius XI. (1857–1939). 379 Otto Peter-Pirkham.

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25. 6. 1939  : Merkwürdig, wie sich hier in vielen Kreisen die äußere Haltung an die Leute im Altreich anpaßt, wobei man hier parteimäßig noch viel strenger ist als im Altreich. 26. 6. 1939  : Die »Times« bespricht ein Buch von Ferdinand Graf Czernin über Europas gone going,380 ein Buch, das sich scharf gegen die totalitären Staaten wendet, besonders gegen Hitler-Deutschland und dessen Maxime, Hitler könne ja gar keinen Krieg führen, bisher habe er nur unblutige Siege erfochten, jetzt sei so etwas nicht mehr möglich, andererseits treibe ihn aber die Dynamik vorwärts. Dieser Czernin ist der Sohn des alten Ottokar Czernin, des früheren Ministers, der in Ostafrika381 den deutschen Konsul382 angepumpt hat, welche Schuld wir, Bundeskanzleramt, bezahlt haben, worauf weder der junge noch der alte Graf Ersatz leisten wollte. Schließlich haben wir unsere Forderung bei der Verlassenschaft anmelden müssen. Ein Bruder von ihm ist in der hiesigen Parteileitung und SS-Mann.383 27. 6. 1939  : Immer wieder alarmierende Nachrichten aus dem Protektorat. Der passive Widerstand soll wieder zunehmen, ebenso die Sabotageakte, besonders gegen das Militär, die SS, Polizei und den Auto- und Reiseverkehr. Dazu die Nachricht, daß der Übergang des jüdischen Vermögens und der Banken in altreichsdeutschen Besitz angebahnt wird usw. – Besuch bei Kleinwächter, der sehr gut aussieht und gut aufgelegt ist. Erzählt, daß Guido Schmidt mit Frau,384 nachdem er die ganze Zeit nichts von sich hatte hören lassen, bei Wildmann auf dem Lande vorgefahren sei und lange verweilt habe, ohne ihm etwa Avancen für Beschäftigung bei Schmidt in den Göringwerken zu machen, so daß Wildmann glaube, daß Guido sich schon für die andere Seite salvieren wolle. Guido habe auch erwähnt, daß man ihm gerne das doppelte Gehalt geben möchte, wenn er überhaupt nicht mehr in dem Betrieb erschiene. Welche Wendigkeit  ! – Graf Sizzo-Noris385 (ehem. k. u. k. Generalkonsul) erzählte letzthin, Guido habe während seines Aufenthaltes in Österreich, namentlich in Kitzbühel, Tausende von Drohbriefen bekommen.

380 Ferdinand Czernin, Europe, going, going, gone  !, London 1939. 381 Zum Aufenthalt in Afrika vgl. Ottokar Czernin, Mein Afrikanisches Tagebuch, herausgegeben von Monika Czernin, Wien 2010. 382 Nicht zu eruieren. 383 Peter Czernin (1907–1967), Bruder von Ferdinand Czernin, SS-Obersturmführer. 384 Maria Schmidt (1905–1965). 385 Im Typoskript  : Sizzo-Noris oder Sizzo  ; es wurde vereinheitlicht auf Sizzo-Noris.

30. 6. 1939

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30. 6. 1939  : Vorgestern Buchberger gesprochen, der sich um die ständige Ausreisebewilligung für Schweden bemüht. Er erzählte aus einem Gespräch mit einem Münchener Bekannten, daß mit der Eingliederung von Danzig ganz sicher, und zwar ohne Krieg gerechnet werde. Die deutschen Militärs seien längst in Gesprächen mit den russischen, die den Stalin beiseite hielten. Das wäre zu schön. Italien habe nach Erzählungen von Frashëri jetzt 7 Divisionen in Albanien, habe den Raubzug schon längst vorgehabt, die erste Einmarschtruppe habe sich nicht gerade rühmlich benommen und sei von kleinen albanischen Kräften 4 Tage vor Tirana aufgehalten worden. – Im Protektorat wird immer energischer vorgegangen. Neurath hat angeblich größere Vollmachten erhalten. Nächstens wird wohl allgemein die Doppelsprachigkeit eingeführt werden. Die Besatzungstruppen werden verstärkt. 2. 7. 1939  : Die letzthin von Halifax gehaltene Rede zeigt doch, daß man dort ganz außer Rand und Band geraten ist. 3. 7. 1939  : Die Engländer werden immer deutlicher. Die Botschaft der Arbeiterpartei an das deutsche Volk ist schon ein starkes Stück, [noch dazu in der Wiedergabe durch den englischen Rundfunk – in Danzig scheint schwer abgeblasen worden zu sein – anders in Polen…] 5. 7. 1939  : Urbas kam zu meinem Mittagstisch, wie vorauszusehen, um mich anzupumpen. Ich kam ihm zuvor unter Hinweis auf die neue Steuervorschreibung. Er war dann ganz klein. Durch Löwenthal hatte er über Guido386 gehört, daß dieser mit seinem Berliner Posten sehr unzufrieden sein soll, er hätte dies eigentlich nicht notwendig gehabt. Ein von Vaugoin abgesägter General,387 der immer national gewesen war, habe ihm kürzlich erzählt, daß das Heer von einem Krieg nichts wissen wolle und seine Führer gegebenenfalls die schärfsten Konsequenzen ziehen wollen, eventuell auch gegen Hitler. 6. 7. 1939  : Nachmittag mit Peter388 im Prater. Er gestand mir, daß seine Tochter389 erst jetzt, 3 Monate nach der Ziviltrauung, sich kirchlich habe trauen lassen. Peter mokierte sich über die Bemerkungen zum englischen Flottenstärke-Memorandum. Er findet 386 Guido Schmidt. 387 Konrad Hornung (1877–1964). 388 Franz Josef Peter (1866–1957). 389 Cornelia Peter (1911–  ?).

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die Gegenbemerkungen, die er auf den {unleserlich} zurückführt, nicht am Platz. – Der englische Rundfunk erzählte gestern von Insultierungen, denen gestern der Kardinal [Innitzer] in Moosbrunn ausgesetzt gewesen war. 8. 7. 1939  : Neueste Anekdote  : Ein Goldfisch in einem Bassin. Daladier, Chamberlain, Mussolini und Hitler stehen davor und unterhalten sich darüber, wie man den Fisch am besten herausbekommen könnte. Daladier meint, man solle fortwährend drohen, ihn unsicher machen und dann, wenn er verwirrt ist, kann man ihn packen. Er probiert es, hat aber keinen Erfolg. Chamberlain meint, das Einkreisen ist das beste Mittel. Er fängt an, mit dem Regenschirm ein Einkreisungsmanöver zu markieren, kein Erfolg. Mussolini  : »Das Beste ist, einen Wirbel zu machen, da paßt dann der Fisch nicht auf und da kann man ihn erwischen.« Geht auch nicht. Hitler  : »Man läßt das Wasser ab und wenn er da nicht will, da wartet man, bis er um Hilfe schreit, dann nimmt man ihn.« 13. 7. 1939  : Der englische Rundfunk meldet, laut Erklärung, die ein Regierungsvertreter im Parlament abgegeben habe, sei eine Menge von lebenswichtigen Rohstoffen auf die Dauer von 3 Monaten eingelagert worden. Ferner Vorbereitungen für einen Kriegsfall, Errichtung von 30 militärischen Fabriken, 30 andere in Vorbereitung usw. [Trotzdem glaube ich nicht daran, daß ein Krieg demnächst ausbrechen wird, wenngleich…] – Hier Bekanntgabe, daß vom 1. August kein Urlaub mehr gegeben wird, neue Truppenbewegungen im Gang. Sind das nur Nachrichten zur Vorbereitung weiterer militärischer Rüstungen  ? Sicher ist mir nur, daß die Engländer um keinen Preis eine neue außenpolitische Niederlage zulassen werden. Jetzt schroten sie eben die Räumung Südtirols von Nichtitalienern gegen Deutschland aus. Dies wohl auch mit einigem Grund, denn nationalpolitisch gesehen, verträgt sich die Besetzung Böhmens und Mährens mit dem glatten Verzicht auf Deutsch-Südtirol nicht gerade schön. Das ist überhaupt ein Schwächepunkt, der noch einmal gegen die Berliner Politik ausgenützt werden wird. Auch bei uns mehren sich die Fälle von Sabotage in der Industrie. Die Leute gehen einfach stundenlang von den Hochöfen und anderer schwerer Arbeit weg und ruhen sich aus und die Betriebsleiter sind außerstande, dawider etwas zu machen. Die Partei hat sich angeblich jetzt veranlaßt gesehen, von sich aus durch die Arbeitsfront eine besondere industriepolitische, statistische Aufnahme durchzuführen. Ein gestern veröffentlichter Befehl Görings wendet sich auch gegen gewisse Übertreibungen in der Heranziehung zu Zwangsarbeit. 14. 7. 1939  : Mit 31. Juli sollen die Beamtenmaßregelungen aufhören und sollen besondere Gerichtshöfe für die Prüfung eingesetzt werden. – Mobilisierungsgerede. Starke Un-

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zufriedenheit. Dabei ist die Arbeiterschaft beim jetzigen Regime diejenige Schichte, die noch verhältnismäßig am ruhigsten ist. – H.390 erzählte heute, Papen sei mit General Krejčí nach Moskau gefahren. Sonderbare Geschichte. – In Berlin hatte ich vor 3 Jahren, als ich nach langer Zeit wieder einmal deutsche Dinge beobachten konnte, den Eindruck eines Ameisenhaufens empfangen. Alles rannte damals in dem Wilhelmsviertel mit Aktentaschen durcheinander, doch schien darin eine feste Ordnung zu sein. Alles war auch gleich geworden und die eigentlichen Dirigenten sah man nicht. Und nun lese ich heute in einer Nummer des »Temps«  : »Le totalitarisme quelqu’en soit l’étiquette supprime les anciennes valeurs et par une prolétarisation générale fait d´un pays une termitière.«391 16. 7. 1939  : Ging von Mayerling auf das Eiserne Tor hinauf, einen Teil des Weges mit einem jüngeren Mann, mit dem ich ins Gespräch kam, ein landwirtschaftlicher Arbeiter, der sich verblüffend sicher und kühl über die gegenwärtigen Verhältnisse aussprach. Wenn es zum Kriege käme, müsse man damit rechnen, daß es schief ausgehe. Dann bleibe nur die Kugel übrig. Und es sehe schlecht aus, denn die anderen würden wieder, wie vor 20 Jahren, die Stärkeren sein. Es sei doch auffallend, daß unsere Presse jetzt nicht auf Stalin schimpfe. Die Polen, die militärisch nichts wert seien, würden ein Malheur anstellen. Die Stimmung bei uns sei schlecht, die Leute seien die ungeschickte Behandlung müde, so könne man mit uns nicht umgehen und die »alten Kämpfer« seien sehr verdrossen. Ein großer Teil der Arbeiterschaft neige wieder zu den Kommunisten. In der Hütte am Eisernen Tor erzählte einer die Geschichte vom neuen Gruß Weidmannsheil und von der neuen Volksabstimmung, die über 200 % bringen würde. Bei der Nachhausefahrt ging es im Zug etwas wüst zu. In Meidling wurde der diensthabende Verkehrsbeamte wegen des langen Aufenthaltes beinahe insultiert und wegen seiner Kappe fortgesetzt gehöhnt. – Die Südtiroler Sache verstehe ich nicht. Es wird doch nicht wirklich und ernstlich daran gedacht, alle Südtiroler auszusiedeln und nach Deutschland zu bringen  ? Das werden sich die Leute nicht gefallen lassen und es wird in der Propaganda der Entente sehr bös gegen uns ausgenützt werden, weil es beispielwirkend sein kann. Auf diese Weise kann sich dann jedes Land seiner Deutschen entledigen. Dazu die Außerachtlassung des ideellen Wertes der Südtiroler und die Stimmung in Tirol selbst. Und wer bezahlt den Leuten ihren Grund und Boden  ? Das soll auf Rechnung und zu Gunsten des Handelsbilanzpassivums mit Italien, das jetzt 500 Millionen Lire beträgt, gehen  ?

390 Hans Wildner senior. 391 »Der Totalitarismus, unter welchem Etikett auch immer, schafft die alten Werte ab und macht durch eine generelle Proletarisierung ein Land zu einem Termitenhaufen.«

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17. 7. 1939  : Unterhaltung mit dem pensionierten Sekt. Chef Deutsch,392 der mir von Rudi Roess­ ler erzählt, daß dieser wirklich mit einer Volljüdin verheiratet393 sei und mit ihr vor einem Jahr einen bösen Krach hatte, weil sie darauf gekommen war, daß er einen größeren Teil des Vermögens seiner Geliebten zuliebe in ein bankrottes Geschäft, Reisenleitner  ?,394 gesteckt hatte. 18. 7. 1939  : [Besuch bei Pogatscher, …] 19. 7. 1939  : Mit Min. Rat Langer zusammen, der ganz Pessimist ist, sowohl was Stimmung wie tatsächliche Verhältnisse. In letzter Beziehung kann ich nicht umhin zu sagen, daß da gerade die Möglichkeiten viel stärker sind, weil sich der Organismus selber hilft. So ganz sind wir noch nicht im ganz Bösen. Was Stimmung anlangt, ist alles verärgert und will beim Tempo nicht recht mithalten. 20. 7. 1939  : Viele Leute halten sich darüber auf, daß der Volkswagen doch nicht so rasch herauskommen wird. Man werde die Termine, und vor allem die Preise nicht halten können. 21. 7. 1939  : Wimmer auf der Straße getroffen. Er hat sich geweigert, als Zugeteilter wie die andern Dienst zu tun. In London hat ihm Sargent gesagt, die letzte Stunde für Österreich hat gewiß nicht geschlagen. Guido Schmidt soll doch ein Doppelspiel getrieben haben. Wie Wimmer hinzufügt, habe ihm Neurath, bei dem er vor einigen Wochen in Berlin war, als er zum Tee geladen war, gesagt, Dr. Schmidt sei doch mehr aufgelockert gewesen. Im Übrigen sieht Wimmer wegen der weiteren Entwicklung sehr flau, ist aber nicht sicher, ob die Engländer wegen Danzig wirklich losschlagen würden. 22. 7. 1939  : H.395 war einige Tage in Gmunden, erzählt, es gebe dort sehr viel Leute, aber nur Durchzug der KdF-Leute. Die Stimmung sei schlecht, der Hitlergruß werde in öffentlichen Lokalen gar nicht angewendet. Die KdF-Leute fänden alles zu teuer. – 392 Viktor Stefan Deutsch (1864–1941). 393 Margarete Roessler (1892–1978). 394 Nicht zu eruieren. 395 Hans Wildner senior.

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Über die harte Verurteilung des Gendarmeriegenerals Zelburg ergehen sich die Leute in Äußerungen, die denen des Richters und der Unentwegten entgegengesetzt sind. Diese negative Politik macht böses Blut. Übrigens hat laut Wimmer auch Neurath mit scharfen Bemerkungen über das hiesige Regime nicht zurückgehalten. – H. erzählt weiter, daß in Baden zahlreiche Verhaftungen wegen Unterschlagungen vorgenommen wurden. Sein ehem. Kamerad, Schiffskapitän und SS-Mann Pospischil,396 der wegen Unfähigkeit aus der DDSG entfernt wurde, hat schon wieder eine Stelle als kommissarischer Verwalter beim Spediteur Eilhirsch397 erhalten. 25. 7. 1939  : Hudeczek wieder hier und erzählt  : Die Herren des Auswärtigen Amtes sind zur Regelung ihrer Sprache dahin belehrt worden, daß Danzig deutsch sei und noch in diesem Jahre mit dem Reich vereint werden würde, so oder so. Der Widerstand der Polen werde dann einfach gebrochen werden. Inzwischen habe aber Mussolini energisch gebremst. Hudeczek glaubt nicht an einen baldigen Krieg. Wenn untere Organe auf ein mot d’ordre398 von einem erfolgreichen Blitzkrieg faselten und dies damit begründeten, daß Hitler es ebenso machen werde, so genüge es, darauf hinzuweisen, daß kein ernster Fachmann an diese Theorie mehr glaube, siehe die verschiedenen Artikel in den militärischen Fachzeitungen, die vor solchen Illusionen warnten. Das Militär sei überhaupt gegen einen Krieg. Wenn es dazu käme, werde eben der im Vorteil sein, der die besseren Nerven und den besseren Atem habe. Letzteres habe aber unzweifelhaft die Gegenseite. Die Stimmung in der höheren Beamtenschaft sei sehr flau, weil sie eben über die tatsächlichen Verhältnisse genau orientiert sei. Der Vierjahresplan sei gar kein solcher in Wirklichkeit. Die Campagne sei mit etwa 130 Millionen Devisen begonnen worden, die jetzt verbraucht seien. Überhaupt sei eine wirtschaftliche Planung nicht möglich, weil die Beamten, die ja tüchtig und erfahren seien, das Problem doch nicht bemeistern könnten. Wahrscheinlich werde man, wenn es nicht zum Kriege komme, mit einer Campagne gegen die Intelligenz und gegen die Besitzenden in Industrie und Landwirtschaft, die dann mit radikalen Maßnahmen zu rechnen hätten, einsetzen. Vielleicht werde man auch eine Versöhnung mit den Religionsparteien probieren, um für einige Monate Ablenkung zu haben. Vorläufig sei aber die Losung, die religiöse Abfallbewegung in jeder Form zu begünstigen, siehe die Schulungskurse für die jüngeren Beamten. Hitlers Prestige sei unerschütterlich. Er interessiere sich jetzt vor allem für die Marine, die radikal in die Höhe gebracht werden solle. Die Partei setze sich immer stärker durch und dränge auf allen Gebieten vorwärts. Trotzdem habe sie im Volke keine wirk396 Wahrscheinlich Friedrich Pospischil. 397 Nicht zu eruieren. 398 Mot d’ordre – Durchhalteparole, Befehl.

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liche Stütze, besonders nicht in Berlin, wo überhaupt keine nationale Begeisterung bestehe. Dort gehe man in allen Kreisen nur auf das Verdienen und gut Leben aus. In den Geschäftsläden (Beobachtungen der Frau Hudeczek) werde so offen und so heftig gemeckert, daß man beim Zuhören Angst haben müsse. Wenn ein Krieg länger als 1 Jahr dauere, komme von selbst der Umsturz. Entscheidend bleibe aber nach wie vor Berlin, weil dort alle Machtreserven seien. Berlin sei auch deswegen von der Partei so leicht erobert worden, weil eben keine wirkliche Gegenströmung, die im Volke wurzelte, vorhanden war und weil die Sozialisten nur auf das Geldmachen ausgegangen waren. Die Diadochen seien alle mehr oder weniger unbedeutende, ja minderwertige Menschen. Üble Gestalt des {unleserlich}, dann des Ley, der von niemandem mehr ernst genommen werde und nur für sich Reklame machen lasse, mit einer üblen Person399 verheiratet sei. Es werde aber allenthalben fest gearbeitet, Schacht habe sich rechtzeitig salviert, reise jetzt mit einer Sekretärin400 um die Welt, nachdem er sich einen herrlichen Besitz gekauft hatte. Er habe richtig gesagt, es müsse mit der Inflation aufgehört werden, sobald die Arbeitslosigkeit beseitigt sei. Er werde aber wiederkommen, weil er doch geschickt sei. Fortwährend Kämpfe zwischen Ressorts und innerhalb derselben, im Auswärtigen Amt zwischen Ribbentrop und Bohle. Ribbentrop versuche, die Auslandskolonien unter das Kommando der Gesandten zu bringen, weswegen alle überseeischen Gesandten und Landesleiter einberufen wurden, aber nichts herauskam. Die innere Führung des Amtes sei dem Weizsäcker überlassen. Polen werde doch einmal aufgeteilt werden. Ungarn habe zwar mitteilen lassen, daß es in einem internationalen Krieg auf der deutschen Seite sein werde, dagegen nicht in einem bloß polnisch-deutschen Konflikt. Die Pläne für den Südosten seien noch ganz unklar, sicherlich aber würden alle, Ungarn, Jugoslaven und Rumänen, im Ernstfalle einfach überrannt werden, wenn sie sich auch wehren würden. Das Durcheinander in Ungarn und der dortige Umschwung seien nur durch die Annexion der Tschechei aufgehalten worden. In der Tschechei selbst wachse der Widerstand und bereite sich alles auf den gewissen Fall vor. Aber nur für diesen Fall  ; ansonsten bleibe es bei der einfachen Opposition. Neurath sei ein Versager, ursprünglich wäre Ritter dafür in Betracht gekommen, der jetzt viel in italienischen Dingen arbeite. Die Militärs behaupteten, daß man mit Rußland bald ein Arrangement haben werde. Die slovakische Sache werde sich noch so eine Weile ziehen, wahrscheinlich werde aber bald eine Währungs- und Zollunion kommen müssen, denn wirtschaftlich gehe die Sache nicht. Die Bilanz von je 30 Millionen Ein- und Ausfuhr könne nicht eingehalten werden, weil man deutscherseits nicht hinreichend ausführen könne. Für Italien fehle es deutscherseits an Kohle, deren Ausfuhr immer mehr forciert werden solle, was aber faktisch nicht gehe. Wir brauch399 Inga Ley (1916–1942). 400 Vermutlich Manci Vogler, ab 1941 Ehefrau von Hjalmar Schacht.

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ten selber alles. Die Erzeugung lasse einerseits nach, andererseits sei der Neubedarf gestiegen, vor allem für die Neugründungen Görings, die unrentabel verhältnismäßig mehr brauchten. Guido Schmidt habe keine rechten Aussichten und habe offenbar den Posten nur angenommen, um durch die damit in Zusammenhang stehenden Verhandlungen vor einem anderen Schicksal bewahrt zu bleiben. – Übrigens stehe alles unter Kontrolle, man könne gar nicht mehr recht mit fremden Diplomaten Verkehr pflegen, schon gar nicht mit den westlichen. Die Südtiroler Frage habe sehr viel Staub aufgewirbelt. Ein englischer Abgeordneter habe gemeint, ob man nicht auf diese Weise die Danziger Frage lösen könnte, worauf Staatssekretär Butler geantwortet habe, er wisse nichts Näheres, es wäre aber jedenfalls ein vernünftiger Ausweg. – Die Nachrichten über die Gespräche des Min. Dir. Wohlthat mit dem Staatssekretär Henderson haben eine gewisse Verwirrung hervorgerufen. Berlin dementiert, daß Wohlthat irgendwelche Vorschläge gemacht habe, und Chamberlain mußte gestern auch davon stark abrücken. Natürlich haben beide miteinander über die Möglichkeiten, wie wirtschaftlich der verfahrene Karren auf den rechten Weg gebracht werden könnte, gesprochen, und Henderson scheint überflüssigerweise zu viel darüber mit anderen Leuten gesprochen zu haben. Er scheint überhaupt nach allem, was ich bisher von ihm gehört habe, ein rechter Wichtigtuer und Dilettant zu sein. 26. 7. 1939  : In Spanien scheint es in der Politik unruhig zu werden. Der General Queipo de Llano ist wegen scharfer Reden – nur Militär soll regieren, warum er noch nicht die höchste Auszeichnung erlangt habe, da er allein rechtzeitig für den Getreidebau gesorgt habe, von dessen Erträgnissen man jetzt lebe – seiner militärischen Stellung enthoben worden. Außerdem Zwistigkeiten zwischen Jordana,401 dem Vizeministerpräsidenten, und dem Innenminister Súñer,402 dazu die merkwürdige Inbrandsetzung des Bischöflichen Palastes in Toledo und das unüberlegte Interview Francos über die englische Politik. 27. 7. 1939  : Minister Wolf, mit dem ich heute sprechen wollte, soll sich heute früh bei einer Autofahrt erschlagen haben. Die Freunde des Seyß-Inquart bleiben nicht lange am Leben. Klausner, Flor, Hammerschmid, immer Autogeschichten, dann das Autounglück seiner Tochter.403 Die Reichsstatthalterei hat jetzt 22 Autos.

401 Francisco Gómez-Jordana (1876–1944). 402 Ramón Serrano Súñer (1901–2003). 403 Unklar, wessen Tochter gemeint ist.

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28. 7. 1939  : Mein Zahnarzt meinte heute zur Beleuchtung der hiesigen Stimmung  : »Die in Berlin wissen ja schon ganz genau, daß sie hier unten durch sind.« – Bourguignon404 erzählte mir heute, selbst gehört zu haben, wie ein Passant, der einen Streit mit dem Fahrer eines Militärautos hatte, mit der Faust drohend, gerufen habe  : »Der Prater wird nicht so viel Äste haben, um alle diese Preußen aufhängen zu können.« – K.405 erzählt, die neue, in der Siebensterngasse angebrachte Tafel mußte abgenommen werden, weil sie durch Säure ganz verätzt worden ist. Das Priesterseminar in Linz mußte geräumt werden, die Seminaristen sollen nach Wilhering gehen. Auch eine andere bischöfliche Anstalt ist für militärische Zwecke beschlagnahmt worden. Bourguignon406 erzählte noch, Rudolf Kassner, der eben von Pest gekommen war und dort deutsche Freunde getroffen hatte, habe deren Erzählungen wiedergegeben, wonach Hitler nur Führer sein werde, Göring Kanzler, Ribbentrop und Goebbels ausgeschaltet werden würden. Ribbentrop sei für den Westen nicht mehr verhandlungsfähig und die Tätigkeit des anderen sei innen- und außenpolitisch daneben gegangen. Die Bemerkung über Goebbels habe ich übrigens auch von anderer Seite gehört. Ribbentrop soll übrigens eine neue Auslandspropagandaabteilung durch Altenburg mit 80 Beamten organisieren lassen. – Baron Ruber war in Südmähren, wo ebenfalls große Unzufriedenheit unter den Bauern herrscht, die jetzt noch nicht einmal das Geld für die abgelieferten Erdbeeren bekommen haben und denen man für die Marillen statt der früher gemachten Zusage von 1 Mark jetzt nur 30 Pfennig geben will. – Die Berliner Luftschutzübungen, die auf längere Zeit beabsichtigt waren, sind plötzlich wieder abgebrochen worden. Die Zahl der Arbeiter in den Bergwerken ist außerordentlich erhöht worden, sie arbeiten in 3 Schichten, trotzdem läßt die Ergiebigkeit nach, weil die Arbeiter nicht genug Fett bekommen. Wie auch Ruber erzählte, werden die Schweine jetzt mit Fischmehl gefüttert, das salzig sei, daher tränken die Schweine so viel und der Speck wäre nicht konsistent genug. Seit einigen Tagen schmeckt übrigens auch bei uns die Butter nach Fischen. Sogar die Hühner werden mit Fischmehl gefüttert, daher auch der üble Geschmack der Eier. 29. 7. 1939  : Im englischen Parlament soll ein Abgeordneter ungefähr gesagt haben, daß Goebbels für die englische Politik das 10fache seines Gewichtes in Gold wert sei. – Ein neues Armeekommando ist in Wien errichtet worden. [Für mich – sehr müde – gearbeitet – im Kaffeehaus Zeitungen gelesen – die anderen im Westen gehen weiter ihren Weg, als ob es

404 Im Typoskript  : Bourgoing. 405 Karl Wildner. 406 Im Typoskript  : Bourgoing.

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wirklich zum Krieg kommen müßte – immer noch glaube ich nicht daran – über Nacht ist hier ein neues Armeechorkommando, das IX. errichtet worden – müde und reizbar …] 1. 8. 1939  : Die Engländer bereiten sich ostentativ auf das Ärgste vor. Bei den Franzosen scheint eher ruhige Stimmung zu sein. 2. 8. 1939  : Der englische Rundfunk berichtet in der Hauptsache über große Kriegsvorbereitungen. Was für die hiesige Stimmung unangenehm sein könnte, kann im Radio oft nur schwer verstanden werden. Wahrscheinlich wird absichtlich gestört. Das ist schlecht. Man sollte ruhig das englische Rezept befolgen und so viel als möglich ruhig berichten lassen. Gerade, wenn es sich um falsch oder unrichtig dargestellte Dinge handelt, kommt man in die Lage, später die Nachrichten zu vergleichen und andere Nachrichten auf den wirklichen Gehalt zu überprüfen, und man erzieht sich so selber zur richtigen Wertung dieser Auslandsnachrichten. [Allein, mit Herbert Schmidt wegen meiner Steuersache – er ist so wie Kl.407 aufgrund § 5 behandelt worden und gibt sich vernünftigerweise keinen Illusionen hin – alles unsicher – auch er im Bild über hiesige Stimmung …] 4. 8. 1939  : Rede Chamberlains in den englischen Zeitungen gelesen. Er sprach sehr ernst über die Lage in Ostasien. Die englische Flotte sei momentan schwächer als die japanische. Es könne aber ohne weiters notwendig sein, eine viel Größere hinzuschicken  ; wenn sich Japan an die Achse anschließe, werde es eben das Schicksal Deutschlands im Weltkriege teilen usw. Aus früheren Debatten  : Eden und andere erklärten, daß die Lage der Japaner miserabel sei, seit Oktober 1938 hätten sie keinen nennenswerten militärischen Fortschritt gemacht, hätten sich festgerannt, während das chinesische Volk wieder erstarkt sei. Wenn die englandfeindlichen Demonstrationen, die übrigens heute sehr heftig vor der englischen Botschaft gewesen sein sollen, nicht aufhörten, werde die Lage sehr ernst werden. Die japanischen Botschafter in Berlin408 und Rom409 haben sich übrigens am Comosee getroffen und Unterhaltungen darüber gepflogen – so sagten sie selbst –, wie man Japan enger militärisch an die Achse bringen könne. – Das Zisterzienserkloster Stams i. Tirol ist geschlossen worden, angeblich wegen Steuerschulden. Das sähe den Machthabern ähnlich. Las das

407 Clemens (Klemens) Wildner. 408 Hiroshi Ōshima (1886–1975). 409 Toshio Shiratori (1887–1949).

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Buch von Hartlieb,410 doch eher ein journalistisches Machwerk, zu heftig geschrieben, auch viele Unrichtigkeiten. Ausgerechnet ein Wladimir, dahinter steckt wieder ein Komplex. 6. 8. 1939  : K.[arl]411 erzählt, es sei ihm aufgefallen, daß so viele Rekruten keine Bajonette haben. Sie seien faktisch nicht vorhanden, ebensowenig wie die Gewehre. [Hans412 glaubt, daß beim Westwall doch etwas nicht in Ordnung ist – nach K {unleserlich} Zeitungen sind Männer, hohe Funktionäre darunter Generäle in Haft …] 8. 8. 1939  : H.413 erzählt von Kommunistenjagden. 9. 8. 1939  : Herzfeld über Stimmung in Italien aus eigener Anschauung, sehr gedrückt. Mussolini soll doch einen Herzanfall oder ein kleines Schlagerl gehabt haben. 10. 8. 1939  : Clem.414 zurück. Traf im Westerland den Landesleiter für Ungarn,415 der dorthin zur KdF-Tagung mit der Frau II. Kl. und je 20 M Diäten gekommen war. Erzählte, daß die Stimmung in Ungarn sich immer schärfer gegen Deutschland einstelle. Als Goebbels in Ungarn war, habe er in Gegenwart seiner ungarischen Begleiter ganz merkwürdige Reden geführt und mit verblüffendem Sarkasmus sich über alle Personen, selbst über den Führer, geäußert. Z. B. habe er beim Essen im Palatin gesagt, die große Rede des Führers im Jahre 1940 sei schon fertig. Sie werde folgendermaßen lauten  : »Achtung  ! Hier Reichssender London«. Begrüßt die Londoner und versichert sie seiner Fürsorge, begrüßt den neuen Papst416 in Rom, das ist Rosenberg, und den Kaiser von Indien, das ist Hermann Göring usw. Alle diese Äußerungen werden von den Ungarn jetzt in Flugblättern verbreitet. – K.417 weiter  : Vollkommene Unsicherheit eines jeden, wenn er sich einem Pg. gegenübergestellt sieht, vor allem schon bei Gericht. Göring hat im Westerland ein kleines Anwesen. Tafel  : »Photo410 Wladimir Hartlieb, Parole  : Das Reich, Eine historische Darstellung der politischen Entwicklung in Österreich von März 1933 bis März 1938, Wien/Leipzig 1939. 411 Karl Wildner. 412 Hans Wildner senior. 413 Hans Wildner senior. 414 Clemens (Klemens) Wildner. 415 Nicht zu eruieren. 416 Bezieht sich auf Rosenberg. 417 Karl Wildner.

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graphieren ist verboten. Das Photographieren des Feldmarschalls und seiner Gemahlin418 wird mit Entzug des Apparates geahndet«. Überall Polizei, scharfe Kon­ trolle, Verpflegung ausgezeichnet, auch in Hamburg. Der Landesleiter G.419 erzählte außerdem die Geschichte von dem Grafen Erdmannsdorff. Als ihn Neurath zum Gesandten in Budapest ausersah, bat Erdmannsdorff, daß davon abgesehen werde, weil er sich eben einvernehmlich von seiner Frau420 trennen wolle, die eine tiefe Neigung zu einem Legationssekretär in China421 vor mehreren Jahren schon gefaßt habe. Schließlich kamen aber beide überein, daß vorläufig die Sache verschoben werde, bis die Kinder größer geworden seien. Als Reichsminister Frick nach Pest kommen sollte, war gerade die Scheidung formell ausgesprochen worden und die Frau schon auf dem Wege nach China. Von dort telegraphierte sie, ob sie nicht doch zurückkommen könne, um die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Der Graf war damit einverstanden und sie sollte so rasch zurückkommen, daß sie noch bis zum Besuch des Ministers Frick da sei. Das war aber nicht möglich. So heiratete sie den anderen. Jetzt habe sie aber gesagt  : »Verliebt sein ist etwas anderes als verheiratet sein.« Der Landesleiter hielt sich noch darüber auf, daß Frick sich sowohl von den Parteileuten wie von den Ungarn so viel schenken ließ, daß ein Spezialwaggon angehängt werden mußte, um all die Sachen nach Berlin zu bringen. 12. 8. 1939  : Die militärischen Vorbereitungen werden doch bei uns sehr stark vorwärtsgetrieben. Immer neue Einberufungen und Truppenverschiebungen. 14. 8. 1939  : 4-Tagetour auf den Hochschwab. Auf der Hinreise erzählte mir ein Troppauer Postpensionist, er sei durchgegangen und reise zu seinem Sohne nach Bruck,422 es sei besser, die nächsten Wochen nicht in Schlesien zu verbringen. Es werde gewiß zu etwas, und zwar zu etwas Größerem kommen. Die Stimmung sei gar nicht rosig. Die Bevölkerung habe von dem fortwährenden Rummel schon genug und lehne sich gegen die übertriebene Dynamik der Partei auf. Abends im Hotel in Bruck. Dem Wiener Sender hört niemand zu. Auf einmal wird der polnische deutsche Sender eingeschaltet. Alles rennt dazu und macht wirklichen Gemeinschaftsempfang. Die Ansagerin gebraucht ziemlich scharfe Ausdrücke über Hitler und die Partei und überhaupt über

418 Emmy Göring (1893–1973). 419 Nicht zu eruieren. 420 Irmgard von Erdmannsdorff. 421 Nicht zu eruieren. 422 Bruck an der Mur.

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die deutsche Politik. Die Leute bleiben ruhig stehen, einer geht dann weg und meint laut  : »Das ist allerhand.« 18. 8. 1939  : Die Lage spitzt sich zu. In Berlin scheint man es jetzt wohl auf Oberschlesien abgesehen zu haben. Danzig und der Korridor werden als eine Selbstverständlichkeit betrachtet. Die Polen gehen nach wie vor sehr scharf vor. Die Bahn Oderberg-Annaberg ist zerstört. Die Akten werden aus den Grenzorten weggebracht. Fortwährend gehen neue Truppen auch von hier hinaus, darunter das Panzerregiment aus Mödling. [Ich frag mich, ob das nicht doch nur Vorsichtsmaßnahmen sind für den Fall, daß die Polen vorprellen.] 19. 8. 1939  : In der Früh im Prater, der ganz leer war. Keine Soldaten mehr zu sehen. – Die Zeitungen schreiben in deutlich forcierter Weise über polnische Greuel, gerade so wie vor einem Jahr, als die sudetendeutsche Sache gemacht wurde. Das Spiel ist doch zu durchsichtig. Die Polen ihrerseits verkünden wieder Nachrichten über Polenaustreibungen aus Deutschland. Der polnische Rundfunk bezeichnet den kürzlich aufgebrachten Viererkonferenzplan als ein deutsches Manöver, mit dem ein zweites München vorbereitet werden solle. Nichtsdestoweniger scheint sehr stark in Vermittlung gearbeitet worden zu sein. Trotz aller deutschen Gegennachrichten scheint der Csáky doch in Berlin in die Zange genommen worden zu sein und soll sich jetzt an Mussolini gewendet haben  ; er soll ziemlich unvermutet in Rom eingetroffen sein. In der Provinz herrscht Benzinmangel. Hunderte von Autos stehen Schlange. – Die Reichsbank kauft jetzt selbst bei den Auktionen bessere Münzen auf, wohl um sie ins Ausland gegen Devisen weiterzuverkaufen. 20. 8. 1939  : Winterstein423 getroffen, der behauptet, beruhigende Zusicherungen bekommen zu haben, nur die Referenten seien boshaft und eingebildete Lümmel. 21. 8. 1939  : Die Engländer sind doch alarmiert. Die Minister halten morgen eine Besprechung. Bei uns gehen die militärischen Transporte weiter. Es scheinen auch Differenzen mit den Ungarn zu bestehen, die sich wohl gegen den Durchlaß deutscher Truppen gewehrt haben, weswegen eben Csáky Hilfe bei Mussolini gesucht hat, der mehr auf der ungarischen Seite steht. – Kl.424 erzählt, in seinem Haus sei ein SS-Mann mit 423 Paul Winterstein. 424 Clemens (Klemens) Wildner.

21./22. 8. 1939

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Familie einquartiert, der sich fortwährend mit den Handwerkern streite. Einer von ihnen sagte gestern  : »Die haben wir gebraucht. In einem Jahr müssen sie wieder weg, aber dann ohne Möbelwagen.« – Das Essen wird immer schlechter. Momentan leben wir von argentinischem Gefrierfleisch. 21./22. 8. 1939  : Wieder ein neuer Coup. Ribbentrop fährt morgen nach Moskau, um den Nichtangriffspakt zu finalisieren. Es wäre jedenfalls sehr seltsam, wenn die Entente nichts davon gewußt hätte. Beinahe scheint es aber so zu sein, denn sie ließen durch ihren Rundfunk sagen, nach Moskauer Meldungen würde sich der deutsch-russische Pakt mit den in Gang befindlichen Entente-Militärverhandlungen vertragen. Im Übrigen seien die Botschafter angewiesen worden, genaue Aufklärung von Molotow über den Sinn und die Tragweite der deutschen Verhandlungen zu verlangen. Wer wird da betrogen  ? Ein schönes Durcheinander. – In der Stadt wird natürlich nur davon gesprochen, aber immer wieder gesagt  : »Was wird da noch herauskommen  ?« Das englische Parlament ist wie vorauszusehen war, sofort einberufen worden. Anlaß  : Die deutsch-russische Verhandlung und die deutschen Truppenbewegungen  ; im Übrigen werden die früheren Erklärungen über Widerstand gegen etwaige Gewaltanwendung wiederholt. Gestern und heute fortwährend Truppenbewegungen. Die Verbindungsbahn fährt zweigeleisig, ganze Straßenzüge, wie der Gürtel und Prater­ stern, sind stundenlang abgesperrt. Sehr viel Pioniermaterial. Sehr ungutes Gefühl. Diesmal wird es wohl nicht beim Bluffen bleiben. 23. 8. 1939  : Heute erinnere ich mich eben, daß doch schon 1933 ein Nichtangriffspakt zwischen Rußland und Deutschland, allerdings ganz einfachen Charakters, abgeschlossen wurde. Der neue müßte also viel weiter gehen und vor allem so gefaßt sein, daß die englisch-französisch-russischen militärischen Verhandlungen gegenstandslos werden und Rußland für die Westmächte nicht mehr in Betracht kommt. Sonst hätte das Ganze keinen Sinn. Wahrscheinlich wird das Ganze auf den Angreifer gestellt sein, es müßte also Polen angreifen, um die russische Neutralität spielen zu lassen. Anekdote  : Hitler hat eben Stalin angerufen und seiner Befriedigung über den neuen Pakt Ausdruck verliehen, dann aber gemeint, er sei in einiger Verlegenheit mit den Kommunisten, die er noch habe, worauf Stalin gleich sagte  : »Ausgezeichnet, schicken Sie sie mir nur, ich habe ohnedies keine.« – Wien ist voll von Mexikaner K.D.F. Leuten. – Falser erzählt mir, die Südtiroler Umsiedlung sei eigentlich von Göring angeregt worden, jetzt habe aber Himmler alles in die Hand genommen und dieser habe auch die Münchener Vereinbarung abgeschlossen. Übrigens bremsten jetzt die Italiener selbst und wollten das Ganze nur fakultativ gestalten, denn die Bergbauern wollen sie lieber selbst behalten, weil sie für die Bewirtschaftung unentbehrlich seien.

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Die Römer seien damals auf die Sache schon deswegen eingegangen, weil ihnen die Naziparteigeschichten, mit denen bei ihnen eingesetzt wurde, schon auf die Nerven gingen. In Innsbruck ist die Diskussion dieser Angelegenheit durch den Gauleiter, der selbst ein gebürtiger Meraner425 ist, verboten worden und die einschlägige Literatur wurde aus den Auslagen zurückgezogen. – Die österreichische Beamtensache ist noch vollständig ungeklärt. Die Abteilung Wächter ist auf Urlaub und es kann keine Rede davon sein, daß sie die Überprüfung in einem Monat durchführt. – Man glaubt, daß die ganze Sache noch einige Monate dauern wird. 24. 8. 1939  : Unsere Presse und der Rundfunk steigern die Berichte über polnische Grausamkeiten gegenüber den Deutschen und die polnische vice versa. Gauleiter Forster wurde durch ein besonderes Gesetz zum Staatsoberhaupt von Danzig bestimmt. Ein deutsches Schiffsjungenschiff soll morgen in Danzig einlaufen. Das Danziger Gebiet soll von einer polnischen Division zerniert sein. Es sieht so aus, als ob es in den nächsten Stunden losgehen würde und das polnische Gebiet bis zur alten Grenze besetzt werden soll. In der Zwischenzeit hofft man offenbar, die Engländer aufzuhalten und die Dinge so zu führen, daß eigentlich nichts weiter geschieht. Dem gegenüber führen die Engländer eine sehr energische, entschlossene Sprache, treffen von Stunde zu Stunde Maßnahmen, die unzweideutig dartun, daß man auf das Schlimmste gefaßt ist. – Der deutsch-russische Vertrag ist übrigens von solcher Art, daß weitere Verhandlungen zwischen Rußland und der Entente unmöglich sind. Die Entente-Militärmissionen sollen auch schon Moskau verlassen haben. Jedenfalls haben sich die Russen seltsam benommen, indem sie bis zur letzten Minute über militärische Dinge, die eigentlich gegen Deutschland gerichtet waren, verhandelt haben. Der Abschluß selbst steht in absolutem Gegensatz zu den Leitsätzen, die in »Mein Kampf« aufgestellt sind, siehe besonders S. 750. Die Japaner werden daraus die Konsequenzen ziehen. Sie erklären heute schon, daß sie von dem Abschluß nicht verständigt worden sind. Mir kommt vor, Hitler glaube immer noch, daß die Engländer nicht losgehen werden. Inzwischen rüsten sich alle anderen Staaten bis an die Zähne. Die Italiener sollen an der französischen Grenze nicht fertig sein, ebensowenig wie es die Deutschen im September v. J. waren, wo der französische Generalstab erklärt hatte, man würde in 20 Tagen in Frankfurt sein. Ribbentrop hatte dies dem deutschen Generalstab seinerzeit mitgeteilt, der daraufhin erklärte, die Franzosen könnten schon am 10. Tag in Frankfurt sein. Trotzdem hatte damals Hitler die tschechische Aktion angeordnet. Diesmal scheint aber seine Rechnung doch nicht stimmen zu wollen. Hitler ist schon in Berlin.

425 Franz Hofer (1902–1975), war kein »gebürtiger Meraner«.

25. 8. 1939

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25. 8. 1939  : Die Polen attackieren jedes in ihre Nähe kommende Flugzeug, das als deutsches erkennbar ist. Sie behaupten, daß bereits mehrere Bomber wiederholt über polnisches Gebiet geflogen seien, und treffen weitere Maßnahmen zu einer, wie von Berlin festgestellt wird, offensiven Kampfart. Die Japaner nehmen den deutsch-russischen Pakt wegen des Art. 4 sehr krumm und sagen, daß der Kominternpakt426 leeres Papier geworden sei, womit sie recht haben. Die Westmächte setzen ihre drohende Sprache fort, wobei ich immer noch glaube, daß sie es zum größten Teil auch deswegen tun, um Hitler von einem aktiven Vorgehen gegen Polen abzuhalten. Insoweit bluffen sie. Sie werden aber gegebenenfalls vom Krieg nicht zurückscheuen, wenn wir wirklich losgehen sollten. Hitler hat heute die Botschafter Italiens,427 Englands428 und Frankreichs429 empfangen und ihnen etwas gesagt  ; Henderson soll daraufhin morgen nach London fliegen. 26. 8. 1939  : Es wird immer ernster. Wir mobilisieren. Heute nacht wurden die Postausträger geweckt und gleich mit Einberufungen weggeschickt. Ein großer Teil der Autos ist beschlagnahmt, Benzin ist für den privaten Verbrauch nicht mehr erhältlich  ; der Bezug der meisten wichtigen Verbrauchswaren wird mit heutigem Tage durch Karten geregelt. Alles schaut ernst und mißmutig drein. Dabei scheinen Verhandlungen im Gange zu sein. Hitler hat anscheinend den Engländern gewisse Vorschläge gemacht, über die nichts bekanntgegeben wird. 27. 8. 1939  : Die Italiener halten sich anscheinend zurück und dürften bremsen. In Ungarn ist man wegen der Truppenmassierungen der Rumänen sehr aufgeregt. [… Die Engländer beeilen sich nicht – die Polen werfen uns im Rundfunk dasselbe vor, was gegen sie von unserem Rundfunk und unseren Zeitungen gesagt wird.] 28. 8. 1939  : Mit verschiedenen Leuten, sowohl der Partei wie von der anderen Seite, g ­ esprochen. Keiner will recht glauben, daß es wirklich zum Krieg kommen werde. Ich meine auch, daß man sich doch darüber klar sein muß, wie riskant und wie verlustbringend auf alle Fälle die Sache sein werde. Der Briefwechsel Hitler–Daladier ist schon denkwürdig. Hitler lehnt aber eigentlich ab trotz mancher Wendungen, die auf eine 426 Richtig  : Antikominternpakt. 427 Bernardo Attolico (1880–1942). 428 Nevile Henderson (1882–1942). 429 Robert Coulondre (1885–1959).

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Verhandlungsmentalität schließen ließen. Noch nie haben aber in der Geschichte einzelne Männer die Geschicke der Nation derart in der Hand gehabt und damit gespielt wie jetzt, höchstens noch Napoleon. – Die Bezugskartenregelung, die heute eingeführt wurde, ist bei den breiten Massen recht übel aufgenommen worden. Die angegebenen Mengen werden als zu klein erachtet, natürlich gab es schon in der Früh Schlangen. Es wird viel gemurrt. Am Abend ließ sich der Min. Dirigent Ingomar Berndt darüber vernehmen und wandte sich sehr scharf gegen das Sich-Anstellen. Die ganze Maßnahme sei doch eine sozialistische, nur von Rücksicht auf das Volksganze getragen, kein Unterschied zwischen Reichen und Armen, hoch und niedrig. Wer auch nur wenig dawiderhandle, störe die unermüdliche Arbeit des Führers usw. Alles in einem sehr überheblichen Ton und dem äußeren Bild dieses jungen Herrn, den ich ungefähr vor 3 Jahren einmal hier bei einem von dem Pressechef Ludwig veranstalteten Abend sehen konnte, ganz entsprechend. Er drohte auch mit dem Einsetzen der Parteiorgane. – Nach der heute hier eingelangten »Times« hat schon die Zentrale der Komintern Weisung über die Regelung der Sprache anläßlich des Abschlusses der deutsch-russischen Vereinbarung herausgegeben. Das Ganze soll einen fulminanten Sieg der Sowjets über die Achse darstellen. Eine Annäherung an die demokratische Volksfront (Westmächte) hätte einen Bund mit kapitalistischen Mächten bedeutet, sei überdies durch die Haltung Rumäniens, Polens und der Balkanentente verhindert worden. Es sei besser, jedem Konflikt aus dem Wege zu gehen und zu warten, bis die Gegner sich genug geschwächt haben, um reif für die soziale Revolution zu sein. Das wäre deutlich, vorausgesetzt, daß es sich um eine authentische Nachricht handelt. – Der Eisenbahnverkehr über den Rhein scheint schon eingestellt zu sein. Die englischen Schiffe sind aus dem Mittelmeer herausgerufen worden, die deutschen Handelsschiffe sind ebenfalls zurückgerufen worden. Engländer dürfen deutsche Schiffe, Luftfahrzeuge usw. ohne Bewilligung nicht mehr benützen. Holland hat heute die Mobilisierung angeordnet, Belgien ist im Begriff zu folgen. Von Italien hört man weniger. Min. Rat Lanske, der eben aus Zell a. See gekommen ist, sagt, die Stimmung im ganzen Land und auf der Fahrt hieher stehe in einem auffallenden Gegensatz zur Mobilisierungszeit 1914. Alles zeige bedrückte Mienen, viele Leute zögen gegen das Ganze los. – Japan hat formell protestiert in Berlin. Die Tokioter Regierung430 ist zurückgetreten und Japan wird sich ganz von Europa abwenden. [Die japanischen Truppen von Hongkong sind zurückgezogen worden, in China scheint es überhaupt still geworden zu sein …] 29. 8. 1939  : Es wird noch immer hin- und hergezogen. Die Engländer behaupten, daß sie noch auf dem alten Standpunkt stehen. Nichtsdestoweniger scheint man doch auf eine 430 Die Regierung unter Premierminister Hiranuma Kiichirō ist am 27. Augst 1939 zurückgetreten.

30. 8. 1939

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Verhandlung hinzustreben, für die Hitler eigentlich auch sein soll, weil er angeblich den Krieg vermeiden wolle. Im deutschen Rundfunk keine wirklich interessanten Nachrichten. Dafür sagt der Engländer, Chamberlain habe in der Parlamentsdebatte ausdrücklich gesagt, die Heiklichkeit des Gegenstandes verbiete es, ausführlich über den Stand der Verhandlungen mit Hitler zu berichten. Hier wird dafür Stimmung gemacht, daß die Franzosen angeblich nicht recht mittun wollen. Und die Engländer wiederum berichten, daß die Russen die Behandlung des deutsch-russischen Paktes hinauszögen. [Die Nachrichten werden wohl im Sinne der Verhandlungen entsprechend jetzt etwas abflauen nach Tonart und politischer Ausschlachtung.] 30. 8. 1939  : Die Polen haben heute ihre Mobilisierung angekündigt, aber bemerkt, daß sie sich nur schützen wollten und daß die neuen Maßnahmen im Umfang wesentlich geringer seien als die schon getroffenen. Es wird weiterverhandelt. – Die Lebensmittelund sonstigen Rationierungen sind in mancher Beziehung grotesk. Eier, je 1 Stück die Woche. Dadurch macht man sich nur lächerlich. Die Amerikaner beginnen sich zu rühren. Königin Wilhelmina und König Leopold haben sich zu einer Vermittlung bereit erklärt. London und Paris haben den Schritt begrüßt. 31. 8. 1939  : Unser Radio bringt die Nachricht, Ribbentrop habe gestern dem Henderson die Grundlagen für eine deutsch-polnische Verständigung mitgeteilt und ausführlich erklärt. Die Vorschläge kommen mir maßvoll und vernünftig vor. Das Radio wiederholt mehrmals diese Mitteilungen. Das Ganze ist aber etwas konfus, soll aber offenbar in dem Eindruck bestärken, daß Hitler absolut den Frieden will, trotzdem die polnische Mobilmachung und das einschlägige polnische Kommuniqué nicht gerade geeignet erscheinen, die Sache des Friedens zu fördern. Hoffentlich bekommen die Polen von den Engländern einen Stupfer. 1. 9. 1939  : Erfahre in aller Früh zu meinem Entsetzen, daß Hitler wegen Grenzverletzungen in Gleiwitz und Oppeln die Verhandlungen für abgebrochen erklärt hat und daß die Gewalt der Gewalt entgegengesetzt werde. Was in Oppeln war, erfuhr ich nicht. In Gleiwitz wurde von »Aufständischen« der dortige Reichssender überfallen. Um 10 Uhr sprach Hitler vor dem Reichstag, der eilig zusammengetrommelt worden war, wobei Göring erklärte, daß die leeren Sesseln kraft der ihm zustehenden Gewalt durch Parteimitglieder provisorisch für diese Sitzung besetzt würden. Hitler trug seine Ausführungen in – wie zu hören war – sehr großer Erregung, öfter stockend und sich versprechend vor. Die Rede sehr stark persönlich, immer wieder das Ich, Ich usw., eher anormal. In der Rede deutete er auch an, daß der Italiener nicht mittue.

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Die Ratifizierung des russischen Paktes hob er ganz besonders hervor. Ich habe nach wie vor ein ungutes Gefühl und hätte doch geglaubt, daß Hitler sich zurückhalten werde, um die ganze Schuld den anderen zuzuschieben. Mit der Mitteilung der Vermittlungsvorschläge scheint etwas daneben gegangen zu sein. Die Engländer haben, wie der deutsche Rundfunk meldet, die Kenntnis der Vorschläge abgeleugnet. Berlin hebt dem gegenüber wieder hervor, daß Ribbentrop sie vorgestern gemacht und erklärt habe. Dazu bemerkte jetzt am Abend der Engländer, daß Ribbentrop davon quasi en passant gesprochen und die schriftliche Formulierung mit dem Bemerken verweigert habe, sie sei gegenstandslos, weil der polnische Unterhändler sich innerhalb der 48 Stunden nicht gezeigt habe. Chamberlain behauptet auch, daß Henderson den Vorschlag gemacht habe, Ribbentrop möge sich den polnischen Botschafter zur weiteren Besprechung kommen lassen, Ribbentrop habe aber dies entrüstet abgelehnt. Daß ein polnischer Bevollmächtigter nicht gekommen ist und daß Lipski gleich bei Unterhaltung erklärte, er habe keine Vollmachten, hat Hitler angeblich auch sehr erregt. Das Ganze ist also, wenn man die Engländer hört, eher unklar. Man scheint sich wieder einmal nicht recht verstanden zu haben. Wiederum ein Beleg dafür, wie wichtig in der Diplomatie die Präzision ist. In der Stadt große Betroffenheit, die Einrückungen gehen weiter. In der Stephanskirche wird das Denkmal Kaiser Friedrich III. mit schweren Bohlen eingedeckt, die Gotische Ausstellung wurde geschlossen. Von heute obligate Verdunkelung. – Chamberlain hat sehr heftig gesprochen  : Hitler habe nicht gezögert, Europa in das Elend zu stürzen, um seinem sinnlosen Ehrgeiz zu frönen. – Nach Schilderung der letzten Verhandlungen sagte Chamberlain, Henderson sei beauftragt worden, eine Demarche bei der deutschen Regierung zu unternehmen und mit Bezug auf die Proklamation des Reichskanzlers an die deutsche Armee zu erklären, daß deutscherseits durch die militärischen Handlungen Verhältnisse geschaffen wurden, die die Inkraftsetzung der englischpolnischen Vereinbarungen herbeiführten. Der Botschafter habe eine Versicherung der deutschen Regierung, zu verlangen, daß sie die Feindseligkeiten gegen Polen einstelle und ihre Truppen aus dem polnischen Gebiet zurückziehe, widrigenfalls England die Konsequenzen ziehen und der Botschafter seine Pässe verlangen müsse. Eine gleiche Erklärung wird Coulondre heute abgeben. – Also offenbar Ansage des Krieges überhaupt und Ansage des Krieges an die Methoden Hitlers, denen ein Ende bereitet werden würde. Kanada hat den Kriegszustand erklärt, analoge Maßnahmen in Neuseeland bevorstehend. Chamberlain fand warme Worte für Mussolini, der sich für die Erhaltung des Friedens so verdient gemacht habe. Die Italiener haben übrigens heute durch Kommuniqué erklärt, daß Italien an militärischen Operationen sich nicht beteiligen werde. – Straßburg meldet, daß bei Saargemünd Deserteure hinübergeflüchtet seien, wobei einige ertranken. – Das Anhören feindlicher Rundfunksender ist übrigens von jetzt ab streng verboten. Post und Eisenbahn funktionieren für den gewöhnlichen Verkehr so gut wie nicht.

2. 9. 1939

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2. 9. 1939  : Trostlose Stimmung. Keine Nachricht darüber, was sich in der Welt tut und wie die Operationen fortschreiten. Heute trafen die ersten Verwundetentransporte in Lainz ein. – Besorgte mir eine Kennkarte mit Fingerabdrücken. Sah übrigens im Nebenzimmer, wie Juden sehr anständig behandelt wurden. Duda erzählt von einer Unterhaltung mit einem Ungarn, der eben in England war, daß die Engländer auf das Ganze gehen. Sie hätten alle Vorbereitungen dafür getroffen, ihre militärischen Fabriken arbeiteten im Mutterland nur zum Teil und seien die übrigen nach Australien oder nach Kanada verlegt worden. Berlin hätte von Ungarn das Durchmarschrecht und die militärische Kontrolle der Eisenbahnen verlangt. Die Stimmung in Ungarn sei antideutsch, in Jugoslavien das Gegenteil. Die deutschen Truppen haben endlich den Jablunkapaß passiert. Die Polen melden die Besitznahme und Zerstörung von 80 Tanks und vieler Flugzeuge, dazu andere Siegesnachrichten. Auch Danzig scheint noch nicht besetzt zu sein, was die Leute nervös macht. Der Landesleiter Proksch soll übrigens 14 Tage in den Bundesländern herumgereist sein, hat die Stimmung für schlecht befunden und darüber berichtet. Man sei in Österreich noch nicht reif für die Berliner Politik. Kein Mensch in Österreich wolle verstehen, warum er sich um Danzig raufen solle usw. 3. 9. 1939  : Die Engländer haben ein zweistündiges Ultimatum gestellt. Lloyd George (?) soll im Unterhaus gestern einen Freudentanz aufgeführt haben. In Polen geht der Vormarsch weiter. Der Semmering wird als großes Spital eingerichtet. Frage, ob nicht das Ganze doch hätte eingerenkt werden können, denn um den Korridor und Danzig wäre es doch auf jeden Fall geschehen gewesen. Übrigens ein merkwürdiger Krieg, er wird gar nicht Krieg genannt, sondern Gewaltanwendung, die der Gewalt entgegengesetzt wird. 4. 9. 1939  : [… im Osten wird wohl bald ein entscheidender Schlag mit Einschließung kommen – die Engländer haben sich noch nicht gerührt – behaupten jetzt, daß wir einen Dampfer mit 1400 Passagieren zum Sinken gebracht hätten – die alte Geschichte – die Holländer werden jetzt keine ruhigen Tage haben.] 5. 9. 1939  : Es wird immer trüber und gefährlicher. Hoffentlich machen wir selbst den Friedensvorschlag, nachdem wir die Weichsel ganz erreicht haben, und bleibt man bei den bisherigen Forderungen.

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6. 9. 1939  : Das Verhängnis geht seinen Weg. In Polen geht es sehr rasch vorwärts. Die Regierung ist nach Lublin übersiedelt. Bei uns sind die Auslandzeitungen verboten worden. Alle Spinnstoffe sind beschlagnahmt. Im »Pester Lloyd« sehr ausführliche Nachrichten über eine Vermittlungsaktion Mussolinis mit Vorschlägen an England und Frankreich, die aber schließlich Mussolini zur Erklärung veranlassen, daß wegen der von den Westmächten gestellten Forderung der vorherigen Räumung polnischen Gebietes durch die Deutschen bei der deutschen Regierung keine weiteren Schritte unternommen werden könnten. – Mit den pensionierten hohen Beamten im Stadtpark herumgegangen. Sie sehen den vollständigen Niedergang ihrer Existenz voraus, es werde uns alles weggenommen werden. Günther431 bei mir, der nach seinen Unterhaltungen mit deutschen und englischen Freunden die Empfindung hat, daß es doch ein Kampf aufs Messer werden würde. Es gehe nach vieler Ansicht den Engländern wirklich darum, wer der Erste sein soll, nämlich um die Weltherrschaft. Deutscherseits werde auch den Holländern die Schlinge um den Hals gelegt werden. 7. 9. 1939  : Immer neue Maßnahmen zur »Regelung der Wirtschaft.« Wir kommen also immer näher dem Staatssozialismus. Wenn der Krieg lange dauert, wird er wohl bleiben. Die deutschen Brandreden gegen die Engländer sind ganz auf einen antikapitalistischen Ton gestimmt. Das Ganze ist trostlos und dabei reden noch die Leute hier immer stärker davon, daß der Krieg nicht mehr lange dauern werde, die Franzosen wollten nicht recht mittun, die Polen würden bald erledigt sein, nur die Engländer arbeiteten auf lange Sicht. Dazu sonderbare Nachrichten. Ciano sei in Paris gewesen. Auf den Wällen der französischen Befestigungen seien deutsche Aufschriften  : »Wenn Ihr nicht schießt, schießen wir auch nicht.« – Min. Rat Duda erzählt von Min. Rat Wolsegger, der jetzt im deutschen Ministerium des Inneren sitzt, herrührender Nachricht  : Vor 8 Tagen habe es riesige Auseinandersetzungen gegeben. Himmler, Göring und Heß seien gegen den Krieg gewesen, Hitler dafür, der schließlich gesagt habe  : »Ihr versteht mich nicht, so gehe ich zur Feldarmee.« 8. 9. 1939  : Immer wieder sehe ich vor mir die Schrecken, die kommen müssen, und dabei merkt man draußen gar nichts davon. Dr. Haller vom »Neuen Wiener Tageblatt«, hielt mich auf der Straße an  : sein Blatt habe vollständig das Gesicht geändert. Es sei ganz preußisch geworden, preußisch die Leitung in administrativer und journalistischer Beziehung, lauter Leute aus Berlin, Görlitz, Dr. März sei ein Bayer, die Wiener hätten nichts mehr zu sagen, Rainalter sei, trotzdem er Illegaler sei, nicht genug betont 431 Otto Günther (1884–1970).

9. 9. 1939

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gewesen. Und so gehe es weiter und überhaupt der Krieg werde lange dauern. Jede private Unternehmung werde aufhören. 9. 9. 1939  : Die Göringrede angehört, eine starke Friedensrede, bedeutet aber den totalen Krieg. Die Russen rühren sich. Hoffentlich werden sie nicht unsere Nachbarn. 10. 9. 1939  : Wegen Ohrenschmerzen beim Ohrenarzt, der sich als großer Pg. entpuppt und meint, Hitler wolle mehr von Polen nehmen als Danzig, Korridor und Oberschlesien, er habe in München im Parteihaus eine Karte gesehen, laut der auch die Provinz Posen und das Erdölgebiet den Polen weggenommen werden soll. 11. 9. 1939  : Die Franzosen haben an 4 Stellen südlich von Luxemburg einzubrechen versucht. Die deutschen Truppen enthalten sich nach wie vor jeder Aktivität gegenüber den Franzosen, und man rühmt die Unüberwindlichkeit des Westwalls. Die jetzigen Heeresberichte sind ganz anders als die früheren. Sie geben nur flüchtige Bilder, vermeiden die Angabe von Truppenteilen und der wirklichen Erfolge. Alle Welt fragt sich, wo eigentlich die polnische Armee ist. Das bevorstehende Eingreifen der Russen gefällt mir nicht für den Endeffekt. Man sollte sie sich immer durch eine starke Zwischenbarriere vom Leib halten. 12. 9. 1939  : Kienböck getroffen, der meint, der Krieg werde 3 Jahre dauern, die Engländer hätten es sich so vorgenommen. – Bei Warschau hat ein energischer Widerstand der Polen eingesetzt. Auch sonst scheint das deutsche Vordringen jetzt durch schlechte Verkehrsverhältnisse erschwert zu werden. Jeder, mit dem man spricht, hat ein geheimes Grausen vor der russischen Intervention. 13./14. 9. 1939  : Scherereien mit der Meldung als Ruheständler, die in den Zeitungen anbefohlen wurde. Kein Mensch weiß genau, wo die Meldung erfolgen soll. Schließlich für meinen Teil die Meldung einfach im Rathaus durchgeführt. – Immer und überall das grausliche Gefühl. Jedem wankt der Boden unter den Füßen, ist nach meinen Eindrücken das allgemeine Gefühl. 15. 9. 1939  : Bei Kienböck, der ganz schwarzsieht. Amerika werde auch in den Krieg eintreten, der Nazismus müsse weiter gehen, er könnte sich sonst nicht behaupten. Gegebe-

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nenfalls müßten Ungarn und Rumänien an die Reihe kommen. Er gibt aber zu, daß auch England im Falle seines Sieges wirtschaftlich erledigt sein werde. [Ich wieder sage, es werden von allen Seiten, eben weil die Lage sonst für alle unerträglich und gleicherweise ruinös sein wird, sich wieder Friedensbestrebungen durchsetzen – nach der bisherigen Erfahrung die England unter der Leitung seiner Staatsmänner gemacht hat, glaube ich, daß seine Politik gar nicht so stark ist.] 16. 9. 1939  : Bei den Engländern scheint die Oberleitung nicht zu klappen. Es gehen ihnen alle möglichen Dinge in die Quere. Sie sind in einer wesentlich schlechteren Lage als im Jahre 1914 und müssen diesmal selber viel stärker zugreifen und werden auch den Krieg viel stärker schon jetzt zu spüren bekommen. Das Pfund wankt doch von Tag zu Tag herunter. – Mein Ohrenarzt meint, Polen sei erledigt, es werde nicht einmal Protektorat, sondern nur Kolonie werden, das andere Gebiet würden sich die Russen nehmen. Im Westen müsse es doch noch zu einem Anrennen kommen und dann werde der Wunsch zum Frieden stärker werden. – Bei Kutno ist das harte Ringen noch im Gange. Es wird sehr viel Verluste geben. Sagen sich jetzt etwa die polnischen Staatsmänner, wenn sie zurückdenken, wie billig sie einen Ausgleich hätten haben können  ? Zuerst haben sie sich es mit ihren französischen Alliierten verdorben, als sie sich Deutschland näherten, dann die Tschechen ausraubten und dann sich ganz auf die Engländer verließen, von denen sie doch niemals eine sofort wirksame Hilfe erwarten konnten. Ihr Staat ist auf jeden Fall ruiniert. Es gibt dafür keinen besseren Ausdruck  : Verblendet wie die Polen. 17. 9. 1939  : Die Russen marschieren in Polen ein und werden ihr Stück wohl für immer behalten. Dabei haben sie ihre Neutralität erklärt. Wie wollen jetzt Engländer und Franzosen Polen wieder herstellen  ? Dabei beeilen sich Türken und Rumänen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und vom Westen eher abzurücken. 18. 9. 1939  : Die Leute sehen jetzt etwas froher drein, weil sie glauben, daß der Krieg doch nicht mehr lange dauern werde. Einstweilen gehen freilich große Truppenteile der Panzerund Lufttruppen nach dem Westen. [Das wird den Franzosen, die ohnedies nicht sehr bei der Sache sind, viel zu denken geben.] 19. 9. 1939  : Hitlerrede in Danzig. Er gab sich viel Mühe, Engländer und Franzosen auf das Sinnlose des Krieges aufmerksam zu machen und sie zum Einlenken zu bewegen. Ich fürchte, sie werden nicht die ihnen ans Herz gelegte Vernunft annehmen, und wir

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werden noch schwere Tage erleben und weiter rutschen. – Das Stift Göttweig ist zur Gänze in das Eigentum der freien Stadt Krems überantwortet worden in Anwendung der Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens. – Der polnische Marschall432 ist nach Rumänien entkommen. – Man spricht von weiteren Friedensbemühungen und es scheinen Verhandlungen wieder im Gange zu sein, aber bis dahin sind die alten Zeiten jedenfalls geschwunden. Wir kommen vielleicht sogar immer schneller in ganz andere Verhältnisse. – Viele hundert Fleischhauer müssen ihre Betriebe vollständig sperren. Urbas getroffen, langes Gespräch über die soziologische Entwicklung. Es wird sich alles von selbst ad absurdum führen. 21. 9. 1939  : Der junge Löwenthal sagt, er hungere schon. T.433 meint, man sei für die in Gang befindlichen Verhandlungen zuversichtlich, die offenbar durch italienische Vermittlung gingen. Immer wieder wird auch gesagt, daß Papen in Paris sei. Inzwischen werden die Gürtel immer strenger angezogen. H.434 erzählt, die Bemerkung Hitlers, man habe etwas bei uns, was man gegen uns nicht anwenden könne, beschäftige sehr die Phantasie der Leute. Die meisten glaubten, daß es sich hiebei um eine Luftwaffe handle. Es scheint aber doch etwas anderes zu sein, eine besondere artilleristische Erfindung. Nach wie vor ist die Stimmung nichts weniger als rosig. – Der rumänische Ministerpräsident435 ermordet. Hier wird kolportiert, daß der englische Geheimdienst dahinterstecke, dem die strenge Neutralität Rumäniens nicht paßte. – Wurzian meinte auf meine Frage, warum er, da parteipolitisch verankert, sich nicht für eine Beschäftigung in Polen interessiere, da er doch das Land und die Sprache so gut kenne  : »Nein, lieber nicht«, dagegen spricht doch Verschiedenes, auch der eventuelle Rückzug. – Jedenfalls haben die Russen jetzt leichte Arbeit gehabt. Lemberg stecken sie auch ein. 22. 9. 1939  : [Es scheint doch immer wieder verhandelt zu werden.] Im römischen Leibblatt Mussolinis ist sehr nachdrücklich zum Westen hinübergesprochen worden. Der Vatikan scheint sich stark für Polens Wiedererstehung einzusetzen. Sein Leibblatt verdammt die Zweiteilung. Die Polen wehren sich übrigens noch immer sehr gut. Die deutsch-russische Demarkationslinie geht merkwürdig stark zu Gunsten der Russen. Was haben eigentlich die Russen vor  ? Ob die von ih-

432 Edward Rydz-Śmigły (1886–1941). 433 Nicht zu eruieren. 434 Hans Wildner senior. 435 Armand Călinescu (1893–1939).

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nen in Bewegung gesetzten 4 Millionen nicht noch eine andere Aufgabe haben  ? fragt auch die Schweizer und die andere westliche Presse. 23. 9. 1939  : Die russische Geschichte gefällt mir nicht. Immer wieder wird betont, daß die Besetzung im freundschaftlichsten Einvernehmen erfolge. Die Demarkationslinie sei längst festgesetzt. Jetzt heißt es auf einmal, daß sie erst genau durch beiderseitige Kommissionen festgestellt werden soll. Die »ostmärkischen« Truppen, die bis Lemberg vorgedrungen sind, müssen wieder zurück und fragen sich jetzt, wozu sie vorwärtsgestürmt und vorwärts getrieben worden sind. Die Russen heimsen überhaupt den Löwenanteil ein. Jetzt heißt es sogar, daß der deutsche Anteil nur bis Lodz reichen soll. – Auf den Truppenzügen finden sich Aufschriften  : »Wo bleibt die SA  ?« – Generaloberst Fritsch vor Warschau gefallen. Damit erfüllt sich wieder eine von gewissen Leuten gehegte Kombination. [Mussolini hat eine Rede in Bologna gehalten, die sehr deutlich gegen die Westmächte gerichtet ist und uns nur sehr helfen kann.] 25. 9. 1939  : Neue Kartenordnung. Die Bevölkerung tut nicht recht mit. – Götzendämmerung der Thaumaturgen.436 – Urbas meint als sicher, daß Fritsch, der auf einer Erkundigungsfahrt gefallen ist, doch anders umgekommen sein könnte. Chamberlain hat seine letzte Rede im Unterhaus mit müder und farbloser Stimme vorgetragen. Nachher bleiernes Schweigen. Mussolini hat sehr elegant gesprochen, Daladier ganz ablehnend gegenüber Deutschland, für die Freiheit. Es werde nicht mehr in jedem Land Seyß-Inquarts geben, die ihr Vaterland verraten, und Háchas, die den Untergang ihres Vaterlandes unterschreiben. Daß Papen in Paris war, wird jetzt absolut dementiert. – Ley sagte kürzlich in einer Versammlung, die Partei habe gerade so viel gearbeitet und geleistet, was die Soldaten an der Front leisten. – Der Haß der Polen scheint ungeheuer zu sein und wird die Zeiten überdauern. 26. 9. 1939  : Pensionistenspaziergang im Stadtpark. Allgemeiner Pessimismus. Uns allen werde es schlecht gehen. Die Italiener würden doch abspringen und nichts machen. Dazu die russische Geschichte. Hitler sehe sehr schlecht aus, sei ganz abgemagert. 27. 9. 1939  : Ribbentrop fährt nach Moskau auf russische Einladung. Das sieht optisch gar nicht gut aus. Die Sprache der Zeitung ist auch recht konfus. Pg.’s behaupten, wie Pogatscher gehört hat, daß Hitler eigentlich sich die längste Zeit gegen die russische 436 Thaumaturgen – Wundertäter.

29. 9. 1939

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Orientierung gewehrt haben soll. Deutscherseits und englischerseits (Churchill im Parlament) erstattete Berichte über das erste Gefecht zwischen Schiffen und deutschen Flugzeugen weichen diametral voneinander ab. [Warschau ergibt sich.] 29. 9. 1939  : Die Bombe des deutsch-russischen Abkommens  : die Grenze wird nach Osten verlegt. Die Regelung für Polen unabänderlich und endgültig. Nochmaliger Friedensappell, wenn nicht, fällt die volle Verantwortung auf England und Frankreich. Wegen weiterer Maßnahmen würden sich dann Deutschland und Rußland konsultieren. Ich fürchte sehr, es wird wieder nicht zum Frieden kommen. London wird nicht nachgeben es sei denn, daß wirklich etwas Besonderes geschehe, das den Engländern sagt, es sei gescheiter aufzuhören und die weitere Entwicklung der Zukunft zu überlassen. Was wird das andere sein  ? Gegen Indien, Persischen Golf  ? Was wird Italien wirklich machen  ? Der estländisch-russische Vertrag kann uns natürlich nicht gefallen. Er ist für den neuen deutsch-russischen Vertrag zumindest ein Schönheitsfehler. – Duda erzählt, er sei gestern in einem Wirtshaus in der Laxenburgerstraße gewesen, wo eine Tischrunde ruhig die Internationale mit der Melodie der Marseillaise gesungen hätte und dann das marxistische Jugendlied  : »Wir sind jung und das ist schön.« Im Lokal seien auch Pg.’s gewesen, die nicht gezuckt hätten. Der Wirt hätte schließlich den anderen gesagt, sie sollten jetzt aufhören, es seien auch andere Leute da, worauf ein Wortführer erklärte  : »No ja, wir sind keine Spielverderber.« Offenbar ist die Weisung gegeben, gegen die Roten jetzt nicht aufzutreten. [Derselbe Mann – ein ihm bekannter Pg. Professor war kürzlich in der Umgebung von G (?) und mußte sehen, wie eine Gruppe Hitlerjugend mit ihrem Dolch auf einen Baum einstachen, er stellte sie zur Rede, worauf 5 auf ihn zukamen und ihm höhnisch sagten, daß wir unser Messer bei ihm probieren  ? das kann gut werden.] [30. 9. 1939  : Nichts Besonderes – mit Karl bei Hans437, der immer wieder erzählt, wir müßten schließlich Holland besetzen, um den Engländern besser an den Leib zu rücken.] 1. 10. 1939  : In der Luft den ganzen Tag Kommen und Gehen von Flugzeugen in großen Abteilungen sowohl Bomber wie Jäger. 2. 10. 1939  : Engländer und Franzosen geben offenbar nicht nach und wollen den Krieg weiterführen. Für sie gilt das einfache russische Rezept von 1918  : Kein Krieg und kein 437 Karl Wildner und Hans Wildner senior.

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Frieden. [Sie zahlen auf alle Fälle drauf, wenn sie Krieg führen – der russische Partner scheint übrigens auch nicht für den Krieg eingenommen zu sein und will den Frieden durchdrücken – mit den Türken hat er angefangen, jetzt steckt er nach Estland auch Lettland ein.] 3. 10. 1939  : Nach äußeren Anzeichen zu schließen, scheint der Berliner Besuch Cianos nicht gerade günstig verlaufen zu sein. Das Kommuniqué und was die Zeitungen bringen, sind Verlegenheitsphrasen. 4. 10. 1939  : Duda erzählt alte Geschichten von Stockinger. Er hätte sich vom Generaldirektor Steyskal die alten Stempel geben lassen, um für sich und seine Hintermänner die alten Marken nachher abstempeln zu lassen. Das Ganze habe ihm Staatssekretär Rott vor Zeugen erzählt. Rott selbst war eingesperrt, konnte aber mit Hilfe eines falschen Passes flüchten. Zernatto, der jetzt eine Rede gehalten hat, wonach Wien ruhig sein könne, es werde nicht beschossen werden, habe wenige Wochen vor dem Umbruch die ihm oder seiner Frau438 gehörende Buchhandlung Braumüller um 400.000 S verkauft. [Duda sieht nach wie vor schwarz – ein Luftangriff auf England sei wohl nicht möglich, der L.439 hatte erzählt, daß eine 7-fache Flaklinie die Küste schütze – und die Marine verfüge über ausgezeichnete Warnungsgeräte gegenüber den Unterseeboten.] 5. 10. 1939  : Hier deutet alles auf weitere Kriegsvorbereitung. Die Truppen gehen von Polen herunter nach dem Westen. Es sieht beinahe so aus, als ob auf deutscher Seite etwas vorbereitet werde. 6. 10. 1939  : Die große Rede Hitlers angehört. Anfangs sprach er so schnell, daß man glauben mußte, er fürchte, nicht fertig zu werden. Er wiederholte sich auch häufig und brachte alte Sachen vor. Dann wurde er langsam, pathetischer, ja förmlich gerührt, als er von dem ihm gemachten Vorwurf des Nicht-Wort-Haltens, von der Ehre, sprach, entwickelte dann weitgehende und konkrete Vorschläge. Vielleicht hat er etwas zu sehr absprechend über Polen geredet und dessen künftiger Gestaltung. Mehr Großmut wäre am Platz gewesen. Um Frankreich warb er förmlich wie um eine Braut und die Drohung mit dem letzten Mal klang so unheimlich wie seine früheren Thesen gegenüber Beneš und Polen. Mussolini dürfte jetzt noch Chamberlain sprechen. Italien hat bestimmt keine Lust zum Krieg. Tunis spielt längst nicht mehr die Rolle wie 438 Riccarda Zernatto (1907–2002). 439 Nicht zu eruieren.

7. 10. 1939

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früher. Weder die Dynastie noch das Heer wollen etwas vom Krieg wissen. Mussolini soll auch dem Hitler gesagt haben, daß die innere Lage, auch die des Faschismus, einem Krieg gewachsen wäre  ? – Die Verluste sollen viel schwerer sein. – Die Statthalterei als Ministerium ist von Bürckel aufgelöst worden, der Bruder Bergers440 und Baron Morsey sollen wieder in Haft sein. 7. 10. 1939  : Hauenschield kam ins Meissl & Schadn und bemerkte u. a., er habe auch aus politischen Gründen seinen Austritt aus der Kirche erklärt. Da konnte ich mich nicht enthalten, ihm ins Gesicht zu fahren. Bei dem Mann scheint auch eine Psychose im Gange zu sein. Nachher kam Urbas, der auch nicht an den Frieden glauben kann. Den anderen werde es nicht genug sein, was Hitler angeboten habe, die Russen gingen sehr scharf gegen die Juden vor, ebenso die Ukrainer gegen die Polen. 8. 10. 1939  : In England hat der Erzbischof von York441 gegen die Forderung der Ausrottung des Hitlerismus protestiert. Im Allgemeinen sind die Stimmen aus dem Westen ablehnend. Die Russen machen sich nach »Corriere della Sera« in Estland breit und in den anderen Kleinstaaten werden sie dasselbe machen. Das wird man einst noch sehr der deutschen Politik verdenken, daß gerade die Bolschewiken in diese Länder hineingelassen worden sind. In Frankreich hat sich eine tschechoslovakische Regierung unter Beneš gebildet. 9. 10. 1939  : Die Russen beeilen sich mit der Wiedernahme der baltischen Staaten. In Estland sind sie bereits einmarschiert. Mit Lettland ist eine analoge Regelung getroffen worden, mit Litauen wird noch verhandelt und Finnland, das sich zuerst geweigert hatte, einen Bevollmächtigten nach Moskau zu entsenden, hat sich doch eines anderen besonnen und schickt seinen Gesandten442 aus Stockholm. Inzwischen versuchen die Russen, den Türken die Daumenschrauben anzusetzen. Papen scheint übrigens dort noch nicht recht vorwärts gekommen zu sein, wie aus hiesigen Zeitungsberichten über unfreundliche Stimmung der Türken gegenüber Deutschland hervorgeht. [Vielleicht wird aber trotzdem seine in Wien bewehrte Zähigkeit auch dort helfen – die Ententestaaten beraten noch über ihre Haltung zur Hitlerrede – in der Form zumindest können sie nicht ablehnend sein, ihre Zeitungen freilich lassen wenig Günstiges erwarten – für mich – mit Duda beim Luftschutzbund, wo wir jetzt einen Kurs machen müssen, der 1 Monat dauert …] 440 Oskar Berger-Waldenegg (1889–1960). 441 William Temple (1881–1944). 442 Juho Kusti Paasikivi (1870–1956).

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11. 10. 1939  : Eher unverständliches Kommuniqué über die englischen Berichte, die hier Konfusionen hervorrufen sollten, wonach das englische Kabinett zurückgetreten und ein Waffenstillstand angeboten worden sei. Andererseits englische Nachrichten über Demission der Hitlerregierung und Partei und Regierungsübernahme durch die Reichswehr. Diese englische Propaganda scheint doch nicht ihr Geld wert zu sein. 12. 10. 1939  : Chamberlain bezeichnet nach scharfer Kritisierung der Hitler’schen Wortbrüche, die von diesem gemachten Vorschläge als zu vage, keine Gewähr für die Zukunft bietend, und verlangt von der deutschen Regierung neuerliche Äußerung. Berlin habe die Wahl, ob es wirklich zum Krieg kommen müsse. Chamberlain ist also nicht mit konkreten Forderungen gekommen. Es wird also, wenn nicht in Berlin sich ein Wunder vollzieht, der Krieg wirklich weitergehen und es sogar zu der von vielen Seiten erwarteten Offensive kommen. [Für mich – mit verschiedenen Leuten gesprochen, alle sind pessimistisch – in den Alpenländern soll die Stimmung ganz umgeschlagen haben …] 13. 10. 1939  : Die hier tätigen Beamten sagen alle, daß sie nichts zu tun haben oder nur eine Einerleiarbeit verrichten. Es scheint sich übrigens niemand um den hiesigen Mechanismus zu kümmern. – Die Aussiedlung der Deutschen, sowohl der Reichsangehörigen wie der Volksdeutschen, aus Estland und Lettland sowie Finnland ist im Zuge. Sie sollen in den westpolnischen Teilen untergebracht werden. Das Ganze geschieht in aller Eile, was liegt dem zugrunde  ? Haben die Russen darauf bestanden, damit es keine der üblichen Friktionen mehr gebe  ? Auch die Wolgadeutschen sollen hieher kommen. Oder hängt das Ganze mit dem Wiedersammlungsgedanken zusammen  ? In Südtirol gehen nur die Reichsangehörigen weg, die eigentlichen Südtiroler können bleiben und wollen bleiben. – Daladier hat in seiner Rede gesagt, wenn es jetzt einen Frieden gebe, so wäre dies ein deutscher Frieden, ein Sieg der Hinterlist und der Gewalt usw. [14. 10. 1939  : Allein geblieben – was wird also geschehen – ob nicht ein deutscher Luftangriff auf die englisch französische Stellung vom Meer aus stattfinden werde.] [16. 10. 1939  : Zeitungen gelesen – für Hitler sind Chamberlain und Churchill erledigt, er wird sie so wie seinerzeit den Schuschnigg und Beneš bekämpfen.]

17. 10. 1939

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17. 10. 1939  : [Die Engländer zeigen immer ihre Schwächen ihrer Organisation und Händel – die deutschen Angriffe erweisen das ganz klar – und England würde guttun, daraus die Konsequenz zu ziehen und einfach nachzugeben – kein Mensch kann ihnen doch ihre Rede von Freiheit usw. glauben – müde.] Die Russen setzen ihre Aktionen ruhig fort. Mit den Türken scheinen sie aber doch nicht in dem gewünschten Sinn fertig zu werden. – Die hiesigen Bibliotheken haben den Auftrag, auf der Abnahme antibolschewistischer Literatur nicht mehr zu bestehen, wie sie es früher tun mußten. 18. 10. 1939  : Wurzian kommt mit der Nachricht, daß die gewisse Wiederbeschäftigungsverordnung der Ruheständler für die Ostmark gar nicht gelte, welche Auskunft ihm der Regierungspräsident von Niederösterreich, Gruber,443 gegeben hat. Der zuständige Referent in der Reichsstatthalterei, Min. Rat Troll,444 wußte aber nichts davon. Bei dieser schönen Ordnung sind also Tausende von pensionierten Beamten zur Meldung losgehetzt worden. – Abermals kontradiktorische Meldungen von deutscher und britischer Seite über die Angriffe deutscher Flieger und Unterseeboote auf die englischen Großschiffe. 19. 10. 1939  : Urbas erzählt, Churchill habe demissioniert, Chamberlain habe aber nicht angenommen. General Gamelin habe unvorsichtigerweise den Presseleuten vor einigen Tagen einen kurzen Bericht über den Stand der Operationen gegeben und die auf deutschem Gebiete erzielten Fortschritte der Offensive hervorgehoben. Als Antwort darauf sei dieser Abschnitt gestern deutscherseits gesäubert worden. Die Franzosen hätten sich beim Vorstoßen freiwillig zurückgezogen. [Offenbar haben sie an den Beginn einer großen Offensive geglaubt – unser Heeresbericht sagt ausdrücklich, daß die französische Grenze nicht überschritten wurde.] – Sizzo-Noris erzählte gestern, Hitler habe wiederum Tobsuchtsanfälle gehabt und Teppiche zerrissen. Auch sonst ungünstige Berichte über Hitlers Befinden. Offenbar englische Quelle. 20. 10. 1939  : [Der englische Rundfunk benimmt sich schon lächerlich – er redet von vollständigem Versagen der Luftwaffe und förmlicher Abschlachtung der deutschen Unterseeboote.] Die Türken haben gestern einen Vertrag mit den Franzosen und Engländern geschlossen und sich nur vorbehalten, daß er Feindseligkeiten gegenüber den Russen ausschließe. Wo bleibt Papen  ? [Übungen im Luftschutzdienst – müde – ich brauche mehr Schlaf …] 443 Erich Gruber. 444 Wolfgang Troll (1885–1982).

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22. 10. 1939  : Familienmesse, Hochamt in der Pfarrkirche St. Rochus, von Pfarrer Schmid445 deutsch gelesen, [statt Latein … am Abend die Botschaft Goebbels an Churchill gehört, sie war gemein.] 24./25. 10. 1939  : K.446 erzählt, daß Bürckel jetzt durch seinen Personalreferenten Heinz447 hier Ordnung machen lasse, insbesondere rücksichtslos gegen die Abteilung Wächter vorginge, die er auflöste. Was geschieht jetzt aber mit den Beamten, die von dieser Abteilung geamtshandelt wurden  ? Auch das Auswärtige Amt scheint jetzt die Sache der österreichischen Beamten in die Hand genommen zu haben. – Die Engländer wollen nach einer Information B.s’448 uns einfach aushungern und im nächsten Jahr mit ihren neuen Waffen kommen. Schon jetzt lassen sie Erkundigungsflüge über Deutschland vornehmen. Gestern waren sie über Berlin und Magdeburg. 26. 10. 1939  : Man scheint doch auf deutscher Seite etwas Großes ins Werk zu setzen, vermutlich etwas Artilleristisches. Die Italiener halten etwas mehr zur Stange. Was bedeutet das, schlechtes Gewissen  ? Die Zeitungen sind wieder ausgeblieben. 27. 10. 1939  : Die Stimmung hier wird immer schlechter, auch bei der Industrie, deren Direktoren jetzt lange Gesichter machen. Mit dem großen Aufschwung sei es nicht weit her. Nach wie vor Kolonialstimmung. Von der Arbeiterschaft nicht zu reden. Die Versorgung wird doch immer knapper. Die Käseration ist von 6 dkg heute auf 3 herabgesetzt worden. Das ist gerade so ungeschickt wie die Zuteilung von 1 Ei in der Woche. Dabei klappt der Apparat nicht. Duda erzählt, daß sein Chef, der Gauleiter Proksch, seit 4 Tagen auf der Jagd sei, ein kleiner Eisenbahnbeamter. [Kein Unterschied gegenüber früher – Hans449 faselt von einem Artillerieangriff auf England …] 29. 10. 1939  : Die Meckerei wird immer ärger. Gestern räsonierten die Frauen in der Markthalle mit voller Nennung der einzelnen Großkopferten. Die Polizei tat so, als ob sie nichts

445 Leopold Schmid. 446 Karl Wildner. 447 Wahrscheinlich Karl Heinz Drünkler, wenngleich die Erwähnung nur mit dem Vornamen bei Wildner ungewöhnlich ist. 448 Nicht zu eruieren. 449 Hans Wildner senior.

30. 10. 1939

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hörte. Wiederum wilde Gerüchte, Kronprinz Rupprecht450 getötet. Die Generäle Hammerstein451 und Stülpnagel452 in Haft, angeblich wegen monarchistischer Propaganda, die Grenze gegenüber Holland gesperrt. Las ausländische Zeitungen über die Aufnahme der Danziger Rede Ribbentrops, durchaus ablehnend, nicht der Mühe wert, auf ihre fadenscheinigen Ausführungen einzugehen. Auch Chamberlains Rede vom 26. durchaus ablehnend. Wenn wirklich Absicht, den Krieg mit aller Gewalt und allen anderen Mitteln zu führen, so kann es für uns nur eine Antwort geben und diese ist  : Wir sind bereit. Chamberlain erwähnte übrigens aus dem letzten Bericht des Botschafters Henderson, daß Ribbentrop den Reichskanzler Hitler bezüglich seines Konzeptes für Polen ermuntert und bis zum letzten Augenblick behauptet habe, daß England nicht kämpfen werde. [Die gleiche Rolle hat Ribbentrop übrigens auch bezüglich Österreich und der Tschechei gespielt.] 30. 10. 1939  : In Prag soll es vorgestern zu großen Unruhen gekommen sein mit scharfem Eingreifen der Leibstandarte. 1. 11. 1939  : Graf Ceschi erzählt, die Militärs seien jetzt gegen größere Operationen, auch Göring, die jüngeren Elemente aber drängten in entgegengesetzter Richtung. Die Russen scheinen es jetzt auf die Bukowina und Bessarabien abgesehen zu haben. – Wiederum eine amtliche Verlautbarung, daß zwei Personen erschossen worden seien, da sie nach der Festnahme versuchten, tätlichen Widerstand zu leisten. – Die Zeitungen und Zeitschriften dürfen nichts gegen den Kommunismus bringen. Hiesige Anekdote, erzählt vom Hafnermeister  : Was für ein Unterschied besteht zwischen Wien und Berlin  ? Wien lebt von der Reichsmark, Berlin von der Ostmark. – Karl453 erzählt, daß die Spieße sich sehr unsicher fühlten und mit der Mannschaft sehr freundlich geworden seien. Es hätten zahlreiche Versetzungen stattgefunden. 3./4. 11. 1939  : Cl.454 war in Berlin im Auswärtigen Amt. Die Frau455 des Hamburger regierenden Bürgermeisters456 hatte sich für ihn beim jetzigen Personalchef457 verwendet, der ihn 450 Rupprecht, Kronprinz von Bayern (1869–1955). 451 Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord (1878–1943). 452 Joachim Fritz Constantin von Stülpnagel (1880–1968). 453 Karl Wildner. 454 Clemens (Klemens) Wildner. 455 Else Kaufmann (1901–1987). 456 Karl Otto Kaufmann (1900–1969). 457 Nicht zu eruieren, ob es noch Curt Prüfer (1881–1959) sein konnte.

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daraufhin einlud und sich in Allgemeinheiten erging. Was man tun könne, werde man tun, »was ich tun kann, werde ich tun.« Schließlich wurde er an den Stellvertreter458 verwiesen, der aber nur Schwierigkeiten machte und den Fall als aussichtslos bezeichnete. Als Cl. nicht locker ließ, erging sich der andere in allgemeinen Redereien über die Österreicher, die ihm nur Schwierigkeiten und Scherereien bereiteten, erwähnte dann das Intrigantentum der Österreicher. Er erwähnte dann auch meinen Fall, ich sei vom Auswärtigen Amt schließlich abgelehnt worden, weil auch gegen mich Denunziationen vorgebracht worden waren, wozu Cl., wie er sagte, auch gesagt hatte, daß ich selbst, so viel er gehört habe, gegen die Übernahme Bedenken geäußert hätte. Der Personalchef hat übrigens bemerkt, daß Ribbentrop von den Österreichern nichts wissen wolle, welche Bemerkung er nachher sehr bereut haben soll. Cl. fand Berlin ausgepowert, die Leute in verbissener Stimmung, das Essen unter aller Kritik. Auf der Fahrt Gespräche mit Soldaten, die von der Westfront kamen, die meinten, lange dürfe die Sache nicht dauern. Diese Untätigkeit demoralisiere. Die Maginotlinie sei kaum einnehmbar, schon die polnischen Bunker seien fast furchtbar gewesen, glashart, von einer Feile nicht zu ritzen, 8 m dick. Die deutschen Bunker seien noch nicht ausgetrocknet, was angeblich 1 Jahr dauere. Die Franzosen schießen schon mit 52 cm Mörsern, die fürchterliche Löcher anrichteten. In Ratibor sei der Zug von den Urlaubern förmlich gestürmt worden, die die Bajonette gezogen hätten. Die Verfügungstruppen hätten große Verluste gehabt, seien militärisch nicht auf der Höhe der regulären Truppen, die Verluste kämen daher, weil sie von den Generälen bei sehr gefährlichen Situationen eingesetzt worden seien. 7. 11. 1939  : Am Westwall scheinen die letzten Luftkämpfe schief gegangen zu sein. Die Franzosen sprechen von 8 Abschüssen oder sogar mehr. – Wilde Rede des Molotow gegen die kapitalistischen Kolonienausbeuter des Westens und die Engländer behaupten triumphierend, daß er wieder nicht von offenem Mitgehen mit Deutschland gesprochen habe, ja, daß der gleichzeitige Aufruf der Komintern Deutschland sogar angreife. 8. 11. 1939  : Beim gestrigen Besuch bei Peter459 sah ich Festbeleuchtung in der früheren Polnischen Gesandtschaft in der Argentinierstraße. Peter erzählte dazu, das Gebäude sei um 400.000 Mark gekauft und mit Aufwand von weiteren 600.000 Mark als ein Kasino der Offiziere der Luftwaffe eingerichtet worden. Alles neu hergerichtet mit wahrer Verschwendung. Gesandter Cnobloch hat sich in die Provinz zurückgezogen, 458 Nicht zu eruieren. 459 Franz Josef Peter (1866–1957).

9. 11. 1939

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um Ruhe zu haben. Erzählt, dem Hitler sei kürzlich der Führerschein entzogen worden, weil er statt rechts, links gefahren sei. – Die Münchener Rede Hitlers vor den alten Kämpfern gehört. Mit wahrer Leidenschaft trat er für den Kampf bis aufs Messer gegenüber England ein. Es werde den Engländern Hören und Sehen vergehen. Er habe den Göring beauftragt, alle Vorbereitungen für eine Dauer von 5 Jahren zu treffen. »Aber der Krieg wird nicht so lange dauern und wir werden siegen.« – Die Komintern hat in einem Aufruf England, Frankreich und Deutschland eines imperialistischen und kapitalistischen Krieges beschuldigt, den sie um die neue Aufteilung der Rohstoffe und um die Weltherrschaft führten. Die Arbeiterschaft dürfe also den Krieg nicht unterstützen. Rußland habe nur aus dem Grunde Freundschaft mit Deutschland geschlossen, um die Ausbreitung des Krieges auf die Donauländer und den Balkan zu verhindern. Italien wird beschuldigt, nur auf den Moment zu warten, um sich auf die Besiegten zu werfen und seine Beute zu sichern. Dazu schrieb Gayda sehr scharf im »Giornale d’Italia«, daß die Frage, worin sich die Komintern und die Moskauer Regierung unterscheiden, noch nicht bereinigt sei. Die Komintern setze Hitler-Deutschland auf die Anklagebank, Rußland hätte nicht das Recht, andere des Imperialismus zu beschuldigen. Rußland sei durch die Eroberungen der Zaren der reichste Staat der Welt und breite sich auf die gleiche Weise wie die kapitalistischen Staaten mit Hilfe der wirtschaftlichen Mittel aus {unleserlich}. Es sei eine Verdrehung der Wahrheit, daß die Aufrechterhaltung des Friedens im Donaubecken und auf dem Balkan eine Aufgabe sei, die der Sowjetregierung harre. Diese Aufgabe habe schließlich das Italien Mussolinis übernommen und Mussolini habe durch seine Zurückhaltung den Konflikt eingedämmt, den die russische Intervention nur ausgedehnt habe, usw. – Beneš scheint vollständig abgewirtschaftet zu haben. Maurois schreibt in seiner Action Francaise, Beneš sei ein Besiegter der zeitgenössischen Geschichte, ein Besiegter der Erfahrung und der Vernunft. Auch andere Zeitungen verwahren sich gegen seine Einmischung in die französische Politik. 9. 11. 1939  : Das Attentat im Bräuhauskeller ist ein großer Schlag. Zwei Möglichkeiten  : Wenn es der englische Geheimdienst angestiftet hat, so konnte er es nur mit Leuten in München tun, die sehr genau Bescheid wußten und sich sehr sicher fühlten oder die andere Möglichkeit, das Ganze ginge von Emigranten aus, was ebenfalls nur erweise, daß man sich sicher fühlt. Die meisten Meinungen neigen der zweiten Version zu. Aber manche Leute glauben sogar an so eine Aktion, wie sie beim Reichstagsbrand vermutet wurde. – Dazu die verschiedenen Weissagungen. 10. 11. 1939  : Die Zeitungen bringen nichts Neues, die ausländischen sind ausgeblieben. SizzoNoris erzählt als eine offenbar italienische Stimmungsversion, es sei die ganze Zeit

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ein großer Kampf hinter den Kulissen im Gange. Die einen seien dafür, daß unbedingt etwas Großes geschehen müsse, daß die Militärs davon nichts wissen wollen, weil ein Liniendurchbruch mit ungeheuren Opfern verbunden wäre, was das Ende im Inneren herbeiführen müßte, ein Durchbruch über Holland aus allgemeinen politischen Gründen unbedingt vermieden werden müsse. Immer mehr militärische Persönlichkeiten würden eingesperrt, angeblich schon 8 Generäle und über 500 andere Militärs. Mussolini selbst gerate gegenüber den anderen Kreisen immer mehr in den Hintergrund. Der Kronprinz460 und die von ihm vertretene Haltung, die gegen Berlin gerichtet sei, habe längst Oberwasser und setze sich immer stärker durch. Die letzten Veränderungen der Wacheablösung seien von diesem Gesichtspunkt zu beurteilen. Starace sei formell strafweise und demonstrativ enthoben worden. Auch Farinacci habe eins aufs Dach bekommen. – Die Lebensmittelrationierung ist hier dieser Tage verbessert worden, wohl um die allgemein trübe Stimmung zu bessern. 11. 11. 1939  : Besuch von Czyhlarz und Wurzian. Letzterer wird immer nervöser und unsicherer in seiner politischen Haltung. Merkwürdig, wie sich manche Leute immer wieder durchzusetzen verstehen, so z. B. der berühmte Reichsfreiherr Pawel-Rammingen, der jetzt als Pg. geführt wird und eben zum Jagdinspektor für das Wiener Gebiet ernannt worden ist, derselbe Mann, der wie früher der ewig kriechende Czoernig461 nur mit seinen Beziehungen zum Herrscherhaus Staat machte, dann sich fortwährend auf die Beziehungen zu Seipel und Dollfuß berief und zu Schuschnigg. 12. 11. 1939  : [Die Rede Churchills gehört – nichts Besonderes, leere betonte Worte, die hohl klingen – er sprach ja von der Möglichkeit, daß England selbst zugrunde geht – neu ist der Aspekt der Westmächte.] In der Antwort der Westmächte auf den Friedensappell des belgischen Königs462 und der holländischen Königin463 ist auch von der Wiedererstehung Österreichs die Rede, was der Reichssender gleich verwertet. 14. 11. 1939  : Baron Roessler jammert jetzt und erzählt nebenbei, daß gegen Sektionschef Mörth wegen seiner Haltung bei seinen Verhandlungen ein Verfahren vorbereitet gewesen sei. Dahinter kann nur der Clodius stecken. 460 Umberto II. (1904–1983). 461 Möglicherweise Walter Czoernig-Czernhausen (1883–1945). 462 Leopold III. (1901–1983). 463 Wilhelmina (1880–1962).

15. 11. 1939

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15. 11. 1939  : Jäckl erzählt mir die Geschichte vom verflossenen Staatssekretär und späteren Staatskommissär Wimmer.464 Dieser junge Mann war bei der Niederösterreichischen Landeshauptmannschaft und erfreute sich der besonderen Förderung durch den sattsam bekannten Herrn Rischanek, der ihn wieder dem Dollfuß empfahl. Er pflegte starken Umgang mit den Christlichsozialen, so daß der Jäckl, dem Wimmer durch Chavanne als Vermächtnis von Dollfuß warm und wiederholt empfohlen wurde, glaubte, er bekomme einen vaterländischen Aufpasser. Er war aber, wie sich später zeigte, auch Nazi gewesen. Im Übrigen benahm er sich sehr loyal und Jäckl glaubte ihm zu verdanken, daß ihm trotz seiner Mitarbeiterschaft an der 34er-Verfassung eigentlich nichts geschehen war. Am gewissen Freitag arbeitete Wimmer brav mit Jäckl an dem ihm an diesem Tag in der Früh von Schuschnigg aufgetragenen Entwurf einer Suspendierung der Verfassungsrechte, die der Kanzler wegen der Vorgänge in der Steiermark für notwendig hielt. Und als am Abend die Demonstranten das Bundeskanzleramt bedrängten, meinte Wimmer zu Jäckl  : »Hoffentlich kommen wir noch rechtzeitig heraus, bevor sie uns die Köpfe einschlagen.« Als sie am Abend vereidigt wurden, glaubte Wimmer bei Huber,465 der mir das heute erzählte, sich noch formell entschuldigen zu sollen, daß er bei seiner Jugend zum Staatssekretär ernannt worden sei, es sei eben für den Seyß-Inquart gerade niemand anderer erreichbar gewesen. Jäckl schwebt auch in der Luft und macht jetzt Disziplinarangelegenheiten. – Baron Ruber hat auch von der neuen Verhaftungswelle gehört, sie habe auch den Gleißner ergriffen. Pernters Frau466 sei seit 2 Monaten ohne Nachrichten von ihrem Mann. – Guido Schmidt ist in einem Bergwerk in Serbien verunglückt. Roessler wußte auch von der Verhaftung des Zeremoniärs Weinbacher zu berichten. Dem Miklas ist nahegelegt worden, sich nicht zuviel in der Öffentlichkeit zu zeigen. – Im Westen sind die Vorbereitungen schon weit gediehen, es sind viele Hunderttausend Mann angesammelt. 16./17. 11. 1939  : Die neue Verhaftungswelle hat angeblich auch stark die Geistlichen ergriffen. Neben Weinbacher auch den Jesuiten Bichlmaier,467 den Propst Wildenauer und den Pater Esser von der Peterskirche, alle angeblich wegen legitimistischer Treiberei. Unverständlich  ! – Der Friedensschritt des belgischen Königs468 und der holländischen Kö-

464 Friedrich Wimmer (1897–1965). 465 Otto Huber (1876–1949). 466 Isabella Pernter (1892–1976). 467 Im Typoskript  : Sichlmayer. 468 Leopold III. (1901–1983).

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nigin469 wurde formell durch eine mündliche Message Ribbentrops an die Berliner Gesandten470 beantwortet, wonach mit Rücksicht auf die Antworten des englischen Königs471 und des französischen Ministerpräsidenten472 der Friedensschritt als erledigt betrachtet werde. Ich glaube, man hätte eine geschmeidigere und höflichere Form finden können. 18. 11. 1939  : In der Tschechei muß etwas los gewesen sein, angeblich Studentenwirbel, 12 Tote. [Zwischen deutschen und holländischen Flugzeugen wurde über holländischem Gebiet geschossen – diese Minenunfälle fremder Schiffe sonderbar, ob es sich da nicht um Gegenminen handelt, also deutsche an der englischen Küste, englische an der deutschen Küste  ? …] 20. 11. 1939  : Standrecht in Prag, Beraun, Kladno und Horschowitz. Es scheinen noch viel mehr Tote zu sein. – Über Holland und Belgien scheint der Luftraum schon zum Kampfgebiet geworden zu sein. In Basel sind Granaten eingefallen. 21. 11. 1939  : Bei Kienböck. Er weiß wenig, was wirklich vorgeht. Ich brachte ihm offenbar viel Neuigkeiten. Er ist jetzt etwas zuversichtlicher, glaubt auch nicht an eine lange Dauer des Krieges und sieht große Streitereien zwischen den Nazis voraus, mokiert sich über die klägliche Rolle des Glaise und des Streeruwitz, besonders des letzteren. Die tschechischen Hochschulen sind auf 3 Jahre gesperrt. Angeblich sind alle Studenten in 6 Anhaltelager gebracht worden. Das sieht natürlich grauslich aus. 22./23. 11. 1939  : Die geheime Polizei meldet, daß der Täter473 des Münchener Attentates eingebracht sei und gestanden habe. Hinter der Sache habe Strasser474 gestanden, der jetzt aus der Schweiz nach England geflüchtet sei. Zwei Agenten des englischen Geheimdienstes475 seien in Holland gefangen genommen worden und sind jetzt in Deutschland. Die Staatspolizei hat die längste Zeit mit dem englischen Geheimdienst auf einem vom letzteren zur Verfügung gestellten KurzweIlensender verkehrt. – Die Engländer sind durch die Minengeschichten außer Rand und Band geraten. Es scheint der Ver469 Wilhelmina (1880–1962). 470 Jacques Davignon (1887–1965)  ; Hendrik Maurits van Haersma de With (1884–1945). 471 Georg VI. (1895–1952). 472 Édouard Daladier (1884–1970). 473 Georg Elser (1903–1945). 474 Otto Strasser (1897–1974). 475 Richard Henry Stevens (1893–1967)  ; Sigismund Payne Best (1885–1978).

27. 11. 1939

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kehr auf der Ostseite mit Ausnahme der reinen Kriegshäfen ganz unterbunden zu sein. – Colloredo476 erzählte mir heute, sein Rechtsanwalt habe gefunden, daß die legitimistische Bewegung doch kolossal zugenommen habe. Sie ergreife schon die Hälfte der Bevölkerung, die andere Hälfte seien natürlich die Kommunisten. Beneš war nach italienischen Zeitungsmeldungen bei Otto (?).477 Graf Thurn,478 der Schwager Starhembergs, ein Graf Stolberg479 und andere Aristokraten verhaftet. Bourguignon480 meinte dazu, sie hätten sich durch einen englischen Halbjuden fangen lassen. 27. 11. 1939  : Die Engländer sind wirklich in einer üblen Lage, der Minenkrieg hat offenbar eine Panik hervorgerufen. Die Geschichte der Gefangennahme der zwei Agenten des englischen Geheimdienstes ist noch immer reichlich rätselhaft. Sie erfolgte am 9. 11. und der Zusammenhang mit dem am 12. verübten Attentat ist alles eher denn klar. Dabei behauptet ein holländisches amtliches Kommuniqué, daß die zwei Agenten sich in Begleitung eines holländischen Offiziers481 an die Grenze begaben, um über Friedensbedingungen zu verhandeln. Der holländische Offizier scheint dabei von den Deutschen erschossen mitgenommen worden zu sein. Die Engländer wieder dementieren, daß die Agenten Auftrag hatten, ein Friedensangebot zu machen, sondern nur an die Grenze gereist seien, um deutsche Eröffnungen einfach entgegenzunehmen. 28. 11. 1939  : Zwischen Finnen und Russen harte Kämpfe. Die Finnen scheinen sich vor den Russen nicht zu fürchten. Die Nachricht von der Beschießung der Russen durch eine maskierte russische Batterie erscheint mir etwas seltsam und riecht nach einer GPUMache. – Guido Schmidt hat schon ein Auto. Die Nachricht von seinem Bergwerksunfall, die reichlich romantisch klang, wurde mir von Falser als eine von Guido erfundene Nachricht bezeichnet, um sich wieder etwas bei seinen Berliner Freunden herauszuschlagen. Zuerst sei von einem Autounglück gesprochen worden, dann von einer Einfahrt in einen Schacht und jetzt soll es nur ein Bremsberg gewesen sein und der begleitende Ingenieur war gar nicht abgesprungen.

476 Ferdinand Colloredo. 477 Otto Habsburg. 478 Georg Thurn-Valsassina (1900–1967), Schwager von Ernst Rüdiger Starhemberg. 479 Nicht zu eruieren. 480 Im Typoskript  : Bourgoing. 481 Dirk Klop (1906–1939).

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1. 12. 1939  : Der Krieg zwischen Finnland und Rußland ist in vollem Gange. Unsere Zeitungen bringen aber sehr wenig. Schön sieht das gerade nicht aus. Wie sage ich das überhaupt meinem Kinde  ? 7. 12. 1939  : Eckhardt war bei mir. Er ist freiwillig in Disponibilität gegangen. Sagt, unsere Leute hätten gar keine Aussicht, etwas zu werden, geschweige denn hinauszukommen. Auf alle Posten sollen energische jüngere Leute kommen mit schärferer Dynamik. Er sei froh, jetzt gerade abgehen zu können, weil der Eintritt in die Partei wieder frei geworden sei und dem habe er doch entgehen wollen. Außerdem werde der Nichteintritt kontrolliert. Alle Kollegen, mit Ausnahme von Schiffner, seien sehr unzufrieden. Spitzy482 habe den Dienst verlassen, nachdem er sich mit einer Engländerin verlobt hatte, welche Geschichte jetzt wieder auseinandergegangen sei. Trotz glänzender Avancen und Einladungen habe er es abgelehnt, wieder einzutreten. Bei der Salzburger Zusammenkunft habe Ciano erklärt, Italien könne in einem Ernstfalle nicht aktiv teilnehmen, weil nach dem Plan der Alliierten, was man in Berlin schon gewußt, die Alliierten zuerst über Italien herfallen sollten, um es binnen 14 Tagen klein zu machen, und dann vom Süden aus uns anzugreifen. Nach der Erledigung der Polen wollte man über Belgien herfallen. Die Einleitung hätte Ribbentrop geben sollen durch eine Darlegung der verschiedenen Neutralitätsverletzungen durch Belgien. Auch über Holland sollte es hergehen, hier aber nur für den Fall einer Attacke auf England. Das Ganze scheint recht konfus gewesen zu sein und im letzten Moment wurde abgeblasen. Die treibenden Elemente seien Ribbentrop und Himmler, das Militär sei gegen die belgische und holländische Geschichte gewesen, weil eine solche Aktion nach der Ansicht der Militärs alle anderen Neutralen abwendig gemacht hätte, was man dann nicht hätte aushalten können. Der Gedanke, es mit Rußland zu probieren, sei dem Ribbentrop in Salzburg gekommen  ; aus dieser seiner eigenen Idee hätte sich dann ein Fâché483 mit Spanien ergeben. Die Italiener seien daran nicht beteiligt gewesen. In Polen werde weiter gewütet. Die Leute werden zu Hunderttausenden umgebracht. Sch.484 (?) sei darüber ganz unglücklich. Woermann spiele nur eine kleine Rolle, habe jetzt den Habicht bei sich.

482 Reinhard Spitzy (1912–2010). 483 Fâché – Verärgerung. 484 Nicht zu eruieren, Wildner war sich offenbar selbst nicht mehr sicher (daher das Fragezeichen im Text).

8. 12. 1939

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8. 12. 1939  : Der Ton der deutschen Radionachrichten und Kundgebungen gegenüber England wird reichlich ordinär, insbesondere der politische Plauderer Fritzsche ist alles anders denn geistvoll und elegant in seiner eisig sein sollenden Polemik. Er hat übrigens das Organ des Goebbels. 10. 12. 1939  : K.485 erzählt, daß einem Kollegen, einem Major, der im Anhaltelager war, die Oberstleutnantbezüge angeboten wurden, nur müsse er vorher unterschreiben, was, wurde ihm nicht gesagt, worauf er ablehnte. Ein anderer tat es und jetzt besteht seine Obliegenheit darin, über Interna Nachrichten zu liefern. 12. 12. 1939  : M.,486 der jetzt bei der Liquidierung des Prager Außenamtes mithilft, hat hier erzählt, es herrsche dort eine miserable Stimmung, der treibende böse Geist sei der Frank,487 man gehe ganz kleinlich vor. Die Tschechen wieder reden und träumen von einer einmal kommenden Bartholomäusnacht. Ein deutscher General selber habe gemeint, man werde nur 1 ½ Jahre im Lande bleiben können. – Inama war einige Tage in München, erzählt, die Stimmung sei stark antinazistisch, aber die Hoffnungen der Legitimisten seien lächerlich. Der Krieg habe die innere Disziplin doch wieder erstehen lassen. Die in Wien und Tirol ausgehobenen Geiseln seien zum größten Teil wieder frei, so Max Hohenberg, in Innsbruck Schumacher, der Amtsdirektor Fabricius, zwei Generäle und andere. In der Musterschule für Mädchen in der Boerhaavegasse seien zwei Lehrerinnen Eiferinnen. Über die Rolle der Jesuiten im Dreißigjährigen Krieg hatten die Mädchen kürzlich eine Arbeit zu liefern. Die junge Schmitz488 habe sich ziemlich herauszudrehen versucht, worauf sie von der Lehrerin aufgefordert wurde, zu sagen, ob sie für oder gegen die Jesuiten sei. Sie sagte nichts und die ganze Schule nahm gegen die Lehrerin Stellung. Anekdote  : HitIer fühlt sich unwohl. Der maßgebende Arzt untersucht ihn, schüttelt den Kopf und sagt  : »Merkwürdig, es ist aber doch so. Also Sie sind in anderen Umständen.« »Ja um Gottes Willen, was ist los  ?« »Im Frühjahr haben wir ein kleines Deutschland.«

485 Karl Wildner. 486 Nicht zu eruieren. 487 Karl Hermann Frank. 488 Elisabeth Maria Schmitz (1923–1984) oder Martha Maria Schmitz (1926–1989).

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15. 12. 1939  : Colloredo489 hatte ein Gespräch mit van der Elst, der in Berlin gewesen war. Man rechnet im Frühjahr bestimmt mit der Fortsetzung des Krieges auf belgischem und holländischem Gebiet. Der Krieg werde im Juni zu Ende sein. Darüber werden schon Wetten abgeschlossen. 20. 12. 1939  : Weihnachtsfahrt nach Reichenberg. Geringer Verkehr. Über Schlesien mit über 12 Stunden Fahrtdauer. 21. 12. 1939  : In den sudetendeutschen Schulen ist das Singen der Lieder »Stille Nacht« und »Es ist ein Reis entsprungen« verboten worden. In Prag darf überhaupt nicht eine Christmette abgehalten werden. Unheimlich wie rasch sich ein gewisser Proletarisierungsprozeß zeigt. Der Standard in allem, Kleidung, Essen usw. ist wesentlich gesunken, aber dafür von unten offenbar allgemein geworden  ; in diesem Sinne kann man von Hebung des Standards sprechen. Von Henlein wird nicht viel Aufhebens gemacht, der scheint sich keiner besonderen Wertschätzung zu erfreuen. 23. 12. 1939  : Zufrieden und gut aufgelegt ist niemand von den Leuten hier. Alles hofft, daß der Krieg sehr bald, spätestens im Sommer, zu Ende sein werde. 24. 12. 1939  : Trotz des Schulverbotes ist bei der Christmette überall »Stille Nacht usw.« gesungen worden. Durch das Kirchenblatt waren die Kirchenbesucher aufgefordert worden, während der Mette das Lied »Stille Nacht, Heilige Nacht« recht kräftig mitzusingen. Übrigens hörten wir dann den Radiobericht über den Besuch des Generals Brauchitsch bei einer Feldformation, wo von den Soldaten als Einleitung ebenfalls das Lied »Stille Nacht, Heilige Nacht« gesungen wurde und nachher nicht das Lied »O Tannenbaum«, das von oben her allein zugelassen werden sollte. 25. 12. 1939  : Man meint hier, daß die Gaueinteilung und -verfassung sich nicht halten werde können. Sie sei unnatürlich und bereite in der Praxis nur Schwierigkeiten. Man werde mit Ausnahme der alten schlesischen Bezirke, die einfach zu Schlesien geschlagen werden dürften, einfach die alte böhmisch-mährische Landeszusammenfassung wieder erstehen lassen. 489 Ferdinand oder Rudolf Colloredo.

30. 12. 1939

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30. 12. 1939  : Auch hier geht der Kampf in der Partei weiter vor sich. Henlein wird nur mehr vom Führer gehalten, die Anbruchleute490 (SS) wollen ihn längst weghaben. Überhaupt sind alle maßgebenden Stellen von Anbruchleuten besetzt. Die kirchenfeindliche Bewegung wird, wenn der Krieg gut ausgeht, wieder ihren Fortgang nehmen, aber noch schärfer als bisher. Die hiesige Ursulinenkirche dürfte die erste katholische Kirche sein, die niedergerissen werden wird. Das Kloster ist längst die Unterkunft einer Gaustelle geworden. In Prag sind 120 Studenten erschossen worden. Die Nachricht von der Erstürmung des Studentenheimes ist wahr, ein Trakt war von Reichswehroffizieren besetzt, die in der Meinung, daß die Tschechen angreifen wollten, zur Abwehr das Feuer eröffnen ließen. Der Erzbischof491 ist in ein Sanatorium, die Kanzler der 3 Bischöfe492 sind verhaftet. Die Tschechen sollen geglaubt haben, daß Sowjetrußland der Tschechoslovakei zu Hilfe kommen werde, sobald Deutschland entsprechend geschwächt sein werde. Der Kampf zwischen der Reichswehr und den Organisationen geht weiter. Die Beziehungen der Reichswehr zu Tuchatschewski sollen von der Gestapo den Russen verraten worden sein, wodurch die Position der Reichswehr geschwächt wurde. Es werden Attentate angezettelt, um zu beweisen, daß Himmler und seine Leute ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind usw. 31. 12. 1939  : In Prag ist die Weihnachtsmette doch in letzter Stunde wieder bewilligt worden, indem sich das Ordinariat direkt an die Luftgaubefehlsstelle wandte und von dort sofort die zustimmende Erledigung erhielt. 3. 1. 1940  : Bei Dr. Feistner (Chefredakteur der Reichenberger Zeitung). Gesamteindruck der hiesigen Stimmung  : »Das haben wir uns ganz anders vorgestellt und wenn uns die Tschechen seinerzeit die Autonomie gegeben hätten, würden wir uns später überhaupt nicht mehr gerührt haben und wären sehr zufrieden gewesen.« Die besseren Stellen seien in der Hand von Altreichsdeutschen, die auch ihre Schreibkräfte mitgebracht hätten, die sehr gut seien und besser als die hiesigen bezahlt würden. Höchst unangenehm der Steuerdruck  ; die jungen Elemente drängten sich weiter vor. Henlein ein abgetaner Mann. In Gablonz, dessen Export ganz darniederliegt, dürfe er sich gar nicht mehr zeigen. Kreisleiter Porsche, ein ungebildeter Fabrikenausschläch­ter. Der Krieg werde nicht länger als ein Jahr dauern, jetzt koste er 36 Millionen täg490 Von Heinrich Wildner irrtümlich verwendeter oder in der Transkription falsch übertragener Begriff, gemeint sind die sogenannten »Aufbruchleute«. 491 Karel Kašpar Boromejský (1870–1941). 492 Nicht zu eruieren.

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lich. Man rechne mit baldiger Eröffnung einer Offensive auf 100 km Breite. Auch gegenüber Holland sei die Grenze voll mit Militär gestopft, auch von einer Landung in England werde gesprochen, Tausende von Offizieren hätten sich schon freiwillig dafür gemeldet. 5. 1. 1940  : In der Sudetendeutschen Bücherei das Weißbuch gelesen. Es gibt keinen besonderen Eindruck von Weizsäcker. Ein merkwürdig militärischer, aber beinahe salopper Stil. – Die hiesige Kreuzkirche wollten die Tschechen für ihre Hussitische Kirche haben, das ist aber noch abgewehrt worden. [6. 1. 1940  : Nichts Besonderes – es scheint wieder aktiver in der Politik zu werden – gegenüber Holland scheinen wir wieder vorzugehen.] 8. 1. 1940  : Rückfahrt. 9. 1. 1940  : Mit Ungarn scheint wieder etwas los zu sein. Csáky ist wieder zu Ciano gefahren. Die deutschen Truppen, die an der ungarischen Grenze waren, gehen wieder zurück. Angeblich hatten wir etwas vorgehabt. Die Ungarn sollen aber sehr bald daraufgekommen sein und die Verschwörung sei im Keime erstickt worden. 10. 1. 1940  : Wurzian erzählt, daß die Russen eine fürchterliche Blamage im finnischen Konflikt davongetragen haben, ganze Divisionen seien vernichtet, die italienischen Flieger fügten den Russen enormen Schaden zu, die Hälfte der russischen Bomben krepiere, alles offenbar nach Berichten des »Corriere della Sera«. H.493 wieder behauptet, daß die Vorbereitungen für eine militärische Landung in England im großen Stile vor sich gehen, sogar Maultiere werden beschafft. Das hat übrigens gestern ein Offizier, der mit mir nach Österreich fuhr, behauptet. 11. 1. 1940  : Generalkonsul Fischerauer ist plötzlich im Auswärtigen Amt weggeschickt worden unter Bezugnahme auf die ihm schon mündlich gemachte Eröffnung, daß er zur Disposition gestellt werde, wovon er aber bisher nichts erfahren hatte. – In Polen werden nur verläßliche Pg.’s angestellt, das Militär habe wenig zu sagen. Es regiert 493 Hans Wildner senior.

12. 1. 1940

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die SS und Gestapo. – Hier hat es eine Palastrevolte der Pg.’s gegeben, die mit der Altreichsführung angeblich nicht zufrieden waren. Sie wurde im Keime erstickt, viele Verhaftungen. Ein besonderer Kommissär erklärte dann, die Parteidisziplin müsse unter allen Umständen, komme, was da wolle, aufrechterhalten werden. [In der Mädchenmittelschule, die Hedi494 besucht, ist der Unterricht in Englisch und Französisch eingestellt worden, angeblich soll jetzt Italienisch drankommen.] 12. 1. 1940  : Mein Zahnarzt meinte heute, die Pifkes hätten ein besonderes Talent, sich unbeliebt zu machen. Die Leute hier hätten ihnen die Herzen auf dem Tablett entgegengetragen und jetzt säßen diese Leute mit brummenden Schädeln da und schrien ihre ohnmächtige Wut in die Welt hinaus. – Der Personenverkehr auf den Eisenbahnen ist wieder beschränkt worden. Sonntagrückfahrkarten aufgehoben. Dabei erscheint am selben Tag eine Veröffentlichung der Eisenbahnverwaltung, wonach das Verzeichnis der Sonntagsonderfahrkarten eben erschienen ist. 13. 1. 1940  : Die fremden Zeitungen bringen weitere Nachrichten über die Niederlagen der Russen. Die Finnen schätzen angeblich ihren Materialgewinn auf ½ Milliarde finn. Mark. Der russische Kommissär für das Luftfahrtwesen, Kaganowitsch, abgesetzt. 16. 1. 1940  : Beim Lesen der »Gedanken und Erinnerungen« von Bismarck495 kann man darauf kommen, daß Bismarck seit jeher zur Macht und zur Erreichung einer großen Stellung hinstrebte und dies auf dem Wege über die Diplomatie zu erreichen trachtete. Sein Eintreten für die absoluten Rechte des Königs, sein Versuch, die Bauern aufzuwiegeln, sind Parallelen zu dem, was die Heimwehrführer bei uns probiert hatten, um sich in den Sattel zu setzen. 17. 1. 1940  : Bourguignon496, aus Jugoslavien zurückgekehrt, erzählt, daß man dort an Befestigungen an unserer Grenze baue. In Syrien seien schon im November etwa 300.000 Inder gestanden, und würden die ganzen französischen Kolonialtruppen dort zusammenge-

494 Hedwig Wildner, Tochter von Clemens Wildner. 495 Otto von Bismarck (1815–1898), »Gedanken und Erinnerungen« – Titel der Autobiografie von Otto von Bismarck, die er nach seiner Amtszeit als Reichskanzler (1871–1890) verfasste. Die ersten beiden Bände wurden nach seinem Tod am 30. Juli 1898 veröffentlicht. Der dritte Band wurde 1919/1921 gegen den Widerstand der Familie publiziert. 496 Im Typoskript  : Bourgoing.

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zogen. Der Krieg gehe um das Petroleum. – Breza, der in Krakau mit einer amtlichen Expertise beschäftigt war, erzählt, daß Frank497 sehr unzufrieden sei und zurücktreten wollte, weil noch keine Entscheidung über das Schicksal Polens gefallen sei und weil ihm die Art, wie Polen für Deutschland ausgenützt werde, wider den Strich gehe. Berlin habe sich die Entscheidung in allem vorbehalten, dulde auch keine selbständige Politik des Gouvernements und sei sich über die Zukunft noch nicht klar. SeyßInquart sei auch dort eine Null. – Sizzo-Noris scheint sein Vermögen nach Italien zu bringen, bekommt aber keine erforderlichen Gegenvaluten aus Italien. Er war kürzlich in Oberitalien und skizziert die Lage folgendermaßen  : Ansehen und Geltung der Partei hat um 50 % abgenommen. Mussolinis Stellung ist die gleiche geblieben. Die Geltung des Königshauses, vor allem des Königs,498 ist um 100 % gestiegen, die des Papstes499 um 500. Mussolini hält sich im Hintergrund, hält auch keine Reden mehr, weil nunmehr jedes seiner Worte ernst genommen werden müsse. Marschall Graziani stehe im höchsten Ansehen. Der Papst sei ungeheuer beliebt, man erwarte sich noch viel von ihm für die weitere politische Gestaltung der Dinge. Von besonderer Bedeutung das Steigen seines Ansehens in Amerika. Ansonsten die Stimmung sehr ernst, aber immer noch Hoffnung, daß man sich aus dem Kriege heraushalten könne, keine Rede von einem Verrat an Deutschland, die Armee sei eben noch nicht fertig, wahrscheinlich erst im Herbst. England sei in allen Kreisen unten durch  ; kein Fremdenverkehr, Bozen und Meran tote Orte. In Südtirol großes finanzielles Durcheinander durch die Aussiedlung. Guarneri soll noch gerade in letzter Stunde die Leitung dieses Geschäftes übernommen haben, das gerade am Zusammenbrechen war. Mussolini soll sich sehr pessimistisch über die Chancen Englands ausgesprochen haben. 18. 1. 1940  : Äußerung Kienböcks zu Ruber über Glaise-Horstenau, wonach Kienböck nach abfälliger Beurteilung Glaise-Horstenaus gesagt haben soll  : »No ja, Charakter hat er natürlich keinen.« Ruber hatte von Glaise gesagt, der war zuerst rosarot, dann schwarz und jetzt braun. 19. 1. 1940  : Die hiesigen Zeitungen bringen immer häufiger Nachrichten über die Pläne, die die Entente für den Siegesfall mit uns vorhat. Preußen, und Deutschland überhaupt, muß zerschlagen werden usw. Gründung von selbständigen Staaten im Süden. Vorderhand sieht es aber nicht so aus, als ob England selbst einen langdauernden Krieg ohne ungeheueren Schaden aushalten könnte. Wenn auch das Konvoisystem sich an497 Hans Michael Frank. 498 Viktor Emanuel III. (1869–1947). 499 Pius XII. (1876–1958).

20. 1. 1940

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scheinend bewährt, so fällt doch auf, daß England zur durchgreifenden Rationierung gezwungen ist. Hore-Belisha hat im Unterhaus erklärt, daß alle die Gerüchte, die über die Gründe seines Rücktrittes bekanntgegeben worden sind, falsch seien. Er sei gegangen, weil er die Demokratisierung des Heeres durchführen wollte. Chamberlain stand daraufhin auf und erklärte, er hätte festgestellt, daß sich aus den großen Qualitäten Hore-Belishas Schwierigkeiten ergeben, die nach seiner Ansicht eine Änderung notwendig machten. Dann sagte er aber, es habe keinen Dissensus zwischen Generalstabschef500 oder Kriegskabinett und Hore-Belisha gegeben, der zu dessen Rücktritt geführt hätte. Da soll man sich auskennen  ! – Die Russen haben aus ihrer Niederlage weitere Folgerungen gezogen. Die Generäle Schdanow, Kommandant des Petersburger Militärbezirkes, der angeblich den raschen Feldzug gegen Finnland befürwortet und darauf gedrängt hatte, Merezkow,501 der mit den Vorbereitungen betraut war und die Operationen in der Landenge geführt hatte, und viele andere sind schon erschossen worden. 20. 1. 1940  : Seit gestern geht der Wiener Sender nicht. Tolle Gerüchte, daß die Militärs die ganze Gewalt in die Hand genommen hätten, Hitler nicht mehr im Besitz der vollen Macht, Angst, daß die Lebensmittelknappheit infolge der Schneefälle noch weiter zunehme. Der hiesige Leiter der Arbeitsfront502 hat in den großen Fabriken Hundertschaften der Partei aufgestellt, Kälte und Schneewehen halten an, beinahe unheimlich. – Bei Kienböck. Er ist jetzt wesentlich optimistischer, glaubt nicht mehr an einen Bolschewismusdurchbruch auch bei uns, glaubt auch nicht an den baldigen Frieden, glaubt aber auch jetzt, daß die Engländer schlecht abschneiden dürften. Im Übrigen meinte er, daß Hitler förmlich in der Versenkung verschwunden sei. Er scheine in einer bösen seelischen Situation zu sein, da entgegen seiner Annahme die Engländer doch in den Krieg getreten seien. Er befinde sich angeblich in ärztlicher Behandlung und stehe unter Beobachtung. Noch nie sei das Geschehen in einem Staate an das Wort eines einzigen Menschen geknüpft gewesen wie jetzt. Da Hitler eben gescheit sei und ein Gewissen habe, sei er eben tief deprimiert. 21. 1. 1940  : Traf Winterstein,503 der wieder in Berlin gewesen war und erzählt, daß alle Bekannten, auch jene in den anderen Ministerien, sich sehr ungemütlich fühlten und einen schweren Stand hätten. 500 Edmund Ironside (1880–1959). 501 Schdanow ist 1948, Merezkow 1968 gestorben. 502 Karl Schneeberger (1899–1971). 503 Paul Winterstein.

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24. 1. 1940  : Gestern bei Peter.504 Er wandelt sich immer mehr, auch seine Frau.505 Der ältere Sohn506 ist als Gefreiter eingerückt und dient als einziger Ostmärker in einem preußischen Grenadierregiment an der Westfront. Sie schlafen auf Stroh in einer geheizten Evangelischen Kirche. Die Bilder Hindenburgs und Hitlers bleiben verschwunden. Auch die Fahne mit dem Hakenkreuz ist nicht mehr zu sehen. – Hammer-Purgstall erzählte gestern, aus der Gmundener Gegend kommend, die meisten Leute dort seien Kommunisten, aber nicht solche im reinen Sinn, sondern nur als Oppositionelle gegen das jetzige Regime. 25. 1. 1940  : Den älteren Colloredo507 getroffen, seine Sache ist noch immer beim alten. Der eigene Forstmeister508 hat sich zum Kommissär bestellen lassen und den Eigentümer ausgeschaltet. – Weitere Nachrichten über Verluste und Niederlagen der Russen. 29. 1. 1940  : Von allen Seiten hört man Äußerungen der Empörung und Verachtung über die letzte Rede des Bürckel. Wurzian und Prinz Fürstenberg bezeichneten sie als die Rede eines Besoffenen. Fürstenberg meinte außerdem, es werde jetzt alles auf eine Karte gesetzt, um für den entscheidenden Schlag verwendet zu werden. 30. 1. 1940  : Immer wieder wird man gefragt, was eigentlich mit den Ungarn los ist und wie es mit den Rumänen steht. Die letzten hiesigen Reden angehört. Immer wieder der präpotente Ton, die Selbstsicherheit und das Ressentiment gegen die früheren Partner, wie Chamberlain und Daladier. Was die beiden gesagt haben, wissen wir nicht, sollen es auch nicht wissen und doch wird davon in den Reden und Zeitungen gesprochen. Warum läßt man da nicht gleich die Freiheit zu  ? – Wie H.509 erzählt, fuhr am vorletzten Samstag ein Marinekamerad mit dem Nachtschnellzug nach Berlin. In Breslau wurden die Passagiere aufgefordert auszusteigen, weil keine Kohle da sei, und den nächsten Personenzug zu benützen. Auf diese Weise kamen die Leute erst nach 24 Stunden nach Berlin. Da klappt offenbar die Organisation nicht, aber auch hier hört Kohle und Koks langsam auf. Wir sollen nunmehr monatlich pro Kopf

504 Franz Josef Peter (1866–1957). 505 Mercedes Peter (1879–1965). 506 Ludwig Peter (1900–1941). 507 Rudolf Colloredo. 508 Nicht zu eruieren. 509 Hans Wildner senior.

5. 2. 1940

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nur 50 kg bekommen und das geschieht, nachdem wir die reichen oberschlesischen Reviere der Polen in die Hände bekommen haben und die tschechischen Bergwerke auch zur Verfügung stehen. Wie die meisten Leute sagen  : »Im ersten Weltkrieg ist es uns besser gegangen, nicht nur in den ersten Monaten.« 5. 2. 1940  : R. [Ruber] erzählte gestern von einem seiner ehem. Mitarbeiter im Innenministerium, der Pg. geworden war, Wolsegger hätte ihm zugeredet, nach Krakau zu kommen. Er wollte anfangs nicht, dann sei er schließlich probeweise hingegangen, habe aber nach 3 Tagen geschaut, wieder weg zu kommen. Er hätte bei dieser Gelegenheit den Eindruck eines fürchterlichen administrativen Durcheinanders erhalten, die eingeteilten Beamten seien ohne wirkliche fachliche Routine und den Anforderungen nicht gewachsen, dazu seien die Lebensverhältnisse schlecht und eine wirkliche Linie und Richtung sei nicht zu sehen. Die dort eingeteilten Ostmärker möchten zu Fuß und barfuß nach Wien zurückgehen. – Dr. Groß,510 Min. Rat, ein großer Nationaler, der zuletzt den Rechnungshof geführt hatte, ist so ziemlich beiseitegestellt. Er war kürzlich in Berlin und soll sich im Reichsministerium des Innern über die Art, wie die Ostmark behandelt werde, beschwert haben, wobei er darauf hingewiesen habe, daß man die Ostmark so behandle wie ein unterworfenes Land. Dieselben Leute, die doch mit einer solchen Begeisterung den Führer empfangen hätten, wovon man sich noch jetzt durch das Anschauen der damaligen Filmaufnahmen überzeugen könne. Daraufhin hätte ihm der Ministerialdirektor Schüttelt bemerkt  : »Das können Sie mir nicht erzählen, denn diese Filmaufnahmen haben Sie ja selbst nur gestellt.« Das spricht Bände  ! 8. 2. 1940  : Wieder wüste Gerüchte. Abstempelung sämtlicher Noten auf den halben Wert schon vorbereitet. Im Dorotheum Griß511 um die Waren, so daß es schließlich geschlossen werden mußte. Große Einberufungen für Feuerwehrdienst gegenüber Luftangriffen. Keine Gaststättenkarte bekommen. 9. 2. 1940  : Längere Unterhaltung mit Kienböck, der sich über die übertriebenen Gerüchte lustig macht und meint, daß wir erst am Anfang der großen Ereignisse und Umwälzungen stehen. Die Welt werde ein ganz anderes Aussehen bekommen. Stimmt mir zu, daß diese Veränderungen auch das innerpolitische Getriebe betreffen werden. An

510 Viktor Groß. 511 Griß – Wiener Dialektausdruck für Nachfrage (man reißt sich um etwas).

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allgemeinen Bolschewismus denkt auch er nicht. Von den Aussichten Ottos512 spricht er mit einem geringschätzigen Lächeln. 10. 2. 1940  : [… der junge Hansi513 ist ein Mann für die neue Zeit, berechnend, auf den eigenen Vorteil ausgehend, an sich besonders denkend.] 11. 2. 1940  : Auf der Pensionistenpromenade im Stadtpark  : Der frühere Finanzminister Neumayer kommt hinzu und erschöpft sich in offener Deferenz514 ohne Hitlergruß. 17. 2. 1940  : Die Presse hat offenbar den Auftrag, gegen die Neutralen scharf zu machen, die auch geistig in ihrer moralischen Haltung gegenüber den Deutschen wirklich neutral sein sollten, was aber nicht der Fall sei. Jetzt scheint Norwegen im Vordergrund zu stehen. Vielleicht fürchtet man in Berlin, daß England in der Besetzung und Kontrolle zuvorkommen will. Den Zwischenfall mit der Verfolgung eines deutschen Handelsschiffes durch englische Zerstörer in norwegischem Territorialgewässer verstehe ich nicht recht, [oder sind die Engländer toll  ? Da muß etwas anderes dahinterstecken.] 18. 2. 1940  : Doch etwas Koks bekommen, Juden sind von der Beteiligung vorläufig ausgeschlossen. – Sizzo-Noris mokiert sich über die hiesigen Zustände, die Stimmung sei miserabel, die Begeisterung sei ganz vorüber, es herrsche eine dumpfe Wut. Die Aussichten seien sehr schlecht, das Verkehrsdebakel sei katastrophal, man habe 2000 Waggons der ungarischen Staatsbahnen einfach zurückgehalten. Ich selbst habe heute zweimal laut schimpfen gehört, daß die Reichen die Butter und die Armen die Margarine essen sollen. Die Journalisten meinen, es werde demnächst etwas mit einem Neutralen, wahrscheinlich Norwegen, geben, dann komme es auch bestimmt auf einen Stoß gegen den Kaukasus und im April zu einer großen Offensive sowohl zu Lande wie auch in der Luft. – Der »Altenmark«515-Zwischenfall wird sonderbar, ja ungeschickt, vom deutschen Nachrichtendienst dargestellt. Es wird fortwährend von einem unbewaffneten Handelsschiff gesprochen und außerdem von Gefangenen. Offenbar hatte das deutsche Schiff von einem deutschen Kriegsschiff Kriegsgefangene und ist deswegen von den Engländern verfolgt worden. 512 Otto Habsburg. 513 Hans Wildner junior. 514 Deferenz – Ehrerweisung. 515 Heinrich Wildner schreibt »Altenmark«, doch das Schiff hieß Altmark.

19. 2. 1940

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19. 2. 1940  : Die »Altenmark« war also, wie heute erklärt wird, wirklich das Tankbegleitschiff des »Grafen Spee« und hatte gegen 200 Gefangene von verschiedenen versenkten Schiffen mit sich. Die Note des deutschen Gesandten in Oslo516 ist nichts weniger als fein diplomatisch gewesen, darauf kann weder er noch die Regierung stolz sein. Auch die andere angezogene Parallele mit der Beschießung von Kopenhagen ist schief. 20. 2. 1940  : Morgenspaziergang mit Kienböck. Ich erinnerte ihn daran, daß Seipel in einem seiner Bücher an die Stellungnahme Kienböcks gegen die Republik erinnert hat. Er wiederholte, daß er Otto517 und das ganze Legitimistengeträume nicht ernst nehmen könne. Von Starhemberg meinte er, er sei sehr begabt und guten Willens gewesen, aber unernst. Starhemberg habe übrigens über Kienböck Erkundigungen eingezogen, ob er nicht jüdischer Abstammung sei. – Knaffl meinte heute, die Geschichte werde viel ernster werden als man hier glaube, vor allem werde uns der Luftkrieg nicht erspart bleiben. 22. 2. 1940  : Im Staatsarchiv Mitis getroffen. Er machte Glossen über Seipel, der ihn schlecht behandelt habe, weil er offenbar erfahren hatte, daß er, Mitis, eine vom damaligen Präsidium angeregte Adresse, mit der dem Kanzler das Vertrauen der Beamtenschaft ausgedrückt werden sollte, beanstandet habe, worauf, weil dies offenbar auch andere Beamte getan hatten, die Anregung wieder in der Versenkung verschwand. Ich habe seinerzeit nichts davon gehört. Nachmittag den Redakteur Kramer getroffen, er war bei Ludwig gewesen, der sein früheres Aussehen bewahrt hat, aber schon innerlich sehr zermürbt sein soll. Dazu ist seine Frau518 kürzlich von ihrem Hund in die Nase gebissen worden. Er erzählt, daß Bürgermeister Neubacher schon lange beurlaubt und gegenwärtig für wirtschaftspolitische Dinge der Gesandtschaft in Bukarest zugeteilt ist. Offenbar hat er von seinem Posten weggestrebt, der ihm ja nur Enttäuschungen brachte. Diese Enttäuschung griff aber auch bei vielen anderen Leuten durch. Sie hatten sich bei der ganzen Befreiung nur eine Machtänderung vorgestellt und jetzt gelangten die besseren Posten, auf die es ja unsere Nazis zum größten Teil abgesehen hatten, in die Hände von Altreichsdeutschen, sogar die Leitung von Polizeiämtern sei zum größten Teil Polizeioffizieren aus dem Reich, also nicht nur Juristen überantwortet worden. Die Judenhäuser seien noch immer nicht allgemein zum Verkauf freigegeben worden, weil angeblich das Auswärtige Amt Einspruch erhoben 516 Curt Bräuer (1889–1969). 517 Otto Habsburg. 518 Marianne Ludwig (1885–1969).

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habe. Dies wegen Reklamationen aus dem Ausland, die gegebenenfalls Gegenmaßnahmen auslösen würden. Das sind offenbar die vielen Juden, die inzwischen die amerikanische Staatsangehörigkeit erworben haben. – Mit Ruber zusammen, sieht sehr schwarz, wer nicht  ? Der Verkehr auf der Straßenbahn wird wesentlich eingeschränkt, es wird aber nicht gesagt, warum, offenbar wegen der vielen Einberufungen. – Mit Ungarn muß noch immer etwas los sein. Sie sehen offenbar ein, daß sie auch unter einen Schutz flüchten müssen und scheinen den italienischen vorzuziehen. 26. 2. 1940  : Im »Pesti Hirlap« eine Havasmeldung, daß wieder englische Flugzeuge über Prag und Wien gewesen seien. 27./28. 2. 1940  : Traf gestern den Baron Veitschberger, der doch seinerzeit als Mann von Verbindungen mit der kaiserlichen Familie galt. Er sah wesentlich besser gekleidet aus gegenüber früher und erzählte mit Stolz, daß er im Auftrag von Berliner Stellen in der Schweiz und auf dem Balkan wegen Abdeckung der Clearingspitzen verhandle und zur Zufriedenheit seiner Auftraggeber schöne Erfolge erziele. So etwas geht doch nicht unter  ! Bei der Begrüßung hatte er sich bei mir teilnahmsvoll erkundigt, ob ich eine Pension bekomme. Die Schweiz sei sehr stark gerüstet, erzählte er, die unmittelbar und mittelbar an der Grenze liegenden Kantone seien durch Straßensperren usw. verbarrikadiert. Der Schweizer Bundespräsident519 habe ihm gegenüber dies als eine traurige Notwendigkeit bezeichnet, denn man müsse auf alle Eventualitäten, auch die des Zufalles und des Augenblicks gefaßt sein und sich demgemäß einstellen. – Frieberger wieder einmal getroffen, er bekommt jetzt wenigstens die halbe Pension. Die Anschuldigungen des Journalisten Wabinger hatte er durch einen Brief an Neurath, der ihm postwendend geantwortet hatte, abwehren können. Dafür hatte ihn dann seine eigene Sekretärin mit lügnerischen Behauptungen über seine Rolle gegenüber Rintelen stark belastet. Dagegen kämpft er jetzt u. a. mit dem Hinweis an, daß dieses Frauenzimmer, die ihm ihre ganze Existenz verdankt, schon einmal im Irrenhaus gewesen ist. – Die Rede, die Chamberlain in Birmingham gehalten hat, ist schon etwas schwächer. Jetzt will er nur die Wiederaufrichtung der Tschechei und Polens als selbständige Staaten und daß wir den ersten Schritt dazu machen. Den Russen gegenüber wurde er ziemlich grob. Im Norden habe ein Lehrling, weil die polnische Sache so leicht erledigt war, es nachmachen wollen. Dieser Lehrling aber, der zwar an Brutalität seinem Meister nichts nachgebe, habe von ihm noch nicht die Kunst erlernt, noch die Stärke erworben, die jener an den Tag gelegt hat. 519 Marcel Pilet-Golaz (1889–1958).

4./5. 3. 1940

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4./5. 3. 1940  : Die Bäcker haben den Auftrag bekommen, sich für 3 Monate mit Mehl einzudecken als eiserner Vorrat. Bei einer Kunstauktion zugeschaut. Sehr lebhaft, besonders die Barockmöbel und Bilder. Bieter und Käufer natürlich die deutschen Brüder. Wie jetzt die Leute hier sagen, seien sie das, was früher die Juden waren. Alles, was gut und schön ist in Wohnungen, Restaurants, Geschäften, Industrie, Ämtern, überall sitzen sie. Dazu meinte gestern B.:520 »Das ist deswegen, weil die hiesigen Nazis eben unfähig sind und nichts taugen.« 8. 3. 1940  : In den Provinzzeitungen las ich einen Artikel des Schriftstellers Strobl über die Gemeinheit der Engländer, die sich in den schönen Zeiten der Jonischen Republik gerne bereitfanden, dem von der Bevölkerung von Parga gestellten Ersuchen, ihr Gebiet unter englischen Schutz zu nehmen, zu willfahren, dann aber kaltblütig sie den Türken überließen, die dann an der Bevölkerung Rache nahmen. Und nichts anderes ist doch jetzt von Berlin aus gegenüber der Ukraine geschehen, nachdem noch bis vor wenigen Monaten der Wiener Sender mehrmals am Tage die Ukrainer gegen die Russen und die Tschechen aufhetzte, auch eigentlich gegen die Polen, und großartige ukrainische Gegenorganisationen im Reiche erhalten wurden, und jetzt  ? 9. 3. 1940  : Was bedeutet die Ribbentropreise  ? Die Italiener werden ja doch nicht losgehen wollen. Die Italiener sollen übrigens uns gegenüber schon 3 Verteidigungslinien aufgeführt haben. 10./11. 3. 1940  : Es scheint doch stark verhandelt zu werden, vor allem über Frieden zwischen Finnland und Rußland  ; Schweden und Deutschland beteiligen sich daran. Ribbentrop soll morgen zum Papst521 gehen. Die Kohlenfrage spielt natürlich eine große Rolle bei der Unterhaltung mit Ciano, deswegen ist auch Clodius mitgefahren. – Otto522 und sein Onkel Parma523 waren vorige Woche beim Präsidenten Roosevelt zum Tee, durch den Botschafter Bullitt eingeführt. – Es sollen doch englische Flieger hier gewesen sein, angeblich wurde sogar in Simmering auf sie geschossen. Sie sollen über einem Bahnhof Zettel abgeworfen und avisiert haben, daß sie es über einem Bahnhof tun. In die Luftschutzmaschinerie ist auf einmal ein schärferer Zug gekommen. 520 Nicht zu eruieren. 521 Pius XII. (1876–1958). 522 Otto Habsburg. 523 Felix Bourbon-Parma.

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Ribbentrop hat jugoslavischen Journalisten gegenüber von einem baldigen Frieden gesprochen. 17. 3. 1940  : Was bedeutet die Zusammenkunft Hitler und Mussolini am Brenner  ? Wir haben sie offenbar angeregt und auch offenbar etwas gewollt. Oder sollte es nur einen Bluff darstellen  ? Die englische Politik ist wirklich nicht berühmt, so ungeschickt und so konfus, dabei so überheblich, was eigentlich ein Zeichen innerer Schwäche wäre. 20. 3. 1940  : Eckhardt bei mir, hat Verschiedenes von Berliner Durchreisenden gehört. Die Brenner Zusammenkunft scheint‹ doch im Zusammenhang mit der Sumner Welles Mission zu stehen. Man wollte einerseits wieder einmal das Berliner Programm festlegen und dazu den Italiener zu bewegen trachten. Im Auswärtigen Amt wird weiter »gestierlt«.524 Drei Bekannte von Eckhardt sind gegangen worden, weil sie sich in Gesprächen mit zu ihnen gesandten Leuten nicht unbedingt siegfriedenssicher ausgesprochen haben, darunter der Kabinettchef des Ribbentrop, der gemeint hatte, über den Sieg gibt es keine Frage, aber es wird länger dauern als man gemeiniglich glaubt. Hewel wird als Obermacher bezeichnet und soll bei Hitler sehr stark in Gunst stehen, weswegen Ribbentrop ihm gegenüber zahm ist. Ribbentrop hat sein Büro erhalten, das nach Ländern und Materien eingeteilt ist, und besitzt nun gewisse Schlüsselposten und schiebt seine Leute als Verbindungsmänner hinein. Letztere gelten überhaupt als Überwachungsorgane. Eckhardt war mit Stein zusammen, der sich ganz gewandelt hat, von dem früheren System ganz anders redet und auch sonst. Offenbar hat er einen ordentlichen Tritt bekommen. 22. 3. 1940  : Die Engländer triumphieren nach unseren Zeitungen immer noch über den großartigen Erfolg ihres Überfalles auf Sylt, wozu wir behaupten, daß gar nichts geschehen sei. Heute hat Berlin nur zugegeben, daß der obere Teil des Krankenhauses des Fliegerhorstes durchgeschlagen worden sei. Da soll man sich auskennen  ! Heute erzählt einer auf der Straße, 14 deutsche Flieger seien im Himmel angekommen, der heilige Petrus habe aber nur 4 hereingelassen, weil der Heeresbericht auch nur von 4 Abschüssen spreche. 25. 3. 1940  : Spaziergang mit Ruber  ; er kann auch nicht an die Berichte glauben, meint, daß die meisten Leute sie auch nicht für wahr halten, auch in Sylt scheine die Sache nicht so 524 Gestierlt – Der Wiener Dialektausdruck »stierln« bedeutet umrühren, stochern, bohren.

26. 3. 1940

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gewesen zu sein, denn die Engländer hätten verdammt wenig Verluste gehabt. Abends las ich in der italienischen Zeitung den englischen Bericht, der, gestützt auf die Berichte der einzelnen Flugzeugführer und die Berichte der dänischen Beobachter, von vielen Bränden spricht. 200 Bomben seien von den 50 Flugzeugen abgeworfen worden. Trotzdem glaube ich aber doch, daß auch die Engländer nicht besonders gut abschneiden. – Urbas ist ständig als politischer Redakteur beim »Tagblatt« angestellt, er meinte, sich förmlich entschuldigend, daß er von der Luft nicht leben könne. Er glaubt nicht an eine große Landoffensive auf die Maginotlinie, das Risiko sei doch zu groß, trotz der formidablesten Artillerievorbereitung. Wenn etwas schief gehe, würde es die schrecklichsten Folgen haben, denn einen Rückschlag könne Deutschland nicht vertragen. Die Position der Engländer sei schlecht, sie kämen gegen unsere dynamische Politik und die der Russen und Italiener nicht auf. Sobald man vernommen hatte, daß das englische Expeditionsheer bereit war und daß die Engländer auf jeden Fall losgehen wollten, sei in ein paar Tagen der Frieden Rußland-Finnland abgeschlossen worden. Jetzt werde eine analoge Geschichte für den Südosten, eine Abriegelung gegenüber den Engländern, vorbereitet. Es hätten sich Molotow, Ciano und Ribbentrop hier treffen und eine gemeinsame Erklärung abgeben sollen. Da scheine aber in den letzten 48 Stunden etwas dazwischen gekommen zu sein. Im Protektorat sei es wieder unruhig, in der vorigen Woche seien wieder Mordattentate auf SS-Leute in der Gegend von Taus erfolgt. – Othmar Attems, der hier bei der Polizei und beim Reichsstatthalter beschäftigt war und dann nach Prag zu Burgsdorff ging, ist nach Italien zurück und italienischer Staatsangehöriger geworden. 26. 3. 1940  : In italienischen Zeitungen wird die Meldung Pariser Blätter wiedergegeben, wonach Molotow nach Berlin kommen sollte, und ein Dementi der Russen, daß an dieser Nachricht nichts wahr sei, auch nicht, daß Molotow in eine andere Stadt Deutschlands oder der Westukraine kommen werde. Da ist also doch etwas daneben gegangen. 29. 3. 1940  : Die Engländer scheinen sich in der Syltsache doch blamiert zu haben. Ein Fliegerkommandant525 hat wegen unwahrer Berichterstattung Selbstmord begangen. Die »Daily Mail« schreibt dazu, daß so etwas schon mehrfach vorher geschehen sei. 30. 3. 1940  : D. [Duda] erzählt, daß die Norweger ein deutsches Unterseeboot entwaffnet haben und daß die Amerikaner den Alliierten Kriegsmaterial im Werte von 1 Milliarde zu525 Nicht zu eruieren.

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billigen. Das wäre wieder der Anfang der Entwicklung, die wir im Weltkrieg gesehen haben. 31. 3. 1940  : Die eben veröffentlichten polnischen diplomatischen Dokumente sind ein Mordstreffer für die deutsche Propaganda. 1. 4. 1940  : K.526 erzählt mir, daß er als Generalstabsoffizier einer Kampfdivision zugeteilt werden soll. Dabei der sonderbare Umstand, daß ein Rittmeister527 der Division hier ist und einen solchen Offizier sucht, als der ihm eben gerade K. namhaft gemacht worden ist. Dabei ist K. nichts weniger als frontdiensttauglich. 3. 4. 1940  : Witz  : Chamberlain, Churchill und Daladier treffen sich am Morgen schlecht gelaunt, haben schlecht geschlafen und böse Träume gehabt. Chamberlain  : »Mir hat geträumt, daß ganz London durch einen deutschen Angriff zerstört worden ist.« Churchill  : »Das ist gar nichts, mir hat geträumt, daß die ganze englische Flotte zugrunde gegangen ist.« Daladier  : »Aber gar nichts, mir hat geträumt, wir sind alle drei vor der Reichskanzlei gestanden und haben gerufen  : ›Wir wollen unseren Führer sehen  !‹«. 5. 4. 1940  : Die Wintersaaten stehen bei uns schlecht, das meiste ist zugrunde gegangen. Da die Felder morastig sind, muß auch mit Neubestellung zugewartet werden. 8. 4. 1940  : Mussolini hat gestern in Orvieto erklärt  : »Die Ereignisse, die wir durchleben, sind von grandiosem Ausmaß, aber wir glauben, ihnen gewachsen zu sein, was uns auch dieses Spätfrühjahr bringen mag.« Er glaubt also auch daran, daß es in einigen Wochen losgehen wird, aber wo  ? Und Chamberlain hat wieder eine ganz zuversichtliche Rede gehalten, die Zeit arbeite doch für England, die Arbeitslosen, die es habe, seien doch ein Glück, ebenso wie es ein Glück sei, daß England sich im Frieden nicht für den Kriegsfall verausgabt habe, wie es bei den Deutschen der Fall sei. Da bleibt einem doch der Verstand stehen  ! Ich glaube, daß die Franzosen bald darauf kommen werden, daß sie sich durch das Zusammengehen mit den Engländern in eine üble Situation gebracht haben und daß sie eigentlich draufzahlen werden. 526 Karl Wildner. 527 Nicht zu eruieren.

9. 4. 1940

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9. 4. 1940  : Die deutschen Truppen haben Dänemark besetzt und einzelne Punkte in Norwegen, um den Engländern und Franzosen zuvorzukommen, die das Gleiche, wenigstens für Norwegen, geplant haben. Offenbar hat Berlin das aus Chiffremitteilungen erfahren, das sind die unumstrittenen Unterlagen, von denen das deutsche Kommuniqué spricht. Was werden jetzt die Engländer sagen  : Doch nur, wir sind wieder zu spät gekommen. 10. 4. 1940  : Man ist angeblich den Engländern um 10 Stunden zuvorgekommen. Die Norweger haben sich gewehrt und scheinen sich noch zu wehren. In Oslo sind 2 Kreuzer zugrunde gegangen. Was machen die Engländer und die Franzosen  ? Hiesige Stimmung schlecht. – Bei Peter,528 der unverhohlen räsoniert und behauptet, die anderen täten es auch. Sehr schlecht auf das Regime zu sprechen, wir würden hier nur ausgeplündert. 12. 4. 1940  : Die Engländer scheinen noch immer fassungslos zu sein. Sie werden jedenfalls noch stärker in die Zange genommen werden. Der Zug nach Dänemark und Norwegen ist natürlich deutscherseits längst vorbereitet gewesen. Am 8. sind schon zu Mittag die etwa 100 Schifferfahrzeuge und Marineeinheiten durch das Kattegatt gefahren. Jetzt werden noch rasch weitere Taten gesetzt werden müssen, damit nicht Norwegen eine Verlegenheit werde. Die alte Regierung529 und der König530 haben noch nicht die neue Lage anerkannt. Die italienischen Blätter schreiben jetzt ganz anders und gehen viel offener gegen Frankreich und England los. [13. 4. 1940  : Die Engländer scheinen immer noch nicht zu wissen, was los ist – sie verstricken sich immer – sie hätten längst Frieden machen sollen.] 15. 4. 1940  : Narvik ist vorläufig blockiert und überhaupt muß Norwegen schrittweise erst besetzt werden, inzwischen dürften die andern auch schon Truppen irgendwie gelandet haben.

528 Franz Josef Peter (1866–1957). 529 Kabinett Johan Nygaardsvold (1879–1952), März 1935 bis April 1945, April 1940 Flucht ins Exil nach Großbritannien. 530 Haakon VII. (1872–1957).

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16. 4. 1940  : Roessler getroffen, der sehr pessimistisch tut, Norwegen bringe uns nur Unglück, die Dinge gingen dort sehr schlecht. Ich konnte mich nicht enthalten zu sagen, daß es England noch schlechter gehe. Der frühere Minister Winterstein531 ist im KZ gestorben. 18. 4. 1940  : In Narvik scheint es der deutschen Kriegsmarine sehr schlecht gegangen zu sein. Von den Kreuzern ist nichts übriggeblieben. Berlin gibt jetzt zu, daß die Engländer eine Landung durchgeführt haben. 19. 4. 1940  : Mit Oberst Klinger zusammen, der mit den Mautner-Markhof’s verschwägert ist. Erzählt, daß die Schoellerleute532 die Aktienmehrheit von Schwechat dem Mautner abjagen wollten. Im Zuge dieser Operation seien die beiden Geschäftsinhaber von Mautner533 in Schutzhaft gekommen, seien aber jetzt wieder freigekommen und hätten das Geschäft nach wie vor in der Hand. 22. 4. 1940  : Was jetzt herumgelogen wird in den sogenannten Heeresberichten, da soll sich jemand auskennen. 24. 4. 1940  : Die Norweger wehren sich weiter. 25. 4. 1940  : An der Hand italienischer Zeitungen mich über die Lage in Norwegen unterrichtet. Es scheint doch eine Zeitlang übel ausgesehen zu haben. 26. 4. 1940  : Wurzian erzählt, der frühere Unterstaatssekretär Pflügl habe ihn aufgesucht. Wie dieser Betontnationale jetzt über die Zustände in der inneren Politik und die Wirtschaft bei der Partei spreche. Der hiesige Klüngel sei bestrebt, alles in der Hand zu behalten. Bürckel tue da mit, man könne von hier aus in Berlin und Berlin selbst eigentlich gegen diese Leute nichts ausrichten. Er selbst müsse wegen seiner Intervention für die neue Besetzung des leitenden Postens bei der Danubia, an welchen 531 Robert Winterstein (1874–1940). 532 Philipp Schoeller (1892–1977) und Richard Schoeller (1871–1950). 533 Georg Heinrich Mautner-Markhof (1904–1982)  ; Manfred Mautner-Markhof (1903–1981).

28. 4. 1940

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Posten sich ein nicht passender kleiner Parteimann herandränge, ein Einschreiten der Gestapo gegen sich selbst befürchten. – Unterhaltung mit Hold-Ferneck der meint, es gehe alles zu schnell, über unsere Kräfte, wir könnten dem nicht nachkommen, dazu der Krieg. Die Südtiroler, die jetzt nach Innsbruck gestopft worden sind, seien schon sehr unzufrieden, weil sie immer noch nicht versorgt werden konnten. Es fehle an freien Bauernstellen. 28. 4. 1940  : Ruber erzählt, daß sein Sohn,534 der bei den Fliegern in Wr. Neustadt dient, gestern nachmittag auf Sonntagurlaub gekommen sei, ganz müde, sie hätten 3 Tage nicht geschlafen, weil in Neustadt Arbeiterunruhen seien. Um 9 Uhr morgens wurde er telegraphisch zurückberufen zusammen mit den anderen hier weilenden Neustädter Soldaten. In Neustadt war vorgestern das Gerücht verbreitet, daß in Wien ebenfalls Unruhen seien, besonders in Favoriten, ja ein förmlicher Aufstand. Mehrere SS-Leute seien umgebracht worden. Ruber Vater bezeichnet das alles als Latrinengerüchte. 30. 4. 1940  : In Norwegen geht es wieder vorwärts. – Ploennies meint, daß in Jugoslavien sich die Kroaten selbständig machen, der Gegensatz komme wieder immer mehr zum Ausdruck und auch die Serben hätten davon genug. 1./3. 5. 1940  : Die Blamage der Engländer in Norwegen scheint vollständig zu sein, denn die etwaigen Erfolge in der Gegend von Narvik können gegenüber dem Debakel bei Trondheim und Åndalsnes nicht zählen. [Jetzt scheint das Mittelmeer dranzukommen, nicht umsonst hat Mussolini von der bedeutungsvollen Zeit des Spätfrühjahres gesprochen – vorgestern in einer Maiandacht in der Universitätskirche – Deutsch gehaltene Litanei, in der gelobt wurde, den katholischen Glauben in Deutschland zu bewahren und von der Verbundenheit mit ihm weder im Dienst noch in der Kameradschaft zu lassen.] 4. 5. 1940  : Immer wieder drängt sich mir der Gedanke auf, warum die Engländer keinen Frieden machen. Die Norweger haben sie jetzt schmählich im Stich gelassen, sie werden es auch noch gegenüber den Franzosen tun müssen. Was haben sie aber jetzt vor  ? [Sie haben gewiß keinen Plan und werden einen neuen Unsinn beginnen.]

534 Igo Ruber (1912–  ?).

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5. 5. 1940  : Was ist am Balkan los  ? In Griechenland und in Sofia scheint eine förmliche Panik zu sein. In Belgrad wird die Bevölkerung zum Verlassen der Stadt aufgefordert. 9./10. 5. 1940  : Einmarsch in Belgien und Holland. Ich glaube, daß auch diesmal die Engländer den Kürzeren ziehen werden. Sie sind innerlich organisatorisch nicht auf der Höhe. 11./12. 5. 1940  : Man weiß nichts Bestimmtes, alle die Nachrichten, die man jetzt erhält, sind offenbar nur Gerüchte. Die Denkmaltafel für den Pater Abel bei der Jesuitenkirche ist weggenommen und angeblich der Erzsammlung zugeführt worden. 13. 5. 1940  : Hier finden die Leute, daß der Vormarsch in Belgien im Jahre 1914 rascher vonstatten gegangen sei als jetzt. In Holland geht es freilich viel schneller und besser zu. Zu denken gibt eine Ansprache des Reichsministers Todt an die Westwallarbeiter, in der sie zu neuer Arbeit aufgerufen werden, und der heutige Heeresbericht, der sagt, daß in Belgien die Divisionen beinahe schon die in Aussicht genommene Ziellinie erreicht hätten. Immerhin bezeichnend, daß Chamberlain in der Regierung geblieben ist. Aber wenn auch England niedergeschlagen wird, ist damit noch nicht gesagt, daß Deutschland alles erreicht hat, denn die Dominien werden den Krieg weiterführen und ebenso wie schon längst das englische Gold zum größten Teil nach Amerika, Kanada, gebracht worden ist, ist es gar nicht ausgeschlossen, daß die englische Regierung auch nach Kanada geht und dort den Krieg gegen Deutschland fortsetzt. Die Franzosen werden es aber wohl nicht lange aushalten können, Gamelin scheint eher ein Zauderer zu sein. Sizzo-Noris meinte heute, Mussolini hätte vollständig abgewirtschaftet, das italienische Volk wolle vom Krieg nichts wissen und der König535 mit dem Heer seien auch dagegen. Ciano soll angeblich auch gegen die Kriegspolitik Mussolinis sein, weil er sich noch weiter halten wolle. Das heutige römische Telegramm, wonach der Duce dreimal in selbstgelenktem Flugzeug die Umgebung von Rom inspiziert habe, ist doch zu läppisch und zeigt nur, zu welch traurigen Propagandamitteln der Duce greifen muß. Die Studenten- und sonstigen Volksdemonstrationen, die jetzt in Italien stattfinden, sind, wie mir vorkommt und auch Sizzo-Noris meint, nicht nur bestellt, sondern etwas dürftig. Gerüchte, daß Washington den Italienern wegen des etwaigen Eintretens in den Krieg sehr ernste Vorhaltungen gemacht haben soll.

535 Viktor Emanuel III. (1869–1947).

15. 5. 1940

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15. 5. 1940  : Die holländische Armee hat kapituliert, die Regierung536 ist nach London. Schön sieht das nicht aus, aber der große Kampf geht weiter. 17. 5. 1940  : Die Offensive in Belgien schreitet jetzt grandios vorwärts. Man möchte es beinahe nicht glauben. 19. 5. 1940  : [Zu Mittag mit Karl,537 der sich bemüht, netter zu sein – auf meine Bemerkung, ich hätte gehört (von Ruber) daß sich etwas mit Rußland tue, meinte er, er hätte Ähnliches gehört.] Ungeheuer die militärischen Erfolge. Es geht beinahe wie in Polen zu. Die Franzosen absolut in der Hinterhand und die Engländer gar. 21. 5. 1940  : Traf im Stadtpark den Min. Rat Pfeifer, der gerade aus Triest gekommen war. Der Hafen ist tot, auch in der Stadt ist kein rechtes wirtschaftliches Leben, trotzdem geht es überall hoch her. Man versteht aber nicht, woher die Leute das Geld zum Wohlleben nehmen. Die Stadt zahlt nichts, alles auf Pump. Große Pläne und große begonnene Arbeiten, weder Baumeister noch Referenten, noch Grundeigentümer haben bisher ein Geld gesehen. Auf den Faschismus wird offen heftig geschimpft. Alles ist korrupt. Wenn man in Rom etwas durchsetzen will, muß man zahlen, und zwar viel. Dafür ist alles möglich. Der gewisse Frigessi538 hat durch viel Geld das Attest eines geduldeten Juden bekommen. Jetzt kann ihm niemand etwas antun. Besonders Ciano soll sich viel Geld machen, er veranstaltet große Feste. Vom letzten wurde erzählt, es habe der Erreichung seiner 1. Milliarde gegolten. Zum Krieg haben die Leute keine rechte Lust, genieren sich aber doch, nachdem sie schon so lange Rache und Krieg geschrien haben. Jetzt wird anscheinend sehr ernst gerüstet. Anfangs Mai sind alle jüdischen Geschäfte und Wohnungen zerstört worden, auch die der Engländer und Franzosen. Auf die neapolitanischen Beamten und Parteileute, die nach Triest zugezogen sind, hat man eine Mordswut, nennt sie nur Ruffiani.539 – Die Operationen im Westen vollziehen sich mit Blitzesschnelle und mit Riesenschritten. Wie soll da der Weygand noch ein Wunder vollbringen  ? Die Nemesis wird die Engländer ereilen. – Hitler wird von Göring als der größte Feldherr bezeichnet, er leite alles,

536 Kabinett Dirk Jan de Geer II (1870–1960), August 1939 bis September 1940 Ministerpräsident. 537 Karl Wildner. 538 Im Typoskript  : Frigyessy. 539 Ruffiani – italienisch für Speichellecker, Zuhälter, Raufbold.

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dirigiere sogar die einzelnen Divisionen, ordne Brückenoperationen an usw. Das geschieht den Generälen recht. 23. 5. 1940  : Im Westen wird also doch die gleiche Taktik des Vorschnellens der Panzerabteilungen und des dann In-die-Zange-Nehmens wie im polnischen Feldzug angewendet, welche Taktik hiesige Militärs für die Verwendung gegenüber den Franzosen als gefährlich hingestellt hatten. 26. 5. 1940  : Immerhin merkwürdig, wie Engländer und Franzosen es versäumen konnten, auf die neue deutsche Taktik nach dem polnischen Feldzug nicht gefaßt zu sein. Sie wehren sich jetzt verzweifelt, aber jetzt wird wieder die Luftwaffe den Erdkampf aufnehmen. 1. 6. 1940  : Kleinwächter bei mir, hat auch davon gehört, daß die Engländer in Hamburg die Ölanlage in Brand geschossen haben und der Brand nicht zu löschen war. Das Gleiche habe ich übrigens auch von Hannover gehört. Deswegen wird wohl der Mineralölverbrauch so streng gedrosselt, Taxi’s auf die Hälfte, Postautos sollen den Verkehr am Sonntag, wenn nicht überhaupt, einstellen. Scharfe Kontrolle der Privatautos. – In Narvik ist die Lage unübersichtlich. – Ein hier weilender Graf Keyserling, Urenkel von Bismarck,540 behauptete kürzlich, daß Bismarck von dem preußischen Offizier nichts wissen wollte und sogar im Testament verboten haben soll, daß sich eine seiner Nachkommen mit einem Offizier verheirate. Prinz Wilhelm,541 der älteste Sohn des deutschen Kronprinzen,542 ist seinen Verwundungen in Kopenhagen erlegen. Der deutsche Kaiser543 will nicht nach Deutschland übersiedeln. Seyß-Inquart wird jetzt seine Nullität in Holland wieder einmal erweisen. – Die Italiener zieren sich noch immer. Hitler hat im Beisein Ribbentrops den italienischen Botschafter544 im Hauptquartier empfangen. 2./7. 6. 1940  : Fußwanderung nach Maria-Zell. Beim Abendessen höre ich, wie an einem Offizierstisch ein Hauptmann behauptet, er gehöre nicht zu denjenigen, die meinten, daß,

540 Otto Bismarck (1815–1898). 541 Prinz Wilhelm (Friedrich Franz Joseph) von Preußen (1906–1940), ist nicht in Kopenhagen, sondern in Nivelles im besetzten Belgien gestorben. 542 Kronprinz Wilhelm (Friedrich Wilhelm Victor August Ernst von Preußen) (1882–1951). 543 Wilhelm II. von Preußen (1859–1941). 544 Dino Alfieri (1886–1966).

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wenn man England besetze, der Krieg aus sei. Die Engländer hätten von Kanada aus verschiedene Vorteile für sich, die uns sehr unangenehm werden könnten. 9. 6. 1940  : Pensionistenspaziergang. Ruber behauptet, daß Berufsmilitärs von den neuen strategischen Operationen nicht entzückt sind. Bei Abbeville habe es einen Rückschlag gegeben. Baronin Seidler545 erzählt, aus München kommend, die Stadt sei vorige Woche von Fliegern beworfen worden, aber nur mit geringem Schaden. – Hier weiterhin große Unzufriedenheit und Mißstimmung. Die richtigen Nazis halten sich darüber auf, daß man Österreich (Ostmark) zerschlagen habe, was sich rächen müsse. Hitler wage nicht, gegen seine Paladine aufzutreten, sei eigentlich schwach. Aber an dem Endsieg sei doch nicht zu zweifeln. Ruber erzählt, Glaise sei wieder bei Kienböck gewesen und habe diesem folgende, im Oberkommando kursierende Anekdote erzählt  : Warum die Engländer die Ostmark nicht mit Einflügen verschonen werden  ? Weil sie die Mißstimmung nicht verderben wollen. (?) 10. 6. 1940  : Am Abend wüster Radiolärm. Ansprache Ribbentrops, merkwürdig farblos. Italien ist also in den Krieg eingetreten. Jetzt fehlt nur, daß der Mussolini selbst den Oberbefehl übernimmt. In einer der letzten Nummern des »Corriere della Sera« las ich einen langen, an erster Stelle untergebrachten Artikel des Pavolini über »La guerra Mussoliniana«, der an der Hand von früheren Aussprüchen Mussolinis nachweist, daß Mussolini die moderne Entwicklung der Kriegführung, ihre Taktik, ihren neuen Geist, ihre neuen Kampfmittel, Auto, Luftkampf, Fallschirmtechnik usw. längst erkannt und seinen Leuten eingehämmert hat. Also, also  ! 11. 6. 1940  : Merkwürdig, wie man den Eintritt Italiens in den Krieg mit großem Gepränge begrüßt hat. Merkwürdige Stilisierung des Hitlertelegramms an Mussolini und an den König.546 Der König führt also richtig nicht den Oberbefehl, sondern tritt in die Reihen der Armee und Mussolini führt den Oberbefehl und hat die bisherigen Kommandanten der Stäbe in ihren Ämtern bestätigt. Die Franzosen werden militärisch und innerpolitisch schon als erledigt bezeichnet. – Min. Rat Duda erzählt mir, daß der ehem. Sektionschef Horicky und der frühere Ersparungskommissär Arbogast Fleisch, ein Vorarlberger, Parteimitglieder geworden sind und letzterer auch aus der Kirche ausgetreten ist. Die verheiratete Tochter Horickys547 soll als Patronenarbei545 Maria Seidler, Ehefrau von Friedrich Johann Seidler. 546 Viktor Emanuel III. (1869–1947). 547 Wahrscheinlich Hertha Horicky (1912–  ?).

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terin in Enzesfeld tätig sein. Sektionschef Aigner, der von Dollfuß doch als wirklicher Nationaler hinausgelehnt wurde, meinte, da bleibe einem die Spucke stecken. – Glaise-Horstenau machte wiederum einen Besuch bei Kienböck. 12. 6. 1940  : Die Italiener haben mit Malta angefangen. 13./15. 6. 1940  : Der Siegesmarsch geht weiter, Paris genommen, offenbar, weil die französische Regierung Angst vor der Beschießung hatte und vor der Entstehung einer neuen Kommune. Verdun teilweise schon eingenommen. Die Maginotlinie scheint durchbrochen zu sein. Die Italiener verhalten sich zögernd. Amerika überlegt doch, ob es nicht mittun sollte. 16. 6. 1940  : Kienböck verriet mir gestern, daß er sich als Hauptmann in der Evidenz des Landsturms für den Mobilisierungsfall gemeldet habe. Der kluge Mann baut vor. Ich will nicht so klug sein. Im Übrigen kommt doch bei ihm der jüdische Einschlag im Gesicht stärker zum Ausdruck. Er erzählte ferner, der belgische Völkerbunddelegierte F.,548 der bei der Nationalbank tätig war, habe ihn Anfang vorigen Jahres besucht und ihm für den Fall seiner Übersiedlung aus Österreich ein gutes Unterkommen in Belgien als sicher in Aussicht gestellt. Kienböck fügte hinzu  : »Davon habe ich nicht mehr Gebrauch machen können.« Von Schuschnigg meinte er diesmal, er sei ein Querkopf gewesen, habe nie eine Sache, ein Problem, ganz gerade aus, unvoreingenommen beurteilen können und sei außerdem ein durchaus schlechter Menschenkenner gewesen. 17. 6. 1940  : Gestern abend hörte ich die vom deutschen Sender an die Franzosen gerichtete Sendung. Ein ausgezeichneter Sprecher, der mit vollendeter Sprachkunst und wie ein Schauspieler auf die Franzosen einhämmerte und darlegte, daß sie nur kapitulieren müßten, sie seien von den Engländern und deren Trabantenministern ins Unglück geführt worden, aber Hitler werde menschlich sein. Heute sprach er wieder, nachdem schon Marschall Pétain als neuer Ministerpräsident die Waffenstreckung angekündigt und um Bekanntgabe der Friedensbedingungen ersucht habe. Reynaud ist nach Amerika im Flugzeug entflohen,549 Metz hat sich eben ergeben und vom Süden 548 Maurice Frère (1890–1970). 549 Nicht richtig  ; Paul Reynaud (1878–1966) stand seit Juli 1940 unter Hausarrest und war danach bis 1945 im KZ Sachsenhausen interniert.

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her ist der Kreis geschlossen. Eines der gräßlichsten Debakel, das die Weltgeschichte je gesehen hat. Und an allem sind doch die Engländer schuld. 18. 6. 1940  : [Die Bedingungen, die Hitler stellen wird, dürften für die Franzosen sehr schwer sein – ich glaube, sie werden nicht nur Elsaß-Lothringen hergeben müssen.] Der Italiener macht keine großen Aktionen. Immerhin scheint es an der griechischen Grenze etwas schärfer zugegangen zu sein als wir bisher aus den Zeitungen erfahren haben. Die Franzosen scheinen übrigens bisher nur die Bekanntgabe der Waffenstillstandsbedingungen verlangt zu haben. 19. 6. 1940  : In der Erklärung, die Hitler kürzlich dem Wiegand über das Verhältnis Deutschlands zu Amerika gegeben hat, hat er sich ausführlich zur Frage der Monroe Doktrin geäußert. Mir kommt vor, daß er zu stark den Amerikanern einreden wollte, was ihr Interesse sei, und das verträgt der andere doch gewöhnlich nicht gut. Die Stimmung in Amerika scheint weiter gegen Deutschland zu gehen und sich zu versteifen. Churchills Rede scheint sehr zuversichtlich gewesen zu sein. Er hält sich dank Amerika und der passiven Haltung Rußlands, wie er sagte, bis zum Winter für sicher. Daß die Russen jetzt das Baltikum ganz einstecken, gefällt natürlich auch nicht. 20. 6. 1940  : Straßburg und Brest in deutscher Hand. [Das Debakel wird immer vollständiger – Hitler hat ganz großartige neue Ordnung vor.] 24. 6. 1940  : Spaziergang mit Kleinwächter. Er hat gehört, daß die Hohenbergs und Colloredos ihre Besitze wegen »volksfeindlichen Benehmens« verloren hätten. General Zehner und Minister Winterstein550 wurden erschossen, ebenso ist Fey mit seiner Familie551 seinerzeit erschossen worden. 25. 6. 1940  : Waffenstillstand mit den Franzosen. Parole  : Krieg bis aufs Messer gegen die Engländer.

550 Robert Winterstein (1874–1940). 551 Emil (1886–1938), Malvine (1892–1938) und Herbert Fey (1918–1938).

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27. 6. 1940  : Die Russen rühren sich immer mehr. In den baltischen Staaten fingen sie an, sozialistische Regierungen einzusetzen, in Bulgarien wurden gestern wegen allgemeiner Streikgefahr alle Versammlungen verboten, so daß nicht einmal die Neuilly-Feier abgehalten werden konnte. Gleichzeitig wurde aber betont, daß das Verhältnis zu Rußland ausgezeichnet sei. Von Ungarn kommen andere Gerüchte, so, daß bereits 2000 Kampfwagen aus Deutschland an die polnisch-russische Grenze disponiert wurden. 28. 6. 1940  : Die Russen sollen in Riga eingerückt sein. Den Rumänen sollen sie ein Ultimatum gestellt haben. Sie verlangen die Rückgabe von Bessarabien und die Abtretung der Bukowina. Andererseits wurden deutscherseits die Jugoslaven in die Zange genommen, um die Abtretung der südlichen Steiermark und eines krainischen Teiles zu erlangen. – Die englischen Flugzeuge richten doch immer mehr Schaden an. Sie fliegen in 7–8000 m Höhe und sind daher von den deutschen Jagdfliegern und Geschützen schwer zu erreichen. Der heutige Heeresbericht gibt erheblichen Schaden zu. 30. 6. 1940  : Durch das Cottage gegangen und mir die von den neuen Würdenträgern, wie Gauleiter Jury, SS-Gruppenführer Kaltenbrunner, General der Flieger Löhr bewohnten Villen angeschaut. Früher, sogar in dem jetzt so sehr verschrieenen System, ist man doch bescheidener gewesen. So muß der Jude herhalten. 2. 7. 1940  : Langes Gespräch mit Min. Rat Rizzi, der mich um Daten, betreffend die seinerzeit österreichischerseits geleisteten Reparationen, befragt hatte. Er hat im Auftrage Berlins Vorarbeiten für die Friedensverhandlungen zu führen. Die Berliner Stellen beziffern die von Deutschland nach dem Weltkrieg geleisteten Reparationen mit 68 Milliarden Goldmark. Die Reparationskommission hatte sie mit 20 Milliarden festgestellt. Das wird eine nette Rechnung für die Franzosen werden. Sie sollen offenbar den Kongo hergeben müssen. Rizzi erzählte, was ich auch von verschiedenen anderen Seiten immer wieder gehört habe, daß die Verwaltung in der neuen Gaueinteilung gar nicht recht funktioniert. In Wien ist sie seit dem Weggang des Regierungspräsidenten B.552 (?) mit seinen Mitarbeitern ganz außer Ordnung geraten und wird immer böser. Die anderen Landesregierungen wirtschaften auch miserabel und das Reich muß fortwährend mit Gold zuschießen. Mit Ausnahme einiger weniger 552 Gemeint ist sehr wahrscheinlich Josef Bürckel, der im April 1940 von Hans Dellbrügge (1902–1982) abgelöst wurde.

3. 7. 1940

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Illegaler, die sich besonders gute Posten gesichert hatten, ist übrigens die Mehrheit der Beamten mit den neuen Bezügen bei der Teuerung schon gar nicht zufrieden. Die neuen Landesgewaltigen hatten sich übrigens vorgestellt, daß sie alle auf Einzelgehälter kommen würden, und jetzt müssen sie damit rechnen, daß sie auf schäbige Posten in kleineren Städten des Altreichs abgeschoben werden. Kurz gesagt herrscht eher ein Zustand der Belämmerung. – Traf gestern den früheren Kabinettsdirektor Grafen Polzer-Hoditz,553 der miserabel aussieht, recht wenig weiß, so z. B. das Schicksal Hohenbergs und Colloredos. Ganz entsetzt war er, als ich die Nachricht wiederholte, wonach man das Archiv von Steenokkerzeel in die Hände bekommen habe, worauf er mit einer gewissen Genugtuung behauptete, er sei aus der Wiesnerpartei schon seit Jahr und Tag ausgetreten. Übrigens habe sich anscheinend für ihn der Göring verwendet. Das hängt offenbar damit zusammen, daß Polzer-Hoditz Beziehungen zur Schloßherrin von Mauterndorf554 hat, wo ich ihn vor wenigen Jahren traf, als er dort zur Gemsenjagd eingeladen war. 3. 7. 1940  : D. [Duda] erzählt, daß die Ungarn durch Grenzzwischenfälle an der russischen Grenze einige Leute verloren haben und ihre Truppen verstärken. – Die Engländer haben jetzt den Irländern eine Garantie angetragen  ; ist doch sonderbar. – Die eben aufgefundenen Dokumente des französischen Generalstabs lassen den Gamelin nicht gerade als wirklich überlegenen Geist erkennen. Dagegen ist Massigli ein klarsehender und vorsichtiger Mann, der sich nicht ein X für ein U aus der Heimat vormachen lassen will. 4. 7. 1940  : Schaute mir im Kino die militärische Wochenrundschau an. Hitler versteht es meisterhaft, sich bei der Filmaufnahme passend zu benehmen, wie übrigens Glaise-Horstenau es schon im Jahre 1936 gesagt hatte, daß er ein vollendeter Schauspieler sei. Wie er im Gespräch mit seinen obersten Generälen sich gibt, deutlich vorspielt, daß die französische Sache erledigt sei, dazu der Fußtritt, wozu alle Zuschauer Beifall klatschen wie im Theater, wie er die Franzosen begrüßt usw. Aber der Mussolini gibt ihm nichts nach, wie er ihm beim Einsteigen in den Kraftwagen den Vortritt lassen will, wie er im Zimmer in München die Augen rollt usw. Beide, Mussolini und Hitler, sehen übrigens sehr angegriffen aus.

553 Im Typoskript teilweise  : Polzer. 554 Elisabeth Epenstein-Mauternburg (1887–1939).

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5./6. 7. 1940  : Es sind wieder große Truppenbewegungen im Gang. Wien und Umgebung werden von den hier befindlichen Truppen geräumt, um für mehrere Panzerdivisionen Platz zu machen, die hier etabliert werden sollen. 8. 7. 1940  : Der englische Überfall auf die französische Flotte ist schon ein Glanzstück dieser Seeräuber und der Erste Lord der Flotte, der Labourabgeordnete Alexander, sagt dazu in einer Rundfunkansprache, nun habe die englische Flotte Gelegenheit gehabt, die französische Flotte zu schlagen. Und die »Daily Mail« nennt das Ganze eine schöne Aktion, die von einem großen Mann befohlen wurde. Der französische Flottenchef Darlan bemerkt dazu, daß die Dankbriefe Churchills an die französische Flotte nicht verlegt worden sind. 11./19. 7. 1940  :555 Auf der Fahrt nach Zeltweg mit einem älteren Herrn zusammen, den ich als Sudetendeutschen ansprach, er war auch ein solcher, pensionierter Eisenbahner, alter Nazi, der jetzt Bürgermeister in einer Gemeinde bei Mistelbach ist. Er meinte, die Leute dort, insbesondere die Bauern, gingen einfach nicht mit und man könne mit ihnen, auch wenn man sich noch so sehr anstrenge, nichts ausrichten. 17. 7. 1940  : Am Hochschwab oben gewesen  ; überall schlechte Stimmung. Die meisten Leute halten Distanz vor Fremden, wenn man aber dann ins Gespräch kommt, machen sie aus ihrer Abneigung gegen das jetzige Regime keinen Hehl. Ein Mitredner stellt sich im Laufe des Gesprächs als Sozialist vor, aus Leoben, und erzählt, wie die Pg.’s nichts weniger als entzückt seien und laut räsonierten. Der Kreisleiter556 sei eben zu einer militärischen Verrichtung abberufen worden, was eigentlich nur der Vorwand gewesen sei, um ihm ärgere Dinge zu ersparen. Korruption und Mißwirtschaft sei viel stärker als früher und das Ganze werde sich nicht so halten können. Alles sei nur »amerikanische Propaganda« und auf den Krieg abgestellt. 19. 7. 1940  : In Bruck557 die Führerrede im Radio angehört, deren Stolz und Selbstsicherheit einem unheimlich wird. Ein Reichsdeutscher, der mit zuhörte, wie nachher erzählt

555 Heinrich Wildner war vom 11. bis 19. Juli 1940 auf einer kleinen Reise. 556 Otto Christandl (1909–1946). 557 Bruck an der Mur.

21. 7. 1940

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wurde, daß Göring Reichsmarschall geworden sei, meinte nur trocken  : »Ach herrje, da wird sich Hermann wieder eine neue Uniform machen lassen müssen.« 21. 7. 1940  : Clem.558 erzählt von englischen Fliegerangriffen in Westdeutschland, die dort sehr ernst zu sein scheinen. In Hamburg und Köln verbringen die Leute jede Nacht einige Stunden in den Kellern. Die Öllager in Hamburg sollen 10 Tage gebrannt haben, auch in Bremen wurden große Verwüstungen angerichtet. 23. 7. 1940  : Die Engländer haben gestern viele Städte in Westdeutschland, darunter auch Kassel, beworfen. Sie fühlen sich also wirklich stärker, geben aber dadurch nur die Handhabe, daß jetzt erst recht der volle Vernichtungskrieg gegen sie begonnen werde. 24./25. 7. 1940  : Die Ungarn scheinen sich jetzt sicher zu fühlen. Sie und die Slovaken sind nach Berlin befohlen worden. 26. 7. 1940  : [Kleinwächter hätte den Posten bei der Elin ohne weiteres bekommen, wäre er nicht Mischling, diese arge Bedenken.] Die Russen sollen doch unfreundlich geworden sein und einen Besuch Ribbentrops abgelehnt haben. Der ehem. Staatssekretär Zerdik meinte heute, die Amerikaner werden bei etwaigen Friedensverhandlungen und überhaupt bei Maßnahmen für eine neue Ordnung sehr entscheidend hineinsprechen. 30. 7. 1940  : Die Verhandlungen über die neue Ordnung im Südosten, früher sagte man Balkan, sind im Gange. Die Slovaken scheinen sich wieder etwas salviert zu haben. Die Forderungen an die Franzosen werden weiter gespannt, so geht wenigstens das Gerede, nicht nur Straßburg, sondern auch Nancy, das jetzt Nanzig heißt. 31. 7. 1940  : Es wimmelt hier von Militär. Große Transporte nach dem Osten, wo schon lange an einer neuen befestigten Linie angeblich gebaut wird.

558 Clemens (Klemens) Wildner.

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2. 8. 1940  : Im Gerede hält man sich darüber auf und macht sich Gedanken, warum die Campagne gegen England noch nicht wirklich im Gange ist. Inzwischen gehen hier die Truppenverschiebungen weiter. 13. 8. 1940  : H. S.559 erzählt  : Gesandter Marek hat doch ¾ der Pension bekommen. Angeblich soll sich Guido Schmidt, der gefragt wurde, für ihn eingesetzt haben. 14. 8. 1940  : Baldur v. Schirach als Reichsstatthalter bedeutet gewiß einen Systemwechsel gegenüber Bürckel, der offensichtlich abgewirtschaftet hatte. Wien soll wieder glänzen. Bürckel, dieser polternde Schwachkopf, war hier nur Gespött geworden. Urbas erzählt, daß Schirach das Schwarzenbergpalais als Wohnung gemietet habe. Das würde also in die Annahme, die ich von Schirach habe, hineinpassen, aber machen wird er das Rennen, wie mir heute vorkommt, doch nicht. 15. 8. 1940  : Schirach bezieht das Ballhauspalais als Amtssitz. Auf einmal geht das und auf einmal ist auch nach den Zeitungen der Ballhausplatz nicht mehr verfemt als Traditionssitz. In der gestrigen Nummer des »Neuen Wiener Tageblattes« ein böser Artikel über Österreich von Manfred Jasser. Urbas meinte dazu, der Adolf Dubsky, der doch selbst seit jeher ein Nazi gewesen sei, habe sich schärfstens gegen Jasser ausgesprochen. Dieser soll Hauptschriftleiter der »Grazer Tagespost« gewesen sein und jetzt zum ersten Mal in Wien. 18. 8. 1940  : Gegen England schonungslose Blockade. Wo bleibt aber der gewisse große Schlag, den alle Welt erwartet hatte  ? Soll das Ziel nur mit bloßer Zermürbung erreicht werden  ? An die Landung glaubt man überhaupt nicht mehr. Unterdessen werden die englischen Flieger immer verwegener, sie waren gestern in Weimar und sollen auch anderswo gewesen sein, worüber unsere Berichte nichts sagen. – Nach der »Deutschen Allgemeinen Zeitung« von heute hat Dr. Frank560 in seiner Eigenschaft als Reichsleiter vor den Pg.’s des Generalgouvernements gesagt, daß in der Entscheidung des Führers, das Generalgouvernement solle künftig nicht mehr als besetzt, somit reichsfremdes Gebiet, sondern als Bestandteil des Großdeutschen Reiches behandelt werden, eine große Verpflichtung liege, für die die hier in diesem Gebiet die 559 Möglicherweise Heinrich Schmid (1888–1968). 560 Hans Michael Frank.

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Hakenkreuzfahne hochzuhalten hätten. »Wir sind in diesem Land und wir werden als Deutsche niemals mehr dieses Land verlassen. Das Hakenkreuz wird über diesem Lande wehen und bleiben bis in die fernste Zukunft.« 20. 8. 1940  : Bei den Autoschlossereien, die sich vor einiger Zeit auf Munitionsherstellung hätten einrichten sollen, was dann abgeblasen wurde, und die sich dann auf die Leunagasverwertung hätten umstellen sollen, wurde dringende Contreorder561 gegeben. Sie müssen jetzt doch die Munitionsherstellung aufnehmen, es gibt keinen Leunakraftstoff. Danach scheint das Gerücht, daß die Leunawerke doch getroffen worden sind, wahr zu sein ebenso wie, daß auch Munitionslager in die Luft gegangen sind. – Redereien über böse Bereicherung der Bonzen. 21./22. 8. 1940  : Clem.562 erzählt diverse Altreichsgeschichten. Zwei Anschläge auf Hitler, einer in Carinhall von einem Zielschützen, ein anderer von einer Nichte des Schleichers.563 Letzteres habe ich auch schon früher gehört. Großer Ausbau der militärischen SS. Große Unruhen in Polen. Wurzian erzählt von Marek, daß es ihm sehr gut gehe, die Frau564 konnte rechtzeitig in ein Schweizer Kloster gebracht werden und die Regelung der Pension hätte ihm der frühere Abgeordnete Langenhan verschafft. 29. 8. 1940  : Die englischen Flieger werden doch schon auch in Berlin unangenehm. Gestern waren sie, wie jetzt zugegeben wird, über Leuna. Auch über Wiener Neustadt wurden sie gesichtet. 30. 8. 1940  : Der Gebietsstreit zwischen Rumänien und Ungarn wurde durch ein hiesiges Schiedsgericht erledigt. Es soll gar nicht gut zugegangen sein. Die Ungarn haben alles verlangt und man war deutscherseits auf sie wütend, was nicht hindert, daß die Ungarn jetzt auch unzufrieden sind. Dafür haben die Ungarn (und auch die Rumänen  ?) ein Durchzugsrecht gewähren müssen. Auch in Breslau und in Hof sind englische Flugzeuge gewesen. Der zweite Angriff auf Berlin war sehr arg. Auch in St. Pölten waren sie. »Auf Befehl des Führers« soll die Luftverteidigung wesentlich verstärkt werden. Die Kasernen haben sich selbst mit Maschinengewehren auszurüsten. 561 Contreorder – einen gegebenen Auftrag (Order) zurücknehmen. 562 Clemens (Klemens) Wildner. 563 Nicht zu eruieren. 564 Hedwig Marek (1881–1964).

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31. 8. 1940  : Nur den Rumänen wurden die Grenzen garantiert, die Ungarn haben es angeblich abgelehnt. Der rumänische Außenminister565 hat gestern hier einen Kollaps erlitten. Beim Empfang im Belvedere ging es drunter und drüber zu. Nach dem Geflügel wurde Salat als besonderer Gang serviert zum Schreck des Dörnberg, der überhaupt seine Ruhe mehrmals verloren und seine Mitarbeiter scharf angefahren haben soll. Die Hälfte der ungarischen Delegation war durch einen Fehler des militärischen Zugeteilten im Hotel vergessen worden. Dann große Streitereien wegen der Tischordnung und der Empfangsreihung. Die jungen Burschen der Partei drängen sich überall vor. Den hiesigen Kommandanten im Wehrkreis566 hatte man ebenso wie den General Löhr bei der Empfangsordnung in die 2. Reihe (wo nicht die Hand gegeben wird) gestellt. General Stülpnagel ließ sich das nicht gefallen, sondern stellte sich von selbst auf den ersten Platz. General Löhr, der ja noch mehr ist, blieb zurück usw. 1. 9. 1940  : Ruber erzählt, daß in Südmähren die Ernte überall sehr schlecht ist. Gleiches wird übrigens von Gutsbesitzern in Pommern behauptet. Der Flugplatz von Wr. Neustadt soll übrigens schon im April von den Engländern demoliert worden sein. – Beim Abgehen Bürckels wurde die hiesige Parteileitung aufgefordert, einen Vorschlag für den Nachfolger zu erstatten. Sie machte 10 Leute auf einer Liste namhaft und dann war jeder von den 10 zu Bürckel gerannt, um für sich Stimmung zu machen und die andern 9 herabzusetzen. Daraufhin wurde Schirach bestellt. Dieser arbeitet sehr stark an der Hebung von Wien, will die Wiener Messe besonders glanzvoll herrichten und eröffnen. Hiezu hat er angeblich auch die Gauleiter der anderen Bundesländer567 eingeladen. Er greift also nach mehr. 2. 9. 1940  : [Ich sehe immer, wie gut es war, daß ich mich von der Fortsetzung des Dienstes fernhalten konnte.] Das Durcheinander und die sonstige Unerquicklichkeit in der Beamtengeschichte werden immer ärger. Baron Stein soll ganz an die Wand gedrückt sein und ist nichts weiter geworden. – Hier sind seit einigen Tagen neue Verstärkungen angekommen, die schon für den Einmarsch nach Ungarn bestimmt waren. Jetzt stehen sie für die Eventualität gegenüber Jugoslavien bereit, das auch Abtretungen vorneh-

565 Mihail Manoilescu (1891–1950). 566 Otto Edwin von Stülpnagel (1878–1948). 567 Gauleiter  : August Eigruber (Oberösterreich), Franz Hofer (Tirol/Vorarlberg), Hugo Jury (Niederösterreich), Wladimir Pawlowski (Kärnten), Tobias Portschy (Burgenland Teil Niederösterreichs und der Steiermark), Friedrich Rainer (Salzburg), Baldur von Schirach (Wien), Siegfried Uiberreither (Steiermark).

5. 9. 1940

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men soll, wie behauptet wird. Schirach arbeitet stark propagandistisch für sich. Die Zeitungen müssen fleißig Berichte über ihn bringen. 5. 9. 1940  : Der Depeschenwechsel zwischen Schirach und den Ministern, welche hier waren, ist richtig veröffentlicht worden. Die Reklame für Schirach geht weiter mit Zeitungsnotizen und Bildern. Heute die Überreichung des Sturmabzeichens an ihn mit vollem Wortlaut der vom Bataillonskommandeur568 und Schirach gehaltenen Reden, die auch im Radio wiedergegeben werden. – Die letzte Rede Hitlers erweist wiederum, wie sehr das Polemische seit jeher seine Hauptstärke ist. Er hat also den Engländern angekündigt, daß er zu ihnen kommen werde. 7. 9. 1940  : Hudeczek erzählt verschiedene Geschichten vom Balkan, der jetzt Südosten heißt. Der rumänische König Carol ist schon in der Schweiz. Wäre er geblieben, hätte man ihn erschlagen. Es kommt eine rechts faschistische Regierung,569 die das Land im Bann halten soll. Die Ungarn sind sehr anmaßend geworden, die Rumänen haben gegen sie um Hilfe gebeten, worauf zwei Panzerbataillone hier bereitgestellt wurden. Im Übrigen ist die rumänisch-ungarische Grenzbereinigung deutscherseits nur im Hinblick auf die Grenze mit Rußland erfolgt, gegen das man, d. h. er, im nächsten Frühjahr losgehen will. Unterdessen werden die strategischen Straßen in der Slovakei fertiggestellt sein. Auf die Ungarn soll Hitler wütend sein. Sie haben bei den Deutschen ausgespielt. Pavelić arbeitet in Rom auf ein selbständiges Kroatien hin. Es kann aber sein, daß die Italiener es noch einstecken, die ohnedies schon Dalmatien haben wollen, um gegen Griechenland vorstoßen zu können. 9. 9. 1940  : Die alte Exzellenz Pogatscher besucht, der sehr traurig ist ob der jetzt entfesselten Metzelei. Alle Welt werde doch bald von der Sehnsucht nach dem Frieden erfaßt werden. Von dem Gerücht, daß der Steinhof evakuiert werden und daß die Geisteskranken ins Altreich dem Hingang zugeführt werden sollen, hat er auch gehört. Ausgerechnet soll diese Anstalt für Parteizwecke in Anspruch genommen werden. 12. 9. 1940  : Das Verhängnis geht seinen Weg. Es wird also doch zur Ausradierung von ganzen Städten kommen, wie Hitler gedroht hatte. Die Engländer haben heute in der Nacht zum zweiten Mal die Gegend um das Brandenburger Tor, Tiergartenviertel, also al568 Eugen Garski (1897–1942). 569 Kabinett Ion Antonescu I (1882–1946), 4. September 1940 bis 27. Jänner 1941 Ministerpräsident.

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les in der Nähe der Residenz Hitlers angegriffen, außerdem Hamburg und Bremen. Die mondhellen Nächte werden die Operationen weiter begünstigen. Die Italiener machen nur schwache und vereinzelte Angriffe, während die Engländer sehr viel Angriffsgeist zeigen. 17. 9. 1940  : In Jugoslavien scheint es sehr zu brodeln. In Agram 3 Strömungen, eine für Italien, eine für Rußland, eine für die Selbständigkeit mit Anlehnung an Deutschland. Die Italiener machen endlich gegenüber Ägypten Ernst. 18. 9. 1940  : Die Luftoffensive, die, wie man sagt, eine Vorbereitung für die Landung sei, ging nur langsam vonstatten. Der Widerstand der Engländer, ihre Tapferkeit und Geschicklichkeit sind doch größer als man es sich vorgestellt hatte. Dafür haben die Italiener gegenüber Ägypten vorwärtszurennen begonnen. Und was dann  ? Nur aus den wirklich reichen Kolonien wird sich für den Anfang etwas an Rohstoffen herausholen lassen. – Sizzo-Noris meinte heute, man habe bei uns nur Besorgnis wegen der Entwicklung im Innern. Ebenso wie in Italien sei niemand für den Krieg begeistert. Das Volk fühle instinktiv, daß auf die Dauer nichts herausschauen könne. Unter der Oberfläche züngelte es immer wieder. In den Simmeringer Waggonwerken gab es am Samstag wieder Unruhe. Überall ist Militär. In Niederösterreich sind die Schlösser alle besetzt. Über den reichen Schwarzenbergbesitz ist die Aufsicht verhängt, offenbar als Anfang der Einziehung. Dem Fürsten wurde nicht erlaubt, nach Deutschland zu kommen. Man spricht, daß man in Luxemburg gegen ihn Material gefunden habe, andererseits wird auf das Verhalten seines Bevollmächtigten in Ostafrika (Benies) verwiesen. 19. 9. 1940  : In den Betrieben ist wieder Unruhe. Man scheint aber doch die eiserne Hand zu spüren. Traf gestern den ehem. Sekretär der Handelskammer (und Dichter) Heuritsch, der jetzt auf die Handelskammer schlecht zu sprechen ist. Gegenwärtig ist er Wirtschaftsberater des Generalgouverneurs in Krakau. Vorher war er in derselben Eigenschaft beim Gouverneur Wächter, über den er sich nur anerkennend und lobend ausspricht. Von Frank hat er nicht viel gute Meinung, der sei nur ein Mann mit recht wenig Erfahrung und dilettantischer Dynamik, die aber nicht durchgreife, auch einer, der gegen die Ostmärker eingenommen sei. Die SS selbst habe es abgelehnt, weiter brutal gegen die Juden vorzugehen, sie seien keine Schlächter. Mit vernünftiger Organisation habe man dann doch Ordnung schaffen können, wobei sich wiederum die Wiener sehr bewährt hätten, und zwar sowohl die Fachleute wie die Polizei und SS. Die polnische Intelligenz sei durchaus ablehnend, die Rolle Twardowskis sei nicht

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ganz klar, jedenfalls nicht bedeutend und ausschlaggebend. In Warschau seien große Teile der Stadt zerstört, vor allem in den reichsten Vierteln. Ca. 30.000 Leute seien in den Trümmern lebend begraben worden. Viele Krankheiten, Cholera usw. Man mußte diese Stadtteile einfach abmauern, weil der Drahtverhau nicht genügte. Das Verhältnis zu Rußland sei durchaus gefährlich, die Russen hätten mehr eingesteckt als der Führer zugeben wollte, so Czernowitz und die landwirtschaftlich wichtigeren Teile Galiziens. Das werde noch in Ordnung gebracht werden müssen. Außerdem hätten sie in Warschau etwas probiert. Sie würden wohl zu Ende des nächsten Jahres drankommen. – Von anderer Seite höre ich, daß 70 Divisionen hier bereitgestellt sind. 23. 9. 1940  : Gar so großartig kommt man anscheinend in England doch nicht vorwärts. Vor allem geschieht nichts auf der See. Offenbar wegen der Vorbereitung für die gewisse Großaktion. 25. 9. 1940  : Immer wieder sagen die Leute, wir kommen nicht vorwärts und wegen der schlechten Ernte steht im Winter die Hungersnot vor der Tür. – Kl.570 erzählt von seiner älteren Tochter,571 die hier ein Gymnasium besucht, es sei eine Mitschülerin schwanger geworden und ihr Freund weigere sich, das Mädchen zu heiraten. Die Klassenleiterin572 habe das Mädchen vor der Klasse belobt und glücklich gepriesen, sie möge stolz darauf sein, ein Kind zu bekommen. In derselben Klasse richtete dieselbe Lehrerin die Frage an die Mädchen, wer dem Religionsunterricht beiwohnen wolle, es werde wohl niemand es für nötig finden, worauf sich 4 meldeten. Das sei eigentlich zu wenig, meinte die Lehrerin, worauf sich 2 weitere meldeten, und auf das weitere Zureden, es sei doch nicht notwendig und es bestehe auch kein Zwang, wenn sie nicht Religion hören wollten, brauchten sie es nicht zu tun, die Eltern hätten gar kein Recht, irgendwie bestimmend aufzutreten, meldeten sich noch 2 dazu, also 8, worauf der Unterricht abgehalten werden mußte. – Unsere Briefkorrespondenz wird überprüft, wie ich sehe. 26. 9. 1940  : Mit Kleinwächter auf dem Laaer Berg. Gespräch über das Kommende. Mehr denn je glaubt er an den Umschmiß, es werde drunter und drüber gehen und die Nazis würden noch als Zwangsarbeiter in London eingestellt werden. 570 Clemens (Klemens) Wildner. 571 Hedwig Wildner (1923–2001). 572 Nicht zu eruieren.

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29. 9. 1940  : Der neue Dreierpakt kann natürlich von den Westmächten nur als Herausforderung aufgefaßt werden. Was sagen übrigens dazu die Russen, die man offenbar nicht eingeweiht hatte. 30. 9. 1940  : Reg. Rat R.573 erzählt, daß die Wirte in Mariazell alle Nazis geworden seien und daß sich dort ein Sodom und Gomorra entwickle. – Ich habe den Eindruck, daß die Propaganda ziemlich nur in der Luft vor sich geht. Die Nachrichten über die großen Zerstörungen in England und auf der großen See verfangen nicht. Auch der Dreimächtepakt hat bei den Leuten keinen Eindruck gemacht, sondern nur wieder in der Annahme der Verlängerung des Krieges bestärkt. Dazu beunruhigende Nachrichten über die Seltsamkeiten des Verhältnisses zu Rußland. Unterdessen machen Minister und Gauleiter, besonders der hiesige,574 durch die Presse Reklame für sich, was auch nicht wirkt. Die Nachrichten über den plötzlichen Tod (Herzschlag) von nach außen gebrachten Geisteskranken vom Steinhof mehren sich. 2. 10. 1940  : Sektionschef Horicky getroffen, der jetzt den Nazi mimt, früher der dicke Freund der Kultusgemeinde, des Löw-Beer in Brünn und des Ornstein, der jetzt in Brasilien ist. – Mit Vinzi Waihs575 zusammen, der meint, daß die Partie verspielt ist. Schuschnigg sei das Schicksal von Hitler. Hitler habe dann weiter gehen müssen und das werde ihn umbringen. Er möchte mir noch viel über frühere Zeiten erzählen. Miklas habe ihm gesagt, daß der Bericht Schuschniggs am 13. II. 1938 dahinging, daß in einer langsamen Entwicklung die Zusammenschmelzung angebahnt werden solle. Persönlich sei er brutal behandelt worden. – Winterstein576 getroffen, der gehört hat, daß Steidle gestorben ist. – Seltsame Pressemeldungen  ; die Dinge scheinen nicht vorwärtszugehen, dazu Verschiebungen nach dem Osten. 5. 10. 1940  : Gestern noch bei Kienböck gewesen. Er meint, die Engländer würden doch bald draufzahlen, aber damit werde der Krieg nicht aus sein. Das Ganze werde dann mit einem furchtbaren Vernichtungsschlag gegen die hiesigen Macher enden. – Spaziergang auf den Bisamberg. Überall Verbotstafeln für militärische Übungsplätze. 573 Nicht zu eruieren. 574 Baldur von Schirach (1907–1974). 575 Aus Materialien im Nachlass Heinrichs Wildners geht hervor, dass er mit Vinzi Waihs den ehemaligen Unterstaatssekretär für Heerwesen Erwin Waihs meint. 576 Paul Winterstein.

6./7. 10. 1940

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6./7. 10. 1940  : Spaziergang mit Ruber. Wir kamen nicht weg vom Räsonieren. 8. 10. 1940  : Propaganda und Zeitungen schärfen von Tag zu Tag die Kennzeichnung der Engländer, immer wieder wird Churchill persönlich haftbar gemacht. Die Engländer haben heute nacht Berlin sehr stark beworfen und die Verluste scheinen ziemlich stark zu sein. Wieder wird gesagt, daß auf schärfste Weise bis zur Vernichtung Englands zurückgehaut wird. 8./9. 10. 1940  : Die Reden, die bei der Einführung des Gauleiters Proksch als Präsident des Österreichischen Arbeitsamtes gehalten worden sind, zeigen, daß man sich sehr bemüht, die hiesigen Geister zu gewinnen. Die Metallarbeiter sollen besser bezahlt werden, mehr Wohnungen sollen rasch hergestellt werden usw. Tatsächlich ist die Gemüseund sonstige Versorgung Wiens in den letzten Wochen viel besser geworden. Dazu findet jetzt ein Versammlungssturm statt, um auch in den kleineren Versammlungen die Gemüter der Leute zu bearbeiten. Die Zeitungen berichten, daß das alles sehr gut und in guter Stimmung verlaufe. Von verschiedenen Seiten höre ich aber, daß dem nicht so ist, daß die Leute innerlich ablehnend bleiben. Sie trauen den Versprechungen nicht, dazu die schlechte Propaganda, die jetzt mit den Kriegsereignissen gemacht wird. Jeder sieht, daß wir in England doch nicht so richtig vorwärtskommen und daß die englischen Luftangriffe im Altreich nicht nur nicht aufhören, sondern heftiger werden. Dazu mehren sich die Flüchtlinge bei uns. Angeblich sollen 10.000 Kinder hierherkommen, ganze Flüchtlingszüge sind im Gang. Das Stift Klosterneuburg soll enteignet werden, um Platz für die bessarabischen Rückwanderer zu machen. Es wird also weiter gestohlen und genommen. Die Stimmung wird immer schlechter. Der Proksch selber soll vorgestern eine Rede gehalten haben, in der er davon sprach, daß die Altreichsdeutschen heraus müßten und die österreichischen Beamten müßten wieder nach Österreich zurück. – Bei Sizzo-Noris, der erzählt, Italien wolle nach wie vor keinen kontinentalen Krieg und nur einen, aber vorsichtigen, Kolonialkrieg. Graziani sei ausgezeichnet, sei ein wirklicher General, ein Feldherr, während man in Deutschland einen solchen nicht sehe. Denn da mache bekanntlich der Führer alles Wichtige und Entscheidende. 10. 10. 1940  : Schirach strengt sich weiter an. Nach den Arbeitern sind die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft drangekommen. Vorgestern war der Reichsarbeitsminister Seldte hier, heute ist Darré eingelangt, gestern ein Abend mit dem Burgtheater, für dessen Gefolgschaft auch sozialpolitische Geschenke gemacht wurden.

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11. 10. 1940  : Der Prozeß gegen Ludwig wird doch stattfinden. Gesundheitlich soll es ihm sehr schlecht gehen. 12. 10. 1940  : Frau Göring ist in Bad Gastein, Hotel Fürstenhof, 20 Zimmer, mit einem Adjutanten. Der Salonwagen mit allen technischen Schikanen, Telephonverbindung usw., ist auf dem Bahnhof stehen geblieben, Göring selbst war 3 Tage zu Besuch. Das paßt hübsch zu den Aufforderungen der Kreisleiter, die einen ähnlichen Train führen, aber die Verdoppelung der Winterhilfsspende fordern. – In Rumänien sollen schon 3 deutsche Divisionen sein, die angeblich Kader für eine neu aufzustellende Armee sein sollen. Zum Prozeß Ludwig wird gemeldet, er sei beschuldigt, durch 5 Jahre je 5.000 S monatlich für seine eigenen Bedürfnisse aus einem besonderen Fonds entnommen zu haben. 13. 10. 1940  : Einmarsch in Rumänien. Offiziell wird von einer im Einvernehmen mit der rumänischen Regierung erfolgten Sendung von Instruktionstruppen sowie einer Militärmission gesprochen, welche Wehrmachtsformationen bei dem vom Chef der rumänischen Regierung, General Antonescu, in Angriff genommenen neuen Aufbau der rumänischen Wehrmacht als Lehr- und Instruktionstruppen dienen und nach Durchführung ihrer Aufgabe wieder nach Deutschland zurückkehren sollen. Außerdem wurden deutsche Jagdverbände zum zusätzlichen Schutz der rumänischen Ölfelder nach Rumänien verlegt. Was werden jetzt die Italiener machen, denn sie werden doch auch eine Aufgabe übernommen haben. Die amerikanischen Geschäftsträger in Berlin577 und Rom578 sollen abberufen worden sein. Lese eben die Erinnerungen Czernins,579 seine Ausführungen über den unbeschränkten Unterseebootkrieg, und finde darin merkwürdige Parallelen, wie man damals und heute von deutscher militärischer Seite positiv mit dem Niederbruch Englands rechnete und wie man das eventuelle Eingreifen Amerikas bagatellisierte. 14. 10. 1940  : Schirach hat beim vorgestrigen Appell der Politischen Leiter eine Rede gehalten, in der er das Raunzen der Wiener nicht tragisch nahm, welches Raunzen nach ihm, wohlgemeint, nur an der Bassena stattfinde. (Hat der Mann eine Ahnung  !) Wien sei wohl die Stadt des Walzers und darüber hinaus die große Stadt der deutschen Musik. 577 Alexander Comstock Kirk (1888–1979). 578 William Phillips (1878–1968). 579 Ottokar Czernin, Im Weltkriege, Berlin/Wien 1919.

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Sie sei aber auch die Stadt der schöpferischen Arbeit. Es gebe in Wien nicht nur die berühmten goldenen Wiener Herzen, sondern es gebe auch die tüchtigen harten Wiener Fäuste. Man könne auch nicht immer in die Vergangenheit blicken und dieser Vergangenheit nachtrauern und nachweinen, Wien sei kein Museum, sondern lebendige Gegenwart und habe eine große lebenserfüllende Zukunft usw. Es wird also um Wien gerungen. Was er überhaupt aber sagte, waren nur alte, aber nicht gerade geschickt gesetzte Schlagworte. Muß er wirklich ernst arbeiten oder hat er die einzelnen Minister nur zu seinem eigenen Prestige hergebracht  ? 15. 10. 1940  : Ein Leitartikel des »Neuen Wiener Tageblattes«, von Urbas geschrieben, »Wien im Reich«, zeigt, was ich mir gestern gesagt habe, daß Hitler dem Schirach eine besondere Aufgabe gegeben hat. Auch hier die Verbeugung vor dem Illegalentum. 16. 10. 1940  : Ausflug auf das Eiserne Tor. Traf dort Sektionschef Chavanne mit seiner Familie, der froh ist seiner Ungebundenheit. [Er ist nichts Bedeutendes, merkwürdig, wie solche Leute an die erste Stelle gelangen können – vielleicht eben deswegen – aber anständig  !] 18. 10. 1940  : Traf Konsul Cz.,580 der ein Nachrichtensammler aus englischen Quellen ist. Er glaubt zu sehen, daß die Engländer mit Hilfe der Amerikaner absolut erstarken, in 2 Jahren dürfte die Sache aus sein, aber nicht günstig für Deutschland. Das System müsse sich umbringen. Die Angelsachsen würden siegen. In den nächsten Wochen würden wir schon Näheres über die englisch-amerikanischen Vereinbarungen hören. Die Amerikaner würden zunächst nicht losgehen, sondern nur den Engländern helfen, inzwischen aber unerhört rüsten. Die neue Flotte soll 8mal so stark sein wie alle Flotten zusammen. Die Engländer hätten bisher ihr Ziel erreicht, nämlich, daß sich andere Staaten für sie durch geschickte Einwirkung ihrer Diplomatie und Propaganda geopfert haben. So hätten sie die Landung aufhalten können und jetzt sei der Versuch schon abgeschlagen worden und ein neuer würde ebenso ein Fehlschlag sein. 19. 10. 1940  : H. [Hans]581 sieht sehr schwarz in der Versorgungslage, glaubt aber immer noch an eine Landung. Große Transporte nach Südosten gingen weiter, es werde etwas Großes vorbereitet. Vorgestern waren englische Flieger schon bei Olmütz und bei Budweis, vielleicht hatten sie es auf Pilsen abgesehen. Hier war schon Alarmbereitschaft 580 Nicht zu eruieren. 581 Hans Wildner senior.

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gewesen. Das waren offenbar die Scheinwerferübungen, die ich am Abend gesehen hatte. Von anderer Seite  : Bei Halle582 sind große Truppenlager, wo 50.000 Mann untergebracht waren, vollkommen zerstört worden. Immer noch wird von großen Verlusten und Totenhaufen am Kanal gesprochen. – Die Zerstörung oder Beschädigung der 2 Statuen beim Eingang in die Burg wird mit einem Attentat auf den Polizeipräsidenten Gotzmann, der in der Nähe wohnen soll, in Verbindung gebracht. – Die großen Delogierungen von Berlin und anderer Städte sind sistiert worden, weil man sagt, daß solche Delogierungen nicht mehr notwendig erschienen  ; ich glaube eher, weil sie zu schwierig werden. 21. 10. 1940  : Bei Peter.583 Er meckert noch mehr. Im August war er lange in Eger, wo die Stimmung miserabel sei, Bürgermeister ein 24jähriger unfähiger Jüngling,584 in Asch sei der Bahnhof zerstört, in Karlsbad sei jetzt fortwährend Fliegeralarm. 23. 10. 1940  : Hitler hatte mit Laval eine Begegnung, was soll das bedeuten  ? 24. 10. 1940  : In der Bibliothek der Konsularakademie gearbeitet, kam mit Generalkonsul Hlavac ziemlich unvermittelt in ein Gespräch über den persönlichen Gott, an den er gerne glauben möchte. Es könne doch nicht mit dem Hier zu Ende sein. Dabei dachte er wohl an seinen kürzlich gefallenen Sohn.585 Ich empfahl ihm die Lektüre der Bekenntnisse des Hl. Augustinus und erinnerte an den kürzlich von Geheimrat Planck, Präsidenten des Kaiser Wilhelm-Instituts und der Akademie der Wissenschaften, gehaltenen Vortrag von dem Gott, der ist und hier ist im Einklang mit den Naturwissenschaften. 28. 10. 1940  : Der neue Propagandaleiter586 hat sich gestern in Gegenwart von Goebbels den Wienern vorgestellt und hat den Mund etwas voll genommen. Wien stehe im Zeichen der Jugend. Dieser Stadt sei eine große Chance gegeben, im unerschütterlichen Glauben an den Führer habe sie einst die Fesseln gesprengt, die ihr ein nicht lebensfähiger Bundesstaat auferlegte. Nun stehe sie wiederum in der europäischen Mitte, 582 Halle a. d. Saale, Deutschland. 583 Franz Josef Peter (1866–1957). 584 Siegbert Schneider. 585 Wolfgang Hlavac (1918–1940). 586 Günter Kaufmann (1913–2001).

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sei Großstadt im großen Raum, sei Repräsentantin des Reiches im Südosten. Ihre alte Aufgabe, als große Reichsstadt über weite Räume verbindend und anziehend zu wirken, werde ihr wieder zurückgegeben. Durch die Tränen weinender alter Weiber beiderlei Geschlechtes, die hier eine Zufluchtsstätte für gewisse seelische Komplexe suchten, werde man vielleicht den Wasserstand der Donau, aber nicht Glück und Wohlstand dieses Eckpfeilers unseres Reiches zu heben vermögen. Wenn alles so gerne nach Wien fahre, so werde es einen Grund haben, es sei nicht nur der Heurige, nicht nur die Verbindlichkeit im Wesen dieser Menschen, nicht nur ihre Anmut und Liebenswürdigkeit, nicht nur das Heitere und Spielerische des Barocks, sondern auch die Weltaufgeschlossenheit und Großzügigkeit ihrer Bewohner. »Wenn Sie, Herr Reichsminister, wiederum in Ihrer Reichshauptstadt an unser Wien denken, dann sollen Sie immer das Gefühl haben, daß hier heiß gekocht wird, daß wir und nicht die Spießer die Initiative haben, daß diese große Stadt an der Grenze des Reiches eine Hochburg des Nationalsozialismus im Südosten bleibt.« Vorher hatte er noch der alten Kämpfer gedacht, von denen viele schon die Propagandisten des Gaues gewesen seien, als sich noch das Bundeskommissariat für Heimatwesen, ein Adam, ein Ludwig, ein Hornbostel und Franckenstein für autorisiert hielten, die Propaganda zu steuern. Dieser Günter Kaufmann ist ein Dresdner, der seit 1932 in der Nazipresse tätig ist, Kriegsberichter mit E. K. I. und II. und Leiter des Führerorgans der Hitlerjugend, also wohl ein Schirachmann. – In der vorgestrigen (Sonntags-)Nummer des »Neuen Wiener Tageblattes« ist ein langer Leitartikel »Propaganda = Persönlichkeit.« Politische Propaganda durch die Presse ist lebendiger Dienst an Staat und Volk, wie sollte ein solcher Dienst der Würde der Persönlichkeit zuwiderlaufen, den Wert der Persönlichkeit herabsetzen  ? Auch die Richter sind durch Gesetz gebunden. Es kommt auf den Geist an, mit dem der Wille des Gesetzes ausgelegt wird. Eine starke Persönlichkeit, in deren Hand die oberste Leitung der Presse ruht, ist, wie wir aus Erfahrung wissen, die Gewähr dafür, daß im Gesamtbereich der publizistischen Mitarbeit jede Persönlichkeit ihren Platz und die Möglichkeit ihrer Entwicklung erhält. Das muß man sich merken. 29. 10. 1940  : Die Italiener sind in der Nacht in Griechenland eingedrungen. Am Abend sagt unser Radio, man könne mit Sicherheit auf {unleserlich} Breslau hören. Ich habe angedreht und gerade als ein Sender das Lied wiedergab »Es liegt eine Krone im grünen Rhein«, ertönte ganz klar der englische Sender in Englisch. 30. 10. 1940  : 14 Mark für einen Sitz in der 4. Reihe zur »Götterdämmeung« unter Furtwängler ausgelegt, von 6 – ¼ 12. Sehr herausgearbeitete Vorstellung, die Furtwängler mit viel Körperbewegung und Gesichtsverzerrung leitete. Es war aber eine mehr mechanisch

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gearbeitete Vorstellung. Auch Heinz Schmid, den ich in der Pause sprach, meinte, es hätte keine Poesie über der Vorstellung gelegen, das Publikum sei merkwürdig. Die wenigsten Leute machen mir den Eindruck, daß sie ihre Karten aus eigener Tasche bezahlt hätten, sehr viele Nichtwiener, dazu die Leute, die man von früher her gewohnt ist, auf Gratisplätzen auf den besseren Plätzen zu sehen. 31. 10. 1940  : Höre erst heute [von Duda], daß Baron Ruber seit 14 Tagen in Haft ist. Man ergeht sich in Vermutungen. – Der gewisse Aurel Wolfram, der vor einigen Wochen über einen Vergleich zwischen Berlin und Wien im »Neuen Wiener Tageblatt« geschrieben hatte, wobei Wien und die Leute hier etwas stärker gegenüber den anderen herausgestrichen wurden – ich hatte gleich bemerkt, daß da der Zensur etwas passiert sei –, ist zwei Tage nachher von seiner Stelle im Propagandaamt entfernt worden, ebenso der der Schuld bezichtigte Redakteur. 1. 11. 1940  : Man erzählt viel von Demonstrationen. Auf dem Tegethoffdenkmal eine rote Fahne, auf der Votivkirche eine schwarz-gelbe. Im Stadtpark eine Puppe in Parteikleidung aufgehängt. – Wieder einmal ein Staatssekretär hier, der Landfried vom Reichswirtschaftsministerium, Vortrag über die Stellung der Ostmark in der Wirtschaft. Eigentlich vernünftige Gedanken. 2. 11. 1940  : Die gestern vermerkten Demonstrationen werden von gewisser Seite als übertrieben gezeichnet, welche Erwähnung aber nicht hindert, daß die Stimmung nach wie vor miserabel ist. 3. 11. 1940  : Aus dem Burgtheater wurde ein Schauspieler587 und der Orchestermusiker Wildgans,588 der Sohn des Dichters,589 verhaftet, außerdem 2 Angehörige des Ensem­ bles590 wegen gewisser Äußerungen. Der Operntänzer Toni Birkmeyer soll von seiner Tochter591 wegen Schwarzhörens angezeigt und zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt worden sein.

587 Fritz Lehmann (1915–1999), doch ist dieser schon im Juli 1940 verhaftet worden. 588 Friedrich Wildgans (1913–1965). 589 Anton Wildgans (1881–1932). 590 Nicht zu eruieren. 591 Susanne Birkmeyer (1920–  ?).

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4. 11. 1940  : Urbas getroffen, der meint, es sei eine diplomatische Offensive zur Erweiterung der Achse im Gange. Er selbst werde jetzt von Fertsch Colloredo592 und Liechtenstein geschnitten. Er meinte, was würden diese Leute ihm sagen, wenn er von ihnen 500 Mark monatlich begehrte, die er brauche. Das nenne ich offen gesprochen. Ich sagte ihm gleich, der Liechtenstein593 würde ihm diese 500 Mark nicht geben können, weil er sie nicht habe, und die Fürstin (geb. Andrassy) würde sie für einen solchen Zweck nicht geben. Das schluckte er ohne Bemerkung. 5. 11. 1940  : Die Ansprache Goebbels in Prag angehört. Seine Stimme überschlug sich oft, auch sonst machte er den Eindruck eines stark nervösen Menschen. Von sich meinte er, daß man sich jetzt eben im Krieg die Genüsse des Friedens versagen müsse. Da lachen die Hühner bis Wien. Er und sich versagen  ! 7. 11. 1940  : »Die Bemühungen, in der Ostmark etwas zu machen«, gehen weiter. Heute sind gar 3 Reichsminister hier, der Reichsverkehrsminister,594 der Unterrichtsminister595 und der Reichsminister Todt, die zur Feier des Jubiläums der Technik erschienen sind. Sie sind wohl alle gerne hergekommen, schon um ruhig schlafen zu können. – Lange Unterhaltung mit Müller-Martini, dessen Wandlung immer krasser wird. Voriges Jahr trug er noch das Pg.-Abzeichen. Heute sprach er schon von nackter Barbarei, in der wir leben. In Italien sei doch wenigstens die alte Kultur und werde alles, mit Grazie abgeschwächt, gemacht. Er habe kürzlich ein Gespräch mit einem SS-Oberführer gehabt, der ganz ungeniert von der fürchterlichen Korruption gesprochen habe, der man bald an den Leib rücken werde. Das gehe bis in die höchsten Stellen. Wir kamen beim Hauptzollamt vorüber, wo ich schon in der Früh auf einem Plakat die Aufschrift »Preußen hinaus mit dem Hakenkreuz  !« gelesen hatte. Es stand noch immer da und man sah die Vorübergehenden schmunzeln. 8. 11. 1940  : [Langweiliger Besuch des Wurzian, der ein besonderes Talent hat, mit unangenehmen Äußerungen zu kommen.] Meinen ehem. Budapester Kollegen Nickl gesehen, kühl, zurückhaltend.

592 Ferdinand Colloredo. 593 Johannes Liechtenstein war seit 1906 mit Maria Gabriele (Marizza) Andrassy verheiratet. 594 Julius Dorpmüller (1869–1945). 595 Bernhard Rust (1883–1945).

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11. 11. 1940  : Gespräch mit einem Ehepaar, die von ihrer Tochter erzählen, die von Anbetern verfolgt werde, die Schule schwänze, die Lehrerin findet daran nichts Besonderes, weil die Versuchung zu naheliege, Kino gegenüber von der Schule. Merkwürdige Kinder, Eltern und Lehrer. 12. 11. 1940  : [Für mich – Scherereien im Haus – in der Türkei scheint es los zu sein.] Die gewissen Vorbereitungen gehen weiter. Molotow in Berlin angekommen. Das nennt sich wirklich mit Recht Realpolitik. 13. 11. 1940  : Die italienische Offensive gegen die Griechen ist offensichtlich zum Stillstand gekommen. Ein neuer Oberbefehlshaber,596 Verstärkungen werden herangeholt, die Griechen attackieren. – Molotow wieder abgereist. Im Publikum zieht man daraus keine guten Schlüsse. Es ist überhaupt merkwürdig, wie die pessimistischen Gefühle immer wieder überwiegen. Die letzten englischen Luftangriffe in München und in Berlin scheinen wieder sehr stark gewesen zu sein. 16. 11. 1940  : Der Angriff auf Coventry muß furchtbar gewesen sein. 50 Waggons Bomben abgeworfen und doch sieht es so aus, als ob der Krieg noch sehr lange dauern werde. Die Italiener kommen gar nicht vorwärts, müssen sich der griechischen Angriffe erwehren. Jetzt wird man ihnen deutscherseits noch zu Hilfe kommen müssen. 19. 11. 1940  : Die diplomatische Offensive geht weiter. Morgen sollen sich hier die Ungarn mit Ciano und Ribbentrop treffen. Wahrscheinlich werden sie sich jetzt formell anschließen, so wie es demnächst die Spanier tun sollen – deswegen ist wohl Súñer597 gestern in Berchtesgaden gewesen – und Bulgarien, dessen König598 vorvorgestern bei Hitler war. – Beim sonntägigen Fußballmatsch soll es recht turbulent zugegangen sein. Schirach, der angeblich in seinem, vom Führer geschenkten Auto, vorfuhr, wurde mit Zischen begrüßt, der Führer der deutschen Mannschaft soll nicht ganz normal sein, im Spiel ging es sehr wüst zu. Unter den Zuschauern verschiedentliche Reibereien mit Soldaten aus dem Altreich.

596 Ubaldo Soddu (1883–1949). 597 Ramón Serrano Súñer. 598 Boris III. (1894–1943).

20. 11. 1940

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20. 11. 1940  : Der Wirbel im Stadion am Sonntag war doch viel größer und ernster. Der »Völkische Beobachter« hat darüber schon 2 Artikel gebracht und bemühte sich festzustellen, daß die Skandalmacher keine hiesigen waren. Angeblich wurden die Fenster des Schirachautos eingeschlagen und die Pneus beschädigt. Fest steht, daß massenhaft verschiedenes Zeug, wie Flaschen, hineingeworfen wurden, daß man laut »Pifke« brüllte. Einem Soldaten wurde der Säbel zerbrochen. Die Antialtreichstimmung hält eben weiter an. – Hitler in der Früh angekommen. Weite und strenge Absperrungsmaßnahmen. Das angesammelte »Volk« war nicht besonders zahlreich gegenüber früheren Anlässen. Die Elektrische599 wurde über den Ring umgeleitet. [Wurzian bei mir – störte mich und langweilte mich dann – der Mann geht mir immer wieder auf die Nerven – mit seiner Nervosität und den bornierten Ansichten – dabei ist er nicht mein wirklicher Freund.] 21. 11. 1940  : Lange amtliche Mitteilung über Neubesetzung von ärztlichen Stellen bei den hiesigen Krankenhäusern, in der besonders hervorgehoben wird, daß nur hiesige Leute bestellt wurden. – Mit dem ehem. Petersburger Kollegen und jetzt zur Verfügung gestellten Botschafter Dr. Trautmann in Baden zusammengetroffen. Er erzählt, daß man die Japaner absolut überschätze, sie seien im vorletzten Stadium der vollständigen Erschöpfung und pumpten jetzt die letzten Reserven für ihren Kriegsbedarf aus. Die Planung der Industrie und der Wirtschaft überhaupt gehe viel weiter als in Deutschland, die Amerikaner seien ganz genau über die Sachlage informiert, hätten in China jetzt den besten Geheimdienst, China werde sich halten, die Birmastraße bedeute gar nichts, die Amerikaner und die Russen würden die Chinesen fortgesetzt unterstützen. Die Amerikaner hätten auch gleich in Shanghai mit ihrer Flotte eingegriffen und hielten an dem Niederlassungsrecht fest. Die Engländer hielten sich sehr gut und würden mit Zähigkeit ihre Weltherrschaft verteidigen, hätten auch die Nerven dazu. Der Krieg werde sehr lange dauern, Amerika werde die Engländer unterstützen, machtpolitisch sei der Anteil Japans an der Achse ohne wesentliche Bedeutung, man müsse sogar im Gegenteil damit rechnen, daß sie plötzlich nach der anderen Seite abfallen. 22. 11. 1940  : Traf den früheren estländischen Konsul Andresen, der es vorgezogen hatte, hier zu bleiben. Er erzählt Schaudergeschichten. Die ganze Intelligenz sei umgebracht oder nach Sibirien gebracht worden, an ihre Stelle seien massenhaft Juden gekommen. Er fragte sich, warum die Deutschen aus dem Lubliner Gouvernement weggebracht 599 Elektrische – in Wien Ausdruck für Straßenbahn.

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werden. In Finnland seien starke deutsche Truppenabteilungen untergebracht, aus Kreisen russischer Militärs habe man Äußerungen gehört, daß dieses Militär nur für den Zusammenstoß mit dem Reich gedrillt und psychologisch erzogen worden sei, seit 20 Jahren wartete man in Estland und überhaupt im Baltikum auf die Befreiung durch die Deutschen usw. Hier in Wien wimmle es nur von Geheimpolizisten auf den Straßen, was sehr begreiflich ist, da doch immer wieder hier etwas los ist. 23. 11. 1940  : Frau Göring soll in die Lainzer Villa übersiedelt sein. Die Zimmerflucht im Bristol war offenbar auch nicht genug sicher und ruhig. – Beim Stadionradau gab es besonders viele Tätlichkeiten mit den Soldaten. Die Polizei war vollständig überrumpelt. Angeblich haben die Konfidenten nicht sicher genug gearbeitet. Den Soldaten ist Weisung gegeben worden, künftig sich sofort mit der Waffe zur Wehr zu setzen. Soldaten mit Altreichakzent wurden belästigt. Die Fußballmannschaft mußte in Trikots schleunigst durch Überfallwagen weggebracht werden. 24. 11. 1940  : Gelegentlich der Modeschauen wurde eine Einladung im Rathaus veranstaltet, viele hundert Einladungen. Es gab Lachs und andere Sachen ohne Marken. – Trautmann bei mir gewesen, jammert, daß er keine Zigaretten bekommen könne. Den Trafikanten ist verboten worden, die Tafeln auszuhängen, auf denen angegeben wird, daß ihre Zigaretten- und Zigarrenvorräte ausverkauft sind. – Traf auf der Straße den Eckhardt mit Guido Schmidt, kein Gespräch. – Am Abend in der Universitätskirche Vortrag des Univ. Prof. Pfliegler über den Bischof Sailer, Glaube und Aufklärung. Es war kein Vortrag, sondern eine Herunterlesung, in der Form und im Inhalt eine Enttäuschung. 26. 11. 1940  : In der Rotenturmstraße ist angeblich vorvorgestern in ein Ladengeschäft eine Bombe oder Handgranate geworfen worden. – Die Erzählungen über den Stadionskandal wollen nicht aufhören. Den Polizeileuten, die einige Schreier anhalten wollten, wurden die Helme eingetrieben. Sprechchöre schrien  : »Ihr werdet uns Ostmärker noch kennen lernen, wir wollen kein Drittes Reich, wir wollen unser Österreich  !« usw. – Ein Sensal vom Dorotheum erzählt mir heute, daß unglaublich viel Silber in Wien war. Wir seien doch ein wirkliches Österreich600 gewesen. Jeden Tag würden gegen 1000 kg Silber ins Reich abgefertigt. Einer Jüdin im Hause Oser, die 36 kg Silber abliefern mußte, seien dafür 600 Mark gegeben worden.

600 Im Typoskript unterstrichen.

29. 11. 1940

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29. 11. 1940  : Immer noch Geschichten vom Stadion. Ein österreichischer Spieler namens Schilling wurde immer apostrophiert  : »Bravo Schilling, wir … auf die Mark.« Einzelne Soldaten hätten die Waffen gezogen, seien aber überwältigt worden. Minutenlange Sprechchöre verhinderten die Fortsetzung des Spiels, kurz, es sei ein ungeheurer Skandal gewesen, und im Ausland wird natürlich noch viel mehr erzählt werden. Gesandten Montel getroffen, der auch von den Demonstrationen sprach, aber ebenfalls meinte, er hätte noch keinen Augenzeugen gesprochen. Jedenfalls sei aber die Stimmung ungünstig und es handle sich dabei gewiß nicht um die Leute, von denen Mussolini kürzlich im Palazzo Venezia sprach, von den noch verbliebenen kleinbürgerlichen Leuten oder um den Restbestand nörgelnder Intellektueller, die eben so wenig von schwerwiegender Bedeutung seien. Aber eben so wenig kann man sagen, daß man diese Demonstrationen als die Stimmen von Outsiders bezeichnen könne, sondern hier wenigstens sind die eigentlichen Träger des Nazigedankens nicht die Massen, sondern eine kleine Minderheit, während das Gros der Bevölkerung aus tausenderlei Gründen etwas anderes haben will. Deswegen ist es höchste Zeit, daß der Krieg zu Ende gehe, damit die Leute dem realen, normalen Leben wieder zugeführt werden können. Strenge Polizeimaßnahmen. Die Häuser der Argentinierstraße wurden von oben bis unten durchsucht, auch das Rothschildpalais, wo doch Parteiorganisationen untergebracht sind. Für Hitler wurde in seinem Appartement gekocht. 30. 11. 1940  : Die Städteverwüstungen in England müssen grauenhaft sein. Unsere Zeitungen bringen Nachrichten, daß sich doch schon Anzeichen der Ermüdung und Zerrüttung zeigten. – Die Sportvereine haben jetzt eine Sammlung veranstaltet, um die Sodawasserverkäufer zu entschädigen, deren Flaschen allesamt in das Stadion hineingeworfen worden waren. Sogar Personen der Militärstreifen wurden wehrlos gemacht und konnten sich aus der Gewalt der Menge schließlich nur durch die Polizei befreien. – Laut H.601 soll die Volksstimmung für den Führer nicht besonders groß sein. Die Absperrungsmaßnahmen waren noch strenger als sonst. Das Imperial-Hotel war zur Gänze geräumt worden und Hitler hat seinen Aufenthalt vorzeitig abgebrochen. 1. 12. 1940  : Den früheren Konsularbeamten Gaeta beim Mittagessen getroffen. Er kam eben aus Athen, behauptet, daß die Engländer sich bisher auf dem Festland sehr wenig gezeigt hätten. Der italienische Überfall sei ganz überraschend gekommen, am Tag vorher hatte Grazzi noch eine Einladung für 500 Personen gegeben, deren pièce de résistence,602 ein 601 Hans Wildner senior. 602 Pièce de résistence – in der klassischen Menüfolge Bezeichnung für das Hauptgericht.

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großer Aufsatz mit italienischen und griechischen Fahnen geschmückt, die Eingeladenen verblüffte. Als Metaxas ihn danach fragte, was Italien eigentlich wolle, für welche Punkte es sich eigentlich interessiere, konnte Grazzi keine Auskunft geben. Im Krieg gegen Italien hielten alle Griechen zusammen, die Niederlage der Italiener sei katastrophal, sie hätten gar keinen Elan zum Kampf gezeigt, perché,603 habe man sich offenbar gefragt, was habe man schon von Korinthen und von Tabak. In Athen gebe es keine Zerstörungen, auch auf dem Wege hierher sei nichts zu bemerken gewesen. Im griechischen Publikum herrsche musterhafte Disziplin. Natürlich würden die Griechen, wenn die Italiener ein Vielfaches der bisher operierenden Truppen einsetzen würden, sich nicht halten können, aber das Prestige der italienischen Truppen habe eine schwere Einbuße erfahren, vor allem in den anderen Teilen des Balkans und bei den Türken. Merkwürdig, wie alle Leute, die aus dem Ausland kommen, gar nicht optimistisch für die deutsche Sache sind, und immer wird gesagt, daß man erst im Frühjahr klarer sehen werde. – Nachtrag von einer gestrigen Unterhaltung  : Über Fischböck wird absprechend geredet, er soll nur an sich persönlich denken  ; mit der Arisierung in Holland muß etwas los sein, was den Hitler zu einem persönlichen Eingreifen veranlaßte. Dazu wurde bemerkt, es könnten auch Gauleiter und noch höhere Personen nach Dachau kommen. Seyß-Inquart soll auch einen Klaps bekommen haben. – Der hiesige Regierungspräsident Dellbrügge hat kürzlich von den Militärbehörden amtlich die Freigabe eines Hauses, einer Villa in der Sternwartestraße 42, mit der Begründung verlangt, sie komme doch für militärische Zwecke nicht in Betracht und werde für einen sehr hohen Beamten benötigt. Daraufhin wurde gefragt, wer der hohe Beamte sei, und siehe, es war der Herr Regierungspräsident selbst. Diese Sache dürfte Weiterungen haben. – In Ebenfurth hatten kürzlich die Passagiere lange warten müssen, endlich kam ein Extrazug mit 16 Salonwagen, der den rumänischen Staatsführer604 und seine Leute führte. Darob große Aufregung unter den gewöhnlichen Leuten, die sich über einen solchen Luxus aufhielten, an dem übrigens wahrscheinlich die Rumänen selbst nicht allein schuldig sind. 2. 12. 1940  : Während der letzten Anwesenheit Hitlers war ein Verbot des Überfluges über Wien erlassen worden. Zwei deutsche Flugzeuge sind, trotzdem sie als solche erkennbar waren, angeblich abgeschossen worden. 6./7. 12. 1940  : Ging wieder einmal ins Dorotheum, um bei einer Auktion zuzuschauen. Ganz enorme Preise. Bilder, besonders die alten, sind noch immer im Schwang, ferner Barockmöbel, Empiregläser, Mohn bis 17.000 Mark, Kothgasser bis 800 Mark. Ich 603 Perché – italienisch warum. 604 Ion Antonescu (1882–1946).

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finde diese Preise nicht so übermäßig. – Zur, eine Cottagevilla betreffenden Forderung Dellbrügges, erfahre ich, daß er die Villa doch nicht bekommen hat, dafür ist die Einrichtung der Villa sofort vermantscht worden. Aus einer anderen Villa wurde ein schöner Luster dem Gauleiter Jury zum Geschenk gemacht. Er scheint auch schon das Gleichgewicht verloren zu haben und von der Reisemanie erfaßt zu sein  ; während die ganz Großkopferten aber nach Italien dürfen, langt es bei ihm nur zu einer Besichtigung der deutschen Sprachinseln in der Slovakei. – Bei der Schießerei, die kürzlich die Flak auf den englischen Sperrballon veranstaltete, fiel ein Blindgänger ganz in der Nähe meiner Wohnung in einen Hof, wo das Geschoß dann explodierte. – Die Italiener spielen in Albanien, wo die Griechen jetzt schon in einer Tiefe von 80 km eingedrungen sein sollen, eine blamable Rolle. Es geht ihnen weiter schlecht. Sogar die Belgrader Zeitungen bringen sachlich nicht gerade schmeichelhafte Berichte. Der Generalstabschef Badoglio auf eigenem Wunsche abgesetzt. – Hier wird nach wie vor von »Eingeweihten« behauptet, daß die gewissen Vorbereitungen bis zum Frühjahr ruhig weitergehen. 8. 12. 1940  : Sektionschef Holenia hat gehört, daß die Verhaftung Rubers mit einer in Mähren aufgeflogenen politischen Sache in Verbindung stehe. 9. 12. 1940  : Besuch beim Botschafter Grafen Mensdorff, der mir die in seiner Wohnung untergebrachten Andenken aus seiner Botschafterzeit zeigte, mit besonderem Stolz die 5 eingerahmten Einladungen zu den 5 Königskrönungen. Viele Photographien von der Königin Victoria mit deutscher Widmung. Sowohl die Königin wie ihr Sohn605 hätten ständig mit ihm deutsch gesprochen. Die Königin hätte ein ganz reines Deutsch ohne jeden Akzent gesprochen. – Gratulierender Artikel der »Wiener Neuesten Nachrichten« zum 75. Geburtstag des Gesandten Richard Riedl, in dem von seiner besonderen Rolle bei den Salzburger Zollunionsverhandlungen gesprochen wird  ; dabei ist er gar nicht in Salzburg gewesen und hat sachlich so gut wie nichts damit zu tun gehabt. – Schirach hat gestern eine große Versammlung seiner politischen Leiter abgehalten und gegen die asozialen Elemente, von denen man Wien reinigen werde, Stellung genommen, ferner gegen die Gerüchteverbreiter usw. Goebbels war gestern hier gewesen, offenbar um ihm für seine Rede zu helfen. Lange Auseinandersetzung über das, was bereits für die Ostmark und besonders für Wien gemacht worden sei, andere Gaue, die dem Kriegsschauplatz viel näher seien, benähmen sich ganz anders usw. Es muß also wieder etwas vorgefallen sein oder sie haben noch schlechtere Nachrichten erhalten über die hiesige Stimmung. 605 Edward VII. (1841–1910).

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10. 12. 1940  : Die Hitlerrede gehört, in der eine furchtbare Hybris zum Ausdruck kommt. Große Verbeugung vor dem Militär und dem kleinen Proleten, fortwährend Seitenhiebe auf die Begüterten, Intellektuellen, er sei nicht einmal ein Dr. jur. und doch Führer. Großartige Pläne, was alles noch kommen werde. Ansonsten nur Wiederholungen früherer Geschichten mit häufigem Sich-Überschlagen. Deutlich  : Wer Abgeordneter ist, darf nicht Entgelt als Aufsichtsrat beziehen. Die Generäle und Mitglieder des Reichstages Bardolff und Glaise-Horstenau, die beide, der eine bei Krupp, der andere bei der ungarischen Schicht Gesellschaft usw. Aufsichtsräte sind. 11. 12. 1940  : Die Italiener werden weiter zurückgedrängt, nicht nur in Albanien, sondern auch in Libyen. – Immer wieder sieht man, wie die letzte Rede Hitlers den Leuten nicht gefallen hat. Der häufig sich überschlagende Ton, er hat eher abgestoßen und nicht überzeugt. 12./13. 12. 1940  : Luftschutzübung. 14. 12. 1940  : Ein neuer Bürgermeister namens Jung. Es wird aber nicht gesagt, wo er früher war. Neubacher soll Gesandter I. Klasse geworden sein. 15. 12. 1940  : Offenbar wird etwas ganz Großes für den Osten vorbereitet. Die russische Flanke wird gesichert, es geht aber offenbar gegen den Süden und die Serben werden bald in dieselbe Lage gebracht werden wie die Ungarn. Man erwartet offenbar, daß die Engländer sich vom Süden her weiter rühren werden. Hieher sollen nach Neujahr bis in den Frühling hinein 2 Armeekommanden kommen. Umgruppierungen und technische Ummodelung. – Die sogenannten Kommunisten rühren sich nicht. Ob es nicht eigentlich beleidigte, nicht entsprechend gewürdigte Nazis gewesen sind  ? Bei der Polizei scheint das schon der Fall zu sein, denn auch schon im Stadion haben einzelne Polizeiorgane schon mehr als passive Resistenz gezeigt. Die diesmalige Sammlung vollzieht sich unter vollständiger Teilnahmslosigkeit. 16. 12. 1940  : Fahrt nach Reichenberg. In Böhmen überall deutsche Aufschriften an erster Stelle.

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18. 12. 1940  : Der Reichenberger Bürgermeister606 ist verhaftet worden, angeblich wegen eines Sittlichkeitsdeliktes, ein verheirateter Mann. 19. 12. 1940  : Noch immer sehr kalt, über –20°. 20. 12. 1940  : Grundton der allgemeinen Stimmung  : allgemeine Unzufriedenheit. Immerhin hat hier der Nazismus seine gehorsamwilligsten Gefolgsmannen. Henlein soll sehr gut versorgt sein. 22. 12. 1940  : Klo.607 erzählt, daß das unter kommissarischer Verwaltung stehende Bodenamt in Prag jetzt jeden einzelnen Akt der auf Grund der Bodenreform erfolgten Gutzuteilungen untersucht und jeden Fall, bei dem sich Mißbräuchlichkeiten ereigneten, rückgängig mache. Die jetzigen Eigentümer werden einfach aufgefordert, das Gut gegen den seinerzeitigen Kaufpreis herzugeben. Wird es nicht gutwillig zurückgestellt, wird das Enteignungsverfahren eingeleitet. Die in der Münchengrätzer Gegend liegenden Restgüter werden jetzt an bessarabische Rückwanderer zugeteilt. Die bisherigen Besitzer, Legionäre, tschechische Rückwanderer, werden in die tschechischen Städte umgesiedelt. – Die an wichtigen und entscheidenden Posten stehenden Beamten – die meisten aus dem Altreich – bekommen immer wieder außerordentliche Zuweisungen, so jetzt zu den Weihnachten, dann Anweisungen für 2 Gänse, 10 Äpfel usw. Die deutschen Beamten bei den tschechischen Stellen bekommen die Differenz auf die Altreichsbezüge vom Amt des Reichsprotektors vergütet. In Prag laufen Gerüchte, daß in Wien dem Regime tätlicher Widerstand geleistet würde, daß es sogar zur Erbauung von Barrikaden gekommen sei und daß man geschossen habe. Ungefähr dieselben Gerüchte also, wie sie vor ¾ Jahren in Wr. Neustadt verbreitet wurden. Geflügel sollten diesmal in Reichenberg nur kinderreiche Familien bekommen, aber auch sie gingen leer aus, da das gesamte Geflügel für andere Zwecke beschlagnahmt wurde. 23. 12. 1940  : Auch in Prag ist diesmal von Lebensmittelüberfluß keine Rede mehr. Das Land ist ziemlich ausverkauft, ja sogar ausgeraubt. Die Bauern verlangen zum Ausgleich Zucker und Tabak. Keine Zigarren zu erhalten. 606 Wildners Angaben passen nicht auf die bekannten Bürgermeister  ; nicht zu eruieren. 607 Möglicherweise ein Tippfehler  ; gemeint könnte Clemens (Klemens) Wildner sein.

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24. 12. 1940  : Der kürzlich verhaftete Bürgermeister von Reichenberg,608 ein früherer Rechtsanwalt, wurde den Reichenbergern aus Sachsen aufgehalst, ist jetzt vom Sondergericht zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Von Berlin aus hatte man versucht, den Prozeß niederzuschlagen, und der Staatsanwalt hatte sich in diesem Sinne benommen. Da hatte die Strafkammer aber eingegriffen und der Prozeß wurde rasch und drastisch geführt. Von diesen Zuständen darf natürlich in den sudetendeutschen Zeitungen nicht gesprochen werden. Aber im Publikum wird viel darüber räsoniert und überhaupt ein schärferes Reinemachen verlangt. Eben ist ein Strafverfahren gegen einen Funktionär im Gang, der Einrichtungsgegenstände aus jüdischen Wohnungen vor längerer Zeit freihändig gegen von den Erstehern angegebene Preise veräußert und sich bei diesem Anlaß 10.000 Mark zurückbehalten hatte. Auch dieses Verfahren wollte der hiesige Gauleiter609 niederschlagen, er selbst soll einen Teppich für 500 Mark aus dem Besitz eines Juden erstanden haben. Der erwähnte, unter Beschuldigung stehende Funktionär, wehrt sich und droht mit Enthüllungen. 30. 12. 1940  : G.,610 Gymnasiast, erzählt, von seinen 30 Mitschülern seien bei Beginn alle der Nazibewegung ergeben gewesen. Jetzt seien es in derselben Klasse nur mehr 20, während 10 nichts mehr davon wissen wollten, dafür von Liberalismus, freiheitlicher Weltanschauung usw. sprechen. Henlein soll sich angeblich wegen einer Liaison mit einer Schauspielerin scheiden lassen wollen. Staatssekretär Frank,611 der sich von seiner Frau,612 von der er 2 Kinder613 hatte, scheiden ließ, darf sich nicht mehr in der Stadt sehen lassen. Ein Schüler des Reichenberger Realgymnasiums, der für die AdolfHitler-Schule bestimmt ist, bekam bei der letzten Klassifizierung 5 Ermahnungen und 3 Rügen, auch eine Ermahnung im Turnen. Der Anlaß zur Zuteilung an die Schule war, daß er beim Wettlauf sehr gut abgeschnitten hatte. In den Kirchen wird fleißig das »Stille Nacht, Heilige Nacht« gesungen als offene Demonstration. – Der Großindustrielle Richter in Wildenau wurde wegen eines Verhältnisses mit einer Frau eines Eingerückten in Haft genommen und wird wahrscheinlich 2 Jahre bekommen.

608 Nicht zu eruieren. 609 Möglicherweise Konrad Henlein (1898–1945). 610 Nicht zu eruieren. 611 Karl Hermann Frank (1898–1946). 612 Anna Frank (1899–  ?). 613 Harald Frank (1926–  ?)  ; Gerhard Frank (1931–2000).

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2./3. 1. 1941  : Die Verärgerung unter den hiesigen (Reichenberg/Böhmen) Leuten nimmt zu. Die sogenannten Werktätigen werden immer häufiger ausfällig gegen die anderen. Man hört häufig abfällige Bemerkungen über die Italiener. 8. 1. 1941  : Henlein hat inzwischen ein Gut in der Gegend von Saaz bekommen. Die Leute sprechen nur Schlechtes über ihn, er sei ungeschickt, untätig, charakterlos, Kleber, hohler Schwätzer. Hoffnungsloses Reden der Leute, sie fragen  : was wird eigentlich geschehen, denn der Krieg kann doch nicht so weiter dauern. Die Kommunisten sind obenauf, besitzen auch eine anscheinend gute Organisation und bestimmen die Tonart. – Grauenhafte Verflachung und Egalisierung, der gegenüber das bißchen Kulturgerede nichts bedeutet. Alle guten Stellen von altreichsdeutschen Elementen besetzt. Die Vernünftigen unter ihnen geben selbst zu, daß hieher nur 4. oder sogar 5. Garnituren gekommen sind. Agitation gegen die Besitzenden und religiös Eingestellten. Wiederum Gerüchte über neue Klosterräumungen. Vergleich mit den Verhältnissen während des 1. Weltkrieges, wo man sich doch genug nebenbei verschaffen konnte, jetzt sei alles unter Kontrolle. Die SS-Leute haben angeblich Auftrag, wenn sie einrücken, mindestens 1 Kind, ob ehelich oder außerehelich ganz gleichgültig, zurückzulassen. In einem vor »Gebildeten« (akademisch Gebildeten) und Vertretern des Bürgerstandes gehaltenen Vortrag wies die Rednerin darauf hin, daß das Bürgertum an Bedeutung verloren habe, weil es zu wenig Kinder erzeugt habe. Dem soll man jetzt abhelfen, ganz gleichgültig, wie jetzt die Kinder gezeugt würden. Das Ganze ein Narrenhaus für unsere Anschauungen. 11. 1. 1941  : Nach Wien zurückgekehrt. Es scheint eine große Offensive von Bulgarien und Rumänien aus gegen Griechenland vorbereitet zu werden. Die türkische Grenze ist schon gesperrt. Die ungarischen Truppen sind zum großen Teil beurlaubt. Die deutschen Truppen sind in ungarischen Kasernen untergebracht. Der Aufmarsch dürfte wohl 3 Monate in Anspruch nehmen. Hansi (mein Neffe),614 der eben Offiziersanwärter geworden ist, hat von der Rede, die Hitler im Sportpalast an die Offiziersanwärter gehalten hat, so gut wie nichts verstanden. Hitler sprach sehr schnell, kam, sprach und ging weg. Dabei saß Hansi in der 2. Reihe.

614 Hans Wildner junior.

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13. 1. 1941  : Ich frage mich jetzt, wenn jetzt schon die Engländer trotz ihrer notorischen Minderzahl und ungenügenden Ausrüstung und Ausbildung sich so halten, wie wird das erst werden, wenn einmal das ganze mögliche Aufgebot durchmilitarisiert werden sollte. 14. 1. 1941  : Leschanofsky615 erzählt, es seien 300 Wiener Tramwayschaffner nach Albanien geschickt worden, um durch ihr herkömmliches »Bitte vorgehen  !«– Rufen die Kampflage zu ändern. Wurzian wieder tat entsetzt über das Versagen der Italiener. 15. 1. 1941  : Bei Sizzo-Noris gewesen, der sich wieder 2 Monate in Italien aufgehalten hat. Er erzählt von der Stimmung, daß die Leute ganz ruhig seien  ; Militärs, Beamte, Industrielle usw., also Leute, die nicht auf die Partei angewiesen seien, sagten, Italien habe den Krieg nicht gewollt, es sei hineingetrieben worden, hätte sich vorher in einer sehr guten Lage befunden, Handel blühend usw., es habe auch nichts verlangt und angestrebt. Über den Krieg selbst  : Hitler sei ohne Vorwissen des Duce616 zu Marschall Pétain gereist, um mit ihm über Frieden zu sprechen. Man brauche die französischen Häfen, um nach Afrika übersetzen zu können. Pétain hätte erklärt, daß man Tunis nicht hergeben werde, ebenso hätte Franco gesagt, daß ein Durchmarsch nach Afrika durch Spanien nicht in Frage kommen könne. Damit sei Hitler nach Italien gekommen und hätte sich mit dem Duce in Florenz getroffen, der vom einfachen Frieden mit den Franzosen nichts wissen wollte und eine Pressecampagne über den harten Frieden hätte einleiten lassen. Dann habe ein Ministerrat stattgefunden, an dem Mussolini nicht teilgenommen habe und in dem der Angriff auf Griechenland beschlossen worden sei. In diesem Ministerrat wäre Badoglio ausdrücklich gegen den griechischen Feldzug aufgetreten, dessen Anforderungen man infolge des Terrains und Nichtkenntnis der Truppen nicht gewachsen sei, was auch im Protokoll vermerkt worden sei. Trotzdem sei der Krieg beschlossen worden, nachdem Ciano vorgebracht hatte, daß nach diplomatischen Informationen sich in Athen sofort ein Regierungswechsel vollziehen und die neue Regierung das Gebiet den italienischen Truppen öffnen würde. Der Duce sei, nachdem der Angriff zum Stillstand gekommen war, fuchsteufelswild auf Badoglio geworden und hätte ihn schmählich in Pension gejagt  ; den Partei- und Regierungsstellen bis zu den Bürgermeistern sei zur Weiterverbreitung mitgeteilt worden, Badoglio sei eigentlich ein Hochverräter usw. – Darauf hätten sich Freunde des Badoglio für ihn eingesetzt und dem Mussolini nachgewiesen, daß Badoglio von Anfang an gegen den Angriff gewesen sei, wo615 Im Typoskript  : Lescha. 616 Benito Mussolini.

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rauf dann der gewisse zweite Besuch Badoglios bei Mussolini unter allen Ehren für ihn stattfand. Das Bad hätte jetzt eigentlich Ciano ausbaden sollen, dessen Unfähigkeit immer krasser zutage trete, er werde auch demnächst davongejagt werden. Das Prestige des Musso617 und der Partei sei sehr gesunken. Die allgemeine Stimmung sei aber trotzdem noch so, daß man sich eigentlich sicher fühle. Man werde jederzeit einen sehr billigen Frieden mit einer Anleihe von der anderen Seite erhalten können. Daran, daß man deutscherseits in so einem Falle sofort einmarschieren würde, denke man nicht. – Verschiedene Verhaftungen unter Mittelschülern in Wien, besonders davon betroffen das Akademische Gymnasium. – Jetzt wird von gewisser Seite behauptet, der Wirbel im Stadion sei nicht von kommunistischer Seite, sondern von der überaus zahlreichen Wiener Fußballgemeinde im Vorhinein in Erbitterung gegen die Pifkes inszeniert worden. An ein zweites Gastspiel einer altreichsdeutschen Fußballmannschaft sei wohl nicht zu denken, denn würde es unternommen werden, würden die Karten sofort verkauft sein, also 60.000 Personen, und 200.000 Personen würden sich vor dem Stadion massieren. Mit Gewalt könnte man gegen solche Massen nichts ausrichten. – Der berühmte »Stellvertreter« des hiesigen Polizeipräsidenten,618 Fitzthum, der bisher als SS-Oberführer bei der Waffen-SS Dienst geleistet hat, ist jetzt nach Berlin ins Innenministerium für Sonderaufträge einberufen worden. Über diesen Herrn wird noch einmal sehr gesprochen werden. 16. 1. 1941  : Unterhaltung mit Direktor Ernst vom Kunstgewerblichen Museum, der eben in Paris gewesen war, um im Auftrag des Auswärtigen Amtes gewisse Gegenstände, die das Auswärtige Amt beschlagnahmt hat, fachmännisch zu begutachten. Es handle sich hiebei durchaus nicht um Rückführungen. Der Botschafter Abetz sei ein merkwürdiger Herr, eigentlich ein gelernter Zeichner, jedenfalls aber ein sonderbarer Diplomat. Abetz habe übrigens selbst den Antrag auf Rückführung der Leiche des Herzogs von Reichstadt619 gestellt. Ernst äußerte sich über das Schicksal unserer Kunstschätze für den Fall eines Fliegerangriffes sehr besorgt, es sei noch immer nicht alles getan, die Gefahr sei viel größer, als man sich gemeiniglich vorstelle, vor allem die fürchterliche Gefahr, die von dem Luftdruck drohe. Im Kunsthistorischen Museum sei seinerzeit viel zu wenig dafür geschehen. – Vinzi Waihs erzählt, sein Sohn620 sei heute vormittag auf dem Eislaufplatz gewesen, wo die Altreichsläufer von den Schülern selbst mit Pfeifen und Pifke-Rufen begrüßt wurden. Er meint, alle Leute seien recht pessimistisch, wie soll der Krieg enden. – Die abendlichen Vorträge des 617 Benito Mussolini. 618 Leo Gotzmann (1893–1945). 619 Napoleon II., (1811–1832). 620 Erwin Waihs junior (1927–  ?).

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Fritzsche wachsen mir zum Hals heraus, diese Überheblichkeit, Dünkelhaftigkeit, dabei Engstirnigkeit, und dazu der grob schimpfende Ton, der jetzt eingerissen ist, mit dem der Gegner immer wieder nur lächerlich zu machen versucht wird, und dazu die grauslichen Worte von einem Plutokraten. Daß man sich geniert, wo doch eine neue Plutokratie unter den Beamten und Pg.’s im Entstehen ist. – Viele Truppen werden jetzt in die Alpentäler zum Training gelegt. 18. 1. 1941  : Der Gebrauch des Wortes »Pifke« ist verboten worden, kostet 150 Mark, dafür sagt man Marmeladinger oder 48 (von der Marmeladekarte). 19. 1. 1941  : Mein Schneider erzählt mir, eben sei ein Reichsdeutscher bei ihm gewesen und hätte sich über den Haß beklagt, der hier den Altreichsdeutschen entgegengebracht werde. Der Schneider wollte begütigend die Stichhaltigkeit dieser Behauptung bezweifeln, worauf der andere auffuhr und heftig sagte  : »Nein, nein, der Haß ist sehr tief, wenn einmal etwas anderes käme, würde es in eine Bartholomäusnacht ausarten.« Daran ist merkwürdig, 1) daß die Altreichsdeutschen sich dieser Stimmung bewußt sind, 2) daß man nicht weiß, wie man ihr beikommen könnte, und 3) daß mit der Möglichkeit, es könnte einmal anders werden, überhaupt gerechnet wird. 22. 1. 1941  : Tauwetter, greulicher Dreck in den Straßen. Bei der Markthalle, Haupteingang, kann man kaum vorübergehen. Ein alter Mann meinte, als ich heute hinüberzukommen versuchte, vor dem Wachmann  : »Was ist denn, der Schirach hat doch gesagt, daß er Wien säubern wolle.« Traf einen anderen, seit langer Zeit bekannten Gewährsmann, der sagte, die Sache kann nicht gut ausgehen, es werde noch zu schrecklichen Sachen in Wien kommen. Die Leute reden also immer offener. – Die Luftschutzbehörde kam heute abend mit dem Antrag, mich unter Überspringung einer Charge in die zweithöhere avancieren zu lassen, nur müßte ich pro forma einen kleinen Kursus durchmachen. Ich werde mich natürlich von dieser Sache drücken. Das kommt davon, wenn man mit den Leuten im Haus so gut ausgekommen ist und sie es infolgedessen für vernünftiger halten, diesen Anordnungen Folge zu leisten. 23. 1. 1941  : [Nicht gute Nacht – gefroren – gestern in der Rochuskirche, Predigt über die Wiedereinigung – der Geistliche sprach von evangelischen und orthodoxen Brüdern – die gemeinsame Not führe sie zusammen – in der Rochuskirche jeden Tag ein Hochamt in einem anderen Ritus, Armenier, Dominikaner, russisch, ukrainisch usw.] Kleinwächter bei mir. Er hat ähnliche raunzerische Geschichten gehört. In den Betrieben soll eine verbissene, ra-

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biate Stimmung herrschen. Die Leute machen schon Verzeichnisse von Personen, die im gegebenen Fall drankommen sollen. Sie würden ihrer Strafe nicht entgehen. – Die Italiener werden weiter gehaut. Heute sind die Australier in Tobruk eingedrungen. General List soll schon in Bulgarien sein. – Las eine Geburtsanzeige  : Unsere Heide Gerlinde ist am … zur Welt gekommen. Dr. Silvia Potuschak, geb. Rozinegk, Ing. Potuschak. Das müssen ganz reine unverfälschte Germanen sein. 24. 1. 1941  : Baron Freudenthal hat auch den Tritt bekommen und geht spazieren. – Die Italiener sind auch aus Tobruk herausgeworfen, auch andere Punkte sind aus »strategischen Erwägungen« verlassen worden. In Rumänien scheint es nach den zwei Aufrufen, die Antonescu erlassen hat, zumindest eine kleine Revolte gegeben zu haben. Alle Versammlungen verboten, Waffen sollen abgeliefert werden usw. – In Bulgarien sind Truppenbewegungen im Gange, da eine Anzahl von Personenzügen eingezogen wurde, um angeblich die Lokomotiven zu reparieren, was 1 ½ Monate dauern würde. 25. 1. 1941  : Grillparzer-Ausstellung. So viel Schönes wieder in den alten Sachen gesehen, besonders die Bilder. Es war doch viel edle Gewissenhaftigkeit, Brief Kaiser Franz Josefs zum 80. Geburtstag an den greisen Dichter mit dem treuesten Herzen für das österreichische Vaterland. – Beim alten Pogatscher, der Nachrichten hat, wonach es in Rumänien sehr wüst zugegangen sei, wirkliche Straßenkämpfe, und es scheint noch nicht ganz am Ende zu sein. – F. [Fred]621 erzählt, der verbissene Haß der Tschechen dauere weiter an. Sie glauben an die Wiederkehr des Beneš. Die Juden würden aber trotzdem bei der Wiederkehr der früheren Verhältnisse nicht auf ihre Rechnung kommen. 28. 1. 1941  : [… Duda behauptet, daß es in Rumänien sehr viele Tote gegeben hat – der rechte Flügel der eisernen Garde habe zur Macht gedrängt und sei mit Hilfe des Militärs zu Boden geschlagen worden – das neue Kabinett622 ohne Legionäre zusammengesetzt – der Major Döring623 ist im bekannten Lokal erschossen worden von einem griechischen Ringkämpfer,624 der mit einer Frau daneben saß, als der ziemlich laut gegen die Griechen loszog – der Grieche hätte blind mit 2 Revolvern hin geschossen und auch noch 2 andere verwundet – sei dann in einem Auto mit der Frau davon, später aber eingeholt worden.] Um die Hetze gegen die Schweiz ist 621 Alfred Wildner. 622 Kabinett Ion Antonescu II (1882–1946), 27. Jänner 1941 bis 23. August 1944 Ministerpräsident. 623 Helmut Döring. 624 Dimitri Sarandos (1905/1915–  ?).

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es in letzter Zeit still geworden, nachdem die Schweizer angeblich in Berlin hatten wissen lassen daß die zwei großen, nach Italien führenden Tunnels unterminiert seien und beim ersten Einmarschversuch gesprengt würden. – Die Unterhaltung zwischen Hitler und Mussolini soll sehr stürmisch verlaufen sein. Das Gesicht Mussos sei ganz verzerrt gewesen. Die deutschen Truppen stehen schon in Udine, die Engländer sind schon 160 km westlich von Tobruk vorgedrungen. 29. 1. 1941  : In einem Aufsatz des »Neuen Wiener Tagblattes« wird bezüglich des Erlebnisses eines Illegalen von der Barbarei der österreichischen Anhaltelager gesprochen. Doch, wie mir bekannt ist, hat das kleine Österreich diese Einrichtung von Deutschland übernommen, wo sie jetzt überall noch in Geltung ist. Wenigstens sind verschiedene österreichische Politiker und Hornbostel noch immer in solchen Lagern, sind sehr viele von ihnen in solchen Lagern gestorben und sollen jetzt Leute aus solchen Lagern ausschließlich für die Bergung und Ausgrabung von Blindgängern verwendet werden. 30. 1. 1941  : Hitlerrede angehört. Er goß ganze Schalen ätzenden Hohns über England und seine Führer aus, Dementis usw., vielleicht zu viel, und doch merkwürdig der Satz  : »Im Jahre 41 müsse die Entscheidung so oder so fallen.« 3. 2. 1941  : Das Wort »Plutokraten« und dessen propagandistische Verwendung erinnert doch sehr stark an die Moskauer Mache. Heute sagte der Mann, der im Radio zur politischen Lage Betrachtungen bringt, die Demokratie sei die Maske, hinter der sich die unersättlichen Gelüste der Plutokraten verbergen. Wer glaubt das schon  ? Damit langweilt man doch die Leute. – Der Lauf der Post wird immer länger. Briefe aus Berlin brauchen 4–8 Tage. Es sieht beinahe so aus, als ob die Post aufgehalten würde. – Jedenfalls scheint wieder eine Vorbereitung größeren Stils im Gange zu sein. Hier passieren eine Menge Transporte und die Einberufungen nehmen wieder zu. 7. 2. 1941  : Radiovortrag des Generalfeldmarschalls Milch über Luftschutz. Seine [eindringlichen] Worte machen nicht den Eindruck, als ob wir vor Luftangriffen, und zwar verstärkten, in der nächsten Zeit sicher wären. Da soll jemand sich auskennen. Wir haben doch die Oberhand, wir haben den besseren Schutz usw., und doch  ! 10./11. 2. 1941  : In einem Laden erzählt die Inhaberin, es sei eben ein Altreichsdeutscher bei ihr gewesen und habe sich gewundert, daß im Laden kein Hitlerbild sei und gesagt, wahr-

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scheinlich, weil es nicht mehr dafürsteht. – In Bukarest hat es einen regelrechten Aufstand gegeben, dessen der Staatschef625 erst am späten Nachmittag Herr wurde. Er hat den Horia Sima offen der Urheberschaft beschuldigt. Der Pg. Gesandte Wurzian meint, diese Sache sei für uns sehr günstig, weil sie eine Niederlage des Parteigedankens bedeute, aber jeder Kenner Rumäniens hätte sich von vornhinein gesagt, daß dieses Volk dafür nicht reif oder nicht geeignet sei  ; schon in Italien halte sich die Parteisache nur mit Mühe. Nur in Deutschland könne sie bestehen  ! 12. 2. 1941  : Duda erzählt, daß am Ostbahnhof in der Donnerstag/Freitagnacht vor Abgang des rumänischen Schnellzuges plötzlich 3 Sowjetfahnen, von oben entrollt, hinunterkamen, was von den Eisenbahnern mit unverhüllter Sensationsfreude aufgenommen wurde. Der Eindruck sei schauerlich gewesen. Das sind die gewissen Menetekel upharsin626 Zeichen. 13. 2. 1941  : Bei Sizzo-Noris, der amüsante Geschichten über gewisse adelige Leute erzählt, darunter auf meine Frage über die ber{unleserlich} Steffi Hohenlohe. Er behauptet, daß der Rechtsanwalt Graf Marenzi, der mit einer Tochter627 des verstorbenen Botschafters Schönburg verheiratet ist, sich noch für eine Rolle bereit zu halten glaube. Unter Schuschnigg hat er es nur zum Bundeswirtschaftsrat gebracht und viel bei Salata verkehrt. Ciano soll schon ganz erledigt sein, angeblich eingerückt, er will aber an der für Italien so wenig schmeichelhaften Entwicklung der Dinge nicht schuld sein, vor allem nicht an der griechischen Geschichte. Man suche jetzt für ihn einen aktiven Botschafterposten. In Moskau sei er bereits abgelehnt worden und in Berlin solle man sich schon ähnlich ausgedrückt haben. Bei den letzten Zusammenkünften mit Ribbentrop soll er sich übrigens ziemlich frech gegenüber Ribbentrop benommen haben. 15. 2. 1941  : Zeitungen und Rundfunk polemisieren mit englischen Zeitungen, das heißt mit Reden amerikanischer und englischer Politiker, vor allem des Churchills  ; dabei wird einem nicht gesagt, was diese Leute eigentlich gesagt haben. Nachher notiere ich mir aus einer Rede Churchills, daß England im Begriffe sei, den Krieg zu gewinnen. Hitlers blutiges Regime liege in den letzten Zügen. Hitler könne sich gezwungen sehen, durch strategischen, wirtschaftlichen und politischen Druck in Europa in nächster Zeit zu handeln. Schließlich werde der Krieg durch das entschieden werden, was sich 625 Ion Antonescu (1882–1946). 626 Aramäisch  : meneh meneh tekel u pharsin – Warnungszeichen. 627 Ernestine Schönburg (1900–1990).

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in der Luft, auf dem Ozean usw. ereigne. Würden die neutralen Staaten in Europa bedauerlicherweise so borniert sein, nicht ebenso deutlich zu sehen, wie die Engländer selbst, daß England auf dem Wege sei, den Krieg zu gewinnen  ? 16./17. 2. 1941  : Wie soll das weiter gehen  ? Den Krieg nach Afrika übertragen, heißt, ihn auf unbestimmte Zeit verlängern, und wie soll man dann nach England kommen  ? Dabei wird jetzt von berufener Stelle aufmerksam gemacht, daß im weiteren Verlauf des Krieges mit Verlusten der Zivilbevölkerung zu rechnen sei. In den hiesigen Parkanlagen werden bombensichere Unterkünfte gebaut. 18. 2. 1941  : Alle Juden, erzählt man, sollen in wenigen Wochen aus Wien herausgebracht werden. – Reichsleiter Ley ist auf mehrere Tage hieher gekommen, um die Arbeiter, über deren Stimmung man sich klar ist, entsprechend zu bearbeiten. 20. 2. 1941  : K.628 im Spital auf dem Semmering besucht  ; ein merkwürdiges Treiben, lauter Marmeladinger mit ihren Frauen. Sogar in die Krankenanstalten haben sich die Frauen als Begleitung eingenistet. Wie verträgt sich das mit den Reinlichkeitsbegriffen, die man früher von reichsdeutschen Verhältnissen hatte  ? Ging zu Mittag ins Südbahnhotel zum Essen, ebenfalls nur Marmeladinger, recht merkwürdige Gestalten. Was früher die Juden waren, sind jetzt diese Leute. – Der türkisch-bulgarische Vertrag läßt sich wohl damit erklären, daß die Italiener auf die Hilfe des Reiches gegen Griechenland drängen, Berlin aber noch nicht genug Kräfte herunterschicken kann, um eventuell mit den Türken, die 17 Divisionen mobilisiert haben, fertig zu werden. Das Ganze ist also mehr eine Rückendeckung, vor allem aber eine Rückendeckung auch gegenüber der Entente. Kein übler Schachzug bei der gegebenen Lage. 23./24. 2. 1941  : Wiederum Führerrede, die nur auf die breiten Massen abgestellt, mit souveränem Hochmut, eine Menge Versammlungsschlager, meistens alte Sachen, mit Verbeugung vor der Partei und dem Heer, wieder Seitenhiebe gegen die Intelligenz. 25./27. 2. 1941  : Der verheiratete Sohn629 des Domkapellmeisters Habel ist in Mauthausen, wo angeblich ein sehr strenges Anhaltelager ist, an Typhus gestorben, die Familie spricht 628 Karl Wildner. 629 Ferdinand Habel junior (1910–1940).

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von Hungertyphus. Er war vor 2 Jahren angehalten worden, als er nach dem Sturm auf das Erzbischöfliche Palais vorüberging und zu seiner Frau630 empört gesagt hatte  : »Das sieht ja so aus, als ob wir in Spanien wären.« 1. 3. 1941  : Hörte im Radio die Übertragung des Staatsaktes, mit dem Bulgarien dem Achsenvertrag beitrat. Die Rede Ribbentrops wieder nicht diplomatisch oder staatsmännisch, sondern bramarbasierend und im Stile eines Oktavaners. Da kann man nichts machen  ! Vielleicht ist es der Stil der Zeit  ; mir kommt aber vor, daß sogar die Moskauer Staatsmänner eleganter schreiben und sprechen. Anschließend an die heutige öffentliche Vertragsunterzeichnung soll ein bisher noch nicht veröffentlichter Vertrag zustande gekommen sein zwischen Italien und dem Reich zur Vervollständigung der Achsenpolitik. Das Reich übernimmt die Zentrale und Italien die Niederlagen. – K.631 erzählt mir aus Gesprächen mit Kameraden aus dem Reich, ein Generalstabsoffizier habe ihm gesagt, daß man mit Seyß-Inquart doch nicht verkehren könne, der seinen besten »Freund« so im Stiche gelassen habe. Die Wehrmacht in Holland schneide ihn. Ein anderer habe von Schirach gemeint, er sei eine lächerliche Figur  ; dieser Mißbrauch müsse aufhören und rückgängig gemacht werden, daß diese Herren nach 1 ½ Jahren Offiziere würden und gleich das Eiserne Kreuz kriegten. Das glaube ich auch, daß man sich diese Leute noch einmal ausborgen wird. 2. 3. 1941  : Nach dem Essen im Radio politische G’stanzeln gehört, roh, unfein. Wenn das wirklich allgemein gefällt, wäre es doch traurig um unseren Geschmack bestellt. 3./5. 3. 1941  : Besuch von Inama, der sich über meine Ansichten erkundigt. Er hat Angst, daß wir immer stärker dem Kommunismus zusteuern. Ich bin nicht dieser Ansicht, wohl aber meine ich, daß man jetzt dem Großgrundbesitz stärker an den Leib rücken wird, weil da für die Siedler und Rückwanderer, auch für die aus Tirol, noch etwas zu holen ist. Wie mir Orsini, den ich am Nachmittag traf, erzählte, sind in Kärnten schon alle Klöster enteignet und es dürften demnächst auch die Grundbesitzpfründe der Pfarrer drankommen. Nach Äußerungen beider ist sowohl in Tirol wie in Kärnten die Stimmung unter der Landbevölkerung absolut gegnerisch und die Zahl der Nazis auch sonst viel geringer als man vorgibt. Dies alles aber ist ohne praktische Bedeutung für die wirkliche Politik. Die 20 Millionen Mark, die jetzt als Sonderspende der NSV für die Wiener Mütter ausgeworfen wurden, bestärkt natürlich nur das Gerede, 630 Nicht zu eruieren. 631 Karl Wildner.

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daß die Stimmung hier schlecht sei, daß man bisher zu wenig für Wien gemacht habe und daß eigentlich Wien nur ein Teil zurückgegeben wird, was es früher schon hergeben mußte. 6. 3. 1941  : Verhandlungen Görings mit dem rumänischen Staatschef.632 Er soll wahrscheinlich das Erdöl hergeben. 7. 3. 1941  : Mit Rußland scheint es weiter zu stinken. Guido Schmidt hat sich schon vor 3 Wochen gegenüber Eckhardt so vernehmen lassen. Ich meine, daß die bulgarische Sache, der deutsche Einmarsch sie etwas nervös machen wird. Wir kommen Konstantinopel zu nahe. 8. 3. 1941  : Wieder auf dem Semmering. Die Kinder sehen alle so mager und bleich aus, besonders die Kinder aus Berlin. Überall Plakate, die Diphterieimpfung empfehlen. Plakat von Worten des Hermann Göring  : »Ich nehme alles und brauche alles.« 9. 3. 1941  : Sizzo-Noris meint, daß die Bulgaren die Türken zu einem Arrangement gebracht hätten, wonach sie ausdrücklich auf ihren Appetit auf Adrianopel und Thrakien verzichteten. – Vorige Woche, als Göring da war, wollte Sizzo-Noris mit dem Rechtsanwalt Herdegen und Frau und einer Prinzessin Windischgraetz633 bei Horcher,634 dem früheren Restaurant »Zu den 3 Husaren«, zu Abend essen und hatte den Tisch bestellt. Als sie hinkamen, wurden sie sehr verlegen, aber doch sehr energisch ausgeladen. Das Lokal war übermäßig mit Blumen, roten und weißen, vielen hunderten, wenn nicht tausenden, von Hofmann635 dekoriert für ein von der hiesigen Partei zu Ehren Hermann Görings und des rumänischen Staatschefs636 gegebenes Essen. – Gespräch mit Lanske, der sagt, die Kohlenwirtschaft sei momentan in der Luft, der Kohlenkommissär637 sei mit allen seinen Leuten gegangen worden, angeblich infolge eines Konfliktes mit den Kohlenindustriellen. Alle 10 Minuten gehe ein Kohlenzug nach Italien. 632 Ion Antonescu (1882–1946). 633 Nicht zu eruieren, welche gemeint ist. 634 Im Typoskript  : Horch. 635 Möglicherweise Prof. Josef Hoffmann, der mit Blumen aus den Glashäusern der Parkanlage auf der Hohen Warte die Dekoration durchführte. Siehe Erläuterungen im Anhang vom 15./17. 6. 1942. 636 Ion Antonescu (1882–1946). 637 Paul Walter (1899–  ?).

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10. 3. 1941  : Nach dem Essen im Meißl & Schadn mit der Baronin Griesinger638 geplauscht über Belgrad und sonstige Dinge. Erst jetzt erfahre ich, was für ein formidables Klatschnest Belgrad war. Sie bewirtschaftet jetzt das von ihnen nach dem 1. Krieg gekaufte Gut Feldkirch bei Freiburg i. Br., das seinerzeit der Familie Wessenberg gehörte. Sie behauptet von der dort herrschenden Stimmung, daß nach dem ersten Echo die Revolution erwartet werde. Langsam lösten sich alle besseren Leute von der Partei los, viele mit Hilfe von Krankheitszeugnissen usw. Die Reaktion würde unter kommunistischer Devise erfolgen, welche Bewegung aber eigentlich nur auf Beseitigung des Krieges gerichtet sein würde. Hitler stehe unter ärztlicher Beobachtung, bekomme öfters Injektionen. Kürzlich hätte er zwei Bekannte der Baronin, junge Aristokratinnen, mit anderen Mädchen zu einer Abendgesellschaft geladen und ihnen stundenlange Vorträge über die Welt und sich selbst gehalten, die Bedingungen, unter denen er abdanken würde, usw. 12. 3. 1941  : Unterhaltung mit Hudeczek. Überall werde geunkt und geraunzt, was aber praktisch ohne Bedeutung sei. Im Altreich scheine sich in Berlin, Leipzig und anderen größeren Orten die Partei nicht zu rühren, sie verhalte sich vollständig passiv. Die letzte Rede, die Churchill vor 4 Wochen gehalten hatte, habe das ganze Außenamt angehört. Sie sei ausgezeichnet gewesen, sehr ruhig, fast keine Schimpfworte, sehr sicher. Die Leute, die aus London gekommen sind, seien ganz entsetzt über die Wirkung der Luftangriffe  ; es sei aber keine Rede davon, daß diese Angriffe entscheidend für den Kriegsausgang wären. Sie seien aber entsetzenserregend und würden ewige Feindschaft und Abscheu gegen Deutschland erzeugen. Hitler solle für diese Art des Kampfes den Göring vorgeschoben haben, der dafür allein verantwortlich wäre. In Berlin legten sich schon vorsichtige Leute einen Anzug mit 2 Nachthemden und andere Wäsche in einen Koffer und brächten ihn anderswo sicher unter, um wenigstens etwas sicher zu haben, falls Berlin ausradiert werde. Jetzt scheine man es doch auf die Türken abgesehen zu haben, außerdem gingen sehr starke Verstärkungen an die russische Grenze. Die Russen hätten den bulgarischen Geschäftsträger639 beim Einmarsch der deutschen Truppen ins Außenamt kommen lassen und ihm gesagt, daß das Hereinlassen der deutschen Armee verhängnisvoll sei und nicht den Beifall Moskaus finde. Es sei durchaus danach angetan, den Krieg zu verlängern und zu erweitern. Wenn die Deutschen in die Türkei einmarschieren würden, nachdem man die Türken gefragt haben würde, ob sie sich der deutschen Politik anschließen wollen, würde man den Russen sagen, falls diese Geschichten machen sollten, daß man dann gegen die Russen marschieren würde, und dann würden die Russen gleich nachge638 Möglicherweise Ilona Anna Sophie Griesinger. 639 Ivan Stamenov (1893–1976).

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ben. Es sieht also so aus, als ob man es auf den Irak abgesehen hätte. Die Griechen würden die Deutschen von selbst hereinlassen. Dann würden die Engländer Kreta besetzt halten. Überall sei die Stimmung gegen Deutschland, weil es ja den Leuten nur Unangenehmes bringe, wie Einschränkung der Lebenshaltung, der Freiheit usw. In Holland und in Norwegen sei die Haltung durchaus ablehnend geblieben. In Rumänien sei durch die Rosenbergrichtung in der Partei und durch einzelne Militärs die Legionärpartei im Vorprellen bestärkt worden und darum mußte geschossen werden. In Ploiești habe ein Oberst die Legionäre einfach aufgefordert, ihm die Waffen in Gewahrsam zu geben, und das rumänische Militär hatte er nachhause geschickt, die Stadt an den wichtigen Punkten durch deutsches Militär einfach besetzt und Ruhe gehalten und alles war damit zufrieden, auch der Horia Sima. Killinger hätte wahrscheinlich auch Ordnung gemacht, wenn er 14 Tage vorher nach Bukarest gekommen wäre. Der Gesandte Fabricius habe vollständig versagt, Killinger habe übrigens vorher in Preßburg den Tiso vom Amt wegbringen wollen, sein Nachfolger Ludin war ein blutjunger Leutnant der Reichswehr, der 1930 in der Armee den Nazismus zu verbreiten versuchte und mit einigen anderen im Jahre 1931 verurteilt wurde. Nach der Machtübernahme ging er zur Partei, sei jetzt ein sehr hoher SA-Mann, ein Siegfriedgesicht ohne dazu passende Gestalt und 28 Jahre alt. Die Zuschüsse vom Balkan seien knapp, die Bauern gäben nichts her und hamsterten selbst. Es sei zweifelhaft, ob wir den nächsten Winter die Fettquote beibehalten könnten. Im Außenamt sei Ritter wieder der große Mann auf Kosten Wiehls. Ein gewisser Luther dränge sehr vor. Die Politische Abteilung wisse nicht viel von dem, was jeweilig geschehen solle. Große Streitereien mit dem Wirtschaftsministerium. Reichsminister Funk bedeute nichts, verstehe auch wenig. Schacht ziehe in Gesellschaft gegen alles und jedes in der bösartigsten, scharfen Weise los, der Finanzminister640 bedeute nichts. Für den Fall des Kriegsendes hätten die Militärs schon riesengroße Vorbereitungen und Pläne fertig, die auf noch stärkere materielle Erfassung ausgingen. In Norwegen wäre König Haakon vor einem Jahr schon bereit gewesen, im Lande zu bleiben, man hätte nur eine Art Parlament bestehen lassen sollen, so drängte aber die Rosenbergrichtung auf Eingreifen in die innere Politik und das Ganze ging dann schief. Die Militärs seien angeblich der Ansicht, daß man die besetzten Länder mit innerer Politik verschonen sollte. In den Niederlanden ginge es auch gar nicht. Die deutscherseits begünstigten Parteien finden keinen Anklang und hätten auch gar keinen Wurzelgrund im Volke. 13. 3. 1941  : Großer Aufmarsch auf dem Heldenplatz zur Dreijahresfeier des Anschlusses. Im Lautsprecher angehört. Im Beifall konnte man nur die Kinderstimmen unterscheiden. Goebbels gebrauchte mehrere Wendungen, die zum Ausdruck brachten, daß 640 Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk (1887–1977).

14. 3. 1941

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man an zuständiger Stelle um die hier herrschende Mißstimmung besorgt ist. Lauter Versprechungen, was man alles für Wien und die Ostmärker machen wolle. Ganz ungeschickt fand ich das gegenüber den Engländern gebrachte Argument, daß, wenn Churchill den Eindruck zu erwecken suche, daß England siegen werde, so wolle man deutscherseits ihm das nicht übelnehmen, denn dafür sei er ja der englische Ministerpräsident und dafür sei er bezahlt. Solche Bemerkungen kann man doch sehr leicht auf uns selber umdrehen. Überhaupt arbeitet dieser Doktor nur mit den gröbsten Schlagern, die hier auf die Dauer gewiß nicht verfangen, und ich kann immer die Verachtung verstehen, mit der die Altreichsdeutschen von diesem Doktor sprechen. 14. 3. 1941  : Sizzo-Noris erzählt von einem Gespräch mit einem General, der sich sehr abfällig über Baldur641 äußerte, der eine üble Figur sei. – Die Jugoslaven wollten sich nicht ergeben. Der Regentschaftsrat hat eine Erklärung beschlossen, daß er das Königreich dem neuen König642 so übergeben wolle, wie er es vom alten übernommen habe. Gestern in Berlin schwere Verheerungen durch englische Flugzeuge, heute Nacht in Hamburg, wo bleibt die Abwehr  ? 15. 3. 1941  : Der Eisenbahnpersonenverkehr dürfte sozusagen bald ganz eingestellt werden. 18./19. 3. 1941  : Immer wieder hört man von Fällen, daß geisteskranke oder geistesschwache Personen ins Jenseits befördert wurden. Die Angehörigen bekommen nachher einfach die Aschenurnen. 20. 3. 1941  : Kapitän Dietrich war kürzlich dienstlich in Paris und hat in einem dortigen Palais bei Rothschild gearbeitet. Darin befanden sich mehrere Badezimmer für Gäste, welche Badezimmer durch eine zentral eingerichtete Beobachtungsstelle eingesehen werden konnten. 21. 3. 1941  : Dr. M.643 war vorige Woche in der 9 Uhr-Messe in der Rochuskirche. Nach Schluß standen sie vor der Kirche, als eine SA-Abteilung mit Fahne vorüberzog. Aus der Abteilung stürzten einige SA heraus, drohten mit den Fäusten und schrien »Chris641 Baldur von Schirach. 642 Peter II. Karađorđević (1923–1970). 643 Josef Müller (1875–1962).

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tenhunde  !«, »Gaunerchristen  !«, offenbar aus Entrüstung, weil der SA-Fahne nicht die Ehrenbezeigung erwiesen wurde. 22. 3. 1941  : Die hiesige SA-Leitung verlangt vom Militär das Wilhelminenschloß zurück gemäß Auftrag des SA-Führers Lutze. Das Militär weigert sich, das Lazarett herzugeben. 24. 3. 1941  : Der große Krieg scheint jetzt erst zu kommen. Deutscherseits hat man es wohl auf Afrika und den Irak abgesehen. Gespräch mit Leg. Rat Strautz, der anscheinend auch nicht mehr nach Rom zurückkehren dürfte. Er bezeichnete den Ciano als ganz verworfene Person, der, wo er kann, Geld zusammenraffe, auch in Albanien sich bereicherte, auch sehr brutal sein solle. (Die Verdienste seines Vaters644 sind, wie mir vorkommt, ungeheuer aufgebauscht worden, weil die Italiener eben nur wenig Helden haben). Man müsse sehen, wie er sich im Verkehr mit Frauen in der Gesellschaft benehme, er werde da immer handgreiflich. Gestern las ich im »Corriere della Sera« einen Bericht über den Heldenmut der Frau Ciano, bewiesen beim Untergang des Spitalschiffs. Eine solche Speichelleckerei hat es in den wirklich monarchischen Zeiten nicht gegeben. Die Italiener wollten weiter nichts vom Krieg wissen. Mussolini verliere Tag für Tag an Ansehen und seine Partei spüre das. In Jugoslavien geht das Spiel weiter, die Regierung645 will noch immer nicht beigeben. Da hätte sich wirkliche Diplomatenkunst bewähren können. 24./25. 3. 1941  : Jedermann hat geglaubt, daß der jugoslavische Achsenanschlußvertrag implicite den Durchmarsch der deutschen Truppen zur Folge haben werde. Stattdessen wurde heute anschließend an den Vertrag ein Brief Ribbentrops veröffentlicht, wonach die Achsenmächte niemals die Gestattung des Durchmarsches oder Durchtransportes während des Krieges von Jugoslavien fordern würden. Wozu also die ganze Bemühung und die vielen Reden während der letzten Monate  ? – Bei Pogatscher, der bezweifelt, daß die Jugoslaven den Durchmarsch erlauben würden. Die Türkei scheint sich übrigens von Sowjetrußland gewisse Sicherungen verschafft zu haben. 26. 3. 1941  : Großes Geschrei wegen der Berliner Reise des japanischen Außenministers,646 der wie ein wirklicher Souverän empfangen wird. Braucht man deutscherseits wirklich 644 Costanzo Ciano (1876–1939). 645 Dragiša Cvetković (1893–1969), Februar 1939 bis 27. März 1941 Ministerpräsident. 646 Yōsuke Matsuoka (1880–1946).

27. 3. 1941

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die Japaner so sehr  ? Marschall Graziani ist gegangen worden, endlich hat man einen Schuldigen für die afrikanische Niederlage. Veröffentlichung des türkisch-russischen Nichtangriffspaktes. 27. 3. 1941  : Die Äußerungen des Matsuoka sind merkwürdig schmeichlerisch und nichtssagend. Die deutsche Wiedergabe seiner heutigen Bankettrede ist etwas unvermittelt abgebrochen worden. – In Belgrad hat sich richtig etwas getan. Cvetković ist mit seinem Außenminister647 nicht in den Belgrader Hauptbahnhof eingefahren, sondern gleich weiter nach Topschidere. Zu Mittag kamen Nachrichten von einem Umbruch. Der junge König648 hat offenbar unter dem Einfluß der Militärs die Regierung649 übernommen und mit Maček ein neues Kabinett gebildet. – Türken und Russen sollen noch entschiedenere Erklärungen gegen Deutschland abgegeben haben. Die Rede Ribbentrops klang heute gar nicht so sicher, er konnte nicht einmal ruhig seine Rede ablesen. – Eisenbahner erzählen angeblich, daß bei Neulengbach650 vor der Ankunft des Hitlerzuges ein Eisenbahnunglück, durch eine Explosion verursacht, stattgefunden habe. Tatsächlich ist Hitler mit stark geschütztem Zug vom Südbahnhof abgefahren. 28. 3. 1941  : In Belgrad antideutsche Demonstrationen. Der Prinzregent651 abgereist, der frühere Regierungschef mit dem Außenminister verhaftet. Alles ist wie vor den Kopf geschlagen. An die Jugoslaven soll bereits eine Note mit dem Ersuchen um Aufklärung gegangen sein, wie die Regierung die letzten Abmachungen garantieren wolle. – Den Italienern geht es weiterhin miserabel. Abessinien wird so rasch wie möglich evakuiert. 29. 3. 1941  : Abermals Truppenbewegungen, fortwährend kommen Flugzeuge. Man spricht von 4 Armeen, wovon Reichenau die gegen die Türken führen solle. 30. 3. 1941  : Die Jugoslaven zeigen sich weiter gegen Deutschland eingestellt. Bei uns Luftschutzbereitschaft angesagt. Sogar hiesige Pg.’s halten sich über die ungeschickten Reden Ribbentrops und seine ganze Politik auf. 647 Aleksandar Cincar-Marković (1889–1947). 648 Peter II. Karađorđević (1923–1970). 649 Dušan Simović (1882–1962). 650 Im Typoskript  : Lengbach. 651 Paul (Pavle) Karađorđević (1893–1976).

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31. 3. 1941  : Die Italiener haben 5 Einheiten, Kreuzer und anderes, verloren. Hier gehen die Vorbereitungen ruhig, aber gründlich weiter. Höchste Zeit, um den Hinauswurf der Italiener aus Albanien hintanzuhalten. 1. 4. 1941  : Riesenniederlage der Italiener, die sich angeblich selber beschossen haben. Die Engländer triumphieren. Wir müssen den Italienern angeblich schon Weizen liefern. Hier sind Verstärkungen für die hiesige Luftschutzpolizei angekommen. 4. 4. 1941  : Goebbels telegraphiert ausgerechnet jetzt dem hiesigen Burgtheaterintendanten,652 es müsse getrachtet werden, daß Wien den ihm gebührenden Platz unter den großen Kulturstätten des Deutschen Reiches bewahre. – Riesige Truppentransporte ziehen durch die Stadt und auf den auswärts gelegenen Straßen. Es gehen schon ganze Divisionen motorisiert auf der Straße einher. Die serbische Sache scheint ganz unvermutet gekommen zu sein. Viele hundert Flugzeuge stehen in der Freudenau. Es dürften Fallschirmspringer sein. 5. 4. 1941  : Graf Teleki soll sich wirklich umgebracht haben. Deutscherseits sei das Durchmarschrecht gegen Jugoslavien verlangt worden. Im Ministerrat sei er überstimmt worden, obwohl er auf den Nichtangriffspakt mit Jugoslavien hingewiesen hatte. Da er, wenn er demissioniert hätte, Ungarn in eine üble Lage gegenüber Deutschland gebracht hätte, soll er freiwillig aus dem Leben geschieden sein. Göring soll gestern hier eine wichtige Beratung der Fliegergenerale abgehalten haben. 6. 4. 1941  : Deutscher Angriff auf Jugoslavien und Griechenland, Belgrad als Festung dreimal im Luftkampf. – Das Ende ist nicht abzusehen. Die Amerikaner werden immer feindseliger. 7. 4. 1941  : Der Vormarsch an der Südostfront scheint nur langsam bei hartnäckigem Widerstand vor sich zu gehen. Die Russen haben mit den Serben einen Nichtangriffspakt abgeschlossen.

652 Lothar Müthel (1896–1964).

8. 4. 1941

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8. 4. 1941  : Warum wird jetzt so viel mit dem Worte »Festung Belgrad« herumgeworfen  ? Belgrad ist doch keine Festung. Im Übrigen wird nicht gesagt, bis wohin der Einmarsch bisher gediehen ist. Es wird nur vom planmäßigen Fortschritt trotz schlechtem Wetter und hartnäckigem Widerstand gesprochen. Und der Militärberichterstatter des »Neuen Wiener Tagblattes«, Baron Pitreich,653 spricht sogar davon, daß man bei dem Terrain des neuen Kampffeldes einen Blitzkrieg nicht erwarten dürfe. 9. 4. 1941  : Auf einmal ungeheure Siegesnachrichten. Einnahme von Saloniki, Nisch, Überschreitung des Vardar usw. Dazu die Erfolge in Nordafrika  ! Der Vormarsch ist schon über Derna hinaus gediehen und man nähert sich der ägyptischen Grenze. 11. 4. 1941  : Kroatien macht sich selbständig unter Kvaternik654 und Pavelić. Die Ungarn rücken ein, um sich ihren Teil zu holen. Die Italiener kommen nur langsam vorwärts. 12. 4. 1941  : Sah einen Sonderzug mit Flakgeschützen gesichert, offenbar eine Führerreise. Jugoslavien wird ganz zerschlagen, Kroatien hat sich als freie Republik erklärt. 13. 4. 1941  : Einzug in Belgrad  ; Laibach von den Italienern besetzt, leider. In Agram 22 Generäle gefangen genommen. Albanien meldet auch seine Ansprüche gegen Jugoslavien an. Tobruk zerniert. 14. 4. 1941  : Deutsche und italienische Panzer haben Sollum besetzt, also schon auf ägyptischem Gebiet. 15. 4. 1941  : Die Verwüstungen in Belgrad sollen ungeheuer sein, unzählige Tote, beinahe die ganze innere Stadt zerstört. 17. 4. 1941  : Der serbische Krieg ist aus, die Reste der Armee haben kapituliert.

653 Im Typoskript  : Bittreich. 654 Im Typoskript durchgehend  : Kwaternik (bzw. Kwaternig).

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18. 4. 1941  : Englische Luftangriffe auf Berlin. Es gelang ihnen, bis zum Zentrum durchzudringen. 4 öffentliche Gebäude getroffen. Man ist also nicht imstande, diese Angriffe wirksam abzuwehren, und die Kosten der Flakartillerie scheinen sich also nicht bezahlt zu machen. 20. 4. 1941  : Hitlergeburtstag. Er wird von seinen Leuten als der größte Feldherr gefeiert. Straßenmarsch der Hitlerjugend. Die Buben gut aufgelegt. Göring war vorige Woche auf dem Semmering in einem phänomenal eingerichteten, 14 Wagen umfassenden Zug, wie ihn kein Kaiser je besessen. Blieb auf der Station stehen, der Sonnenhof wurde plötzlich binnen 3 Stunden von den Insassen geräumt, dann wurde aber die Räumung widerrufen. Das nennt sich Krieg. 21. 4. 1941  : Die Italiener kommen in Albanien nur sehr langsam vorwärts, während die Deutschen schon über Larissa und Trikala weit hinaus sind und jetzt schon in die westlichen Bergpässe gegen Janina vorstoßen. – In Kiel sind, wie Dietrich erzählte, die Wasser- und Lichtanlagen zerstört. Auch sonst haben die Engländer große Verheerungen angerichtet, dies mit 500 kg schweren Bomben. Falser auf der Durchreise hier. Erzählt, daß Krakau, ebenso wie das ganze Gouvernement von den Begleitpersonen der Beamten geräumt wird. Man spricht nur vom bevorstehenden Krieg mit Rußland, den man sich im Mai erwartet. Man braucht offenbar die Ukraine. Das Generalgouvernement Polen mußte deutscherseits mit Getreide versorgt werden. 22. 4. 1941  : Belgrad ist mit Ausnahme des eigentlichen Stadtkerns ganz zusammengeschlagen. Die Trümmer liegen noch, furchtbarer Gestank von den vielen unbegrabenen Leichen, Krankheiten, Ruhr, Typhus nehmen zu. Die Lebensmittel sind verbrannt, man wird die Bevölkerung sich selbst überlassen. – Hitler hält sich in Mönichkirchen vor dem Tunnel auf, in dem gegebenenfalls rasch Zuflucht genommen wird, ebenso wie es Göring vorige Woche am Semmering getan hat. – Die 6 Transportschiffe, die gestern von deutschen Flugzeugen versenkt wurden, sollen mit englischen Truppen voll beladen gewesen sein. 23. 4. 1941  : Kapitulation der griechischen Epirusarmee. Deutscherseits tut man sich mit den Italienern in Nordafrika schwer.

25. 4. 1941

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25. 4. 1941  : Aus Prag bekommt Fred655 Nachrichten, daß dort miserable Stimmung sei, Frank habe eine Rede gehalten, daß man sich Europa auch ohne die Tschechen vorstellen könne. Allgemeine Stimmung, daß der Krieg im Herbst aus sein müsse, weil man es wirtschaftlich nicht mehr aushalten werde. – Man hört jetzt wenig, wie es eigentlich in Nordafrika steht. Offenbar geht der Zuschub nur langsam vonstatten. – In Serbien hat die Armee einfach nicht mitgetan. Fortwährend haben sich einzelne Abteilungen von selbst ergeben. Das Ganze also ein jämmerliches Versagen der serbischen Militärkaste. 27. 4. 1941  : Die Amerikaner machen immer mehr scharf gegen Deutschland. 5. 5. 1941  : Klosterneuburg und St. Gabriel656 sind auf Grund der Verordnung über das volksund staatsfeindliche Verhalten beschlagnahmt worden, um enteignet zu werden, so veröffentlicht im »Völkischen Beobachter«, Amtlicher Teil, ohne Nummer und Zahl, einfache Mitteilung des Chefs der hiesigen Geheimen Staatspolizei.657 – Bei der gestrigen Rede Hitlers, die wir im Rathauskeller anhörten, zeigte das Publikum beinahe durchwegs eine steinerne, ruhige Haltung. 8. 5. 1941  : Molotow wurde als Vorsitzender des Rates der Volkskommission durch Stalin ersetzt. Er ist nur mehr Stellvertreter. 12. 5. 1941  : Heß ist abgängig. Wie im Radio gemeldet wurde, sei ihm auf Grund einer seit Jahren fortschreitenden Krankheit vom Führer verboten worden, sich fliegerisch zu betätigen. Er habe sich aber doch in den Besitz eines Flugzeuges gesetzt, entgegen diesem vorigen Befehl, und sei am Samstag abend zu einem Ausflug gestartet, von dem er bisher nicht zurückgekehrt sei. Ein zurückgelassener Brief zeige in seiner Verworrenheit leider die Spuren einer geistigen Zerrüttung, die befürchten lasse, daß Pg. Heß ein Opfer von Wahnvorstellungen wurde. Der Führer habe sofort angeordnet, daß die Adjutanten658 des Pg. Heß, die von diesem Flug allein Kenntnis gehabt 655 Alfred Wildner. 656 Missionshaus St. Gabriel in Maria Enzersdorf, Bezirk Mödling. 657 Franz Josef Huber (1902–1975). 658 Alfred Leitgen (1902–1977 oder 1988)  ; Karlheinz Pintsch (1909–nach 1962), beide Adjutanten von Rudolf Heß.

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hatten und entgegen diesem ihnen bekannten Verbot den Flug nicht verhinderten bzw. meldeten, verhaftet wurden. Unter diesen Umständen müsse die nationalsozialistische Bewegung damit rechnen, daß Heß irgendwo auf seinem Flug abgestürzt bzw. verunglückt sei. Das heißt also, daß der zum 2. Nachfolger bestimmte Stellvertreter des Führers die ganze Zeit über unter Bewachung gestanden war und jetzt durchgegangen ist. Ich sah übrigens heute im Kino bei der Wochenschau sein Bild bei der Verleihung der Diplome an die Messerschmittwerke. Seine Augen hatten einen durchaus abnormalen, ja irren Ausdruck. Wie wird jetzt dieses Geschehnis von der feindlichen Propaganda und im Gerede des Volkes ausgenützt werden. 13. 5. 1941  : Heß ist nach England geflogen. Die Leute sind alle wie vor den Kopf geschlagen und ergehen sich in bösen Ahnungen. – In der Steiermark soll es einen größeren Zwischenfall von militärischer Widersetzlichkeit mit Erschießungen gegeben haben. 14. 5. 1941  : Kein Mensch glaubt an die parteiamtlichen Darstellungen des Falles Heß und meint, daß ganz andere Dinge vorgegangen sein müssen. Vorgestern hörte ich übrigens, daß Heß wirklich seit längerer Zeit ernstlich krank ist und daß sein Fall bei Zeileis, wo er monatelang behandelt wurde, für unheilbar erklärt wurde. 15. 5. 1941  : Bei einer Bücherauktion im Dorotheum beobachtete ich, wie ein Pg. Rechtsanwalt Führer, der Verteidiger in zahlreichen Naziprozessen war, eine Reihe von Büchern, namentlich Kunstbücher, durch fortgesetztes Bieten enorm steigerte, darunter einige Kunsttopographien von 7 auf 100, 6 auf 280, 15 auf 380. – Besuch bei Peter,659 der mit seiner Frau660 nichts weniger als begeistert spricht, sehr vergrämt auch wegen des Schicksals seines Sohns,661 der beim Militär behalten wurde, während seine Kollegen avancieren. 16. 5. 1941  : Troll662 erzählt, daß Heß angeblich durch Freimaurer nach England zu gehen veranlaßt wurde, die ihm vorgespiegelt hatten, man würde leichter zu einem Frieden kommen. Er soll jetzt interniert sein. Die militärischen Urlaube hören am 20. auf. Da wird offenbar wieder etwas ins Werk gesetzt. In Nordafrika scheinen die Eng659 Franz Josef Peter (1866–1957). 660 Mercedes Peter (1879–1965). 661 Wilhelm Peter (1906–1964). 662 Herbert Troll-Obergfell.

17. 5. 1941

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länder selbst nach den deutschen Berichten vorwärtszukommen. Bei Sollum sind sie schon eingedrungen. 17. 5. 1941  : [… – Sollum scheinen wir wieder gewonnen zu haben – daß wir es verloren hatten, wurde gar nicht gesagt.] Ante Pavelić ist nach Rom gefahren, um sich einen Prinzen aus dem Hause Savoyen für das Königreich Kroatien zu erbitten. Berlin erhebt dagegen offenbar keine Bedenken, weil auf die Weise den Italienern ein billiges Geschenk gemacht und eine neue Klammer gegen eine Habsburgwiederkehr eingefügt werden könnte. Montenegro scheint wiedererstanden zu sein. Wir erfahren hier gar nichts darüber. Die Pavelićreise war schon vor einer Woche in Preßburger Blättern zu lesen gewesen. Slovenien ist ebenfalls italienisch geworden. Es scheinen aber noch gewisse Rechnungen gegenüber Italien ausständig zu sein. 18. 5. 1941  : Für die Bewachung der Ölfelder müssen die Rumänen jeden Tag über 1 Million zahlen. Die Niederländer haben für die letzte Revolte 60 Millionen Gulden zahlen müssen. 20. 5. 1941  : Verrückte Gerüchte. Ribbentrop verhaftet, Keitel verschwunden, allgemeines Flugverbot für Minister und Parteiangehörige usw. 22. 5. 1941  : Kleinwächter erzählt von unserem letzten Presseattaché663 in Berlin, der jetzt für das Deutsche Nachrichtenbüro in Spanien arbeitet. Stohrer habe dem Lazar gesagt, die Militärs seien für baldige Offensive gegen Rußland, weil Rußland sehr ernst aufrüste und auch innenpolitisch erstarke. Es würde in 2 Jahren fertig sein, deswegen müßte Deutschland früher anfangen, um den Vorsprung nicht zu verlieren. Die Russen seien jetzt schon sehr unangenehm mit den Deutschen geworden, sowohl in der bulgarischen wie in der serbischen Frage. 24. 5. 1941  : Deutsche Fallschirmtruppen auf Kreta gelandet, zahlreiche Luftangriffe auf englische Flotte im Mittelmeer, Seeschlacht bei Island, wo ein schwerer englischer Schlachtkreuzer das Feld räumen mußte.

663 Josef Hans Lazar (1895–1961).

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25. 5. 1941  : Aufsehenerregende Predigt des Dominikaners Diego Goetz über »Die Hand als Symbol der Arbeit, der Macht und der Verbindung mit Gott«. Das Publikum, fast ausschließlich Leute vom Filmgewerbe und Schauspieler. 28. 5. 1941  : Wieder Seegefechte. Das neue Schiff »Die Bismarck« von den Engländern zusammengeschossen. Der neue Panzerkreuzer »Prinz Eugen« scheint entkommen zu sein. – Die Direktorin des Mädchengymnasiums,664 das die Tochter665 von K.666 besucht, hat kürzlich an die Klasse eine Ansprache gehalten und darauf hingewiesen, daß gegenwärtig schlechte Reden gegen die Staatsführung geführt werden könnten. Wenn die Schülerinnen so etwas hörten, hätten sie es gleich der Gestapo anzuzeigen und dabei keinen Unterschied in der Person zu machen, also selbst, wenn es etwa der Verlobte oder ein Mann sei, dem die Schülerin zugeneigt sei, ja selbst, wenn solche Reden im Familienkreise erfolgten. – In Blumau hat es am letzten Samstag zwei große Explosionen gegeben, worüber viel geredet wird. In den Zeitungen steht nichts darüber. [Wir erfahren darüber nichts, aber die Leute sprechen viel davon – die Rede des Rosenberg ist uns noch nicht bekannt gegeben worden, er soll ganz offen die {unleserlich} der Engländer als Kampf gegen die undemokratischen Regime angekündigt haben, die Marineleitung habe alle Vollmachten erhalten  ; wie sie vorzugehen haben, hat er nicht gesagt, wie überhaupt seine Rede sehr zurückhaltend und in unklaren Wendungen sich bewegt haben soll  ; in Amerika soll der Ausnahmezustand verhängt worden sein – über Heß hat der Engländer Churchill angeblich nur gesagt, daß er als Kriegsgefangener behandelt werde, daß seine Aussagen sehr interessant und sehr wertvoll gewesen sein sollen …] 31. 5. 1941  : Dompfarrer Dorr wurde wegen des großen Zulaufs zu seinen Predigten ins Altreich zum Wohnsitz verwiesen. 4. 6. 1941  : In einem Gymnasium, das die Kl.667 besucht, hat die Direktorin die Tochter eines Oberbannführers B., der jetzt als Regierungsrat zur hiesigen Gestapo gekommen ist und mit Hitler in Landsberg zusammen war,668 kommen lassen und sie aufgefordert, ihr immer genau zu erzählen, was in der Schule von den Mädchen gesprochen 664 Cornelie Much-Benndorf. 665 Clarissa (Klarissa) Wildner. 666 Klemens (Clemens) Wildner. 667 Clarissa (Klarissa) Wildner. 668 Nicht zu eruieren.

5. 6. 1941

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wird. Die Kleine hat das gleich den anderen mitgeteilt. Diese Direktorin ist eine alte Illegale namens Much, ihre Schwester669 ist mit dem jüdischen Dr. Moszkowicz,670 dem früheren Direktor des Rudolfspitals, verheiratet, der jetzt Direktor des Rothschildspitals geworden ist. Beide wohnen neben der Villa des Kaltenbrunner und die Frau darf auch die Hakenkreuzfahne auf ihrem Wohnhaus aufziehen. – Hitler soll in Wien sein, angeblich wird ein neuer Pakt vorbereitet. 5. 6. 1941  : Das Gerede vom Hiersein des Hitler wiederholt sich und die Leute reden sogar vom Herkommen Stalins. 9. 6. 1941  : Kohlruss getroffen, der Übersetzungsarbeiten für den Außenhandelsdienst, die Zeile zu 7 Pf. macht, was ihm monatlich 120–200 Mark bringt. Er erzählt, daß er wiederholt Äußerungen aus dem Vatikan berichtet hatte, namentlich des verstorbenen Papstes,671 der um die Erhaltung der Selbständigkeit Österreichs sehr besorgt war und sie gar nicht für sicher hielt. Darüber hielt man sich am Ballhausplatz sehr auf und er bekam einmal einen zwar verbindlich gehaltenen Erlaß, der aber durchleuchten ließ, daß er es an der entsprechenden Unterrichtung des Vatikans fehlen lasse, worauf er in sehr dezidierter Weise zurückberichtete, daß er wöchentlich zweimal entsprechende Unterhaltungen führe. Und er habe hinzugefügt, daß man einen, ja zwei Vögel im Kopf haben müßte, wenn man annehmen wollte, daß der Vatikan eine solche Entwicklung sehr gerne sehen würde, worauf ich sagte  : »Ja, der Vatikan hat eben offenbar immer wieder deswegen seinen Besorgnissen Ausdruck verliehen, um uns zum Ausharren und zu entsprechenden Maßnahmen anzueifern. Hat er sich auch darüber ausgesprochen, was wir in dieser Beziehung hätten tun sollen  ?« Kohlruss  : »Ja, auf dem Gebiete der Jugenderziehung hätten wir mehr tun sollen.« – Zweistündiges Gespräch mit Kienböck. Er glaubt, daß wir doch schon längst in Rußland seien. Die Russen lieferten fest und stärker und bereiteten den Vormarsch durch die Türkei vor, der nur eine Frage von Tagen sei. Hitler müsse eben jetzt immer weiter gehen, aber dennoch komme er nicht bis zu einem Ende. Solange als Hitler am Leben sei, das aber gefährdet sei, siehe das letzte Münchener Attentat, das von eigenen Leuten vorbereitet worden sei. Hermann672 werde sich da nicht halten können, weil er zu ein großer Raffer sei. Ribbentrop habe sich das Gut in Fuschl vom Reich schenken 669 Nicht zu eruieren. 670 Im Typoskript  : Moskowitsch. Den Hinweis auf die richtige Schreibweise und die Biografie verdanken wir dem Projekt https://drmed1938.univie.ac.at/ (letzter Zugriff  : 9.5.2022). 671 Pius XI. (1857–1939). 672 Hermann Göring.

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lassen wollen, das sei aber nicht gegangen. So hätte das Land Salzburg die Schiebung durchführen müssen. Rosenberg habe vom Präsidenten Apold (Länderbank und Alpine) das Gut Pichl-Auhof gekauft. Zum Staatskommissär für das Stift St. Florian sei der Chorherr Hollnsteiner bestellt worden, der aus Dachau entlassen und jetzt um den Austritt aus dem Orden bittlich geworden sei. Da seien nur zwei Möglichkeiten  : entweder habe er umgeschnappt und das Vertrauen der Leute wirklich gewonnen oder er spiele Theater, um dem Orden zu nützen. Jedenfalls ein starkes Stück. Von Innitzer behauptet Kienböck, er sei ein durchaus unbedeutender Mann, ja eine armselige Kreatur. Schober habe ihn nur genommen, um ihn gegen den Seipel auszuspielen. Als Minister sei er eine Lächerlichkeit gewesen, habe bei den Beratungen der Christlichsozialen nie den Mund aufmachen können, immer habe der Resch die Sachen vertreten müssen. Sein Verhalten beim Umbruch sei ein Skandal gewesen, er hätte als Held in die Geschichte eintreten können. Kohlruss hat übrigens heute mir gegenüber behauptet, von Dollfuß gehört zu haben, daß dieser sich wiederholt über Innitzer beklagte, daß er ein Nazi sei. Er, Innitzer, werde, wenn er so fortsetze, noch in einem Kloster enden müssen. Kienböck meinte dazu, Innitzer sei natürlich kein Nazi, sondern habe nur geglaubt, dem Dollfuß bei der Jugenderziehung Schwierigkeiten machen zu müssen, weil ihm seine Geistlichen das eingeredet hatten. Jedenfalls spielt er jetzt eine klägliche Rolle und sieht sehr schwarz in die Zukunft. 10. 6. 1941  : Duda bestätigt die Nachricht über Hollnsteiner mit dem Beifügen, daß er schon mit einer kompakten Weibsperson673 leben soll. Er schildert ihn als einen unverträglichen, präpotenten, in seinen eigenen geistlichen Kreisen unbeliebten Menschen. 11. 6. 1941  : In Graz hatten die Arbeiter der Südbahnwerkstätten wegen schlechter Ernährungsverhältnisse die Arbeit niedergelegt. Daraufhin rückte SS-Mannschaft aus und drohte mit der Erschießung jedes Dritten, worauf sich alle vordrängten und die Brust entblößten. Daraufhin wurden Lebensmittel beschafft und die Arbeit nach 4 Stunden wieder aufgenommen. – Im Belvedere waren Vorbereitungen für ein Zusammentreffen mit den Türken getroffen worden. Die Gärtner hätten auch einen Halbmond im Blumenparterre herstellen sollen. Die Türken sind aber ausgeblieben. (Wegen der Irakgeschichte und des Angriffes auf Syrien  ?) – Eine große Demonstration, die auf dem Heldenplatz bei demselben Anlaß hätte stattfinden sollen, mußte unterbleiben, die Rundfunkleitung blieb aber noch einige Tage stehen. Die Parteileute waren konsigniert und die Straßenbahn hatte den Auftrag, den Verkehr um Mittag zu verstärken, um die Leute schneller heranzubringen. Es geht also verschiedenes schief und 673 Almut Schöningh (1904–1991).

12. 6. 1941

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darüber unterhalten sich die Leute mit einer gewissen Schadenfreude. Wir sollen fleischlose Wochen bekommen. 12. 6. 1941  : Gerüchte, daß deutsche Truppen doch schon in Rußland und in Spanien seien. Große Verluste unter den aus der Ostmark stammenden Soldaten, Untergang des großen Transportschiffes in der Adria. In der Ausstellung »Kampf um Wien« hörte mir auch 2 Führungen an, das Ganze ein reines Agitationsunternehmen, das nicht von besonders geschickter Zusammenstellung und Einwirkungskraft ist, ziemlich roh und nicht geschichtsgetreu. Der Gesandte Franckenstein wird von einem ganz fremden Menschen dargestellt. Lueger habe das Schönererprogramm einfach übernommen und ausgebildet  ; das mußte man sich alles anhören. Man bekommt eine recht ärmliche Vorstellung von der Kraft der Bewegung. Anschließend – und das ist die Hauptsache – nimmt ziemlich viel mehr Raum ein als die eigentliche »Kampf um Wien«-Ausstellung – das Wirken der Partei in ihren verschiedenen Ausschnitten, ihrer Geschichte, Eroberung von Berlin, die großen Bauten des Führers, die technischen Fortschritte auf verschiedenen Gebieten, wie überall auch hier viel Schmuck mit fremden Federn. 13. 6. 1941  : Sektionschef Dr. M.674 war eben mit dem Grafen Brusselle675 beisammen, dem im vorigen Jahr das Bad Gleichenberg weggenommen wurde. Wegen angeblich legitimistischer Gesinnung war er aufgefordert worden, es herzugeben. Als er daraufhin mit einem Dr. Rosenkranz676 aus Berlin, der sich dafür gemeldet hatte, verhandelte, wurde er vom Lande Steiermark aus den Verhandlungen ausgeschaltet mit dem Bedeuten, daß das Land den Hauptteil davon haben müsse. Als er sich zu wehren versuchte – er gibt offen zu, daß er Legitimist sei –, wurde ihm gesagt, dann werde man brutale Mittel anwenden. Schließlich gab er bei und erhielt die Mitteilung, daß sein Anteil 50.000 Mark sei, die ihm bis heute noch nicht ausgezahlt wurden. Der wirkliche Wert des Bades dürfte weit über 2 Millionen Mark hinausgehen, Rosenkranz richtete sich eine 6-Zimmer große Ordination und Wohnung ein und fährt oft mit Frau und Tochter677 im Schlafwagen I. Klasse nach Berlin auf Kosten des Bades. Er hat einen Stellvertreter namens Wassermann bestellt, der wieder einen Tennistrainer engagierte, dem er 400 Mark monatlich zahlt. Nach einiger Zeit wurden beide, Wassermann und Trainer, von der Gestapo abgeholt, weil sie miteinander in Verkehr 674 Josef Müller (1875–1962). 675 Im Typoskript durchgehend  : Brussel  ; Alfred Brusselle-Schaubeck. 676 Im Typoskript durchgehend  : Rosenberg. 677 Nicht zu eruieren.

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gestanden waren. Dann wurde Vertreter ein Dr. Anger, der ebenfalls bald von der Polizei abgeholt wurde. Der wieder war gar nicht Doktor, sondern nur Mediziner, dafür mehrfach vorbestraft. Ein Kurdirektor wurde aus Oberschlesien678 bezogen, der 1.800 Mark monatlich bekam. Brusselle-Schaubeck hatte im Jahre 1938, das ein sehr schlechtes Jahr war, mit 19.000 Mark Überschuß abgeschlossen. Im Vorjahr, das ausgezeichnet gegangen war, mußte das ganze Personal gekündigt werden, weil kein Geld zum Zahlen da war. 15. 6. 1941  : Beim Fußballmatsch Kroatien – Österreich. Im Ganzen doch eine ermüdende Angelegenheit. Die preußischen Märsche blieben unbeachtet. Wenn die österreichischen gespielt wurden, wie die Deutschmeister, Egerländer, Prinz Eugen, wurde noch während des Spiels wütend geklatscht. Ich sah aber auch, daß die Massen ein gefährliches Tier sein können, immer bereit loszugehen. 16./17. 6. 1941  : Der Rundfunk bringt mit großem Tamtam, Fanfaren usw. die Nachricht von der Abwehr eines englischen Angriffs auf die Kanalküste und dem Abschuß von 15 englischen Flugzeugen. Man wundert sich, warum das an die große Glocke gehängt wird und macht sich darüber Gedanken. Damit wird die Öffentlichkeit nicht erwärmt und sicher gemacht, denn die Engländer fliegen doch jetzt jeden Tag nach Westdeutschland ein und richten böse Verheerungen an, mag der Tagesbericht noch so sehr viele Einflüge bagatellisieren. – Die deutschen Konsuln und verschiedene deutsche Inter­ essenvertretungen in Amerika wurden vorgestern ausgewiesen und die deutschen Guthaben wurden für eingefroren erklärt und sollen jetzt angeblich auf die Besitzertitel durchleuchtet werden. Einige Millionen sollen nicht rein kommerziellen und privaten Zwecken dienen. – Gesandter Sommaruga bei mir, erzählt, die Schweden wollen aus dem Kriege draußen bleiben. Deutscherseits ist sowohl bei ihnen wie in Finnland ein Durchzugsrecht gesichert worden für den Transport von deutschen Truppen in Nordnorwegen. – Hitler soll also doch vor 3 Wochen hier gewesen sein, als man im Belvedere einen Empfang vorbereitet hatte, und soll wütend abgereist sein. 18. 6. 1941  : Beim Ordnen von Büchern im Staatsarchiv kommt ein Dr. Borodajkewycz an mich heran und erzählt, daß er über den Versailler Vertrag Vorlesungen halte und außerdem an dem Weißbuch über den Anschluß arbeite, alle amtlichen Akten gelesen und sehr viele Leute gefragt habe, außerdem in das Material Einsicht genommen habe, 678 Nicht zu eruieren.

22. 6. 1941

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das die SS für den Schuschnigg-Prozeß bereit gehalten hatte. Minister Glaise-Horstenau hätte die Einbegleitung schreiben sollen, hätte es aber abgelehnt, weil es für ihn mißlich gewesen wäre. Er habe kürzlich den Präsidenten Miklas fragen müssen und wollte dasselbe bei mir tun, um zu erfahren, wer die Anregung zu der von Schuschnigg angeordneten Abstimmung gegeben habe. Dies sei noch immer nicht genau festgestellt. Es sei gesagt worden, die Anregung sei von französischer Seite gekommen. Herr v. Papen, darüber befragt, habe gesagt, daß er auch davon gehört hätte, dies aber nicht für richtig halte. Man habe gesagt, daß Guido Schmidt diese Behauptung aufgestellt habe, aber vielleicht habe er das nur getan, weil er von sich ablenken wollte. Ich sagte, ich hätte nichts davon gehört. Borodajkewycz erzählte weiter, vom Auswärtigen Amt sei eine Weisung ergangen, die Italiener möglichst zu schonen, und es sei überhaupt noch nicht sicher, ob das Buch, nachdem der Prozeß Schuschnigg abgeblasen worden sei, überhaupt herausgegeben werden würde. 22. 6. 1941  : In der Nacht Kriegserklärung an Rußland. Die deutsche Proklamation ist eine formale Entschuldigung dafür, daß man sich überhaupt mit Rußland in ein Vertragsverhältnis eingelassen habe, aber man sei dazu durch die Umstände gezwungen worden, jetzt, nach dem offenkundigen Verrat Rußlands, das seit Monaten gegen Deutschland rüste, in Rumänien den Putsch angezettelt, die Serben zum Losschlagen aufgehetzt und durch Molotow von Hitler die Zustimmung zum Einmarsch in Bulgarien, Krieg gegen Finnland und Besetzung der Dardanellen verlangt hatte, sei das Maß voll gewesen. 160 Divisionen stünden gegen Deutschland. Obwohl die Öffentlichkeit über den neuen Krieg entsetzt ist, glaube ich doch, daß die Luft gereinigt und man in Rußland tüchtige Beschäftigung bekommen wird, daß dort etwas realer herausgeschlagen werden kann, ist wenigstens das Programm Hitlers selbst, das auf Ausdehnung des Raumes geht. 24. 6. 1941  : Der Vormarsch in Rußland geht planmäßig erfolgreich vorwärts. Churchill soll in seiner letzten Wutrede gesagt haben, daß man alle, ihn, den Verbrecher und seine Helfer, alle, auch den Seyß-Inquart und den Guido Schmidt zur Rechenschaft ziehen werde. [Da tut er den beiden eine unverdiente Ehre an.] 25./28. 6. 1941  : Über den Fortgang der militärischen Operationen gegen Rußland erfahren wir nur, daß sie gutstehen. [Heute wurde gesagt, daß morgen ein Bericht gegeben werden soll.] Von K. [Karl]679 höre ich, daß der Rundfunk mehrmals daran war, etwas anzukündigen, 679 Karl Wildner.

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aber im letzten Augenblick Gegenordre erging. Man habe die Verbindung der Russen schon am ersten Tag zerstört, so daß diese selbst eigentlich nicht wissen, wie es mit ihrer Armee steht. Man will nun angeblich vermeiden, daß sie durch die deutschen Nachrichten über die Kampflage besser ins Bild gesetzt werden können. [Bei Przemyśl soll es sehr hart zugegangen sein, an der rumänischen Front sogar schlecht, dagegen im Norden sehr gut für uns. Da scheint auch die Bevölkerung viel mitgeholfen haben.] – Deutscherseits sind tatsächlich mit Molotow über eine Sonderpolitik Gespräche gepflogen worden, er hat aber alles Stalin wiedererzählt. Die Russen waren vollständig massiert an der Grenze. Flugzeuge waren an den in der Nähe der Grenze befindlichen Flugplätzen in ungeheurer Zahl aufgestellt, sie sollen beinahe zur Gänze vernichtet worden sein. Vorgestern soll ein russischer Flieger bis auf 60 km von Wien entfernt gekommen sein, wurde aber verjagt. Angeblich hat man die Absicht, nur bis zur Wolga zu gehen. Es werden aber schon Karten für Irak und für den Iran ausgegeben. – Der rumänische Staatsführer680 soll mit einer Jüdin verheiratet681 sein, der kroatische682 der Sohn einer Jüdin sein (Frank).683 In der Ukraine sollen die Felder absichtlich unvollkommen bestellt sein. Deutscherseits wurden schon Pflüge und landwirtschaftliche Maschinen beschlagnahmt und für den sofortigen Abtransport bereitgestellt. 29. 6. 1941  : Den ganzen Tag kamen Siegesnachrichten. Über 4500 Flugzeuge in nicht ganz einer Woche zerstört, ferner 1200 Tanks zerstört und über 600 Geschütze erbeutet. Weitere große Beute- und Gefangenenzahlen in Aussicht, da zwei Armeen eingeschlossen sein sollen. Manche Leute hier glauben nicht an die Richtigkeit dieser Nachrichten. 30. 6. 1941  : Man bekommt so gut wie gar nicht mehr anständige Taschnerwaren, ebenso wenig Damenstrümpfe. Der Verkauf der Hochtouristenausgabe des Deutschen Alpenvereins ist aus militärischen Gründen gesperrt. Im Gasthaus Meißl & Schadn verlangt man seit heute die doppelten Fettmarken. 1. 7. 1941  : Hudeczek hier, erzählt, man habe doch mit England wegen Frieden sprechen lassen, man habe aber dort abgelehnt. Den Engländern gehe es gar nicht so schlecht, kaum 680 Ion Antonescu (1882–1946). 681 Maria Antonescu (1892–1964)  ; jüdische Wurzeln konnten nicht eruiert werden. 682 Gemeint  : Slavko Kvaternik (1878–1947). 683 Marija Kvaternik, geborene Frank, Mutter von Slavko Kvaternik.

1. 7. 1941

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3 % der Häuser von London seien zerstört, die übrigens zum Teil wieder aufgebaut seien, die Verpflegung soll mindestens so gut sein wie in Deutschland. Die Blockade werde auf die Dauer unangenehm sein, aber nicht den Ausschlag geben können. Die Russen hätten keine unmittelbaren Angriffsabsichten gehabt, sie wollten weiter abwarten, aber vorläufig alles bereitstellen. Daher seien die meisten und besten Truppen in der Nähe der Grenze und seien auch die Flugplätze in der Nähe angelegt worden. Ihr Plan sei offenbar gewesen, daß die deutschen Truppen weiter verzettelt werden, und sie wollten die Invasion, mit der als sicher gerechnet werde, abwarten. Erst beim Eintreten der Rückschläge und des amerikanischen Kriegseintritts wären die Russen losgebrochen. Sie hätten natürlich gewußt von der Vorbereitung des deutschen Angriffs, hätten ihn aber nicht so rasch erwartet. Die Gesandten wurden um 4 Uhr früh für die 2 Stunden später beginnende Besprechung bei Ribbentrop geweckt. Die Luftgeschwader waren aber schon im Morgengrauen losgefahren und dem russischen Botschafter684 wurde noch später Mitteilung gemacht. Die Deutsche Botschaft ist in einem Zug untergebracht und wird nach Persien befördert werden. Die Organisation der neuen Verwaltung Rußlands soll bis in die Einzelheiten vorbereitet sein. Rosenberg will die oberste Leitung übernehmen und soll sich 9000 Leute vorbereitet haben. Für jede einzelne große russische Fabrik ist bereits der Apparat für die Wiederaufnahme des Betriebes oder sonstige Behandlung bereitgestellt, ebenso für die landwirtschaftlichen Betriebe. Wahrscheinlich werde man bis zum Ural vorgehen und man glaube, daß man Mitte August so weit sein werde, dann aber käme die Invasion. Die neuen Gesandten, die im Südostraum bestellt worden sind, sollen ausnahmslos Süddeutsche sein, sehr guten Eindruck machen und sich auch bisher gut bewähren. Beckerle kommt aus Stuttgart, Kasche war SA-Oberführer in Hamburg. Der Umsturz in Kroatien ist von Offizieren der alten österr.-ungarischen Armee durchgeführt worden, Pavelić mit seiner Ustascha kam erst später. Weder er noch sie haben Wurzeln und Unterstützung im Volk, wo die Mačekleute dominieren. Man hat aber mit der erforderlichen Arbeit eingesetzt und glaubt, sich bald einen genügend starken Anhang verschaffen zu können. Bei der Vorbereitung des Umbruches in Agram spielte, wie seinerzeit in Wien, Prag und Preßburg, der Dr. Veesenmayer wieder eine große Rolle. Er hatte sich dort einige Wochen vorher aufgehalten und wird anscheinlich immer für derartige Arbeiten eingesetzt. General Glaise-Horstenau ist jetzt in Agram Kommandant der dort befindlichen deutschen Truppen, auch er scheint dort eine gewisse Rolle dank seiner militärischen Bekanntschaften gespielt zu haben. Ratgeber von Pavelić ist übrigens jetzt der Veesenmayer, der sich aber schon für eine neue Aufgabe bereithält. Die Kroaten wollen sich aber unbedingt am russischen Feldzug beteiligen, man ist aber da in einer gewissen Verlegenheit, weil sie ja nicht geschult sind. Bezüglich der Ungarn wird vermerkt, daß 684 Vladimir G. Dekanosow (1898–1953).

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sie als letzte sich der deutschen Campagne gegen Rußland angeschlossen haben. Sie dürften sich auch da sehr zurückhalten, wie sie es im Feldzug gegen Serbien getan haben, von den dort vorgekommenen Verlusten von 40 Mann kamen 22 auf einen Unfall. Horthys Frau685 ist zu einem Viertel jüdisch, bei Pavelić scheint auch etwas nicht zu stimmen,686 ebenso bei Kvaternik.687 – Die deutsche Versorgungslage ist gar nicht glänzend und dürfte sich zum Winter weiter verschlechtern, weil aus den besetzten Gebieten nie wesentlich stärkere Vorräte herausgeholt werden können. Den Serben hat man Lebensmittel zuschieben müssen. – Die hier etablierte Südost-Gesellschaft, die unter Heinrichsbauer, einem Redaktionskollegen des Reichsministers Funk, beansprucht hatte, daß die Südostpolitik mit Wien gemacht und die Wirtschaftspolitik für den Südosten überhaupt nur in Wien geführt werde, bekam von Ribbentrop eins aufs Dach und Heinrichsbauer wäre beinahe ganz abgesägt worden. Das Reichswirtschaftsministerium setzte sich auch zur Wehr und Heinrichsbauer wurde so gesetzt, daß er nur mit dem mitteleuropäischen Wirtschaftsverein und dem Orientverein wetteifern kann. Schirach scheint sich etwas zu früh und zu stark für den Verein eingesetzt zu haben. – Wieder neue Verhaftungen von Intellektuellen, Beamten und Anwälten. [3. 7. 1941  : … K.688 unter dem Eindruck der Stalin-Rede und die fortgesetzten Nachtanflüge der Engländer, die mit mehreren hundert Apparaten anfliegen.] 4. 7. 1941  : Flaue Stimmung. Symptome, hervorgerufen durch die Rede Stalins und die fortgesetzten Nachteinflüge der Engländer sowie durch die reservierte Fassung der Heeresberichte. Goebbels hat sich veranlaßt gesehen, eine lange Notiz über seine Ahnentafel veröffentlichen zu lassen, [wonach er seine Abstammung auf zwei Jahrhunderte rheinische Bauerngeschlechter nachweisen kann – die Veröffentlichung ist offenbar erfolgt, weil immer wieder behauptet wird, daß er nicht ganz arisch aussehe – lediglich Arbeit – müde.] 5. 7. 1941  : Pogatscher glaubt, daß die Ungarn wegen der Rede des Antonescu sich es anfangs überlegt haben, ob sie auch losgehen sollen. – Der Klostersturm der Nazi geht wei685 Magdolna Horthy (1881–1959). 686 Maria Pavelić (1897–1984), Ehefrau von Ante Pavelić, geborene Lovrenčević. Sie hatte eine in Wien geborene Jüdin als Mutter  : Ivana Lovrenčević (1859–1942), geborene Herzfeld. 687 Siehe Eintrag vom 25./28. 6. 1941. 688 Karl Wildner.

6. 7. 1941

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ter, jetzt wollen sie auch die Schotten vertreiben, um daraus eine Musikschule zu machen. 6. 7. 1941  : Las in den »International Affairs«, London, aus dem Jahre 1936, zwei Aufsätze, der eine von einem Dr. Gessner689 mit sehr unfreundlichen Bemerkungen über Österreich, das er als Weltparasit bezeichnet (scheint ein sudetendeutscher Sozialist zu sein), starke Angriffe gegen die Klerikalen usw., der andere Aufsatz von Seton-Watson, der die Lebensfähigkeit Österreichs bejaht, es auch als eine Beute der Nazi ansieht, wenn nichts geschieht, vor allem seitens Englands. Schuld der Heimwehr, für die Donaukonföderation, gegen die Habsburgrestauration, stellt u. a. die Behauptung auf, daß die zahlreichen Ehrenbürgerernennungen der Tiroler und anderer Gemeinden, die den Otto690 betreffen, stark eine Nazimache waren, um Vorwand zur Beschleunigung aktiver Maßnahmen gegenüber Österreich zu schaffen. 7. 7. 1941  : [Duda wieder aufgeregt wegen eines angeblich gestern verlesenen Hirtenbriefes.] Hirtenbrief der deutschen Bischöfe, die das Ärgste befürchten, wie Kirchenschließungen usw. Mitredner befürchten sogar, daß der Austritt aus der Kirche von den Beamten verlangt werde. [Ausgerechnet jetzt, wo der Kampf gegen den Bolschewismus geführt wird, sollte man sich mit solchen Gedanken tragen und sie in die Tat umsetzen wollen  ? Ob die Bischöfe da nicht wegen der Klosteraufhebungen etwas vorgeprellt sind, um bessere Erklärungen zu erhalten – Gewitterstimmung – müde.] 8./12. 7. 1941  : Gebirgswanderung nach Mariazell. In der Hütte auf dem Kieneck wurde mit »Habe die Ehre« gegrüßt, einer der Gäste, ein Kinooperateur, beklagte sich, früher habe er 1.000 S im Monat gehabt, jetzt verdiene er nur 58 Mark in der Woche. Auf dem Gscheid vor dem Zeller Steig und Neuwald ein Gespräch mit einer Wirtsfrau, die meinte, es könne gar nicht so bleiben, wir würden wieder getrennt werden. Auf meine Frage nach dem früheren sozialdemokratischen Abg. Pius Schneeberger erzählte sie, er und seine Frau691 hätten bei der großen Abstimmung offen weiße Stimmzettel abgegeben, wobei er laut sagte, er müsse sich das Walten des Nationalsozialismus erst ansehen. Er sei wieder Holzfäller geworden. – Bei der Ankunft in Wien erfahre ich, daß in Klagenfurt 500 Personen verhaftet worden seien und ein Standgericht aus Berlin erwartet werde. 689 John Mars (eigentlich  : Hans Materschläger) (1898–1985)  ; Pseudonym  : »Rudolf Gessner«. 690 Otto Habsburg. 691 Anna Schneeberger (1903–1985).

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15. 7. 1941  : K.692 erzählt, daß Petersburg und Kiew wahrscheinlich schon in unserer Hand seien. Da scheint die militärische Berechnung doch zu rasch zu gehen. Wie in Frankreich seien jetzt eigene Auswertungsabteilungen aufgestellt, die alles Gold, Silber, Platin und sonstige Wertsachen gegen Bestätigung requirieren. – Am Fenster der hiesigen Gastwirtschaft Andre,693 Ecke Marxergasse–Rasumowskygasse, hängt seit Montag ein Zettel, gerichtet an die Herren Chauffeure  : »Am 11. 7. ist bei der Fahrt im Autotaxi (über Gauhaus nach XIX., Hofzeile) ein roter Damenseidenschirm vergessen worden. Abzugeben gegen anständige Belohnung im Gasthaus. Prof. Josef Weinheber, Wien III., Rudolf v. Altplatz, jetzt Kirchstetten.« Daß der sich nicht geniert  ! Er ist also mit der Frau den Weg gefahren, wohin man leicht mit der Elektrischen kommen kann. Das Endziel war wahrscheinlich ein Heuriger. Am Tag vorher regte sich der Lokalberichterstatter Schödl, der sonst in der heftigsten Weise gegen Volksschädlinge beim Erstehen und Kartenmißbrauch aufzutreten pflegt, darüber auf, daß sich ein Chauffeur am Schwarzenbergplatz geweigert habe, ihn zu einer Sitzung im Propagandaamt in der Reisnerstraße zu fahren (zu gehen etwa 12 Minuten). So sieht also bei Schödl und bei Weinheber die Volksgenossenmoral aus  ! 16./17. 7. 1941  : Sizzo-Noris getroffen. Er erzählt, daß Ruber in Düsseldorf sich befinde, wohin die hiesigen, in politische Prozesse befangenen Häftlinge gebracht würden, um hier Platz für die Kommunistenprozesse zu machen. 18. 7. 1941  : Harte Kämpfe an der Stalinlinie im Gange. Dieser Tage wurden hier mehrere Telephonhäuschen gesprengt. Die Polizei bittet um Bekanntgabe etwaiger Einzelheiten für weitere Nachforschung. Sizzo-Noris erzählte gestern noch, in Italien, wo er eben wieder eine Zeit war, verliere der Faschismus immer mehr vollständig den Boden, der Duce694 werde nur von Adolf695 gehalten, der seinerseits oft genug für den Duce die deutschen Dienststellen zu stärkerem Entgegenkommen gegenüber Italien veranlassen müsse. Alle Leute stünden unter dem Eindruck der Niederlagen, der Faschismus habe eben vollständig versagt, über 500.000 Kriegsgefangene, nicht zu reden von den Toten und Kranken. Die Gefangenen kommen nach Indien, wo schon Krankheiten, wie Typhus, ausgebrochen seien, die Angehörigen erhielten wenig Nachrichten. Wenn der Krieg gut ausfalle, werde Italien ein bloßes Gefolge von Berlin. 692 Karl Wildner. 693 Inhaber war Michael Andre. 694 Benito Mussolini. 695 Adolf Hitler.

21./22. 7. 1941

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Im anderen Falle ergäbe sich eine ebenfalls schlechte Situation. Die Lebensmittelversorgung sei nicht schlecht, Preissteigerungen. Starace, der frühere Parteisekretär, sei abgesetzt und sein Millionenvermögen beschlagnahmt. Das Gerede von den drei Befestigungslinien, die gegenüber Deutschland angelegt wurden, sei falsch. Man sei sich darüber klar, daß der Deutsche gegebenenfalls in 3 Tagen in Mailand sein würde, und dann wäre alles aus. Der Duce dürfe sich in Mailand nicht zeigen. Man kolportiere, daß der Negus696 telegraphisch den König von Italien697 aufgefordert habe, den Titel eines Kaisers von Abessinien abzulegen, täte er das nicht, würde er, der Negus, den Titel eines Königs von Italien annehmen, denn er habe gerade so viel Recht an Italien wie der König von Italien an Abessinien. [In Tobruk sollen 3.000 italienische Gefangene sein, weswegen man angeblich nicht energisch gegen die Stadt vorgehen kann – in Abessinien wurden 20 Divisionen = 300.000 verloren – überall versagt, in Griechenland besonders, dort Verpflichtung, Griechenland mit Lebensmitteln zu versorgen.] 21./22. 7. 1941  : Die meisten Telephonhäuschen, die nicht von der Polizei oder sonstwie jeden Augenblick kontrolliert werden können, sind gesperrt. – In Münster sind 400 Häuser zerstört. Wiederum sehr viel neuer Zufluß von Frauen hier in Wien. Heute setzten sich an meinen Tisch zwei Hiesige, die ihrer Wut gegen das jetzige Regime offen Ausdruck gaben. 23. 7. 1941  : Sizzo-Noris behauptet, erfahren zu haben, daß Abessinien zur Kronkolonie mit dem Negus698 als Herrscher erklärt werden soll. Gerüchte, daß die Engländer einen Angriff auf Italien planen. Der deutsche Vormarsch geht langsam weiter. Große Umzingelungsbewegungen. – Roosevelts Bild als Freimaurer, und was in einer norwegischen Loge aufgefunden wurde, ist veröffentlicht. 25. 7. 1941  : Pessimistische Gerüchte über die Lage. Die deutschen Verluste sehr groß, werden immer stärker, auch der Zustrom von Verwundeten [und die Gefallenenliste,] davon sehr viele aus Österreich. Vor allem haben wieder die Gebirgsjäger dran glauben müssen. Die Gegenpropaganda nimmt zu, vor allem mit Benützung eines offenbar gut getarnten Senders, der u. a. kürzlich meldete  : »Große Schiebungen mit Lebensmittelkarten durch die {unleserlich}. Ferner Schiebungen mit Mineralöl für die Industrie, 696 Haile Selassie I. (1892–1975). 697 Viktor Emanuel III. (1869–1947). 698 Haile Selassie I. (1892–1975).

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das von den Reichsbahnen abgegeben wurde.« Hiebei wurde ein Kaufmann Schuster in der Stadiongasse genannt, der wirklich existiert. [Der Guerillakrieg in Polen geht weiter.] 28. 7. 1941  : Las die Berichte der letzten 3 Wochen. Nach dem Heeresbericht vom 12. 7. standen nordöstlich des Dnjestr die deutschen Truppen dicht vor Kiew und heute haben wir noch nicht gehört, was bei Kiew los ist. Immer wieder kommen Verwundetenzüge. General Blazowski699 soll nicht mehr Gruppenkommandant sein. 1. 8. 1941  : Die Einkreisungskämpfe sind weiter im Gang. Die Russen wehren sich sehr hartnäckig. Bei einer Kompanie 200 Tote, bei der deutschen 20. 3. 8. 1941  : Sprach am Abend in Floridsdorf mit einem alten Rentner, der meinte, es werde immer schlechter werden, wir essen uns alles auf und die Besserung würden wir nicht mehr erleben. 4. 8. 1941  : Abgesandte der Partei sollen jetzt in den Häusern feststellen, wer in die Kirche geht, wer Besuch von Geistlichen empfängt und mit ihnen viel verkehrt. – Die Berichterstattung über den russischen Feldzug erweckt weiterhin Unbehagen, vor allem stoßen sich die Leute an den merkwürdigen Redaktionsbemerkungen, das Hin-undher-Gerede, das natürlich auf militärische Direktiven zurückgeht. 5. 8. 1941  : Las in der Nationalbibliothek im Jahrgang 1915 der »Neuen Freien Presse«. War das früher auch während des Krieges ein Vergnügen, eine Zeitung zu lesen. Was da alles breit darinnen stand  ! 6. 8. 1941  : Heute kamen endlich die lange vermißten Nachrichten, beinahe 900.000 Gefangene, ein Mehrfaches davon an Toten, 13.000 Panzerkraftwagen, über 10.000 Geschütze und über 9.000 Flugzeuge. Alle Zahlen gerechnet seit Beginn der Offensive. Die Schlacht von Smolensk ist dem Ende nahe, die in der Ukraine noch im Gange. Die Russen werden sich weiter wehren. [Vielleicht aber sagt sich Stalin, daß aus der englischamerikanischen Hilfe nichts herausschaut und macht Schluß – für mich allein.] 699 Nicht zu eruieren, wahrscheinlich eine unrichtige Schreibweise.

7./8. 8. 1941

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7./8. 8. 1941  : Unterhaltung mit Sizzo-Noris und Graf Toggenburg. Letzterer erzählt Geschichten, wieder, daß Himmler Justizminister werden soll, daß GK Wiedemann behauptete, es würden die Amerikaner ganz ernst losgehen und alles besetzen wollen. 9./10. 8. 1941  : Das Militär muß sich mit den hiesigen Parteiortsgewaltigen streiten wegen der Überlassung von Gebäuden für die Verwundeten. Die Parteileute benehmen sich sehr schäbig, ganz im Gegensatz zum Verhalten ihrer Kollegen in Bayern und anderswo. Nur das Horst Wessel-Studentenhaus wurde von der Leitung gleich freigegeben und der betreffende Funktionär sagte von selber  : »Warum nehmen sie nicht die Parteihäuser, vor allem jenes am Schwarzenbergplatz, wo sich die Leute überflüssig breit machen.« – Bei den Polizeiämtern sind noch immer Plakate zur Werbung von Leuten für die SS-Verfügungstruppe angeschlagen, in denen in sehr marktschreierischer Weise Propaganda gemacht wird. Diese Verfügungstruppen unterstünden der Wehrmacht nur operativ und strategisch, hätten sich im Felde glänzend bewährt, seien mit den besten, modernsten Waffen ausgerüstet und hätten die Aufgabe, für den Führer im Frieden und im Krieg sich zu bewähren und zu stärken. Den Militärs wurde kürzlich erklärt, daß sie nur dazu da seien und ausgebaut würden, um gegen innere Aufstände verwendet zu werden, gegen die man das Militär nicht einsetzen wolle, da das Militär gegen die eigenen Leute nicht verwendet werden wolle, also ist das nicht nur eine eigene Augenauswischerei, und zwar eine sehr blöde, sondern auch sehr ungeschickte, weil dadurch indirekt zugegeben wird, daß es mit der Haltbarkeit der inneren Front nicht so weit her ist. Dabei scheint das Militär, das diese Formationen immer mehr als Konkurrenz empfindet, die sehr ungeniert für sich Reklame macht und im Rundfunk und in der Presse machen läßt, nicht zu wissen, daß es schon Generalleutnants der SS-Verfügungstruppe gibt. Im Rahmen der SS-Verfügungstruppe werden auch die ausländischen Hilfskontingente, die Hitler als Führer der Germanen den Eid schwören, im Kampf gegen Rußland verwendet. [… aus den Frontberichten des Rundfunks geht hervor, daß der Kampf in Rußland sehr schwer ist und langsamer vorwärts geht, als man angenommen hat.] 11. 8. 1941  : Die Bibliothekarin im Staatsarchiv700 erzählt, sie sei im vorigen Monat in der Slovakei gewesen, wo sie per Tag 15 dkg Brot bekommen, eine Zeitlang bekamen sie überhaupt kein Brot.

700 Hilde Rothe (1893–1967).

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12. 8. 1941  : Klagen, daß auf dem Lande der Obstverkehr so streng kontrolliert werde. Zwangsmaßnahmen wegen Abfuhr von Eiern. Allgemeine Überzeugung, daß die Ernährungsverhältnisse sich in der nächsten Zeit, und schon gar im Winter, wesentlich verschlechtern werden. 13. 8. 1941  : Beim Abendgottesdienst in der Dornbacher Kirche, 16 Beter und 4 Geistliche, offenbar Benediktiner aus den aufgehobenen Abteien. – Im Hause wurden gestern und vorgestern die Wohnungen der Juden durchgesucht durch Parteileute, die sich überall verschiedene Übergriffe leisteten. Sie nahmen auch Lebensmittel weg. 16. 8. 1941  : Vom Osten werden bereits Abteilungen zurückdirigiert, nicht nur solche, die behaupten, daß sie nur Reserve waren und gar nicht eingesetzt wurden. 17. 8. 1941  : Gespräch mit Generalstabshauptmann K.,701 der behauptet, es gebe nur 2–3 SS-Verfügungsdivisionen. Ob das nicht sehr unterschätzt wird  ? Die SS wollen ja hier sogar eine Standortkommandantur errichten. Mir kommt vor, daß dahinter mehr steckt und das Militär wieder den Kürzeren ziehen wird. Nicht umsonst bringt der Frontbericht immer wieder Mitteilungen der Frontberichter über die SS-Truppen. 19. 8. 1941  : Nach Kapfenberg gefahren, nur mit Verspätung vorwärtsgekommen, weil bis Wr. Neustadt durch Truppenzüge aufgehalten. Konnte nicht erkennen, in welcher Richtung sie fuhren. Im Mürztal alles beflaggt, zum größten Teil waren es die Kreta (?)-Truppen, die zurückgekommen waren. [21. 8. 1941  : … am späten Nachmittag wieder in Wien – am Abend mit Sizzo, der aber nichts zu erzählen wußte.] [22. 8. 1941  : Die SS Verfügungstruppe scheint mir doch etwas stärker zu sein, als es vom Militär dargestellt wird – warum wird sie in den Berichten immer wieder ausgestrichen  ? Es sind gewiß mehr als 2–3 Divisionen – Duda  : Nichts besonderes – die alten Geschichten.]

701 Nicht zu eruieren.

23./24. 8. 1941

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23./24. 8. 1941  : Die Dinge gefallen einem nicht. Es scheint wieder etwas los zu sein. Sizzo-Noris meinte heute, ob nicht im Mittelmeer eine neue Diversion von den Engländern versucht werde. Warum müssen sich jetzt die Kroaten am militärischen Schutz von Dalmatien beteiligen  ? Offenbar, weil die italienischen Truppen nicht mehr ausreichen. 25. 8. 1941  : Nach Reichenberg gefahren. Im Coupé traf ich den Domkuraten Dr. Rudolf, der nach Maria-Schein, Aussig und Leitmeritz reiste, um auf Einladung Schulungen für Geistliche zu halten. Man war mit den aus dem Altreich berufenen Vortragenden nicht besonders zufrieden, so daß die Verbindung mit Wien wieder nicht nur aufgenommen wurde, sondern jetzt angelegentlich gepflegt wird. Dr. Weinbacher ist in Haft, weil er von einem Legitimisten gemachte Mitteilungen für sich behalten und nicht angezeigt habe, also ein ähnlicher Fall wie Sekt. Chef Ruber. Bei Fried scheint mehr vorzuliegen, aber auch in der gleichen Richtung. Er ist in Regensburg, kann für sich Messe lesen und wissenschaftliche Bücher beziehen. Wir sprachen des Näheren über das Wesen Frieds und Rudolf meinte, er kümmere sich zu sehr um Dinge, die ihn nichts angingen und mache Geschichten. Der Dominikaner Diego Goetz sei wegen des großen Zuspruchs, die seine Predigten hatten, aus Wien verwiesen worden. Hollnsteiner habe sich nicht geniert, als Kommissär in St. Florian anzutreten, wo er die Gelübde abgelegt hatte. Er sei verheiratet und erwarte Nachkommenschaft. Prof. Winter702 – und das war für mich ganz neu – habe ebenfalls geheiratet und habe schon ein Kind. Rudolf meinte, daß eine Psychose vorliege. Graf Galen in Münster habe eine heftige Äußerung gegen die Geheimpolizei losgelassen und Durchschläge an alle Reichsminister gesendet, auch an Himmler, dessen Amt er in der schärfsten Weise angriff wegen der Behandlung der Klöster usw. Bisher sei ihm nichts geschehen. Jeder deutsche Bischof, der den letzten Hirtenbrief unterzeichnet hatte, habe ein Rügeschreiben von Minister Kerrl bekommen, der darin sagte, daß man von den Bischöfen, gerade da der Kampf gegen den Bolschewismus begonnen habe, eine andere Äußerung erwartet hätte. Für Schmitz703 hätte sich sein Bruder704 eingesetzt, der eingerückt ist und der von der Geheimpolizei eine bessere Behandlung und die Freilassung seines Bruders verlangt hätte, dies auch mit dem Hinweis auf die militärische Einrückung der Söhne seines Bruders705 und die Tatsache, daß alle gegen Schmitz erhobenen Beschuldigungen sich als haltlos erwiesen hätten. Daraufhin habe er eine Antwort von der Gestapo bekommen, die alle diese Tatsachen zugab, aber erklärte, 702 Eduard Winter (1896–1982). 703 Richard Schmitz. 704 Hans Schmitz (1897–1970). 705 Bruno Schmitz (1912–1975)  ; Ernst Schmitz (1918–1985).

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daß Schmitz während des Krieges nicht freigelassen werden könne, er werde aber eine bessere Behandlung erfahren. Mittlerweile werde er zum Gärtner ausgebildet. Dr. Rehrl sei freigesprochen worden. Er soll sich sehr energisch, beinahe losgängerisch gewehrt haben. Der Staatsanwalt, der gegen ihn 2 Jahre beantragt und angeblich behauptet habe, daß er hiezu Auftrag habe, habe ihm auf die Frage, worauf sich dieser Auftrag gründe, nicht antworten können. Rudolf ist auf Schuschnigg nicht gut zu sprechen. Dollfuß habe Schuschnigg nicht als Nachfolger haben wollen, und zwar wegen seiner charakterlichen Eigenschaften. Er sei eigentlich ein schwacher Mann. Den Abstimmungsplan habe er aus sich selbst gefaßt, Ender habe ihm davon abgeraten, weil der psychologische Moment verpaßt sei. Die richtige Gelegenheit wäre im Jahre 1934 gewesen. Auf meinen Vorhalt, wieso Schuschnigg die FuggerCzernin706 heiraten konnte, derselbe Schuschnigg, der das Konkordat gemacht habe, erwiderte Rudolf mit Hinweis auf den Bischof Waitz in Salzburg, der die Dispens erteilt hätte. Die Ehe sei als ungültig bezeichnet worden wegen vis et metus.707 Sie habe dem Schuschnigg eingeredet, daß nur er sie retten könne. Sie sei in Sünde verstrickt, fühle sich verdammt, die Sünde liege in der Familie. Rudolf sprach so, als ob er die gleiche Ansicht über sie hätte wie die Leute, die die Familie kennen. Sie sei sexuell schwer belastet. Im Übrigen ist Rudolf zuversichtlich, gewisse Elemente in der Partei treiben auf die Zuspitzung des Konfliktes mit der Kirche, sie dürften aber nicht mehr dazu die Zeit haben. Für die weiter zu befolgende Kirchenpolitik ist Rudolf für die Freie Kirche im Freien Staat. Die bisher von Österreich verfolgte Politik sei doch falsch gewesen, nur mit der Verinnerlichung des Glaubens – also seine seit jeher befolgte Methode – könne der Kirche geholfen werden. Rudolf meinte noch, er hätte Äußerungen eines österr. Eisenindustriellen vernommen, der für die Zukunft sehr besorgt sei, nicht nur hinsichtlich der Kriegführung, sondern auch der weiteren Entwicklung. Selbst Schoeller708 soll dieser Ansicht sein nach diesem Gewährsmann, der schon viel Wasser in seinen Wein gegossen habe. Im Übrigen hielt er Rudolf Schoeller – so wie ich – für geistig minder begabt. 26. 8. 1941  : Bei Kl.,709 die viel englisch träumt und demgemäß eingestellt ist. Übrigens soll auch bei den Militärs und sonstwo sehr viel englisch geträumt werden. Die Leute machen sich keine Illusionen, sehr große Verlustziffern, hier liegen die Verwundeten schon auf den Gängen. Das Kapuzinerkloster wurde für Privatwohnungen in Anspruch genommen. Überall große Unzufriedenheit mit stark kommunistischem Einschlag. 706 Vera Schuschnigg, geborene Czernin von und zu Chudenitz, geschiedene Fugger. 707 Vis et metus – Gewalt und Furcht als trennendes Ehehindernis. 708 Philipp oder Richard Schoeller. 709 Klara (Claire) Wildner.

27. 8. 1941

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27. 8. 1941  : Hier sind eine Menge Berliner Jungen bei Familien untergebracht. Sie werden teilweise sehr ungünstig beurteilt, sie sollen Aufpasser sein. Der Junge, der bei der Kl.710 ist, wußte gleich, wo die Gestapo ist. Ein Bekannter aus meiner Jugendzeit, W.,711 hatte neben einem Kriegsgefangenen ein Päckchen Zigaretten fallen lassen, was bemerkt und angezeigt wurde. W. wurde zuerst in ein Anhaltelager gebracht, dann vor Gericht gestellt, dort freigesprochen, dann wieder ins Anhaltelager gebracht, wo er nach wenigen Tagen angeblich an einer Infektion starb. Ein anderer Bekannter, der Buchhändler Sch.,712 der vor offenen Äußerungen nicht zurückschreckte, wurde weggebracht, das Geschäft geschlossen. Allgemeine Warnung vor Spitzeln und Angebern. In ein Papiergeschäft kommt vor mir ein Altreichler, verlangt Briefpapier, es werden ihm 5 Pakete vorgelegt, er will sie alle 5 gleich mitnehmen, die Verkäuferin erhebt Einspruch und sie einigen sieh auf die Hälfte. Er bemerkte dazu  : »Hier kriegt man noch etwas, bei uns schon längst nichts mehr.« 30. 8. 1941  : Dr. Feistner getroffen. Er macht kein Hehl aus der tiefen Enttäuschung, die hier herrscht, wie die Abneigung, ja Haß und Verachtung, die sich das gegenwärtige Regime bei den Nutznießern, also beim größten Teil der Bevölkerung, geschaffen habe. »Wir«, meinte er, »sind doch andere Leute wie die Altreichsdeutschen, wir passen nicht zu einander.« Die im Kreis führenden Leute sind Haderlumpen. Der Leiter713 ein Fabrikenausschlächter, der Stabsleiter714 ein verbummelter Student verächtlichen Charakters, ein gewisser Rechtsanwalt Richter, der eine besonders üble Rolle spielen solle. 3. 9. 1941  : Erster Fliegeralarm. Fortwährend Schießerei der Flak, die beinahe eine Stunde bellte. In der Früh meldete der Rundfunk, daß Engländer da gewesen seien, in großer Zahl auch in Berlin. [Der Leute bemächtigt sich aber eine stille Wut …] 8. 9. 1941  : Gespräch mit Feistner, der immer wieder nur sagt, so können die Dinge nicht bleiben, die Partei als solche müsse sich ad absurdum führen.

710 Klara (Claire) Wildner. 711 Nicht zu eruieren. 712 Nicht zu eruieren. 713 Josef Porsche (1897–nach 1972). 714 Paul Illing (1904–1984).

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12. 9. 1941  : Verschiedene Geschichten über die Tätigkeit der SS-Leute gehört, von denen einzelne doch sehr eigennützige Zwecke verfolgen. Bei den Abendsendungen des deutschen Rundfunks redet der russische Sender wiederholt herein. Daher spielt immer wieder Musik dazwischen und muß der deutsche Ansager sehr schnell und ohne Pause sprechen. F.715 von Prag gekommen, erzählt, es sei dort ein Befehl verlautbart worden, daß der Militärbevollmächtigte716 im Wimpelwagen auch zu grüßen sei, wenn er in Zivil fahre. Streifen würden sich von der Befolgung des Befehls überzeugen. Vor einigen Wochen sei eine SS-Feier im Deutschen Haus gewesen, zu der 130 Auto auf dem Graben aufgefahren seien, worüber sich auch das deutsche Militär sehr aufgehalten habe. 14. 9. 1941  : In der Kirche Predigt wegen der Herausnahme des Kreuzes aus den Schulen (Fest der Kreuzerhöhung). Bei der Erwähnung der {unleserlich} die jetzt dem Kreuz an der Front und vom Militär in den russischen Gebieten zuteil wird, allgemeine Bewegung. Den Eltern werden alle möglichen Schwierigkeiten bereitet, wenn sie ihre Kinder für den Religionsunterricht anmelden. Die SA-Leute haben sich schriftlich zu verpflichten, sich weder kirchlich beerdigen noch auf dem hiesigen Friedhof zur Ruhe bringen zu lassen. Die Kinder, die in die Kirche gehen, werden gehänselt. Trotzdem halten diese Kinder aus und bestärken die Eltern in ihrem Widerstand. – R.717 erzählt von der allgemeinen Mißachtung, der die leitenden Stellen in den besseren Kreisen ausgesetzt sind. Der stellvertretende Gauleiter718 habe darüber schon Beratungen abgehalten, es will sich aber niemand für die Mitarbeit hergeben und überhaupt hat jedermann Bedenken, sich jetzt irgendwie hervorzutun. Bei Gericht hat die Rechtssprechung die Entrüstung der Scharfmacher erregt und es waren schon Beratungen mit dem Oberstaatsanwalt.719 Man mußte aber feststellen, daß man nichts machen könne, weil sowohl der Gerichtsleiter720 wie der Erste Beigeordnete721 »keinen Ehrgeiz haben«. Henlein hat ganz abgewirtschaftet  ; abgesehen von seiner geistigen und fachlichen Unzulänglichkeit, hat überall böses Blut erregt, daß er so happig auf das Geldmachen sei. Er hat die längste Zeit kontrollos 20.000 Kronen im Monat bezogen. – Der Aussiger Kreisleiter722 hat an die zum Fabrikdienst eingesetzten Hoch715 Alfred Wildner. 716 Erich Friderici (1885–1964). 717 Rudolf Turnwald. 718 Richard Donnevert (1896–1970). 719 Nicht zu eruieren. 720 Nicht zu eruieren. 721 Nicht zu eruieren. 722 Rudolf Schittenhelm (1897–1945).

15. 9. 1941

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schülerinnen eine Ansprache gehalten und sie aufgefordert, sie mögen sich den do. Fliegern zur Verfügung stellen. Der größte Teil habe es abgelehnt mit der Begründung, sie seien keine {unleserlich}, einige hätten es doch getan  ! 15. 9. 1941  : Nachmittag in einem Touristengasthaus unter dem Jeschken. Der Kellner meckerte vor allen Gästen  : »Wo ist die Selbstbestimmung, das Sudetenland braucht keine anderweitige Leitung, wir kommen mit allem, was wir haben, selbst aus. Ja, in Wien war es immer schöner gewesen, nach dem Altreich möchte ich nie hinausgehen«, usw. Dabei saß der Ortsgruppenleiter723 mitten unter den Gästen. [16. 9. 1941  : Fred724 abgereist – ging mit gemischten Gefühlen zurück, das Militär freut ihn nicht mehr – er findet, daß soviel Leerlauf ist und mechanisch verantwortungslose Arbeit – dabei überflüssige Menschen – und Materialverwendung.] 17. 9. 1941  : In Raspenau. Unterhaltung mit dem Dechant,725 der meint, es sei falsch gewesen, eine Annäherung mit dem Nazismus zu versuchen, der eine solche gar nicht wolle, sondern eben alles wolle. Aber er werde sich verrechnen. Die Soldaten, die jetzt voll religiös geworden seien, würden da nicht weiter mittun wollen. Ich bin noch nicht so sehr optimistisch. 18. 9. 1941  : Mit einem Landwirt am Hohen Berg726 gesprochen, der sich sehr rückhaltlos über die Fehler der bisherigen Politik des Regimes äußert. Der große Napoleon habe auch gesagt, daß im Himmel nur der liebe Gott zu gebieten habe, auf Erden soll es auch nur einer sein, und er habe doch schließlich auf St. Helena geendet. So könne es nicht bleiben. Mit dem Befehlen und Anordnen werde man nicht mehr weiterkommen, die Leute verlören die Lust mitzutun. Früher sei bei jeder Anordnung eine Wechselrede über die Art, wie etwas gemacht werden solle, gewesen, jetzt werde einfach anbefohlen. Viele Leute gingen einfach wortlos weg mit Ingrimm im Herzen. Die Kommunisten würden aber jetzt durch das, was sie selbst als Soldaten in Rußland sehen, geheilt.

723 Nicht zu eruieren. 724 Alfred (Fred) Wildner. 725 Nicht zu eruieren. 726 Lokale Ortsbezeichnung.

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24. 9. 1941  : Auf der Reifträgerbaude im Riesengebirge. Der Sohn einer Bekannten von oben, der bei Smolensk gekämpft und von dort verwundet jetzt hergekommen ist, erzählt furchtbare Geschichten. Die Infanterie mußte Riesenangriffe der Russen, die mitunter 7mal im Tag erfolgten und von Stukas und Panzern unterstützt wurden, über sich ergehen lassen. Sehr starke Verluste, von je 140 Mann 80 außer Gefecht gesetzt, verwundet oder gefallen. Besonders grauslich die Panzerwagen, denen die Infanterie nicht beikommen kann, welche Wagen nach Belieben in die Linien einbrachen und wieder zurückkehrten  ; wenn sie nicht durch Maschinenmängel daran gehindert wurden. Verpflegung sehr mäßig, vorher riesige Marschleistungen, durchschnittlich 40 km im Tag. Der Russe ein furchtbar sturer Kämpfer, dazu die unglaubliche, jeder Annahme spottende Besetzung mit Kriegsmaterial, Wagen, Munition. Moskau dürfte aber doch vor dem Winter fallen, Petersburg werde geschont, weil es als Basis für uns dienen solle. Andere erzählten von den englischen Luftangriffen auf Lille und Boulogne. Die Flieger in amerikanischen Apparaten, die gepanzert seien, 1–2000 m hochfliegen und sich dann herunterfallen lassen. Auch dort die Verpflegung sehr mangelhaft und schlecht. Im Feld Voreingenommenheit gegen die Sudetendeutschen, die schlecht behandelt würden. 27. 9. 1941  : Durch die Dörfer im Süden gewandert, Gespräche mit Ortsansässigen, die aus ihrer Ansicht über die gegenwärtigen Zustände kein Hehl machten, wiederum die Abneigung gegen die Leute von drüben, die uns hier schulmeistern, übervorteilen und ausplündern. Verschiedene Beispiele. 28. 9. 1941  : In einem Vortrag für Männer, gehalten von Dr. Haibach. Seiner Ansicht nach ist das, was sich jetzt im Kampf gegen die Kirche abspielt, der Ausfluß der verschiedenen Lehren, die in den letzten 200 Jahren im deutschen Volk gerungen haben. Die Aufklärung, die verschiedenen Philosophiesysteme, Nietzsche, Übermensch usw., der Kampf müsse ausgetragen werden und es zeige sich schon, daß wir auf dem guten Wege sind. Wir seien nach Bischof Galen der Ambos und es fliegen jetzt die Splitter ab, die nicht beständig und solid. Nach Äußerungen eines deutschen Gewährsmanns, der in der Lage sei, die Dinge im Altreich zu übersehen, erweise sich jetzt, daß der Ansturm schon seine Durchschlagkraft verloren habe. In Bayern lasse man sich überhaupt nichts gefallen. Dort erinnerten die Bischöfe einfach an die Versprechungen der Regierung, vom Parteiprogramm angefangen bis zur Erklärung des Gauleiters,727 daß mit der Aufhebung der konfessionellen Schule an der Einrichtung des Reli727 Adolf Wagner (1890–1944).

29. 9. 1941

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gionsunterrichts nichts geändert werden solle. Tatsächlich sind dort die Kreuze noch in den Spitälern und in den Schulen und figuriert der Religionsunterricht auf den Zeugnissen. Der Auftrag werde einfach nicht ausgeführt und der Gauleiter habe die Stichhaltigkeit des bischöflichen Vorbringens anerkannt. In Westfalen gehe es zwar jetzt bös zu, dort seien es eben Landfremde. Es wurde die Frage gestellt, warum im Sudetenland der Bischof728 sich nicht gerührt habe. Antwort  : Nun, weil er eben die Masse der Katholiken nicht hinter sich habe. »Ich«, sagte Haibach, »hätte es persönlich doch gewagt.« Man gehe hier im Sudetenland radikaler vor, weil man eben den schwächsten Punkt vor sich zu haben glaube. Glücke die Attacke, so werde man anderswo ebenfalls entsprechend einsitzen und sich auf die hiesige Wirkung berufen. Man müsse Mut haben und stolz sein auf unsere Religion. Oft werde ein einfaches Nein genügen. Aus der Zuhörerschaft kamen dann Bemerkungen, so die Frage, wer überhaupt den Auftrag für die Entfernung der Kreuze gegeben habe. Das wußte der Vortragende nicht und konnte nur sagen, daß auf ähnliche Fragen gewöhnlich mit Ausflüchten geantwortet werde. – Baron Neurath ist aus gesundheitlichen Gründen von der Führung der Geschäfte enthoben worden, an seine Stelle kam Heydrich. Es muß also etwas los gewesen sein. 29. 9. 1941  : In Prag und einigen anderen Orten Böhmens und Mährens wurde das Standrecht verkündet. Die Standgerichte können nur auf Tod oder Überweisung an die Staatspolizei oder auf Freispruch erkennen. Mehrere Hinrichtungen. 30. 9. 1941  : In Prag sind vorgestern zahlreiche Erschießungen vollzogen worden, darunter 3 ehem. Generäle.729 Der Ministerpräsident Eliáš ist verhaftet. 1. 10. 1941  : In Prag gehen die Verhaftungen weiter, auch die Todesurteile und deren Durchführung. 3. 10. 1941  : [… in den Tagebüchern der Frau von Göring gelesen …] Schauergeschichte  : In Görlitz wurden russische Kriegsgefangene wegen Ermordung eines Kutschers hingerichtet. Die anderen gruben die Leichen aus, um ihren Hunger zu stillen.

728 Nicht zu eruieren. 729 Josef Bílý (1872–1941)  ; Hugo Vojta (1885–1941)  ; František Horáček (1891–1941).

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8. 10. 1941  : Unterhaltung mit dem Konsulenten des Großgrundbesitzerverbandes, der meint, daß die Großgrundbesitzer auch jetzt noch, wenn sie nicht Waldbesitzer sind, draufzahlen, indem die Preise zu niedrig gehalten und die Ablieferungsquoten enorm hoch sind. Infolgedessen werden die Einzelwirtschaften weiter unrentabel, so daß man selbst in Berlin schon besorgt wird, also überzeugt ist, daß die Dinge nicht so weiter gehen können. 10. 10. 1941  : Die Tschechen sind wie vor den Kopf geschlagen. Auf ein derartiges Regime waren sie doch nicht gefaßt. Dabei hätte wirklich ein regelrechter Putsch losgehen sollen, sobald die SS-Verfügungstruppen nach Rußland abgegangen wären. Man hatte aber davon Wind bekommen und war auch bereit gewesen, den Putsch mit den schärfsten Mitteln niederzuschlagen. So konnte die Sache noch im Keim erstickt werden. General Friderici ist ebenfalls abgesetzt worden. 12. 10. 1941  : Wettersturz. In der Früh lag überall Schnee. 13. 10. 1941  : [… Graf Galen soll in Haft sein  ; er hatte schon im Juli öffentlich gesagt, daß er damit rechne – die Himmler-Leute sollen obenauf sein – das Militär hat nur Disziplin zu halten.] Wieder Einflug von den Engländern. [Diesmal sehr viele, offenbar, ob endlich Versuch einer Entlastung den Russen zu zeigen – bis Nürnberg sind sie gekommen.] Wiedemann soll jetzt nach Japan geschickt worden sein. [Wie kommt er dahin  ?] 15. 10. 1941  : Rückfahrt nach Wien. Im Schnellzug mit 2 Pg.’s zusammen, der eine, der der Gesandtschaft in Agram zugeteilt ist, sprach ziemlich abfällig über Pavelić, der im Volk nicht bekannt sei und keinen Anhang habe. Die nach deutschem Muster getroffenen Versorgungsmaßnahmen gehen daneben, weil die interne Organisation fehlt. Kvaternik sei zu anständig gewesen, als er dem Pavelić den ersten Platz gelassen habe. General Glaise-Horstenau habe nichts zu sagen, er sei mehr ein Vermittler. Im Land selbst große Unruhe, fortwährend Attentate. Die Leute der Ustascha seien nichts wert. Pavelić habe gar nichts anderes tun können, als sie insgesamt davonzujagen. Ein Teil von ihnen habe auf eigene Faust geräubert. Große Unsicherheit im Landesinnern. Das deutsche Militär habe wiederum das Land bis Banja-Luka besetzen müssen. Den Oberbefehl habe der Befehlshaber in Belgrad.730 Die Agramer 730 Unklar, ob der »Oberbefehlshaber der deutschen Truppen auf dem Balkan« bzw. »Wehrmachts-

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Telephonzentrale sei vor 2 oder 3 Wochen gesprengt worden. Die Italiener trieben eine merkwürdige Politik, arbeiteten auch mit ungarischer Hilfe gegen die deutsche Politik im Südosten. Da werde man wohl bald eingreifen müssen. – Der andere Pg., ein Industrieller (Glanzstoffabriken) meinte dazu, es kämen doch ganz merkwürdige Nachrichten aus Italien. Der Bunkerbau an der Grenze sei in vollem Gange. Im Mittelmeer seien die Italiener nicht Herren der Lage, Tobruk hätten sie zur Gänze mit allen Vorräten und Ausrüstungen, auch mit der vollständig intakten Wasserstation, den Engländern überlassen. Das Gespräch kam dann auf die innere Politik. Der Industrielle meinte, aus allen Arbeitern und Angestellten werde jetzt das Höchstmaß von Anstrengung und Leistung herausgepreßt. Höher gehe es nicht mehr. Dieser Zustand werde nicht lange zu halten sein, spätestens im Frühjahr müsse man nachlassen. Die Arbeiter fragten, warum geben wir alles an Anstrengung her, wenn das Produkt unserer Arbeit wieder binnen kurzer Zeit zerstört wird. Darauf wußte der Propagandist aus Agram nicht recht zu antworten. Man könne und müsse nur weiter aushalten. Sei der Krieg einmal aus, so komme eine so großartige Zeit der neuen Ordnung und neuen Einteilung aller Kräfte, daß die hiesigen Sorgen weit in den Hintergrund treten werden. Im Übrigen fand der Mann, daß der Schirach, der doch seine Sache so gut mache, mit der Einführung der Arbeiterempfangtage sich nicht gerade ausgezeichnet habe. Das sei daneben gegangen. Zum Gauleiter habe einfach jeder Genosse Zugang und es sei Sache seines Empfangsamtes, die Dinge richtig zu regeln usw. Beide Pg.’s machten Bemerkungen, daß man in der Ostmark von der neuen Ordnung der Dinge gar nicht erbaut, daß man unzufrieden sei und es scharf habe auf die Altreichsdeutschen. Der Industrielle sprach sogar von einem wahren Haß. Ich sagte daraufhin nur kurz, daß die Ostmärker, besonders die Wiener, immer zum Raunzen geneigt seien, daß sie aber doch mit ihrer Lage nicht zufrieden seien und daß sie nicht für dümmer gehalten werden wollten als sie seien. Das saß und beide machten dann Bemerkungen, daß es doch an Anerkennung nicht fehle, besonders im Krieg. Tirol habe schon 18 Ritterkreuzträger, Narvik und dann, was Schirach tue usw. 16. 10. 1941  : Was ich an Bekannten traf, äußerte sich bitter und hart. Schirach habe in seiner letzten größeren Rede der Stimmung so weit entgegenkommen zu müssen geglaubt, daß er selbst in Vorwürfe gegen die Altreichler eingestimmt habe. Er nannte sie zwar nicht Pifkinesen, sondern Pintscher. Jemand erzählte heute, die Altreichler hießen jetzt hier 70er, 7 sei die Heilige Zahl der Juden und sie seien 10 x schlechter. Viele Gestapoagenten und viele Anhaltungen durch sie wegen unvorsichtiger Äußerunbefehlshaber Südost« (Walter Kuntze) oder der »Militärbefehlshaber Serbien« (Heinrich Danckelmann) gemeint ist.

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gen in der Öffentlichkeit. In der Floridsdorfer stillgelegten Bleistiftfabrik Brevillier & Urban, wo eine große Anzahl angeblich für ein ganzes Armeekorps bestimmter Autowagen zur Nachreparatur und Instandsetzung eingestellt waren, brach nach einer Arbeitsfeier, bei der angeblich die Wächter mit Wein trunken gemacht worden waren, ein Brand aus, der alles vernichtete. Die Wagen waren teilweise mit Benzin übergossen gewesen. Noch am Morgen traf eine Generalkommission ein und es wurden Erschießungen vorgenommen. Ein ähnlicher Sabotageakt ereignete sich in Wr. Neustadt, dazu weitere Sabotageakte in den Eisenbahnwerkstätten. Was ist daran wirklich wahr  ? 17. 10. 1941  : Odessa genommen. Die Rumänen werden im Heeresbericht sehr gelobt. Sie sollen auch tüchtig draufgezahlt haben, über 50.000 Tote. Odessa soll den Rumänen zugesagt sein. – H.731 erzählt, mit der Bedrängung Petersburgs werde zurückgehalten, da die Verpflegung der Millionenstadt für uns nur eine Verlegenheit wäre. Mit den dort zu erwartenden Kriegsgefangenen würde die Gesamtzahl der Kriegsgefangenen 5 Millionen erreichen. 23. 10. 1941  : Gestern las ich, daß die SS auch Flak-Formationen hat. Nun, die würde doch in einem Bürgerkrieg oder zur Niederschlagung von Aufständen nicht benötigt werden. Mir verstärkt sich die Auffassung, daß es sich hier nicht um die Aufstellung von Formationen zur Verwendung gegen den inneren Feind handelt, wie manche Militärs noch immer behaupten, sondern, daß ein Grundstock für eine Gegenformation gegenüber dem Militär gebildet wird. – Frauenfeld ist zum Gebietsleiter der demnächst in deutschen Besitz gelangenden Krim ausersehen und wird 15 Wiener als Mitarbeiter mitnehmen. Hofrat D.732 erzählt als aus hiesigen Pg. Kreisen stammende Nachricht, daß die Leni Riefenstahl mit reichlichen Geldmitteln abgereist und bis vor Moskau gekommen sei, wo man sie aufgehalten und ihr Geld, angeblich 15 Millionen, beschlagnahmt habe. Eher unwahrscheinlich klingende Nachricht. 26. 10. 1941  : Eckhardt bei mir, erzählt vom Freiherrn von Stein, der nach dem Umbruch einige Monate in der Metternichgasse den Herrn gespielt hatte. Er hatte ganz auf das falsche Pferd gesetzt und sich dem Staatssekretär Bohle verschrieben. Bohle hatte sich während der Botschafterzeit Ribbentrops diesen zum Feind gemacht, infolgedessen gilt Stein als Anhänger Bohles, ist bei seinem Minister in Verruf und auch schon 731 Hans Wildner junior. 732 Aladár Duda (1887–1969).

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längst zur Disposition gestellt, nachdem er die hiesige Gesandtschaft liquidiert hatte. Ferner hatte Stein, im Gegensatz zu Papen, hier die Richtung Hptm. Leopold vertreten, gegen Seyß-Inquart, der der Mann des Papen war und hatte gegen die Stützen des alten Regimes scharf gemacht und viele Leute des Schuschnigg-Regimes verhaften lassen. Eckhardt hatte selbst zugehört, wie Stein telephonisch den Auftrag zur Verhaftung des Presseattachés in Prag733 usw. gegeben hatte. Jetzt denke Stein ganz anders, regt sich in wüsten Tiraden über die Wirtschaft, in die wir geraten seien, auf und hat Angst, daß ihm seine frühere Scharfmacherei irgendwie einmal schaden könnte. Als er sich nach der Beendigung seiner Liquidationsarbeiten von seinen früheren Mitarbeitern verabschiedete, sei ihm von diesen geraten worden, er möge im Hinblick auf das unvermeidlich zu erwartende Chaos, das in gewisser Zeit eintreten werde, nicht in Wien bleiben, sondern lieber seine Möbel nach Bayern bringen, da er, wie viele andere, nicht sicher sei. – Platzer hatte vor einiger Zeit erzählt, daß auf die Nachricht von der Besetzung Islands durch die Amerikaner in Berlin, zumindest in der Presseabteilung, eine förmliche Panik ausgebrochen sei. Sehr schlechte Wirkung hätten die Galenschen Predigten ausgeübt, die die ganze von Berlin aus versuchte Aufmachung des Krieges gegen die Bolschewiken als Kreuzzug verdorben hätten. Als der Pressechef Paul-Otto Schmidt aus dem Hauptquartier vor einiger Zeit zurückgekehrt sei, war er ganz unter dem Eindruck der Betroffenheit gestanden, die der Widerstand der Russen im Oberkommando hervorgerufen habe. Man sei auf so etwas nicht gefaßt gewesen. Göring soll körperlich und geistig niedergebrochen und wieder Morphinist geworden sein. Überhaupt im ganzen recht miese Stimmung überall, besonders bei der Industrie. 31. 10. 1941  : Eckhardt erzählte gestern noch auf Grund von Unterhaltungen mit Herren des Auswärtigen Amtes, daß in den Hafenstädten sehr ernste Unruhen gewesen seien, daß man sich aber gehütet hätte, scharf dagegen einzuschreiten. Die Gerüchte, daß der Reichsstatthalter Schirach unzufrieden sei und daß eine Veränderung bevorstehe, mehren sich. – Lange Unterhaltung mit dem uralten Bekannten Kolischer Khan, der hier unangefochten weiterlebt, sogar eine neue große Wohnung bekommen hat und sich jetzt auf seine 73 Jahre mit Hormonen behandeln läßt. Er erzählte wieder einmal die haarsträubenden Einzelheiten von der angeblichen Korruption unter dem Kriegsminister von Schönaich. [1. 11. 1941  : … Duda wieder ganz verrückte Prognose, er ist so gescheit, nicht mehr in Gesellschaft zu gehen, um sich nicht unmöglich zu machen.] 733 Egon Hilbert (1899–1968).

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2. 11. 1941  : H.734 erzählt, daß die militärischen Operationen langsam zum Stillstand kommen und daß es momentan nicht so gut aussehe. Wie werde man der Öffentlichkeit begreiflich machen, daß man jetzt stehen bleiben müsse. Nächstes Jahr dürfte man wohl bis zur Wolga kommen, mehr dürfte überhaupt nicht gemacht werden. Bei Kiew seien Fallschirmjäger eingesetzt worden, die aber fast alle ums Leben gekommen seien. Die Verluste seien viel größer als gesagt wird, jetzt schon mindestens 200.000 Tote. Seine eigene Panzerdivision hätte im September schon über 7000 Mann Verluste gehabt, besonders zu Anfang. Wenn wir jetzt sagten, daß über 200 Divisionen der Russen außer Gefecht gesetzt worden seien, so habe er selbst eine russische Aufstellung gesehen, wonach die Russen 430 Divisionen hätten. Die russische Armee des General Blücher sei noch ganz intakt. Die SS-Formationen dienten sicherlich nur dazu, um eine Gegenorganisation gegen das Militär zu schaffen. Es hätten auch eigene Luftformationen der SS geschaffen werden sollen, das sei aber noch verhindert worden. Andererseits seien gewisse Militärs, die gegen die Zunahme der SS-Formationen auftreten wollten, zurückgehalten worden und der Versuch, den deutschen Gruß in der Armee abzuschaffen, sei vergeblich gewesen, dies mit der Motivierung, er sei schon zur Tradition geworden. Überhaupt besteht die Tendenz, alle Unstimmigkeiten zu vermeiden, weil man überhaupt zuerst einmal siegen müsse. Später werde sich ja so wie so kein General in seiner früheren Haltung beeinflussen lassen und würde gegebenenfalls die Truppen aktiv auf seiner Seite haben. Die SS hätte bis jetzt etwa 10 Divisionen. Die Juden würden von den nachrückenden Gestapoleuten so ziemlich alle umgebracht. – Neue Maßnahme, um die Kaufkraft zu lenken. Die während des Krieges erworbenen Aktien sollen abgerufen werden, also der Gewinn abgeschöpft werden. Mahnung zur Sparsamkeit bei der Heizung mit Hinweis auf den großen Kohlenbedarf der Truppe. Seltsam, dabei haben wir doch das reiche Donezbassin so gut wie in der Hand und denkt man wirklich daran, Kohlen aus Oberschlesien nach Rußland zu bringen  ? 3./6. 11. 1941  : Gestern erzählte mir eine Bildhauerin, eine Schülerin von Hanak, daß dieser eine jüdische Freundin735 hatte, die auch alles von ihm geerbt hatte. Das Vermögen sei ihr nach dem Umsturz zur Gänze weggenommen worden. Sie selbst habe ihre Villa einem einflußreichen Nazi unter der Voraussetzung verkauft, daß sie in Wien bleiben könne. Stattdessen ist sie dieser Tage in die »Polenaktion« einbezogen und weggebracht worden. – Besuch bei Peter,736 der auf die hiesigen Herrschaften sehr 734 Hans Wildner junior. 735 Helene Koenig (1891–1941). 736 Franz Josef Peter (1866–1957).

7. 11. 1941

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schlecht zu sprechen ist und sich schämt, ein Sudetendeutscher zu sein. In Eger sei ein 28-jähriger Pg., ein Lausbub, Oberbürgermeister.737 Die Verwandten und Bekannten in Eger sagten ihm, unter der Tschechenherrschaft sei es ihnen viel besser gegangen, [also so wie in Reichenberg.] – Oberst L.738 erzählt mir, daß bei der Truppe viel mit Brom gearbeitet werde. Die Leute bekämen Brom im Kaffee, um sie zu beruhigen und um unliebsame Erregungszustände hintanzuhalten. Die auf Urlaub gehenden Leute lehnen diesen Zusatz tagelang vorher ab. Die Flieger bekämen ein noch stärkeres Mittel, Corb, das sie befähige, 48 Stunden ohne Schlaf auszuhalten, dann aber nach 14 Tagen klappten sie vollständig zusammen. 7. 11. 1941  : Gespräch mit Hudeczek, der eben aus Agram gekommen ist, wo er 3 Wochen weilte. Es gehe dort gar nicht schön zu, man werde bald nicht genug Serben haben, um Retorsion durch Erschießen im Satz 100   :  1 zu üben. Der dortige Gesandte739 soll sehr gut sein, sei jetzt für Moskau in Aussicht genommen. Rieth sei an Stelle von Neubacher in Bukarest, da Clodius mit Killinger die wirtschaftlichen Dinge nicht recht bearbeiten könne. Neubacher selbst bereite schon die Besitzergreifung und Ausnützung der Erdölquellen in Grosny vor. Wenn man sie habe, braucht man Baku nicht. Aber endlich in den Besitz derselben zu gelangen, sei höchste Zeit. Die Lebensmittelrationen würden im Winter gekürzt werden müssen. Schade, daß man Moskau nicht noch heuer erlangen könne, der Winter sei zu früh eingebrochen. Im nächsten Jahr werde es zum Frieden kommen, es sei ausgeschlossen, 4 Jahre Krieg zu führen. Die Hauptsache sei, daß das Hinterland aushalte, aber auch dann, wenn der Friede komme, würden wir Lebenden nur die Kosten zu tragen haben. Die Engländer warten ruhig, die Zeit arbeitet doch für sie. Große Besorgnis, was jetzt in Afrika kommen werde. Rommel könne sich wegen der ungeheuren Verluste der Transportflotten nicht halten. Mussolini sei die einzige Stütze für die Deutschen. Wenn er nicht am Leben bleibe, gehe alles schief. Die in den Großstädten angelegten Bunker seien nur für den Kampf gegen den inneren Feind da. Oberst L.740 erzählt, daß das schöne Bild von Vermeer in der Czernin-Galerie von Schirach angeblich um 1 Million Mark gekauft worden und nicht mehr in Österreich sei. Reiner Raub. Um die Stimmung hier zu beschwichtigen, sei durch Schirach »Der lesende Mann« hergebracht worden. In Klosterneuburg wurde heute vor 14 Tagen die Kirche durch Hitlerjugend besudelt. Seit 3 Tagen gibt es keine elektrische Beleuchtung und kein Telephon in Klosterneuburg, angeblich Kabelstörung. 737 Siegbert Schneider. 738 Nicht zu eruieren. 739 Siegfried Kasche. 740 Nicht zu eruieren.

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9. 11. 1941  : Die gestrige Hitlerrede voll Hohn und Anmaßung. Warum erwähnt er immer wieder, daß es diesmal keine Kapitulation wie im November 1918 geben werde. Das Gespenst der Möglichkeit spukt doch. Eisenbahnunglück bei Mödling, 6 Tote, nichts in den Zeitungen. 10. 11. 1941  : 20 Mitglieder einer Sabotagegruppe, die mit einer tschechischen Verbindung hielt, wurden am 6. erschossen. (?) 11. 11. 1941  : Zusammentreffen mit Kabinettsdirektor Graf Polzer-Hoditz. Ich erkannte ihn anfangs nicht, so sehr ist er in den letzten Monaten zusammengeschrumpft. Er malt jetzt Waldbilder mit etwas Wildstaffage, die ihm aus den Händen gerissen werden. 12. 11. 1941  : Die »Neue Freie Presse« vom Jahre 1915 durchgeschaut. Nebenbei eine Stelle aus einer Bethman-Hollweg-Rede vom 9.  12.  1915 notiert, worin er zur Blockade bemerkte, daß man ein Gebiet, das von Arras bis nach Mesopotamien reiche, wirtschaftlich nicht erdrücken könne. So ähnlich hat Hitler vor 3 Tagen gesprochen. 14. 11. 1941  : [In der Politik weiß ich nicht viel – sehr kalt – allein.] 17./18. 11. 1941  : Generaloberst Udet tödlich verunglückt bei Erprobung einer neuen Waffe. War ein sehr sympathischer Mensch, als ich ihn im Jahre 1936 bei Göring kennen lernte. Rosenbergs Ernennung zum Reichsminister für die Verwaltung der Ostgebiete ist endlich erfolgt. Das scheint nach seinen sonstigen Antecedentien741 keine sympathische Sache zu sein. 19. 11. 1941  : Man spricht so viel von der bevorstehenden Besitzergreifung von Südtirol. Die Liquidierungsaktion soll eingestellt sein. Ein hiesiger Oberst, der reaktiviert worden war und im polnischen Feldzug beide Eiserne Kreuze bekommen hatte, hatte im Gespräch mit einem bekannten Offizier gesagt, daß der preußische Militarismus ihm gestohlen werden könne. Wurde von diesem angezeigt und jetzt beurlaubt und verhalten, binnen 24 Stunden sein Pensionsgesuch einzureichen. Fortwährend kommen 741 Antecedentien – frühere Vorgänge.

20. 11. 1941

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zu militärischen Stellen Karten und Briefe, warum man nicht die Parteibonzen zur Ablieferung der Stiefel und Mäntel für die Soldaten verhalte. Dazu Briefe mit den größten Invektiven742 gegen Hitler, mit Vergleichen mit Schuschnigg usw. – Moskau wird nur zerniert, nicht berannt, im Übrigen wartet man angeblich besseres Wetter ab. 20. 11. 1941  : Bei Kienböck, diskutiert. Er sieht nicht, wie es zu einem Frieden kommen kann, und findet, daß wir ganz ausgezogen sein und wirtschaftlich noch schlechter dastehen werden wie nach dem Weltkrieg. 23. 11. 1941  : K.743 erzählt, ein Universitätsprofessor sei kürzlich bei Mauthausen gewesen, der Schornstein des do. Konzentrationslager-Krematoriums rauche Tag und Nacht. 25. 11. 1941  : Ein Schweizer erzählt und bemerkt, man gebe uns in der Schweiz nur 5 Monate wirtschaftlichen Aushaltens. Und Montel, der eben aus Italien gekommen ist, erzählt, die Situation in Italien sei trostlos, man wolle vom Krieg nichts wissen und warte nur ab. Mit den Ausgaben für das Militär werde zurückgehalten, die Truppe sei schlecht ausgerüstet. 26. 11. 1941  : Das gewisse Vermeerbild soll mit vielen anderen Bildern zur Disposition Hitlers in einem Bunker an der Westfront untergebracht sein. In der österreichischen Zeit wurden für das Bild angeblich 2 Millionen geboten, die Ausfuhrgebühr hätte 200.000 $ betragen sollen. Damals hatten sich die Tschechen in die Sache eingemischt mit der Begründung, daß das Bild früher in Böhmen gewesen sei. 29. 11. 1941  : Bei Pogatscher vorgesprochen, dort den Baron Macchio getroffen. Über die letzte Zeit vor dem Ausbruch des Krieges mit Italien gesprochen. – Rostow mußte wieder geräumt werden, weil in der Stadt ein Aufstand ausgebrochen war. Die Armee Kleist hat wegen Benzinmangel 5 Wochen nicht vorwärtskommen können, ihre Wagen waren schließlich angefroren, sonst hätte sie längst im Kaukasus sein können. Verschiedene Truppen werden schon vom Ostkriegsschauplatz abgezogen. Nachrichtenformationen der Luftwaffe gehen angeblich nach Sizilien, um dort Ordnung zu 742 Invektiven – Äußerungen von absichtlich beleidigendem Charakter. 743 Karl Wildner.

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machen. Die Italiener versagen immer mehr. In Spalato wurde nach dem offiziellen italienischen Bericht eine Militärmusik mit Bomben angegriffen und wurden Truppentransportwagen mit Maschinengewehr beschossen. 2. 12. 1941  : MR K.744 behauptet, daß in der Gegend von Rostow schon viel mehr Terrain verloren gegangen sei als der Heeresbericht ersehen lasse, und daß es in Nordafrika ganz schlecht stehe. Dort sei man eingeschlossen. 8. 12. 1941  : Die Japaner sind losgegangen. Amerika im Krieg mit Japan, England desgleichen. – In Užice ist ein Munitionsmagazin in die Luft gegangen. Dabei sollen viele hundert Menschen getötet worden sein. 10. 12. 1941  : Die Japaner zerstören, wie vorauszusehen war, durch tollkühne Aufopferung einzelne englische Schiffe. 11. 12. 1941  : Hitlerrede. Wiederum die alte Anmaßung und das Gerede, daß keine Kapitulation, Verwahrung gegen Widerstand, Auflösung im Inneren würde niedergeschlagen werden. Der Vormarsch im russischen Krieg werde erst Anfang Sommer fortgesetzt werden. Neues Gerede von der europäischen Mission. 13. 12. 1941  : Im Westen behauptet man, daß die Deutschen auf der ganzen Ostfront im Rückzug begriffen seien. Die zurückgelassenen Kraftwagen und andere Sachen würden gesprengt. Es sieht beinahe so aus, als ob man bis zur Dnjeprlinie zurückgehe. Fischböck, der nach Charkow hätte kommen sollen, ist dessen gar nicht sicher und soll wieder für etwas anderes ausersehen sein. In Nordafrika scheint es sehr schlecht zu stehen. Der deutsche Bericht selbst gibt zu, daß das Hauptgewicht der Kämpfe westlich von Tobruk sei und daß Sollum und Bardia sehr bedrängt seien. 16. 12. 1941  : Merkwürdige Kommentare zur Kriegsführung  : »Im Übrigen ist jetzt bis auf weiteres nicht der Besitz dieser oder jener Landstreifen entscheidend, sondern nur die Tatsache, den Feind an der Klinge zu halten und ihm so auch weiterhin schwere Verluste an Menschen, Waffen und Geräten beizubringen, wie es die durch die Wet744 Wahrscheinlich Major Karl Wildner.

17. 12. 1941

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terlage und die Geländeverhältnisse bedingten Umstände zulassen. Nicht die Erreichung oder das Festhalten irgendeines Ortes oder Punktes ist wichtig, sondern die Besetzung der taktisch oder für die Unterbringung der Truppen günstigen Stellen im weiten Umkreis.« Das spricht Bände. – Der Minister für das Kirchenwesen, Kerrl, ist gestorben. Er hat angeblich gerade noch das Gymnasium absolviert und diesen Posten bekommen, nachdem er sogar Justizminister gewesen war. Er hat sich niemals besonders ausgezeichnet. In der Kirchenpolitik hat er immer nur daneben gehaut. [Er war jedenfalls nicht der geeignetste Mann dafür.] 17. 12. 1941  : Im Heeresbericht wiederum Kommentar zum Kampf an der Ostfront, wo die erforderlichen Verbesserungen und Berichtigungen der Front stattfinden. 20. 12. 1941  : [… in Afrika geht es offenbar gar nicht gut – in Sollum und Bardia sind wir offenbar eingeschlossen.] In Afrika sind die deutschen Truppen schon über Derna zurückgedrängt. Der Bericht sagt, daß sich die Truppen nach Abwehr feindlicher Angriffe vom Gegner absetzten. Der deutsche Bericht spricht von deutsch-italienischen Truppen, der italienische Bericht ebenfalls von deutsch-italienischen Truppen. Letzterer sagt dazu  : »Truppen, die tapfer und mit großer Geschicklichkeit kämpfend, neue Stellungen westlich von Derna bezogen und den Feind, sein Ziel zu erreichen, hinderten.« [Der Flugplatz Dernas befindet sich in den Händen des Feindes – wenn beide so viel sagen, muß es also schon ernst sein – schon vor 14 Tagen bereiteten Artikel in der »Frankfurter Zeitung« und der Zeitschrift »Das Reich« aber darauf vor, daß in Afrika etwas zu geschehen hätte, es sei aber nur ein Neben-Kriegsschauplatz.] Goebbels spricht in der letzten Nummer des »Reich« davon, daß Rückschläge eintreten könnten, und in seiner heutigen Rede forderte er zur Sammlung von warmen Sachen für die Ostarmee mit so eindringlichen Worten auf, daß man glauben muß, die deutschen Truppen seien sehr schlecht ausgerüstet. Wieso konnte man erst jetzt darauf kommen, daß Wollsachen nicht in ausreichendem Maße da seien. Dabei sagt der Heeresbericht, daß die Russen fortwährend angreifen, und heute sogar, daß die deutschen Kämpfe an der Ostfront noch andauern. Dabei haben wir nach den Berichten glauben müssen, daß die russische Armee erledigt sei. 21. 12. 1941  : Der Aufruf Goebbels hat konsternierend gewirkt. Wenn, wird gesagt, es nicht so arg sei, wie er es schilderte, so hat er überflüssige Panik erzeugt. Ist es aber wirklich so, da kommt die ganze Aktion zu spät. In der deutschen Zeitung, die für Norwegen ausgegeben wird, las ich gestern  : »Der Oberbefehlshaber in Frankreich745 hat im Zu745 Erwin Witzleben (1881–1944), ab Mai 1941 Oberbefehlshaber West.

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sammenhang mit den wiederholten Sabotagehandlungen in einem Aufruf mitgeteilt, daß die Täter bisher nicht ergriffen worden sind. Um die Urheber dieser Verbrechen zu treffen, hat der Oberbefehlshaber folgende Maßnahmen anbefohlen  : Den Juden des französisch besetzten Gebietes wird eine Geldbuße von 1 Milliarde francs auferlegt. Eine große Anzahl jüdischer kommunistischer Elemente wird in Arbeitslager nach dem Osten gebracht. Hundert Juden, Kommunisten und Anarchisten, die dem Täterkreis angehören, werden erschossen.« Der »Nouveau Temps« bemerkt dazu, daß die Maßnahmen und der größte Teil, wenn nicht der Großbetrag der Zahlung, der Verbesserung sozialer Institutionen zugutekommen werde. Diese Verlautbarung ist offenbar in den anderen besetzten Gebieten abgedruckt worden, um dort die gleiche abschreckende Wirkung hervorzurufen. Erzählung von K.,746 eines Stabsoffiziers, der kürzlich in Berlin war  : Alle Befehlshaber seien am 2. l. M. in Berlin zu einer Beratung wegen des Vortreibens der Ostfront zusammenberufen worden. Hitler wollte, daß Moskau noch vor Weihnachten genommen werde, Brauchitsch und auch Halder hätten es im Hinblick auf den Kräftestand der Truppen als unmöglich bezeichnet, Keitel sei für die Durchsetzung gewesen. Hitler hätte einen Wutanfall bekommen und sei von Himmler, Ribbentrop, Ley und Goebbels weiter angetrieben worden. Rundstedt sei gegangen worden, Brauchitsch habe ihm nachgestrebt. Große Unzufriedenheit mit dem die Luftaktion gegen Moskau leitenden Sperle,747 was natürlich auch auf Hermann Göring abfärbte. Man sehe nicht, wie die Dinge weiterkommen könnten, und jetzt schon werde davon gesprochen, daß Hitler nach einer pompösen Reichstagssitzung selber abdanken werde. Sepp Dietrich habe gemeint, das Ganze sei wieder ein Sieg der Himmlerrichtung über das Militär. Große Überraschung, daß die Russen massenhaft neues Material haben und daß ihr Flugzeugaufgebot das zehnfache des deutschen sein soll. – Auf dem Markte sagten heute die Frauen  : »Jetzt hat man durch die Partei Grammophone gesammelt und dann Bücher und jetzt auf einmal kommt man erst auf die warmen Wintersachen, wo unseren Leuten schon die Ohrwascheln abgefroren sind.« Die Gärung unter den hiesigen Arbeitern hält weiter an, von der Weihnachtsgratifikation wurden beispielsweise von 20 M 6 M abgezogen. – Hitler hat das Oberkommando des Heeres sowie der Waffen-SS übernommen. In dem Aufruf an das Heer heißt es  : »Die Armeen im Osten müssen nunmehr unter Einwirkung des plötzlichen Wintereinbruches aus dem Zuge der Bewegung in eine Stellungsfront gebracht werden. Ihre Aufgabe ist es, bis zum Anbruch des Frühlings genauso fanatisch und zäh das zu halten und zu verteidigen, was sie bisher erkämpft haben {unleserlich} Es werden, wie im vergangenen Winter, neue Verbände aufgestellt und vor allem neue und bessere Waffen 746 Karl Wildner, der die Erzählungen eines aus Berlin kommenden Stabsoffiziers weitergibt. 747 Der Name Sperle lässt sich nicht klären. Eine Namensähnlichkeit gibt es zwar zu Hugo Sperrle, doch war dieser Oberbefehlshaber der Luftflotte 3 im Westen.

24. 12. 1941

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herausgegeben werden. Vorbereitung zur sofortigen Wiederaufnahme des Offensivkampfes im Frühjahr bis zur endgültigen Vernichtung des Gegners. Die Einleitung einschneidender anderer Kriegsmaßnahmen steht bevor. Deswegen habe ich mich entschlossen, als oberster Befehlshaber der deutschen Wehrmacht die Führung des Heeres selbst zu übernehmen. Ich selbst kenne den Krieg, zweimal verwundet und drohte endlich zu erblinden {unleserlich} Ihr werdet es daher verstehen, daß mein Herz ganz euch gehört, daß mein Wille und meine Arbeit unbeirrbar der Größe meines und eures Volkes dienen, daß mein Verstand und meine Entschlußkraft aber nur die Vernichtung des Gegners kennen, das heißt die siegreiche Beendigung des Krieges {unleserlich} Der Herrgott aber wird den Sieg seinen tapfersten Soldaten nicht verweigern.« 24. 12. 1941  : Militärs behaupten, daß der Goebbels-Aufruf einen Defekt sondergleichen aufgedeckt habe und daß deswegen Brauchitsch gehen mußte. No, das ist doch eine zu naive Erklärung. – Gestern bei Sizzo-Noris gewesen, der sagt, die Italiener führten keinen Krieg, die Situation in Afrika sei hoffnungslos, 20 % der hinübergebrachten Leute kämen auf dem Wege um, der Rückweg nach Französisch-Afrika sei aber schon für den äußersten Fall freigegeben. 25./27. 12. 1941  : [Vorgestern mit Karl748 zu Mittag – er meint, der Brauchitsch habe wegen der WintersachenGeschichte gehen müssen, die ein Skandal für das Heer geworden sei – von anderen Dingen wußte er nichts.] Die hiesige Kommandantur ist die Zuflucht der Klöster geworden, deren Insassen das Militär bitten, um ihre Häuser vor Invasion durch die Pg.’s zu retten, was der Kommandant749 auch immer wieder tue. Nicht nur der Rundstedt ist abgesägt, sondern auch der Bock und der Leeb, alle drei religiöse Menschen. An die erstere Stelle ist Reichenau gekommen. Rommel ist in Berlin, Bengasi mußte geräumt werden. In Rußland mußte man über Charkow zurück. 29. 12. 1941  : Die Italiener melden fleißig Rückzugbewegung in Afrika. Der deutsche Bericht ist karger. Angeblich sind wir schon 400 km hinter Bengasi. 1. 1. 1942  : Der Aufruf Hitlers hat die Leute bestürzt. Sie sagen sich, daß es noch schlechter stehen müsse, als man es sich auf Grund der mangelhaften und ungeschickten offi748 Karl Wildner. 749 Alfred Streccius (1874–1944).

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ziellen Nachrichten ohnedies sagen mußte. Die allgemeine Ablieferungspflicht für Skier ruft nur Kopfschütteln hervor. Schuhe werden trotz des gleichen Aufrufes nur wenig abgegeben werden. Drastisch das Transportverbot für Skier, das den Eindruck verschärft. Dazu mußte man heute hören, daß gerade als deutscherseits ausgerechnet Sewastopol energischer zu berennen begonnen wurde, beträchtliche russische Streitkräfte an der Krim landen konnten. Und Kertsch und Feodossija offenbar schon geräumt wurden. 2. 1. 1942  : Die Organisation klappt gar nicht. Man hatte sich in der Hochachtung vor der deutschen Organisation und dem Vermögen, die Dinge in ihrer wirklichen Beschaffenheit zur Gänze übersehen zu können, den wirklichen Effekt doch anders vorgestellt. Unrichtige Beurteilung der Stärke und der Reserven der Russen, ferner unrichtige Erfassung der technischen Bedingungen und des Nachrichtendienstes für den Krieg in Rußland auf weite Entfernung. Alle möglichen Dinge beginnen jetzt zu fehlen. Schon das starke Heranziehen der Frauen zum Dienste läßt auf Erschöpfen der Reserven schließen. Man wird daher gegenüber den Amerikanern ganz in die Hinterhand geraten. Ein Glück noch, daß die Japaner endlich losgeschossen haben. Die Herstellung von rostfreien Artikeln ist eingestellt worden wie die von vielen anderen Sachen. Das Kapital ist also aufgezehrt. Dazu die gloriose Idee, im Krieg gekaufte Aktien anmelden zu lassen und sie eventuell in Anspruch zu nehmen, wo kürzlich schon mitgeteilt wurde, daß die Kursverluste über 1 ¼ Milliarden betragen. Beim Friseur sitzend, höre ich  : Ein Rheinländer von einer Panzerabteilung, die bis Rostow vorgedrungen war, erzählt, daß von 190 Panzern 17 verblieben sind. Der Erzähler fährt weiter, um mit seinen Leuten neue Wagen zu holen. Auf 3 deutsche Divisionen gingen 22 russische los, die glänzend, namentlich mit Panzerwagen, ausgerüstet waren und aus Sibirien kamen. Die drei Oberbefehlshaber der drei Heeresgruppen750 seien abgesetzt, was an der Front durchgegeben wurde. Der Soldat wunderte sich, daß man hier nichts davon wisse. – Mit Sekt. Chef M. [Müller]751 spazieren gegangen. Er hat durchgesetzt, daß das Sippenamt seiner Frau752 ein Zeugnis ausgestellt hat, daß sie Mischling ersten Grades sei. Die Operation hat sehr lange Zeit gebraucht und sehr viel Geld gekostet. Die Amtsstelle war sehr anständig, die anderen Leute machten aber Schwierigkeiten, ließen sich aber dann besänftigen. Er meinte, er habe doch schon seit jeher seine Ansicht gehabt, aber so arg hätte er sich den Sumpf nicht 750 Fedor von Bock (1880–1945), Heeresgruppe Mitte  ; Wilhelm Ritter von Leeb (1876–1956), Heeresgruppe Nord  ; Gerd von Rundstedt (1875–1953), Heeresgruppe Süd. 751 Aus mehreren Textpassagen, die nur in der Gabelsberger Kurzschrift vorhanden sind, geht hervor, daß Dr. Josef Müller zu Wildners regelmäßigen Gesprächspartnern gehörte. 752 Nicht zu eruieren.

4. 1. 1942

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vorgestellt. – Der ehem. Kabinettsvizedirektor Klastersky, der lange Zeit inhaftiert war, ist jetzt zum Sicherheits- und Hilfsdienst einberufen worden. 4. 1. 1942  : Ein Haus der Gesellschaft Jesu im 18. Bezirk ist wegen staatsfeindlicher Gesinnung beschlagnahmt worden. Man kann aber damit für die Partei nichts anfangen, weil es aus lauter kleinen Zellen besteht. – Der berühmte Flieger Mölders soll Jesuitenzögling gewesen sein, seine Schwester Nonne,753 die kürzlich, als er die Brillanten erhielt, binnen 2 Stunden aus dem Ordenshaus hinausgewiesen wurde. – Die Kohlenversorgung wird immer schlechter und wird nur deswegen nicht so sehr gespürt, weil die Fabriken große Reserven haben. Die Förderung läßt nach, von Oberschlesien muß immer mehr nach dem Osten geschafft werden, die Verkehrsverhältnisse in Oppeln werden immer schlechter und ungenügender. – In Norwegen und in Schweden soll das Fleisch von Füchsen für den menschlichen Genuß freigegeben worden sein. – Die bisherigen Ergebnisse der Wintersachensammlung, wie sie heute durch den Rundfunk angegeben wurden, finde ich gar nicht so glänzend, was ja begreiflich ist. 5. 1. 1942  : Sehr viel Gerede über die großen Verluste an Toten und Verwundeten im Osten. Heute in der Nacht kamen 300 Ostfrontverwundete mit Gefrierschäden an. Sie wurden zu zwei in je 1 Bett gebracht, die halbwegs lauffähigen Verwundeten aus Wien wurden noch um ½ 4 in der Früh nachhause geschickt. Panikmeldung, daß die Russen schon an der polnischen Grenze seien. 7. 1. 1942  : Die Heeresberichte werden immer trister. Heute wird zugegeben, daß die Russen bei Eupatoria gelandet sind. Das ist ziemlich weit von Sewastopol, das, wie vor 8 Tagen gesagt wurde, schärfer belagert würde. Man munkelt, daß die Russen schon über den Ilmensee hinaus sind, daß sie bei Moschaisk stehen und daß bei Smolensk stärkerer Rückzug im Gange ist. – Die Ernährungsverhältnisse verschlechtern sich weiter, mit den Kartoffeln scheint es nicht recht zu stimmen. – Ausgerechnet jetzt eine Sonderausstellung der französischen Bilder aus den preußischen Schlössern. Ich ging wegen der Chardinbilder754 hin. Dazu ausgerechnet Ehrenplatz für den Alten Fritz755 und den Dessauer756. Ganz schwacher Besuch. 753 Annemarie Mölders. 754 Jean Siméon Chardin (1699–1779). 755 Friedrich II. (Preußen) (1712–1786). 756 Leopold III. (Anhalt-Dessau) (1740–1817).

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8. 1. 1942  : Alles sieht schwarz und macht die tollsten Kombinationen. Der Pg. W.757 erzählte heute, sein Neffe,758 der in Altbunzlau als Oberleutnant diente, habe ihm auf die Frage, was er für sich denke, wenn es zum Umsturz kommt (nicht »käme«, worauf ich ihn aufmerksam machte), gesagt  : »Ich habe keine Furcht, meine tschechischen Freunde werden mich wohl eine gewisse Zeit verstecken und es würde mir nichts geschehen.« Derselbe Neffe erzählte ihm, daß sich die altreichsdeutschen Offiziere und Mannschaften sehr merkwürdig gegenüber den Tschechen benehmen, sie vom Gehsteig herunterstoßen usw. – Baurat D.759 meint, man werde wohl dem Ph. v. Sch.760 sein Verhalten, das nach dem Staatsanwalt rufe, bei dem Wechsel der Dinge nicht vergessen. Die Sch. seien elende Leute. – Die enthobenen, unentbehrlichen Jahrgänge 1911–1919 sollen einberufen werden. 10. 1. 1942  : K.761 sagt jetzt, daß man sich militärischerseits ein ganz falsches Bild von Rußland und seinem militärischen Potential gemacht habe. Die Ausrüstung und überhaupt die Rüstung Rußlands betrage offenbar ein Vielfaches dessen, was man hier in militärischen Kreisen angenommen hatte. Außerdem habe man die aus den übertriebenen Vorstößen sich ergebenden Folgewirkungen nicht bedacht. Es werde jetzt Hals über Kopf weiter gerüstet und ungeheuer viele Menschen einberufen. Alle Kirchenglocken werden heruntergenommen werden. In Jugoslavien seien Juden und Zigeuner praktisch ausgerottet. Die Praxis der Gestapo ungeheuerlich. In gewissen Lagern ergehe man sich in sadistischen Folterungsmethoden. Glücklich jeder, der früher hinübergeht. [12. 1. 1942  : Der frühere Generaldirektor Demmer bei mir – Angst vor eigenen Redereien.] 15. 1. 1942  : In Rußland scheint man sich etwas erfangen zu haben. Auf der Malakkahalbinsel laufen die Engländer. [16. 1. 1942  : … die Engländer und Amerikaner, besonderes die Letzteren halte ich für ein Volk minderer Begabung, bei dem nur die technischen, materiellen Faktoren eine besondere Höhe erfahren 757 Möglicherweise Eugen Wurzian. 758 Nicht zu eruieren. 759 Nicht zu eruieren. 760 Philipp Alois Schoeller (1892–1977). 761 Karl Wildner.

17./18. 1. 1942

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haben, die sich aber in ihrer Macht von Bolschewiki auch nur durch den Grad der Intensität unterscheiden …] 17./18. 1. 1942  : Jetzt wird gesagt, daß die SS-Waffenformationen, die, wie man den Militärs offiziell erklärt hatte, für den Fall von internen Unruhen dem Heere ein Einschreiten ersparen sollten, im Feld verwendet werden, um sie und die heranzuziehenden Polizeiformationen gegebenenfalls vor dem Vorwurf zu bewahren, daß sie nicht im Feld gedient hätten. Eine etwas gewundene Erklärung. – Der General von Reichenau ist an den Folgen eines Schlaganfalles gestorben und bekommt ein Staatsbegräbnis. Natürlich hatten sich gleich Gerüchte gebildet über seinen Hingang. Immerhin ist es merkwürdig, daß dieser verhältnismäßig sehr junge, sportgeübte Offizier, der ein Pg. war, so plötzlich dahingegangen ist. [Mit dem Anschluß Österreichs ist sein Name verknüpft, denn der Schuschnigg-Unterhaltung auf dem Obersalzberg war er mit General Keitel beigezogen.] 23. 1. 1942  : Der Rückzug geht weiter vor sich. Die Soldaten stehen sehr viel aus und es scheint auch an Leuten zu mangeln. Keitel, der anschließend an den Ribbentrop- und Cianobesuch nach Pest gefahren ist, wird natürlich dort auch auf die Verstärkung des ungarischen Einsatzes gedrängt haben. Die Ungarn dürften sich wieder zieren. 25. 1. 1942  : Unterhaltung mit Ges. Kohlruss. Er meint, daß die Türken mit uns gegen die Russen losgehen werden. Kl.,762 der englisch träumt, meinte heute, sie würden gegen uns gehen. Ich glaube weder das eine noch das andere. Fortwährend geht einem diese Wintersachensammlung durch den Kopf. Es scheint doch so zu sein, daß man in Berlin schließlich mit einem langen Stellungskrieg gerechnet hatte, für den 1 ½ Millionen genug sein würden, und daß man, durch das fortwährende Anrennen der Russen überrascht, jetzt eben erst die Wintersachen für die übrigen durch die Sammlung improvisieren muß. [Dabei fällt es mir wirklich schwer zu glauben, daß der Krieg noch Jahre dauern werde, denn die Industrie und die Arbeiter werden nicht mithalten können.] 26./28. 1. 1942  : K.763 meint, es werde doch nächstens Charkow geräumt werden, weil man für die Verpflegung der Zivilbevölkerung nicht aufkommen könne, sie werde also verhungern müssen. Natürlich seien noch andere Schwierigkeiten, vor allem beim Nachschub. Die Pelzsachen, die hier gesammelt worden sind, könnten nicht an die Front gebracht wer762 Clemens (Klemens) Wildner. 763 Karl Wildner.

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den und blieben hier in der Etappe für den nächsten Winter. Der Privatgüterverkehr ist so gut wie eingestellt. Die Post arbeitet auch schon ganz langsam. Am Abend Luftschutzhausübung, die dann auf eine Sammlerei für die Straßensammlung hinauslief. 29. 1. 1942  : MR P.764 erzählt von seinem Sohn,765 der in der Krim bei Simferopol ist, daß man dort noch immer nicht die volle Verpflegsportion bekomme, der Landungsangriff der Russen habe sie vollkommen unvorbereitet getroffen, sogar die Flieger mußten mit Gewehren aushelfen, die Brücke über den Dnjepr ist noch immer nicht hergestellt, so daß Zuschübe schwer vonstatten gehen. – Polzer-Hoditz kam zu mir, er sucht in Wien ein Zimmer, weil er es in seiner Badener Wohnung nicht mehr aushalten kann. Baden ist vollgestopft. 31. 1. 1942  : Rede Hitlers angehört. Es ging gewiß eine Suggestivkraft von ihm aus, andererseits spürt man aber, daß er sich der Gefährlichkeit der Lage bewußt ist und daß er einen Frieden in absehbarer Zeit nicht zu erblicken vermag. Über die innere Aushaltekraft scheint er sich aber klar zu sein, denn darüber hat er wenig gesprochen, nur die Worte, daß, solange er lebe, es nicht zu einem 1918 kommen werde. Die Kohlennot hält an, Schulen geschlossen, Hotelzimmer nicht geheizt, Tramwayverkehr eingeschränkt, die Händler haben keine Ware. 2. 2. 1942  : Traf vor einigen Tagen den früheren Staatskanzler Dr. Renner und erinnerte ihn an unser letztes Gespräch, das vor ¾ Jahren stattgefunden hatte, wo er meinte, bei den Russen tue sich etwas und von dort werde noch einmal etwas kommen. Jetzt meinte er, daß das Ende nicht abzusehen sei. Es ist wirklich nicht zu sehen, wie bei den gegenwärtigen Leitungsverhältnissen ein Friede zustande kommen kann. Immer wieder Gerüchte. Reichenau soll keines natürlichen Todes gestorben sein. Die Russen sind schon 150 km über Taganrog hinaus und 50 km vor Dnipropetrowsk. 3. 2. 1942  : K.766 erzählt, welche Schwierigkeiten er immer wieder habe, um Raum für die Lazarettunterbringung zustande zu bringen. Die Parteileute machen nach wie vor Schwierigkeiten, es fällt ihnen gar nicht ein, so wie es in Bayern und anderswo geschieht, Parteiräumlichkeiten ohne weiters zur Verfügung zu stellen, im Gegenteil, sie schauen 764 Nicht zu eruieren. 765 Nicht zu eruieren. 766 Karl Wildner.

3./6. 2. 1942

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noch weitere Lokalitäten für sich zu sichern. Die Beschlagnahme des Hotel Dianabad versuchte der frühere Vizebürgermeister K.767 aufzuhalten, indem er darauf hinwies, daß der Reichsleiter Ley zweimal dort gewohnt und seine reservierten Räumlichkeiten habe. Ein ähnliches Kunststück hatte man mit dem Hess-Hotel probiert. – Man soll sich keinen Illusionen darüber hingeben, die hiesigen Arbeiter sind zum größten Teil nach wie vor sozialdemokratisch gesinnt. Der Arbeitslose hätte im früheren Regime für seine Arbeitslosenunterstützung sich mehr kaufen können wie jetzt mit dem vollen Arbeitslohn. Deswegen bemühte sich gestern der Scharizer einer Versammlung einzureden, daß der Krieg ein wirklich sozialistischer sei, wobei er die Segnungen des jetzigen Regimes für die Arbeiter besonders herauszustreichen versuchte. 3./6. 2. 1942  : Der Pg. Gesandte W.768 erzählt mir die Geschichte von der Arisierung der Frau des Sekt. Chef M.769 und wundert sich, daß dieser es getan habe. Auf meine Frage  : »Nowieso  ?«, antwortete der Pg.: »No, wenn etwas anderes kommt, ist er doch in einer unangenehmen Lage.« Er selber macht sich über seine eigene Frau770 lustig, die alles rosig sehe und nur von Wille und Geist spreche, die alles entscheiden würden. – Gespräch mit Sizzo-Noris, der behauptet, daß die Verstärkungen des Afrikacorps über die französischen Territorialgewässer geführt worden seien, was wesentlich kürzer und sicherer gewesen sei. Göring hätte von den Italienern neue Verstärkungen für Rußland verlangt. An die Ungarn sei dasselbe Verlangen gestellt worden, die hätten aber dafür Siebenbürgen, und zwar die vorherige Besetzung gefordert. Vorläufig habe man ihnen eine Zubuße auf Kosten der Jugoslaven gegeben. – Kälte und Schneefälle halten an. Man hat jetzt den Antrag gestellt, an 3 Tagen die Restaurants zu sperren, um Leute zu ersparen. Davon ist man abgekommen, weil es geradeso ein Geniestreich gewesen wäre, wie die Abgabe der Skier und die Provinzgebirgshotels veranlaßt hat, die Sperre anzudrohen. Jetzt verfügen sie über Leihskier. Die Wintersachen sind nicht an die Front gegangen, sondern werden mit Ausnahme der Pelze auf Mäntel und Monturen umgearbeitet. 7./9. 2. 1942  : Sekt. Chef Inama erzählt aus der Schule seiner Tochter,771 die Gymnasialprofessorin ist, ihr eigener Direktor,772 der ein überzeugter Pg. sei, habe der Tochter und einer

767 Thomas Kozich (1901–1983). 768 Wahrscheinlich Eugen Wurzian. 769 Josef Müller (1875–1962)  ; seine Ehefrau nicht zu eruieren. 770 Margarethe Wurzian. 771 Marie Henriette Inama (1914–  ?). 772 Nicht zu eruieren.

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anderen Professorin,773 die wegen Schuschnigg-Gesinnung eine Zeitlang gesessen war, gesagt  : »Schließlich werden Sie doch, die an Österreich geglaubt haben, noch die beste Zukunft haben.« Alles ist verärgert, kein Mensch hat Vertrauen. F.774 erzählt, daß Udet sich umgebracht habe, weil seine Sachen, Maschinen, den Anforderungen nicht entsprechen. Gestern ist gesagt worden, daß der Tote auch durch einen Flugzeugunfall umgekommen sei. Er hat kein Glück mehr, sagen die Leute. Die Mödlinger Fabrik wird nur 22.000 Arbeiter haben, nicht 60.000, und es sieht nicht so aus, als ob sie wirklich anlaufen würde. Ein Oberkellner von Meißl & Schadn ist eben als Arbeiter dorthin kommandiert worden mit 40 Mark brutto wöchentlich, wie sein Kollege mir heute mit Entsetzen mitteilte. Derselbe Oberkellner, der sich nach dem Umbruch beeilte, dem Veesenmayer und dem Bürckel den Hof zu machen. 10. 2. 1942  : Bei Rschew scheint es schlecht zu gehen. Die Japaner haben gestern Singapur angepackt und dürften es bald haben. 15. 2. 1942  : Singapur gefallen. Die drei Schlachtschiffe »Gneisenau«, »Scharnhorst« und »Prinz Eugen« sind vor der Nase der Engländer in den Heimathafen davongefahren. – Große Verluste an der Ostfront. Statt 15.000 Betten sollen jetzt 22.000 Betten in Wien bereitgestellt werden. Bisher hat man nur 8.000 Verwundete unterbringen können. Die Partei hat nicht einmal die Hofstallungen hergeben wollen. Jetzt werden auch Geschichten gemacht wegen der Neuen Hofburg. Schirach in Rom zu einem Privatbesuch, aber mit allen offiziellen Ehren empfangen. Für wie blöd man die anderen Leute in der eigenen Eingebildetheit hält  ! 16. 2. 1942  : Ungeheurer Schneefall. Bis Mittag keine Elektrische. Die Ämter schickten um Mittag ihre Beamten in die Hauptstraßen, um Schnee schaufeln zu lassen. Die Bahnhöfe blockiert, weil die elektrischen Weichen versagen. Die Fleischration soll auf den nächsten Kartenabschnitten um die Hälfte herabgesetzt werden. 17./18. 2. 1942  : [Besuch von Wurzian, der weiterhin pessimistisch ist – bei Peter,775 der laut räsoniert, daß sich die Völker das Dirigieren von einzelnen Leuten so gefallen lassen, es könne nicht lange anhalten.] Die ehem. Offiziere bis zum 65. Lebensjahr haben sich zu melden. 773 Nicht zu eruieren. 774 Alfred (Fred) Wildner. 775 Franz Josef Peter (1866–1957).

19. 2. 1942

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19. 2. 1942  : Man redet wieder von Zusammenbruch und Aufruhr, die Polizei habe Tränengas gefaßt. Bevorstehende neue Lebensmittelkürzungen. Dr. M.776 erzählt von dem Sohn777 seines Schwagers,778 der zu einer motorisierten Artillerieabteilung in St. Pölten einrücken mußte, die unvermuteter Weise in eine Maschinengewehrabteilung umgewandelt wurde ohne Kraftfahrzeuge. Sie müssen nach Warschau fahren und von dort zu Fuß weitergehen. In der Abteilung ist auch ein früherer Persönlicher Adjutant779 des Baldur,780 der offen erzählt, daß sein Chef die Österreicher nicht gernhabe, sich daher seine eigenen Leute mitgebracht habe, mit dem Essen gar nicht zufrieden sei, gegen die Kirche schüre und auf den Brief des Innitzer wegen seiner »Frechheiten« nicht antworten werde. – Den früheren estländischen Konsul Andresen getroffen und ihn nach dem Reichsminister Rosenberg gefragt. Er kennt ihn seit seiner Jugend, bezeichnet ihn als Eingebildeten, mit dem man nicht mehr reden könne. Er, Andresen, habe sich vor der Mitarbeit mit Rosenberg salvieren können. 23. 2. 1942  : Den früheren Gesandten Tauschitz getroffen, der geruhsam in Kärnten auf seinem Gutsbesitz lebt und nicht versteht, wie es mit unserer Ernährung gemacht werden wird. Erzählt von Berlin u. a.: Er bringt den Anschluß mit der Blomberg- und Fritsch-Affäre zusammen. Die Generäle wollten von einer Verwendung der Armee gegenüber Österreich nichts wissen, auch Neurath sei dagegen gewesen. Als Blomberg durch seine Verehelichung mit der Masseusetochter Runke,781 die in den Sittlichkeitspolizeiregistern eingetragen war, sich durch seine vorherigen Mitteilungen an Hitler und Göring unmöglich gemacht hatte, hätte Hitler unter dem Einfluß von Himmler zugegriffen und gleichzeitig den General Fritsch erledigt. Die in derselben Woche angekündigt gewesene Reichstagssitzung sei abgesagt worden, außerdem wurden die drei Botschafter Papen, Dirksen und Hassell abgesägt. Papen hätte sich sofort zu Hitler begeben und Aufklärung verlangt, worauf dieser sagte  : »Weil Sie mit Österreich zu keiner rechten Ordnung kommen können.« Papen habe um 8 Tage Respiro782 gebeten und sich mit einem Sonderauftrag nach Wien begeben und zusammen mit Guido Schmidt die Obersalzberg-Begegnung durchgesetzt. Am Obersalzberg habe Hitler den Schuschnigg zuerst mit den Worten angefahren  : »Sie wollen also nicht«, dann aber den General Keitel hereinkommen lassen und ihn ge776 Josef Müller (1875–1962). 777 Nicht zu eruieren. 778 Nicht zu eruieren. 779 Fritz Wieshofer (1914–nach 1955). 780 Baldur von Schirach. 781 Im Typoskript  : Runke. Gemeint ist wohl Luise Margarethe Gruhn (1913–1978). 782 Respiro – Frist innerhalb derer eine erbrachte Leistung noch als rechtzeitig angesehen wird.

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fragt  : »Wieviele Armeen stehen an der Grenze und wie steht es mit Ihrer Bereitschaft  ?« Keitel antwortete  : »5 Armeen und in 2 Tagen.« Damit sei man dann zu den gewissen Abmachungen gekommen. Hitler sei mit seinen Aufgaben gewachsen, verdanke aber seine Carrière nur lauter Zufällen. Während der Kanzlerschaft Schleicher sei man so weit gekommen gewesen, daß Strasser,783 der die ganzen Organisationsfäden in Norddeutschland in der Hand hielt, Vizekanzler werden sollte. Hitler habe aber nicht zugestimmt, worauf Strasser die Parteisachen hinwarf und die ganze Organisation gelähmt war. Hitler hätte sich dann besonnen und die Erlaubnis erteilen wollen, Strasser sei aber nicht zu finden gewesen, worauf Hitler selbst die Organisationsarbeit in die Hand genommen und den Aufsehen erregenden Wahlsieg von Lippe errungen habe. Damit seien dann Oskar von Hindenburg und Dr. Meissner zum alten Hindenburg784 gekommen und hätten darauf hingewiesen, daß die Partei doch eine enorme Kraftquelle darstelle und im Volke großen Anhang habe, so daß Schleicher verdrängt wurde. Dieser hätte durch den Eintritt Strassers die Partei zermürben wollen, was ja sicherlich eingetreten wäre. – Seyß-Inquart sei ein C.V.er, streng katholisch, sei durch Zufall emporgetragen worden, Glaise-Horstenau hätte viel mehr in den Verhandlungen mit Hitler geleistet. Seyß-Inquart habe fest geglaubt, mit seinen Leuten längere Zeit ein selbständiges Österreich leiten zu können. Es seien auch schon die Gesandten ausgesucht gewesen. Auch Hitler habe ursprünglich nicht den Anschluß vorgesehen. In Linz habe Goebbels die Losung »Ein Führer, ein Volk, ein Reich« den ganzen Abend im Sprechchor rufen lassen. Da habe sich nach langem Überlegen, ja Zögern, Hitler zur vollen Annektierung entschlossen. Das Wort »Ostmark« sei jetzt verpönt, weil es immer noch an einen Zusammenschluß unter den Habsburgern erinnere und weil es einen sonderbaren Beigeschmack bekommen habe. Dr. Meissner sei im Jahre 1937 über Wien gereist. Tauschitz hätte ihm im Hotel Krantz Quartier gemacht. Damals hätte der Hoteldirektor785 gesagt, er wolle ein bayerisches Stüberl einrichten, um den kommenden Anschluß vorzubereiten, worauf Meissner gesagt habe  : »Glauben Sie das nicht, es kommt bestimmt nicht zum Anschluß.« 24. 2. 1942  : Gespräch mit Gaeta, der aus Athen kommt, wo es nicht mehr auszuhalten sei. Kein Geschäft, nichts zu essen, Mißverhältnis zum offiziellen Kurs der Mark und der Drachme. Beklemmender Eindruck in der Tschechei, wo er eben gewesen war.

783 Gregor Strasser (1892–1934). 784 Paul von Hindenburg (1847–1934). 785 Nicht zu eruieren.

26. 2. 1942

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26. 2. 1942  : Die vorgeschriebene Meldung als Offizier wegen großen Andranges unmöglich. Für morgen mit einer Nummer beteilt worden. 27. 2. 1942  : Meldung durchgeführt, lauter Gespenster. Die ganze Prozedur wird nur in Wien durchgeführt. [{unleserlich}meister getroffen, sieht sehr schwarz, glaubt, daß die Sache im August aus sein wird – mit Schrecken – wir verlören weiter an Boden, hätten furchtbare Verluste – ähnliche Äußerungen von anderen Leuten – ich bin wieder dem Militär verfallen durch neue Anmeldung – was wird daraus werden – ich lasse es darauf ankommen – in Italien ist der zivile Zwangsdienst eingeführt – die Frau, die bei der Polizei meine Erfassung durchgeführt hat, Pg mit Erinnerungsmedaille, behauptet, von mir gehört zu haben – im übrigen schwimmt man im großen Strom und ich habe keine Lust …] 28. 2. 1942  : Schwere Kämpfe am Ilmensee, wo die Russen das deutsche Rezept der Kesselschlachten gegen die Erfinder anwenden. Schlechter optischer Eindruck durch den englischen Fallschirmjägerstreich an der flandrischen Küste. 1. 3. 1942  : Die Japaner schreiten von Erfolg zu Erfolg. Sie haben jetzt wieder eine Reihe von Schiffen zusammengeschlagen. 2. 3. 1942  : Ein aus Berlin kommender Standesgenosse erzählte dem Fertsch C.,786 man spreche dort, für den Fall eines Durchbruches würden die Militärs unter Rundstedt die Dinge mit Ausschaltung der anderen in die Hand nehmen, sich auf eine schon vorbereitete Linie zurückziehen und Verhandlungen mit England aufnehmen. 4. 3. 1942  : [In Serbien gibt es keine Juden und keine Zigeuner mehr.] In Charkow sind angeblich 40.000 Juden auf einem Hügel in die Luft gesprengt worden. In Lemberg (Erzählungen von Militärs) muß man um die Anhaltelager der Gestapo einen weiten Bogen machen, da epidemische Krankheiten ausgebrochen sind. Fortwährend werden Juden erschossen, Erzählungen von Augenzeugen aus Lodz und anderswo. Das sogenannte Partisanenwesen scheint wiederum in Gang zu sein.

786 Ferdinand Colloredo.

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6. 3. 1942  : Anbefohlene Luftschutzübung. Versammlung in den Sophiensälen. Rede des Scharizer, der im Vortrag nicht schlecht sprach. Sinn des Krieges  : Wohnraum und Rohstoffe, Kolonien. Die ganze Vorstellung offenbar, um gewissen Stimmungen in den breiten Massen entgegenzuarbeiten. 9. 3. 1942  : Ich bestellte mir in der Buchhandlung Ueberreuter das Statistische Jahrbuch des Bundesstaates Österreich, herausgegeben vom Bundesamt für Statistik, 1937. Die Bestellung wurde mit dem Bemerken entgegengenommen, daß zuerst das Landesamt für Statistik gefragt werden müsse, worauf ich nach Überlegung verzichtete. Angeblich müßte man noch eine polizeiliche Bescheinigung bringen. Wie innerlich schwach ist doch der Organismus. Statt »Ostmark« muß man jetzt also »Gau« sagen. 10. 3. 1942  : Die Renault-Werke in Paris, die für deutsche Zwecke Last- und Panzerwagen erzeugen, sind von den Engländern zerstört worden. 11. 3. 1942  : Die Engländer bombardieren seit 3 Tagen das Ruhrgebiet. In unseren Berichten steht aber nichts darüber. – In Ungarn ein neuer Ministerpräsident, mein alter Bekannter Kállay, ein richtiger Betyare der sicherlich kein Deutschenfreund ist. 12. 3. 1942  : Immer noch kein deutscher Bericht über den englischen Besuch in der Rheinprovinz. 13. 3. 1942  : Wie falsch selbst an der Quelle sitzende Militärs unterrichtet sind, erweist sich, daß K.787 noch vor wenigen Monaten bestimmt erklärte, die Waffen-SS zähle keine 2 Divisionen, während es doch schon viele solcher Divisionen gibt, die alle möglichen Waffengattungen umfassen, ferner, daß das, was die Russen jetzt an der Ostfront entgegenstellen, nicht zusammengewürfelte Formationen sind, die nicht wirklich waffenmäßig ausgerüstet seien. Heute meldet das Oberkommando der Wehrmacht, daß eine Brandenburgische Division während der harten Abwehrkämpfe an der Ostfront seit dem 18. Jänner ununterbrochen massierte Angriffe von 7 Divisionen, 3 Panzerbrigaden und 1 motorisierten Brigade zerschlagen hätte.

787 Karl Wildner.

14. 3. 1942

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14. 3. 1942  : K.788 erzählt, daß gestern vormittag in seine Werkstätte ein Mann von der ­Ortsgruppe gekommen sei und seine Angestellten zum Heldenplatz treiben wollte. Man sagte ihm, daß die Werkstätte ein Wehrbetrieb sei, worauf er ganz verzweifelt ausrief, er habe 180 Leute stellig zu machen und bringe sie nicht zusammen. – So werden also die dem innersten Volksempfinden entspringenden »Massendemonstrationen« organisiert. Etwas ähnliches erzählte Dr. M.789 von seiner Tochter,790 die in einem Meisterkurs für Schneiderei arbeite, wo zuerst die Leiterin791 eine begeisterte Rede hielt, daß Hitler eine göttliche Sendung habe, selbst überirdisch sei und als solcher unter uns weile, und dann habe sie gesagt, daß alle mit ihr zusammen zur Versammlung gehen werden, worauf sie durch die Hausmeisterin das Haus fürsorglich hatte abschließen lassen. 15. 3. 1942  : Papstfeier in der Stephanskirche, gedrängt voll. 21. 3. 1942  : In Rumänien führt man gegen Ungarn eine scharfe Sprache. Man habe auf Siebenbürgen nicht verzichtet, wo die Ungarn jetzt die Rumänen drangsalierten, sie enteigneten usw. Antonescu habe ebenfalls das Wort ergriffen und gemeint, nur die gegenwärtige Zeitlage halte ihn zurück, noch deutlicher zu werden. In Ungarn selbst hat der neue Ministerpräsident792 eine die Achsenpolitik bekräftigende Rede gehalten und Imrédy hat dazu scharfe Maßnahmen gegen die Sozialdemokraten und gegen die Versuche einer Volksfront verlangt  ; der hat es notwendig gehabt mit seinen Vorfahren  ! – Weitere Betonung, daß das Wort »Ostmark« nicht angewendet werden darf. Truppenteile, die in ihrem Namen die Bezeichnung »Ostmark« haben, müssen umbenannt werden. Jetzt wird auf einmal gesagt, daß Hitler das Wort »Ostmark« nicht mehr hören könne, er hätte früher das Wort »Österreich« vorgezogen. 23. 3. 1942  : Nachmittag bei Kienböck. Auch er findet, daß sich alles schneller entwickele und anders aussehen wird, als man es sich vorgestellt hatte. Jedenfalls kein Bolschewismus bei uns. Er meint, daß der russische Bolschewismus sich wandeln werde und durch den Militarismus schon ersetzt sei. Die Wertzerstörung, die durch den Krieg, 788 Karl Wildner. 789 Josef Müller (1875–1962). 790 Nicht zu eruieren. 791 Nicht zu eruieren. 792 Miklós Kállay (1887–1967).

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der immer verlustreicher werde, eingetreten ist, werde sich bald noch stärker auf die Lebenshaltung auswirken. Oben beachte man die Situation sehr genau und es könne sein, daß dort rascher Konflikte zum Ausdruck kommen würden als man es sich eigentlich erwarten könne. Er werde schließlich nur nach Japan durchgehen können. In der Schweiz sollen namhafte Gelder durch die Bonzen untergebracht worden sein, was sehr unvorsichtig sei, weil es nicht verborgen bleiben könne und es schließlich auch dort nicht sicher sei. Die Entente dürfte ihre Hauptanstrengungen auf die Murmansk- und Kaukasusgegend richten. Horthy habe seinen Sohn793 zur Stellvertretung durch die Wahl verlangt, weil er nicht mehr zum Führer fahren wolle. Das war aber parlamentarisch nicht zu machen gewesen, überdies Gegenkandidaturen des Herzogs von Spoleto,794 des Erzherzogs Albrecht795 und eines Aristokraten. 26. 3. 1942  : Heute nacht Fliegeralarm. Ich mußte gewaltsam geweckt werden. Angeblich versprengte Engländer, die bis Linz, Wr. Neustadt und Laa/Thaya gekommen waren. 27. 3. 1942  : Der letzte Opfersonntag soll den vorjährigen um viele Millionen übertroffen haben. Das bedeutet aber nicht, daß im Ganzen und durchschnittlich mehr gegeben worden ist, sondern es wurde einfach bei denjenigen, die Geld haben, mit Druckmitteln gearbeitet, so besonders in den Bezirken, wo vermögende Leute wohnen, wie im Cottage, sowie bei Kaufleuten und Industriellen. 28. 3. 1942  : Gespräch mit C.,796 der meint, daß mehr als in England in Amerika die Entwicklung zum Kommunismus oder etwas ähnlichem kommen könnte, weil die Amerikaner etwas Zusammengewürfeltes ohne feste organische Durchbildung seien, die den Engländern eigne  ; wohl würde sich aber auf der Insel die Lordherrschaft als solche nicht halten können. Er glaubt nicht, daß die Engländer Europa den Russen ausgeliefert hätten. Dagegen spreche ja auch das Bestreben, Polen wieder erstehen zu lassen. Die Russen würden ohnedies abgekämpft sein und Amerikaner und Engländer warteten nur darauf, daß Deutsche und Russen sich weiterhin schwächen, und daß sie dann erst eingreifen würden. Jetzt würde wohl deutscherseits eine ordentliche Offensive unternommen werden, deren Ziel sein müsse, die Erdölbestände des Kaukasus in die Hand zu bekommen. Voraussetzung wäre, daß die deutschen Fahrmittel ausreichten 793 István Horthy (1904–1942). 794 Aimone di Savoia-Aosta, Herzog von Spoleto (1900–1948). 795 Albrecht Habsburg (1897–1955). 796 Möglicherweise Ferdinand Colloredo (1878–1967).

31. 3. 1942

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und daß die Erdölbetriebe nicht so wie die ukrainischen Bergwerke von Grund auf zerstört sind. Dann würde man den Krieg weiterführen können. Ich meinte, daß auch auf dem Wege nach Murmansk Entscheidendes geschehen müßte, um die englischamerikanischen Zufuhren abzuschneiden. Dort aber erlitten die Deutschen große Verluste im Luftkampf, im Kampf und durch Versenkungsmittel. Instinktiv kommt mir vor, daß der berühmte General Dietl doch nicht eine so große Nummer ist. 31. 3. 1942  : Ein Fremder setzt sich zu meinem Mittagstisch und fängt bald an, gegen die Altreichler loszuziehen. Militärisch würden wir wahrscheinlich gewinnen, wirtschaftlich sei aber die Sache nicht zu halten. 2. 4. 1942  : MR André war eben in Goisern mit der Schwiegertochter797 des Generals Rundstedt, die erzählte, daß der Schwiegervater durch eine Intrige Reichenaus und Himmlers gestürzt worden sei, die auf Beseitigung der anderen hohen Generäle hinarbeiteten unter Hinweis auf deren fehlerhafte Strategie und zu vorsichtiges Vormarschieren. Die entscheidende Wendung sei durch den Hinweis auf absichtlich herbeigeführte große Verluste der SS-Divisionen gegeben gewesen. Die weitere Entwicklung hätte aber den Generälen, insbesondere Rundstedt, recht gegeben, der in Kassel täglich Kuriere vom Hauptquartier erhielt. Schließlich sei ihm nach außen hin durch demonstrativ erfolgte Ehren Wiedergutmachung geleistet worden. Reichenau sei durch die riesigen Verluste, die zwischen Ilmensee und Wjasma entstanden waren, bloßgestellt und zusammengebrochen, wenn er sich nicht selbst umgebracht hat. Auch General Bock sei wieder eingestellt, die andern sollen folgen. Die SS-Divisionen seien zum größten Teil wieder zurückgezogen worden, darunter zwei bei Wien. Die letzten Fliegerbesuche waren Russen, besonders die bei Nikolsburg, Fallschirmjäger, die jetzt öfters, besonders auch in der Slovakei, einfliegen und nicht zur Gänze stellig gemacht werden können. – Die Versorgungslage wird sehr schlecht, die Wintersaat scheint ganz verloren gegangen zu sein, in Berlin hat man schon seit Wochen keine Kartoffeln. 3. 4. 1942  : Hörte heute zum ersten Mal den Kaplan Mauer, von dem sehr viel erzählt wird. Er spricht zu gewandt, förmlich schauspielerisch gewandt und mit ebensolchem Pathos. 6. 4. 1942  : Univ. Prof. Hold-Ferneck, den ich traf, äußerte sich voll Wut über die neuen Bezeichnungen, die der neue Universitätskatalog den Vorlesungen gibt. Jeder Kollege 797 Edith von Rundstedt (1901–1982).

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bezeichne es als einen Blödsinn und halte sich nicht daran. Auf meine naive Frage, warum man es gemacht habe und anstehen lasse, sagte er wütend, daß es ein Oberregierungsrat Eckert im Reichsschulministerium gemacht habe, was sich der unmittelbaren Ingerenz der Professoren entziehe. Auf den ersten Blick sieht es natürlich beinahe lächerlich aus. 8. 4. 1942  : Schaute mir von außen die neue SS-Kaserne im Fasangarten an. Eine prachtvolle Festung, an deren Bau nichts gespart wurde, dazu eine Reihe von Villen für die verheirateten Offiziere mit Privatgaragen. Das imposante Mitteltor mit der durch eine Kette gesperrten Durchfahrt. – Gestern stand in der Zeitung, der Reichsführer Himmler und der Reichsorganisationsleiter der Partei und der Reichsleiter der Deutschen Arbeitsfront798 haben eine enge Zusammenarbeit zwischen der gesamten SS und dem Reichsvolksbildungswerk vereinbart. Ausführungsbestimmungen hiezu erlassen der Chef des SS-Hauptamtes799 in Verbindung mit der Reichsdienststelle des Deutschen Volksbildungswerkes. Die Führer der Dienststellen und Einheiten der Waffen-SS bestellen geeignete Verbindungsmänner, die vom Leiter der örtlichen Volksbildungsstellen in den Beirat dieser Institute berufen werden. Das ist »Kraft durch Freude« oder gar wieder etwas besonders Neues  ? 11. 4. 1942  : [Nicht ergiebiges Gespräch mit K. und Kleinwächter – die Leute leben doch schon stark unter dem Einfluss der Nachrichten von der anderen Seite.] Gestern Gespräch mit Urbas, der meint, Italien werde jetzt stärker in den Krieg eingreifen und die Dardanellen forcieren, um in das Schwarze Meer zu kommen, sonst würde man der Russen nicht Herr werden. Urbas scheint sich vom rein politischen Berichterstattungsgeschäft zurückgezogen zu haben. Auf meine Bemerkung, ich hätte in der letzten Zeit wieder einmal den Tacitus durchgelesen und fortwährend Parallelen mit der Gegenwart gefunden, meinte er, als er Sueton gelesen habe, hätte er seine Berichte und Erzählungen für übertrieben, ja erfunden gehalten. Jetzt, meinte er, seien alle diese Sachen durch die Wirklichkeit weit übertroffen. Es sei, wie ich dann formulierte, ein soziologisches Gesetz, daß man sich gegenseitig umbringt, und dieser Prozeß ist schon im Gange. – Else800 erzählt, daß sich in ihre Nichte801 der älteste Sohn Ribbentrops802 verliebt habe und sie daher viel im Hause verkehre. Man lebe dort auf sehr großem 798 Robert Ley (1890–1945). 799 Gottlob Berger (1896–1975). 800 Elisabeth (Else) Wildner. 801 Nicht zu eruieren. 802 Rudolf Ribbentrop (1921–2019).

12. 4. 1942

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Fuß, Einladungen bis zu 24 Personen, die dann im Haus übernachten. Sepp Dietrich sei kürzlich beim Essen gewesen und man habe davon gesprochen, daß niemand dem Hitler zu widersprechen wage, ihn auf Schwierigkeiten usw. aufmerksam mache. Eben nur der Sepp Dietrich könne sich getrauen, manchmal etwas anzubringen. Das Hauptquartier sei irgendwo in Ostpreußen. – Kleinwächter erzählte mir gestern, daß der neue Chef der Gestapo in Wien der frühere Pressereferent der Wiener Polizeidirektion gewesen sei, der seinen Namen Blaschko auf Ross803 abgeändert habe, der übrigens ein einsichtiger, wohlwollender Mensch sein soll, sich vom einfachen Sicherheitsbeamten durch Selbststudium und Doktorat hinaufgearbeitet habe.804 12. 4. 1942  : Es wird einem empfohlen, alle Ausweisdokumente bei der Hand zu haben. Es wird häufig perlustriert, angeblich Jagd auf Fallschirmschützen. Ärzte sind angewiesen, schwere Verwundungen sofort der Staatspolizei zu melden. Nachmittag im Prater, sehr viel junge Leute  ; sehe, wie ein Wachmann, der selbst ausgezeichnet tschechisch spricht, einen jungen Burschen anhält, der selbst Tscheche zu sein scheint, aber gleich sagt, daß er keine Legitimation habe  ; wird beiseite geführt. Militärpersonen werden immer wieder angehalten. Das ist schon Spionenfurcht. Es wird auch von einem Standgericht für Militärpersonen gesprochen. 14. 4. 1942  : Hörte, daß die Druckereien Aufträge für Privatfirmensachen nicht mehr übernehmen dürfen. Bei Buchbindereien ist es schon längst der Fall. 17. 4. 1942  : [Klemens zum Essen – sieht schlecht aus und ist in keiner guten Haut – auch zu stark in die andere Mentalität eingesponnen – am Abend in einer Versammlung, Redner Stadtrat Blaschke, der kein Phrasendrescher, einen angenehmen Vortrag mit interessanten Bildern hat – das Publikum ging bald mit – er appellierte mehr an die Einsicht und gesunde Vernunft und fand da einige geschickte Appelle.] 18. 4. 1942  : Die Ernennung Lavals ist ein deutscher Erfolg. Pétain hatte angeblich den Amerikanern erklärt, daß er den Laval nicht mehr in die Regierung nehmen würde. Die Amerikaner bereiten die Offensive vor, wo, weiß man nicht, wahrscheinlich von Afrika aus. Rundstedt befiehlt die ganze Westfront bis Norwegen. – Sabotageakte in Frankreich, Sprengung eines ganzen deutschen Transportes, 40  Tote  ; Erschießung 803 Zur Namensänderung konnte nichts eruiert werden  ; siehe Alfons Rossee-Blaschko. 804 Dazu konnte nichts eruiert werden.

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von 35 Franzosen usw. Die bulgarische Ministerkrise entstand durch Weigerung des Kriegsministers,805 Truppen an die Ostfront abzugeben, und des Wirtschaftsministers,806 Waren an Deutschland zu liefern. Begründung, daß man sie selber brauche. 20. 4. 1942  : In der heutigen Zeitung sind Verse von Baldur von Schirach über den Führer wiedergegeben. Ich erinnerte mich, diese Verse wo anders gelesen zu haben, und fand sie in den »Liedern der Getreuen«, die vom Schirach zwar herausgegeben, aber von ihm ausdrücklich als Lieder von unbekannter Hand bezeichnet sind. Im Kino wird der Besuch eines fremden Abgesandten bei Göring wiedergegeben. Eine Frau ruft, als sie die Gobelins sieht  : »Das sind ja unsere Gobelins  !« – Über die Offensive darf in militärischen Kreisen nicht gesprochen werden, auch nicht in privaten Gesprächen als Vermutung. Die Japaner kommen immer schwerer vorwärts. 23. 4. 1942  : Im Franz-Josef-Spital sollen gegen 180 Flecktyphuskranke sein, Äußerungen von Medizinern. 25. 4. 1942  : Gerede. Auf die Frage, wann der Krieg aus ist, ist die Antwort  : Wenn die Wut größer ist als die Angst  ! – Sizzo-Noris erfährt, daß die Stimmung wieder gehobener sei und daß man sich eine aktive Teilnahme Frankreichs erhoffe, nachdem Laval807 die Regierung wieder bekommen habe. Geld soll hiebei eine große Rolle gespielt haben. Die Stimmung in Rumänien sei miserabel. Die Wut auf die Juden abzuleiten, gehe nicht mehr recht, weil die Preise trotz der Entfernung der Juden weiter steigen. Verschlechterung der Stimmung gegenüber Deutschland. Gestern wurde von den Engländern Rostock zusammengehaut. Kiel soll immer vernebelt sein. Dafür wurde deutscherseits Exeter beworfen. – Bekam heute die Wehrpaßnotiz mit dem Bemerken, daß ich vorläufig mit einer Einberufung nicht zu rechnen habe. 26. 4. 1942  : Plötzlich angesagte Führerrede im Reichstag. Sehr schnell vorgelesen. Schilderung des Winters und der sich aus den Elementarereignissen ergebenden Schwierigkeiten an der Front. Aber jetzt, für den nächsten Winter, werde für alles vorgesorgt sein. Die Situation sei aber sehr kritisch. Ausfälle gegen Churchill. Wir haben jetzt mehr 805 Teodosi Daskalov (1888–1945). 806 Slawtscho Sagoroff (Slavčo Zagorov) (1898–1970). 807 Pierre Laval (1883–1945), 18. April 1942 bis 29. September 1944 Ministerpräsident (sowie Innenund Außenminister) der französischen Vichy-Regierung.

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Unterseeboote als wir je im Weltkrieg gehabt hätten. Für jeden englischen Angriff auf eine deutsche Stadt werde eine englische Stadt dranglauben müssen, und zwar in rascher Folge. Gegen die Justiz, die ihr eigenes Leben führen wolle, und gegen das Schlagwort von den wohlerworbenen Rechten. Die Justiz ist nicht die Nation, sondern Deutschland muß leben. Eine Vollmacht vom Reichstag erbeten, daß er da dreinfahren könne. Was soll das sein  ? Er zitierte eine Gerichtsverhandlung, wo einer, der fortgesetzt seine Frau mißhandelt und sie schließlich getötet hatte, nur 5 Jahre bekommen habe. Dann gegen Urlaub. Er selbst habe seit 1933 keine 3 Tage zusammenhängend währenden Urlaub gehabt. Der bolschewistische Koloß werde so lange geschlagen werden, bis er zertrümmert sei. Göring sprach am Anfang merkwürdig stockend und ungeschickt, kam mir sehr nervös vor, er sprach auch die Sätze nicht aus und auch, als er die Schlußrede hielt, war er anfangs gar nicht auf der Höhe. Er sagte  : »Diese Reichstagseinberufungen sind geschichtlich und historisch geworden, denn, wenn die Front gehalten wurde, ist das nicht die Tapferkeit der Truppen gewesen, sondern einzig und allein das Verdienst des Führers.« Das wird einmal teuer zu stehen kommen. 30. 4. 1942  : Die Leute sind noch immer entsetzt über die Führerrede. Angeblich soll der Frank808 eingesperrt worden sein. Himmler habe aber für ihn gebeten und er sei wieder freigekommen. 1. 5. 1942  : Jetzt heißt es, daß Göring über Friedensmöglichkeiten in Stockholm habe reden lassen  : Beibehaltung des Status quo, deutscher Primat in Mitteleuropa, Beibehaltung der besetzten russischen Gebiete aus ernährungswirtschaftlichen Gründen, dazu einige französische Kolonien, auch holländische, Zurückweisung der Japaner in ihre natürliche Einflußsphäre usw. Das ist offenbar englische Stimmungsmache, aber es scheint doch etwas mit Hermann los gewesen zu sein. – Im Stadtpark mit dem Kardinal809 zusammengetroffen, der wiederum zuerst grüßte, sehr bescheiden, ärmlich angezogen, über alles mögliche gesprochen. Seine Vorsprache bei Hitler habe den Zweck verfolgt, für die kirchlichen Beziehungen die Ruhe zu retten, aber es sei schief gegangen, es werde eben alles parteipolitisch ausgenützt, was er mir zugeben mußte. Besonderer Hinweis auf Bürckel. Er ist doch kein bedeutender Herr, keine wirkliche innere Würde und Charakterstärke.

808 Hans Michael Frank (1900–1946). 809 Theodor Innitzer (1875–1955).

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2. 5. 1942  : Traf in Unter-Tullnerbach den Dr. Harald Braum, der findet, daß die Deutschen nicht organisch arbeiten, in der Organisation viele Lücken seien, Dynamik und Eile sei ihnen die Hauptsache. Von Erfahrungen anderer wolle man nichts Rechtes wissen. Was man in den Niederlanden gemacht habe, sei sehr schlecht. Wären Österreicher da gewesen, hätten sie es anders gemacht. Er wäre nämlich sehr gerne hingegangen. Auch in den Ämtern übernehme man deutscherseits endlich die österreichischen Einrichtungen der Handelskammer, aber es dürfe nicht gesagt werden, daß es österreichische Erfindung sei. Vom Reichsgedanken hätten sie keine Ahnung. – Die Rennweg-Jäger haben jetzt in den letzten Tagen immerwährend Bereitschaft gehabt, alles war schon bereitgestellt, sogar die Flakgeschütze und Maschinengewehre auf dem Hof. Angeblich sei im Proletariat etwas nicht in Ordnung. In Pilsen sollen ziemliche Schäden angerichtet worden sein. 3. 5. 1942  : Die Schäden bei den Skodawerken sollen doch nicht so groß gewesen sein, wohl war man aber an militärischen Stellen wegen des Protektorats unruhig. 5. 5. 1942  : Eckhardt bei mir. Er hatte gestern eine Unterhaltung mit Vollgruber gehabt, der nicht nach Rumänien gelassen wurde, weil sein Vorgänger, ein sudetendeutscher Pg.,810 den der Bruder Görings811 aufgenommen hatte, von dort nach England durchgegangen sei. Eckhardt war kürzlich auch mit Guido Schmidt zusammen, der erzählte, er sei vom Generaldirektorposten abgesägt worden, weil die Stelle für jemanden, der eine Göring geheiratet812 hatte, gebraucht wurde. Der ganze Konzern scheint übrigens auseinanderzufallen. Die leitenden Direktoren Voss und Pleiger bekriegen sich gegenseitig und die Gesellschaft soll sich jetzt auf die Berg- und Hüttenwerke beschränken, während die Munitions- und Waffenabteilungen sowie der Binnenschiffahrtskonzern allein gehen sollen. Guido Schmidt will nun einen Teil seiner Möbel in die von den Göringwerken zur Verfügung gestellte Villa in Berlin bringen, weil er sich hier nicht sicher fühlt. Stein war kürzlich bei einem Essen im Hause Clodius, wo auch Woermann und andere Herren des Auswärtigen Amtes waren, die sich alle über die Unternehmungen der Engländer an der Westküste sehr beunruhigt zeigten. Stein wieder zieht es vor, hier zu bleiben, hat viel Verkehr und Nachrichtenmöglichkeit. Er erzählte, er habe den Keppler mit dem Auto abgeholt, der nach der Demission Schuschniggs hieher gekommen war. Die erste Frage Kepplers im 810 Nicht zu eruieren. 811 Albert Göring (1895–1966). 812 Nicht zu eruieren.

5. 5. 1942

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Wagen war  : »Ist Blut geflossen  ?«, worauf Stein sagte  : »Nein, es geht ruhig zu.« »Das ist aber sehr unangenehm«, habe Keppler gemeint, »und auch gegen die Absichten des Führers, denn wie können wir jetzt den Einmarsch rechtfertigen  ?« Man hat also tatsächlich von Anfang an auch durch die Aufputschung und Dirigierung der Illegalen auf Unruhen hingearbeitet, um die vorbereitete militärische Besetzung durchführen zu können. Und jetzt verstehe ich auch, warum sich die Generäle unter Fritsch und Blomberg für diese Art des Anschlusses nicht hergeben wollten. Wie Eckhardt weiter erzählte, habe Glaise-Horstenau kürzlich einem Bekannten gesagt, es wäre ihm recht, wenn er an die Front käme und wenn er dort erschossen würde, um das gutzumachen, was er an Österreich getan habe. Eckhardt war Ende 1939 (?) bei einer Pressekonferenz und machte da die Bekanntschaft des Pressechefs Dietrich, der ihm sagte, die ostmärkischen Herren seien über die große Politik nicht recht im Bilde und verstünden die geniale Art der Führung des Führers nicht richtig zu würdigen. Diese Politik sei nur auf die Gewinnung des Ostraumes gerichtet, die bisher erfolgten Landnahmen seien nur Mittel zum Zweck. Dem Führer sei an den paar Millionen Deutschen, die jetzt zum Reich gekommen seien, nicht wirklich gelegen gewesen. Er habe es aber machen müssen, um den Rücken für die Hauptoperationen gedeckt zu haben, insbesondere wegen der tschechischen Festungen. Ich  : Das ist also ein weiterer Beweis für die eigentliche politische Zielsetzung des Regimes. – Hitler soll ganz rabiat sein, soll gegenüber höheren Offizieren tätlich geworden sein, sie an der Brust gepackt haben  ; im Raum beim Ilmensee ist SS zur Kontrolle der eigenen Leute eingesetzt worden. Schulenburg soll einen ausgezeichneten Bericht Anfang 1941 erstattet haben, der vor der Illusion warnte, daß der Krieg mit Rußland leicht sein und bald einen inneren Umbruch nach sich ziehen werde. Man werde im Gegenteil mit einem sehr ernsten Winterfeldzug rechnen müssen, für den alle Vorbereitungen getroffen seien, und der innere Zusammenhalt in Rußland werde im Gegenteil gestärkt sein. Der Militärattaché813 soll der gleichen Ansicht gewesen sein und befürwortet haben, daß man nur bis Smolensk gehe und sich dort zu halten trachte. Ribbentrop war aber im Gegensatz dazu der Ansicht, daß der Feldzug nicht lange dauern und, daß die russische innere Front sehr bald zusammenbrechen werde. Er habe sich hiebei auf die Meldungen der Auslandsorganisationen berufen. Tatsächlich habe man mit einem längeren Feldzug nicht gerechnet und geglaubt, daß nach 5–6 Wochen die Sache auch innerpolitisch erledigt sein werde. Auf den Winterfeldzug war man nicht vorbereitet. Hitler hatte dann noch die Einnahme von Moskau forcieren wollen, was aber unter großen Verlusten fehl gegangen sei, und was man jetzt neu einsetze, sei nicht so gründlich geschult wie das Heer im vorigen Jahre. – Miserable Stimmung in Berlin, noch mehr in Bayern. Die Engländer sind angeblich auf Madagaskar gelandet, um den Japanern zuvorzukommen. 813 Ernst-August Köstring (1876–1953).

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6. 5. 1942  : Geschichten  : In der Inneren Stadt kommt ein Illegaler, der einen arisierten Betrieb innehat, und bittet um Vermittlung, ob der Betrieb nicht auf den Namen seiner Frau übertragen werden könnte, er rechne damit, daß er in absehbarer Zeit von hier verschwinden müsse und möchte doch etwas für die Familie retten. – In Kaltenleutgeben läßt einer in einer Siedlung sein Haus mit einer Veranda versehen. Die dort arbeitenden Arbeiter reden miteinander. In zwei Monaten ist es hier ganz anders. – Immer mehr Fabriken kommen zum Stillstand, weil es an Kohle fehlt. 53.000 Lokomotiven sind zugrunde gerichtet. In Salzburg wurden gegen 80 Lokomotivführer verhaftet. Man plant, die Hälfte der Eisenbahnangestellten zu kasernieren. Das Durchgehen von Kriegsgefangenen ist an der Tagesordnung. 8. 5. 1942  : Kl.814 erzählt, die von ihm früher schon einmal erwähnte Gymnasialdirektorin815 habe am 13. 3. eine Ansprache gehalten und gesagt, die Person des Führers sei so außergewöhnlich, daß alles neben ihm verblasse, und es wäre am Platz, wenn man diesen Tag in noch höherer Weise als den Weihnachtstag als allgemeinen Festtag feierte. – Hptm. K.816 kommt mit dem Angehörigen des ehem. Bundeskanzleramtes, der jetzt als Verbindungsoffizier des Luftgaues817 eingerückt ist, ins Gespräch über meine Person, der bemerkt, ich hätte mich nicht zur rechten Zeit für die andere Seite entschieden, worauf ihm K. ins Gesicht fährt und er den Mund hält. – Das Hofmobiliendepot soll aufgelöst werden, die besseren Stücke soll sich das Museum am Stubenring nehmen und die anderen Sachen werden sich wohl die gewissen Leute zuschanzen. 9. 5. 1942  : Den Juden ist seit einigen Tagen das Fahren in der Straßenbahn verboten, es sei denn, daß sie mehr als 7 km zu einer Arbeitsstelle haben. – Vor dem Gasthaus »Zum guten Hirten« auf der Landstraße standen heute am Nachmittag gegen 100 Menschen verteilt. Sie warteten, bis geöffnet werde wegen des Weins. Man darf aber nicht in der Nähe der Gasthaustür sich aufhalten. Ein Polizist führte, wie ich vorüberging, einen sehr gut angezogenen Herrn weg, weil er von der Tür nicht weggehen wollte, andere wurden von einem anderen Sicherheitsbeamten einfach weggestoßen. Wie ungeschickt  ! Den Bruder818 von Dr. M.,819 der vor einigen Tagen im Burgenland war,

814 Clemens (Klemens) Wildner. 815 Cornelie Much-Benndorf (1880–1963). 816 Karl Wildner. 817 Nicht zu eruieren. 818 Nicht zu eruieren. 819 Josef Müller (1875–1962).

18. 5. 1942

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um sich Wein zu holen und 5 l Flaschen mitnahm, wurden 2 weggenommen, weil laut einer nicht bekanntgegebenen Verfügung man nur 2 l mitnehmen dürfe. Die dritte zerschlug er in seiner Wut. 18. 5. 1942  : Englische Rundfunkmeldungen, daß in Frankreich zahlreiche Erschießungen und in Norwegen einige tausend Lehrer sich weigern, in den Schulen die Propaganda für Deutschland aufzunehmen. Also unverblümte Aufreizung zum Aufstand oder wenigstens zur Sabotage. Die Lage bei Kertsch scheint sich nur langsam zu entwickeln, wie überhaupt sich die Offensive hinauszuziehen scheint und sehr schwer und blutig sein wird. Warum ergeht man sich auch fortwährend in der Herabsetzung des russischen Widerstandes, der immer wieder ein tierischer genannt wird. Bei uns nennt man das ein Zeichen verbissenen und aufopferungsvollen Verteidigungswillens. 19. 5. 1942  : Auf der Hochschule für Bodenkultur, wo die Naziumtriebe und Demonstrationen früh und stark seinerzeit eingesetzt hatten, soll heute früh ein weißes Tuch ausgespannt gewesen sein, auf dem stand  : »Österreicher kämpft nicht für die Nazis und jagt die Partei fort  !« Auflauf, den die Polizei bald zerstörte. Dies wenige Schritte von der Wohnung des SS- und Polizeiführers der Alpenländer, Kaltenbrunner. Der ebenfalls nicht weit davon wohnende Kurator der hiesigen Hochschulen, der Landeshauptmann Boeckmann, erhielt einen Drohbrief, der ihm nahelegte, sich bald wegzutrollen. – In der Früh war auf dem Naschmarkt ein Mann von der Partei, den gleich die Händler und Käufer umringten, worauf er die Flucht ergriff. Ich selbst habe heute zu Mittag für 3 Mark gehungert. Die Versorgung läßt absolut nach. Man mag noch so viel von der Offensive reden, man ist doch am absteigenden Ast. 20. 5. 1942  : Unordnung bei der letzten Baldur820-Versammlung, die schon einmal abgesagt worden war. Verschiedene Störungen, die Rundfunkübertragung funktionierte nicht, die Leute wurden ungehalten, wurden übrigens gleich während der Sitzung aufgefordert, am Schluß nicht davonzustürmen, sondern die Lieder der Nation zu singen. Die Propaganda hat, wie ein Bekannter kürzlich sagte, zwei linke Füße, u. a. das agitatorische Gerede, die Leute sollen recht viel Kinder machen, wozu gesagt wird, daß Partei und Staat sich so wie so bald der Kinder annehmen und ihre weitere Erziehung übernehmen würden, so daß die Eltern nicht mit weiterer Mühe und Geldaufwand zu rechnen hätten.

820 Baldur von Schirach.

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23. 5. 1942  : K.821 erzählt, daß der Fischböck laut Erzählung eines eingerückten Beamten der Creditanstalt am 27. jeden Monats Krawall mache, wenn ihm nicht sein Gehalt als Leiter des Vorstandes der Creditanstalt von monatlich 6.000 Mark angewiesen worden ist. Ist das anständig  ? 25. 5. 1942  : Weiteres Gerede über den Ausbau der SS und deren Verfügung. Himmler hat schon einmal von seinem Hauptquartier sprechen lassen und es wurde sogar erzählt, daß einzelne SS-Divisionen jetzt auf seinen Namen vereidigt worden seien. Jedenfalls ist das Heer nicht mehr der alleinige Waffenträger, wie Hitler es in seinem Reichstagepilog zur Affäre Röhm erklärt hatte. Heute höre ich, daß die Frauen von SS-Leuten die SSBräuteschule gemacht haben müssen, wo sie auf ihre besondere Ehe- und Kindertauglichkeit untersucht und beobachtet werden. Gewähr für mindestens 4 Kinder. Alles wieder rein materialistische Prozeduren, wie sie auch von den Bolschewiken behauptet werden, von denen ja immer wieder Vorbilder entnommen werden. – Darré, der für die Volksernährung Verantwortliche, ist auf Urlaub gegangen. Er ist früher immer wieder für die Aufbesserung der landwirtschaftlichen Preise eingetreten. Auch wird gesagt, er sei für stärkere Freilassung von Bauern aus dem Militärdienst eingetreten und habe sich dabei nicht durchsetzen können, weswegen er gegangen sei. Dritte Version, daß er eigentlich gegangen wurde, weil er sich mit den Ideen des Heß identifiziert habe. 26. 5. 1942  : Besuch bei Sekt. Chef Rappaport, den ich über albanische Politik befragte. Er erklärte, daß er eigentlich nicht wisse, wieso Aehrenthal auf den Einfall der Annexion Bosniens gekommen sei. Das Militär habe in der Frage des Sandschaks seinen Standpunkt mehrfach geändert. Wir selbst hätten in der Annexionsfrage keine klare Haltung bewahrt, eigentlich sei sie der Anstoß zur Zerstörung der Monarchie gewesen. 27. 5. 1942  : Rappaport meinte gestern noch, über die Franzosen hätten nicht die Deutschen gesiegt, sondern die Franzosen hätten nicht kämpfen wollen, die Armee sei durch die Linkspropaganda zermürbt gewesen. 28. 5. 1942  : Leutnant H.822 erzählt, Hitler sei auf den Armeekommandanten Hoepner, der ihm vorstellte, er möge sich doch in strategischen Dingen auf seine Generäle verlassen, 821 Karl Wildner. 822 Hans Wildner junior.

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wie ein Ziegenbock aufgesprungen und habe ihm das Ritterkreuz heruntergerissen. Der General habe dann zu seinen Kollegen gesagt, jetzt sei er auch ein Volksgenosse geworden. – Vorgestern wurde auf Heydrich in Prag ein Attentat verübt, er soll in Lebensgefahr sein, auf den Mörder wurde ein Preis von 10 Millionen Kč. gesetzt, angeblich wurde Standrecht in Prag verkündet, der Verkehr gesperrt, keine Zeitungen sind gekommen. – Vorgestern mußte Rom melden, daß der Leiter des Regierungsbezirkes823 von Zara mit seinem Begleiter824 bei einer Besichtigungsfahrt erschossen wurde. – Die Kesselschlacht von Charkow ist beendet mit einer vollständigen Niederlage der Russen. 30. 5. 1942  : Eine Hörerin der philosophischen Fakultät ist laut Anschlag relegiert worden, weil sie in einem Seminar die Äußerung tat  : »So und so viele Parteileute laufen im Hinterland herum, während mein Vater und mein Bruder an der Front ihr Leben für eine Idee einsetzen, die sie hassen. Man soll nur jetzt einmal geheim wählen lassen. Die Offiziere imponieren mir, die 1938 bei der Wahl ›Nein‹ gesagt haben.« Noch offener reden die Leute hier auf der Straße, man muß förmlich ausweichen. 1. 6. 1942  : Unterhaltung mit Bischoff, der aus Frankreich zurückberufen wurde. Er findet, daß ein Ausgleichsversuch mit den Franzosen aussichtslos ist. Das Volk wolle nicht heran und bleibe im unversöhnlichen Gegensatz. Laval sei sich darüber ganz klar. 4. 6. 1942  : Heydrich gestorben. Die Massenjustifizierungen gehen weiter. 5. 6. 1942  : Hptm. K.825 erzählt, daß über das Ledererschlößl in Weidlingau Verkaufsverhandlungen mit Goebbels schweben. Es soll eine wundervolle Einrichtung, darunter 10 Badezimmer, haben, und so etwas wagt immer wieder von Plutokraten zu sprechen. Für die Tochter des Göring826 ist übrigens das bekannte Hotel in Gösing827 an der Mariazellerbahn gekauft und schon auf ihren Namen eingetragen worden. – Die

823 Vezio Orazi (1904–1942). 824 Bei dem Anschlag von Widerstandskämpfern wurde eine Reihe von Besatzungssoldaten und Polizisten getötet. 825 Karl Wildner. 826 Edda Göring (1938–2018). 827 Das Hotel ging an Görings österreichische Patentante Elisabeth Epenstein-Mauternburg (1887– 1939).

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Eßbestecke der Speiseanstalten usw. sollen eingeschmolzen werden, um Zinn, Zink und Nickel zu gewinnen. 7./9. 6. 1942  : Gestern bei F. Colloredo gewesen. Er fragte mich u. a., ob ich mir ein Bild von der nächsten Entwicklung mache und wie ich mir einen Wiederaufbau vorstellen könne, namentlich hinsichtlich des Personals der Zentralstelle. Ich sagte, personell schon, aber die Dinge seien noch lange nicht zu übersehen. Er sagte, alles würde rascher kommen und die Ereignisse würden sich überstürzen. – In Slovenien hält die Unsicherheit an, Morde und Attentate auf die SS-Leute sind auf der Tagesordnung. Mihailović führt ein regelrechtes Regiment. Der junge Pejacevic erzählt, es sei kürzlich eine Abteilung der Aufständischen, notabene in Uniform der SS und SA, in ein Lebensmittellager, das für die Holzfäller der Herrschaft bereitgehalten wurde, eingebrochen und habe die Lebensmittel regelrecht gegen Quittung, diese mit dem Namen Mihailović gedruckt, requiriert. Bei den Auersperg828 in Gottschee werden fortwährend Terrorakte verübt. In der Tschechei werde die Situation immer schlechter. Die Attentäter seien noch immer nicht entdeckt, trotzdem die Prämie verdoppelt wurde. Angeblich sind sie mit Fallschirmen abgesetzt worden. Wie sind sie aber wieder weggekommen  ? Der Fall des General Giraud gibt doch auch zu denken, der ebenfalls unentdeckt geblieben ist und offenbar Helfer in Militärkreisen hatte. – Anekdote  : Wann wird die Fettquote wieder erhöht  ? Wenn die Hitlerbilder wieder entrahmt worden sind. – Ein Mann kommt zur Kartenstelle und verlangt eine Anweisung auf ein Paar Stiefel. Man sagt ihm, das geht nicht, denn hohe Stiefel können nur SS- und SA-Leute bekommen. Der Mann räsoniert weiter, worauf ihm eine Stimme im Hintergrund sagt  : »Warten Sie doch auf den Herbst, da können Sie sich die schönsten Stiefel von den Bäumen herunterschneiden.« – In Köln waren etwa 12–1400 englische Flugzeuge, die die Flak niederkämpften, die Stadt bis zu einem Viertel zerstört, Schäden bis zu mindestens 1 Milliarde, 600 Feldküchen wurden hindirigiert. Die Werke von Felten & Guilleaume zu drei Viertel zerstört, ebenso die Fordfabrik. Flugzettel waren abgeworfen worden, die besagten  : »Er hat gesagt, daß er unsere Städte ausradieren werde, jetzt sind wir gekommen  ; das ist erst der Anfang.« 10. 6. 1942  : Aus der gestrigen Rede Himmlers an der Bahre Heydrichs  : »Die Jahre 33, 34, 35, 36 waren erfüllt von viel Arbeit und zahllosen Anfangsschwierigkeiten, tatenfrohem, unbekümmertem Zupacken im Ausland gegenüber Emigranten und Landesverrätern {unleserlich}. Es könne heute ruhig ausgesprochen werden, daß Heydrich ein größeres Verdienst an den unblutigen Einmärschen in die Ostmark, in das Sudetenland 828 Die Familie der Fürsten Auersperg waren Großgrundbesitzer in der Gottschee.

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und nach Böhmen hatte sowie bei der Befreiung der Slovakei durch seine sorgfältige Feststellung und gewissenhafte Erfassung aller Gegner und einen meist ins Kleinste gehenden klaren Überblick über die Tätigkeit der Feinde in diesen Ländern, ihrer Organisationsstellen und ihrer Anführer.« (Das Ganze in einem greulichen Stil.) »Unser aber ist die heilige Verpflichtung, seinen Tod zu sühnen, seine Aufgabe zu übernehmen und erst recht ohne Gnade und Schwäche die Feinde unseres Volkes zu vernichten.« Vorher hatte Himmler noch gesagt  : »Am siebenten Tage hat dann das Schicksal, der Herrgott, der Uralte, an den er, der große Gegner des Mißbrauches jeder Religion zu politischen Zwecken, in selbstverständlicher Unbeirrtheit und Unterordnung zutiefst glaubte, sein körperliches Leben vollendet.« 14. 6. 1942  : Schmucksachen aus unedlen Metallen dürfen überhaupt nicht mehr erzeugt werden, aus edlen nur zu 30 % der Vorjahrsproduktion. Die brachgelegten Arbeitskräfte werden für Rüstungsbetriebe freigemacht. Von Füllfedern dürfen nur 2 Sorten erzeugt werden, von Briefpapier 7. – Sewastopol wird jetzt energisch angegriffen, deutsche Kriegsmarineboote sind in das Schwarze Meer gebracht worden. 15./17. 6. 1942  : Gestern bei Peter,829 der mir die Egerer Zeitung zeigt, in der die Notiz über die Zerstörung des Dorfes Lidice bei Kladno enthalten ist wegen Auffindung von nicht angegebenem Beweismaterial, betreffend das Attentat auf Heydrich und sonstige Vorfallenheiten (schwarze Sender, Waffen, Munitionslager, kommunistische Literatur). Alle Männer erschossen, die Frauen in ein Anhaltelager gebracht, die Kinder anderen Stellen zur Erziehung übergeben und das Dorf dem Erdboden gleich gemacht. Peter meint, bezüglich der Schuldangaben, es könne ja wahr sein, aber auch nicht. Er zweifelt, ob wir in den nächsten Monaten weiter aushalten können, und erzählt dazu bezeichnende Äußerungen seines Polizeiamtsleiters. »Reden wir nicht von den früheren Zeiten, das war ganz etwas anderes.« – Die Luftschutzwarte erhielten heute die polizeiliche Weisung, sich in ihren Häusern für die Textilmaterialiensammlung zu verwenden, ich möchte wissen, auf Grund welcher gesetzlichen Verfügung. – Kas.830 erzählt, er habe festgestellt, daß Baldur831 die Gärten des Rothschild832 auf der Hohen Warte gepachtet habe, den Mietzins zahle der Prof. Hoffmann. Vorgestern bei mir F. Colloredo, der aus der k. u. k. Zeit erzählt, wie der Oberst Bauer833 in Kreuznach 829 Franz Josef Peter (1866–1957). 830 Nicht zu eruieren. 831 Baldur von Schirach. 832 Alphonse Mayer Rothschild (1878–1942). 833 Max Hermann Bauer (1869–1929).

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1917 ihn bei einer Niederschrift betakelt habe. Ludendorff habe später glatt erklärt, daß er nichts davon wisse. – Der General Dietl, für den soviel ungeschickte Reklame gemacht wird, ist der Sohn einer der Partei schon lange verschriebenen Familie. 18. 6. 1942  : B.834 kommt eben aus Untersteiermark, wo absolute Unsicherheit herrsche. In Domschale kommen die aufständigen Abteilungen ganz offen in den Ort und requirieren ihre Leute, die sie übrigens auch ganz offen, sogar aus dem Altreich, einberufen. Man trachtet, die Leute durch Flugzettel und Anschläge zu beruhigen und zu warnen. Die Stimmung sei absolut gegen uns, was auch weiter greife in der Beurteilung der Zukunft durch die dort wohnhaften Deutschen. Die Russen melden sich nicht mehr freiwillig für Arbeit in Deutschland und müssen dazu gezwungen werden. Hinter der Front wird russischerseits die neue Ernte umgeackert. – Gaeta, aus Athen kommend, erzählt, das Leben sei für Seinesgleichen dort unmöglich geworden, offene Hungersnot und Geschäftsstille. Die Engländer kommen beinahe jede Nacht, die antideutsche Stimmung wachse ganz bedrohlich und werde unversöhnlich. Auf der serbischen Strecke stünden alle paar 100 m Posten, das Vorfeld vor der Eisenbahnstrecke sei in einer Breite von 500 m rasiert und dürfe nicht betreten werden. – Die Konsularakademie ist für Lazarettzwecke beschlagnahmt. Die Bibliothek soll der SS-Leiter Heigl für die Nationalbank in Anspruch nehmen. Generalstaatsarchivar Bittner ist noch etwas ängstlich, um auf der Einziehung der Bibliothek für das Außenamt zu bestehen, dies wegen des übergroßen Einflusses des SS-Mannes, der auch alle Stiftsbibliotheken einzieht. – Peter835 hatte vorgestern über Verdross, der laut Zeitungen zum stellvertretenden Oberrichter im Prisengerichtshof ernannt worden ist, bemerkt, daß einen der Ekel erfasse, wie manche Leute sich die Dinge zu richten verstünden. Verdross sei einmal bei ihm gewesen und hätte ihm erzählt, er sei wiederholt in Prangins gewesen, wo ihm Erzherzog Otto836 einmal im Gespräch über das Außenamt bemerkt habe, dort seien unleidliche Zustände, Peter sei ein Obernazi. Ein Jahr vorher hätte Dr. Otto Bauer ihm, Peter, gesagt, Verdross sei eben bei ihm gewesen und habe ihm vorgeschlagen, die Rechtsabteilung, ganz im demokratischen Sinn reformiert, einzurichten, worauf Bauer gesagt habe, das hätte er dem Sekt. Chef Peter vorzutragen, und im Übrigen hätte Bauer seinen Unwillen über das Vorgehen des Verdross nicht verhehlt. Verdross ist übrigens als Ministerialsekretär837 seinerzeit nach Berlin gekommen, wo er, wie ich beobachten konnte, sehr gut mit dem damaligen Regime und Zeitgeist stand und sogar im »Berliner Tageblatt« entsprechende Artikel veröffent834 Nicht zu eruieren. 835 Franz Josef Peter (1866–1957). 836 Otto Habsburg. 837 Richtig  : Legationssekretär.

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lichte. Dafür mußten wir ihm Bettwäsche für seine Wohnung beistellen. Einige Jahre später wieder war er der zweite Redner am Katholikentag in Wien im Stadion. 19. 6. 1942  : Amtlich wird unter dem gestrigen Datum aus Prag gemeldet, daß die Mörder des Heydrich838 in den Morgenstunden des 18. auf Grund umfangreicher Ermittlungen der Staatspolizeileitstelle in Prag in einer Prager Kirche, in der sie durch geraume Zeit Unterschlupf gefunden hatten, gestellt und bei der Festnahme erschossen wurden. Gleichzeitig gelang es dabei, den nächsten Helferkreis unschädlich zu machen. Sämtliche Beteiligte sind Angehörige tschechischen Volkstums, die von britischen Flugzeugen zur Ausübung des Attentates im Protektorat abgesetzt worden sind. Es wird viele Leute geben, die dieser Mitteilung keinen rechten Glauben schenken werden, denn so klingt sie reichlich abenteuerlich. 22. 6. 1942  : In der Universität, Seminar für Völkerrecht, mit Verdross zusammengetroffen. Er behauptet, daß er wegen eines Briefes an Schuschnigg, indem er ihn auf die aus der Politik des Seyß-Inquart sich ergebende Gefahr aufmerksam gemacht habe, beinahe in Verruf beim gegenwärtigen Regime geraten sei, weil er für eine Ralliierung839 der Schuschniggleute, der Christlichsozialen mit dem katholischen konservativen Flügel der Nazis, eingetreten war. Der Krebsschaden sei die Heimwehr mit ihrer Gewaltpolitik gewesen. Das jetzige Regime sei auch nur ein Gangsterwesen. Seitenhiebe auf Hold-Ferneck, seinen Kollegen, der in seinem Buch über Völkerrecht840 für die Idee des Raubstaates eintrete. 24. 6. 1942  : Bei Sizzo-Noris, der eben aus Italien zurückgekommen  ; behauptet, daß die Italiener nicht Krieg führten, Malta sei aber doch als Zwischenstation erledigt, daher mußte Tobruk fallen. Er verglich die jetzige Zeit mit der früheren dynastischen, die gleiche Abgeschlossenheit des Herrschers, dessen Macht nur jetzt viel größer sei, gleiches Cliquenwesen, Korruption wie früher. 25. 6. 1942  : Wurzian verabschiedet sich für Reichenberg, seine Frau841 hat heute keine Kartoffeln bekommen, auch kein Gemüse, ich übrigens auch nicht. Er erzählt, daß das Sanato838 Jozef Gabčík (1912–1942)  ; Jan Kubiš (1913–1942). 839 Wieder vereinen, ins Boot holen. 840 Alexander Hold-Ferneck, Lehrbuch des Völkerrechts (2 Bände), Leipzig 1930/1932. 841 Margarethe Wurzian.

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rium Rekawinkel der Schwiegersohn des Gauleiters Jury842 aus jüdischem Besitz um 30.000 Mark erstanden habe. Das Landwirtschaftsgauamt hat alle Ärzte versammelt, ihnen einen Vortrag über die Ernährungslage gehalten, die gar nicht schlecht sei, aber ihnen dringend nahegelegt, mit Sonderzuteilungen an Kranke besonders vorsichtig zu sein. 26. 6. 1942 [Nationalbibliothek – am Abend Botanischer Garten – immer wieder muß man sich sagen, daß das Ende nicht abzusehen ist.] 27. 6. 1942 [… mit Müller843 längs des Donaukanals zum Elektrizitätswerk – nichts Besonderes – merkwürdig, wie der Mann im Jargon von der Frau abfärbt – er gibt jetzt endlich auch zu, daß die Engländer versagen – seit Jahren bin ich auf die Engländer flau gewesen.] 28. 6. 1942  : H.844 erzählt, daß das Attentat in Berlin, von dem vor einigen Wochen die Rede war, dem japanischen Botschafter845 gegolten habe. Er sei unverletzt geblieben. Die Bombenreste seien untersucht worden und die Untersuchung habe ergeben, daß die Bombe in Lichtenwerder bei Jüterbog hergestellt worden war, worauf einige ausländische Arbeiter, die dort beschäftigt waren, erschossen wurden. – Der Kreisleiter des 2. Bezirkes Leopoldstadt846 hat sich in der Boecklinstraße ein Zinshaus um 50.000 Mark aus Judenbesitz gekauft. Der Ortsgruppenleiter,847 ein ehem. Kommunist, war einer der ärgsten Wüter gegen die Juden. Sein auf der Brust tätowiertes Sowjetabzeichen trug er hier offen zur Schau. Er wurde einberufen und ist von den Russen gefangen genommen worden. 29. 6. 1942  : Der junge Stürgkh soll, wie mir sein Onkel, Kabinettsdirektor Polzer, heute mitteilte, nach dem Umbruch nach Paris gegangen sein, wo er nach dem Kriegsausbruch in die Österreichische Legion eintrat. Er geriet dann in die Hände der deutschen Polizei und wurde zum Prozeß hiehergebracht, nachdem er 1 ½ Jahre inhaftiert war. Die Hinrichtung soll schon vollzogen sein. Die Verwandten hatten vergeblich ein Gna842 Anton Fehringer (1903–1994). 843 Josef Müller (1875–1962). 844 Hans Wildner junior. 845 Hiroshi Ōshima (1886–1975). 846 Johann Griessler (Grießler) (1900–1983), NSDAP-Kreisleiter des Kreises II in Wien zu dem der Bezirk Leopoldstadt gehörte. 847 Nicht zu eruieren.

1. 7. 1942

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dengesuch eingebracht. – Pfarrer Schmied soll gestern gesagt haben  : »Nur einer allein will auf der Erde herrschen, das kann nur Gott sein, und der eine ist vermessen, wenn er es glaubt. Sind die Leute blind, merken sie nicht, daß die Stricke gedreht sind und die Galgen stehen  ? Ich sehe eine furchtbare Abrechnung kommen.« 1. 7. 1942  : Die lang erwartete Offensive ist heute begonnen worden. Sewastopol soll heute genommen werden. In Ägypten sind die schnellen Divisionen weitergestürmt. [Ob ein anderes Volk wie die Engländer solche Schläge aushalten würden – die Arbeiterpartei ist es, die Churchill nicht fallen lassen will – Hans-Bibliothek – klösterliche Stille – allein, auch Nachmittag allein im Botanischen Garten – es hat sich nichts geändert im Alleinsein.] 2. 7. 1942  : In Hamburg waren Hungerkrawalle, es ist geschossen worden. Schaute im Doro­ theum bei einer Goldwarenauktion zu, Riesen-Hausse. Gewöhnliche Biedermeiergoldarmbänder, die vor 2 Jahren kaum 60 Mark erreichten, gingen von 150 auf 900 usw. – Sewastopol hat 90.000 t Eisenstahl gekostet. 5. 7. 1942  : Besuch von Hudeczek, sehr fahrig, seine Pg.-Sache hängt noch immer, sei aber für seine Stellung in Berlin ohne materielle Bedeutung. Beklagt sich über viel Arbeit und auf meine Bemerkung, daß die Staaten, deren handelspolitisches Verhältnis er zu bearbeiten habe, doch nichts liefern können, meinte er  : »Eben darum.« Den Ungarn habe sogar deutscherseits Mais geliefert werden müssen. Das wirtschaftspolitische Verhältnis habe sich vollkommen verkehrt. Mit den amtlichen Verhältnissen und seiner Behandlung sehr unzufrieden, alle im Auswärtigen Amt beschäftigten Österreicher seien abgearbeitet und verdrossen, was auch von den in anderen Berliner Zentralstellen arbeitenden Österreichern gelte, so z. B. Sekt. Chef Straubinger. Im Ausland glaube kein Mensch mehr an den Sieg der Deutschen. Die Norweger, die früher so stark obstinat waren, geben jetzt alles her, was deutscherseits gewünscht werde, weil es später so wie so doppelt von Deutschland bezahlt werden müsse. In Berlin werde viel mehr gemeckert wie in Wien. Schleinitz habe das Parteiabzeichen bekommen. 7./8. 7. 1942  : Hudeczek erzählte noch auf meinen Vorhalt, warum, da an einen Sieg im technischen Sinne nicht zu denken sei, alles auf die militärische Karte gesetzt werde, statt mehr an die zivile Produktion zu denken, das sei unmöglich, weil wir überhaupt dafür keine Rohstoffe hätten. Das würde heißen, daß unsere hiesige Produktion bald zum Erliegen kommen werde, denn sie wird doch nur mit Arbeiten für das Altreich

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aufrechterhalten mit den von dorther beigestellten Materialien. Kas. erzählt, Hitler sei vorige Woche in Linz gewesen und habe in den Göringwerken Gericht gehalten, wodurch die SD Lebensmittelschiebungen einzelner hochgestellter Leute aufgedeckt wurden. Dann war er in St. Valentin, wo eine Tankfabrik arbeitet, und hat der Leitung vorgeschrieben, daß sie zum nächsten Jahr, Juni 1943, die Produktion verdoppeln müsse, also von 7 Stück wöchentlich auf 14. 9. 7. 1942  : Himmler bekam von Göring das Fliegerabzeichen in Gold mit Brillanten zum Zeichen der kameradschaftlichen Verbundenheit der Luftwaffe mit der SS. Damit wollte Göring offenbar den Himmler dafür abspeisen, daß er noch nicht formell eigene Fliegerformationen in seiner Waffen-SS besitzt. 12. 7. 1942  : Immer fällt es mir auf, wie schlecht die alten Leute aussehen. Aber auch die jüngeren Leute sind alle sehr müde. In der Straßenbahn schläft alles. 17. 7. 1942 Der zweite Fall, daß ein Generalstabsoffizier848 mit wichtigen Dokumenten auf einem Fieseler Storch in die feindliche Linie geraten ist, diesmal an der Ostfront, was zur Folge hatte, daß die Russen schleunigen Rückzug anbefohlen haben, daher die geringe Anzahl von Gefangenen auf der deutschen Seite. Das erste Mal soll dies vor dem französischen Feldzug in Belgien geschehen sein. Hptm. K.849 meint, daß die deutschen Generalstabsoffiziere nicht besonders durchgebildet sind, jedenfalls nicht mehr auf der Höhe des alten Materials stehen, besonders gelte das von der Luftwaffe. Man habe nicht mehr viel vor, man will, Orel ausweichend, bis Stalingrad zur Wolgamündung gelangen, im Norden soll nichts mehr gemacht und die ganze Linie durch Bunker befestigt werden. Im Übrigen soll der Winterfeldzug, also gegen Persien, über den Kaukasus, Syrien gerichtet sein. Generaloberst Löhr ist an der Ostfront durch Richthofen850 ersetzt worden, der den Posten schon längst angestrebt haben soll. 23. 7. 1942  : Man ist in der Nähe von Rostow. Die Angelsachsen reden weiter von der zweiten Front.

848 Nicht zu eruieren. 849 Karl Wildner. 850 Wolfram von Richthofen (1895–1945).

24. 7. 1942

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24. 7. 1942  : Auf der Fahrt von und nach Baden fällt mir auf, daß die jüngeren Mitreisenden während der Fahrt durch einen Detektiv zur Ausweisleistung verhalten werden, und daß dann ein Hauptmann kam, der dasselbe gegenüber den Soldaten tat. Die gleiche Vorgangsweise soll auch auf der Westbahn beobachtet werden. Es soll sehr viel Deserteure geben. Viele Erschießungen in Kagran, auch von Offizieren, sogar von einem General. 26. 7. 1942  : K.851 erzählt, daß an der Ostfront systematisch Juden umgebracht werden, an einer Stelle 17.000 in der Weise, daß sie sich nackt einer neben den anderen und in weiterer Folge übereinanderlegen müssen, worauf dann ein SS-Mann mit ungewöhnlich hohen Stiefeln kommt, um jeden einzelnen durch Kopfschuß abzuknallen. Die SS-Leute können dies angeblich auch nur im Rausch vollführen. Gleiche Greuel habe ich auch von anderer Seite mit noch größeren Ziffern gehört. – Der Präsidialist Smolle soll jetzt merkwürdig besorgt um die Zukunft sein und sehr pessimistisch sprechen. 27. 7. 1942  : Auf der Rückfahrt von Baden (Schwefelbad) zeigt man mir im Coupé, daß ein 4 Wochen altes Kind vom Land in die Säuglingsstation nach Wien gebracht wird, weil die Mutter es nicht mehr behalten wollte. 31. 7. 1942  : Verstärkte Luftschutzbereitschaft. Vorgestern wurden im Raum bis Wr. Neustadt Brandplättchen abgeworfen. Es entstanden auch Brände und man hatte es angeblich auf die auf den Feldern liegende Ernte abgesehen. Die Plättchen waren mit mehreren Ballons heruntergekommen. Das hat man erst nach einigen Stunden, nachdem man einige Ballons gefunden hatte, herausbekommen. Man hatte schon an interne Sabotageakte gedacht. Man rechne jetzt damit, daß die Amerikaner mit ihren neuen Flugzeugen bis Wien kommen werden. Auf einmal werden besondere Vorbereitungen auch von den Militärs getroffen. In den Kasernen werden für den Fall der Zerstörung der Wasserleitung Latrinen angelegt und Teiche. Dann war heute in der Stadt große Aufregung wegen eines Spions, der sich in Generaluniform in einem großen Auto hier bewegen soll. Deswegen war auch an den Straßenkreuzungen besondere Polizeibereitschaft. Der englische Nachrichtendienst soll hier sehr eifrig tätig sein.

851 Karl Wildner.

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4./5. 8. 1942  : Den Fabriken werden fortgesetzt russische Arbeiter zugeschoben, deren Zahl schon ein Drittel des Gesamtstandes überschreitet und sich der Hälfte nähert. Dies ist aus Sicherheitsgründen sehr bedenklich, wozu kommt, daß die Russen, wie man hört, nicht die volle Lebensmittelration bekommen. 6. 8. 1942  : Die Übertragung von landwirtschaftlichen Grundstücken wird noch mehr beschränkt und für Kapitalanlagen überhaupt eingestellt. – Vor 4 Tagen sind in der Gegend von Steyr wiederum die kleinen Brandbomben abgeworfen worden. 7. 8. 1942  : Butter kostet schon 70 Mark, 1 Ei 2 Mark. Bei Meißl & Schadn hatten sie keinen Fisch zum Mittagessen. – Bei Peter852 zu Besuch, der für die jetzige Wirtschaft nur Worte der Verachtung hat, es gebe auch kein Recht mehr, man habe ihm eben in Eger zwei Grundstücke zu einem lächerlichen Preis weggenommen, wobei bei der ersten Wegnahme ein Rekurs noch möglich war. Bei der zweiten habe die Verwaltungsbehörde den Rekurs ausgeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof habe die für den ersten Fall eingereichte Beschwerde abgewiesen, weil der Regierungspräsident von Karlsbad853 auch für diesen ersten Fall das Beschwerderecht nachträglich ausgeschlossen habe. Peter erzählt, daß sein Sohn,854 der Oberlandesgerichtsrat, behauptet, nach dem Krieg werde es überhaupt keine ordentlichen Gerichte in unserem Sinne mehr geben, sondern nur Parteigerichte. Ich  : Der Bolschewikenstaat entwickelt sich also immer stärker. Auf dem Rückweg traf ich den ehem. Außenminister Hennet, der in einer Aktentasche zwei Flaschen Wein nach Hause trug und von seinem Hinauswurf aus der Straßenbaugesellschaft STUAG erzählte, wo gegen ihn Maßnahmen angewendet wurden, die nirgends im Gesetz begründet sind. Er meinte resigniert  : »Das ist nunmehr so, die Obersten leben in Hülle und Fülle, haben Lebensmittelmarken usw.; jetzt muß man den Kreis, wo noch etwas zu holen ist, immer weiter greifen.« Ich  : Also zuerst die Juden, jetzt die Großgrundbesitzer und geistlichen Stifte, dann werden die Hausbesitzer drankommen und dann wird sich eben zeigen, wer stärker ist vor dem andern. 10. 8. 1942  : Auf der Rückfahrt von Baden ein Gespräch mit einem Urlauber von der Front, der bei Orel den Winter mitgemacht hat. Er habe kein einziges Mal im Freien geschla852 Franz Josef Peter (1866–1957). 853 Karl Müller (1889–1964). 854 Wilhelm Peter (1906–1964).

11. 8. 1942

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fen als Unteroffizier, die ukrainischen Bauern seien sehr freundlich entgegengekommen. In allen Stuben, in denen die Heiligenbilder an den Wänden hingen, kampierte die Familie auf dem Ofen und die Soldaten auf dem Boden zu 30–40 Personen. Es gebe keine Juden mehr, sie seien alle umgebracht worden. Beim Rückzug mußten in einer Breite von 60 km alle Niederlassungen verbrannt werden, wobei die Frauen und Kinder dem Tod durch Erfrieren ausgeliefert wurden, Gefangene wurden erschossen. Der Mann äußerte sich mit Empörung über die Behandlung der Russen nicht-bolschewistischer Prägung. Die Ukrainer würden geschont, teilweise schon in Regimenter aufgestellt, die Wolgadeutschen seien gleich als Volksdeutsche anerkannt worden, obzwar es zweifelhaft sein möge, ob sie ihre bolschewistische Erziehung und Einstellung gänzlich abgelegt hätten. Wir sollten uns, sagte der Mann, gegenüber den Russen eine ganz andere Haltung zurechtlegen, um sie wirklich zu gewinnen. Mit den Bolschewiken gebe es freilich keine Versöhnung, sie seien antikulturell. Er erzählte Beispiele von einzelnen Offizieren, die bezüglich Erziehung und äußerer Haltung ganz schlechten Eindruck machten. Der politische Apparat sei bei den Russen streng durchgeführt, er erkläre aber auch, weswegen sich die Russen so hielten. Neben dem Kompanieführer der Kommissar, der Offiziersuniform mit Sowjetabzeichen trage. Man habe Befehle gefunden, daß Kommissare, die sich in Momenten der Gefahr des Sternes entledigen, einfach von den anderen zu erschießen seien. 11. 8. 1942  : Dr. M.855 meint, daß man an dem, was die Russen in den deutscherseits besetzten Rohölgebieten angerichtet haben, keine Freude haben werde, es sollen auch schon von hier Ingenieure angefordert worden sein, die gewisse Anlagen in Maikop gebaut haben. 12. 8. 1942  : Tischgespräch, ein Amtsrichter der Südbahnstrecke. Die Richter täten sich jetzt sehr schwer, man drücke auf sie wegen strengen Gerichts, sie könnten aber da nicht recht mit. Ein hiesiger Staatsanwalt hätte die Verurteilung eines Schwachsinnigen, der 2 Diebstähle verübt hatte, zum Tode durchsetzen sollen. Er hatte den Akt liegen lassen. Während er auf einer Dienstreise war, wurde die Sache von einem andern wunschgemäß durchgeführt. Derselbe Richter kennzeichnet die jetzigen Zustände im Gerichtswesen mit dem Hinweis auf den offiziellen Gruß »aufgehobene Rechte.« – Erzählung eines Salzburgers  : Der Leiter der Salzburger Textilspinnstoffkartenstelle, der Blutordensträger Mandl, ist wegen eigenmächtiger Abgabe von über 300 Karten in Haft genommen worden. Man sucht jetzt seine Abnehmer. Mandl, übrigens ein 855 Josef Müller (1875–1962).

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seltsamer Name für einen Blutordensträger. Der Salzburger Leiter Scheel ist vor 14 Tagen, als er in Hellbrunn aus dem Auto stieg, von einer Dame mit den Worten »Da hast Du, Du Wicht  !« geohrfeigt worden. 16. 8. 1942  : Laut gestrigen Zeitungen ist der Leiter des Landesernährungsamtes Donauland, Reinthaller, von Schirach, in dessen Eigenschaft als Leiter des Wehrkreises, mit augenblicklicher Wirkung beurlaubt worden. Der Grund wird nicht angegeben. Die eine Version der Gerüchte, daß er den Bauern die Verwendung der Schrotmühle freigegeben habe, die andere, weil er mit der Lebensmittelversorgung in Wien unzufrieden ist. 18. 8. 1942  : Das Buch des früheren Wiener Bürgermeisters Ernst Winter über Rudolf IV.856 ist in der Nationalbibliothek von der freien Benützung ausgeschlossen worden. Das ist doch beschämend. – Ein beschäftigungsloser Klüngel unterhielt sich mit Phantasien für eine künftige Ordnung und teilt unter sorgfältiger Berücksichtigung der eigenen Person die Stellen auf. Der abwesende Georg Franckenstein ist von ihnen als Außenminister ausersehen, ein Baron Bourguignon857 oder Baron Erhardt858 Generalsekretär, Baron Klezl Sektionschef für Budget- und Personalwesen. Dieser Baron Bourguignon, ein früherer k. u. k. Legationssekretär, hat sich aber nicht geniert, durch Eckhardt über Hudeczek in Berlin wegen Aufbesserung seiner Pensionsbezüge intervenieren zu lassen. Diese Unterhaltungen gingen so weit, daß man sich damit brüstet, es sei bereits vom Stadtkommando Fühlung mit General St.859 genommen worden, von wo übrigens auch Fäden nach einer anderen Seite gehen und wo man glaubt, mit Hilfe der Offiziere und eines Teiles der Mannschaft die Unordnung der ersten Tage meistern zu können. Ähnliche hochgemute Stimmung bei Legitimisten und sogar Vinzi Waihs tut so, als ob er sich ihrer Richtung ganz angeschlossen hätte. Bei den Sozis sind zwei Richtungen, eine radikale unter Leitung eines gewissen Stricker, eine rechte unter Seitz und Körner. Die Roten halten Gewehr bei Fuß. Die Mannschaft im Stadtkommando soll ganz rot sein usw. – Reinthaller soll Anfang d. J. eine sehr pessimistische Darstellung der Ernährungslage im Kreise hiesiger Nazigrößen gegeben haben. Die Ernte werde schlecht sein  ; im gleichen Sinne soll er vor kurzer Zeit wieder gesprochen haben, was der Anlaß zu seiner Absetzung

856 Ernst Karl Winter, Rudolph IV. von Österreich, 2 Bände, Wien 1936. 857 Im Typoskript durchgehend  : Bourgoing. 858 Möglicherweise Robert Ehrhart-Erhartstein (1870–1956). 859 Möglicherweise Heinrich Stümpfl (1884–1972).

19. 8. 1942

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durch Schirach gewesen sein soll. Als Unterstaatssekretär soll er schon gleichzeitig mit Darré gegangen worden sein. 19. 8. 1942  : Angelsächsischer Landungsversuch in Frankreich bei Dieppe wurde nach längerem Kampf am Nachmittag abgeschlagen. Der deutsche Heeresbericht bezeichnet ihn als dilettantisches militärisches Unternehmen, das nur aus politischen Erwägungen erfolgte. Die Russen verteidigen sich tüchtig im Kaukasus. 20. 8. 1942  : Der angelsächsische Landungsversuch scheint doch nur eine Augenauswischerei gegenüber den Sowjets gewesen zu sein. Neu war aber doch die Vernebelungstechnik. 21. 8. 1942  : In der Nacht wieder Fliegeralarm. Es soll ein Flieger bis Mährisch-Ostrau bzw. Sternberg gekommen sein. Brünn war gar nicht alarmiert worden. 23. 8. 1942  : Baron Ruber getroffen, der nach 22 Monaten Haft entlassen worden ist. Es sei ihm nichts geschehen, seine Freilassung sei eigentlich schon viel früher verfügt worden, aber bisher durch formelle Schwierigkeiten aufgehalten worden. Beim Verhör hatte er sich auch auf mich berufen, ich bin aber nicht einvernommen worden. – In Bosnien geht es drunter und drüber, vollkommene Unsicherheit  ; eine Fahrt von Sarajewo nach Jajce, die früher 8 Stunden in Anspruch nahm, dauert jetzt 3 Tage. Fortwährend Attentate. Der {unleserlich} Generalstabsoffizier860 des Belgrader Generalgouvernements, der eben nach Wien gekommen ist, erzählt, daß der vor ihm fahrende Zug in die Luft gesprengt wurde. 26. 8. 1942  :861 Der frühere Erzherzog Josef Ferdinand,862 der kürzlich mit seiner bürgerlichen Frau863 im Meißl & Schadn beim Mittagessen am Nebentisch saß, ist heute in der Früh vor der Abreise, vom Schlag getroffen, gestorben. – Die Salzburger Untersuchung in der Kleiderkartengeschichte geht noch weiter. Der Blutordensträger Mandl ist mit 18 Monaten Kerker vorbestraft, ein Komplize864 hat sich umgebracht. – Neuer 860 Nicht zu eruieren. 861 Im Typoskript  : 25. 8. 1942. Es muss jedoch der 26. 8. 1942 sein. 862 Josef Ferdinand Salvator Habsburg. 863 Gertrude Tomanek (1902–1997). 864 Nicht zu eruieren.

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Reichsminister für Justiz, ein früherer Rechtsanwalt aus Sachsen namens Thierack, der auch Vollmacht zur Gesetzesabänderung bekommen hat. Frank865 ist nur mehr Generalgouverneur. 29. 8. 1942  : Zur Lage an der Ostfront berichtet der Engländer, daß den Russen ein Durchbruch gelungen ist in 150 km Breite und 50 km Tiefe, mit schweren Menschen- und Materialverlusten für die Deutschen. Beharrliche Gerüchte, daß Hitler verwundet ist. – Der neue Justizminister hat bei der Einführung des neuen Volksgerichtspräsidenten, Freisler, die rascheste Schaffung des neudeutschen Rechts angekündigt. [Es muss da wieder eine interne Streiterei gegeben haben, die es dem Thierack ermöglicht, sich gegenüber Frank866 in den Sattel zu setzen.] 30. 8. 1942  : Der Heeresbericht besagt über die Kämpfe im Raume Rschew, daß alle Angriffe zum Teil im Gegenstoß abgeschlagen wurden. Nach einmonatiger Dauer der Schlacht ist es den Sowjettruppen trotz massierten Einsatzes von Menschen und Material von 4–5 Armeen nicht gelungen, die deutsche Front zu durchbrechen. Im nächsten Satz heißt es aber, daß der Geländegewinn des Gegners weder taktisch noch operativ in irgendeinem Verhältnis zu den ihm hiebei zugefügten Verlusten an Menschen und Material stehe. Die Behauptungen der Sowjets über einen gelungenen Durchbruch seien falsch. Die Front sei geschlossen, die Angriffskraft des Feindes erlahme immer mehr und mehr. Bei Stalingrad werde weitergekämpft. 1. 9. 1942  : Wurzian, aus Böhmen kommend, erzählt, Henlein sei eine Null, habe gar nichts zu sagen, sei nur ein Aushängeschild, sei übrigens auch ungebildet und ungeschickt. Nichtsdestoweniger habe er vom Führer ein einem Tschechen867 weggenommenes Gut bekommen, das er mit reichlichem Gesinde und Aufwand bewirtschaften lasse. Im Protektorat sei die Stimmung so, daß, wenn es schief gehen sollte, sämtliche Deutsche massakriert werden, eine schauerliche Bartholomäusnacht. Den Tschechen selbst gehe es gut, sie seien alle mit Lebensmitteln gut versehen und könnten lange aushalten. Die Scharfmacher in der Partei redeten so, daß in 15 Jahren die Tschechen aus der Tschechei verschwunden sein werden. Die Hauptstadt werde dann Prag sein, die sudetendeutschen Gebiete würden keineswegs an das Altreich angegliedert werden. In der Gegend von Všetaty Přívory würden jetzt bessarabische 865 Hans Michael Frank. 866 Hans Michael Frank. 867 Nicht zu eruieren. Das Gut war in der Nähe von Saaz.

2. 9. 1942

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Deutsche angesiedelt  ; jene Tschechen, die außer Landbesitz einen anderen Beruf haben, so Postboten usw., werden einfach enteignet. Gesandter Kral, der kürzlich nach Reichenberg fuhr, kam mit 5 Stunden Verspätung an, weil vor dem Schnellzug in Podiebrad ein Güterzug brannte. Dies in der Nähe des Ortes,868 der kürzlich dem Erdboden gleichgemacht wurde. Der Gauleiter Wagner869 in München, der kürzlich wegen Krankheit beurlaubt wurde, sei gegangen worden, weil er die Kreuze aus den Schulen hatte entfernen lassen, worauf die Militärurlauber sie wieder eingesetzt hatten. Wurzian als Pg. findet, daß Wagner sich denkbar ungeschickt benommen habe. – Englische Flieger sollen in Nürnberg und München wieder gewesen sein. 2. 9. 1942  : Kast.870 erzählt, daß in Nürnberg viele Brandbomben von den Engländern abgeworfen worden und die Verwüstungen groß seien. Der Führererlaß an den neuen Justizminister, betreffend das Abgehen vom Gesetz, beziehe sich laut Äußerung eines Pg. Richters auf Einschreiten gegen die Bonzen. – Diverse Einzelheiten über die Zustände in Warschau. Auch die Russen arbeiteten sehr viel mit Fallschirmabsetzen von Partisanen. Das Partisanentum sei viel ärger als man glaube. Auch könne man sich nicht vorstellen, wie wirtschaftlich die Lage noch lange werde gehalten können. Zur Zubereitung von Brot (Ankerbrot) werden angeblich je 2 Säcke ausgemahlenes Mehl, 15 % Sojamehl und eine beträchtliche Menge Holzmehl verwendet. 4. 9. 1942  : Frau Emmy Göring soll hier – ein Geschäft in der Wollzeile wurde mir genannt – x Hemden im Preis von 150 Mark bestellt haben, außerdem seidene Schlafröcke für das Kind,871 die Kleiderpunkte werden gestundet. 5. 9. 1942  : Um 1 Uhr nachts Fliegeralarm, auch Schießerei. – Las eine Feldpostkarte, die, von der Zensur gelesen, schon unerhört scharfe Auslassungen gegen die Pg.’s in der Etappe enthält. 7. 9. 1942  : Sizzo-Noris meint, daß die Engländer mit ihrem Landungsversuch doch den Russen einen Dienst erwiesen hätten, indem die deutsche Besatzung in Frankreich verstärkt werden mußte. Man ist nicht imstande, die Städte wirksam gegen die englischen 868 Lidice. 869 Adolf Wagner (1890–1944). 870 Nicht zu eruieren. 871 Edda Göring (1938–2018).

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Flieger zu schützen, man kann nicht so viel Flak-Artillerie aufbringen, die übrigens jetzt auch stark für die Panzerbekämpfung gebraucht wird. 9. 9. 1942  : Am Abend wieder Fliegeralarm durch beinahe 1 ½ Stunden. Beim letzten Alarm waren 5 Bomben abgeworfen worden, und zwar im Prater, Winterhafen, wo die großen Erdöllager sind, von denen die Engländer ja genaue Pläne haben. Außerdem gingen die Flieger auf den Bisamberg und auf St. Pölten los. 10./11. 9. 1942  : [Wurzian mich in aller Früh gelangweilt, ich habe ihn durch Schweigen hinausgeekelt.] Leutnant Hans872 bei mir, erzählt von der Front, daß bei Rschew ein Korps 9.000 Mann von 50.000 Mann verloren. Von seinem eigenen Panzerregiment seien bisher 26 Offiziere gefallen. Jede Batterie habe nur mehr 3 Geschütze. Die Russen hätten ganze Abteilungen geschnappt. Es fehle an Mannschaften. Die Russen hätten an der ganzen Ostfront, mit Ausnahme der südlichen, im Luftkampf die Oberhand. Sie kämen mit 40 Maschinen. Der bisherige Rückzug habe doch den Vorteil, daß die Front verkürzt sei, so daß auf 1 Division nur mehr bis 7 km statt früher 30 km entfallen. Sehr schwer sei der Kampf mit den hinter der Front befindlichen Russen, die in ganzen Bataillonen »durchsickern«. Bei Dieppe hätten sich die Engländer nicht besonders gut gehalten. Sie hätten 2 Tage bleiben können. Sie hätten aber doch 1 Flakgeschütz mitgenommen und ganze Nachrichtenabteilungen gefangen genommen. Unter dem Personal Kommunisten und 1 Vorbestrafter. Diese Mitnahme soll aber sehr unangenehm sein, weil diese Leute eine Menge wertvoller Geheimnisse wüßten. 13. 9. 1942  : Die Fliegeralarmbestimmungen sind verschärft worden. Jetzt muß sogar eine Brandwache auf dem Dach während des Alarmes postiert werden. 14. 9. 1942  : Die Gerüchte über eine Verwundung Hitlers, der hier in Wien sein soll, behaupten sich hartnäckig und werden von Parteileuten weitergetragen, wie ich mich selbst bei zwei Anlässen überzeugen konnte. Beinahe möchte man glauben, daß diese Gerüchte mit der Absicht von der Partei erzählt werden, um einen Nexus mit dem anscheinenden Stocken der militärischen Operationen herzustellen. Ganz toll das Gerücht, daß er von einem Grafen Károlyi, der kürzlich durch einen Flugzeugunfall umgekommen ist, nach einem Wortwechsel verwundet worden sei.

872 Hans Wildner junior.

15. 9. 1942

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15. 9. 1942  : Die Rede, die gestern Baldur von Schirach zur Eröffnung des Weltjugendkongresses gehalten hat, ist stilistisch und inhaltlich mehr als schwach, alle Welt mokiert sich darüber. Unzusammenhängend, beständige Wiederholungen und salopp ordinärer Ton. 17. 9. 1942  : [Hansi bei mir – auch er hat von den Erzählungen über die Verwundung Hitlers gehört und herausgebracht, daß sie nicht von der Feind-Propaganda herrührt – das habe ich mir auch kombiniert und deswegen gemeint, daß die Gerüchte eigentlich von der Partei ausgehen, um den langsamen Gang der Kriegsoperationen zu erklären, über den sich die Öffentlichkeit so viele Gedanken macht.] Forstdirektor {unleserlich} an meinem Tisch, findet die politische und wirtschaftliche Lage trostlos, die Wirtschaftsverhandlungen gingen sehr schlecht und hätten nur ganz bescheidene Resultate. Die Leistung der österreichischen Handelspolitik, die doch von einem schwachen Staat ausging, sei dem gegenüber die eines Riesen gewesen. Besonders schwierig die Abschlüsse im Verhältnis zum Balkan und Ungarn, welche beide sich doch mit Deutschland spielten. In Holz hätte sich die Situation gänzlich verkehrt, aus Kroatien und Serbien sei nichts herauszubringen, weil dort die Holzgebiete in der Hand der Insurgenten873 seien. Was man aus Bosnien loseise, werde von den Italienern geschnappt. Mit Kroatien seien kommerzielle Abschlüsse wegen des innerpolitischen und wirtschaftspolitischen Wirrwarrs nicht möglich. Die Kuna falle von Tag zu Tag und es sei zu fürchten, daß die Mark von den Bankrottwährungen der Balkanländer auch infiziert werde. K.874 bemerkt, daß schon für 50.000 Personen Notquartiere hergestellt worden seien. Der Aufmarsch der Flakverstärkung, der sehr erheblich zu sein scheine, werde morgen vollendet sein. – Bei Stalingrad scheinen wir zurückgeworfen zu sein. Die Russen hielten sich großartig, während die deutsche Armee doch gegen alle anderen überall rasch durchgekommen sei. Gerüchte über eine Zusammenkunft der Diktatoren. 20. 9. 1942  : Nach langer Zeit wieder einmal den Prinzen Erbach-Schönberg, den deutschen Gesandten, getroffen. Er ist froh, daß er nicht im Dienst ist. Versichert, daß an den Gerüchten über Hitler nichts Wahres sei. Die Stimmung sei draußen ausgezeichnet. 21. 9. 1942  : Ruber erzählt, daß der Min. Rat Smolle, der nach dem Umbruch in der Reichsstatthalterei eine große Rolle spielte, in der Dollfußzeit nicht genug nahe neben Dollfuß 873 Insurgenten – Aufrührer. 874 Karl Wildner.

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an den Kaiserschützenabenden sitzen konnte. Er sei mit gezogenem Säbel an der Ehrenwache für den toten Dollfuß aufgestellt gewesen. Davon gebe es auch Lichtbilder, die man jetzt, da er als Illegaler in Gnaden stand, gezeigt haben soll, was nicht gerade angenehm für ihn gewesen sein soll. Er soll sich aber doch wieder herausgewutzelt haben und jetzt sei er Ministerialdirigent. Seine dienstliche Verwendbarkeit war sehr schwach, jeder seiner letzten Chefs trachtete, ihn aus seiner Abteilung wegzubekommen. 22. 9. 1942  : Sizzo-Noris erzählt, der gewisse Graf Othmar Lamberg ist vor 2–3 Monaten mit 16 anderen Adeligen in Prag angeklagt, aber freigesprochen worden. Nachher wurde er aber mit den anderen erschossen, warum, hat die Witwe875 nicht erfahren können. Sie hatte nur den Trost, daß er mit den anderen 16 ins Jenseits befördert wurde. – Die Judenfrage in Wien soll erledigt sein. Die Kultusgemeinde verläßt am 18. Oktober Wien. Alle weiteren Maßnahmen werden eingestellt. Die Absicht, gegen die gemischten Ehen vorzugehen, hätte sehr böses Blut gemacht  ; selbst die Umsiedlung in die Leopoldstadt wurde eingestellt, weil man jetzt die Judenwohnungen für Notwohnungen im Falle von Fliegerbeschießungen braucht. Der Benediktinerpater Prinz Hohenlohe876 ist vor 3 Wochen gestorben, wie Sizzo-Noris hinzufügte, mit Hinterlassung seiner Witwe Dobner-Dobenau.877 26. 9. 1942  : Es ist doch auffallend, daß der rumänische Vizeregent878 mit militärischer Begleitung, der kroatische Staatschef und ein Slovake wieder bei Hitler waren.879 Wahrscheinlich hat man von ihnen neue militärische Kontingente verlangt. Gestern war wieder Fliegergefahr. In Nürnberg, wohin sie angemeldet gekommen sind, waren 80 Bomber tätig, Von 14 Großbetrieben sind 10 stillgelegt, die Burg zerstört, die sonstige Innenstadt hat weniger gelitten, 35.000 Personen obdachlos. In München war der Eisenbahnverkehr 24 Stunden unterbrochen. Ein Zug mit 3 Schlafwagen vollständig zerstört. In Linz herrscht Panik, weil es angeblich als nächste Stadt drankommen soll, dann würde die Reihe an Wien sein. Für den Fall, daß hier der Stephansdom getroffen würde, wäre die Innenstadt als verloren anzusehen. Hitler fährt im Flugzeug an der Front herum und behandelt die Generäle·sehr scharf. Er soll sehr schlechter 875 Wilhelmine Lamberg. 876 Philipp Hohenlohe-Schillingsfürst (1864–1942). 877 Möglicherweise ironisierend gemeint  ; möglicherweise Helene Dobner-Dobenau (1887–1971). 878 Mihai Antonescu (1904–1946). 879 In den Pressemeldungen wird das Treffen Hitlers mit dem stellvertretenden rumänischen Ministerpräsident Mihai Antonescu am 23. September 1942 erwähnt und jenes vom 24. September 1942 mit dem kroatischen Staatsführer Ante Pavelić.

1. 10. 1942

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Laune sein. Siemens & Halske verlangt Arbeiter, man konnte ihnen nur serbische und rumänische Juden in Aussicht stellen. Von General Kleist, der von den Engländern für gefallen ausgegeben wurde, soll das Wort stammen  : »Er ist ein Schwein und hat ein Schwein.« Am 11. d. M. wurden hier in Wien 14 Personen hingerichtet. 1. 10. 1942  : Führerrede, dem Auditorium angepaßt, sehr gewöhnliche Schlager. 4. 10. 1942  : Sizzo-Noris erzählte noch, daß in allen italienischen Ämtern und auch in den Ministerien schon Verbindungsbeamte säßen und daß eigentlich das ganze Kundschaftswesen von Deutschen geleitet werde. Seither hätten auch die Engländer wenig Glück mit dem Abfangen für Afrika bestimmter Truppentransporte. – Die große Rede Görings angehört, die recht geschickt. Auch er trat, so wie kürzlich Goebbels, gegen die Gerüchte auf, namentlich die seine Person betrafen. Von den Villenankäufen erwähnte er aber nichts. Unbedingtes Vertrauen zum Führer, der der wirkliche Feldherr und eigentliche Führer sei. Den französischen Feldzug habe er vorher schon in der Reichskanzlei in allen Details seines Verlaufs vorhergesagt und die Durchführung angeordnet. Die Generäle kommen bei dieser Darstellung nicht gut weg, auch der Generalstab. Im übrigen unbedingter Siegeswille und Überzeugung vom Sieg. Sobald Rußland erledigt sei, werde man England angehen. Leutnant H.880 erzählte jüngst, daß gegen die Gerüchtemacherei auch im Heere jetzt vorgegangen werde, insbesondere über die Gerüchte von Unstimmigkeiten zwischen Führer und Generälen und Differenzen zwischen Ostmark und Berlin. Aufsehen erregt, daß Göring, der doch stets für das Ansehen des Militärs gewesen ist, sich zu den letzten Äußerungen veranlaßt gesehen hat. Es muß also besondere Akte Hitlers gegeben haben, die ihn zu derartig demonstrativen Entgleisungen bewogen haben. 8. 10. 1942  : Nach dem Wechsel in der Person des ungarischen Kriegsministers881 wird jetzt berichtet, daß Kvaternik einen Urlaub angetreten habe. Die Ungarn betreffende Nachricht soll damit in Zusammenhang stehen, daß deutscherseits die Erhöhung des ungarischen Frontkontingents von 85.000 auf 200.000 Mann verlangt worden sei, welchem Ansinnen Bartha sich widersetzt habe, der übrigens aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen pflegte, wie ich selbst aus Unterhaltungen mit ihm weiß. 1938 oder Anfang 1939 hatte er die Inhaftnahme des Baar-Baarenfels als eine 880 Hans Wildner junior. 881 Károly Bartha (1884–1964), 1938–1942 Kriegsminister  ; Vilmos Nagy de Nagybaczon (1884–1976), ab 24. September 1942 bis 1943 Kriegsminister Ungarns.

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kommunistische Maßnahme bezeichnet und diese Äußerung auf der Deutschen Gesandtschaft in Budapest in Gegenwart des Gesandten Erdmannsdorff und des Landesleiters der Partei882 getan. 9. 10. 1942  : Unterhaltung mit dem früheren Kabinettsdirektor Huber,883 der nach wie vor keinen hervorragenden Eindruck macht. Er erzählte übrigens auf meine Frage, daß der Zernatto dem Schuschnigg von Guido Schmidt präsentiert worden sei. 10. 10. 1942  : Den früheren Kabinettsvizedirektor Klastersky getroffen, quietschvergnügt, war 4 ½ Monate auf dem Arlberg, wo er stundenlange Unterhaltungen mit Guido Schmidt hatte. 16. 10. 1942  : Mit Baurat D.884 zusammengetroffen. Man könne nicht genug schwarzsehen. Wir würden noch durch eine furchtbare Zeit hindurchgehen müssen. Die wirkliche Diktatur der Partei und deren Terrorismus stehe uns, und zwar bald, bevor. Alles deute darauf hin, daß die gegnerische Seite sich auf einen sehr langen Krieg vorbereitet hatte. Die Industrie arbeite nur für wenige Typen. Die Arbeiterschaft sei entwaffnet. Wo man Kommunisten finde, würden sie entfernt und sie kämen nicht mehr zum Vorschein. 18. 10. 1942  : Ruber erzählte mir heute im Detail die Veranlassung zu seiner Verhaftung und deren Verlauf. Es scheint mehr eine Abschreckungsmaßnahme gewesen zu sein. Das Gericht hatte sich bald für die Freilassung entschieden, aber dann gab es immer wieder Hemmungen. Sein Name sei durch einen Bericht eines der Polizei angehörenden Mitgliedes der gewissen Gruppe885 herausgekommen, der den Namen des Ruber bei Unterhaltung erwähnen hörte. – K.886 erzählt, daß die hiesigen Wohnungsbehörden scharfe Maßnahmen zur vollen Ausnützung der bestehenden Wohnungen planen, wogegen sich der neue Leiter L.887 mit dem Hinweis verwahrte, daß dies nackter Kommunismus wäre und er dafür die Verantwortung nicht übernehmen wolle, wo­

882 Nicht zu eruieren. 883 Otto Huber. 884 Nicht zu eruieren. 885 Nicht zu eruieren. 886 Karl Wildner. 887 Heinrich Laube (1894–1982).

19. 10. 1942

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rauf ihn Schirach durch den auf diesem Bericht angebrachten Vermerk »Einverstanden« von seinem Posten entfernte. Auch der Bürgermeister Jung will gehen, weil ihm die Wirtschaft der »Jungen« nicht mehr passe. Schirach selber, der schon eine sehr große Wohnung hat, hat sich eine zweite mit 30 Zimmern für sein Gefolge geben lassen. 19. 10. 1942  : Wurzian bei mir. Erzählt von einer kürzlich abgehaltenen politischen Versammlung, in der Scharizer folgende Thesen entwickelte  : »Wir haben die besten Teile Rußlands erobert und seinen militärischen Widerstand gedrosselt. Eine zweite Front gegen uns zu Lande ist ausgeschlossen. Folglich haben wir den Krieg gewonnen. Auch der Kapitalismus hat das Ringen verloren. Er wird nicht mehr nach den bisherigen großen Absatzgebieten operieren können, denn das sind unsere Absatzgebiete geworden. Dafür hat der westliche Kapitalismus die Juden bekommen, die uns zu Grunde gerichtet haben. Sie werden das Gleiche bei unseren Gegnern tun.« – Dr. M.888 erzählt, daß es beim letzten Rekrutenabtransport auf dem Nordbahnhof zu einem großen Wirbel mit den begleitenden Frauen und Müttern gekommen sei. Die neuen Transporte würden jetzt so zusammengestellt werden, daß der Abschied der Einrückenden von den Angehörigen sich in der Stadtbahnstation vollzieht, von wo die Einrückenden mit Militär, getrennt, auf die Bahnhöfe gebracht werden. – Bock und Halder sollen den Abschied erhalten haben. – Liberia ist von den Amerikanern besetzt worden. – Die gestrige Rede Goebbels hat einen unfreiwillig defaitistischen Einschlag, wie mir vorkommt. 25. 10. 1942  : Fliegeralarm, hervorgerufen durch Fliegerbesuch in Salzburg und Pardubitz, wo sie die dortige Pulverfabrik heimsuchten, Engländer. Vorgestern waren sie in Amstetten und Linz. 26. 10. 1942  : In Ägypten ist die engl. Offensive anscheinend im Fortschreiten. 27. 10. 1942  : Sizzo-Noris erzählt, daß Othmar Lamberg im Auschwitzer Lager gestorben ist. Die Witwe889 wurde zur Gestapo zitiert, wo man ihr nahelegte, von der Ausstellung eines Totenscheines abzusehen und ihr Kind890 großjährig erklären zu lassen, damit von 888 Josef Müller (1875–1962). 889 Wilhelmine Lamberg. 890 Lamberg hatte zwei Kinder.

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einem Vormundschaftsverfahren abgesehen werden könne. Auf Rat ihres Rechtsanwalts ließ sie sich darauf nicht ein. Dann hatte sie für die Kosten der Einäscherung und der Urne aufzukommen. – Den früheren Minister Heinl getroffen. Er erzählt, daß der frühere Heimwehrminister und spätere Nazirechtsanwalt Dr. Jakoncig mit seiner Frau891 verhaftet worden sei, weil sie spiritistische Seancen veranstaltet und den Geist des Dollfuß beschworen hätten. 30. 10. 1942  : Stalingrad, das man schon vor 4 Wochen jeden Tag genommen haben wollte, wehrt sich hartnäckig um jeden Meter Raum. Immer wieder die Überraschung, daß die Russen nicht nur zäh verbissen kämpfen, sondern sich auch materiell immer wieder halten können. Ihre Waffen werden nach der technischen Seite sehr gelobt. 31. 10. 1942  : General Körner getroffen. Er mokierte sich über die militärische Seite. Der polnische Feldzug sei gar nicht so großartig gewesen, auch in strategischer Beziehung nicht erstklassig, und in Frankreich hätte nur die technische Überlegenheit entschieden, die ein weiteres Kämpfen der Franzosen unmöglich gemacht hätte. Der russische Feldzug sei eigentlich eine Blamage. In 8 Wochen, hätte man erklärt, werde Rußland erledigt sein. Jetzt sei das Ende doch nicht abzusehen und einige Male hätte es auf der deutschen Seite regelrechte Fluchten gegeben. Das Ganze werde wie der Weltkrieg enden. Hitler sei ganz unbedeutend, was schon sein Buch erweise. Die Generäle spielten eine nichts weniger als gute Rolle, stünden alle unter dem Terror der SS-Organisationen und wagten nicht zu mucken. Von Glaise-Horstenau meinte er, er habe gegen den Kvaternik intrigiert, der sich zum Marschall habe machen lassen, damit Glaise-Horstenau ihn zuerst grüße. Mit Kroatien sei man sehr unzufrieden gewesen, weil keine Ordnung in das Land komme, das Ustascha-Regime sei ein reines Gangsterregime, das jetzt sogar gegen die katholischen Bauern losgehe. Man habe von den Kroaten stärkere militärische Leistungen verlangt, da hätten sich Schwierigkeiten ergeben. Glaise-Horstenau hätte beim Gesandten,892 der ein großer SA-Mann sei, stark gegen Kvaternik gearbeitet, worauf man seine Absetzung erzwungen hätte. General Keitel habe Glaise-Horstenau kommen lassen und ihm Vorhaltungen gemacht und schließlich gesagt, er solle die Sache jetzt als deutscher General in Ordnung bringen, worauf Glaise-Horstenau es mit der Angst bekommen und sich darauf ausgeredet habe, daß er ja ein politischer General sei und seit seiner Majorzeit nichts mit wirklich militärischen Dingen zu tun gehabt habe. »Das macht nichts«, war die Antwort, »Sie bekommen einen guten altreichsdeutschen Gene891 Nicht zu eruieren. 892 Siegfried Kasche (1903–1947).

3. 11. 1942

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ralstabschef und werden es schon schaffen.« So sei Glaise-Horstenau jetzt in der Rue de C.893 Glaise-Horstenau versäume es übrigens jedesmal, wenn er nach Wien komme, nicht, mit Körner durch Mittelsmänner Fühlung zu nehmen. Der kluge Mann baut vor, kann man nur sagen. Jedenfalls ist Glaise-Horstenau ein ganz besonderer Konjunkturalist. 3. 11. 1942  : Kienböck getroffen, der mich mit den Worten begrüßte  : »Sie wissen doch, daß es gar nicht gut steht. Die Situation wird immer übler, Halder ist gegangen worden, die ganze Konstruktion des großen Generalstabes ist zerschlagen worden usw.« 4. 11. 1942  : Hofrat Fischmeister getroffen, der etwas betreten tat, weil seine verschiedenen Vorhersagen, die er zu Anfang dieses Jahres so bestimmt gemacht hatte, nicht eingetroffen waren. Er erzählte dann noch verschiedene Mitteilungen von Soldaten über die Zustände in Rußland, die gar nicht mit dem hier geltenden Bild zusammenstimmen. 5. 11. 1942  : Rückschlag an der afrikanischen Front. Die Italiener hatten schon vorgestern von sehr schweren Kämpfen und sehr großen Verlusten auf jeder Seite gesprochen und erklärten heute, daß man sich nach Westen zurückziehen mußte. Der deutsche Bericht gibt das insoferne zu, als er sagt, daß der Rückzug in planmäßiger Form auf vorher vorbereitete zweite Stellungen erfolgte. 7. 11. 1942  : Die Italiener geben 7.000 Gefangene zu, die Engländer behaupten, es seien 20.000, und außerdem seien 6 Divisionen der Italiener eingeschlossen. 8. 11. 1942  : Die Angelsachsen und Amerikaner sind angeblich in Oran und Algier gelandet. Hier hört man darüber nichts Sicheres, obwohl auch deutscherseits Versuche zur Bekämpfung der Landung unternommen wurden. – Die gestrige Hitlerrede paßt sich dem gewissen Publikumsgeschmack an, gedanklich nichts Neues, und macht wegen des Kotaus894 vor den Pg.’s, »die er ja immer wieder bewundere«, einen peinlichen Eindruck.

893 Rue de C. – Rue de la caque – in einer miserablen Situation. 894 Kotau – in kniender Haltung ausgeführte tiefe Verbeugung.

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9. 11. 1942  : Cl.895 erzählte, in der Klasse seiner Tochter896 hätte die Geschichtsprofessorin897 von dem Schilling gesprochen, der doch nichts wert gewesen sei, worauf die ganze Klasse in ein Gelächter ausgebrochen sei und der Lehrerin zugerufen habe, daß man doch dafür mehr als für die Mark bekommen habe, worauf die Lehrerin sich von der Sache loszukommen beeilte. 10. 11. 1942  : Las in der Nationalbibliothek für die Adriastudie die Geschichte Ferdinands II. und seiner Eltern von Hurter,898 ein Buch, das erst jetzt in meine Hände gekommen ist. Es steht unerschütterlich auf der katholischen Warte und bemüht sich auch, Schlechtes und Ungünstiges nicht zu verschweigen. Unheimlich anmutende Parallelen mit der letzten Zeit Österreichs eröffnen sich hiebei. Die ganze Arbeit der Predikanten, die aus dem Reich hereinströmten, und ihrer hiesigen Anhänger zeigt dieselbe Taktik, dieselbe Mentalität wie die der jetzigen Nazis. Es ist nur ein anderes Gewand angezogen. 12. 11. 1942  : Südfrankreich mußte besetzt werden, auch Korsika. Damit begründet, man habe Nachrichten, daß die Amerikaner und Engländer es auch besetzen wollten. Inzwischen wird versucht, die weiteren Landungen in Algier zu stören, in Libyen geht man weiter zurück. In Rußland tritt offenbar Stillstand ein. Merkwürdiges Deutsch im Heeresbericht  : »Gebirgsjäger durchkämmen ein Dorf.« 13. 11. 1942  : Der englische Rundfunk behauptet, daß die deutschen Truppen schon nach Tobruk zurückgewichen seien, nach Verlust von 30.000 Toten und Gefangenen. Die Zahl der Italiener sei noch nicht bekannt, über 1000 Geschütze und unzählige Wagen. In Französisch-Marokko ist schon Waffenstillstand. Den Franzosen gegenüber wird große Nachgiebigkeit gezeigt, schon der Hitler-Aufruf an das französische Volk klang sehr mild. Toulon und das andere französische Festungsgebiet wird nicht besetzt. Die französische Regierung darf sich eigentlich schon in Paris etablieren. – K.899 erzählt von dem Besuch eines früheren Kanzleibeamten des Österr. General895 Clemens (Klemens) Wildner. 896 Clarissa Wildner. 897 Nicht zu eruieren. 898 Im Typoskript  : Hunter. Gemeint  : Friedrich Emanuel Hurter (1787–1865). Wildner meint die Publikation »Friedensbestrebungen Kaiser Ferdinand’s II. nebst des apostolischen Nuntius Carl Carafa, Bericht über Ferdinands’s Lebensweise, Familie, Hof, Räthe und Politik«, Wien 1860. 899 Karl Wildner.

14. 11. 1942

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konsulats in Köln, einem Steirer,900 der durch die Naziumtriebe um seine Existenz gebracht, vom früheren Minister Berger901 im genannten Konsulat untergebracht wurde. Nach dem Umbruch hat er den Weg in das andere Lager gefunden und ist jetzt bei der Gestapo in Köln angestellt. Der Mann erzählte, die Gestapo hätte vor 38 einen Vertrauten im Generalkonsulat in der Person des ehem. Kanzlers902 gehabt, der nicht nur regelmäßig berichtete, sondern sich auch der Mitarbeit eines anderen Beamten vergewisserte. Die Gestapo soll übrigens auch in jeder Österr. Gesandtschaft ihre eigenen Agenten gehabt haben. 14. 11. 1942  : Der heutige Heeresbericht gibt zu, daß Tobruk geräumt wurde. Bezüglich der Bekämpfung der angelsächsischen Truppen in Französisch-Afrika ist er sehr unklar. Der offizielle Bericht erwähnt, daß Französisch-Marokko ganz in den Händen der anderen sei. In Rußland scheint man nur an der Abwehr tätig zu sein, auch wird die Berichterstattung verschwommen. Mein Hauswart, der in einer wichtigen Fabrik arbeitet, erzählt, daß nach der ersten Nachricht von der Besetzung Französisch-Nordafrikas durch die Angelsachsen die Vertrauensleute zusammengerufen wurden und dann den anderen Leuten zu sagen hatten, daß die französischen Kriegsgefangenen frei seien und zurückkehren würden mit Ausnahme der Spezialarbeiter, die zurückbehalten würden, aber wesentlich freier behandelt werden sollen, allerdings noch nicht auf der Elektrischen fahren dürfen. Der Vertrauensmann habe noch gesagt, den Italienern müsse man jetzt helfen. Das hätte aber so merkwürdig geklungen, daß die Leute geglaubt hätten, in Italien sei die große Krise eingetreten und eigentlich ein Umschmiß bevorstehend. 15. 11. 1942  : In Afrika geht es weiterhin schlecht. Schon Rückzug hinter Derna und man scheint sich jetzt in Bizerte verteidigen zu wollen, um die Verbindung mit Sizilien zu halten. – Vor 8 Tagen waren Gerüchte, daß die Achse beinahe auseinandergebrochen sei. Der italienische Beauftragte in Kattowitz903 habe solche Äußerungen getan und gemeint, er sei froh, zur rechten Zeit mit seiner Familie nach Deutschland zurückkehren zu können. Er werde nicht mehr zurückkommen können.

900 Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Josef Watzek (1896–  ?), ab 1935 beim Generalkonsulat in Köln tätig. 901 Egon Berger-Waldenegg. 902 Nicht zu eruieren. 903 Nicht zu eruieren.

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16. 11. 1942  : Besuch bei Kienböck. Das diesmalige Gespräch war viel aufgeschlossener. Nach einigem Herumreden erzählte er von dem Besuch eines guten Bekannten aus dem Altreich, der an markanter Stelle gestanden sei, die Leute sehr gut kenne und sich folgendermaßen ausgesprochen habe. Die Situation sei sehr brenzlig und die Militärs wüßten sehr genau, wie gefährlich sie sei. Als Soldaten täten sie ihre Pflicht und gehorchten. Es sei aber sicher, daß sie, wenn etwas sich ereignen sollte – und Hitler müsse für jeden Befehl die Paraphe geben –, einschreiten und einfach, um das Volksheer zu retten, alles, was sich jetzt die Herrschaft angemaßt habe, justifizieren würden und hofften, mit den Gegnern zu einem anständigen Arrangement zu gelangen, um die Bolschewisierung Europas zu verhindern. K.904 meint, ob letzteres mit den anderen möglich sein sollte, bezweifle er. Denn die anderen hätten sich schon so versteift, daß es hiezu wohl zu spät sein würde. Der betreffende Mitredner wollte wissen, was K. davon halte, welche Stellung Österreich dazu nehmen würde, Österreich müsse weiterhin natürlich im Verband Deutschlands bleiben und würde damit die Krise auch besser überstehen können. K. konnte nur sagen, daß hier wie in ganz Österreich die Hauptbedingung, wenn nicht der einzige Akt, der Herauswurf der Pifkes sein würde. Der Riß, die Enttäuschung sei unheilbar und ergreife alle Schichten. Ich konnte ihm darin nur sekundieren und bemerken, daß ich eben heute im gleichen Sinn gehaltene Äußerungen in einem mit altreichsdeutschen Waren handelnden Unternehmen gehört hätte. Bei der weiteren Erörterung, den gewissen Fall angenommen, meinte K., er könne sich nicht vorstellen, wie man hier die Dinge wieder in Ordnung bringen könne. Im Unterschied zum Zusammenbruch nach dem 1. Weltkrieg fehle es jetzt an einer bereiten Beamtenorganisation, es sei doch alles zerschlagen, die Leute teils weg, teils verblödet, zu alt, teilweise verhetzt. Daß viele dieser Leute nicht nur willig, sondern auch überbereit sich in den Dienst der Nazis gestellt hätten, dürfe man nicht so übelnehmen. Der Meinung war ich auch, aber ich bemerkte, daß man mit der Unerbittlichkeit der Scharfmacher rechnen müsse, die ihr Ressentiment auskochen lassen wollen werden. Nur die Landwirtschaft ist ganz in Ordnung und hat sich intakt gehalten  ; sie wird ihre Leute gleichstellen können. Sie steht eben mit zwei Füßen auf der Erde. Ich erwähnte dann noch einige Personalien. Wir würden uns die Dinge weiter durch den Kopf gehen lassen. Bezüglich der finanziellen Fragen, meinte K., würde die Situation einfacher sein. Es werde wirklich alles für null erklärt. Wo aber werde die Regierung zu finden sein, die Männer, die charakterfest genug seien, um nicht nachzugeben und um den Leuten das Gefühl der Sicherheit zu geben. Das sei die Hauptsache. Ich erwähnte, daß man jetzt schon Männer in den Vordergrund schiebe, wie den Ender und den Kink. Der eine sei ein Vorarlberger ohne weiten Blick geblieben, der andere sehr unbekannt. 904 Karl Wildner.

17. 11. 1942

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K. erwiderte, der käme gar nicht in Betracht, der andere würde sich auch für so etwas nicht interessieren. – Die Feldcompanien haben nur 30–40 Feuergewehre, die Jugend von 24–32 ist erledigt. Immerhin werden fortwährend aus anderen Gebieten, besonders Kroatien und Rumänien, Verstärkungen herangezogen. Schlußresultat 1 Million Tote und Vermißte, über 3 Millionen Verwundete und Kranke und überhaupt im Ganzen 12 Millionen Verluste. 17. 11. 1942  : {unleserlich} erzählte von Flugzetteln in Lazaretten, die die Sünden und die Verbrechen Hitlers aufzählen. Aufruf zum Beitritt zur Partei des Hasses. Immer wieder Streifen auf der Suche nach Offizieren. 20. 11. 1942  : In Afrika rennt der Rommel weiter und die anderen kommen ihm kaum nach. Was wird dann geschehen  ? 23. 11. 1942  : Hoffinger bei mir. Er war in Graz bei einer Maturafeier, wo eine merkwürdige Stimmung geherrscht habe, es sei viel von Österreich gesprochen worden. Der Rektor der hiesigen Hochschule für Welthandel, Knoll, der doch ganz national eingestellt sei, habe gesagt, daß er nur den Ausdruck »Österreich« anwende. Hoffinger hat sich wieder für den deutschen Dienst interessiert, als der Krieg ausbrach, aber kein Glück gehabt. Guido905 hat wieder für Thedy906 interveniert, aber nichts erreicht. Thedy gehe es schlecht, er sei in Buchenwald. 25. 11. 1942  : F.907 aus Prag hier, erzählt, daß die Tschechen sich wieder rührten. In Pilsen seien 2 Polizeibeamte umgebracht worden. Frank schlage noch schärfere Töne an, auch gegenüber den Deutschen. – An der russischen Front ist den Russen doch wieder ein großer Durchbruch geglückt, der heutige Bericht spricht von neuen Waffen, wie Flammenwerfer-Panzerwagen. Die deutschen Verluste sollen sehr groß sein. 26. 11. 1942  : [Fred wieder weg – er war hier 3 Tage – liebe Gesellschaft – er macht sich auch keine Illusionen über die Zukunft und über die Rolle, die wir jetzt spielen – daß wir schließlich nur mit der Gewalt allein nicht werden das Auskommen finden können.] An der Ostfront dauern 905 Guido Schmidt. 906 Theodor Hornbostel. 907 Alfred Wildner.

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die schweren Kämpfe an. [Besuch Müller und L., die mir beide auf die Nerven gehen – der Eine mit der jüdischen, von der Frau angelernten Mentalität, der Andere mit der ebenfalls von der Frau angelernten Nazi-Mentalität, die auf ostslawisch {unleserlich} aufgepfropft sind – …] 27. 11. 1942  : Toulon mußte deutscherseits doch besetzt werden, die Flotte hat sich selbst versenkt und die Forts sind gesprengt. Am Donbogen geht es sehr schlecht zu. Die deutschen Truppen werden gegen Stalingrad getrieben, also eingekesselt. Riesige Verluste, über die noch nichts gesagt wird, angeblich schon 70.000 Gefangene, 1300 Panzerwagen, 20.000 Geschütze, 6000 Autos. Ganze Stäbe wurden gefangen genommen. 30. 11. 1942  : Hörte einen Vortrag über das politische Zeitgeschehen von einem Dr. Otto Kriegk. Er erinnerte mich in der Mache, in den Ausdrücken, ja sogar im Tonfall an die Sowjetjuden, die man vor einigen Jahren noch im Radio hören konnte. Ist das ein Gesetz, daß man wirklich alles so nachahmen muß  ? 3. 12. 1942  : Der Pg. Wurzian sieht ganz schwarz. Die Aufgabe Afrikas sei nur eine Frage kurzer Zeit. Er und MR D.908 wollen nicht einsehen, daß man sich endlich mit dem Problem der eingeschlossenen Festung vertraut machen und nicht fortwährend alle Karten auf die Offensive setzen soll, sowie darauf, daß man die Wirtschaft nicht nur ausschließlich für den Krieg, sondern für den Zivilbedarf arbeiten lassen soll. Beide meinen, daß wir im Frühjahr die Rationen nicht einhalten können. Sie reden so, der eine ist noch Pg. und Gatte einer Frau,909 die für den Fall des Nichtsieges vom Gasschlauch spricht, der andere war Pg., um durchrutschen zu können. – Hptm. K.910 meinte heute, Hitler sei positiv verrückt, mit den Militärs immer mehr uneins, sogar Keitel habe nach der Entfernung von Halder 14 Tage nicht den gemeinsamen Tisch besucht. Seitdem Brauchitsch weg ist, gehe es militärisch schlecht. Wurzian jammerte noch, daß der Arenbergpark zerstört wurde, man baut jetzt dort einen Riesenflakturm. Unter der Einwohnerschaft herrsche Panik, übrigens auch unter den Altreichsdeutschen. Übrigens sollen noch andere solche Bauten mit einem Gesamtaufwand von 700.000 t Zement angelegt werden, die auch im Frieden dann als Hochhäuser verwendet werden sollen. Also hier in Österreich verewigt sich der Führer nicht besonders. 908 Aladár Duda. 909 Margarethe Wurzian. 910 Karl Wildner.

7./8. 12. 1942

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7./8. 12. 1942  : Cl.911 erzählte, er habe selbst 2 Häuser von seiner Wohnung entfernt, also in unmittelbarer Nähe der Wohnung des obersten Sicherheitschefs,912 zwei auf einer Sandkiste angeklebte Aufschriften gelesen  : »Weg mit Hitler, gebt uns unser Jawort zurück  !« Hammer-Purgstall erzählt aus Oberösterreich, er sei wegen Anhörens eines verbotenen Senders in Untersuchung gezogen, von einer früheren Angestellten angezeigt, ist aber zuversichtlich. Die Stimmung sei miserabel, aber nur gegen die Pg. Leute. 12. 12. 1942  : Von Stalingrad wird seit 8 Tagen in den Berichten der deutschen Heeresleitung nicht gesprochen. Was ist da los  ? Die offizielle Propaganda bringt auch keine näheren Angaben über die Schlacht im Don-Wolgaraum, wo, wie behauptet wird, der größte Teil der deutschen Armeen hinter dem Fluß abgeschnitten ist und nur auf dem Luftweg versorgt werden kann. Hans Fritzsche, dieser unsympathische Zeitgenosse, sprach heute im Radio von neuen Bundesgenossen der Achsenmächte, der Zeit, die für sie arbeite, und Goebbels ließ gestern seinen Wochenartikel vorlesen, in dem er gegen Churchill polemisiert, ohne aber genau zu sagen, was eigentlich der Engländer behauptet hat, sondern nur immer fortgesetzt variierend bemerkt, das deutsche Volk sei so politisch klug, um auf diese Geschichten nicht hineinzufallen. Es vertraue eben seiner überlegenen Führung. Ist eine solche Propaganda wirklich geschickt  ? Fordert sie nicht geradezu die Frage nach dem heraus, was eigentlich Churchill gesagt hat, wenn Goebbels bemerkt, daß diejenigen Deutschen, die darauf hineinfallen, nur ein verschwindender kleiner Teil seien  ; dunkle Rede. 16. 12. 1942  : Gesandter Pl.,913 jetzt Pg., erzählt, daß der Besitzer eines alten Hauses am Arenbergring dazu kam, wie man sein Haus, das er erst vor kurzer Zeit hatte schön wiederherstellen lassen, demolieren wollte, ohne daß ihm vorher eine Mitteilung zugekommen war. Er konnte diese Maßnahme, die im Zusammenhang mit den Flugabwehrbauten am Arenbergring stand, rückgängig machen. Jetzt heißt es auf einmal, daß das ganze Projekt wieder abgeblasen worden sei. Ein weiterer Beitrag zum Schwinden der Autorität der Regierung. Die Stimmung und Auffassung über das, was geschieht, wird immer schlechter. P.914 gab dazu noch verschiedene Belege. – Über Stalingrad hört man nach wie vor nichts, nur nebenbei wurde kürzlich in Bemerkungen zur Frontlage bemerkt, daß nach Meldungen aus Stalingrad dort 12° Kälte seien, und im 911 Clemens (Klemens) Wildner. 912 Wahrscheinlich Polizeipräsident Leo Gotzmann (1893–1945). 913 Wilfried Platzer (1909–1981). 914 Wilfried Platzer.

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Rundfunk erzählte ein Frontberichter, daß eine größere Zahl von Transportflugzeugen an der Ostfront angegriffen worden, kein Flugzeug aber zu Schaden gekommen sei. Das bestätigt also die Vermutung, daß deutsche Truppen bei Stalingrad und Umgebung eingekesselt oder abgeschnitten sind. 17. 12. 1942  : Bei F. Colloredo,915 wo auch der alte Botschafter Dumba zugegen, der trotz seiner 86 Jahre von einer bewunderungswürdigen Frische und Lebhaftigkeit. D. erzählte heute, Aehrenthal habe ihn während der Annexionskrise aus dem Haus entfernt, weil er ihm nichts darüber habe sagen wollen. Als er weggegangen war, meinte Fertsch, daß D. zu viel schwätze. Sein Onkel Aehrenthal habe ihn auch deswegen aus dem Ministerium entfernt, weil er durch sein Plauschen mit den fremden Botschaftern gefährlich geworden war, besonders mit den Deutschen. F. Colloredo meinte heute, ich müßte doch meine Vorbereitungen treffen, die Dinge würden rascher reifen. Frau von Einem, die nach einer 14monatigen Anhaltung wieder frei geworden war, sei aus Berlin hier gewesen, hätte vorher mit Göring gesprochen, Tripolis sei aufgegeben, Tunis würde gehalten werden. – Mit Spanien scheint etwas los zu sein. Merkwürdig die in den heutigen Zeitungen wiedergegebenen Äußerungen des kubanischen Präsidenten.916 Franco hatte allgemein gegen den Liberalismus (im spanisch-katholischen Sinn) gesprochen. Zahlreiche SS-Leute sollen nach Spanien abgegangen sein. In Brüssel wurden 10 Terroristen erschossen, weil die Urheber eines Attentates gegen einen flämischen SS-Führer917 nicht eruiert werden konnten. 18. 12. 1942  : In Rußland scheint es wieder schlecht zu gehen und Tripolis ist wohl aufgegeben. Man geht weiter zurück. 19. 12. 1942  : Gestern gehört, daß man den Ungarn auf einen Transport von Waffen nach dem unbesetzten Gebiet in Frankreich gekommen ist. Die hiesigen französischen Gefangenen sollen ganz auf der Seite Darlans sein. Unter ihnen Freudenausbrüche, als die Flotte versenkt wurde. 21. 12. 1942  : An der Front sind die Russen beim Don wieder stark durchgebrochen. Der deutsche Heeresbericht sagt, um einer Flankenbedrohung zu begegnen, bezogen im Anmarsch 915 Ferdinand Colloredo (1878–1967). 916 Fulgencio Batista y Zaldívar (1901–1973). 917 Nicht zu eruieren.

24. 12. 1942

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befindliche deutsche Divisionen planmäßig vorbereitete rückwärtige Stellungen und verhinderten dadurch eine Ausweitung des feindlichen Anfangserfolges. Die Kämpfe halten in unverminderter Stärke an. Jedermann muß sich natürlich fragen, wo denn die deutsche Überlegenheit ist, da doch der Russe vorher so geschwächt worden ist, daß er sich nicht mehr erheben werde können. – Die Kriegsgefangenen dürfen nicht mehr singen. 24. 12. 1942  : »Courage ist gut, aber Ausdauer ist die Hauptsache«, zitiert eben Goebbels aus Fontane. Das klingt bei diesem Mann doch so hohl. 27. 12. 1942  : Hptm. K.918 meint, daß die Bulgaren rüsten, um den Türken an die Gurgel zu springen, wenn sie sich rühren sollten. Sie wollen Adrianopel dazu haben, aber  ! Ferd. Colloredo hat Wiesner gesehen, der Aspirationen zu haben scheine trotz seiner 71 Jahre. F. meint  : »Ja, aber nur eine kleine Weile, weil es ohne ihn nicht geht, dann aber weg und Platz für die anderen.« 28. 12. 1942  : Bei Sizzo-Noris, der schwer krank zu sein scheint. Meint, aus Italien kommend, daß die Situation dort unhaltbar werde, die Leute verlören die Nerven, die Deutschen würden bald einrücken müssen. Jetzt seien schon starke Flakabteilungen hingeschickt worden. Brantner, der eben vom Schwarzen Meer gekommen ist, erzählt von guter Verpflegung, aber sonst mieser Stimmung. Alles sei verärgert über das Auftreten der »Kommissäre«, die von goldenen Abzeichen strotzten und – »Goldfasane« genannt – überflüssig geschäftig und aufreizend protzig aufträten, nur von eben solchen jungen Burschen umgeben seien. Die Abrechnung werde furchtbar werden, entsetzliche Maßnahmen gegen die Deutschen wegen der Mißhandlung der Einheimischen und der besonders gegen die Juden verübten Greueltaten, die zu Tausenden umgebracht worden sein sollen. Im Gouvernement Warschau Inflationsorgien, aber alles zu bekommen. 1 Paar Schuhe 1.000, 1 Anzug 2.000, 1 Schale Kaffee 14, 1 Abendessen für 3 Personen (Vorspeise, Schnitzel mit Kartoffeln, 1 Bier, 1 Schnaps) 350 = 170 Mark. Die Sache werde sich noch bis in den nächsten Herbst hineinziehen. 30./31. 12. 1942  : Fertsch Colloredo bei mir. Er macht sich Gedanken über die angeblich den Russen für die zukünftige Kontrolle von Mitteleuropa gemachten Zusagen, hält das Ganze aber doch nur für ein Manöver der Engländer. Ich finde, daß die Engländer ein 918 Karl Wildner.

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bißchen viel »manövrieren«, nicht nur mit den Russen, sondern auch mit den Amerikanern, wo doch ihre Position allmählich sehr windig wird. – Langes Gespräch mit ihm über den Ständestaat. Ich  : daß ich nicht wüßte, wie er praktisch aussehe, daß ich es schon hier in Österreich nicht verstanden habe. Wie bringe man es überhaupt dem Volke bei  ? – Die Leute erzählen, daß nicht nur die bei Stalingrad befindliche Armee Paulus eingeschlossen bleibe, sondern auch die zum Ersatz herbeigeeilte neue Armee zurückgeworfen wurde und in Gefahr sei, ebenfalls eingeschlossen zu werden. 4./5. 1. 1943  : Wir wissen nichts, ein grausliches Gefühl. 7. 1. 1943  : Bei der Kartenstelle 2 Stunden gewartet, nicht drangekommen. Die Leute sind geduldig, aber nervös, schlechte Organisation. An der Ostfront soll Timoschenko abgesetzt worden sein, trotzdem kommen die Russen bei Welikije Luki vorwärts. – Auf dem St. Rochus-Markt ist ein Fleischerladen zum zweiten Mal ausgeraubt worden. Die Diebe hinterließen einen Zettel, auf dem stand  : »Wir sind unser dreißig und stehlen tun wir fleißig.« 8. 1. 1943  : Spaziergang mit Kienböck. Er hatte wieder den Besuch des Glaise-Horstenau, der jetzt Kommandierender General in Agram ist und dem Generalobersten Löhr untersteht. Glaise habe gemeint, die Situation sei nicht schön. Er schrieb sich das Verdienst zu, daß die Abschlachtungen eingeschränkt worden sind. Sehr unklare gespannte Verhältnisse in Italien, dessen Verhalten übrigens den Deutschen gegenüber sonderbar sei. Die Erwartungen und Sympathien der nichtfaschistischen Mehrheit konzentrierten sich auf Badoglio, der täglich ganze Körbe von Schreiben und Telegrammen bekäme. Traf am Abend den MR Wunder, der eben, aus Kopenhagen kommend, auf Urlaub weilt. Er erzählt von seinem neuen Chef Dr. Best, der ein früherer Polizeichef in Hessen gewesen sei, dann eingerückt, hierauf beim Verwaltungsgericht in Frankreich, sodann ins Auswärtige Amt hinübergeturnt, wo er in kürzester Zeit zum Ministerialdirigenten hinaufsprang, Mann des Himmler, der sich gegen die bisher vom Auswärtigen Amt geführte Politik durchgesetzt habe. Best habe Vollmacht in diesem Sinne, nur dürfe er nicht »norwegisieren«. Jetzt werde wieder der Hebel zurückgedreht, die totalitäre Richtung lasse sich scheinbar doch nicht durchsetzen. Da Best der Mann des Himmler sei, habe er sich auch mit Himmler auseinanderzusetzen, was eine Entlastung des Auswärtigen Amtes bedeute. Best’s Stellvertreter für die auswärtigen Amtssachen ein Gesandter Barandon, 39 Jahre alt und gottgläubig.919 919 Mit letzter Bemerkung ist Werner Best (1903–1989) gemeint.

9. 1. 1943

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9. 1. 1943  : Besuch bei Sizzo-Noris im Krankenhaus. Seine Zunge wird bestrahlt. 10. 1. 1943  : Wieder Wunder getroffen, der u. a. zum letzten Konflikt zwischen Dänemark und Berlin erzählt  : Scavenius habe sich ganz geschickt aus der Affäre gezogen. Das Antworttelegramm hätte der König920 allein verfaßt. Das dänische Auswärtige Amt hätte nichts hineinreden können, abgesehen davon, daß die Antwort dem bisherigen Usus entsprochen habe. Der König habe sofort sagen lassen, daß er den Zwischenfall sehr bedauere, nichts sei ihm aber ferner gelegen als zu einer Verstimmung Anlaß zu geben. Er könne auch nicht verstehen, warum eine solche Aufregung entstanden sei, und schon gar nicht nach der Art, mit der er sich zweimal mit dem Führer gesprochen habe. Er sei bereit, die Sache persönlich aufzuklären, könne das aber nicht tun, weil er infolge des Reitunfalles bettlägerig sei. Er würde aber gerne einstweilen seinen Sohn921 entsenden. Daraufhin sei die Sache wieder geleimt worden, das Auswärtige Amt hatte Oberwasser, wollte den Thomsen als Gesandten senden, damit sei aber Himmler nicht einverstanden gewesen, der gefunden habe, daß Renthe-Fink ja seine Sache eigentlich nicht schlecht gemacht habe und Verständnis für seinen Standpunkt zu beweisen scheine. Und schließlich sei man auf den Best verfallen, der schon im Auswärtigen Amt war, der also abgesendet wurde und die Sache des Auswärtigen Amtes führen müsse und als solcher jetzt die Sache auszupantschen habe. Best habe schon (immer) Wasser in seinen Wein gegossen und habe vor allem den früheren Unterstaatssekretär des Reichswirtschaftsministeriums und Beauftragten für den Vierjahresplan, den General Hanneken, der jetzt Militärbevollmächtigter geworden sei, in seine Schranken gewiesen. Kürzlich sei Best auch in Norwegen gewesen und habe nach seiner Rückkehr behauptet, daß der dortige Reichskommissar922 die Sache doch nicht richtig mache. Er, Best, würde das ganz anders anpacken. 15. 1. 1943  : Major K.923 behauptet, daß der Rückschlag bei Stalingrad durch das Versagen der Italiener verursacht und der im Kaukasus durch die Rumänen, die überhaupt jetzt viel zu wünschen übrigließen. Kl.924 erzählt dazu, in Rumänien sei man sehr kriegs-

920 Christian X. (1870–1947). 921 Frederik IX. (1899–1972). 922 Josef Terboven (1898–1945). 923 Karl Wildner  ; aus den Aufzeichnungen in Gabelsberger-Kurzschrift vom 14. Juni 1943 geht eindeutig hervor, dass mit Hauptmann oder mit Major K. Karl Wildner gemeint ist. 924 Clemens (Klemens) Wildner.

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unlustig, die telegraphische Verbindung mit Bulgarien sei seit 8 Tagen gesperrt. In Rumänien wird offenbar die Gegenseite den Hebel ansetzen. 18. 1. 1943  : Die Dinge im Osten gehen immer schlechter. Nicht nur Welikije Luki ist verloren. Daß sich die Besatzung durchgeschlagen habe, wird nicht recht geglaubt. 19. 1. 1943  : Die Schlüsselburgposition soll aufgegeben sein. Man wird weiter zurückgehen müssen [und nennen das bewegliche Kampftaktik. – ein Glück, daß kein General die Führung hat – wann wird er sie wieder übernehmen müssen – mich wie gestern einige Male geärgert – zum Essen kam ein Altreichler, anfangs sehr ruhig – kaum daß er Platz nahm beginnt er laut zu reden, hier tut man wohl gut essen – ich sage, je nachdem – er  : warum ist die Stimmung hier so schlecht – ich platze heraus, weil die Leute Ruhe haben wollen – ich bin Rheinländer, aber bei uns ist man nicht so, aber ich will nicht {unleserlich} und gab dann Ruhe und spielte den Beleidigten – vergaß dann bei der Rechnung das Bier anzugeben und sagte großmütig, als die Rechnung Mark 2,49 betrug, sagen Sie 2,50 – eisiges Schweigen des Kellners und die Gäste beeilten sich hinauszukommen.] 20. 1. 1943  : Besuch bei Sizzo-Noris, er kann nicht mehr sprechen. Sein Neffe,925 eben aus Berlin gekommen, erzählt, der Fliegerangriff sei sehr heftig gewesen, ganz Berlin sei in hellen Feuerschein getaucht gewesen. Von anderer Seite  : Die Deutschlandhalle zerstört, der Alarm zu spät gegeben, der größte Teil des Publikums der Zerstörung ausgesetzt. Minister a. D. Hennet erzählt, daß man von ihm sein Schrotgewehr verlangt habe, das zur Bewaffnung der Stadtschutzwache gebraucht werde, die zum eventuellen Schutz gegen die fremden Arbeiter dienen soll. In Wien gibt es fast gar keine SS-Formationen mehr, alle großen Verbände sind in Frankreich. 21. 1. 1943  : Die Engländer stehen 50 km vor Tripolis, der Donez ist überschritten. Im Norden wird deutscherseits noch westwärts von Zarskoje Selo gehalten. 22. 1. 1943  : Der heutige Heeresbericht gibt zu, daß die Verteidiger von Stalingrad einen Einbruch vom Westen nicht verhindern konnten, was zu einer Zurücknahme der eigenen Stellungen um wenige km gezwungen habe, und daß im Ostkaukasus die deutschen Truppen sich im Rahmen der beweglichen Kampfführung planmäßig vom Feinde 925 Nicht zu eruieren.

23. 1. 1943

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absetzten, ferner, daß Misurata und Homs nach Zerstörung der kriegswichtigen Anlagen geräumt wurden. In Tunesien wurden 3 britische Jagdflugzeuge abgeschossen. Diese letzte Bemerkung doch sehr sonderbar. – Bischoff erzählte mir heute, Guido Schmidt hätte selber ihm kürzlich gesagt, es sei komisch zu sehen, daß es noch einige Parteioberste gebe, die glaubten, daß die Sache gut ausgehen werde. 23. 1. 1943  : Tripolis geräumt. Auch im nördlichen Kaukasus löst man sich vom Feinde ab, der nicht mehr weit von Rostow zu sein scheint. Die Situation in Stalingrad scheint verzweifelt zu sein. Der Kommentator sagt heute, es lasse sich ohne weiters denken, wie schwer, ja beinahe unmöglich, bei einer solchen Einschließung der erforderliche Nachschub und die Versorgung der bei Stalingrad kämpfenden Truppen geworden ist. Ich  : Man kann also eigentlich von Glück sagen, daß die deutsche Sommeroffensive so weit gediehen war, daß man jetzt Raum zum Zurückgehen hat. 24. 1. 1943  : Hitler soll im Flugzeug bei den Leuten in Stalingrad gewesen sein und dann angeordnet haben, daß sie nicht zurückgezogen werden, sie werden also geopfert, von über 200.000 sind schon über 120.000 angeblich erledigt. Die Frontlinie soll verkürzt werden. Seitdem er die Sache in die Hand genommen hat, geht alles schief. Darüber kommt man nicht hinweg. Westlich von Tripolis sind schon Kämpfe im Gange, Tunis soll offenbar als Brückenkopf gehalten werden. 25. 1. 1943  : Gesandter Tauschitz suchte mich heute auf. Auf dem Land sei Ruhe, Mangel an Arbeitskräften, Einheimische fast zur Gänze abgezogen, fast nur Fremde. Keiner traue dem anderen, niemand wage es aufzumucken, der neue Gauleiter926 werde schwerlich imstande sein, die Schäden, die unter seinem Vorgänger Kutschera, einem Gärtner, entstanden waren, auszumerzen. Ganze Horden von Beutegierigen hätten sich auf Oberkrain gestürzt, um, was dort an Eigentum zu haben war, an sich zu reißen. Die bisherigen Besitzer seien einfach davongejagt worden, seien in die Wälder gegangen und führten jetzt den unbarmherzigen Bandenkrieg. Auch in Kärnten würden slovenische Bauern, meistens vermögende, gegen die man irgend etwas vorbringen könne, einfach mit Autobussen abgeholt, sie könnten 50 kg mitnehmen und würden einfach deportiert. An ihre Stelle setze man Umsiedler aus dem Kanaltal, die schon von früher als schlechtes Element, das kaum ein Drittel deutsches Blut habe, verschrien seien. Die Umsiedlung der Gottscheer sei der größte Unsinn und ewige Schande. Sie seien nach Gurkfeld-Rann gebracht worden, wo sie nicht wüßten, 926 Friedrich Rainer (1903–1947).

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was anfangen. Allgemeine Signatur  : Unsicherheit und Angst vor dem, was kommen werde. – Am Abend bei Kienböck, der meinte, das Bedrückende sei nicht, daß viele Einzelne hinübergegangen seien und in Gesinnungsänderung mehr getan hätten als man anständig nennen könne, sondern daß die große Masse als solche gegenüber dem Umbruch so versagt habe. Dazu sagte ich, daran seien wir doch auch selber schuld, indem wir nicht genug zur Schaffung und Erhaltung des Gesamtstaats- und Gemeinschaftsgefühls getan hätten. Er fuhr, wie von der Tarantel gestochen, auf und rief  : »Nein, da war nichts zu machen. Es war aussichtslos, mit den Sozis auf gleich zu kommen. Für sie war die Partei alles, ja, sie waren ja zum Schluß zu gemeinsamer Arbeit bereit, aber nur deswegen, weil ein anderes Verhalten aussichtslos gewesen wäre, also nur gezwungen.« Ich gab Beispiele für die gegenteilige Auffassung. Reden und Verhalten des Dr. Otto Bauer nach dem Inkrafttreten der Friedensverträge und überhaupt Verhalten der Soziführer, wenn ich mit ihnen in gemeinsamen Angelegenheiten, beispielsweise den militärischen Klauseln des Friedensvertrages, zu tun hatte. Ich hatte das Thema überhaupt auch deswegen berührt, um den Übergang zu den jetzigen und den kommenden Dingen zu finden. Das verstand er offenbar nicht und meinte, alles sei unklar und sicher sei nur, daß schreckliche Dinge bevorstünden. Übrigens stünden für neue Aufgaben, namentlich auf staatlichem Gebiete, nicht mehr geeignete Leute zur Verfügung. Das bestritt ich und zeigte es ihm gleich hinsichtlich des Finanzministeriums. In K.927 steckt also doch zu sehr der Parteipolitiker, der Recht haben wollende Advokat. – Die Franzosen müssen täglich 500 Millionen Besatzungskosten und Beitrag zum Feldzug gegen die Bolschewiken zahlen. Das belgische Gold, das nach Dakar gebracht worden war, konnte deutscherseits noch rechtzeitig von dort mit Flugzeug abgeholt werden. – Kienböck mußte mir noch zugeben, daß der Schilling-Markkurs vor dem Umbruch mit 1  :2 unter Zwang von Berlin gehalten worden war, auch als ich Kienböck selbst darauf aufmerksam machte, daß die Spitze928 nach den letzten Vereinbarungen von 3 auf 60 Millionen gestiegen war und daß nicht abzusehen gewesen wäre, wie man sie hätte abdecken können. Als ich daran erinnerte, war Kienböck eher verlegen, denn in dieser Beziehung hatte er, aber noch mehr Buzzi, ein vollgerütteltes Maß von Verantwortung. Buzzi, der auch immer die Verbindung mit dem Direktor Puhl von der Reichsbank gehalten hatte, ist auch im weiteren Verlauf entsprechend belohnt worden. 26. 1. 1943  : In Stalingrad geht die Tragödie vor sich.

927 Viktor Kienböck (1873–1956). 928 Gemeint ist die Clearingspitze.

27. 1. 1943

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27. 1. 1943  : Churchill und Roosevelt haben bei ihrer Zusammenkunft in Casablanca die zwei französischen Macher Giraud und de Gaulle doch nicht einigen können. Ansonsten scheinen sie sich aber für die nächste Zukunft doch über Verschiedenes verständigt zu haben, was der Achse sehr unangenehm werden kann. Die Russen rennen mit ihren neuen 60 Divisionen überall an. Das Drama in Stalingrad scheint zu Ende zu gehen. Geschmackvoll sagt der heutige Heeresbericht, daß die noch kampffähigen Soldaten sich in die Trümmer von Stalingrad verkrallen. Eine ganze Armee von über 200.000 Mann ist da zugrunde gegangen. Aber auch an den anderen Fronten scheint es ebenso schlecht zu gehen. – Unterhaltung mit F. Colloredo.929 Erzählte ihm von den Berliner Nachrichten, daß angeblich die Amerikaner an die Wiederherstellung des alten Vorkriegsstandes denken mit allen Höfen, daß aber auch Propaganda für Zusammenschließen Österreichs mit Bayern gemacht werde, daß Ungarn so ziemlich zerkleinert werden solle usw. Er hat ganz Ähnliches gehört, ist gegen die bayerische Kombination, lieber sollte man uns Schlesien wiedergeben und den Zusammenhang mit dem Reich nicht aufgeben. Wenn man uns Schlesien gebe, könnte dort das Deutschtum gegen die Polen gerettet werden. Wirtschaftlich würde es so wie so zu einem Mitteleuropa kommen. Nach seinen sonstigen Andeutungen soll man sich hier auf legitimistischer Seite keinen Illusionen persönlicher Natur hingeben. Man werde gegebenenfalls mit einem fertigen Organismus von drüben kommen und die alten früheren Leute würden nicht mehr viel bedeuten. Das glaube ich auch. (Übrigens ist die Umgebung nicht besonders, Martin Fuchs hat kein Format und ist ein Jude. An die Judenfrage scheint man bei allen Zukunftsprojekten überhaupt nicht zu denken.) Trauttmansdorff930 sei eine Null, Degenfeld die Dinge falsch beurteilend usw. – 28. 1. 1943  : Hptm. K.931  : Die Kriegseinsatzverordnung steht bevor. Bei Woronesch scheint es sehr schlecht herzugehen, überhaupt werde der Druck immer stärker, es gehe um Sein oder Nichtsein. 29. 1. 1943  : Die Amerikaner sollen vorgestern am Tag in Wilhelmshaven gewesen sein, die Engländer über Nacht in Düsseldorf, die Flak soll sehr bald zum Schweigen gebracht worden sein. Man sieht sich von lauter Damoklesschwertern umgeben.

929 Ferdinand Colloredo (1878–1967). 930 Im Typoskript  : Trautmansdorff  ; möglicherweise Maximilian Karl Trauttmansdorff-Weinsberg. 931 Karl Wildner.

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30. 1. 1943  : Die Rede von Goebbels und die Proklamation angehört. Es muß schon sehr schlecht gehen, wenn solche Reden geführt werden, und wie auf einmal der liebe Gott angerufen wird. Bei Woronesch sollen wir schon über 100.000 Gefangene verloren haben. 7 Divisionen sind eingeschlossen. 31. 1. 1943  : Die Räumung des Kaukasus ist offenbar schon lange Zeit vorher in Aussicht genommen gewesen, um einer neuen Einschließung zuvorzukommen. 1. 2. 1943  : Gesandter Eckhardt bei mir gewesen. Glaise-Horstenau hat einem seiner Bekannten erzählt, er sei eben im Hauptquartier gewesen, Hitler sei sehr bedrückt, stehe unter ärztlicher Aufsicht und werde auch in der Nacht bewacht. Pétain habe vom Unternehmen auf Algier vorher gewußt, jetzt scheine sich etwas in Portugal und eventuell sogar in Spanien zu tun. Die Türken würden unbedingt auf Deutschland losgehen, wenn es hier schief ginge, und auf die Bulgaren sei gar kein Verlaß. Engländer und Amerikaner seien verkleidet noch in Sofia und es sei möglich, daß sich König Boris schließlich doch halten werde. Die Finnen seien in Berlin jetzt verdächtig geworden, sie verhandelten in Stockholm mit den dortigen Amerikanern. Den Russen sei von der Entente nur das Baltikum zugesagt worden. Die Rumänen seien sehr stützig932 und benähmen sich Deutschland gegenüber so wie sie sich seinerzeit gegenüber dem kleinen Österreich benommen hätten. Guido Schmidt sei eben aus Rumänien zurückgekommen. Dort sei die Situation ganz miserabel, die Rumänen wollten nur mehr gegen Gold an Deutschland liefern. {unleserlich} habe im August des Vorjahres gesagt, daß Stalingrad fallen werde, dann werde die Wolga von Astrachan an gesperrt werden, das schwere Geschütz würde von Sewastopol nach Petersburg gebracht werden, um dort Ordnung zu machen, weil die russischen Unterseeboote den Deutschen doch zu schaffen machten. Dann werde Murmansk erledigt werden, ferner der Kaukasus gemacht werden und über Syrien würde man zum Suezkanal vorstoßen, während in Afrika Rommel die zweite Offensive unternehmen werde, worauf sich beide Armeen vereinigen werden  ; alles das noch im Jahre 1942  ! Und auf einmal ist alles schief gegangen. Im Auswärtigen Amt sehe man ein, daß von einem Sieg gar keine Rede mehr sein könne. 2. 2. 1943  : Tauschitz erzählte mir kürzlich ein Gespräch mit Göring über Religion. Göring habe ihm gesagt  : »Sie und ich brauchen keine Krankenkasse, wir sind in der Lage, uns aus 932 Stützig – widerspenstig.

3. 2. 1943

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unserem Einkommen ohne weiters eine Kur in Gastein zu gönnen oder wir können erstrangige Professoren uns zur Heilung eines Übels nehmen. Das Volk, die breiten Massen, brauchen aber für den Krankheitsfall eine Versicherung, die Krankenkasse. So ist es auch mit der Religion. Ich und jeder höher Stehende brauchen keinen Gott. Die Massen können aber ohne ein religiöses Bekenntnis nicht existieren, sie brauchen eine Stütze.« Also ein infamer Materialist. – Bischoff erzählt, Verdross habe eine Visitkarte gesehen, {unleserlich},933 Direktor der Gemäldegalerien des Reichsmarschalls. Ich  : »Das ist doch sehr unvorsichtig, sich so der öffentlichen Kritik auszusetzen.« Bischoff meinte  : »Nein, aber nein, die Altreichsdeutschen und die Nazis an sich werden daran gar nichts finden, im Gegenteil, es als vollkommen billig bezeichnen, daß der Mann, der Deutschland so hochgebracht hat, dafür in der äußeren Lebensführung auch etwas habe. Warum soll er sich nicht von jedem größeren Judenvermögen nur ein Bild wegnehmen  ?« Von demselben Göring erzählte Guido Schmidt dem Bischoff, er habe zu seinem Geburtstag kürzlich eine große Einladung gegeben, an der neben vielen Großkopferten aus Partei und Wirtschaft auch Guido Schmidt teilnahm. Hermann habe dabei eine große Rede gehalten und gesagt, die Lage sei sehr kritisch und er müsse von jedem Anwesenden erwarten, daß er in seinem Kreise sich gegen das Entstehen einer Panik stelle. 3. 2. 1943  : Stalingrad also gefallen. Drei Tage Lustbarkeitssperre durch Goebbels angeordnet. Die Russen hatten angeblich vorgestern schon gemeldet, daß sie 140.000 Gefangene hätten von über 300.000 Mann Verpflegsstand. Außer Paulus noch 15 Generäle. Wieder hat Österreich – und besonders Wien – dabei sehr draufgezahlt (Wiener Division). – Hitler hatte doch angeblich sein Hauptquartier in Bayern in einem Vorort von München. Die Engländer glaubten ihn in einem Dorf Aufkirchen, das sie durch Flieger demolieren ließen. Am Tage der Machtübernahme sind sie zu jeder Rede in Berlin erschienen. Von Spanien und Portugal haben unsere Zeitungen keine Nachrichten. [Wurzian bei mir, dies öde taktlos – seine Frau spräche nur von Wille und Geist, die über die Krise hinwegbringen werden.] 4. 2. 1943  : Allenthalben Weinen, Heulen und Zähneknirschen. Die Schließung der für überflüssig erklärten Handels- und Handwerkgeschäfte steht bevor, dazu die Stalingradsache. – Lange Unterhaltung mit Bischoff, von dem ich mich über französische Volksfront aufklären lasse, von der er behauptet, daß sie zu Unrecht als Beginn des Bolschewismus ausgeschrien wurde, sondern sie sei eben nur eine Linksbewegung nach französischer Art gewesen. 933 Möglicherweise Kajetan Mühlmann (1898–1958).

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5. 2. 1943  : Die Stalingradgeschichte scheint doch mit einer Art Kapitulation abgeschlossen worden zu sein. Ein Oberst Adam934 wurde von Paulus zu den Russen entsendet, um die Einzelheiten zu verhandeln. Von den bei der Truppe weilenden 24 Generälen wurden alle 24 gefangen genommen. Von den 330.000 Mann der Truppen sollen 240.000 tot sein. Im Traktorenwerk haben sich 45.000 Mann mit General Strecker ergeben. Im Kaukasusabschnitt steht es nach wie vor schlecht, man wird sich nur über Kertsch zurückziehen können. Die Russen sollen schon an der Mündung des Don sein und haben bei Noworossijsk Truppen ans Land gesetzt. – Kl.935 erzählte mir heute die Geschichte von einem Gespräch Seipels mit Marx und einigen Leuten von den rheinischen Katholiken, das anläßlich des Katholikentages in Dortmund Ende der 20er Jahre stattgefunden hat. Marx hatte gemeint, daß die Nazibewegung doch sehr große Fortschritte mache und unangenehm werde, worauf Seipel meinte  : »Da bleibt nichts anderes übrig, als sie in die Regierung zu übernehmen und sie dort sich abnützen zu lassen, denn sie werden bald erweisen, daß sie sachlich und politisch doch nicht der Aufgabe gewachsen sind«. Diese Bemerkung gefiel den anderen gar nicht. Marx war verärgert und verstummte, die anderen Redakteure der Kölnischen Volkszeitung attackierten sogar Seipel und sagten, in Deutschland seien doch die Verhältnisse anders und für Außenstehende nicht so leicht erkennbar, worauf Seipel verärgert war und politische Themata nicht mehr berührte. 6. 2. 1943  : Miserable Stimmung in der Stadt. Die Leute sagen  : »Wir kommen ja jetzt ganz in bolschewistische Verhältnisse, da wird jetzt langsam alles egal.« – Tauschitz sagte mir letzthin, er hätte seinerzeit ein Gespräch mit Dollfuß über die Beamtenschaft geführt und Dollfuß hätte sich darüber beklagt, daß die höhere Beamtenschaft keine rechte Initiative entwickle und kein eigenes Verantwortungsgefühl habe, den Ministern Vorschläge mache, für die sie aber persönlich nicht einstehen wollte. Sie zögen sich immer hinter die Autorität des Ministers zurück und zeigten überhaupt wenig Mut. Allerdings gebe es da zwei Ausnahmen und da sagte Tauschitz, die Zusammenstellung könnte den andern vielleicht nicht angenehm sein, denn über die zwei Ausnahmen habe Dollfuß gesagt  : »Der eine ist der Gesandte Wildner und der andere der Sekt. Chef Hecht.« – Die fremde Propaganda arbeitet fieberhaft und schrotet die Stalingradsache weiter aus.

934 Richtig  : Generalleutnant Arthur Schmidt (1895–1987), Generalstabschef der 6. Armee, führte – anstelle von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus (1890–1957) – die Kapitulationsverhandlungen mit den Sowjets  ; Oberst Wilhelm Adam (1893–1978) berichtete Paulus nur darüber. 935 Clemens (Klemens) Wildner.

7. 2. 1943

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7. 2. 1943  : Hptm. K.936 findet, daß die militärische Lage sich wesentlich gebessert habe und daß auch im Kaukasus nichts Ernstes zu befürchten sei. Ich kann da nicht mittun. 8. 2. 1943  : Es geht doch sehr schlecht an der Front, die Russen haben Asow genommen, so daß die deutschen Truppen nur mehr den Weg über Kertsch frei haben, in Rostow geht schon der Kampf in den Vorstädten vor sich, bei Kursk scheint sich auch etwas vorzubereiten. – Unterhaltung mit Polzer-Hoditz, der nichts weiß, nur sagt, daß im Landesgericht die Hinrichtungen am laufenden Band vor sich gehen, alles elektrisch. 9. 2. 1943  : Begräbnis Sizzo-Noris auf dem Heiligenstädter Friedhof. Zu früh hingekommen, Unterhaltung mit dem Benediktiner Hofrat Blaha von den Schotten, der sehr sicher über die politischen Dinge spricht, die kurze Dauer hätten. Hitler sei nicht normal. Durch ihn den Franziskaner Grafen Strachwitz kennen gelernt, der die gleichen Ansichten. Mit Pater Blaha sprach ich auch über die Neulandleute. Er stimmte meiner Bemerkung zu, daß dieser Kreis auch zur Vernebelung der Gemüter beigetragen hätte. Beim Kardinal Piffl sei einmal ein Geistlicher gewesen und hätte gemeint, man müsse sich doch mit dieser aufstrebenden Bewegung mehr befassen und ihr näher treten, worauf der Kardinal gesagt habe  : »Bitte, tun Sie, was Sie können, ich bleibe katholisch.« – Im Rheinland wird schon an der Wiederbesetzung des Westwalles gearbeitet. – Unterhaltung mit André, der erzählt, daß in Südserbien ebenfalls Vorkehrungen durch Aufstellung einer Armee von 200.000 Mann getroffen werden. Die 6. Armee werde in Linz aufgestellt, darunter Einreihung von Luxemburgern und Kroaten. Die Luxemburger verlangten französisches Bier (André sitzt in der Brauereizentrale). – Goebbels hat kürzlich zur Beruhigung darauf hingewiesen, daß Friedrich II. auch einmal in einer bösen Lage gewesen und durch ein Wunder gerettet worden sei. Soll das eine Anspielung auf unsere Situation sein  ? 10. 2. 1943  : Es geht immer schlechter an der Ostfront, Kursk im Besitz der Russen, die jetzt die Donezfront forcieren. 11. 2. 1943  : Den Angelsachsen scheint das Vordringen der Russen doch schon unheimlich zu werden. Sie forcieren jetzt ihre Rüstungen und tun so, als ob sie auch bald anfangen würden. Auf einmal wird gesagt, daß den Russen doch nichts Bestimmtes im mittel936 Karl Wildner.

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europäischen Raum versprochen sei und daß darüber erst, wenn Roosevelt mit Stalin gesprochen haben werde, man von bestimmten Abmachungen reden könne. – An der Atlantikküste werden Glacis durch Räumung und Demolierung von Häusern geschaffen. Die Rumänen sollen schon über ½ Million Leute verloren haben durch Flucht, Gefangennahme usw. Nachrichten von der Schaffung der neuen russischen Millionenarmee, die nächstens eingesetzt werden soll. Die Engländer behaupten, daß sie ihre 8. Armee in Afrika schon längst ausgewechselt hätten, indem die Leute, die den bisherigen Feldzug mitgemacht, nach England zurückgebracht worden seien, um die neue Offensivearmee zu verstärken und die weitere Ausbildung zu vervollständigen, während die neu nach Afrika Gebrachten praktisch jetzt im Ernstfalle ausgebildet werden. Die Überführung hätte sich nur mit ganz geringen Transportverlusten vollzogen. – Gerüchte, daß mit Italien verhandelt werde. Es solle nur Tripolis zurückbekommen, der König937 würde abzudanken haben, Mussolini wird ehrenvoll quiesciert938 werden. 15. 2. 1943  : Rostow und Woroschilowgrad geräumt. Man hat jetzt so merkwürdige Ausdrücke für die Bezeichnung des Rückzuges. So offen ist die militärische Unterlegenheit der Deutschen in der letzten Zeit bisher nicht hervorgetreten. Es scheint aber noch Ärgeres bevorzustehen, denn die Russen sind offenbar noch nicht am Ende ihrer militärischen Entfaltung, vor allem im Norden und im Donezbassin. Im Kaukasus scheint sich übrigens auch eine Katastrophe vorzubereiten. Dazu Sturmzeichen aus anderen Gegenden. In Bulgarien ist der Chef der bulgarischen Legionen939 gestern erschossen worden. Auch andere Attentate, wie solche aus Serbien und aus den Niederlanden, werden gemeldet, dazu schwere Angriffe auf Rouen und andere französische Unterseebootstationen. Gestern Nacht soll sich übrigens ein Anschlag auf einen großen Berliner Bahnhof ereignet haben. [In der Nationalbibliothek – alte Geschichte der Slowenen, die wirklich in der Geschichte keine vorragende Rolle spielen – dann wie gestern und vorgestern ging es im Haus um Luftschutzsachen – Herzschmerzen – lese aus meinem Bestand Bücher über Rußland – viele nach wie vor unverständlich.] 16. 2. 1943  : Durcheinander. ln Charkow sind die Russen schon eingedrungen. Nachrichten, daß an einer neuen Widerstandslinie im Bialystoker Wald gebaut wird. Pg. Wurzian bei mir, meinte, die Katastrophe sei unausweichlich.

937 Viktor Emanuel III. (1869–1947). 938 Quiesciert – in den Ruhestand versetzt. 939 Hristo Lukov (1887–1943).

17. 2. 1943

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17. 2. 1943  : Die Schweiz hat den Wirtschaftsverkehr mit Deutschland eingestellt, dafür wurde deutscherseits die Kohlenausfuhr und die Durchfuhr vom Balkan gesperrt. Die Italiener wollten das gleiche machen, worauf die Schweiz die Kohlendurchfuhr sperren wollte, was die Italiener zu sofortigem Nachgeben veranlaßte. Deutschland schuldet den Schweizern 900 Millionen  ; ansonsten auch alles trostlos. 18. 2. 1943  : Gespräch mit Tauschitz, sieht sehr schwarz, versteht nicht den Sinn von Stalingrad, erzählt von einem Gespräch mit einem kärntnerischen SS-Mann, der eben mit Rainer nach dessen Rückkehr aus dem Hauptquartier gesprochen habe, Hitler sei nur etwas ernster, habe sich aber ganz zukunftssicher verhalten, erwarte sich alles von den neuen Waffen für den Sommerfeldzug, sei nur bezüglich des Balkans besorgt. – Von anderer Seite hörte ich, daß die deutschen Lieferungen in die Türkei eingestellt wurden. – Am Abend die Rede von Goebbels angehört, die, inhaltlich sehr ungleichmäßig, in der Technik im gewohnten Sportpalaststil. Das Ganze sehr gemacht. Die übliche Polemik mit den Engländern ist doch nur ein inneres Schwächezeichen, im Übrigen ganz ungut. Er sprach von dem Unglück, das uns betroffen, und von dem Krieg der Steppe gegen Europa  ; darüber, warum das geschehe, werde später einmal Rechenschaft gegeben werden müssen. Sollte wohl die Antwort auf die Frage nach dem Sinn der gewissen Hitlererklärung über die Niederwerfung des Bolschewismus sein, der sich nie mehr erheben werde. Jetzt wird gesagt, daß er furchtbar sei. 19./21. 2. 1943  : Die ganze Zeit allgemeine Nervosität. Vollständige Unsicherheit der Zukunft und das Gefühl, daß böses Unheil bevorstehe. 22./24. 2. 1943  : Greuliche Stimmung allenthalben. Die Leute reden nur von Bolschewismus. Traf gestern abend Margarétha, der eben aus Budapest gekommen war und erzählte, daß die Stimmung dort noch schlechter sei, offenbar weil man dort den bösen Dingen noch näher ist. – Nach manchen Nachrichten möchte man annehmen, als ob die Russen noch nicht die baltischen Provinzen fest zugesichert erhalten hätten, geschweige denn andere westliche Teile Europas, wohl aber Bessarabien und gewisse Zusagen für die Dardanellen. Deutscherseits scheint sicherlich eine sehr bedeutende Offensive beabsichtigt zu sein und überhaupt kommt mir vor, daß die Westmächte vor allem darauf bedacht sind, daß die Deutschen und die Russen sich ordentlich abnützen. Denn der nächste Feind, namentlich für die Engländer und indirekt auch für die Amerikaner, sind doch die Russen, wenn sie sich halten sollten.

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25. 2. 1943  : Unterhaltung mit Rudolf Colloredo, der davon überzeugt ist, daß die Russen schließlich die Front nicht werden durchbrechen können und daß sich hier kein Kommunismus entwickeln wird. Unsere Leute wollen innerlich nichts davon wissen und das zersetzende jüdische Element ist eben ausgeschaltet und dürfte später auch nicht mehr eine Rolle spielen können. Er ist zuversichtlich, hat auch von Ungarn gehört, daß dort die Psychose stärker ist als hier, meint aber, daß dort die sozialen Verhältnisse sehr beunruhigend seien. Die deutschen Verluste im Osten scheinen doch furchtbar zu sein. Es sickert immer wieder Verschiedenes durch. 27. 2. 1943  : Baron Ruber heute, 4 Stunden nachdem ich mit ihm im Stadtpark gesprochen hatte, plötzlich gestorben. – Die Engländer sind doch ebenso wie die Juden ihr Geld nicht wert  ; höchste Zeit, daß sie sich mehr derfangen, aber sie werden es schon machen. 28. 2. 1943  : Hauptmann K.940 meint, daß die Lage an der Ostfront sich wesentlich gebessert habe, die Russen wären eigentlich doch am Ende ihrer Reserven, so lauteten wenigstens verschiedene Meldungen. 1. 3. 1942 [Spaziergang mit Bischoff – wie gut doch eine Unterhaltung mit einem wirklich gebildeten Menschen ist, der sich selbst ein Bild von der Welt gemacht und seinen eigen Weg geht.] 2. 3. 1943  : Im Donezgebiet hat man sich doch wieder durchgesetzt, dagegen muß man im Norden in der Gegend des Ilmensees zurückgehen. 3. 3. 1943  : Auch Rschew hat aufgegeben werden müssen. 4. 3. 1943  : Der englische Luftangriff auf Berlin scheint doch sehr groß gewesen zu sein. Die Hedwigskirche zerstört. 5. 3. 1943  : Die deutschen Kriegsberichte lassen an Sorgsamkeit für die Sprache und Bedachtnahme auf den Effekt, den sie auf den Leser ausüben müssen, doch zu wünschen 940 Karl Wildner.

6. 3. 1943

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übrig. Um Rückzugsbewegungen anzudeuten, wird der Ausdruck »allgemeine Frontbegradigung« angewendet, da der Ausdruck »elastische Verteidigung« offenbar nicht mehr ausreicht. Der gestrige italienische Bericht sagt  : »2 unserer Jagdverbände griffen mutig 2 starke Feindverbände an und schossen 3 Cortis941 ab.« 6. 3. 1943  : Nachmittags vom Türkenschanzpark das Flakschießen auf dem Nußberg beobachtet. 8. 3. 1943  : Bischoff behauptet, verläßlich gehört zu haben, daß beim letzten Alarm fremde Flugzeuge in Wr. Neustadt waren, um zu photographieren. Es seien Flugzettel abgeworfen worden des Inhalts, daß sie nächstens kommen würden, um sich gegen die Fabriken zu wenden. Wien würde indessen noch in Ruhe gelassen werden. – Die Schweizer haben die kommunistische Partei zugelassen, die Nazis bleiben weiter verboten. 9. 3. 1943  : In der Wjasmagegend wird weiter zurückgegangen, dafür kommt man in Charkow vorwärts. Die Schweden wollen angeblich den Wirtschaftsverkehr mit Deutschland einstellen und bestehen auf effektiver Bezahlung. In Kroatien und Bosnien geht es wüst zu. Die kommunistischen Banden geben viel zu schaffen. Kaum, daß eine Ortschaft gesäubert wurde und die Truppen abgezogen sind, fängt die alte Geschichte von neuem an. So wurde Sarajewo gesäubert und die dann zurückgebliebenen Truppen fast zur Gänze aufgerieben. In Oberkrain (deutscher Teil) ist vor 8 Tagen in eine Gastwirtschaft, in der Gestapoleute waren, ein kleiner Partisanentrupp in Uniform mit den Sowjetsternen eingedrungen und hat nach dem Hände-hoch  !-Manöver einen aus der Gesellschaft heraus gegriffen und ihn mit 3 Schüssen erledigt. – Pfarrer Hely942 (?) hat seinen Vorgesetzten mitgeteilt, daß in der hiesigen evangelischen Pfarre die Zahl der Toten diejenigen des Weltkrieges bereits übersteige. – In Nazikreisen Gerüchte, daß die Entente ein Friedensangebot vorbereite, vielleicht, daß man eine Sommation943 vor Beginn der großen Angriffswelle vorhabe. In der HerzJesu-Kirche wurde dieser Tage gepredigt, daß der Heilige Vater944 sich mit Friedensvorschlägen beschäftige und daß wir schon zu Ostern Frieden haben dürften. Zu schön, um wahr zu sein. 941 Gemeint Curtiss Commando – der stärkste zweimotorige Transporter der USA. 942 Nicht zu eruieren  ; Wildner war sich offenbar selbst nicht mehr sicher, daher das Fragezeichen im Text. 943 Sommation – Warnung. 944 Papst Pius XII. (1876–1958).

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10. 3. 1943  : Engländer waren in München, wo sie übel gehaust haben. Sie hatten es offensichtlich auf die Eisenbahn abgesehen, aber, so wie in Berlin, scheinen auch in München Parteidenkmäler und -gebäude das Ziel gewesen zu sein. Das Ganze doch eine Schande, denn die Absicht steht mit dem anderweitig angerichteten Schaden, der beim gegenwärtigen Stand der Technik nicht vermieden werden kann, in keinem Verhältnis. – Durch eine allgemeine Anordnung war den Friseuren das Haarfärben und Dauerwellen verboten worden. Vorgestern melden die Zeitungen beinahe demonstrativ, daß diese Verrichtung wieder erlaubt ist. – Die Kohlenwirtschaft entspricht nicht dem Maßstabe, den man sonst an die alte reichsdeutsche Organisation anzulegen gewohnt war, was sich übrigens auch in vielen anderen Bereichen zeigt. Die »Preußen« sind doch gar nicht so großartig, sie sind höchstens früher auf dem Platz  ! 12./13. 3. 1943  : [Unruhige Tage – immer wieder Gerede über neue Maßnahmen, auch in Wohnungsfragen – und doch muß man sich sagen, daß man bei den schärfsten Maßnahmen noch besser davonkommt als die Leute, die durch die Fliegerangriffe um ihr Hab und Gut kommen.] Die durch die Engländer verursachten Schäden werden immer krasser. In Berlin soll es noch immer im Zentrum brennen. Ganze Viertel, und zwar weniger Arbeiterquartiere als Villensiedlungen, sollen besonders schwer gelitten haben. In den Luftschutzkellern sind die Leute einfach erstickt mit zerrissenen Gliedmaßen. In Charkow sind deutsche Truppen wieder eingedrungen. War heute auf dem Laaerberg, wo seit einigen Monaten eine große Barackenstadt entsteht. Vor 8 Tagen sind übrigens 2 zur Gänze abgebrannt. 14. 3. 1943  : Der für heute längst im Kalender festgesetzte Heldensonntag und der Sonntag der Wehrmacht war plötzlich um 8 Tage verschoben worden. Man macht sich darüber Gedanken. – Wie mir ein Pg., der eben aus Berlin zurückgekommen war, erzählte, ist dort die Stimmung angesichts der großen Luftangriffsverwüstungen sehr gedrückt, aber dazu herrsche noch ein Gefühl, als ob etwas bevorstünde, irgend etwas, was mit der Wehrmacht zusammenhänge, also wieder Gerüchte im Überschwang. Immer ist aber etwas dran. Schirach, der nach der pomphaften Ankündigung gestern hätte sprechen sollen, war nicht gekommen, die Kundgebung war sehr rasch aus, er selbst hat sich bei seinem früheren Regiment Großdeutschland in Cottbus aufgehalten, was auch sehr gut in die Gerüchte hineinpaßt, und – wie mir derselbe Pg. mitteilt – hätte angeblich Goebbels am Samstag, also gestern, in Linz sprechen sollen, er war aber nicht gekommen, weil, wie ebenfalls ein Pg. sagte, man nicht genug Leute habe zusammentrommeln können. [Dafür hat der Seyß-Inquart aushelfen müssen.]

15. 3. 1943

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15. 3. 1943 [Allein, von den Sorgen über das, was einen noch berührt, wenn nicht beschäftigt, befangen, ist gräßlicher Zustand – ich muß mich mehr an die Kandare nehmen und das Meiste dürften nur rein eingebildete Geschichten sein  ; aber das fortwährende Gerede der anderen läßt doch innerlich weitergären in einem – muß mich noch mehr vertiefen – ansonsten müde von dem ungewöhnlichen Wetter.] 16. 3. 1943  : Die Russen scheinen jetzt etwas aus dem Konzept gekommen zu sein, ausgerechnet, wo sie den Stalin zum Marschall gemacht haben, und die Engländer wollen nach wie vor nichts Entscheidendes machen. 18. 3. 1943  : Las einige neue deutsche Schriften über Propaganda und auswärtige Politik aus einer Schriftenreihe für Studenten der Hochschulen. Alle diese Machwerke haben mit wirklicher wissenschaftlicher Erfassung der Probleme nichts zu tun. Wenn das alte und das kleine Österreich die gleiche reglementarische Führung der Hochschulen betrieben hätte, so gäbe es schwerlich einen Nationalismus im heutigen Sinn. 19. 3. 1943  : Lange Unterhaltung mit Botschafter Mensdorff über frühere Dinge. Zu Mittag mit Tauschitz zusammen, nichts Besonderes. Er erzählt von einer Bekannten, die italienische Bücher übersetzen wollte. Ihr wurde aber an einer dazu berufenen Stelle gesagt, daß dies derzeit nicht erwünscht sei. – Kleinwächter bei mir gewesen, sehr kleinmütig. In Berlin sind nur 43 Flugzeuge gewesen, die aber alle möglichen Arten von Bomben abgeworfen hätten. Die Bevölkerung sei so eingeschüchtert gewesen, daß sie lange nachher sich noch nicht herauswagte, um sich um die Löschung zu kümmern. Daher seien ganze Viertel abgebrannt. 20. 3. 1943  : Das Berliner Luftfahrtministerium ist doch so gut getroffen worden, daß das Büro des Staatssekretärs Milch zerstört wurde. 22. 3. 1943  : Kl.945 gibt Mitteilungen Eckhardts wieder, im Berliner Auswärtigen Amt sei der Ministerialdirektor Luther, der dort seit 2 Jahren in der Abteilung für deutsche innere Angelegenheiten eine so große Rolle spielte und dann die Parteiangelegenheiten

945 Clemens (Klemens) Wildner.

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bearbeitete, mit zwei anderen946 verhaftet worden unter der Beschuldigung großer Schiebungen von ganzen Waggons. Darob herrsche unter den alten Beamten des Auswärtigen Amtes große Genugtuung. Aus derselben Quelle Wiedergabe der Erzählung eines Polizeibeamten, daß beim letzten Internationalen Jugendkongreß ein hiesiges Freudenhaus binnen 2 Stunden von Besuchern geräumt werden mußte, um den Besuch einer von Baldur947 geführten italienischen Gästedelegation zu erhalten. 23. 3. 1943  : Las zwei Bücher von Brandl, dem ehem. Polizeipräsidenten, das eine betitelt »Wiener Symphonie«,948 das eine Aneinanderreihung von verschiedenen kriminalistischen Erzählungen, den Namen Symphonie eigentlich entweiht, das andere »Kaiser, Politiker und Menschen«949 ist eine Selbstbiographie, die in spannender, gefälliger Weise die letzten 60 Jahre schildert. Eigentlich dem Schober gewidmet, der ihm im Wege stand. Über Nazi und Heimwehr sehr vorsichtige Äußerungen. Die Unbedeutendheit des Schönerer aber sehr gut zum Ausdruck gebracht. Immer wieder die Rolle des Judentums beleuchtet, namentlich dessen revolutionär zersetzende Arbeit. – Kleinwächter bei mir, nichts Besonderes. Am Nachmittag bei Mensdorff, die letzte Konversation fortgesetzt. 26. 3. 1943  : Unterhaltung [im Stadtpark] mit Kohlruss, [der doch stark eingebildet, ja borniert, aber mit Schläue auf Vorteil immer bedacht – ich mußte ihm gestehen, daß ich sein Buch über den Sinn des Daseins950 doch nicht so eingehend studieren kann, wie ich mir vorgenommen – es ermüdet mich jetzt] der bezüglich der Friedensgerüchte gehört hat, daß der Kardinal von New York951 vor 5 Wochen in Rom gewesen sei, dann nach Spanien geflogen und dort u. a. mit Halifax gesprochen habe, aber nicht in Madrid. Langes Gespräch mit {unleserlich}952 über die Verhandlungen des Eden mit den Amerikanern und das Verhältnis beider zu Rußland. Inzwischen scheint aber doch etwas zwischen Japan und Rußland los zu sein. Den Amerikanern kann es doch nicht passen, daß die Russen gegenüber den Japanern stillhalten, wenn sie auch ihre ganzen Kräfte gegen Deutschland kehren, aber es stört sie doch im Verhältnis zur Bekämpfung Japans. 946 Nicht zu eruieren. 947 Baldur von Schirach. 948 Franz Brandl, Wiener Symphonien, Komponiert von einem Kriminalisten, Wien 1942. 949 Franz Brandl, Kaiser, Politiker und Menschen, Erinnerungen eines Wiener Polizeipräsidenten, Leipzig/Wien 1936. 950 Ludwig Agatson (Pseudonym von Rudolf Kohlruss), Das Daseinsproblem, Das primäre Sein, Freiburg im Breisgau 1932. 951 Francis Spellman (1889–1967). 952 Nicht zu eruieren.

29. 3. 1943

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29. 3. 1943  : [… es scheint in der sogenannten Politik etwas los zu sein  ; wir953 sprechen viel über die Verhandlungen Indiens mit den Amerikanern und das Verhältnis beider zu Rußland – inzwischen scheint aber auch etwas zwischen Japan und Rußland los zu sein – den Amerikanern kann es doch nicht passen, daß die Russen gegenüber den Japanern stillhalten, wenn sie gleich ihre ganze Kraft gegen Deutschland kehren  ; aber es stört sie doch im Verhältnis zur Bekämpfung Japans.]954 30. 3. 1943  : Unterhaltung mit Fertsch,955 der von alten Zeiten erzählt, über Kaiser Wilhelm, der doch recht gewöhnlich sei, was übrigens auch der Paul Cambon in Briefen an seine Mutter956 behauptet. Derselbe Cambon nennt übrigens den Zaren Ferdinand957 einen amüsanten, falschen, schauspielerischen Plauderer. Die Italiener sollen große Forderungen an Berlin gestellt haben. Die Bolschewikenbegeisterung der Entente macht den Fertsch doch stutzig, der sich ja für einen besonderen Kenner der Angelsachsen hält. 31. 3. 1943  : Es scheint etwas in der Luft zu sein. Der Schweizer in Rom958 hat berichtet, daß die Katzelmacher959 angedeutet hätten, man solle sie lassen, daß sie sich loslösten und daß man die Halbinsel militärisch nicht berühre. Das sei von den anderen abgelehnt worden. Auf diesem Weg will also offenbar die Entente über Italien zu uns hereinkommen. Unterhaltung mit Bischoff, der meint, überall sei die Tendenz, alles auf eine einzige Klasse abzustimmen. Das sei doch Bolschewismus in verschiedenen Graden. Das Bürgertum sei erledigt, das übrige würde die Verarmung und die Kapitalzerstörung besorgen. Das Ganze werde schließlich in ein einziges Staatswesen münden, das in verschieden abgestufte Autonomien eingeteilt würde. Ich  : Ja, vielleicht, wenn der Krieg sehr lange Zeit noch andauert, wenn er aber bald endet, würden sich nur Verkrampfungen ergeben.

953 »Wir« bezieht sich auf seinen Bruder Karl. 954 Die Textstelle vom 29. März 1943 stimmt mit einem Teil des Textes vom 26. März 1943 überein. 955 Ferdinand Colloredo (1878–1967). 956 Marie Virginie Cambon (1821–1905). 957 Ferdinand I. (1861–1948). 958 Peter Vieli (1890–1972). 959 Ein Wiener Ausdruck, der 1741 zum ersten Mal als Bezeichnung für Italiener auftauchte. Zu der Herkunft gibt es verschiedene Erklärungen. Am wahrscheinlichsten ist die Ableitung von »Ggatzelen«, hölzerne Schöpfkellen, die Wanderhändler aus Südtirol verkauften. »Ggatzelen« sind im venezianischen Dialekt als »Cazzi« belegt.

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1./3. 4. 1943  : Die Entente scheint etwas aus dem Konzept geraten zu sein durch das Nachlassen der russischen Stoßkraft und durch das Aufgehaltensein im tunesischen Raum. Was ist eigentlich mit den Türken los  ? Angeblich soll eine türkische Militärmission an der afrikanischen Front sein und englische Offiziere sollen sich in der Türkei herumtreiben. Der bulgarische König960 war bei Hitler. – Der deutsche Leg. Rat Scheliha soll hingerichtet worden sein. Er war in Warschau unter Moltke961 zugeteilt, der jetzt plötzlich an Blinddarmentzündung gestorben ist. Scheliha ist übrigens ein Schwiegersohn des ehem. csl. Senators Medinger gewesen. – Ungeheure Verwüstungen in Essen. 5. 4. 1943  : Unterhaltungen mit Inama und Eichhoff. Letzterer hält seine Andacht vor dem Bild seiner verstorbenen Gattin ab, Lucie Weidt. – In die Scheliha-Geschichte sollen auch Generalstabsoffiziere verwickelt gewesen sein. 7. 4. 1943  : Durch Bischoff aufmerksam gemacht, das Buch »Der Arbeiter« von Ernst Jünger962 gelesen. Ein schauriges Buch. Schon im Jahre 1932 sagte er genau die jetzige Entwicklung der Dinge vorher. – In München waren ernste Studentenunruhen, in die scharf eingegriffen wurde. Auch hier ist die Stimmung unter den Studenten durchaus nicht einheitlich. Die Kollegien der von auswärts berufenen Professoren werden boykottiert. 9. 4. 1943  : Die Polizei ist jetzt selbst dafür, daß die ausländischen Arbeiter häufig geistlichen Zuspruch erhalten, eventuell durch Laienprediger. Die Unruhe nimmt zu. Die Arbeiter schlecht mit Kleidung und Schuhwerk versehen. Deswegen auch Gerüchte, daß wieder eine Anforderung von Kleidungsstücken kommen soll. 10. 4. 1943  : Leutnant H.963 war auf Erholungsurlaub in Vorarlberg, Lech. Erzählt, daß um 3 Uhr früh die Polizei in die einzelnen Häuser und Pensionen einbrach und bei der Revision auf eine Menge erbaulicher Dinge kam. In einem Hotel saßen brave Altreichler um 3 Uhr früh noch und tanzten dann zum englischen Sender. Frauen von an der 960 Boris III. (1894-August 1943). 961 Hans-Adolf Graf von Moltke (1884–1943). 962 Ernst Jünger, Der Arbeiter, Herrschaft und Gestalt, Hamburg 1932. 963 Hans Wildner junior.

12. 4. 1943

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Front befindlichen Männern wurden in Betten mit anderen Männern vorgefunden usw. Eine Menge Leute seien zur Heimreise mit dem Auftrag gezwungen worden, sich sofort bei der inzwischen benachrichtigten Kriminalpolizei zu melden, andere beim Arbeitsamt usw. Äußerst strenge Revision in den Zügen. Der kürzlich geköpfte Houdek war ein Bankbeamter, überzeugter Kommunist und Leiter des Kreises II, der Spreng- und Sabotageaktionen eingeleitet hatte. Er war die längste Zeit beobachtet worden, die Übernahme der Sprengwerkzeuge wurde ihm zum Verhängnis. Er hatte frühere Revolutionen und Aufstände studiert, besonders die Februar 1934 Ereignisse, warum sie nicht zum Ziele geführt hatten, und hatte an den Fehlern der früheren lernen wollen. Nach der Verurteilung trat er zum Verteidiger,964 schüttelte ihm mit Dank die Hand und meinte, es war eben nicht mehr zu erreichen gewesen. Seine Frau965 hatte sich vorher im Gefängnis erhängt. – In Tunis muß Rommel weiter zurückgewichen sein und sich beeilen, um nicht ganz eingeschlossen zu werden. Wie man sich dann vom Feind zur Rückkehr lösen soll, scheint das Problem zu sein. 12. 4. 1943  : Der ungarische Generalkonsul van der Venne ist abberufen worden. Er hatte schon seinerzeit gute Beziehungen zum jetzigen Regime gehabt, über dessen baldiges Bevorstehen er seinerzeit häufig berichtet haben soll. An seine Stelle kommt der Berner Gesandte Bothmer, was immerhin auffällig ist. Der hiesige türkische Konsul966 hatte kürzlich den Besuch seines Berner Kollegen,967 der erzählte, es werde in Bern viel von Verhandlungen zwischen Berlin und Rußland gesprochen. Churchill soll nach derselben Quelle von den Türken kein Mitgehen verlangt, sondern sich und Amerika für die Modernisierung der Armee, Anlagen von Autostraßen und Ausbau der Häfen von Alexandrette und Mersin angetragen haben. Die deutschen Lieferungen in die Türkei gehen weiter. Die Türken machen also gute Geschäfte. 13. 4. 1943  : Traf am Nachmittag den Präsidenten Miklas, der sehr reduziert aussieht. Er hielt mir einen Vortrag über das Vereinigungsgesetz vom Jahre 1938, das eigentlich die Wiederherstellung des Zustandes unter Heinrich I. bedeute, nämlich natürlich mit starker Betonung der Zentralgewalt. Er monologisierte weiter und meinte, Hauptstadt sollte Nürnberg, Bamberg oder Regensburg sein. Er ist überzeugt, daß sich die Bedeutung Österreichs, des kleinen Österreichs von 1918, wieder durchsetzen

964 Nicht zu eruieren. 965 Marianne (Marie) Houdek (Houdková) (1908–1941). 966 Saffet Arıkan (1888–1947). 967 Hans Frölicher (1887–1961).

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werde, und daß man mit uns wieder sprechen werde. Die Radikalinskis würden doch einmal ausgespielt haben. Er hat 7 Söhne im Feld, 2 gefallen.968 14. 4. 1943  : Min. Rat Jansa969 vom Handelsministerium war kürzlich 9 Wochen am Arlberg, wo nur Pifkinesen ihr Unwesen treiben. Im Zug machte er die Bekanntschaft des tschechischen Propagandaministers Moravec,970 der mit Frau,971 Sohn und Sekretär aus Italien kam. Er erzählte bei der Durchfahrt durch Salzburg, daß er dort 1914 sein Militärjahr gemacht habe  ; einen Sohn hat er bei der SS,972 einen im Heer973 und den dritten974 in einer nationalsozialistischen Erziehungsanstalt. 18. 4. 1943  : Großes Revirement im Auswärtigen Amt, Weizsäcker nach dem Vatikan und Woermann nach Nanking abgeschoben. Der neue Staatssekretär, ein Gesandter Steen­ gracht, mir unbekannter Name, Dieckhoff nach Madrid, Hencke, der sich schon in Moskau und in Prag zuletzt hervorgetan hatte, Unterstaatssekretär und Politischer Direktor. Außerdem Beförderungen im Stabe des Führers, darunter Sonnleithner Franz von, der bei uns in der Chiffreabteilung beschäftigt war und von dort Chiffrenachrichten nach Berlin verriet, wofür er mit Geld honoriert wurde, wie mir Peter975 wiederholt mitgeteilt hat, sodann durch die Polizei seines Verbrechens überführt, gerichtlich mehrere Jahre Kerker bekam, ist jetzt Gesandter 1. Kl. geworden. 19. 4. 1943  : Hitler soll hier sein, angeblich im Lainzer Tiergarten Zusammenkunft mit Franzosen. Schönbrunn wurde auch hergerichtet. Die spanische Regierung soll sich bereit erklärt haben, eine Vermittlung zur Beendigung des Krieges zu übernehmen. Die Amerikaner haben darauf erklärt, daß ihre Bedingungen in der Casablancaer Erklärung enthalten seien, nämlich die bedingungslose Kapitulation der Achsenmächte. Das Deutsche Nachrichtenbüro soll hierauf berichtet haben, daß die Aktion der Spanier ohne deutsches Vorwissen erfolgt sei. Ich  : man kann nie früh genug Frieden abschließen. – Heute waren wieder fremde Flieger hier. Es war volle Bereitschaft, 968 Franz Anton Josef Miklas (1914–November 1941)  ; Fritz Miklas (1913–Juli 1941)  ; ein dritter Sohn, Dr. Wilhelm Josef Miklas wurde im Oktober 1945 als vermisst erklärt. 969 Rudolf Jansa (1885–1958). 970 Emanuel Moravec. 971 Jolana Moravcová (1922–  ?). 972 Igor Moravec (1920–1947). 973 Jurij Moravec (1923–1964). 974 Emanuel Pavel Moravec (1932–1944). 975 Franz Josef Peter (1866–1957).

23. 4. 1943

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deutsche Jäger waren aufgestiegen, worauf die anderen sich verzogen. Vorgestern soll Pilsen in sehr starkem Ausmaß bombardiert worden sein. In den Fabriken soll die Arbeitszeit verlängert werden, es müsse das Äußerste getan werden. In Bremen sind die Fockwerke angeblich zerstört. 23. 4. 1943  : Luftschutzscherereien. – Der Kyffhäuser Reichskriegerbund ist aufgelöst. Das der Gesamtheit eignende Vermögen wird als Stiftung geführt. Im Übrigen werden die weiteren Agenden den einzelnen Organisationen und Traditionsverbänden überlassen, die politisch unter Aufsicht der Partei gestellt werden. Die Maßnahme wird mit Ersparungsgründen motiviert, erscheint etwas merkwürdig. Die einzelnen Gebietsverbände wurden ohnedies durch ehem. Offiziere geleitet, die mit der Partei in Verbindung standen, hier in Wien durch den Generalmajor Kless,976 der nach 1938 höherer SS-Führer wurde. Vielleicht will man der Bildung einer zu starken militärischen Organisation zuvorkommen, die ja bei Beendigung des Krieges und schon jetzt durch den Zuwachs aus dem Heer ausgeschiedener Kriegsteilnehmer ihre Mitgliederzahl stark vermehrt. – In Tunis stecken die Anglo-Amerikaner wieder fest. Wohnungsfrage in Wien. Angeblich werden 17.000 Wohnungen dringend benötigt. Man werde aber keinen Terror anwenden können, weil ihn einerseits der Führer vermieden haben wolle und andererseits die Partei selbst 25.000 (?) Wohnungen habe, die sie dann wieder wirklich räumen müßte. 27. 4. 1943  : Abendspaziergang mit MR D.,977 der von seinen Erfahrungen mit den Christlichsozialen erzählt. Richard S.978 sei etwas ganz Übles gewesen. Resch hatte reine Hände. Schmitz habe über die Mönche von Tanzenberg sehr merkwürdige Dinge erzählt. Er habe dort einige Urlaube verbracht. In den umliegenden Dörfern seien überall Kinder von den geistlichen Herren. Überhaupt soll Kärnten das moralisch unsauberste Kronland gewesen sein. Über Bischof Hefter erzählte er nur Gutes, übrigens großer Jäger, großartigen Eindruck auf Hitler gemacht. 30. 4. 1943  : Pr.979 erzählt von Oberösterreich, daß selbst dort sich Unzufriedenheit in höhnenden Aufschriften kundgibt.

976 Im Typoskript  : Kles. 977 Aladár Duda (1887–1969). 978 Möglicherweise Richard Schmitz (1885–1954). 979 Nicht zu eruieren.

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1. 5. 1943  : Die Leute erzählen, daß Baldur von Schirach mit einigen Genossen beim ­Vorhaben, durchzugehen, aufgehalten und in Haft gesetzt worden sei. Diese Nachrichten werden geglaubt, weil er schon längere Zeit nicht hier ist und früher schon über das Wohlleben, das er sich und seinem unmittelbaren Stabe bereitet, viel aufreizende Gerüchte gingen. Dabei hat er doch am Führergeburtstag aus dem Führerhauptquartier eine Kundgebung an die Wiener gerichtet und sind überall seine Bilder noch in den Auslagen zu sehen. 2. 5. 1943  : Hudeczek mich aufgesucht, der mit seiner Tätigkeit und deren Erfolg sehr unzufrieden ist, auch sehr nervös und besorgt. Erzählt  : Die neue Regelung, die im Auswärtigen Amt getroffen wurde, habe ihre Vorgeschichte. Im November sei eine Spionageaffäre aufgedeckt worden. Der englische Nachrichtendienst war darauf erpicht, einen der Verhafteten freizubekommen, und hatte dafür die Bekanntgabe eines anderen Agenten, der einer besonders hohen Dienststelle angehöre, angeboten. Man sei darauf eingegangen, worauf der Name Scheliha genannt wurde, der schon längere Zeit Nachrichten weitergebe. Man habe aber festgestellt, daß Scheliha ein Konto in der Schweiz hatte, auf dem Überweisungen in letzter Zeit vorgenommen wurden. Er sei also mitgenommen worden und hätte sich in Anwesenheit der Rechtsgelehrten des Auswärtigen Amts Gaus und Albrecht nicht herausziehen können. Er sei gehängt worden. Er sei ein Borusse980 gewesen, also einer von der ganz alten Garde. Das habe den Anlaß zur Entfachung einer Agitation gegen die alten Beamten gegeben mit der Behauptung, daß man sich auf sie nicht verlassen könne. Damals seien auch Gerüchte gegangen über den baldigen Abgang Ribbentrops. Dieser hätte sich nicht sicher gefühlt, weil die ganze Zeit im Führerhauptquartier auch Stimmung gegen Weizsäcker gemacht wurde, der untätig und uninteressiert sei. Besonders hätte Luthers Abteilung gewühlt. Nun sei Luther verhaftet worden, angeblich wegen einer Schiebung, aber schließlich in ein Anhaltelager mit mehreren anderen gebracht worden. Anstelle von Weizsäcker sei der mit einer Schön von Platen verheiratete 41 Jahre alte Steengracht981 gekommen, der diplomierter Landwirt, vermögend und Besitzer eines schönen Gutes sein soll, bisher im Stabe des Führers war, gänzlich unbedeutend. Woermann habe seit 3 Jahren sich schlecht mit Ribbentrop verstanden, weil er angeblich einmal eine Einladung versäumt und zu jemandem anderen gegangen sei. Wahrscheinlich dürfte er gar nicht nach China kommen können, obzwar es dafür 3 Wege geben würde. Im Übrigen herrsche eine grausliche Stimmung in Berlin, alles trachte, die Habseligkeiten wegzubringen, wenigstens zum Teil. 980 Borusse – Preuße. 981 Steengracht war nicht mit einer Frau Schön von Platen verheiratet.

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Die englische Fliegerangrifftaktik sehr geschickt, immer wieder zermürbend, nicht auf einmal, sondern terroristisch fortsetzend. Hitler habe in militärischen Dingen jetzt nichts zu sagen, die alten Generäle seien wieder obenauf und die seien jetzt sehr vorsichtig. Andererseits beharre Hitler auf dem Plan, den Osten zu germanisieren. Es sei nicht ausgeschlossen, daß er selbst offen das Sowjetsystem proklamiere, um auf den Westen einen Druck auszuüben. Kein Mensch glaube mehr an den Endsieg, die Bonzen am allerwenigsten. Sobald Italien abfalle, was in Bälde bevorstehe, werde die Lage »roglert«982 werden. Immerhin werde mindestens noch ein 5. Jahr übertaucht werden müssen, wenn nicht vom Süden her eine Katastrophe eintritt. Die Ungarn verhandelten bereits mit den Serben und möchten sich von dieser Seite sicherstellen. Über Serbien, wo angeblich alle Vorbereitungen gegen Deutschland von der anderen Seite getroffen werden – die Bandenkämpfe seien nur eine Verschleierung der wirklichen Vorbereitungen –, werde das Ganze aufgerollt werden. In Serbien werde alles umgebracht, was deutsch ist  ; Ribbentrop sei unmöglich als leitender Minister, sei an der ganzen Entwicklung schuld, vor allem an dem Umschmiß gegenüber England, wo man wirklich bis zum letzten Moment noch zur Verhandlung und Regelung bereit gewesen sei. Jetzt sei die Losung, den Russen alles herzugeben, den früheren Umfang des zaristischen Reiches mit Galizien bis zu den Karpathen. In Berlin habe man eine wahnsinnige Angst vor den Russen. Wenn die anderen nicht früher hinkommen, werde ganz Deutschland ausgeräumt und Stettin vollständig zerstört werden müssen. Die Flak gewähre keine wirksame Abwehr, wenn 400 Flugzeuge kommen. Ernste Krisengefahr in der Ernährung. Man solle sich Mehl und Fett für 3–4 Wochen aufheben. Die Deutschen im Sudetenland, Mähren usw., höchst gefährdet. In Kroatien die Situation durch den Gesandten Kasche vollkommen verfahren, der sehr tüchtig, aber nicht gescheit. Dort sei von Anfang an der Fehler begangen worden, daß man nicht gleich den Kroaten mit mehr Militär beigestanden habe, um bis ans Meer zu gelangen und die Italiener abzuhalten. Maček, der nicht in der Regierung, halte sich beiseite und wolle vom gegenwärtigen Regime nichts wissen, die Bauern hinter ihm. Kvaternik war untätig. Sein Sohn,983 ¼ Jude durch seine Mutter,984 hatte die furchtbaren Übergriffe der Ustascha auf dem Gewissen. Auch in der Slovakei sei man etwas verstimmt und abgekehrt. Hier habe sich der Gesandte Ludin gut benommen, der sich für das Verbleiben des Tiso eingesetzt habe, den man wieder von Berlin aus, weil er katholischer Priester sei, abgesägt haben wollte. Auch Hitler habe es angeblich gewollt. Ludin sei dagegen aufgetreten, weil gerade das Zusammenarbeiten mit 982 Ein Wiener Ausdruck für wacklig, in Bewegung geraten. 983 Eugen »Dido« Kvaternik (1910–1962). 984 Olga Kvaternik (1871–1941), Ehefrau von Slavko Kvaternik (1878–1947), Mutter von Eugen »Dido« Kvaternik (1910–1962). Ihr Vater, Josip Frank (1844–1911), konvertierte vom Judentum zum katholischen Glauben.

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einem katholischen Staatschef die beste Reklame für die Partei gewesen wäre. – Die Russen seien eigentlich obenauf und könnten, wenn sie wollten, bis Narvik durchbrechen, wo deutscherseits zu wenig Leute seien. 3. 5. 1943  : Zu den Gerüchten über Baldur985  : Er sprach gestern im Gauhaus und man meint jetzt, daß hinter dem Ganzen nur ein Zerwürfnis mit einigen Konkurrenten gewesen sei. 4. 5. 1943  : Merkwürdige Nachrichten aus Serbien und Bosnien. Jajce ist wieder zerniert, die Banden ausgezeichnet ausgerüstet, stellen eigentlich reguläres Militär dar, machen unter der Zivilbevölkerung (Deutsche) Gefangene, die sie dann gegen gefangene Bandenmitglieder auswechseln. Man gibt 3 Bandenleute gegen 1 Zivilisten. Der Schwager eines im Hause wohnenden Pg.’s, der auch Geisel war und ausgetauscht wurde, erzählte mir, daß die Banden ungefähr 80.000 Mann stark seien, dies allein in der bosnischen Gegend, und musterhafte Disziplin bewahrten, die mit eiserner Strenge aufrechterhalten werde. Saloniki soll geräumt sein. Man scheint dort mit einem Angriff zu rechnen. – Die Katyn-Affäre dürfte deutscherseits benützt werden, um die Stimmung gegen Sowjetrußland unter den Polen zu schüren, was der angeblich vorbereiteten Aushebung von 14 Jahrgängen unter den Polen zum Wehrdienst zugutekommen soll. Der Sohn986 des Min. Rat K.987 schreibt, er habe in Warschau, wo er sich auf der Durchreise aufhielt, die Stadt nicht anschauen können, weil ausgedehnte Straßenkämpfe im Gange waren, angeblich russische Fallschirmjäger. Ein eben im Hause weilender Postangestellter aus Neu Sandez erzählt, daß die Russen fortwährend Lebensmittelkarten und Markscheine, Noten zu 50 Mark, abwerfen. Der Lebensmittelverschleiß werde langsam desorganisiert. 6. 5. 1943  : Besuch bei Kienböck. Er bemüht sich, die Dinge ruhiger zu sehen. Trotzdem sehr beeindruckt durch die Nachrichten von Warschau, wo das Judenviertel in Brand gesteckt wurde, weil dort mit russischen Waffen durch Fallschirmjäger versehene Gegner tätig sind.

985 Baldur von Schirach. 986 Nicht zu eruieren. 987 Nicht zu eruieren.

7. 5. 1943

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7. 5. 1943  : Ein Bild Baldurs988 mit einem zum Vortrag hier weilenden Admiral989 machte ungeschickten Eindruck und es bleibt das Gerücht, daß er eigentlich nicht da sei. Göring war jetzt 3 Tage hier, besuchte verschiedene Industriebetriebe, das Ganze verlief eher in inkognito. Von stürmischer Begrüßung durch die Bevölkerung, wie dies offiziell gemeldet wurde, ist keine Rede. 8. 5. 1943  : Tunis und Biserta verloren. [Die Niederlage scheint sehr schwer zu sein – aber daß die afrikanische Küste über kurz oder lang hergegeben werden müsse, stand ja schon längere Zeit fest für mich.] 11. 5. 1943  : Die afrikanische Tragödie geht zu Ende. Es muß sehr viel Tote und noch mehr Gefangene geben. Angeblich reden die Engländer schon von über 60.000 Gefangenen. Warum wird nicht gesagt, daß der Rommel gar nicht in Afrika ist  ? Unterhaltung mit Oberst K.,990 der behauptet, daß der Kyffhäuserverband in der Partei aufgehe, was eigentlich auf Unstimmigkeiten zwischen dem Leiter, General Reinhard und der Partei zurückzuführen sei, die etwa möglichen Zukunftsentwicklungen zuvorkommen will. 12. 5. 1943  : Die Fleischrationen werden in der nächsten Periode um 1/3 gekürzt, somit bleiben 250 g in der Woche. Dafür bekommen wir 600 g Brot und 50 g Fett im Monat außer den 62 g, also, wie der gestrige Offiziose sagt  : 18 ½ g die Woche, das wagt man wörtlich zu schreiben, und dazu eine lange Auseinandersetzung, daß wir bisher in Fleisch von der Substanz gelebt hätten, als ob dies anderswo nicht auch der Fall wäre. Bald wird man darauf kommen müssen, wenn die Engländer die Städteverwüstungen fortsetzten, wie groß der Fehler ist, alles nur auf den Krieg zu verwenden. Andererseits heißt es, daß der Krieg noch mehrere Jahre dauern werde, da müßten daraus die Konsequenzen gezogen werden, um nicht auf einmal ohne Substanz dazustehen. Dazu wird jetzt den Leuten durch Anschlag in der Tramway gesagt, der totale Krieg sei kurzer Krieg. – Glaise-Horstenau ist jetzt, d. h. im vorvorigen Monat, aus mehreren Aufsichtsräten, wie Tabakregie, Creditinstitut usw., ausgetreten. Schon vor einem Jahr hatte Hitler in einer großen Rede höhnend gesagt, daß es bei ihm keine Aufsichtsräte gebe, die nur zur Sitzung fahren, um nach 2 Stunden die Tantiemen einzustecken. Hier ist es ganz brav so gemacht worden. – Gestern wurde aus dem Hauptquartier mitgeteilt, daß, als 988 Baldur von Schirach. 989 Nicht zu eruieren. 990 Möglicherweise Anton Kless (1882–1961).

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die Engländer im Oktober 1942 ihre große Offensive gegen die Stellung von El-Alamein begannen, Rommel sich in Deutschland befunden habe. Der lange Afrikaaufenthalt hatte zu schwerer gesundheitlicher Schädigung geführt, daß die bis dorthin immer wieder verschobene ärztliche Behandlung nicht mehr vermieden werden konnte. Nach dem Eintreffen der ersten Nachrichten über den englischen Angriff brach der Feldmarschall die kaum begonnene Kur sofort ab und begab sich zurück nach Afrika. Gegen einen weit überlegenen Feind führte der Marschall in einer geschichtlich vorbildlichen Ausweichbewegung die Truppen bis nach Tunis zurück. Dazu lese ich eben in der hiesigen Zeitung vom 4.  10. v. J., daß in einer Presseversammlung bei Goebbels der Marschall folgendes gesagt habe  : »Wir haben die Tore Ägyptens in der Hand, und zwar mit der Absicht, auch hier zu handeln. Wir sind doch nicht hingegangen, um uns über kurz oder lang wieder zurückwerfen zu lassen  ; man kann sich hier darauf verlassen, was wir haben, halten wir fest.« Dr. Goebbels  : »Herr Feldmarschall, das feindliche Ausland weiß über alle möglichen Erkrankungen zu berichten, die Ihnen zugeschrieben werden. Wie steht es damit  ?« Rommel  : »Mir geht es ausgezeichnet, ich kann versichern, daß ich stets auf meinem Posten bin, wenn es notwendig ist.« 16. 5. 1943  : Der Universitätsprofessor Srbik soll bei einer kürzlich abgehaltenen Versammlung seiner Verbindung, die über den gemeinschaftlichen Austritt der Mitglieder aus der Katholischen Kirche beschließen sollte, dagegengesprochen und als er überstimmt wurde, seinen Austritt aus der Verbindung erklärt haben. Bei einer anderen Gelegenheit soll er erklärt haben, es sei jetzt schwer, wissenschaftlich zu bleiben, er wolle aber der Wissenschaft treu bleiben. 18. 5. 1943  : Alle Leute reden von den großen Verwüstungen, die durch den Bruch der von den Fliegerbomben zerstörten Talsperren im Rheinland entstanden sind. Es muß eine Höllennacht gewesen sein, als die Wasser kamen. 19./22. 5. 1943  : Die Verluste in Afrika sollen 350.000 Mann, 26 Generäle und tausende Geschütze betragen. Offiziell ist darüber noch nichts bekanntgegeben worden. 24. 5. 1943  : Spaziergang mit Kleinwächter. Er meint, daß die Russen immer mehr ins Schlepptau der Anglo-Amerikaner geraten  ! Die formelle Auflösung der Komintern sei noch vor Eintreffen des Roosevelt’schen Delegierten991 erfolgt und beschlossen worden. 991 Joseph Edward Davies (1876–1958).

25. 5. 1943

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25. 5. 1943  : Der Ausblick in die Zukunft ergibt, daß Deutschland eingeschlossen ist und sich fortwährend nicht nur der Angriffe in breiter Front, sondern auch der fortwährenden Bedrohung in der Luft erwehren muß. Die Zerstörung der zwei Talsperren ist viel schrecklicher und folgenschwerer als es nach den offiziellen Nachrichten zu befürchten war. Die Zahl der Opfer soll nach Briefen aus der Gegend an die 10.000 gehen. Angeblich haben Wasserbomben die Zerstörung angerichtet. Ernteaussichten gar nicht gut. Wir brauchen mehr Regen. 30. 5. 1943  : Die Zeitungen bringen, anknüpfend an den Artikel eines Amerikaners KingsburySmith, der sich über die Art ausläßt, wie Deutschland im Falle seiner Niederlage zerschlagen und zur Sklaverei verhalten werden soll, eine archaische Auslassung, die unter diesen Umständen jedes Denken an einen Kompromißfrieden und schon gar den Wunsch einer Niederlage Deutschlands als Verrat bezeichnet. Auch Goebbels spricht im letzten Artikel des »Reich« von defaitistischen Regungen. Erst im Unglück zeige sich der wirklich standhafte, anständige Charakter. Der Endsieg sei aber sicher. [Es muß also gar nicht gutstehen – die Stimmen über schlechte Aussichten mehren sich …] 31. 5. 1943  : Gerüchte, daß die Türken gegen uns losgehen. – Erzherzog Eugen,992 der bisher eine Pension von 650 RM bezog, erhält sie jetzt auf die des Generalfeldmarschalls aufgestockt, 1.750. 1. 6. 1943  : Unterhaltung mit Bischoff über die Türkei. Er meint, daß die Offensive über die Türkei kommen werde, aber nicht schon jetzt, wie viele Leute auf Grund der Nachrichten über neue starke Truppenverschiebungen glaubten, die deutscherseits sogar von der Ostfront nach dem Balkan erfolgen, sondern erst in einigen Monaten, wenn der Hafen von Alexandrette angesagterweise in der Größe des Alexandriner ausgebaut sein werde. Die Türken würden auf Seite unserer Gegner sein, weil ihnen die baldige Beendigung des Krieges lieber sein würde als die Mißstände, die sich aus ihrem Mitgehen mit der Entente ergeben könnten. Übrigens glaubten sie, sich vor den Bolschewiken erst recht durch ein frühzeitiges Zusammengehen mit den Anglo-Amerikanern sichern zu können. Denn es könnte ihnen nicht passen, daß die Bolschewiken die Bulgaren überrennen und Nachbarn der Türkei würden. Ich hingegen meinte, daß die Angelsachsen gerade deswegen ein so großes Gewicht auf 992 Eugen Habsburg (1863–1954).

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eine feste Position im Süden der Balkanhalbinsel legen, um eben die Russen von den Dardanellen und vom Irak fernzuhalten. Die türkische Regierung993 hat übrigens einen Botschafter994 bei der griechischen Regierung in Kairo995 bestellt, das lasse tief blicken. Nach den heutigen Zeitungen gehen übrigens die jugoslavische996 und die polnische Emigrantenregierung997 auch nach Kairo, wohl nicht deswegen, weil sie sich in London nicht sicher fühlten, sondern weil sie in der Annahme baldiger Entscheidung in der Nähe ihrer Länder sein wollen. – Am letzten Samstag waren wieder englische Flieger über dem Winterhafen und photographierten ziemlich niedrig, so daß ihnen die Flak nichts antun konnte. Die Besatzungen der dortigen Betriebe mußten sich 1 Stunde hindurch in den Gräben bergen, Luftschutzkeller gibt es dort noch nicht, Alarm wurde nicht gegeben. Am Donnerstag gab es auch 2 große Explosionen in der Donaugegend. In der Znaimer Gegend werden schon Bombenflüchtlinge aus der Essener Gegend untergebracht. Die Bauern in Niederösterreich rechnen wegen der türkischen Geschichte bestimmt mit dem Kriegsende im Herbst. Im Lungau und im Salzkammergut ist die Stimmung in der Landbevölkerung sehr gereizt. Dort sind die Leute etwas aktivistischer. 2. 6. 1943  : Hudeczek mich aufgesucht, er ist nach wie vor flau, die entscheidende Wendung würde aber doch erst in 1 ½ Jahren sich herausstellen. Vor allem würde aus Rumänien und Griechenland etwas kommen. Die möglichen Punkte seien Skutari, Westgriechenland, Rhodos, Südfrankreich, besonders aber Norwegen. Alles gehe jetzt schief. In Kroatien seien unmögliche Zustände. Selbst in der lammsfrommen Slovakei habe er eine merkliche Änderung in der Haltung der Leute vorgefunden. Die tschechenfreundliche Seite überwiege. Natürlich werde man bei der Stange bleiben, aber es werde auf alle Fälle nach allen Seiten Umschau gehalten. Beneš scheine dort Oberwasser zu haben. – In den Zeitungen wird ein offenbar anbefohlenes Tamtam wegen der Ehrung der Deutschmeister geschlagen, da die Grenadierdivision 44, zu der auch das Traditionsregiment 138 gehört, jetzt Reichsgrenadierdivision Hochund Deutschmeister heißen soll. Dies hat in den Wiener Kreisen natürlich nicht die erwünschte Wirkung gehabt, im Gegenteil, die Leute ärgern sich darüber, daß man 993 Kabinett Mehmet Şükrü Saracoğlu (1887–1953), 9. März 1943 bis 5. August 1946 Ministerpräsident. 994 Nicht zu eruieren. 995 Griechische Exilregierung unter König Georg II. (1890–1947) und Ministerpräsident Emmanouil Ioannou Tsouderos (1882–1956)  ; ab März 1943 amtierte sie in Kairo. 996 Jugoslawische Exilregierung unter König Peter II. und Premierminister Slobodan Jovanović (1869– 1958). Die Exilregierung wollte im Juni 1943 von London nach Kairo übersiedeln, tatsächlich erfolgte die Übersiedlung nach Kairo erst im März 1944. 997 Die polnische Exilregierung unter Präsident Władysław Raczkiewicz (1885–1947) blieb in Großbritannien.

7. 6. 1943

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ihnen die Deutschmeister weggenommen hat, man pfeift auf diese Ehrung. Hude­ czek meinte heute noch, es sei erschreckend hier zu sehen, wie allgemein in allen Schichten der Bevölkerung die Abkehr von Berlin ist. Man wolle nichts mehr von einer Gemeinschaft mit Berlin und mit dem Altreichstum wissen. – Las wieder einmal das Buch »Die bildende Kunst der Gegenwart« von Strzygowski.998 Darauf paßt doch nur das Wort »Eigentlich ungenießbar.« Pathologische Gehässigkeit gegen anders Denkende. – Baldur999 hat 50 Arbeiter als Anerkennung für ihre Arbeit mit Grundstücken beliehen. Woher hat er sie genommen  ? Das ist dieselbe präpotente Verstiegenheit, wie andere Männer von ihren Fliegern usw. sprechen. Übrigens hat auch der Dollfuß einen Lipizzaner dem Mussolini geschenkt der ihn auch angenommen hat, trotzdem er wissen mußte, daß es fremdes Eigentum war. 7. 6. 1943  : Kl.1000 erzählt von einem Gespräch mit einem Ungarn, sie würden die Ersten sein, die gegebenenfalls abschwenken. Vor den Russen hätten sie keine Besorgnisse mehr, mit den Jugoslaven würde man sich leicht ausgleichen. Die Position des Beneš sei nicht mehr so großartig, die Rumänen seien unten durch, das ungarische Heer, das an die Ostfront gegangen war, sei praktisch zertrümmert, 200.000 seien in Rußland geblieben, der Rest, 100.000, durch anderweitige Verluste praktisch bedeutungslos. Es müsse eine ganz neue Armee aufgebaut werden, die anderen Dingen dienen werde. Hitler hätte davon Wind bekommen und den Kállay zitiert, der beim Erscheinen gleich mit den Worten anfing  : »Ich weiß schon, was Sie mir sagen wollen, aber ich lasse es mir nicht sagen. Vielleicht würde mich der Herr Reichsverweser wegschicken. Sicher ist es aber nicht. Wir können nichts mehr machen«, worauf die Unterhaltung sich ohne Weiterungen abgespielt habe. 8. 6. 1943  : Die Schlagzeile der Nachtausgabe der »Wiener Neuesten Nachrichten«   : Alle Trümpfe und Garantien für den Endsieg in deutscher Hand. Deutschland ist unbesiegbar, Deutschlands Kampf für den Frieden, Überwindung des kriminellen Weltkomplotts unter jüdischer Führung. (Wer wird da geführt, die Überwindung  ?). – Kl.1001 erzählt ein Gespräch der Mütter der drei Prominenten über ihre Söhne in ihrer Jugend  : Der eine habe immer eine Uniform haben wollen und hat sich dann mit Säbel und Sporen ausgerüstet und mit Orden vom Fasching behängt. Der zweite habe immer gelogen. Die dritte  : »Der meinige hat alles, was er in die Hand ge 998 Josef Strzygowski, Die bildende Kunst der Gegenwart, Ein Buch für jedermann, Leipzig 1907.  999 Baldur von Schirach. 1000 Clemens (Klemens) Wildner. 1001 Clemens (Klemens) Wildner.

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nommen hat, ruiniert.« Eine andere Anekdote  : Der Krieg im Jahre 1945 wird nur Vormittag geführt werden, weil Nachmittag die Soldaten in der Volksschule sein müssen. – Die hiesigen Schulen sind vor einigen Tagen wegen Scharlach auf 14 Tage mit der Maßgabe geschlossen worden, daß die Schließung erst in einigen Tagen erfolgt. Das ist wieder rückgängig gemacht worden, die 10-Jährigen sollen aber zum Obstpflücken verwendet werden. Min. Rat D.1002 erzählt von einem Gespräch mit einem Schweizer, daß die Achsengegner ein neues Verfahren zur Ausfindigmachung von Unterseebooten erfunden und auch in der Gegenpeilung der Flugzeuge große Fortschritte gemacht haben. Angeblich verlegt man sich jetzt deutscherseits auf den Ausbau der Befestigungen an der Ostfront, also auf das, was die Militärs, wie angeblich auch Brauchitsch, früher vergeblich vorgeschlagen haben. 11. 6. 1943  : Den General T.1003 getroffen, der erzählt, er sei militärischer Befehlshaber in Mähren gewesen und jetzt in die Führerreserve gekommen. Mit den Mährern habe sich gut auskommen lassen, die Leute hätten die Lage gleich verstanden und sich vernünftig benommen, was sie übrigens auch jetzt noch täten. Eine Ausnahme bilde nur ein großer Teil der katholischen Geistlichkeit, der den Fallschirmagenten immer wieder Zuflucht gewähre und sie aus Menschenliebe immer weiterbrächte. Die Lage sei gut für uns, die Stimmung in Berlin viel schlechter, unbegründet, als in anderen Orten. – Major K.1004 erzählt, daß Rom als unbeschützte Stadt erklärt worden sei, dies auf Grund einer Vermittlung des Papstes,1005 es sei vom Militär geräumt, das es auch in Uniform nicht betreten dürfe. Wahrscheinlich würden die obersten Behörden sich auch aus Rom verziehen. 12. 6. 1943  : Pantelleria hat sich ergeben, Lampedusa dürfte bald drankommen. Düsseldorf heute nacht, vorher Wilhelmshaven und Cuxhaven, angegriffen. 14. 6. 1943  : Langes Gespräch mit F. C.,1006 der mich seiner Schwester1007 mit den Worten vorstellt, daß ich noch einmal mit viel Arbeit drankommen werde. – Plackereien mit den Luftschutzbehörden, man ist offenbar schon sehr nervös. – Bischoff erzählt von einer 1002 Aladár Duda (1887–1969). 1003 Rudolf Toussaint (1891–1968). 1004 Karl Wildner  ; aus den Aufzeichnungen in Gabelsberger-Kurzschrift von diesem Tag geht eindeutig hervor, dass mit Major K. Karl Wildner gemeint ist. 1005 Pius XII. (1876–1958). 1006 Ferdinand Colloredo (1878–1967). 1007 Nicht zu eruieren.

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Rede des Roosevelt, die er in einer Genfer Zeitung gelesen hat, in der Roosevelt vor der Anwendung des Gaskrieges seitens der Deutschen warnt und erklärt, wenn deutscherseits irgendwo damit begonnen werde, die Alliierten sofort auf der ganzen Front damit einsetzen würden. 15. 6. 1943  : [… Plackereien mit dem Luftschutz – man ist offenbar schon sehr nervös an oberster Stelle – in der Bevölkerung hat man aber den Eindruck, daß es mit der Selbstsicherheit der obersten Stellen nicht mehr weit her ist – man ist nicht mehr auf der Höhe und so schwindet immer das Vertrauen.] 17. 6. 1943  : R.,1008 aus Krain kommend, erzählt, daß die Banden eine Säge in der Nähe von Velden niedergebrannt haben. Sinnigerweise ist ausgerechnet jetzt eine deutsch-italienische Gesellschaft in Klagenfurt gegründet worden. Die Leitung hat der alte Leg. Rat Peter-Pirkham1009 übernommen, der seinen ersten Namen nicht mehr führt. Auch in Velden haben sich die Banden betätigt. 18. 6. 1943  : Hammer-Purgstall zum Mittagstisch gekommen. Im Salzkammergut wird jetzt in den Dörfern viel Vieh requiriert. Die Bauern sind mit den Preisen unzufrieden, als ob das anderswo anders wäre. – Eckhardt bei mir gewesen, erzählt, daß Hornbostel sich äußerlich verändert habe, nicht mehr der schlanke, feinnervige Mann sei, eher stämmig mit verstärktem Nacken und grob ausgebildeten Fingern, die meisten Vorderzähne fehlten ihm, offenbar ausgeschlagen. Er hofft, einen Posten bei der I.G. Farben zu bekommen und soll jetzt sehr weich gestimmt sein. [Dem Eckhardt habe ich über Klastersky meine Meinung gesagt – daß ich ihn ebenso wie den B.1010 für moralisch unrein halte.] 19. 6. 1943  : Wurzian besucht, liegt an einem Kollaps (Schlaganfall) darnieder. Die Frau1011 töricht kleinlich in ihren politischen Ansichten.

1008 Nicht zu eruieren. 1009 Albert Peter-Pirkham. 1010 Nicht zu eruieren. 1011 Margarethe Wurzian.

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20. 6. 1943  : Leitartikel in der »Deutschen Allgemeinen Zeitung« über eine Expedition gegen die Banden im Rücken der Ostfront, die Operation »Maigewitter« genannt. Die Banden angeblich 9 Brigaden stark gewesen, Gefangene und Tote ganz gering und noch verhältnismäßig geringer die Waffenbeute. 21. 6. 1943  : Der letzte Wochenartikel des Goebbels »Vom Reden und vom Schweigen« war eigentlich sehr offenherzig. Jede Kriegführung müsse die Möglichkeit benützen, durch Lancierung gewisser Meldungen die Aufmerksamkeit des Feindes bewußt in eine falsche Richtung zu lenken, das sei eine erlaubte Kriegslist, die meistens auch auf Kosten der allgemeinen Glaubwürdigkeit der Nachrichtenpolitik gehe. Nicht alles, was heute in der Öffentlichkeit als Irrtum der Führung angesehen werde, sei auch ein echter Irrtum. Vieles davon zähle zu den freiwilligen und bewußten Irrtümern. Über den Krieg auf der Weltbühne habe jeder das Recht zu urteilen, über den Krieg hinter den Kulissen sollte jedoch nur der urteilen, dem alle Möglichkeiten zur Einsichtnahme der Probleme offenstehen. 22. 6. 1943  : Nervenzermürbungskrieg. Es wird noch lange dauern. 23. 6. 1943  : Las »Neue Freie Presse«, Juni 1917. Debatte im Herrenhaus. Auf wie hoher geistiger Höhe standen diese Reden. Dabei der Drang, sich gegenseitig zu verstehen. – Düsseldorf wird jetzt ausradiert. Und doch wird durch diese Terrorangriffe nichts Entscheidendes erreicht. Das hat man schon bei den deutschen Angriffen auf England und insbesondere London gesehen. Hiedurch kann der Gegner nicht auf die Knie gezwungen werden. 24. 6. 1943  : Fronleichnamsfest in der Stephanskirche am Abend, keine große Beteiligung, aber dafür sehr andächtige Stimmung unter Mitbeten und Singen. 25. 6. 1943  : Die Leute von Düsseldorf werden hieher gebracht. Wir müssen auf den Dachböden die Holzzwischenwände beseitigen. 26. 6. 1943  : Die Lage in Amerika ist für Roosevelt nicht angenehm. Man läßt ihn fühlen, daß er doch nicht so großartig ist. Die Annahme des Antistreikgesetzes gegen sein zweimali-

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ges Veto ist doch eine klare Demonstration gegen seine Gesellschaft, soweit der bloß aus den Zeitungen seine Wissenschaft schöpfende Beobachter es übersehen kann. – In der Tram ein Wirbel. Ein italienischer, übrigens schön dekorierter Soldat, ging gegen einen deutschen los und verwahrte sich sehr scharf in deutscher Sprache gegen eine Bemerkung dieses Deutschen. Die übrigen Deutschen, auch Wiener Soldaten, muckten nicht auf. Der Mann gefiel mir. – Gerüchte über die Bedingungen der italienischen Übergabe, in denen auch Triest und die Küste eine Rolle spielen sollen. 28. 6. 1943  : Der Bombenkrieg geht unbarmherzig weiter. In Bochum soll es mehrere 10.000 Tote geben. Sizilien wird angeblich geräumt, man rechnet mit der Besetzung. Die technische Ausrüstung der amerikanischen und englischen Lufttruppen soll großartig sein. Die Gegend von Wörgl ist als Kriegsgebiet erklärt worden. – Die gestrige »Allgemeine Zeitung« bringt einen Artikel von Josef Winschuh über Arbeit- und Kampfwährung, bezeichnet die Arbeitswährung als überholt und meint, daß theoretisch Beste wäre natürlich eine kräftige Kaufkraftabschöpfung durch weitere Erhöhung der Steuern und noch radikaler wäre es, wenn erst gar keine verbrauchsfähige Kaufkraft entstünde, z. B. durch eine Art Lohn- und Verbrauchskommunismus für die Kriegsdauer. Aber müsse man nicht jener Logik des totalen Krieges, die zu einer Kommunisierung der Einkommen und des Verbrauches treibe, widerstehen  ? Wort von Josef Fouché von 1793  : »Was ein Einzelner über seine Bedürfnisse habe, könne er nicht anders brauchen als indem er es mißbrauche. So lasse man ihm nichts als das unbedingt Notwendige, der Rest gehöre während des Krieges der Republik und ihren Armen. Das wäre die radikal durchgeführte Kampfwährung.« Aber der Aufsatz meint dann doch, es werde beim Kompromiß zwischen Arbeits- und Kampfwährung bleiben usw. [29. 6. 1943  : … Köln wieder angegriffen – wann wird diese Barbarei aufhören – die Welt ist wirklich aus den Fugen – die Engländer sollten sich für wahr schämen  ; selbst wenn wir angefangen hatten, sollten sie sich zurückhalten.] 30. 6. 1943  : In den Niederlanden scheint es wieder unruhig zu sein, fortwährend Anschläge auf deutsche Soldaten, sehr viele Erschießungen. Was wird einmal über diese Zustände in den Niederlanden geschrieben werden  ? 1. 7. 1943  : Die Beschädigung des Kölner Domes nützt die Propaganda ordentlich aus. Die Engländer können sich da nicht ausreden, denn sie mußten doch mit Bestimmtheit damit rechnen, daß ihre Anschläge auf den Hauptbahnhof und auf die Rheinbrücke, die

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beide in unmittelbarer Nähe des Domes und der inneren Stadt gelegen sind, daneben gehen würden. 3. 7. 1943  : Spaziergang mit Kleinwächter, der dabeibleibt, daß Amerika nach wie vor antisemitisch sei. Mit Juden verkehre man nur am Vormittag, also geschäftlich, in der Gesellschaft würden sie nicht zugelassen. Die an hervorragenden Stellen befindlichen Juden seien nur Ausnahmen, die gemacht würden, um der jüdischen Wählerschaft sicher zu bleiben. Das Bankwesen sei eigentlich frei von Juden, die gewissen jüdischen Bankiers seien nur zweitrangige Geschäfte. Morgans seien Arier, die keine Juden bei sich hätten. Das Versicherungswesen sei auch judenfrei. 4. 7. 1943  : Gespräch mit einem Gewährsmann.1012 Wenn Hitler offen sagte  : »Machen wir Frieden, ich bin bereit, die Konsequenzen zu tragen«, wie würde er dann dastehen  ? 5. 7. 1943  : Sikorski durch Flugzeugunfall getötet, kommt den Engländern wohl sehr gelegen. 6. 7. 1943  : Bei Kursk scheint man ins Gedränge geraten zu sein. Der Bericht spricht von schweren Kämpfen, die an Heftigkeit zunehmen. 8. 7. 1943  : Mit Prof. Keller gesprochen. Die Technik sei ganz verödet, fast gar keine österreichischen Studenten, die alle eingezogen seien. Auf die Russen ist er sehr fest, sie hätten noch sehr viel Reserven. Die in der Ukraine und im Süden gewesene Industrie hätten sie zum großen Teil nach dem Ural und Nordrußland wegbringen können. Nicht abzusehen, wie ein Friede gemacht werden kann. Die deutsche Autarkiegeschichte werde sich ad absurdum führen. 10. 7. 1943  : Die Alliierten scheinen auf Sizilien gelandet zu sein. 11. 7. 1943  : Die alten Reserven werden jetzt angepackt. Es scheint wahr zu sein, daß die Gemeinde Wien die Straßenbahn verkaufen mußte an ein Hamburger Konsortium. Die Stadt ist eigentlich bankrott, Neubacher soll seinerzeit vollständig versagt haben. 1012 Nicht zu eruieren.

12. 7. 1943

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12. 7. 1943  : Nach Reichenberg gefahren. Während der Fahrt auf den Feldern und sonst wenig Leute zu sehen. Ein mitreisendes Pg.-Ehepaar futterte die ganze Zeit. Zum zweiten Frühstück 2 Eier und zahlreiche Butterschnitten. Nachher, nach verschiedenen anderen Dingen, zogen sie ein Riesenstück Speck hervor, das alle sehen mußten, worauf ich fragte, was das sei, worauf die Antwort kam  : »Speck«, und auf die weitere Frage, woher man so etwas besorge, war die Erwiderung  : »Als Selbstversorger«. Die Leute fuhren nach Zittau, also Altreichler, die beste Antipropaganda. 15. 7. 1943  : Sprach mit einem Geistlichen, der von Leitmeritz nach Reichenberg zu Exerzizien gekommen war. Er meinte, es sei doch eine gute Fügung Gottes, es werde jetzt mehr von innen gearbeitet. 26. 7. 1943  : Mussolini gegangen. Badoglio, den er seinerzeit so schwer beleidigt hatte, hat die traurige Genugtuung, sein Nachfolger zu sein. Hier Panikstimmung und Hoffnung, daß es nicht mehr lange dauern werde. Mussolini also an dem gleichen Tag gegangen, an dem Dollfuß ermordet wurde. Der Aufruf des italienischen Königs1013 ist in den hiesigen Zeitungen etwas merkwürdig wiedergegeben. Die Übersetzung scheint nicht zu stimmen. Ein Satz, der wie eine Verbeugung vor den Faschisten aussieht, während doch die Partei erledigt ist. Ferner die merkwürdige Stelle im Befehl des Badoglio  : »Die uns gestellte Aufgabe ist klar und entschieden, wir werden sie skrupellos erfüllen.« Das soll wohl italienisch heißen »scrupulosamente«, also gewissenhaft. 27. 7. 1943  : Nach Wien zurück. 28. 7. 1943  : Alles ist pessimistisch. Die italienische Sache recht kläglich für den Faschismus. 29. 7. 1943  : Major K.1014 bei mir, behauptet, daß die Lage in Rußland sehr gut sei, die 109 russischen Divisionen hätten sich abgekämpft und wir hätten kolossale Reserven angesammelt. Mussolini habe von Hitler die Verteidigung Italiens verlangt, was dieser abgelehnt habe. Italien habe seine Wehrkraft noch nicht einmal zu einem Drittel 1013 Viktor Emanuel III. (1869–1947). 1014 Karl Wildner.

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aufgeboten. Die Marine habe zum König1015 gehalten. Mussolini habe den Plan vertreten, daß Italien bis zur Poebene geräumt werde. Gegen ihn seien vornehmlich Grandi und Ciano aufgetreten. Tatsächlich scheint Mussolini längst mehr keine feste Stellung gehabt zu haben und waren Armee und Flotte gegen ihn. Die Partei ist aufgelöst, sie versucht, sich stellenweise zu reetablieren. Das Militär greife aber gegen die verhaßte Nebeninstitution durch. Mussolini zwischen Rom und Ostia interniert, mit ihm verschiedene andere, darunter auch der Hetzer Gayda. Badoglio selbst dürfte sich wohl auch nicht lange halten können und es geht offenbar jetzt darum, den Übergang zur Kapitulation zu finden. 30. 7. 1943  : Man kann noch immer nichts Bestimmtes über die tatsächlichen Vorgänge in Italien erfahren. Jedenfalls ist die Partei aufgelöst, ebenso das Abgeordnetenhaus, die meisten Präfekten abgesetzt, viele faschistische Würdenträger in Haft. Die Unruhen scheinen aufgehört zu haben. Der Krieg wird offenbar eben nur von den Deutschen geführt, die Reise von Zivilpersonen nach Italien ist unterbunden. Große Transporte gehen hinunter. Bei uns Steigerung der Luftschutzvorbereitung. Die Häuser sollen neu angestrichen werden, um sie feuerimmun zu machen. Beschleunigung der Herstellung von Wasserreservoirs auf öffentlichen Plätzen. Agitation gegen die Bombenflüchtlingverschickung, die den Verkehr erschwere. 31. 7. 1943  : Besetzung Triests, Polas und Fiumes durch deutsche Truppen. Unsicherheit in Kroatien hält an. Vorige Woche soll wieder ein Zug zwischen Agram und Belgrad gesprengt worden sein und nach den heutigen »Wiener Neuesten Nachrichten« geht der Bandenkrieg in Bosnien weiter. 1. 8. 1943  : [… Die Beschädigung des Kölner Doms wird von uns ordentlich ausgenützt – die Engländer können sich da nicht ausreden, denn sie mußten damit rechnen, daß ihr Anschlag auf den Bahnhof und auf die Rheinbrücke, die beide in unmittelbarer Nähe des Domes und der inneren Stadt gelegen sind, daneben gehen können, wenn man sich noch so zielsicher glaubt, tut man doch so etwas nicht …]1016 Major K.1017 meint, wenn Wien den Luftangriffen ausgesetzt sein sollte, würden die Leute vollkommen den Verstand verlieren und losgehen.

1015 Viktor Emanuel III. (1869–1947). 1016 Siehe auch die Textstelle am 1. Juli 1943. 1017 Karl Wildner.

3. 8. 1943

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3. 8. 1943  : [Im Botanischen Garten – Kleinwächter kam dazu – über amerikanische Verhältnisse unterhalten – er bleibt dabei, daß Amerikaner nach wie vor antisemitisch seien, mit Juden verkehrt man nur Vormittag, also bei Geschäften, in die Gesellschaft werden sie nicht zugelassen. Die an vorragender Stelle befindlichen Juden sind nur Ausnahmen, die gemacht werden, um der jüdischen Wählerschaft sicher zu sein – Bankwesen ist eigentlich frei von Juden – das Versicherungswesen ist auch judenfrei1018 – … – Sikorski durch Flugzeugunfall getötet – kommt den Engländern wohl sehr gelegen.] In Salzburg soll fast jeden Tag Alarm und Vernebelung sein. In Mönichkirchen und am Semmering wird wieder Quartier gemacht, die sicherste Stelle, um sich in den zwei Tunnels zu verbergen. In Hamburg verlassen die Leute in Scharen die Stadt. In Berlin ähnliche Panikerscheinung. Im Ruhrgebiet wird angeblich die Luftoffensive gegen England vorbereitet. 4. 8. 1943  : I.1019 erzählt, daß der Kurator der hiesigen Hochschulen, v. Boeckmann, vorzeitig vom Urlaub zurückgekehrt ist, was seine Frau1020 mit der Fliegergefahr angesichts der Vorgänge in Hamburg begründete. Sie haben jetzt in 2 Tagen alle ihre wertvollen Sachen auf das Land ins Altreich gesendet. Von Klagenfurt hört man, daß die in Kärnten als Sommergäste weilenden Altreichsdeutschen in Scharen die Rückreise antreten. 6. 8. 1943  : Orel verloren gegangen. Und der Bericht erklärt dazu, daß diese Räumung im Zuge der Frontverkürzung schon längere Zeit vorgesehen war. Wer glaubt das  ? Heute wird übrigens auch der Fall von Catania bekanntgegeben. Das Prestige der Achsenarmee sinkt weiter. Engländer und gar Amerikaner sind bekanntlich nicht gelernte Kriegsleute und trotzdem kommen sie gegen die deutschen Armeen ebenso siegreich vorwärts wie die deutschen Armeen gegen die polnischen, die durch die deutsche und österr.-ungarische Schule gegangen sind. Wie wird das erst sein, wenn sie noch mehr in größerer Überzahl und technischer Überlegenheit sein werden, wie die deutsche Armee gegenüber der französischen 1940  ? 10. 8. 1943  :1021 Der Fall von Bjelgorod, von dem gestern gesprochen wurde, wird im deutschen Bericht nicht erwähnt. Das heutige »Neue Wiener Tagblatt« bringt eine offenbar offi1018 Eine ähnliche Textstelle vgl. am 3. Juli 1943. 1019 Nicht zu eruieren. 1020 Nicht zu eruieren. 1021 Im Original und im Typoskript gibt es zwei Eintragungen am 10. August 1943.

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ziöse Notiz aus Berlin, »Überwindung des Bombenterrors zur Hebung der Kriegsmoral«, die zum Schluß sagt  : »Es ist klar, daß jede Stunde daran gearbeitet wird, einmal unsere unmittelbare Verteidigungsmöglichkeit auszuweiten und zu verfeinern und zum andern, durch Entwicklung einer eigenen neuen Angriffswaffe dem Luftkrieg eine radikale, grundlegende Wendung zu geben. Das braucht Zeit. Die Engländer haben dazu 3 Jahre gebraucht, aber wir wissen bereits, daß schon jetzt diese Wendung langsam, aber sicher sich zu realisieren beginnt.« – Göring hat sich gestern nach Hamburg und Berlin begeben  ; angeblich hat er zu Beginn des Krieges gesagt, er wolle Meier heißen, wenn englische Flugzeuge ernstlichen Schaden in deutschen Städten anrichten könnten. – Die hiesigen Altreichler benehmen sich miserabel und machen sich immer mehr verhaßt. 10. 8. 1943  : An der Ostfront böse Kämpfe. Die Russen sind wieder nahe an Charkow herangekommen und scheinen es jetzt auch auf Smolensk abgesehen zu haben. Die deutsche Propaganda wird immer lahmer. Urbas drückt sich darüber sehr despektierlich aus. Sie habe es natürlich schwer, da Göring doch vor Kriegsausbruch das Ruhrgebiet als gegen Luftangriffe absolut gesichert erklärt hatte. Inzwischen ist nicht nur dieses Gebiet stark ruiniert, sondern ist auch Hamburg in Trümmern, wo die englischen Flieger zuerst die Flak niedergekämpft haben und, als die Bewohner von den äußeren Bezirken in die Innenstadt hineingezogen waren, sich auf den Hafen stürzten und die innere Stadt demolierten. In Berlin scheint übrigens völlige Panik im Gange zu sein  ; man soll jetzt versuchen, die Ausgänge der Stadt zu versperren. Die Bonzen versorgen sich weiter, wie man vom Semmering hört. Eine Zusammenkunft Badoglios mit Deutschen soll eben in Velden stattgefunden haben. – Gottfried [bei mir – doch ein ernster, strebend und denkender Mensch]1022 erzählt, daß sich sogar SSLeute im Verhältnis zu den Jugoslaven zu salvieren trachten. – Urbas erzählte noch von Adolf Graf Dubsky, bei dem er eben gewesen war, daß dieser seinerzeit seinen ganzen Großgrundbesitz durch seine Beziehungen aus der Protektoratsgrenze herausgebracht habe. Er sei sich jetzt vollkommen klar darüber, daß dieser Besitz nicht nur verloren, sondern auch das Leben seiner Familie gefährdet sei. Die Eisenbahnen überfüllt, wahrscheinlich kommt es zu einer vorübergehenden Sperre des Zivilverkehrs. 11. 8. 1943  : Gottfried [in der Früh wieder weg]1023 erzählte von der Klagenfurter Studentenorganisation, wohin er befohlen war, daß die Berliner Studenten ganz stur in der Partei1022 Gottfried Turnwald (1922–2014). 1023 Gottfried Turnwald.

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ideologie befangen seien, ohne aber irgendwie ihre Leitsätze sachlich begründen zu können. Sie könnten nur immer wieder einfach ihre Behauptungen wiederholen. Die Wiener und österreichischen Studenten seien viel vifer und geistig unabhängiger. Die Westfalen seien offen gegen das Regime. 12. 8. 1943  : In der Nationalbibliothek sind die Schriften der Agramer Akademie der Wissenschaften, »Quellen zur Geschichte zwischen Südslaven und Venedig im 14. Jahrhundert«, gesperrt, also nicht erhältlich, ebenso die »Geschichte der Serben«1024 von Jireček. Diese Leute machen sich doch nur lächerlich. – Traf wieder einmal den Min. Rat Dr. B.1025 vom seinerzeitigen Handelsministerium. In der Industrie herrsche große Kapitalsnot. Die meisten Pg.’s und Parteischützlinge, die Judengeschäfte erworben haben, wären dieser Aufgabe nicht gewachsen gewesen und hielten sich nur durch Verkauf der Lager und Einziehung von Forderungen über Wasser. Jetzt seien sie in der Klemme und könnten die vom Staat gewährten Darlehen nicht bezahlen. Die Mißstimmung gegen die Altreichler, die hier alle wichtigen Posten besetzt haben und ihre Aufgaben wenig taktvoll erfüllen, nimmt weiter zu. Überhaupt nur Klagen über das Versagen des Apparates. Es sind doch nur große Mäuler. 13. 8. 1943  : Am Tag Fliegeralarm. Angeblich waren die Flieger in Linz, man konnte aber sehr gut das Schießen der Flak hören. 14. 8. 1943  : Wurde von der Reichsstatthalterei der Stadtverwaltung für die Betreuungsstellen zur Verfügung gestellt, kann mich infolgedessen also nicht aus der Stadt rühren. Die Fliegerangriffe galten gestern in Wr. Neustadt dem Bahnhof und anderen Werken, sehr großer Schaden, auch große Verluste in der Bevölkerung. Der heutige Wehrmachtbericht spricht nur lakonisch von Fliegerangriffen auf das südöstliche Reichsgebiet, wo durch Abwurf von Spreng- und Brandbomben in einem Orte Personenverluste und Gebäudeschaden entstanden. Man weiß nicht, ob das lächerlich oder frivol zu nennen ist. Dabei hatten die Morgenzeitungen schon Wr. Neustadt genannt und behauptet, daß der Schaden gering gewesen sei. So wird also das Geschäft der Gerüchtemacher geschürt.

1024 Konstantin Jireček, Geschichte der Serben (unvollendet), Band 1 (bis 1371) und Band 2 (1371–1537), Gotha o. J. [1911–1918]. 1025 Nicht zu eruieren.

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15. 8. 1943  : Die gewisse massive Angriffswaffe, die vorbereitet werde, soll nach den Erzählungen H. P.’s,1026 fußend auf reichsdeutschen Quellen, ein Riesengeschoß sein, das alles, was sich im Umkreis von Kilometern befindet, vernichtet. Wer bringt es hin  ? – Gespräch mit Altpräsidenten Miklas, der mit Angriffen in unserer Nähe rechnet. 16. 8. 1943  : Die Erzählungen mehren sich, daß unter Unteroffizieren und Soldaten an der Front überall Müdigkeit herrsche und davon gesprochen werde, daß in 3 Monaten die Sache aus sein werde. SS und SA stellen neue Frontformationen auf, »Prinz Eugen« und »Großdeutschland« bekommen vom Heer Zuteilung. Leutemangel. Einziger Enthebungsgrund ist ein wirklicher Herzfehler. Zum Angriff auf Wr. Neustadt wird als auffallend bezeichnet, daß die Jäger sich nicht betätigt haben, trotzdem zwei Fliegerhorste in der Nähe. Angeblicher Grund, daß sie ausweichen müssen, den Kampf bei der Minderheit nicht aufnehmen können. Im vorliegenden Fall sollen 15 Flugzeuge im Mürztal den Amerikanern begegnet und ihnen ausgewichen sein. Übrigens war ein Angriff auf Donawitz vermutet worden. Sie waren über Graz gekommen, daher war auch nicht Wr. Neustadt alarmiert worden und daher auch die sonderbare Alarmierung von Wien, wo zuerst Vorwarnung und dann gleich allgemeine Warnung kam. Heute nacht war übrigens Vorwarnung. – Hudeczek hier, erzählt, daß die Berliner sich wieder beruhigt hätten. Man habe deswegen evakuiert, weil die Stimmung unter den Arbeiterfrauen im Osten sehr bedenklich war und man nicht wußte, was mit den Frauen anzufangen. – Es scheint doch schon sehr unter den anderen Leuten gepackelt zu werden, ich höre von Zusammenkünften der Reichsdeutschen mit Hiesigen und der Hiesigen mit Sudetendeutschen. – Eine eigene Abteilung der Polizei sucht jeden Tag die Gegend nach Fallschirmjägern ab, die fortwährend von England herübergesendet werden. 17. 8. 1943  : Sizilien wird planmäßig geräumt. Im Radio bemüht sich irgendjemand nachzuweisen, was für großartige militärische Geschichten der Rückzug aus Sizilien und die Rückzüge in Rußland seien. – Alarm. Angeblich waren sie in Amstetten. – F. Coll.1027 erzählte mir gestern, er sei im April 1938 bei Churchill zum Essen gewesen, der gemeint habe  : »In einigen Jahren haben Sie wieder die Habsburger.« – C. war von meiner Ansicht, daß sich unsere Geistlichkeit nicht zu viel mit Politik abgeben solle, gar nicht eingenommen. Sie müsse sich, meinte er, doch mehr darum kümmern, vor allem um den Unterricht, Einfluß auf die Schule, Hochschulen usw. Meint von Leuten, die noch einmal etwas werden könnten, abgesehen von Ender, auch Strafella  ! 1026 Möglicherweise Arthur Hammer-Purgstall (1890–1958). 1027 Ferdinand Colloredo (1878–1967).

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18. 8. 1943  : Wieder Vorwarnung. Engländer waren in Regensburg. 21./23. 8. 1943  : Charkow wird planmäßig geräumt. Dieser Ausdruck geht einem schon auf die Nerven. 24. 8. 1943  : Dr. M.1028 mit der Nachricht von einem eben von der Front bei Wjasma Zurückgekommenen, man müsse fortwährend zurückweichen, kaum, daß eine neue Stellung bezogen sei, seien die Russen schon wieder da. Wenn es so weiter gehe, müßte man in 3 Monaten bei der Reichsgrenze sein. – Gerüchte, daß der 3. Bezirk geräumt werden soll. 25. 8. 1943  : Himmler Reichsminister des Innern, das bedeutet, sagt sich jetzt ein jeder, daß die Lage ganz ernst sei, gilt er doch als der schärfste der Scharfmacher. Jemand meinte  : alles in schönster Auflösung. – In Sizilien sollen gleich nach den Fronttruppen Verwaltungsoffiziere angekommen sein, die die Verwaltung übernahmen, die bisherigen faschistischen Behörden bei der Zusammenarbeit beließen mit Ausnahme jener, die sich zu stark kompromittiert haben. Mit den ersten Sendungen seien auch gedruckte italienische Schulbücher gekommen. – Mit Kleinwächter zusammen gewesen. Er erzählt von Ludwig (Gesandter, früherer Pressechef), daß er ganz vertrottelt sei, sonderbare Reden führe, daß ihm der Posten eines Ministerialdirektors in Aussicht gestellt worden sei, daß er überhaupt großartig angeschrieben sei, demnächst beim Militär Hauptmann werde, dabei hat er noch nicht einmal eine Pension bekommen. Alles offenbar Wunschträume. – Die Desorganisation in den Betrieben nimmt zu, die Liefertermine können nicht eingehalten werden. Die französischen Arbeiter, die auf Urlaub gehen, kommen zum großen Teil nicht zurück, der letzte Urlauberzug, der 800 Arbeiter nach Wien hätte bringen sollen, brachte ihrer nur 20. 26. 8. 1943  : Kl.1029 erzählt, daß in Karlsbad die Altreichler miserabel behandelt werden, auch bei den Behörden, dagegen Österreicher bevorzugt. – Der Anhalter Bahnhof in Berlin und ein anderer stark hergenommen, der Charlottenburger ist wegrasiert. Die Engländer haben großartige Instrumente zum Treffen, die das Wellenecho verwerten. Deutscherseits kann man nicht darauf kommen, weil die Apparate bei jedem 1028 Josef Müller (1875–1962). 1029 Clemens (Klemens) Wildner.

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Niedergehen automatisch vernichtet werden. – Lange Unterhaltung mit Dr. Rudolf über die allgemeine Lage der Kirche. Gute 70 % der Geistlichkeit seien für das frühere Regime, soweit es bis zum Umbruch bestanden hatte. Die Leitenden seien nicht dieser Auffassung und möchten lieber eine Art Getrenntes gehen, ohne aber Katakombenpolitik treiben zu wollen, vor allem aber für die nächste Zeit eines Wechsels eher Zurückhaltung. Der eine Teil stur, allerdings in Verbindung mit früheren Treibern wie Prof. Krasser, für eine radikale Wiederherstellungspolitik. Die Seelsorgeaktion finde überall Anklang, auch im Reich. Bisher in 30 Diözesen eingeführt, auch Einladungen nach Danzig und Agram, auch in Straßburg eingeführt. Die Sudetendeutschen wollten nur Verbindung mit Wien haben, sie verstünden sich nicht mit den Altreichsdeutschen. Neuer Hirtenbrief der deutschen Bischöfe spreche davon, daß Deutschland überwiegend christlich sei. Das stimme, in der Mehrheit sei es jedoch heidnisch und es sei auch ein großer Teil derer, die nur äußerlich der Kirche angehörten. Grundgedanke der Seelsorge das Wort  : Kult + Liebe,1030 das letztere jetzt besonders betont. Viele Gruppen. – Verhaftungswelle in jüngster Zeit. Der Provinzial Steinwender, der Franziskaner verhaftet. Es scheine sich um eine Spendengeschichte zu handeln. – Zur Vorgeschichte  : Von Linz (März 1938) Nachrichten, daß Hitler in sehr weicher Stimmung sei, die wiedergefundene Heimat, sollte man ausnützen. Anfrage, ob man Glocken läuten solle, um dem Ausdruck zu geben, ja, hätte man so wie so tun müssen. Die Hitler-Audienz des Kardinals1031 sei durch Koop. Baron Jauner, dem Beichtvater Papens, vermittelt worden. (Das stimmt, denn das hat mir Papen selber gesagt. Ebenso hatte mir Minister Wolf gesagt, daß Jauner einen ausgezeichneten Eindruck auf den Hitler gemacht habe, weniger aber der Kardinal.) Bürckel hätte beim Amtsantritt beim Kardinal Besuch gemacht. In seiner Begleitung habe sich ein Herr Himmelreich befunden im Parteigewand mit Auszeichnungen, der nach 10 Minuten zurückgekommen sei, sich als treuer Sohn der Kirche für weitere Vermittlung angetragen und um den Segen gebeten habe. Er habe ihn auch bekommen. Er sei dann das Bindeglied zwischen Bürckel und Kardinal gewesen. Er sei dann mit Rudolf und Wolf auf der Bahn gewesen, als der Kardinal von Rom zurückkam, und habe sich gleich an ihn gedrängt. – Wolf habe wiederholt von freimaurerischen Einflüssen im Vatikan gesprochen und mit Bezugnahme auf diese Nachrichten sich dafür eingesetzt, daß der Kardinal von Rom die Weisung erhalte, im Sinne seiner ersten Erklärungen tätig sein zu können, was aber nicht gelang. Wolf sei immer wieder enttäuscht worden, hätte geglaubt, daß Österreich selbständig bleiben werde. 8 Tage vor dem Anschluß sei in einer Berliner Zusammenkunft, an der er (Wolf) auch teilgenommen hatte, in Gegenwart von hohen Parteifunktionären dies auch ausdrücklich erklärt worden. (Ich  : siehe dazu die Erklärung des Archiv1030 Im Typoskript unterstrichen. 1031 Theodor Innitzer (1875–1955).

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generaldirektors Bittner, wonach vom Standpunkt des Führers Österreich noch 10–12 Jahre hätte selbständig bleiben können.) Wolf habe auch unter der Art, wie sich der Anschluß ausgewirkt habe, sehr gelitten. – Die kirchliche Bewegung sei gut. Die wenigen Geistlichen, die nach dem Umbruch in Zellen besondere Aktionen für das Regime unternommen hätten, seien bald auseinandergelaufen. Jetzt halte alles zusammen. In Wien allein würden jetzt 22.000 Kinder religiös unterrichtet. Rudolf, der sicherlich sehr ehrgeizig ist, fand heftige Worte gegen gewisse Kollegen, dies im Zusammenhang mit der Behauptung, daß der Kardinal ein sehr schwacher Mensch sei. Er beteuerte mir, daß er nie radikal national gewesen sei, im Neuland, worauf ich ihn speziell ansprach, habe er immer gegen die übertrieben nationale Richtung angekämpft. Er fand auch sehr scharfe Ausdrücke gegen Guido Schmidt, der ein Hauptschuldiger sei, dabei ein krankhafter Mensch. 28. 8. 1943  : König Boris gestorben. Wie werden sich jetzt die Bulgaren außenpolitisch verhalten  ? 30. 8. 1943  : An der Ostfront geht es gar nicht gut zu. Taganrog geräumt und es scheint der ganze Südosten am Asowschen Meer in Gefahr zu sein. Ein Bild der heutigen »Wiener Neuesten Nachrichten« stellt die Amtsübernahme Himmlers im Innenministerium dar. Er mit einer Kappe auf dem Kopf, die anderen zwei Uniformierten, der Staatssekretär1032 offenbar und der Ministerialdirektor,1033 ohne Kopfbedeckung, die anderen Beamten ebenfalls. Das Ganze kennzeichnet die Situation und den Charakter der Dargestellten. – Unterhaltung mit Bischoff über französische Dinge, nichts Besonderes. – Die Ostfront im steten Zurückweichen. Die Stimmung unter den Leuten wie zu Ende 1917. Aufmarsch von Armeen an der Polinie. 31. 8. 1943  : Die Russen kommen bei Smolensk auch vorwärts, zwischen Taganrog und Mariupol scheinen sie auf der Hälfte des Weges durch eine Umgehung die Deutschen eingekreist zu haben. 2. 9. 1943  : Mit Bischoff Unterhaltung über französische Dinge. Er sagt, daß die Lavalsache in Frankreich jetzt schon, und noch mehr in der Zukunft, als eine große Schande empfunden werden würde. Ich kann mich nur erinnern, daß dieser Mann auch für Österreich nicht viel übriggehabt hat. – Sonderbare Textierung der Heeresberichte. 1032 Wilhelm Stuckart (1902–1953). 1033 Es gab mehrere Ministerialdirektoren.

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Wie hat man sich früher über die italienischen aufgehalten, wenn sie so hochtrabend schmückende Beiwörter verwendeten, und jetzt tun wir es selber, sprechen von verbissener Abwehr, von unvergleichlich kämpfender Infanterie usw. 3. 9. 1943  : Die Engländer sind heute Früh auf das italienische Festland hinübergekommen und haben sich dort festgesetzt. Die Bahn zwischen Trient und Bozen zerstört. Viele Verhaftungen in Italien, darunter Tamaro1034 und Bono1035. Das Vermögen des Farinacci, des Ciano und der Edda1036 ist angeblich beschlagnahmt. Es werden noch schöne Sachen über die Diebereien der Faschistenführer herauskommen. 4. 9. 1943  : Exerzieren in der Notdienstamtshandlung. – Gespräch mit einem früheren deutschnationalen Couleurstudenten. Er ist trostlos, ja entsetzt, über die Entwicklung, die die Dinge im Ganzen und besonders bei uns genommen haben. Keine Autorität im Staate. Es herrscht nur brutale Gewalt von geistig niedrigstehenden Leuten. Doppelherrschaft. Kleine engstirnige Leute toben ihre verdrängten Komplexe aus, und was erst noch kommen soll  ! 6. 9. 1943  : Kienböck getroffen, nichts Besonderes. Die Heeresberichte bringen wenig Konkretes. Sicher ist nur, daß man weiter zurückgeht, ebenso auch in Süditalien. Der Papst1037 hat eine Botschaft erlassen, von der man hier in Deutschland nichts hören darf. Er hat an seine vor Beginn des Krieges ausgesprochenen Warnungen und Beschwörungen erinnert und mahnt in noch eindringlicherer Weise die maßgebenden Staatsmänner an ihre Pflicht, die ihnen noch nicht zum vollen Bewußtsein gekommen sei, man möge dem Haß und dem Kampf Einhalt tun, der Zorn Gottes werde die treffen, die Schwache und Unschuldige unterdrücken und quälen. Dazu vorher der Satz von »Nach so vielen verletzten Vereinbarungen und so vielen nicht gehaltenen Versprechungen, Gott gebe allen Nationen die Hoffnung auf einen würdigen Frieden, der weder ihre Lebensrechte noch ihre Ehre verletze, usw.« Aus einem Aufsatz Goebbels’ über die Realitäten des Krieges habe ich mir notiert  : »Eine neue Angriffswaffe gegen den Luftkrieg des Feindes ist im Aufbau. Tag und Nacht schaffen ungezählte

1034 Attilio Tamaro (1884–1956) wurde zwar von seinem Diplomatenposten in Bern zurückberufen, doch findet sich in seiner Biografie kein Hinweis auf eine Verhaftung. Er gehörte nicht zu dem Kreis der nach dem Schauprozess von Verona Inhaftierten oder Hingerichteten. 1035 Emilio De Bono. 1036 Edda Ciano. 1037 Pius XII. (1876–1958).

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fleißige Hände daran. Sie stellen uns zwar noch auf eine harte Geduldprobe, aber die wird sich eines Tages lohnen.«1038 – Alle Welt fragt sich, was das eigentlich sein kann und warum doch so lange damit zurückgehalten wird. Immer wieder. Gerüchte, daß Fabriken, die Zwischenprodukte erzeugen, zerstört worden sind. 7. 9. 1943  : Las das Tardieu-Buch1039 über den Frieden, dessen Wiedergabe der Gespräche zwischen Ludendorff und Hintze im Jahre 1918. Im August erklärte der General, daß die strategische Defensive ermöglichen werde, sich in Frankreich zu halten und den Feind zum Friedensschluß zu veranlassen (einen Monat vorher war man noch ganz aktivistisch gewesen), und im Sept./Okt. verlangen Ludendorff und Hindenburg sofortiges Friedensangebot und Waffenstillstand. So hatten beide die Nerven verloren. – Die Russen stehen vor Stalino, haben Konotop, das sie umgangen hatten, genommen und scheinen Smolensk sehr nahe gekommen zu sein. Die Heeresberichte nennen keine Ortschaften und begnügen sich mit Hinweisen auf harte Kämpfe. 8. 9. 1943  : Das Donezbassin mußte so gut wie zur Gänze geräumt werden. Es wird zugegeben, daß Stalino im Zuge der Frontverkürzung planmäßig geräumt wurde. Im mittleren Abschnitt nähern sich die Russen der Stadt Kiew. Italien hat, was uns bisher nicht bekannt gegeben wurde, am 23. kapituliert und sich allen künftigen politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Bestimmungen unterworfen. Der Abschluß der bedingungslosen Kapitulation wird von der anderen Seite erst jetzt verlautbart. Italien hat auch gegen die deutsche Armee Front zu machen und die Bevölkerung, namentlich die Arbeiter, werden aufgefordert, deutschen Transporten alle nur möglichen Hindernisse in den Weg zu legen. Italien ist also seiner Tradition treu geblieben. Der Marschall Badoglio hat schon seit längerer Zeit in einem neutralen Ort1040 verhandelt. Was sagt jetzt Hitler  ? Mit allem, was er in den letzten 3 Jahren gesagt und versprochen hat, ist er Lügen gestraft. 9. 9. 1943  : Verkündigung der italienischen Kapitulation durch das Radio. Die Italiener mußten also noch die Mauer machen für die andern. Deutscherseits wird jetzt gesagt, daß man alles vorausgesehen und rechtzeitig die zweckdienlichen Maßnahmen getroffen habe. Außerdem soll sich, wie bekanntgegeben wird, eine faschistische Gegenregie1038 »Völkischer Beobachter«, 21. August 1943, S. 2. 1039 André Tardieu veröffentlichte 1921 eine einflussreiche Schrift zur Verteidigung des Versailler Vertrages (La paix, Paris 1921). 1040 Cassibile bei Syrakus.

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rung gebildet haben. Sie wird nicht viel aufstecken, da ja der Faschismus gründlich abgewirtschaftet zu haben scheint. Inzwischen Landung der Entente im Golf von Neapel. Die italienischen Kriegsschiffe von La Spezia ausgelaufen. Eisenbahnverkehr nach Deutschland eingestellt, Korsika von den andern besetzt. Im Südosten scheint sich auch etwas vorzubereiten. Keitel soll nach Saloniki abgegangen sein. Im Osten ist das Donezbassin von den Russen erobert, die auch Bachmatsch genommen haben und damit wieder eine Verbindung zwischen dem nördlichen und südlichen Teil der deutschen Front durchbrochen haben. 10. 9. 1943  : Die Details der italienischen Kapitulation werden immer schöner. Die Rede, die Hitler heute hielt, war weder im Ton noch inhaltlich sehr beruhigend. Man hörte deutlich, wie schwer ihm das Atemholen wurde, dazu der schnelle undeutliche Vortrag. Wieder sprach er von dem gewissen Gegenmittel  ; wann wird es kommen  ? 12. 9. 1943  : Unterhaltung mit Kohlruss. Er hat gehört, daß der Vatikan Delegierte nach England und Amerika1041 geschickt hat, wobei es sich vor allem um Geldangelegenheiten handeln soll. Er hat also rechtzeitig das Prekäre seiner finanziellen Lage gespürt. 13. 9. 1943  : Mussolini ist von SS-Leuten befreit worden. Das wird viel Aufsehen erregen und der Entente zu schaffen geben. Die Entführung Mussolinis beschäftigt die Geister in der ganzen Welt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß sachlich konkret viel herauskommen kann, denn die Italiener können einfach nicht weiter. Es wird nur mit dem Ruin des Landes und Prestigeverlust des Königshauses enden. – Die anderen berichten, daß sie 120 km vor Kiew stehen. Dafür sind die Anglo-Amerikaner bei Salerno angeblich bis an die Küste zurückgedrängt worden. 15. 9. 1943  : In der Mussolini-Sache scheint die Wache das deutsche Flugzeug und die Fallschirmjäger für Engländer oder Amerikaner angesehen zu haben. 16. 9. 1943  : Noworossijsk mußte angeblich fahren gelassen werden. Am Abend bei F. C.1042 Erzählt von einem Eichenlaubträger, der kürzlich in Audienz bei Hitler war, der 3 Flugzeuge benützen mußte und dann mit der Eisenbahn hingebracht wurde und vorher 1041 Nicht zu eruieren. 1042 Ferdinand Colloredo (1878–1967).

17. 9. 1943

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die Weisung bekam, möglichst wenig zu erzählen und ja nicht die Wahrheit zu sagen, weil ihn sonst der Schlag treffen könnte. Er habe die ganze Zeit gesprochen, sehr fahrig, die Situation nicht als beunruhigend bezeichnet. Die italienische Geschichte sei eher eine Entlastung für Deutschland. – Mussolini war am Montag über Nacht in Wien im Imperial, schlecht aussehend, hat ein Verhältnis mit zwei Schwestern,1043 was ihn sehr hernimmt. F. C. eher unsicher in der Beurteilung der Situation, Frage, wer im gegebenen Moment stärker sein werde, der Beneš oder der Otto.1044 Letzterer habe unsere Kriegsgefangenen in Kanada besucht, die dort besser wie die altreichsdeutschen behandelt werden, worüber sich letztere in Briefen aufregten. 17. 9. 1943  : Der heutige Heeresbericht stellt fest, daß es den Russen trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit nirgends gelungen sei, die deutsche Front zu zerreißen und zu operativen Folgen zu gelangen. An der Ostfront sei eine großzügige Frontbegradigung im Gange, durch die neue Reserven gewonnen wurden. Im Zuge dieser Absetzbewegung wurden die Städte Noworossijsk und Brjansk nach restloser Zerstörung aller wichtigen Anlagen planmäßig geräumt. An der italienischen Front scheinen die Angelsachsen bei Salerno wieder vorwärtszukommen. 18. 9. 1943  : Rede des Mussolini angehört. Sie war sehr schnell gesprochen, kassant,1045 befehlshaberisch, eingebildet. Kann das überhaupt noch einen Eindruck machen  ? Nur erfüllt von Ressentiment, dazu Treueversicherung gegenüber Hitler und Deutschland. – In Salerno ist offenbar das deutsche Angriffspotential erschöpft. 20. 9. 1943  : Berichte, daß man sich in Salerno vom Feinde losgelöst habe. – Auch die Finnen scheinen genug zu haben. Wie man sich das vorstellt, daß die Italiener noch einmal Faschisten werden  ! 21. 9. 1943  : Wieder nach Reichenberg gefahren. Den mitfahrenden lernbegierigen Altreichlern die Gegend erklärt. 22. 9. 1943  : Bei Chefredakteur Feistner. Alles schimpft. 1043 Nicht zu eruieren. 1044 Otto Habsburg. 1045 Kassant – schroff.

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24. 9. 1943  : Oberleutnant F.,1046 der eben von der russischen Front gekommen, erzählt erschütternde Sachen von der Lage nach Stalingrad, wo Rumänen, Italiener und Ungarn einfach kehrtgemacht hätten, die Waffen wegwarfen und, nur mit Lebensmitteln versehen, zurückgingen, was dann auch die übrigen machten. F.’s Kompanie mußte das mit Schrecken ansehen, dann Befehl zu strengen Maßnahmen, mit Waffengewalt die Leute zurückgehalten. 26. 9. 1943  : Weiterer Rückgang im Osten. Die Offiziösen bemühen sich darzustellen, daß alles nach genau festgesetztem Plan erfolge und wesentlichen Vorteil durch Ersparung von Reserven bedeute. Die Politik scheint mir überhaupt zum großen Teile auf Verblödungstechnik zu beruhen. Der italienische König1047 wird jetzt wegen seines abessinischen Kaiser- und albanischen Königtitels gehöhnt, während doch noch vor 14 Tagen Mussolini von der Undankbarkeit des Königshauses sprach, dem er zwei neue Kronen verschafft habe.1048 28. 9. 1943  : Die Russen scheinen über den Dnjepr hinaus gelangt zu sein und Brückenköpfe angelegt zu haben. 30. 9. 1943  : Kundgebung auf dem Rathausplatz anläßlich der 5-Jahresfeier der Einverleibung des Sudetenlandes. Die Leute wurden hiezu aus den Betrieben und von den Versammlungspunkten von den Blockleitern förmlich hingetrieben, kamen sehr langsam und müde hin. Das Ganze machte einen nichts weniger als erhebenden Eindruck. Gezwungene, hohle Geschichte. Tatsächlich haben die Sudetendeutschen sehr wenig getan, um sich als eine innerlich gegenüber den Tschechen zusammenhaltende Gebietsgemeinschaft zu fühlen. Sie haben eigentlich den Tschechen immer wieder brav pariert, sie haben ihnen auch eine Gewalt entgegengesetzt und gerade Henlein hat immer wieder beteuert, daß seine Bewegung sich nur innerhalb des Staates ausleben wolle. So hat er auch im Ausland gesprochen und wenn er jetzt heute am Abend erwähnte, Churchill habe ihm in London gesagt, daß der tschechoslovakische Staat in seiner Gesamtheit als Bollwerk gegen den deutschen Drang nach Osten erhalten bleiben müsse, so hat er vergessen oder er wollte vergessen machen, daß Churchill eben mit ihm so gesprochen hatte, weil er glaubte, mit jemandem gleicher Auffassung zu sprechen. 1046 Alfred (Fred) Wildner. 1047 Viktor Emanuel III. (1869–1947). 1048 Viktor Emanuel III. war 1936–1941 Kaiser von Abessinien, 1939–1943 König von Albanien.

2. 10. 1943

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2. 10. 1943  : Am Dnjepraußenbogen scheinen die Russen aufgehalten worden zu sein. Stromaufwärts scheinen sie sich aber schon sehr festgesetzt zu haben. In der Gegend hinter Smolensk ist man im raschen Rückzug begriffen. Neapel ist schon aufgegeben, nachdem gestern noch verkündet worden war, daß man mit der Niederschlagung eines kommunistischen Aufstandes beschäftigt sei. Auch an der Ostseite ist man im Rückzug begriffen. Wr. Neustadt, der Semmering und Steyr wurden gestern angegriffen. Mir kommt vor, daß wir hinter die Prypjat-Sümpfe zurückgehen müssen. – Diverse Vorfälle an der Ostfront nach Erzählungen F.’s1049 notiert, die ein unheimliches Bild der Situation erweisen. Massenerschießungen, sogar von Offizieren, wegen Fahnenflucht und bösen Durchstechereien. 5. 10. 1943  : Rückfahrt nach Wien mit einem Hamburger, der nach Griechenland zurückfuhr. Zur Herreise hatte er 9 Tage gebraucht. Er fürchtete, daß er auf der Rückfahrt zwischen Agram und Belgrad wiederum mindestens 4 Tage liegen bleiben werde, wenn es den Partisanen beliebte. Rechts und links der Bahn lägen halbzerstörte und verbrannte Wagen. 6. 10. 1943  : Kl.1050 erzählt, daß blonde, blauäugige Kinder polnischen Eltern weggenommen und deutsch erzogen werden. In Oberösterreich und Salzburg seien dafür Pensionate eingerichtet. Die SS soll unter den Polen fürchterlich gewütet haben. Die Massengräber von Juden und Polen würden jetzt ausgegraben und der Inhalt verbrannt. 7. 10. 1943  : Über der Reichsbrücke waren in 4000 m Höhe 7 Flieger, die fest beschossen wurden. Bei Fischamend ging einer nieder. Noch mehr Flieger waren in Wr. Neudorf. 8. 10. 1943  : Kl.1051 erzählt, in gewissen, sich mit einer künftigen Neuregelung befassenden Kreisen, werde gegen mich gearbeitet. Für die Stelle eines Generalsekretärs soll Thedy1052 in Betracht kommen. Ich zeigte keine Neugierde. [Das sind natürlich Altweibertratsch und Wunschträume – bezeichnend nur, daß Kl. mit einer gewissen Lust mir die Sache versetzt, will es, um mich aufzuputschen – in beiderlei Hinsicht nicht verfangen, ihm dafür gesagt, daß er doch nicht ohne Intrige-Mentalität sei.] 1049 Alfred (Fred) Wildner. 1050 Clemens (Klemens) Wildner. 1051 Clemens (Klemens) Wildner  ; Heinrich Wildner hatte seinen Bruder zum Mittagessen getroffen, wie aus den Aufzeichnungen in Gabelsberger-Kurzschrift zu entnehmen ist. 1052 Theodor Hornbostel.

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9. 10. 1943  : Die Lage an der Ostfront erscheint mir sehr unklar. Mir kommt vor, daß man sich schon viel weiter zurückgezogen hat, als nach der Berichterstattung anzunehmen ist. Vom Kampf bei Welikije Luki wird heute gesprochen so wie früher von solchen bei Orel, während man schon weit westlich davon war. 10. 10. 1943  : Die Russen drängen weiter vor und die Frontverkürzung ist offenbar die Folge der großen Truppenherausziehung, die zur Entlastung der südlichen italienischen Front vorgenommen wurde. Die großen Bewegungen, die strategischen und großen taktischen Zielen galten, können offenbar nicht mehr gemacht werden. Es löst sich alles in Einzelunternehmungen auf, um Zeit zu gewinnen, damit das gewisse Wunder der neuen Waffe in Verwendung kommen kann. Er spricht jetzt wie der Ludendorff  : »Wenn wir nicht wanken, endet der Krieg mit einem großen Sieg.« 11. 10. 1943  : Wiederum Gerüchte über bevorstehende Dinge. Offenbar regt die über Rom bevorstehende Entscheidung die Gemüter an. Weiterer Rückzug. 13. 10. 1943  : Die Italiener haben Deutschland den Krieg erklärt. Die Portugiesen haben die Azoren den Engländern als militärische Stützpunkte zur Verfügung gestellt. Um Kiew wird wütend gekämpft. 14. 10. 1943  : An der russischen Front geht es weiter schlecht zu. Den Russen wird, wie sie es gegenüber den Deutschen getan haben, eine Wüste hinterlassen. Alles wird verbrannt und die Leute werden mitgenommen. 15. 10. 1943  : Den früheren Außenminister Hennet getroffen. Er trug eine Aktentasche, enthaltend 4 Flaschen Bier. Erzählt  : Der Austritt aus der Nazipartei sei ohne weiteres jetzt möglich, wenn jemand 3 neue Mitglieder bringe  ; bringe er 10, so erhalte er ein Zeugnis, daß er niemals bei der Partei gewesen sei  ; wenn er 20 bringe, erhält er eine Bescheinigung, daß er eine jüdische Großmutter gehabt habe. – Besuch bei Generalsekretär Peter,1053 der sehr räsoniert, sich aber doch sehr über die Befreiung des Duce1054 freut,

1053 Franz Josef Peter (1866–1957). 1054 Benito Mussolini.

16. 10. 1943

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namentlich, daß es ein Ostmärker1055 war. – Besuch bei Exzellenz Pogatscher. Merkwürdig, wie dieser 85-Jährige klar die Politik beurteilt und auch körperlich beisammen ist. – Vorige Montagnacht soll es eine Schießerei in Floridsdorf gegeben haben, wo russische Kriegsgefangene, die mit Waffen versehen waren, ausbrechen wollten. 16. 10. 1943  : Überall Rückzug. 18. 10. 1943  : F. Coll[oredo] bei mir. Nichts Besonderes. Zu viel Nachrichten, ohne ihnen aber dabei auf einen festen Grund zu kommen. Großer Durchbruch der Russen am Dnjepr. 19. 10. 1943  : Zwei Bücher von Tabouis, das eine über den Botschafter Jules Cambon, ihren Onkel, das andere über »Nebuchadnezzar und der Triumph Babylons«1056 in der Nationalbibliothek gesperrt. [Offenbar hat der Name genügt, um sie auf den Index zu setzen – wie kleinlich und töricht.] Dies spricht gerade nicht für den geistigen Gehalt des Nazismus. – Am Asowschen Meer tobt um und in Melitopol ein furchtbarer Kampf. Wieder scheint man zu spät mit der Zurücknahme begonnen zu haben. [Es ist nicht nur die Unterlegenheit an Zahl und Waffen und Munition, sondern auch die Führung und der Zusammenhalt selbst sind es offenbar, in welchen uns die Russen über sind …] – Morsey getroffen, der kürzlich entlassen wurde. Kam mir etwas inkonsequent vor. [Der Mann ist mir nicht sympathisch …] 20. 10. 1943  : Der russische Durchbruch bei Krementschuk ist so tief, daß die Stadt Bjachti,1057 wohin Oberleutnant F. [Fred]1058 vor 5 Wochen zur Bahnsicherung hätte kommen sollen, russischerseits erreicht ist. Der Heeresbericht spricht nur von Kämpfen südöstlich von Krementschuk. 22. 10. 1943  : Die serbischen Außenamtakten werden mit größter Beschleunigung zu Ende übersetzt. – Die Zeitungen bringen seit einigen Tagen Nachrichten über Wegschleppung von Kunstwerken aus Sizilien und Unteritalien und deren Verkauf in England und 1055 Otto Skorzeny (1908–1975). 1056 Geneviève Tabouis, The Life of Jules Cambon, London 1938  ; dieselbe, Nebuchadnezzar, New York 1931. 1057 Nicht zu eruieren. 1058 Alfred (Fred) Wildner.

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New York oder Unterbringung in Museen. Die Haltung der Angelsachsen wird angeprangert. Dabei finden fortwährend im Dorotheum Versteigerungen von niederländischen Gemälden und alten Möbeln statt, die aus Holland stammen, und die Ausräumung der Klöster und der bei uns beschlagnahmten Schlösser, deren Versteigerung, soweit sie nicht für öffentliche und private Zwecke gebraucht werden, ist weiter im Gange. 24. 10. 1943  : Hörte die Ansprache, die der Hauptbannführer Hein im Warthegau anläßlich der Verleihung einer Bauernstelle vom Gauleiter Greiser erhielt, und seine Antwort, in der er, Hein, sagte  : »So wie ich bisher vorbildlich gearbeitet habe, werde ich es auch in meiner jetzigen Besitzereigenschaft vorbildlich tun.« Bescheidenheit ist eine Zier. 25./26. 10. 1943  : Wenn die Krim nicht rechtzeitig deutscherseits geräumt worden ist, sehe ich nicht, wie man das jetzt noch tun kann. Jedenfalls liegen die strategischen Erfolge der Russen schon vor und von planmäßiger Räumung kann man im Hinblick auf die Durchbrüche der Russen und deren Vorstöße nach Kriwoi Rog doch nicht mehr recht sprechen. 27. 10. 1943  : Fliegerangriff auf Ebenfurth, Schule und Bahnhof, Pottenstein, Pernitz, Neunkirchen. 28. 10. 1943  : Den Leuten wird immer unheimlicher. Beinahe möchte man glauben, daß die russische Geschichte schon über den Kopf wächst. 29. 10. 1943  : Hennet getroffen, erzählt, Hornbostel sei von Guido1059 zum Nachtmahl eingeladen worden, Hornbostel habe aber abgelehnt mit der Begründung, er habe versprechen müssen, mit Angehörigen der Systemregierungen nicht zusammenzukommen. [Wenn nicht wahr, so gut erfunden.] – General Cavallero hat den Deutschen die Abreden des Badoglio verraten und sich dann umgebracht. Von anderer Seite, daß die deutschen Soldaten sagen, die Badogliogeschichte sei mit Mussolini verabredet worden, damit man beide Eisen im Feuer habe. Auch die sogenannte Gefangennahme von Mussolini sei verabredet.

1059 Guido Schmidt.

30. 10. 1943

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30. 10. 1943  : An der Ostfront scheint es doch schon Panikstimmung zu geben, wie man von Urlaubern hört. Auch sonst hört man über sonderbares Verhalten gegenüber den Russen. 1. 11. 1943  : Fliegeralarm zu Mittag, wahrscheinlich waren sie in Wr. Neustadt. – Die Beschlüsse der Moskauer Konferenz sehen nach Andeutungen u. a. ein besonderes Komitee vor, das sich mit der Regelung der Nachkriegsfragen beschäftigen soll. Österreich soll wieder neu erstehen 3. 11. 1943  : Die heutigen Zeitungen bringen etwas mehr. Die Annexion Österreichs durch Deutschland wird als staatsrechtlich ungültig hingestellt, und die Aufrichtung eines freien und unabhängigen Österreichs als Kriegsziel proklamiert. Das österreichische Volk soll einen eigenen Beitrag für die Befreiung des Landes leisten. Außerdem wird davon gesprochen, daß jene politische und wirtschaftliche Sicherheit herauszufinden sein soll, die allein die Grundlage zu einem dauerhaften Frieden ist. Nicht nur das österreichische Volk, sondern auch jene Nachbarstaaten, die sich ähnlichen Problemen gegenüber befinden werden, dann besondere Bestimmungen bezüglich Italiens. Die Absetzung des Königs und seines Sohnes1060 scheint nur eine Frage von Tagen zu sein. Die Erklärungen bezüglich Österreichs besagen also, daß Österreich, das einen Teil der Schuld zu tragen hat dafür, daß es sich an dem Krieg aktiv beteiligt, jetzt revolutioniert werden soll. Wird Berlin Peitsche oder Zuckerbrot wählen  ? Vorläufig ist das eine sicher, daß Österreich jedenfalls selbständig werde und wahrscheinlich mit anderen Nachbarstaaten irgendwie verbandelt werden soll. Ein neuer Faschismus unter Heimwehrform scheint ausgeschlossen zu sein. – Cl.1061 erzählte gestern aus einer Unterhaltung mit dem Goldenen-Parteiabzeichen-Mann Weidlinger, der ihm sagte  : »Nach dem Kriege werden wir Diplomaten nicht brauchen, nämlich nach dem alten Muster geschulte, sondern, wenn man etwas haben will, wird der Gesandte, der wie alle ein schöner großer SS- oder SA-Mann sein wird, der sich besonders bewährt hat, einfach hingehen zum fremden Außenminister und sagen  : ›Wir wünschen‹, oder, wenn er besonders entgegenkommend sein wird, ›wir würden Wert darauf legen, daß usw.‹, und wenn das dann nicht geschieht, wird einfach gefordert, gegebenenfalls das Machtmittel eingesetzt.« Der jetzige deutsche Gesandte in Pest1062 soll nach derselben Quelle ein besonders geschickter Diplomat und Verhandler sein. Bei einer Berliner Saalschlacht sei er, Weidlinger, von den Kommunisten als Geisel hopge1060 Viktor Emanuel III. (1869–1947) und Umberto II. (1904–1983). 1061 Clemens (Klemens) Wildner. 1062 Dietrich von Jagow (1892–1945).

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nommen worden, von Jagow sei daraufhin zu den Kommunisten gegangen und hätte sie sehr geschickt in kurzer Zeit überredet, den Weidlinger wieder freizulassen. Und der Kasche (in Agram) ist ein sehr energischer Mann. Er, Weidlinger, habe selbst gesehen, wie Kasche bei einer politischen Rauferei mit den Kommunisten in Hamburg ihre {unleserlich} aus dem ersten Stock hinuntergeworfen habe. Cl. erzählt noch weiter, daß der Journalist Franz Riedl, der Verbindungsmann (außerdem SD-Mann) zwischen österreichischen Nazis und drüben war, vor dem Anschluß immer wieder die These vertreten habe, daß die österreichischen Nazis allein gelassen werden sollten, ja, daß sogar die Emigranten überhaupt nicht mehr nach Österreich hereingelassen und schon gar nicht zur Macht gelassen werden sollten, weil zu ersehen wäre, wie falsch die Politik war, daß wir die Nazis nicht zur Macht kommen ließen. Sie hätten das allgemeine Schicksal jeder politischen Entwicklung erfahren und hätten uns so von der Einmischung der Berliner und Münchener Parteileute befreit. – Der türkische Staatspräsident1063 hat eine Rede gehalten, von der uns im Einzelnen noch nichts mitgeteilt wurde. Er glaubt an die Aufrichtung einer Ordnung, begründet auf ehrliche Zusammenarbeit aller freien Völker ohne Rücksicht auf ihre Größe. Obwohl das türkische Volk sich vom Kriege ferngehalten habe, fühle es doch auf das strengste die Auswirkung des Weltkrieges. Man sei aber selbst zu größeren Opfern bereit, damit diese schwere Hürde genommen werde. – Im jetzt genauer bekannten Text der Moskauer Beschlüsse heißt es, daß die drei Mächte erklären, daß sie die Annexion Österreichs sowie alle in Österreich seit dem 13. 3. 1938 in Kraft getretenen Gesetze, Verordnungen und Erklärungen als null und nichtig betrachten. 6. 11. 1943  : Gestern und die zwei vorhergehenden Tage Schulung für soziale Hilfe der Betreuungsstellen nach Luftangriffen. Die ganz alten Leute, aber auch jüngere, bocken und wollen nicht recht mittun. – Die Russen sollen phantastisch klingende Zahlen über unsere Verluste angegeben haben  : 2,7 Millionen, davon 900.000 Tote, 98.000 Gefangene, alles seit Juli 1943. Beutezahlen  : 2.200 Panzer, 6.800 Geschütze, 15.000 Kraftwagen, 416 Lokomotiven, 13.000 Güterwagen und viele tausend Pferde usw. Kiew scheint geräumt zu sein  ; da gemeldet wird, daß nördlich Kiew die Russen neu herangeführte überlegene Kräfte in den Kampf werfen, um einen drohenden Durchbruch zu vereiteln, seien unsere zähe und verbissen angreifenden Truppen in weiter westlich liegende Stellungen zurückgenommen worden. Dabei wurden unsere Truppen aus den seit Wochen in der Kampflinie liegenden Teilen der Stadt zurückgenommen. Die Russen haben, wie der Leitartikel des »Neuen Wiener Tagblattes« heute sagte, im Laufe des Krieges gerade auf dem Gebiete der Führung großer Verbände viel gelernt. Unsere Zeitungen haben auch schon aufgehört herumzureden, 1063 İsmet İnönü (1884–1973).

8. 11. 1943

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daß die russischen Bewegungen strategisch keine Bedeutung haben. Ich möchte nur wissen, ob wir wirklich von der Krim abgeschnitten sind. Das Gerede von den Brückenköpfen, die wir halten oder die wir dem Feind verengen, ist nicht zu verstehen. 8. 11. 1943  : K. [Karl]1064 aus Galizien zurück, meint, es wäre doch unrühmlich, hinterrücks von der Kugel eines Partisanen getroffen zu werden. Die Russen sind schon 30 km über Kiew hinaus. 9. 11. 1943  : Die gestrige Hitlerrede angehört. Er sprach sehr ruhig im Gegensatz zu früheren Reden und vorsichtig. Er erwähnte die kommende Vergeltung gegenüber den englischen Luftangriffen. Dazu die Churchillrede, der auch vom sicheren Sieg sprach, aber erst 1944, nachdem England und Amerika furchtbare Opfer gebracht haben. Es sei mit der Möglichkeit einer neuartigen Taktik gegenüber England zu rechnen. 10. 11. 1943  : Der deutsche Heeresbericht spricht noch immer vom Kampf im Raum von Kiew. Dabei ist man schon stellenweise bis beinahe 100 km zurückgedrängt und überall von der Stadt mehr als 40 km entfernt. 11. 11. 1943  : General Jodl hat das Führercorps über die Lage informiert und vor ihnen den Führer als Staatsmann und Heerführer gefeiert. – Über den Stand der Front erfahren wir nichts. Es scheint aber schon ganz bös herzugehen. In wenigen Tagen werden die Russen, wenn es so weitergeht, in Polen sein. Haben wir uns wirklich schon auf die Buglinie eingerichtet  ? Die Lage in der Südukraine und in der Krim verstehe, wer will. Gespräch mit B.1065 über miserable Stimmung in Oberösterreich, die Fronturlauber erzählen Schauerdinge von der Front und trösten die Neuen, daß sie jedenfalls nicht nach Rußland kommen würden. 12. 11. 1943  : Das Debakel an der Ostfront geht weiter. Unterhaltung mit Major K.,1066 der einige Monate in Ostgalizien war. Nach ihm ist die deutsche Zivilverwaltung desaströs, alles rufe nach der Militärverwaltung. Die Verwaltung sei unfähig und korrupt und könne sich nur mit den schärfsten Terrormaßnahmen helfen. Wirtschaftlich sei das Land 1064 Karl Wildner. 1065 Nicht zu eruieren. 1066 Karl Wildner.

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ganz heruntergekommen. Die Ukrainer schwören auf das Kommen der Angelsachsen, die das Schicksal des Landes von einer Volksabstimmung abhängig machen wollen. Sie werden, meinen sie, rein ukrainisch ausfallen, denn bis dahin werde es keine Polen mehr geben, die geradeso umgebracht werden sollen wie die Deutschen. Der russische Kommissar, meinte ein Ukrainer, war sehr bös, der braune ist es aber noch mehr. Bevor Wächter gekommen war, sei die Korruption noch stärker gewesen. Das Land wurde systematisch ausgeraubt. In vielen Eisenbahnzügen wurde alles Wertvolle weggeschleppt, aber meistens nicht zum Nutzen des Staates. Der Vorgänger des Wächter, ein gewisser Lasch1067 wurde schließlich abgesetzt und ihm nahegelegt, daß er sich umbringe, was er nicht tat, weil er sich in Kenntnis der von den Großkopferten begangenen Schweinereien sicher fühlte. Daraufhin wurde er der Wehrmacht überstellt und vor ein Kriegsgericht gebracht, auf dem Wege starb er plötzlich. Die jetzigen Zustände charakterisieren zwei Vorfälle. Ein ganzer Divisionsstab mit dem General,1068 in den Automobilen sitzend, wurde auf der Landstraße aufgehalten und umgebracht. Ein von der Polizei gedeckter Geldtransport mit 200.000 Zloty wurde ebenfalls auf der Straße angehalten, die Bewachung umgebracht und das Geld geraubt, von den Tätern keine Spur. Als K.1069 hieher fuhr, blieb auf der Fahrt ein vor ihm fahrender Sanitätszug stecken, angeblich entgleist. Dann kam heraus, daß vor dem Sanitätszug ein militärischer Munitionszug angeblich durch Selbstzündung in die Luft gegangen war. Die Polen seien viel tüchtiger als die Ukrainer, welch letztere vor der russischen Herrschaft einen heillosen Respekt haben, weil sie unter ihr sehr schwer arbeiten mußten. Die Juden wurden systematisch umgebracht zum Schaden der gesamten Wirtschaft, denn die Handwerker wurden zum größten Teil von ihnen gestellt. Auch die Kinder wurden nicht am Leben gelassen, zu Tausenden wurden sie nackt in Lastwagen zur Begräbnisstätte gebracht. Jetzt werden die jüdischen Toten wieder ausgegraben und die Überreste verbrannt. K. glaubt nicht, daß wir uns lange in Lemberg halten können, militärisch nicht, weil wir keine Truppen mehr haben. An der russischen Front kämpften nur kleine Gruppen gegeneinander, auch die Russen seien am Ende ihrer Reserven. Der beste Weg wären Verhandlungen mit den Russen, aber wir seien nach dem Überfall auf die Russen, abschlußunfähig. Das sagen also selbst jetzt die Militärs. Es kann uns niemand mehr trauen. 13. 11. 1943  : Längere Unterhaltung mit Direktor E.1070 über die Gangsterbande, die sich auf allen Gebieten eingenistet hat. Eine besondere Nummer der Kajetan Mühlmann, der 1067 Im Typoskript  : Resch. 1068 Nicht zu eruieren. 1069 Karl Wildner. 1070 Richard Ernst (1885–1955).

14. 11. 1943

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sich auf angeblich kunstgeschichtliche Studien besonnen hat, um der Hauptmatador dieser Bande zu werden. Er schanzt jetzt Bilder und Kunstgegenstände überhaupt den Spitzen zu. Den Sterzinger Altar wollte die Gemeinde, die ihn seit mehreren Jahrhunderten besitzt, nicht hergeben. Da wurde einfach Mussolini dafür mobilisiert. Zwei nach der kunstgeschichtlichen Literatur angeblich dazugehörige Tafeln von Multscher, die im staatlichen Museum von Stuttgart hingen, waren eines der nächsten Beutestücke. Die Museumsleitung verwahrte sich natürlich entrüstet gegen die Hergabe, es sei doch staatliches Eigentum. Da erschien in der Nacht ein SSKommando und führte die beiden Kostbarkeiten einfach ab. Die Geschichte mit dem »Lesenden Mann« des Vermeer, den um 1 ½ Millionen der Schirach aus dem Kunsthandel erworben hatte, um ihn dem hiesigen Museum zu schenken und den ungünstigen Eindruck, der durch die Wegnahme des echten Vermeer aus dem Besitz der Czernins entstanden war, zu verwischen, welches Bild der Führer um ¼ Million kaufen ließ, um es für Linz zu reservieren, gehört auch auf das Konto Mühlmanns. Dieses Bild des »Lesenden Mannes« gilt bei den meisten Kunstgelehrten nicht als ein Vermeer, es soll nur einer darübergemalt worden sein. Der Dr. Baldass hatte ihn zwar als solchen expertisiert, dann noch ein anderer.1071 Grimschitz und Eigenberger haben es abgelehnt. Dabei war das Bild keine Entdeckung, sondern längst im Kunsthandel bekannt, nur war bisher kein ernster Käufer darauf hineingefallen. Mühlmann hatte sich an den Bürckel heranzumachen verstanden und dessen Bande. Jeder, der gute Bilder hat, soll sie verstecken, daß sie ihm von dieser Bande nicht abgenommen werden. Dann die Schweinereien in Paris mit dem Rothschild’schen Besitz, der gleich nach dem Einrücken von der Botschaft Abetz beschlagnahmt wurde. Das meiste wurde, nachdem »Hermann«1072 es sich angeschaut hatte, am nächsten Tag weggeführt, einige Bilder in die Botschaft gebracht und aufgehängt, einzelne sogar in den Privatgemächern der Botschafterin1073 in Kommoden untergebracht. Aus allen diesen Geschichten werde noch ein Riesenskandal herauskommen. E.1074 bemerkte noch, daß die Unterbringung der verschiedenen musealen Kostbarkeiten mit großen Risken verbunden ist. Wieviel kann da noch verloren und im weiteren Verlauf zugrunde gehen. 14. 11. 1943  : Major K.:1075 Im Offizierscorps sei nur eine Stimme, daß seit Übernahme des Oberkommandos durch Hitler das bisher gewahrte Gesetz des strategischen Handelns 1071 Nicht zu eruieren. 1072 Hermann Göring. 1073 Suzanne Abetz (1900–1958), Ehefrau des deutschen Botschafters Otto Abetz. 1074 Richard Ernst. 1075 Karl Wildner.

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verloren gegangen sei. Die Unterführer hätten nicht mehr die frühere Beweglichkeit. Der Russe sei an Artillerie- und Panzerwagen weitaus überlegen. Warum habe man nicht die Dnjeprlinie befestigt, die alle günstigen Voraussetzungen geboten hätte. In Ostgalizien liege noch das ganze Beutematerial neben der Bahn und auf den Straßen. Die sogenannten SS-Panzerdivisionen und -Corps bestünden aus einem Drittel SS und zwei Drittel Heeresformationen. Der Zweck dieser Anordnung, der sich die Generäle fügten, sei klar. Die Übernahme der faktischen Gewalt im Heere durch Hitler sei nur eine Frage kurzer Zeit. Görings Position sei ungemein geschwächt. Wie schwach erscheine aber dem gegenüber die Position des Duce,1076 der seinerzeit den Oberbefehl über das Heer übernommen hatte und sich dem Generalstab gegenüber nicht durchsetzen konnte, während die Marineleitung überhaupt den Gehorsam verweigerte. Dadurch sei Ägypten verloren gegangen. – Die Russen sind schon in Schitomir, wenn nicht gar darüber hinaus. – Hier in Wien nehmen die SS-Formationen immer mehr zu. Man scheint also da mit etwas zu rechnen, Ungarn etwa  ? Denn an einen »Aufstand« der Österreicher ist doch nicht zu denken. 15./17. 11. 1943  : Die russische Geschichte ist trotz aller, schon seit einiger Zeit zugegebenen Notwendigkeit, rückwärtige Bewegungen durchzuführen, doch viel ernster als man offenbar früher gerechnet hatte. Denn auch schon in Galizien scheint man an Räumungsvorbereitungen zu gehen. Vor allem hat man anscheinend Schwierigkeiten im Verkehr. Die Russen schneiden eine Verbindung nach der anderen ab. Dafür sind die Engländer und Amerikaner in Italien anscheinend zurückgeschlagen oder doch sehr aufgehalten worden. Und die Japaner kommen immer wieder mit neuen Schlägen. 18. 11. 1943  : Im Staatsarchiv die Akten des Berliner Kongresses angeschaut. In den Telegrammen des alten Kaisers1077 zeigt sich immer wieder das Bestreben, ja in den Besitz von Bosnien zu gelangen. Für eine etwaige Formulierung, meinte er, müsse unbedingt von dem Gedanken einer Volksabstimmung abgesehen werden, der für unser Reich viel zu gefährlich sei. Überhaupt bei Abgrenzungen immer nur von strategischen Erwägungen ausgehen, niemals von ethnographischen sprechen. Auf der deutschen Seite ist interessant, wie Bismarck sich des Judentums auf dem Balkan annimmt und in offener Sitzung erklärt, die von Gortschakow hervorgehobene Inferiorität der russischen und Balkanjuden gegenüber den westeuropäischen – Gortschakow hatte seine Juden als eine Geißel für die einheimische Bevölkerung bezeichnet – sei eher dem zuzuschreiben, daß sie von den politischen und sozialen Rechten ausgeschlossen 1076 Benito Mussolini. 1077 Franz Joseph I. (1830–1916).

20. 11. 1943

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seien. Schuwalow und Gortschakow reden sich fortwährend gegenseitig aufeinander aus. Schuwalow sagt von Gortschakow, der doch ein Fußleiden hatte, daß die Füße nicht seine schwächste Seite wären. Die Friktionen, die sich zwischen Rußland und Österreich-Ungarn ergeben hätten, seien zum größten Teil auf das mangelhafte Erinnerungsvermögen des Gortschakow zurückzuführen. – Bei Schitomir mußten sich die Russen stark zurückziehen, dafür haben sie Reschitza genommen. Wir sind aber noch in Homel. Fr.1078 erzählt mir mit Brief vom 29. v. M., er müsse mit seinen Leuten Tag und Nacht marschieren, den Russen seien sie mit Mühe entkommen. Wenn das keine Niederlage ist, so gehen mir die militärischen Begriffe überhaupt ab. Und warum soll das nicht Strategie auf der Seite der Russen sein  ? Sind das nur taktische Erfolge, wenn die Front 100 km zurückverlegt wird  ? 20. 11. 1943  : Schitomir wieder in deutschem Besitz. Die russische Front wird, kommt mir vor, immer länger statt verkürzt. 22. 11. 1943  : Bei F. C.1079 Er ist merkwürdig unsicher in der Beurteilung der Lage, [ob nicht da doch das jüdische Blut aus der Mutter1080 mitspielt – er wird da manchmal empfindlich, …] gibt in politischer Beziehung zu, daß Amerikaner und Engländer auf dem Kontinent nichts gegenüber den Russen ausrichten können, soweit sich jetzt die Dinge übersehen lassen. Wenn er meint, daß sie die Polen doch nicht fallen lassen können, so ist das nur eine Verlegenheitsfloskel. 24. 11. 1943  : Ungutes Gefühl wegen der Moskauer Besprechungen. Cordel Hull soll im Ausschuß des Senates und des Abgeordnetenhauses gesagt haben, daß über alles Einigung erzielt worden sei, nur nicht über die Behandlung, die man Deutschland angedeihen lassen solle. Weitere Nachrichten besagen, daß die Unabhängigkeit Österreichs sichergestellt werden soll und daß sich die russische Einflußnahme auf alle slavischen kleinen Staaten erstrecken soll, auch auf Serbien, dagegen nicht auf Ungarn. Im Übrigen scheint es, daß die Wiedererlangung der alten Grenze vor dem Kriege als eine Selbstverständlichkeit betrachtet wird. – Berlin soll gestern und vorgestern nacht schwere Schäden erlitten haben. Diesmal soll das Wilhelmstraßenviertel drangekommen sein, das Verkehrsministerium völlig zerstört. – Witz  : Man sieht jetzt

1078 Alfred (Fred) Wildner. 1079 Ferdinand Colloredo (1878–1967). 1080 Maria Colloredo (1850–1881).

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fast keine roten Zettel mehr, die Hinrichtungen bekannt geben. Man ist eben zum Schwarzschlachten übergegangen. 26. 11. 1943  : Mit der Tochter Karl M.1081 und deren Mann beisammen. Letzterer erzählte ganz interessant aus dem russischen Feldzug und über russische Verhältnisse, daß man das russische Volk nicht richtig behandle, daß der russische Bauer von der deutschen Besetzung gar nicht entzückt war, daß er ein viel besseres Leben unter den Bolschewiken hatte, indem die Teilnehmer der Kolchosen durch die Naturalienbeistellung schön auskommen konnten, während sie jetzt nichts erhalten, da die Truppe alles aufißt, was die Kolchosenwirtschaft erzeugte. Die Russen dreimal stärker als wir  ; auch er mußte nach Stalingrad beinahe 300 km zu Fuß in Filzschuhen laufen, wobei er alle seine Habseligkeiten verlor. 28. 11. 1943  : Major K.1082 meinte heute, daß die Lage doch nicht durchaus verzweifelt sei, jedenfalls sei sie 1918 viel ärger gewesen. Die Russen seien nicht mehr so stark. 30. 11. 1943  : Alarm. Die Flieger waren angeblich in Judenburg und Kapfenberg. Heute sehr viel Flugzeuge über Wien. 1. 12. 1943  : Zweimal Vorwarnung. Fremde Flieger über Innsbruck. 2. 12. 1943  : [Sonderbare Bemerkung des Neuen Wiener Tagblatts über bevorstehende Kapitulationsforderung der Angelsachsen im Zusammenhang mit der Zusammenkunft mit Stalin.] Sah heute sehr viele Flugzeuge über Wien. Vom Michaelerplatz durch die Burg zur Ringstraße waren Schlauchlinien gelegt. – In Norwegen 12.000 Studenten verhaftet, die in Arbeitslager nach Deutschland abgeführt werden solIen. Dagegen offizielle schwedische Protestnote und in Schweden und Finnland Protestartikel der Zeitungen. – Ein General von Seydlitz soll in Moskau öffentlich einen Radiovortrag gehalten haben, – er wurde in Stalingrad gefangen genommen – und schiebt jetzt die ganze Schuld auf den Führer, der an seinem Plan, betreffend die Entsetzung von Stalingrad gegen die Meinung der Generäle festgehalten hatte. Nur Göring habe ihm erklärt, daß er durch die Luftflotte Entsatz bringen werde. Seydlitz fügte hinzu, daß er kurz vorher 1081 Möglicherweise Karl Macchio (1859–1945). 1082 Karl Wildner.

4. 12. 1943

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nur mit größter Mühe die Sache von Brjansk habe machen können, für 6 Divisionen, in Stalingrad hat es sich aber um 22 gehandelt. – Am S{unleserlich}1083 verblutet sich wieder eine Wiener Division Hoch- und Deutschmeister, die schon bei Stalingrad draufgezahlt hat. 4. 12. 1943  : Englische Flugzeuge waren gestern nachts in Leipzig, hatten einen Scheinangriff auf Berlin gemacht, angeblich um die Nachtjäger abzulenken. – Was bedeutet die heute hier veröffentlichte Rede des Generals Smuts, wonach England eigentlich den Krieg verloren habe, Frankreich und Italien jedenfalls keine Großstaaten sind, England sich mit vielen Westmächten aber verbünden müsse, Rußland die Oberhand habe. 5. 12. 1943  : Traf F. C.,1084 der in der schwedischen Sache meinte  : »Na ja, den Schweden ist der Kamm geschwollen und sie glauben, daß die Deutschen das einstecken müssen und sie machen es, um die Idee der Skandinavischen Union beliebt zu machen.« – Traf Mosing, der alle Vierteljahre in die Schweiz fahren darf. Er erzählt, daß man dort glaube, es werde der Krieg noch mindestens 1 ½ Jahre dauern. Die Amerikaner zögen die Sache hinaus, weil sie nicht genug Lebensmittel hätten, um ganz Europa verpflegen zu können. 7. 12. 1943  : Fragte heute den Vizedirektor des Hof- und Staatsarchivs1085 wegen Fiume. Er stimmte mir bei, es müßte in den Akten des Staatsarchivs gesucht werden. Warum Fiume von Maria Theresia den Ungarn freigegeben wurde, wußte er nicht. Der Senator Salata hätte sich übrigens auch für die Sache interessiert und kürzlich scheine auch etwas im Verhältnis zu Kroatien gespielt zu haben. Der Gesandte Kasche scheine Fiume den Kroaten zugesagt zu haben und jetzt mußte das wieder zurückgedreht werden, da man es doch den Italienern aus ideologischen Gründen (d’Annunzio und Faschismusbeginn) nicht wegnehmen möchte. 9. 12. 1943  : [Endlich Nachricht von Fred1086 gekommen – er war in einem regelrechten Gefecht mit Panzern und Flugzeug – Staatsarchiv – Berliner Monatshefte 1941 und 1942 durchgeschaut – sie sind doch nicht so großartig, wie sie mir früher vorkamen.] Gestern traf ich im 1083 Möglicherweise Südlicher Bug. 1084 Ferdinand Colloredo (1878–1967). 1085 Lothar Gross (1887–1944). 1086 Alfred (Fred) Wildner.

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Stadtpark den Grafen Mensdorff, er ist noch sehr gut beinand. Auch er versteht die englische Sache nicht. Joe Chamberlain1087 habe ihm gegenüber seinerzeit die Idee eines Bündnisses zwischen Deutschland, Amerika und England (gegen Rußland) entwickelt. Ob er Eden befragt, meinte Mensdorff, er habe ihn zu wenig gekannt. Immerhin habe aber ihm einmal Austen Chamberlain auf die Frage, wer von den Jüngeren in der Partei als kommenden Führer und Macher in Betracht käme, zuerst auf den Eden hingewiesen mit den Worten  : »Sehen Sie diesen jungen Menschen an, in dem steckt sehr viel, aus dem wird einmal etwas werden.« Damals war Eden für Mensdorff nur ein besonders schöner junger Mann, der seiner Mutter, der blendend schönen Lady Eden, nachgeraten war. 10. 12. 1943  : K.1088 erzählt von einem Fall, daß jemand, der einen Dritten vor der Beobachtung durch die Gestapo gewarnt hatte, schließlich geköpft wurde. Die Witwe erhielt dann eine Rechnung über 20 M für eine Kiste und 80 M für das Köpfen. 12. 12. 1943  : Mit Dr. M.,1089 von dem ich, wie von anderen, höre, daß die fremden Arbeiter jetzt manchmal ziemlich präpotent auftreten. Ich fand übrigens gestern beim Gehen durch die Praterallee, daß sich die Leute gegenüber der Polizei ziemlich ungeniert benehmen. Die Polizei ist übrigens angewiesen, ihnen gegenüber in Schwarzhandelsgeschichten, nachsichtig vorzugehen. Die Klagen über mangelhafte Ernährung treffen zu, Gemüse haben wir keines, Fleisch noch weniger und bei den Kartoffeln scheint sich ein besonderer Notstand heuer zu ergeben. – Papen und sein früherer Moskauer Kollege, Graf S.,1090 der kürzlich bei ihm war, sehen ganz schwarz. Die Sache sei nicht zu machen. Man müsse doch die oberste Spitze absägen. 13. 12. 1943  : Gespräch mit Bischoff, [der doch etwas sehr links eingestellt ist.] über Linksrichtung und französische Sachen. [14. 12. 1943  : … wenn die Entente nicht jetzt im Begriff ist, eine große Geschichte gegen Deutschland ins Werk zu setzen, so bedeutet ihr jetziges Verhalten Ratlosigkeit gegenüber Deutschland und Rußland.] 1087 Joseph Austen Chamberlain (1863–1937). 1088 Karl Wildner. 1089 Josef Müller (1875–1962). 1090 Wahrscheinlich Friedrich-Werner Erdmann Graf von der Schulenburg (1875–1944).

16. 12. 1943

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16. 12. 1943  : In Innsbruck Luftangriff, offenbar um die Verbindung und die Zufuhr nach Italien zu stören. – Hiesige Konsuln behaupten, daß hier viel mit Geheimzeitungen gearbeitet werde. Eine Zeitschrift »Freies Österreich«,1091 die, in einem eher larmoyanten Ton gehalten, die Entente zur raschesten Hilfe auffordert, eine andere, »Alpenland«,1092 die von einer führenden Organisation spricht, F. S., Führer N. R.,1093 und von einem Anschluß Bayerns, Württembergs und Badens an Österreich redet und die dem Naziregime ein Ultimatum bis März 1944 stellt. Das letztere eine besonders konfuse, nichtssagende Geschichte, die beinahe wie eine ungeschickte Spitzelarbeit aussieht. 18. 12. 1943  : Die Verwüstungen in Innsbruck scheinen doch nicht so arg gewesen zu sein, wie zuerst erzählt wurde. 19. 12. 1943  : In einem japanischen Missionsgebäude ist ein Schwarzsender entdeckt worden, der von einem Nichtjapaner betrieben wurde. Man kam hiebei auf sehr interessante Geschichten. 26. 12. 1943  : Aus der Westoffensive scheint doch etwas zu werden. – Leutnant H.1094 erzählt vom Weihnachtsabend im Reservelazarett in Edlach an der Südbahn. Die Mannschaft betrank sich, ging dann mit dem Messer aufeinander los, ein Patient sprang mit nackten Füßen vor Angst durch das Fenster in den Schnee. Offiziere wurden von der Oberschwester um Hilfe gerufen. Sie brachten die Sache unschwer wieder in Ordnung. Dann aber betranken sich die Offiziere und randalierten. H. erzählt noch von einem mit ihm im Lazarett befindlichen Sonderführer, der angeblich Sikitsch heißt, im Weltkrieg in Rußland gefangen genommen war, zuerst bei den Koltschakleuten, dann bei den Roten, sei dann in den 20er Jahren mit Aufträgen nach Wien geschickt worden und dann hiergeblieben. Sei jetzt Dolmetsch bei der Reichenauarmee gewesen, angeblich zweimal wegen Attentatsachen in Wien gewesen  ; derselbe stellt GPU und Gestapo einander gleich, nur daß die GPU etwas hemmungsloser erschieße. Er scheint sich auch sonst im SD-Dienst zu betätigen. – Ein Oberleutnant vom Wachbataillon, der erkrankt aus Stalingrad noch mit Flugzeug herausgebracht worden war, erzählte, Stalingrad sei verloren gegangen, weil sich das Oberkommando über die 1091 Nicht zu eruieren. 1092 Nicht zu eruieren. 1093 Nicht zu eruieren. 1094 Hans Wildner junior.

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Begangbarkeit der Steppen am linken Ufer der Wolga geirrt habe. Die Russen hätten es dennoch geschafft, dadurch seien die Italiener und Rumänen, die keine eigenen schweren Waffen gehabt hatten, in die Klemme geraten und seien nach furchtbaren Verlusten viele Tausende schließlich durchgegangen. Derselbe Mann habe sich auch darüber aufgehalten, daß man mit dem Papst1095 so viel Geschichten mache. Man solle einfach SS kommen lassen und die ganze Geschichte »wegpicken.« 27. 12. 1943  : Beim Mittagessen Bischoff, der sich Gedanken über die Stellung von Geistlichkeit und Kirche macht. – F. Coll.1096 bei mir. Er sieht in der großen Politik nicht klar, kann mir die Haltung der Engländer und der Amerikaner doch nicht richtig erklären. Er findet nur, daß sie mit den Russen paktieren und sie bei guter Laune halten müssen, gibt mir aber zu, daß sie ihre künftigen Feinde sind, meint jedoch, daß die Russen jetzt schon mit dem Schreckgespenst einer eventuellen friedlichen Auseinandersetzung mit den Deutschen agieren, und versteht nicht, warum die Türken nicht losgehen. Ich wiederum verstehe nicht, warum sie losgehen sollen. – Das Schlachtschiff »Scharnhorst«, das letzte, das Deutschland besitzt, ist von den Engländern in den nordischen Gewässern in den Grund geschossen worden. Da die Wirkungskraft der Unterseeboote immer geringer geworden ist, geht die effektive Durchschlagskraft der deutschen Marine dem Ende zu, was aber mit Ausnahme der nordischen Gewässer nicht mehr so sehr in die Waagschale fallen würde. Es scheint mir aber, daß die Entente u. a. auch im Norden die deutsche Position in Norwegen schärfer angehen wird. F. C.1097 erzählte noch, daß das Ehepaar Prinz Hohenlohe (v. Schoeller)1098 ihn plötzlich und dringend bei sich haben wollte. Er sei zum Frühstück gekommen, sie habe ihn mit den Worten begrüßt  : »Das kann doch unmöglich mit einem Sieg enden« und meinte dann  : »Es ist uns unbegreiflich, wie wir seinerzeit noch etwas Gutes an dem Nazismus finden konnten.« Das Ganze ist, wie F.1099 meint, ein Alibimanöver. Der Bruder der Frau1100 seines Bruders, Fürst Rohan1101 in Sichrow, der selbst Pg. ist, hat gemeint, bei einer künftigen Neuregelung werde das Zentrum in Prag sein müssen. Ich konnte nur gegenfragen, wie es möglich sein würde, daß die Ungarn und andere dorthin gehen würden, von den Polen nicht zu reden.

1095 Pius XII. (1876–1958). 1096 Ferdinand Colloredo. 1097 Ferdinand Colloredo. 1098 Alfred Hohenlohe-Schillingsfürt (1889–1948)  ; Felicitas Hohenlohe-Schillingsfürst (1900–1975). 1099 Ferdinand Colloredo. 1100 Johanna Rohan (1890–1961). 1101 Alain Rohan (1893–1976), seit 1914 Familienoberhaupt.

2. 1. 1944

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2. 1. 1944  : In der Neujahrsbotschaft spricht Hitler davon, daß es in diesem Kriege keine Sieger oder Besiegte geben werde, sondern nur Überlebende und Vernichtete, d. h., er ist der Überzeugung, es werde zum Schluß jeder auf reine Vernichtung des andern mit Waffen übergehen, die bisher noch nicht angewendet worden sind. – Die Sicherheitsmaßnahmen gegen den Luftkrieg werden überall beschleunigt, sogar in Reichenberg wird ein Bunker zur Unterbringung von mehreren tausend Menschen angelegt. – Ging im Prater spazieren, wo Rendezvous der russischen Arbeiter zu sein scheint, zu dem sich eine Menge von in die deutsche Wehrmacht eingestellten Kosaken gesellte. Prachtvolle Gesichter und sehr gut genährte Gestalten. 4. 1. 1944  : Der Angriff bei Schitomir hat nichts genützt, General Manstein hat diesen Punkt längst wieder aufgeben müssen und die deutschen Armeen sind weiter im Rückzug, wenn jetzt ernster Vorstoß im Baltischen vor sich gehen sollte, der fortwährend angekündigt wird. Wir krallen uns eigentlich nur an dem Boden fest und suchen die Lage zu halten, aber das Gesetz des Handelns hat der Deutsche nicht mehr. Wenn jetzt gesagt wird, daß der Russe bisher nur taktische Erfolge, aber keine strategischen erreicht hat, so kommt mir vor, daß auch bei der deutschen Kriegführung im Osten die Strategie keine besondere Rolle gehabt hat. Der entscheidende Erfolg, den Gegner auf die Knie zu zwingen, ihn zu erschöpfen, wurde zwar vor 2 Jahren behauptet, tatsächlich aber nicht erreicht. 5. 1. 1944  : Heute Nacht Luftangriff auf Kiel mit 1200 Flugzeugen. – Dr. Wunder erzählt aus Kopenhagen, daß die Augustgeschichte von dem militärischen Oberbefehlshaber, dem stierwütigen Hanneken, angezettelt wurde, der im Gegensatz zu Dr. Best von schärfster Zuspitzung der Lage berichtete. Nach dem militärischen wurde auch der zivile Ausnahmezustand eingeführt und aufrechterhalten. Den Judenpogrom hatte man mit der Rolle der Juden bei den Sabotageakten motiviert. Tatsächlich haben diese Sabotageakte nach der Flucht bzw. Austreibung der Juden weiter zugenommen. Der König1102 und seine Familie sind eigentlich gefangen genommen. Der bekannte Dramatiker M.,1103 ein Pastor, wurde kürzlich umgebracht. Er hatte voriges Jahr noch ein nationalsozialistisches Stück verfaßt, das verboten wurde. 6. 1. 1944  : Die Situation an der Ostfront wird immer unbehaglicher. 1102 Christian X. (1870–1947). 1103 Kaj Munk (1889–1944).

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7. 1. 1944  : Unangenehmer Fliegeralarm. 10. 1. 1944  : Die dänische Regierung1104 hat, wie Wunder heute noch hinzufügte, demissioniert, die Verwaltung geht aber ihren Weg, was die Hauptsache für die deutsche Führung ist. Jedenfalls war die Autorität des Ribbentrop eine Zeitlang ausgelöscht. Das Auswärtige Amt soll eigentlich ohne Führung sein, denn der Steengracht ist weiterhin nur Vorzimmermann. Am besten scheint sich noch in der Wilhelmstraße der Botschafter Ritter zu behaupten. Seyß-Inquart sei kürzlich in Kopenhagen gewesen, aufgehalten durch Nebel auf seiner Reise nach Norwegen, und habe einen ziemlich gehaltlosen Vortrag über die Aussichten des Krieges gehalten. Im Gespräch hat er u. a. bemerkt, der Führer hätte gesagt, wenn Holland sich selbst gegen die Engländer verteidigen wolle, wolle er gleich Holland räumen. – Die Schweden hätten wegen der norwegischen Studentensache auch schriftlich interveniert. Der schwedische Gesandte1105 sei aber wohlweislich weggefahren, so daß Ribbentrop sich nur den Geschäftsträger1106 kommen lassen konnte, den er sofort anfuhr, daß Schweden in Dinge, die es nichts angingen, nichts hineinreden dürfe, worauf die Schweden eine zweite Note schickten, in der sie diese Äußerung Ribbentrops zurückwiesen und erklärten, daß sie sogar ein sehr gutes Recht hätten, zu intervenieren, sie seien die einzigen von der skandinavischen Staatenfamilie, die noch frei sprechen könnten. Das deutsche Verfahren würde zu unhaltbaren Zuständen führen, die Deutschland selbst für seinen internationalen Verkehr nur bedauern würde usw. Angeblich sollen die Studenten mittlerweile freigelassen worden sein. 11. 1. 1944  : Die Faschisten, die im Großen Rat gegen Mussolini aufgetreten sind, wurden heute in Verona verurteilt, darunter der Ciano, und 5 wurden hingerichtet.1107 Ciano war doch immer eine recht unsympathische Person, für Österreich besonders, andererseits verdankte er doch alles dem Mussolini. Übrigens ist Mussolini selbst jetzt nur ein Gefangener, der gebraucht wird, um in Italien erst recht den Krieg führen zu können. Es kommt mir vor, daß Mussolini auch sonst kein richtig mutiger und schneidiger Mann gewesen ist, sonst hätte er es nicht so weit kommen und den Ge1104 Eric Scavenius (1877–1962), ab November 1942 Ministerpräsident  ; 29. August 1943 bis 5. Mai 1945 Verzicht auf Ausübung der Amtsgeschäfte. 1105 Arvid Richert (1887–1981). 1106 Nicht zu eruieren. 1107 Neben Galeazzo Ciano (1903–1944) wurden Emilio De Bono (1866–1944), Luciano Gottardi (1899–1944), Giovanni Marinelli (1879–1944) und Carlo Pareschi (1898–1944) hingerichtet. Tullio Cianetti (1899–1976) wurde zu 30 Jahren Haft verurteilt.

16. 1. 1944

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neralstab gegen sich arbeiten lassen. Deutscherseits ist doch selbst seinerzeit gesagt worden, daß Mussolinis Aktionen und Bündnis mit Deutschland fortwährend von anderer Seite konterkariert worden sei. General De Bono, der jetzt hingerichtet wurde, war doch der Führer des Marsches auf Rom, an dem ja Mussolini nicht teilgenommen hatte. Das Ganze ist das richtige Ende der Mussolinischen Farce. 16. 1. 1944  : Im Osten kommen die Russen immer schneller vorwärts. Man wird bald nicht mehr viel Platz haben. 17. 1. 1944  : In den Zeitungen und auf anderen Wegen wird vor Gerede über den Krieg gewarnt. Man solle darüber gar nichts sprechen. – Die angelsächsischen Flieger waren gestern in Klagenfurt und haben es ziemlich zerhaut. 19. 1. 1944  : Die Heeresberichte gewähren keine Einsicht in die wirkliche Lage. Wenn man sie aber untereinander vergleicht, so sieht man, wie weit und wie schnell man im Osten zurückweichen muß. In den Leitartikeln, die man uns in den letzten Tagen vorsetzte, wird nicht mehr von beweglicher Taktik und Verkürzung der Front gesprochen, dafür angedeutet, daß die Russen doch strategische Absichten verfolgen, also nicht mehr nur taktische wie früher, daß sie von uns gelernt haben, daß man sie gewiß nicht unterschätzt, daß neue Situationen angebahnt werden usw. Die Russen gehen, wie mir vorkommt, doch ganz methodisch vor, sind mit entsprechender Artillerieund Panzerausrüstung versehen, was früher die deutsche Überlegenheit ausgemacht hat, und drängen die Deutschen ebenso schnell zurück, wie sie seinerzeit von ihnen zurückgedrängt wurden. Nur können sie nicht von solchen enormen Gefangenenzahlen berichten, die deutscherseits vor 2 Jahren aufgewiesen wurden. Aber die Materialverluste scheinen auf deutscher Seite doch schon enorm zu sein. Vor Petersburg scheint jetzt den Russen ein Durchbruch gelungen zu sein. Die Maßnahmen gegen Spionage sind verschärft worden. Der Briefverkehr mit dem neutralen Ausland ist kürzlich eingeschränkt und die Überwachung verschärft worden. Seit 5 Tagen sind Fenster und Wände in den Straßen mit einem schwarzen Mann, der späht, beklebt worden. Heute kam dazu die Warnung »Der Feind hört zu  !«. Nächtens wird man wohl nicht mehr zu 2 und 3 Personen auf der Straße zusammenstehen dürfen. Dabei scheint durch die vielen Arbeiter, die hier sind und vom Westen herkommen, genug Durchstechungsmöglichkeit gegeben zu sein. Wer bürgt dafür, daß unter den Leuten nicht andere eingeschmuggelt werden, die im fremden Nachrichtendienst stehen. Sendeapparate in ganz kleinem Format soll es schon massenhaft geben. – Engländer und Russen, auch die Amerikaner, scheinen sich nicht gut zu verstehen, wie aus

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der Polendebatte und einer letzten Alarmnachricht der Moskauer »Prawda« über deutsch-englische Verhandlungen hervorgeht. 20. 1. 1944  : Den Russen ist der Durchbruch bei Petersburg gelungen. Man ist von der Newa abgedrängt und hat weiter südlich Nowgorod räumen müssen. In der Gegend des Bug wird deutscherseits angegriffen. Die Russen scheinen aber viel stärkere Artillerie zu haben. – Man scheint hier doch mit einem Angriff auf den Balkan zu rechnen. Aus einem Nachrichtenbericht des Auswärtigen Amtes über die Lage in Kroatien  : Der Poglavnik1108 hält sich durch seine Polizei, die Minister sind nur vorgeschobene Figuren, werden vom Dienste des Rukavina überwacht. Man soll mit den Titoleuten in Fühlung sein. Tito wieder verliere viel Menschen und Material durch Flucht und Übergang zu den Serben des Nedić. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Kroatien scheint sich sehr abgeschwächt zu haben. Glaise-Horstenau in Gnade bei Hitler, der ihm kürzlich sagte  : »Wie werden Sie dann herauskommen  ?« Man will angeblich dann nur eine Linie hinter Agram halten bis Senj-Fiume. 23. 1. 1944  : Die Anglo-Amerikaner sind vorgestern südlich von Rom gelandet in aller Früh. Der deutsche Heeresbericht nimmt erst heute dazu Stellung. Die Angelsachsen behaupten, daß die deutsche Abwehr in der Luft erst nach 6 Stunden eingesetzt habe. Inzwischen hätten sie ihren Brückenkopf entsprechend erweitern können. Die Küstenüberwachung scheint hier nicht funktioniert zu haben. 25./26. 1. 1944  : Die Argentinier haben die Beziehungen zu Deutschland abgebrochen, angeblich weil sie eine große deutsche Spionageorganisation entdeckt haben. – Mit Spanien scheint überhaupt in letzter Zeit wieder etwas los zu sein, angeblich sind in für England bestimmten Orangensendungen Bomben gefunden worden. Die Deutschen müssen die spanischen Häfen verlassen. 27. 1. 1944  : An der Leningrader Front sind die Russen 40–50 km vorwärtsgekommen. Sie sagen, die Deutschen hätten 50.000 Tote, aber sehr wenig Gefangene verloren. – Traf den Min. Rat Baron Schlosser, der mir erzählt, daß sein Sohn,1109 ein Gymnasiast, der beinahe 2 Jahre eingesperrt und dann freigelassen worden war, angenommen hatte, daß er die vermutliche Strafe abgebüßt hätte  ; jetzt erst sei mit der Ministerschaft 1108 Ante Pavelić (1889–1959). 1109 Karl Schlosser junior (1916–  ?).

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Himmler die Verhandlung durchgeführt worden, bei der er zu 4 Jahren verurteilt wurde. Der Vater hofft, daß das Gesuch um Umwandlung der Strafe in eine bedingte, Erfolg haben werde. Der beste Freund des Jungen, der junge Fischer-Ledenice, wurde zum Tod verurteilt. Was soll man von der innerlichen Stärke und dem Festigkeitsgefühl des Regimes halten, wenn es gegen junge Burschen, es waren ja Gymnasiasten, in einer solchen Weise vorgeht. Wo ist die versöhnliche Geste, von der nach dem Umbruch von höherer Stelle gesprochen wurde  ? 28. 1. 1944  : Urbas getroffen, der sich mit dem kommenden linkssozialistischen Regime schon deswegen abfindet, weil das gegenwärtige in summa nichts anderes bedeute und jetzt schon für den geistigen Menschen eine Qual der Unfreiheit sei. Er meint, daß die Dinge doch in diesem Jahre zu Ende gehen würden. Bezüglich Österreich erinnerte er an die Worte Hermann Görings  : »Wenn wir aus Österreich herausgehen müssen, wird die Tür mit einem Knall zugeschlagen werden, daß der Welt Hören und Sehen vergehen wird.« Auf meine Bemerkung wegen Verhandlungen mit Rußland, welche Nachrichten vielleicht von den Russen ausgehen, um die Entente zu sekkieren, meinte er, daß ein Teil der SS dafür sein solle und zu diesem Zweck eventuell über Hitler hinweggegangen werden würde. Ultimatum der Alliierten an Bulgarien,1110 mit dem Abbruch der Beziehungen zu Deutschland, Einstellung der Lieferungen an dasselbe und Kündigung der Militärkonvention verlangt wird, letzteres mit dem Bemerken, daß es der Entente wohl bekannt sei, daß Bulgarien einer solchen Eventualität gewachsen sei. Ciano soll, wie Urbas weiter erzählte, nach den ersten Salven nicht erledigt gewesen sein, hätte geschrien und endlich Tötung verlangt. Im Übrigen scheint sich Urbas nach seinem Aussehen recht wohl zu fühlen, er geht nach der im September v. J. absolvierten Gasteiner Kur wieder dorthin und will trachten, in Gesellschaften zu kommen, wo man gut esse. Erzählte mir von einem Essen bei einer schönen Polin, die ihn übrigens, als wir auf der Straße sprachen, sozusagen zu sich rief, die ihn in ihr Appartement Grand Hotel zum Essen eingeladen und mit Fisch mit Mayonnaise, Fasan usw., verschiedenen Weinen, 2 Kellner bedienten, regaliert hatte, eine Frau Herz, Frau eines Industriellen aus Lodz.1111 Was ist das für eine Geschichte  ? Guido Schmidt habe sich zum Direktor der Witkowitzer Werke machen lassen, damit er sie dann den Juden wieder geben könne. Guido soll übrigens laut erklärt haben, daß er der richtige Mann sei, um nachher Österreich wieder in Gang zu bringen. Das ist doch der Gipfel der Gangsterei.

1110 Kabinett Dobri Boschilow (1884–1945), August 1943 bis Juni 1944 Ministerpräsident. 1111 Nicht zu eruieren.

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31. 1. 1944  : Mit Kleinwächter beisammen, der Äußerungen von Baron Klezl wiedergibt, wonach Guido1112 sich sehr wohl fühle und obenauf sei. 1. 2. 1944  : Südlich von Petersburg wird der Rückschlag immer breiter. 2./5. 2. 1944  : Am Dnjeprbogen scheint es bös zuzugehen. Im mittleren Abschnitt wird deutscherseits selbst zugegeben, daß Luzk und Rowno geräumt wurden, also ist man nicht weit von Lemberg. – Mit F. Colloredo1113 beisammen, nichts Besonderes, er ist ruhig. 6. 2. 1944  : Kurzes Gespräch mit Minister a. D. Pernter über den Kardinal,1114 von dem auch er meint, daß er nicht lange bleiben und wahrscheinlich dank der schönen Einrichtung nach Rom kommen kann. Im Übrigen ist auch er für möglichste Reserve. – Längeres Gespräch mit Major C.1115 Er sagt aber selbst, daß die Geschichte von Luzk eigentlich unglaublich und unerhört sei. Es fehle, wie ihm schon lange vorkomme, überhaupt an der höheren Führung, vom Armeecorps angefangen. Der große Generalstab scheine nichts mehr zu bedeuten und die oberste Führung sei schon eine Lächerlichkeit. Der größte Fehler sei doch gewesen, daß man die Russen angegriffen habe. Sie hätten damals eigentlich gar nichts vorgehabt. Diese Erleuchtung kommt etwas spät. Der heutige Bericht spricht übrigens vom weiteren Vordringen der Russen. In Lemberg wird schon gepackt. Die Russen sind nur mehr 120 km davon entfernt. Dafür scheinen in Nettuno die Dinge gut zu stehen, 7./8. 2. 1944  : Im Dnjeprbogen scheint sich eine Katastrophe vorzubereiten. Der heutige Bericht sagt gar nichts Näheres über Nikopol, wo doch, wie die Leute hier erzählen, ein großer Durchbruch erfolgt ist, der mit der Zerschlagung mehrerer Divisionen geendet hat. 10. 2. 1944  : Wie wird man sich im Mittelraum des Dnjepr herausziehen, wo angeblich 10 Divisionen von den Russen eingeschlossen und ganz unter Artilleriefeuer stehen sollen. Der Heeresbericht spricht über diese Vorgänge sehr lakonisch. 1112 Guido Schmidt. 1113 Ferdinand Colloredo (1878–1967). 1114 Theodor Innitzer (1875–1955). 1115 Möglicherweise Karl Wildner.

14. 2. 1944

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14. 2. 1944  :1116 Am Abend Luftschutzgemeinschaftsversammlung. Die Behörden rechnen offenbar wegen der großartigen Flakverteidigung Wiens mit einem konzentrischen Angriff. So wenigstens Äußerungen aus der Umgebung des Schirach. Das Publikum will nicht recht dran glauben, die Frauen wenigstens, und wehren sich gegen die eventuelle Umquartierung der Kinder, für die sich seit einigen Tagen die Parteipropaganda mit allem Eifer einsetzt. In den Zeitungen werden die Leute beschworen, nicht daran zu glauben, daß hinter der Umquartierung etwas anderes stecke. Jeder werde seiner Wohnung sicher bleiben. Es werde keine andere Einquartierung unterdessen stattfinden. Die Schlüssel der Wohnungen brauchen auch nicht bei der NSV abgegeben werden, sondern bei Bekannten im Haus usw. – Das Staatsarchiv wird noch weiter ausgeräumt. Die Unterbringung im Haus genügt angeblich nicht. In der Universitätsbibliothek, in der ich kürzlich war, gibt es weder Bücher noch Kataloge. Das wird nachher ein Wirrwarr sein. 14. 2. 1944  : Die Einschließung der 10 Divisionen wird vom Heeresbericht nach wie vor nicht besonders erwähnt. Er spricht nur u. a. von sehr schweren Kämpfen westlich Tscherkassy, offenbar darauf gestützt, daß Entlastungskämpfe im Gange sind. 15. 2. 1944  : Cl.1117 erzählt, daß gewisse Vorbereitungen auch bei den Konservativen sehr weit gediehen seien. Insbesondere habe Messner (Semperit) schon viel gemacht und überallhin Verbindungen angeknüpft, und sich auch für mich interessiert. M. stark gegen Guido1118 eingenommen, der selbst angeblich an einer Verteidigungsschrift arbeite. 16./20. 2. 1944  : Man sieht, wie genau von oben her die öffentliche Stimmung beobachtet wird. Die Parteistellen bemühen sich sehr, um die Bevölkerung vom Nutzen der Luftschutzfürsorge zu überzeugen. Schirach war gestern in Mödling, St. Gabriel, wo ja sicher mit einem Schlag gegen die Flugzeugmotorenfabrik zu rechnen ist. 21. 2. 1944  : Baronin Ludwigstorff erzählte heute bei Tisch, das polnische Gut des Baron Widmann, zwischen Lublin und Lemberg gelegen, sei dieser Tage von einer großen

1116 Zum 14. 2. 1944 gibt es zwei getrennte Eintragungen. 1117 Clemens (Klemens) Wildner. 1118 Guido Schmidt.

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Bande, die mit 600 Schlitten gekommen war, vollständig ausgeplündert worden. Die Polizei habe sich zurückziehen müssen. 22. 2. 1944  : Voralarm. Angeblich waren die Flieger schon in Bruck1119 und in Amstetten. – Großes Kommuniqué über die Geschichte im Frontraum westlich Tscherkassy. Hoffentlich ist das alles wahr, etwas gekünstelt kommt es mir schon vor. Am Abend gab Generalleutnant Dittmar ausdrücklich zu, daß es den Russen diesmal geglückt sei, die starke deutsche Armee einzukesseln, sie hätten es aber nicht verstanden, diese Chance wirklich bis zum Letzten auszunützen. – Was wird heute Churchill im englischen Unterhaus erklären  ? 25. 2. 1944  : Fliegeralarm. Sie waren in Steyr, das zerhaut sein soll, und in Klagenfurt. Auch St. Pölten und Krems wurden beunruhigt. 27. 2. 1944  : Artikel des Goebbels im »Reich«  : Die Entscheidung über Leben und Tod. Er sagt  : »Das Schicksal auferlegt einem Volke, das zu Großem berufen ist, nur die Prüfungen, die es bestehen kann.« Was für ein Deutsch  ! 29. 2. 1944  : Die Finnen verhandeln doch schon mit den Russen. 2. 3. 1944  : Von der neuen Waffe hört und spricht man nichts mehr. Gespräch mit Bischoff, der jetzt auf einmal trotz seiner 50 Jahre vom Arbeitseinsatz und vom Militär herangezogen wird. Er erinnert an ein Wort des Generals von Auffenberg, der bei der Stabsoffizierstafel bei den Manövern von Walachisch-Meseritsch gesagt hatte  : »Wenn jeder Russe ein Gewehr haben wird, dann Gnade uns allen Gott  !« 5. 3. 1944  : Der Stadtkommandant, General Stümpfl, soll abkommandiert und durch einen General, einen früheren Österreicher mit dem goldenen Parteiabzeichen,1120 ersetzt werden. Scheint auch eine »Vorsichtsmaßnahme« zu sein. Und mir kommt vor, daß den Engländern und den Amerikanern die russischen Erfolge etwas zu schnell vorkommen  ; sie hätten auf ein stärkeres Sich-gegenseitig-Schwächen gehofft. Die 1119 Bruck an der Mur. 1120 Adolf Sinzinger (1891–1974).

7./9. 3. 1944

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Abtretung eines Drittels der italienischen Flotte an die Russen ist übrigens auch bezeichnend  ; offenbar geschehen, um die Russen weiter an der Stange zu halten, während die Russen selbst schon von der Aufrichtigkeit ihres Bundesgenossen nicht ganz überzeugt zu sein scheinen. 7./9. 3. 1944  : In der Ukraine ist der Gegner wieder durchgebrochen. Dagegen sagt der Bericht nichts über die Gegend von Tarnopol und östlich davon, wo, wie hier erzählt wird, die Russen ebenfalls auf breiter Front durchgebrochen sind, so daß wir keine Eisenbahnverbindung von Lemberg nach Odessa haben. Mit den täglich auf Berlin erfolgenden Angriffen scheint der Gegner doch nichts Rechtes aufzustecken. Die paar Fabriken, die zerstört werden, bedeuten nichts Entscheidendes. 10. 3. 1944  : Der heutige Heeresbericht gibt die Räumung von Uman bekannt. Wie man weiter noch von Begradigung der Front und Frontverkürzung sprechen kann, ist mir ein Rätsel. – Am Abend bei Mensdorff, über englische Dinge. Er erzählte, daß schon 1912/13 Churchill, der damals Minister war, lange ihm auseinandergesetzt habe, daß die Zukunft den Russen gehöre, die, wenn man sie mit der Technik stärker in Verbindung gebracht haben wird, einmal die erste Rolle in Europa spielen würden. Das sei nicht aufzuhalten, England werde sehr klein werden. Mensdorff findet es ganz begreiflich, daß die Russen Finnland einstecken wollen und nach den Dardanellen streben. Er sieht im Übrigen sehr schwarz und sieht die Bolschewiken bald hier. Daß mir die Situation doch nicht so verzweifelt vorkomme. Er bestätigte abermals sein Einverständnis mit der Charakterisierung, die Erdmann Pückler1121 von den einflußreichen Engländern gibt. Auf meine Bemerkung, daß mir vorkomme, Churchill werde den Frieden nicht machen, meinte er  : »Ja, aber wer soll an seine Stelle kommen, ein noch Unbekannter von der Arbeiterpartei  ?« Den Engländern seien alle Gedanken über die spätere Entwicklung egal. Vorderhand gehe es nur darum, dem Krieg ein Ende zu machen. 11. 3. 1944  : Der Durchbruch in der Ukraine scheint sehr stark zu sein, selbst nach unserem Heeresbericht. Wir scheinen nur mehr durch Rumänien mit dem Süden Verbindung zu haben. – Volksversammlung in der Simmeringer Waggonfabrik und Ankündigung einer Riesentagung mit x Ministern, für die die Stadthotels geräumt werden. Höhnische Bemerkungen zur vorjährigen Moskauer Österreich-Proklamation. – Traf im 1121 Carl Erdmann Graf von Pückler-Burghauss, Einflussreiche Engländer, Porträtskizzen englischer Politiker, Berlin 1938.

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Stadtpark den ehem. Pressechef Ludwig, der gerne sich mit mir ausführlich unterhalten möchte. Er erzählte, daß er zum Schluß sehr gut behandelt worden sei und daß er seine juristischen Kenntnisse sehr gut verwerten könne und daß ihm die Stelle eines Sektionschefs in Aussicht gestellt worden sei. Ich konnte innerlich nur den Kopf schütteln und gab ihm Rendezvous im Meissl & Schadn. 12. 3. 1944  : Der Abwehr- (defensiver) Dienst der militärischen Stellen soll von der Gestapo übernommen werden. Der SS-Apparat vergrößert sich also überall. 13. 3. 1944  : Unterhaltung mit Ludwig, der im Ganzen 54 Monate verhaftet war. Er hatte während dieser Zeit auch hier eine Aufzeichnung über die österreichische Presse und über die Schuschnigg-Zeit zu verfassen. Er habe die zurückbehaltenen Abschriften kürzlich wieder durchgelesen und finde, daß er darin nichts zurückzunehmen habe. Schuschnigg sei nach ihm ein schwacher, haltloser Mensch gewesen. Am Dienstag vor der Abstimmungsankündigung in Innsbruck sei er bei ihm gewesen und Schuschnigg hätte ihm unter strengstem Geheimnis von seinem Vorhaben Mitteilung gemacht, worauf er, Ludwig, gesagt habe, das sei zu spät. Bei dieser Gelegenheit hätte auch Schuschnigg ihm gesagt, das Außenamt müsse eine andere Führung erhalten, der Guido1122 sei unmöglich, dies auch wegen seiner Frauengeschichten, und Schuschnigg habe ihn, Ludwig, gefragt, was er davon wisse. Ludwig hatte den Eindruck gehabt, daß hinter dieser Frage keine ernste Erwägung stecke, sondern nur Weibergeschichten. Auch über Thedy1123 hatte er sich in dem gewissen Bericht ausgelassen, daß er sich viel zu sehr mit Polizeigeschichten abgegeben und die eigentlichen politischen Dinge beiseitegelassen habe. Ich habe von Ludwig nach wie vor den Eindruck, daß er ein Mensch ohne Bildung und wirkliches Wissen ist, ein Schwimmer, wie er es die ganze Zeit seines Dienstes am Ballhausplatz war. Jetzt bezeichnet er sich als absolvierten Juristen und behauptet, juristische Arbeiten zu liefern. Dabei scheint er momentan überhaupt nichts Rechtes zu haben, sondern erst wieder etwas durch den früheren Ackerbauminister Strobl, der die Konsumvereinsangelegenheiten bei der DAF auf einer Burg bei Jena bearbeitet, anzustreben. Auf den Draxler ist Ludwig nicht besonders gut zu sprechen, auf viele andere Leute übrigens auch nicht. Über Schuschnigg hielt er sich noch darüber auf, daß er, Schuschnigg, in seinem Prozeß gegen Ludwig ungeschickt und ungünstig ausgesagt habe.

1122 Guido Schmidt. 1123 Theodor Hornbostel.

14. 3. 1944

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14. 3. 1944  : F. Coll.1124 bei mir, sehr traurig und weich, hat seinen Sohn,1125 der in Amerika verheiratet und die Hoffnung der Familie für später war, durch einen Flugzeugunfall verloren. Er meint, daß die Sanierung der Geister nicht von der Geistlichkeit, sondern von den Laien kommen könne. Stark gegen Pernter eingenommen, anscheinend von Karwinsky beeinflußt, der ihm erzählt hat, daß Pernter sich in der Anhaltezeit recht unkameradschaftlich und im Sinne des alten Geistes benommen hätte. Er habe laviert. F. C. glaubt, daß Pernter auf etwas für sich hinarbeite. 15. 3. 1944  : Man sieht sehr viel SS-Leute und die Leute sprechen davon, daß sich etwas mit Ungarn tue. Besonders im Burgenland soll sehr viel SS-Mannschaft angesammelt sein. Gerüchte, daß Kállay demissioniert habe, ja sogar Horthy abgedankt usw. Daß die Ungarn ausspringen werden, wird als sicher bezeichnet. 16. 3. 1944  : Max Löwenthal bei mir, bezeichnet die von Blaas ausgestreuten Redereien über Guidos1126 Behauptungen von seiner künftigen Stellung als sehr unangenehm für letzteren, der sich doch über seine Lage klar sei, wenngleich er auch sehr geschickt und wendig sei. In Budapest ist noch alles in Ruhe, keine Bahnverkehrssperre, wie behauptet wurde. 17. 3. 1944  : Fliegerangriff auf Wien, der erste. Es waren Amerikaner, die sich angeblich auf die Mödlinger Gegend konzentrierten. – Begräbnis des ehem. Gesandten Riedl mit einer Rede des Bürgermeisters,1127 ziemlich banal und würdelos vorgetragen, dann einige frei vorgetragene Worte von Clodius, der mir wenig gefällt. Er ist ganz feist geworden, fünf Jahre ihn nicht gesehen. Das ganze Milieu war einem fremd, dazu die ganz unschön wirkenden rituellen Formen. Daß man nicht gemerkt hat, wie dieser Gruß in feierlichen Momenten so ganz konträr wirkt. Das plötzliche Emporstrecken bei einer Trauerzeremonie irritiert doch die Nerven. 18. 3. 1944  : Vorgestern sollen 300 amerikanische Flieger hier gewesen sein. Einiger Schaden in Aspern, Schwechat, Haslau usw. Auch in Kärnten, Bleiburg, waren sie. Die Situation 1124 Ferdinand Colloredo (1878–1967). 1125 Franz Ferdinand Colloredo (1910–1944). 1126 Guido Schmidt. 1127 Hanns Blaschke (1896–1971).

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in der Ukraine wird immer mehr unheimlich. Die ungarischen Gerüchte flauen ab. Die Truppenzusammenziehungen sollen wieder aufgelöst werden. Die Ostfront wird in Pg.-Kreisen als minder wichtig bezeichnet, man wird wahrscheinlich bis zu den Karpathen zurückgehen und dort erst stärksten Widerstand leisten. Die Hauptsache sei die Westfront mit der Invasion. 19. 3. 1944  : Dr. M.1128 erzählt, seine Frau habe sich zur Hochzeit der Tochter1129 einen Hut machen lassen in der Krugerstraße. Bei der Anprobe kam ein Bote mit einem Brief und einem Paket, worin die Frau des Schirach1130 mitteilte, daß der Hut ihrer Freundin, die eben aus dem Altreich gekommen sei, so gut gefallen habe, daß sie ihn ihr geschenkt habe. Sie bat um Anfertigung eines neuen und übersandte eine kleine Gegenleistung, 1 kg Kaffee. – Major K.1131 erzählt, der ganze Abwehrdienst sei von der Gestapo übernommen worden. Speer greife rücksichtslos durch und ein, habe es besonders auf die älteren Offiziere, Generäle der Rüstungsinspektion, abgesehen, die er rücksichtslos absäge. Dabei das Ganze, wie überall, eine Doppelverwaltung mit häufig vorkommendem Durcheinander. Die ganze Organisation ist wie gewöhnlich Selbstzweck geworden. 20. 3. 1944  : Begegnung mit Streeruwitz, der mit 68 Jahren voriges Jahr noch einen Sohn1132 bekommen hat von der zweiten Frau.1133 Hat inzwischen das Doktorat der Staatswissenschaft gemacht und jetzt das philosophische in Mathematik und Astronomie machen will, aber Schwierigkeiten mit der Dissertation hat. Ein unangenehmer Raisonneur bei aller seiner Geistreichlichkeit. Ich wurde ihm, als er zu viel von seiner politischen Vergangenheit sprach, unangenehm, indem ich daran erinnerte, daß ich ihn zuletzt mit seinem Sohn1134 bei der großen Veranstaltung der VF im Stadion gesehen habe, worauf ihm mit Betonung herausfuhr, daß sein Sohn nicht in der VF gewesen sei. Ich sagte weiter, er sei doch kein »Politiker« gewesen und sei von den wirklichen Politikern auch als demgemäß behandelt worden, wie seine Entfernung vom Bundeskanzleramt erwiesen habe. Ich machte auch dann Bemerkungen über das jetzige Regime, worauf er Angst bekam und meinte, es sei gefährlich, mit mir zu 1128 Josef Müller (1875–1962). 1129 Nicht zu eruieren. 1130 Henriette von Schirach (1913–1992). 1131 Karl Wildner. 1132 Nicht zu eruieren. 1133 Margarete Streeruwitz (1904–2003). 1134 Streeruwitz hatte aus erster Ehe drei Söhne. Aus den Angaben im Text ist nicht zu eruieren, welchen Wildner meinte.

21. 3. 1944

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reden. – Die SS-Truppen, die sich hier und im Burgenland gesammelt hatten, sollen in Steinamanger sein. Es scheint sich doch etwas zu tun. 21. 3. 1944  : In Ungarn sind die wichtigsten Punkte von deutschen Truppen besetzt, angeblich hat Horthy darum gebeten. Das wird nicht das letzte sein, was die Ungarn mitmachen. Die Grenze ist gesperrt. Wie Hennet erzählt, ist auch Angehörigen des hiesigen Ungarischen Konsulats die Rückreise nach Ungarn von der Gestapo nicht gestattet worden. Man hat sich also natürlicherweise, da Ungarn alles eher denn zuverlässig ist, im Hinblick auf die katastrophale Lage an der südukrainischen Front des ungarischen Durchzugsraumes bemächtigen müssen. 22. 3. 1944  : An der Ostfront geht es doch zu rasch mit dem Rückzug. Die Russen jagen förmlich. Freitag hat angeblich Ribbentrop mit Horthy in Baden konferiert. In Paris soll eine große Anzahl Verhaftungen durch deutsche Organe erfolgt sein. Welch’ günstige Gelegenheit für Gerüchte  ! Sehr großer Luftangriff auf Berlin bei Tag. Am Abend auch bei uns Fliegeralarm, aber nur von kurzer Dauer. [23. 3. 1944  : … Gott sei Dank von Fred1135 wieder Nachricht, vor 8 Tagen geschrieben, ist 40 km von der Bukowina entfernt – war beinahe wieder in die Hand der Russen geraten – die Truppe der Russen scheint schneller zu werden, unser Widerstand läßt also stärker nach …] 24. 3. 1944  : Messner schlägt mir eine Zusammenkunft bei sich vor, ich habe keine Zeit. – Horthy soll Samstag oder Freitag vergangener Woche am Obersalzberg gewesen sein. Man soll sich sehr aufgeregt gezeigt haben und wollte aktive Beteiligung mit großer Heeresmacht, Einsatz der ganzen Produktion, scharfe Maßnahmen gegen die Juden. Horthy mit der Bahn zurückgekehrt. Unterdessen soll SS um 3 Uhr früh nach Pest in 50 Wagen losgefahren sein und alle Verkehrsämter und militärischen Anstalten besetzt, zerniert und Minister verhaftet haben. Dann ist erst die bewaffnete Macht gekommen. {unleserlich} verwundet, da er sich mit der Waffe widersetzte. Einmarsch von allen Seiten. Die Rumänen scheinen nicht mitzutun. Viele Einzelheiten reichlich romanhaft, materiell scheint aber die Sache zu stimmen.

1135 Alfred (Fred) Wildner.

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25. 3. 1944  : Die Enzesfelder Katastrophe, von der weder die Zeitungen noch der Heeresbericht etwas bringt, scheint furchtbar gewesen zu sein. Auch Hirtenberg soll brennen, offenbar Sabotageakte. Da ersparten sich die Amerikaner eine Reihe von Fliegerangriffen. An der Ostfront geht der Rückzug weiter. Aus Ungarn kommen immer bösere Gerüchte. 28. 3. 1944  : Die Russen haben schon Nikolajew genommen und stehen eben vor Czernowitz. 30. 3. 1944  : Czernowitz geräumt. Die Russen scheinen auch schon in Kolomea zu sein. Die Zeitungen schreiben fortwährend von den vielen Sorgen, die der Churchill und die Amerikaner hätten, blöd usw. 31. 3. 1944  : Die heutige Kommentierung des Wehrmachtsberichtes spricht von planmäßiger Absetzstrategie und davon, daß der naheliegenden Methode des Einsetzens gleich starker oder gar stärkerer Reserveformationen zur Stabilisierung der Lage oder gar zur Entwicklung einer Gegenoffensive die strategische Rücksichtnahme auf die gesamteuropäische strategische Lage im Wege stehe. Die Ostfront spiele in diesem Gesamtrahmen keineswegs eine kriegsentscheidende Rolle. Eine Mißachtung dieser Zusammenhänge könnte unter Umständen bedeuten, sozusagen den Rücken, der im Osten kämpfenden Front dem Dolchstoß vom Westen auszusetzen. – Kurze Unterhaltung mit Bischoff, der den Eindruck eines gebrochenen Menschen macht, sieht für alle nur mehr den Tod, kein Ausweg mehr. In der ungarischen Sache scheint nach seinen Informationen der Hergang so gewesen zu sein, wie er mir vorher geschildert wurde. Man hat offenbar schon alles vorher mit dem ungarischen Generalstab geregelt für den Fall, daß die Russen bis zum Dnjestr kommen sollten. Das ungarische Außenamt hatte nichts davon gewußt. 1. 4. 1944  : Aufruf zum Wehrschießen. Die Leute sagen, das sei die Vorübung für das Partisanenwesen. Am Abend im Radio statt des Abendkonzertes ein Gespräch eines Kriegsberichterstatters mit dem Inspekteur der Nachtflieger1136 über die großartigen Erfolge der Nachtflieger, der vorrechnete, wenn jeder Flug mit einem Verlust von 100 Flugzeugen für die Engländer endet, muß es in 5 Flügen 500 Flugzeuge verlieren und damit ebenso viele Piloten mit den moralischen Folgen usw. Wo steht aber geschrieben, 1136 Hans-Joachim Herrmann (1913–2010).

2. 4. 1944

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daß immer bei den 5 Flügen die jetzt erreichte Höchstzahl von 96 getroffen wird und daß die Engländer jedesmal mit 500 Flugzeugen einfliegen  ? Sie fliegen doch angeblich mit über 1000 Flugzeugen. Dazu das harte, meine Ohren wenigstens schon rein akustisch beleidigende Deutsch des Kriegsberichterstatters und des Militärs. – Die Russen sind schon in den Ausläufern der Karpathen angelangt. 2. 4. 1944  : Vorwarnung. Sie waren in Steyr. [… bedrückt durch Gedanken über Fred1137 – am Abend Gott sei Dank Nachricht, daß er in einem Lazarettzug Wien passiert habe an Bronchitis erkrankt mit der Behandlung nach München.] 4. 4. 1944  : Budapest und Bukarest von Fliegern stark angegriffen. Gestern erzählte Oberst Kl.,1138 in Schwanenstadt, Oberösterreich, seien 109 Fallschirmjäger hopgenommen worden. [In Ostgalizien bei {unleserlich} scheint es für die deutschen Truppen sehr böse zuzugehen – wir scheinen nur auf die Invasion zu warten …] 7. 4. 1944  : Die Ablieferung in deutschem Besitz befindlicher ungarischer Aktien wurde verfügt. Das trifft natürlich vor allem die Wiener Kapitalisten. Aus dem Erlös sollen offenbar zum Teil die Weizenbezüge aus Ungarn bezahlt werden, auf eine andere Weise wäre es nicht möglich, den Verbindlichkeiten gegenüber Ungarn wenigstens zum Teil nachzukommen. – Goebbels zum Stadtpräsidenten von Berlin bestellt, auch keine glückliche Maßnahme, weder nach der Person noch nach der Art der Aufmachung. 8. 4. 1944  : An der Ostfront wird geleimt. Den Russen muß das Abspringen des Krawtschenko, des Leiters ihrer amerikanischen Einkaufabteilung, nicht angenehm sein. Daß jetzt gerade Stettinius mit einem großen Stab des State Department nach London gefahren ist, um mit Eden zu reden, ist auch verdächtig, zumal immer wieder betont wurde, daß Stettinius die russischen Verhältnisse am besten kenne und in Moskau besonders gut angeschrieben sei. Man läßt jetzt den Krawtschenko in Amerika über russische politische Methoden frei reden und eine Zeitung forderte sogar das Parlament auf, ihn rasch im Parlament einzuvernehmen, bevor ihm die Sowjets den Garaus machen.

1137 Alfred (Fred) Wildner. 1138 Nicht zu eruieren.

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11. 4. 1944  : Mit Hofrat Kirigin-Mardegani nachhause gegangen, der mir Verschiedenes vom jetzigen Leiter der Nationalbibliothek1139 erzählte. Er habe unter dem Namen Hergeth, ein Buch1140 über den Einfluß des Freimaurer- und Judentums im Jahre 1927 geschrieben, sei auch in Wöllersdorf inhaftiert gewesen, hätte von dort wegkommen können, habe aber um weitere Belassung gebeten, sehr ehrgeizig, früher in der Starhembergischen Studentenformation gewesen. 12. 4. 1944  : In der Nacht Fliegerangriff, sie waren ziemlich nahe an Fischamend. 15. 4. 1944  : Gespräch mit F. Coll.,1141 der sagt, die Angelsachsen lassen die Russen sich mit uns abmühen und warten bis beide müde werden. Die Invasion scheine man sich zu überlegen, da die Verteidigung doch sehr gut organisiert zu sein scheine. 16. 4. 1944  : In Fischamend wurden vornehmlich Brandbomben abgeworfen. In einem Lager von ausländischen Arbeitern entstand Unordnung. Militär mußte aufgeboten werden, gegen 50 Tote, also ähnliche Geschichten wie kürzlich in Steyr. – Mit der zweiten Front scheint es doch Ernst zu werden. Die Krim dürfte dieser Tage zur Gänze verloren gehen, ebenso Tarnopol. 17. 4. 1944  : Bei der ersten Aufführung des Filmes »Die Schrammeln« im Scalatheater ist es zu einem ordentlichen Wirbel gekommen durch die Bemerkung eines Altreichsdeutschen über die Backhendeln, die man den Wienern abgewöhnt habe, worauf es eine Ohrfeige setzte und Tumult entstand, demonstratives Beklatschen der Burgmusik usw., so daß das Lokal mit zahlreichen Verhaftungen geräumt werden mußte. 19. 4. 1944  : Die öffentlichen Denunziationen werden immer elegischer. Das russische Triumphgeschrei, daß sie schon auf tschechoslovakischem Boden stünden, wie unsere Zeitungen meldeten, zeigt aber, daß sie doch nicht so stark sind, wie sie es verkünden. Im Übrigen kommt mir vor, daß die Russen es zunächst auf Rumänien und auf Lem1139 Paul Heigl (1887–1945). 1140 Friedrich Hergeth (= Paul Heigl), Aus der Werkstatt der Freimaurer und Juden im Österreich der Nachkriegszeit, Graz 1927. 1141 Ferdinand Colloredo (1878–1967).

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berg abgesehen haben. England hat jeden geschlossenen diplomatischen Verkehr der Neutralen eingestellt, angeblich wegen der bevorstehenden Operationen. Wo wollen sie es also machen  ? 23. 4. 1944  : Fliegeralarm, gerade als ich im Prater war. Es wurde sehr viel geschossen. Angeblich konnte man die Luftkämpfe sehr gut beobachten, wiederum Fischamend, Schwechat und Vöslau. Bis ½ 7 Dienstbereitschaft. – Der neue Artikel Goebbels’ in »Das Reich« sagt u. a.: »Wir sind das Elitevolk der Erde, ob die andern das zugeben wollen oder nicht. Das deutsche Volk hat sich in seinen Leistungen selbst übertroffen. Es wird aus diesem gigantischen Ringen erhaben und groß hervorgehen und kein anderes wird sich an Ruhm mit ihm messen können {unleserlich} Europa wäre eigentlich reif, den Todesstoß zu empfangen, wenn wir nicht wären. Die Völker Europas müßten uns auf den Knien danken, daß wir mit unserer Sache auch ihre Sache führen. Die anglo-amerikanische Krise ist tiefer gelagert als ein oberflächliches Studium der englischen oder amerikanischen Presse vermuten läßt. Sie bestimmt heute die gesamte politische und militärische Kriegführung der westlichen Feindseite. Das deutsche Volk ist ein politisches Volk, und zwar in einem viel ausgesprochenerem Sinn als man das gemeinhin annimmt. Das deutsche Volk verläßt seine Führung niemals, wenn es nicht von ihr verlassen wird.« 24. 4. 1944  : Die Flieger waren auch in Wr. Neustadt, wo die Innenstadt sehr stark verwüstet sein soll. Es bleibt weiter unruhig. Bei F. Coll.,1142 der seinem Sohn1143 nachtrauert. Erzählte mir Verschiedenes. Der handschriftliche Nachlaß Aehrenthals wurde von seiner Witwe1144 dem Grafen Paul Esterházy übergeben. Es scheint aber nicht viel Interessantes darin zu liegen, mit Ausnahme der Briefe des Grafen Oswald Graf Thun, der regelmäßig über die Lage in Böhmen berichtete, welche Briefe für eine Geschichte der Deutschböhmen interessant sein dürften, und dann einige Briefe des Franz Ferdinand,1145 darunter einer, der Bezug nahm auf die Nachricht, daß zum Jubiläum des Kaisers1146 im Jahre 1908 ein italienischer Prinz nach Wien kommen würde, wozu Franz Ferdinand gleich bemerken wollte, daß er für den Gegenbesuch nicht in Frage käme, denn seine Mutter1147 sei eine Prinzessin von Neapel gewesen,

1142 Ferdinand Colloredo. 1143 Franz Ferdinand Colloredo (1910–1944). 1144 Pauline Aehrenthal (1871–1945). 1145 Franz Ferdinand von Österreich-Este (1863–1914). 1146 Franz Joseph I. (1830–1916). 1147 Maria Annunziata von Neapel-Sizilien (1843–1871).

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das das Haus Savoyen gestohlen habe, und er sei ein Prinz von Este Modena, das gleichfalls von Savoyen gestohlen wurde. Im Übrigen habe er – Franz Ferdinand – immer richtig politisch gesehen, er maße sich kein Verdienst an, das sei nur Sache seines Ingeniums,1148 er habe aber immer recht behalten und das müsse Aehrenthal dem Kaiser beibringen, damit er nur auf ihn, Franz Ferdinand, höre. Außerdem eine interessante Denkschrift, die Aehrenthal in den 90er Jahren über die Zukunft Rußlands geschrieben habe,1149 wonach es einmal in zwei Teile, einen nördlichen und einen südlichen, zerfallen werde. – Im Jahre 1931 war Fertsch1150 von der Kaiserin1151 nach Italien berufen worden, als gerade Gerüchte im Gange waren, daß eine Verheiratung zwischen Otto1152 und der Maria1153 geplant sei, der jüngsten Tochter des Königs,1154 und daß angeblich Mussolini dafür gewesen sei. Die Kaiserin hat sich damals in Pianore aufgehalten. Man wartete dann 3 Wochen in Viareggio, aber es rührte sich niemand vom Könighaus. Daraufhin entschied die Kaiserin  : »Fahren wir nach Rom, um den Papst zu besuchen.« Sie waren bei Pius XI. und dem Staatssekretär Pacelli, denen über die Sache nichts bekannt war. Dann reisten sie wieder nach Viareggio zurück und plötzlich kam eine Einladung nach San Rossore zu kommen. Außerordentlich liebenswürdige Behauptungen. Fertsch saß neben der Maria und konnte sie genau beobachten. Sie spricht schlecht Französisch, bekannte sich als große Verehrerin der Wagner-Musik. Die Kaiserin fragte nachher, was für einen Eindruck Prinzessin Maria auf ihn gemacht habe. Er antwortete, daß sie ihm eigentlich sehr gut gefallen habe, worauf die Kaiserin sagte  : »Aber nein, denn das balkanische Blut ist doch bei ihr ganz durchgebrochen.« (Zita ist im Gegensatz zur landläufigen Ansicht absolut keine Freundin der Italiener). Nichts weiter geschehen. Dann ist Fertsch noch zu Mussolini geschickt worden, um herauszubekommen, was dieser eigentlich von der Sache denke, als Vorwand, ihm den Dank der Kaiserin für die erwiesenen Ehren und Vorkehrungen abzustatten. Fertsch sprach zuerst im Palazzo Venezia, dann Palazzo Quirinale, dann Palazzo Chighi vor und wurde dort vorgelassen. Zuerst etwas unangenehme Vorhaltungen, was die Kaiserin durch die Versammlung der Legitimisten in Ungarn bezwecke. Fertsch konnte diese und eine andere Nachricht als bloße Redereien zurückweisen. Mahnung Mussolinis, daß Österreich selbständig bleiben solle, dafür würden schon die Nachbarn sorgen, besonders Italien, Warnung vor dem Anschluß, der nur zur Folge haben würde, daß

1148 Ingenium – Begabung. 1149 Denkschrift Aehrenthal, Prager Denkschrift vom 31. Dezember 1898. 1150 Ferdinand Colloredo. 1151 Zita Habsburg-Lothringen (1892–1989). 1152 Otto Habsburg. 1153 Maria Francesca di Savoia (1914–2001). 1154 Viktor Emanuel III. (1869–1947).

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die Österreicher Prussiani1155 würden. Was denkt die Kaiserin über die Zukunft  ? Antwort  : Sie hat in Belgien Zuflucht gefunden und dafür versprochen, daß sie keine Politik machen wird. Daran will sie sich halten. Wenn es sich aber schicken würde, daß dem Sohn1156 die ihm nach der Geburt gebührende Stellung angeboten werde, so würde sie es als eine selbstverständliche Fügung betrachten. – Im Jahre 1932 war Fertsch noch einmal bei Mussolini wegen der Estensischen Güter, bei welcher Gelegenheit er noch offener sprach. (Pacelli habe ihm gesagt, er habe zweimal den Kaiser Karl gesprochen und sei tief beeindruckt gewesen, einer der tiefsten Eindrücke seines Lebens, diese perspicacité,1157 Willenskraft, Bescheidenheit und Demut.) 26. 4. 1944  : Nachmittag langweilige Schulung für den gewissen Betreuungsdienst. Die Leute sind größtenteils mit offenkundiger Unlust dabei. Der Referent für die Quartierfragen1158 hielt sich hartnäckig über die Organisation auf und gab keine Ruhe. Die Leiter der Schulung gerieten in Verwirrung und redeten von Kriegsrecht. 27. 4. 1944  : Unterhaltung mit Kirigin-Mardegani von der ehem. Kabinettskanzlei. Er sagt, daß alle bisher über Franz Josef erschienenen Werke falsch seien, selbst das Buch des früheren Ministers Josef Redlich.1159 – Mit einem Industriellen aus der Gegend von Wr. Neustadt, der behauptet, daß etwa 1000 Flugzeuge kürzlich hier gewesen seien. Sie hätten nur 10 kg Brand- und Sprengbomben abgeworfen. Es seien Teppichveranstaltungen. Die Stimmung unter den Leuten der betroffenen Gegend ausgesprochen schlecht. Große Weinbergplätze vollständig ruiniert. Die Nachrichten, daß der Gauleiter Jury sich sehr dem Wohlleben ergebe, mehren sich  ; Wagen der Gauleitung werden zum Einholen von Wein und Eßwaren benützt, wie ein Autounfall auf der Brünnerstraße erwies. 30. 4. 1944  : In Berlin soll gestern die Hölle gewesen sein. Eine veritable Niederlage der Luftabwehr Görings nach der anderen.

1155 Prussiani – Preußen. 1156 Otto Habsburg. 1157 Perspicacité – Einsicht, Weitblick. 1158 Nicht zu eruieren. 1159 Josef Redlich, Kaiser Franz Joseph von Österreich, Eine Biographie, Berlin 1928.

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3. 5. 1944  : Immer noch zweifeln manche Leute, daß es überhaupt zu einer angelsächsischen Invasion kommen werde. Mir scheint sie aber absolut festzustehen. Ich kann an eine bloße Bluffpolitik nicht glauben und die Engländer werden bei allem sie erfüllenden Unbehagen doch in diesen sauren Apfel beißen müssen. Frauen und Kinder sollen schon seit Ende des Monats April aus den besetzten Westgebieten entfernt worden sein. Eine neue große russische Offensive scheint übrigens auch bevorzustehen. Die Schiffahrt auf der unteren Donau, von Pest abwärts, ist durch die magnetischen Grundminen sehr gefährlich geworden. 10. 5. 1944  : Alarm. Der Angriff betraf nur Wr. Neustadt, das hiemit zum 8. Mal heimgesucht wurde. Hier in Wien benehmen sich die Leute noch ziemlich sorglos. Einer meinte, Wien werde deswegen geschont, weil Schuschnigg alles den Engländern und Amerikanern für Anleihen verpfändet habe. Fortwährend werden die gewissen Betriebe in und in der Nähe der Stadt verlagert. Mein Bezirk, die Landstraße, ist auch durch die Nähe bei der Rotunde erst recht bedroht geworden. 11. 5. 1944  : Beim Studium im Staatsarchiv sehe ich, wie mein Nachbar, eine Münchener Studentin, in einem älteren Buch der Archivbibliothek mit der Füllfeder Eintragungen macht. Ich frage den Aufsichtsbeamten, wer das ist, er rennt weg, erstattet bei der Direktion die Anzeige und soll die »Dame« abkanzeln, da sie sich gegen die in dem von ihr unterfertigten Revers enthaltenen Verpflichtungen vergangen hat. Sie geht zu ihrem Referenten und bekommt das Buch zur Mitnahme nachhause. Vor einigen Wochen sah ich, wie ein hiesiger Student, der die Akten des Hofamtes wegen einer Geschichte der Sängerknaben durchforschte, sich ein Stück aus einem Akt herausnahm und in seine Aktentasche gab. Der Aufsichtsbeamte machte dazu nicht muh, als ich den Vorfall incidenter1160 erwähnte. Überhaupt gehen die Beamten mit den »Forschern« wie mit rohen Eiern um, wahrscheinlich haben sie alle besonders gute Empfehlungen. – Wr. Neustadt soll fürchterlich zugerichtet sein und die Bevölkerung ist sehr erregt. 14. 5. 1944  : Auf Berndorf wurden kürzlich 2000 Bomben geworfen. Der größte Teil fiel in die Wälder. In Wr. Neustadt waren nur 8 Jagdflieger da, so daß Süddeutschland um Suk-

1160 Incidenter – beiläufig, am Rande.

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kurs gebeten wurde. Major K. 1161behauptet, selbst gesehen zu haben, wie 5 Bomber abgeschossen wurden. Auch diesmal soll es kein Terrorangriff gewesen sein. 17. 5. 1944  : Langes, eher aufreizendes Gespräch mit Herrn von Führer, der auch die jetzigen Verhältnisse in der Verwaltung des Landes Niederösterreich unter Jury nicht genug loben konnte und die exemplarische Führung des letzteren besonders hervorhob. Er sei kürzlich in Herzogenburg gewesen und vom do. Bürgermeister, der Pg. und Funktionär ist,1162 förmlich genötigt worden, dem Stift Herzogenburg einen Besuch abzustatten. Ein anderes Mal war er in der Umgebung von Hollabrunn, wo er in Begleitung des Kreisleiters1163 die örtlichen Sparkassen inspizierte, wobei die vom Kreisleiter als schwarz bezeichnete Sparkasse den Vogel abschoß und ohne weiters als die zu erhaltende festgestellt wurde. – Unterhaltung mit Hudeczek. Die ungarische Geschichte war von Veesenmayer gemacht. Clodius hatte sich dazu gedrängt und war mit ihm hinausgefahren, sei aber dann ganz abgefallen. Er scheine überhaupt jetzt in keiner günstigen Lage zu sein – handelspolitisch sei nichts mehr zu tun – und wolle deswegen aus der handelspolitischen Abteilung herauskommen und sich in die politische einschalten. Dazu habe er keine rechte Gelegenheit und keinen günstigen Anlaß, auch infolge der Tatsache, daß er in der Partei keine gute Stellung habe, offenbar im Zusammenhang mit seiner Rolle beim Umbruch oder vorher (Rassenfrage). Jetzt hat Ritter die Organisation in Ungarn in die Hand genommen und die andern in radikalen Maßnahmen übersteigert. Er wollte sogar die ungarische Armee auflösen, was Veesenmayer mit dem Hinweis verhindert habe, daß die Armee das Einzige sei, was für uns sei. Im übrigen nach wie vor eiferndes Durcheinander mit Übermaß von Energie- und Kraftanwendung. Wie Berlin wieder aufgebaut werden solle, sei schleierhaft. Das Potential nehme von Jahr zu Jahr ab. Er1164 soll gesagt haben  : »Wenn jetzt die anderen mit Friedensverhandlungen kommen, bestünde ich darauf, daß die Invasion durchgeführt werde.« 18. 5. 1944  : An der italienischen Front scheint es sehr schlecht zu gehen. 19. 5. 1944  : In Mittelitalien werden wir weiter zurückgedrängt.

1161 Karl Wildner. 1162 Johann Weber. 1163 Leopold Schuster (1906–  ?). 1164 Adolf Hitler.

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24. 5. 1944  : Alarm. Es scheint wieder an der Südseite der Stadt bös zugegangen zu sein. Angeblich waren die Flieger auch über dem Kern von Wien. 25. 5. 1944  : An der Küste vor Rom weiterer Rückzug. Jetzt müssen die faschistischen Siedlungen in den früheren Pontinischen Sümpfen daran glauben. 26. 5. 1944  : Engländer und Amerikaner nähern sich den albanischen Bergen und an der Küste sind sie auch schon nahe bei Rom. 29. 5. 1944  : Alarmangriff auf Wr. Neustadt vom Süden her. Es wurde aber gesagt, daß auch die Südgegend der Stadt Wien angegriffen wurde und die deutschen Flieger in Berührung mit den feindlichen sind. Dann wurde aber gemeldet, daß die zwei Geschwader abgeflogen seien, und sogar Vorentwarnung gegeben. Die Leute gingen schon auf den Straßen, als auf einmal der Fliegerturm auf der Landstraße zu schießen begann und ein Riesenlärm losging. Ich sah selbst die Flugzeuge über uns. Dann kam noch ein Angriff und da erst das Alarmsignal. Es stellte sich heraus, daß die zweite Welle von Norden gekommen war, angeblich von Linz, Steyr, St. Pölten. Ich fuhr nach dem Essen zur Spinnerin am Kreuz und schaute mir die Brände in Atzgersdorf von weitem an, auch Mauer soll einige Bomben abbekommen haben. 30. 5. 1944  : Wieder Alarm, nachdem wir schon in der Nacht alarmiert worden waren. Das kann gut werden. 1. 6. 1944  : Der Munitionszug, der in der Station Atzgersdorf beim letzten Angriff in die Luft gegangen war, scheint doch großen Schaden angerichtet zu haben. Die Wasserleitung scheint auch in Unordnung zu sein. Das Wasser ist jetzt manchmal trüb. Von heute ab ist nur beschränkte Wasserzuleitung. 2. 6. 1944  : Vom Dichter Waggerl ist heute das Gedicht »Der Löwenzahn« im »Neuen Wiener Tagblatt« abgedruckt. So etwas wird gedichtet und gedruckt. – Dieselbe Zeitung bringt ein Telegramm aus Paris, wonach de Gaulle, der in Malta wartet, um nach London gelassen zu werden, zu seinem Stellvertreter den ehem. Landwirtschaftsminister Queuille bestimmt hat, einen Mann, der so unbedeutend ist, daß er vor dem

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Krieg sogar eine Zeitlang als Nachfolger Lebruns für den Präsidentenposten der 3. Republik ausersehen war. 3. 6. 1944  : In Salzburg soll ein Bunker für 37.000 Menschen errichtet werden. Der ganze Mönchsberg soll untergraben werden. 4. 6. 1944  : [Gespräch mit Karl,1165 der in einer unsicheren Lage, da sein Dienst von der Staatspolizei übernommen wird.] Der ganze Abwehrdienst wird von der Gestapo übernommen. Einzelne Abteilungen haben, um ihre Loyalität zu dokumentieren, sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet, also ein weiterer Schritt zur Aufsaugung des Heeres durch die SS. H.1166 erzählte, bei der kürzlich abgehaltenen Tagung der obersten Gerichtsbeamten habe Himmler in seinem Vortrage u. a. erwähnt, daß mit der Möglichkeit gerechnet werden müßte, daß entsprechend tauglich befundene Männer mehrere Frauen haben könnten, um den durch den Krieg erlittenen Bevölkerungsschwund rassen- und blutmäßig würdig zu ergänzen. Mir kommt vor, daß es schon vor dem jetzigen Krieg eine Vereinigung gegeben hat, die solche Anschauungen bereits praktisch durchführte, und daß Himmler in einer Schrift die gleichen Ideen vertrat. – Rom dürfte heute schon besetzt worden sein, die Situation der deutschen Truppen war im Albanergebirge unhaltbar geworden. Ob der deutsche Generalstab nicht der Entente wegen der Invasion aufgesessen ist, denn es sieht doch so aus, als ob die Invasion im letzten Augenblick vor sich gehen werde, bis man im Osten bis auf das Äußerste zurückgedrängt sein werde. Ich fürchte, Österreich wird noch einmal Kriegsgebiet werden. 6. 6. 1944  : Die Invasion hat begonnen. Sie sind doch anscheinend in ansehnlichen Mengen an Land gekommen, sowohl in der Luft wie zur See. – Begräbnis des Vizedirektors des Staatsarchivs Dr. Lothar Gross. Das erstemal ein gottgläubiges Begräbnis mitgemacht. Die Grabreden entbehrten jeder innerlichen Wärme, beinahe möchte ich sagen abgeleierte Vorträge. Das rein Menschliche trat nicht hervor, nicht einmal bei der Verabschiedung von der Mutter. 7. 6. 1944  : Wir sagen, daß wir durch den Angriff nicht überrascht worden seien. Tatsächlich halten aber die Angelsachsen durch Brückenköpfe ein über 60 km breites Gebiet, wie 1165 Karl Wildner. 1166 Hans Wildner junior.

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wir es selber zugeben. In Mittelitalien wird man sehr stark zurückgetrieben. – Besuch beim alten Peter,1167 der eigentlich gänzlich erblindet ist. Er wich meiner Frage, warum nicht vom Paravent des Genfer Protokolles 1922 Gebrauch gemacht würde und warum es nicht zur Neutralerklärung von Österreich gekommen ist, einfach aus. Bezüglich des Anschlusses behauptete er, er habe sich seinerzeit dahin geäußert, der Anschluß habe gefährliche Seiten, jedenfalls würde Wiens Bedeutung sinken, es würde zu einer Grenzstadt werden. Seit der Ernennung Guido Schmidts habe er keinen verläßlichen Einblick in die Akten, Berichte und schon gar nicht in die Verhandlungen und Besprechungen des Staatssekretärs und des Kanzlers1168 gehabt. Hornbostel habe während seines Sommerurlaubes sich via facti der politischen Geschäfte bemächtigt und ihm sodann vieles vorenthalten. Er sei mit Berichten und Denkschriften, ihn umgehend, direkt zum Staatssekretär und zum Kanzler gegangen. Außerdem habe er sich in eine Kontrolle der staatspolizeilichen Angelegenheiten eingelassen. Als Hornbostel einmal abwesend war, sei er, Peter, von der Staatspolizei angerufen worden und die habe ihm irgendeine Haftgeschichte mitgeteilt und um Weisung für das weitere Vorgehen ersucht, worauf er, Peter, gesagt habe  : »Pardon, das hat doch die Staatspolizei selber zu entscheiden«, worauf die Rückäußerung kam  : »Nein, das hat sich Gesandter Hornbostel vorbehalten.« Nach dem Umbruch sei er, Peter, einmal in die Gestapo zitiert worden und da habe man ihm einen Bericht des Gesandten Baar aus Pest gezeigt, in dem dieser irgend etwas, woran sich Peter nicht mehr erinnerte, mit dem Bemerken gemeldet habe, daß er aus geheimer gewisser Quelle erfahren habe, und der Gestapobeamte habe jetzt wissen wollen, wer die geheime Seite gewesen sei. Peter mußte sagen, daß er diesen Bericht zum ersten Mal sehe und ihn überhaupt nicht gelesen habe und die Quelle nicht kenne, worauf der Beamte sagte  : »Aber der Bericht ist doch an Ihre Adresse als Generalsekretär gerichtet« und Peter mußte sagen  : »Ja, das ist öfter vorgekommen, daß die politischen Berichte, die an mich nach der Vorschrift gerichtet waren, mir in der letzten Zeit überhaupt nicht zur Kenntnis gelangten, sondern vom Referenten aus dem Einlauf herausgenommen und von ihm selbständig behandelt wurden, in diesem Falle von Hornbostel  !« 8. 6. 1944  : Die Invasionskämpfe sind erst im Anfangsstadium, es sieht aber nicht danach aus, daß wir wirklich die Oberhand haben und der Gegner ist offensichtlich in der Luft viel stärker. In Italien erweist sich deutlich die Schwäche der deutschen Armee.

1167 Franz Josef Peter (1866–1957). 1168 Kurt Schuschnigg (1897–1977).

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11. 6. 1944  : Ging durch den Prater, wo internationale Gestalten, russisches und östliches Publikum, überwiegen. Die östlichen Mädeln und Frauen sind bestrebt, sich besser, und zwar nach hiesigem Muster, anzuziehen, das ist eine viel wirksamere Propaganda für uns als die ganze Presse- und Radiowerbung. Sie werden auch hier besser und geschmackvoller sich versorgen können, schon durch das Anschauen der hiesigen Muster, als irgendwo im Reich. Eine Menge von in Polizeiuniform gesteckte östliche Burschen, dazu die Turkestaner, sogar Frauen in Uniform. 13. 6. 1944  : Zeitung und Propaganda bemühen sich, uns zu beweisen, daß der Westwall doch eine Rolle spielt und daß der Feind doch sehr zu Schaden gekommen ist. An Private darf kein Kühleis mehr geliefert werden, angeblich fehlt es an Leuten für die Erzeugung. Das Telephon war in unserem Bezirk gegen Abend eingestellt. Englische oder amerikanische Flieger sind heute vormittag in Innsbruck und in Tirol überhaupt gewesen. In der karelischen Landenge kommen die Russen anscheinend tüchtig vorwärts. 16. 6. 1944  : Fliegeralarm, sehr ernst, Riesenkrach, der Flakturm machte sich sehr bemerkbar, deutlich das Zischen der Geschoße zu hören gewesen. Mehrere hundert Amerikaner waren über uns, sie ließen die Stadt selbst in Ruhe und hielten sich an den Winterhafen, die Lobau und die Donau überhaupt, sowie Schwechat, ferner Floridsdorf, Jedlesee, Stadlau. Nach der Entwarnung schaute ich mir vom Dach die Brände in den genannten Orten an. Die Flammen hoch in den Himmel unter riesiger Rauchentwicklung. Am Abend war ich in Floridsdorf, wo sehr viel Schäden, einige auch in der Brigittenau. Licht-, Gas- und Wasserwerke sind unterbrochen. Die Vacuum-Ölraffinerie brannte noch fest um 7 Uhr, ebenso der Winterhafen. Auch die Gartenstadt und die Bruckhafensiedlung haben mehrere Treffer bekommen, viele Tote. Die neue Waffe wurde gestern zum ersten Mal angewendet. 17. 6. 1944  : Die deutsche Propaganda schrotet die Tatsache der Anwendung der neuen Waffe aus, die andern wieder möchten sie bagatellisieren. 18. 6. 1944  : Die neue Waffe, die seit 2 Tagen angewendet wird, ist zum Rätselraten geworden. Wie und ob sie wirklich vernichtend arbeitet, weiß man nicht. Dabei soll dies erst der Anfang sein und andere Überraschungen angeblich bevorstehen. – Das heutige »Neue Wiener Tagblatt« bringt an erster Stelle  : Nordabmarsch in höchster Dis-

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ziplin, falsche Feindthesen über die Absatzbewegung in Italien. Die andern scheinen also ganz alarmierende Nachrichten über die Bewegung der deutschen Truppen zu bringen. – Gestern dem Kardinal1169 begegnet, der mich aufforderte, ihn zu besuchen. Man kann ihn niemals zuerst grüßen. Traf nachher den früheren Minister Heinl, der sich jetzt für seine Zukunft Hoffnungen macht. 20. 6. 1944  : Gespräch mit Eckhardt, der erzählt, Baron Egon Berger, der letzte österreichische Gesandte in Rom, der sich bisher im Vatikan versteckt und Schutz gesucht hatte, sei nach der Einnahme von Rom auf die frühere Gesandtschaft gegangen und hätte die österreichische Fahne aufgezogen sowie die Gesandtschaft als solche wieder eröffnet. Dies unter beifälliger Duldung der militärischen Besatzung. Eckhardt glaubt an baldiges Ende und nicht an die Wirkung der neuen Waffe. 21. 6. 1944  : Die Berger-Waldenegg-Geschichte ist schon gegenstandslos. Eden wurde im Unterhaus über die Sache gefragt und antwortete, daß das Vorgehen Bergers von der englischen Regierung nicht gebilligt werde und daß Auftrag gegeben worden sei, es abzustellen. Der Kommentator fügte hinzu, daß es einem einzelnen nicht erlaubt werden könne, in der österreichischen Sache selbständig vorzugehen, die endgültige Schlußfassung werde erst getroffen werden, wenn das österreichische Volk bei der Abstimmung sich ausgesprochen haben werde. Hiezu hörte ich heute von Kleinwächter, daß Berger-Waldenegg angeblich schon vor mehreren Jahren italienischer Staatsangehöriger geworden sei und daß man deutscherseits ihm die Überweisung des Erlöses aus dem Verkauf seines steirischen Gutes nach Italien bewilligt habe. Kleinwächter erzählte noch, daß er kürzlich in Eisenkappel war, dessen Ortseingang regelrecht mit Maschinengewehreinbauten gegen Bandeneinfälle befestigt sei. Der do. Polizeimeister1170 erzählte ihm, daß die Partisanen der Gegend von dem Sohn des reichsten Bauern1171 in dem Ort geführt werden, welcher Sohn, von der Ostfront auf Urlaub zurückgekommen, den Wohnsitz seiner Eltern von einem Altreichler besetzt fand, während die letzteren selbst irgendwo andershin ausgesiedelt worden waren. Daraufhin hat sich der Junge zu den Banden geschlagen. Der Polizeimeister selbst, der militärisch angezogen ist und aus der Umgebung stammt, besitzt ein kleines Anwesen in der Umgebung, wo seine Frau mit Sohn und seine in Klagenfurt ausgebombte Schwiegermutter mit der Tochter wohnten. Kürzlich kam eine Bande in das Anwesen, ließ die Ausgebombten ihre Habseligkeiten ausscheiden, bemäch1169 Theodor Innitzer (1875–1955). 1170 Nicht zu eruieren. 1171 Nicht zu eruieren.

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tigte sich der wegtragfähigen Sachen, Kleider, Wäsche des Polizeimeisters, zerhaute sein sonstiges Hab und Gut und ließ die anderen unbehelligt. An einer Rotkreuzsammlung in einem weiter entfernten Dorf beteiligten sich auch hinzugekommene Banden mit je 10 Mark, trugen sich als Bandenmitglieder in die Sammelbögen ein, weil das Rote Kreuz international sei. 22. 6. 1944  : Der Mihailović soll angeblich mit den Deutschen verbandelt gewesen sein, deswegen wurde er ausgeschieden. 23. 6. 1944  : In der Gutenstein- und in der Triestinggegend werden fortwährend Fallschirmagenten abgesetzt, gewöhnlich 10 Mann, wovon 5 durchschnittlich erwischt werden. Immer werden die Züge auf solche Spione, die meistens in die ausländischen Arbeiter untertauchen, untersucht. – Dobretsberger soll in Kairo eine österreichische Emigrantenregierung gebildet haben. Soweit ich ihn hier beobachten konnte, macht er nicht einen sympathischen Eindruck. 25. 6. 1944  : Cherbourg dürfte wohl in dieser Stunde eingenommen sein, eine rechte Blamage für die deutsche Führung. Die Leute sprechen immer despektierlicher von der neuen Waffe. Bei Witebsk scheint den Russen ein sehr großer Durchbruch gelungen zu sein. So muß wieder dort zu stopfen getrachtet werden. Das Gesetz des Handelns ist längst genommen, auf das man sich so viel eingebildet hatte. Im Prater Spaziergang, viele Ukrainer, Russen, Griechen und Südslaven, viele Militär- und Polizeisoldaten, die meisten scheinen kein Wort Deutsch zu sprechen, wenigstens versteht man sie nicht. 26. 6. 1944  : In der Nacht Fliegeralarm, der bald zurückgezogen wurde, dafür wieder am Vormittag, der sehr ernst und dem Raum galt, der am vorletzten Freitag beworfen wurde, also vornehmlich Floridsdorf. Angeblich über 600 Flugzeuge. Am Abend in Floridsdorf gewesen und die neuen Verwüstungen mit den alten angeschaut. Diesmal scheint es doch ärger gewesen zu sein, die Leute gefaßt, aber in verbissener Stimmung. 27. 6. 1944  : Unterhaltung mit Bischoff, der mir seine Ansicht über Rußland entwickelte  : die Russen hätten es nicht nötig, jetzt auf besonders große Ziele in Europa zuzusteuern, da sie in 50 Jahren, wenn sie in Ruhe gelassen werden, ohnedies dreimal stärker sein

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werden. Europa sei auch für sie nicht besonders interessant, weil da nichts mehr zu holen sei. Sie hätten auch aus demselben Grund keinen Krieg begonnen. Ihre ganze Politik sei auf Frieden gerichtet gewesen und eigentlich hätten sie überall mitgetan, mit dem Völkerbund, mit den Nationalsozialisten, mit den Amerikanern usw. Ich  : und vor allem auch mit den Japanern, denen gegenüber sie immer wirklichen Konflikten vorzubeugen trachteten. Bischoff wollte immer wieder approfondieren,1172 wer im kleinen Österreich Politik mache, wer seien die Christlichsozialen und Sozis, die offenbar hinter dem Vorhang weiterarbeiteten. Mich auf eine Antwort nicht eingelassen. 28. 6. 1944  : Der russische Durchbruch scheint eine ganz bedeutende Niederlage für uns zu sein. 5 Divisionen zerschlagen, 10.000 Gefangene. Und noch ärger ist es in der Normandie, wo sich der Kommandant von Schlieben mit seinem Stab ergeben hat, nachdem er seine Leute tags vorher aufgefordert hatte, bis zum letzten Mann und Hauch zu kämpfen. Ich glaube, deutscherseits werden auch die Verluste übertrieben, die die Engländer und Amerikaner haben. Der gestrige Radiovortrag des General Dittmar gefiel mir gar nicht. Überhaupt spricht die Propaganda nicht mehr von Sieg, sondern von Aushalten von Sich-Bewähren des Geistes. Haben den am Ende die andern nicht  ? 29. 6. 1944  : Traf Sekt. Chef Weinczierl und Min. Rat Troll,1173 die beide vom Tode Horickys erzählten. Letzterer schildert ihn als einen recht unbedeutenden Menschen, dessen Vorzug es war, daß er nicht absichtlich jemandem Schaden zufügte, sondern zu helfen bereit war. – Die Kämpfe an der Ostfront gestalten sich katastrophal, sogar Mogilew und Bobruisk sind genommen worden. Abermals 10 Divisionen zerschlagen. Generaloberst Dietl soll tödlich verunglückt sein. Mir war diese Figur niemals sympathisch und ich glaube auch nicht, daß er ein wirklich tüchtiger General war. – Baron Kirigin-Mardegani hat vom italienischen Generalkonsul1174 gehört, daß Franckenstein angeblich in Rom eingetroffen sei und auch an einer Regierungsbildung arbeite. Keiner der italienischen Regierungsbeamten habe den Eid auf die republikanisch-faschistische Regierung abgelegt. Aus der Adriazeitung entnommen, daß gegen Grandi eine Untersuchung eingeleitet wurde wegen Beteiligung an dem Marsch auf Rom und Ermordung des Matteotti.

1172 Approfondieren – vertiefen. 1173 Wolfgang Troll. 1174 Nicht zu eruieren.

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30. 6. 1944  : In der Nacht Alarm, eigentlich nur Warnung, aber es ging sofort ein wirres Schießen los. Schaurig schöner Anblick gegen den westlichen Nachthimmel mit den Scheinwerferlichtern unter zerspringenden Granaten. Am Vormittag ein zweites Mal. In der Nacht war offenbar die Westbahnlinie drangekommen, am Vormittag Preßburg, aber sie waren auch über der Stadt. Zu Mittag ein zweites Mal Alarm, da waren sie hinter dem Kahlenberg, Sophienalpe, offenbar auf dem Tullnerfeld, Moosbierbaum. 2. 7. 1944  : Die Russen sind schon über Minsk hinaus und stehen nördlich schon bei Molodetschno. In der Stadt Gerüchte, daß ganze Armeestäbe gefangen genommen wurden mit den Truppen von Armeen. Ferner Gerüchte über das Verhalten von Göring, der angeblich nicht ausgeht. 5. 7. 1944  : Die Russen haben mit ihren Panzergeschützen schon die Gegend von Wilna erreicht und sind vor Baranowitschi. Deutscherseits ist Kowel geräumt, das Generalleutnant Dittmar im April als den wichtigsten Eckpfeiler unserer russischen Stellung bezeichnet hatte. Es wurde geräumt, um die Front zu verkürzen, wie ein Vertreter des Oberkommandos in Berlin sagte, um eine Reservearmee aufstellen zu können. Damit wird der Weg auf Warschau und Lemberg frei. – Die Nachricht, daß zahlreiche Personen in Floridsdorf nach den Luftangriffen verhaftet worden sind, weil sie defaitistische Reden geführt hätten, wurde mir heute bestätigt. Es soll sich um viele Hundert handeln. Leutnant H.,1175 der an der Universität studiert, kam aufgeregt zu mir mit der Nachricht, daß in der Universität eine Versammlung der Dozentenschaft wegen der eingetretenen Wendung hätte stattfinden sollen. Sie sei aber plötzlich abgesagt worden und der Dekan, SA-Mann und Professor für Bürgerliches Recht, Swoboda, habe seine Vorlesung verspätet mit allen Zeichen großer Aufregung begonnen, sich fortwährend verhaspelnd, nicht weitersprechen können und die Vorlesung mit der Bemerkung aufgehoben, daß er nach Berlin fahren müsse. – An der Ostfront ein Corpskommandantgeneral1176 in die Hände der Russen geraten, nachdem gestern gemeldet worden war, daß 3 Generäle gefallen1177 seien. 6. 7. 1944  : Bei Sektionschef Rappaport, um mich wieder einmal über Albanien belehren zu lassen. Was er alles weiß und wie das eigentlich brachliegt. Er meint, die Räumung von 1175 Hans Wildner junior. 1176 Paul Völckers (1891–1946). 1177 Georg Pfeiffer (1890–1944)  ; Robert Martinek (1889–1944)  ; Otto Schünemann (1891–1944).

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Kowel hänge mit dem Streben zusammen, die Russen von den Stößen auf Ostpreußen abzulenken. 7. 7. 1944  : Alarm in der Nacht, dann am Morgen und gegen Mittag. Es handelte sich um ziehende Geschwader, die Wien in Ruhe ließen. Sie waren in der Nacht in Oberösterreich und am Tag in Schlesien. Die Entlassung von Rundstedt hat gewiß tiefere sachliche Bedeutung. Die deutsche Zivilverwaltung von Frankreich wurde nach Nancy verlegt. 8. 7. 1944  : Am Vormittag Fliegerangriff auf die Shell in Floridsdorf und zwei kleinere Raffinerien in Siebenhirten und Korneuburg, alle drei gelungen. Dazu mehrere weitere Beschädigungen. Ich war am Abend in Leopoldau und Floridsdorf. Offen sagten die Leute  : »Schade, daß die Fabrik noch nicht zur Gänze weg ist, so werden wir immer noch keine Ruh’ haben.« Auch das Siemenskabelwerk ziemlich ruiniert. Überhaupt die Brünnerstraße wieder stark hergenommen. – Wenn ich zurückdenke, sind die Generäle, die seinerzeit nach dem polnischen und russischen Feldzuge im Reichstag befördert wurden, eigentlich beinahe alle erledigt, und zwar infolge von Differenzen mit Hitler selbst, so Brauchitsch, Halder, Bock, Leeb, Reichenau gestorben, Küchler, jetzt auch Rundstedt. Rendulic an Stelle von Dietl gekommen. Auch er wird ein Schicksal für die österreichische Division sein. – Gestern wird der Verlust von Bara­ nowitschi, heute der von Lida zugegeben. Wilna ist zerniert. Unter den Generälen geht das Sterben und Gefangen-genommen-Werden weiter. In kaum einem Monat sind es über 30 im Rang von mindestens Divisionskommandanten gewesen. Caen scheint übrigens auch schon von den Angelsachsen genommen worden zu sein. In Cherbourg sollen 45.000 Mann gefangen genommen worden sein mit dem Kommandanten der Festung1178 und dem Konteradmiral.1179 Der gestrige Heeresbericht gibt zu, daß an der Ostfront auch die deutschen personellen und materiellen Verluste sehr groß sind. Dabei steht ein neuer russischer Angriff im Nordabschnitt und im südlichen erst bevor. 10. 7. 1944  : An der Ostfront stürmen die Russen weiter. Ostpreußen ist unmittelbar bedroht. – Die V 1 Waffe scheint den Engländern doch viel zu schaffen zu geben, hindert sie aber nicht an der systematischen zähen Fortsetzung der Invasion.

1178 Karl-Wilhelm von Schlieben (1894–1964). 1179 Walter Hennecke (1897–1984).

11. 7. 1944

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11. 7. 1944  : Man versucht, die Russen zu stoppen. Es scheint aber doch ein großer Durchbruch zu sein. Viele deutsche Abteilungen konnten sich nicht mehr von Minsk durchschlagen und mußten sich ergeben, angeblich sind 18 deutsche Generäle gefangen oder getötet, die gleiche Zahl angeblich an den zwei anderen Fronten seit einem Monat. Die Eroberung von Polen durch Rußland ist auch deswegen für die deutschen Armeen bedenklich, weil dort große Munitionsfabriken sind, die dann nicht mehr arbeiten können. General Dittmar hat heute sehr pessimistisch gesprochen. Die russische Geschichte sei sehr ernst. 16. 7. 1944  : Sonntag. Um ¼ 10 Luftgefahr, dann bald Alarm. Es waren sehr viele Flugzeuge über Wien, diesmal kam auch unser Bezirk dran. Bereitschaft bis 5 Uhr. Die Gegend beim Schlachthaus, Rennwegkaserne wurde angegriffen, über 20 Schadenpunkte, auch die Reichsbrücke wurde beworfen, aber nur der jenseitige Brückenkopf, ein Teil des Trottoir und das Gasthaus »Zum Mondschein« wurden erwischt. Die eiserne Kon­ struktion blieb intakt. Dann scheint man es auf die Bahnhöfe Franz Josef und Nordwestbahn abgesehen gehabt zu haben, sie wurden aber nicht getroffen, ferner Döbling mehrere Bombenabwürfe, die große Tramwayremise zerstört und anscheinend vieles in Simmering, auch Rodaun kam dran. Mit schweren Kampfmitteln scheint man noch nicht gearbeitet zu haben. 17. 7. 1944  : Die Schäden im 3. Bezirk besichtigt, in der Hauptsache, wenn nicht ausschließlich nur Brandstabbomben, die mit Ausnahme von 4 Häusern keinen großen Schaden angerichtet haben. Beinahe kommt mir vor, daß man die Marxer Brauerei einkasteln wollte, um dann schwere Schläge gegen die Kellereien zu führen. Den Kellereien galten auch die Angriffe in Döbling und Heiligenstadt. 18. 7. 1944  : In Döbling wurde das Teppichdepot von Zacherl getroffen, angeblich hatte man es auf den in der Nähe wohnenden Schirach abgesehen. Schirach soll bei der Trauerfeier in Atzgersdorf mit Steinen beworfen worden sein. In Floridsdorf gab es Sprechchöre  : »Wir danken unserem Führer.« – Gespräch mit Min. Rat A.,1180 hat die DietlGeschichte von Polizeiseite ebenfalls gehört, dazu, daß vor 3 Wochen Hitler hier gewesen sei, General Schubert habe ihn äußerlich und in seiner ganzen Haltung sehr verändert und geschwächt gefunden. Er habe plötzlich das Imperial verlassen, weil man angeblich einen Zeitzünderapparat gefunden hatte. In der Nacht wurden die 1180 Nicht zu eruieren.

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Autos von Polizei angehalten und durchsucht. – Als neues Kampfmittel wird heute das Ein-Mann-Torpedo bekanntgegeben. 19. 7. 1944  : In der Gegend der Heiligenstädterstraße schwere Treffer auf Weinkellereien, Eisen­ bahngeleise, Stadtbahnlinie. In der Gegend von Weidling a. Bach sind allein 300 Bomben in das Tal gefallen. Lemberg scheint noch in unserem Besitz zu sein. Die Russen haben angeblich die in der Juli-Offensive gefangenen deutschen Soldaten, gegen 50.000, unter Vorantritt der Generäle und Offiziere durch die Stadt Moskau marschieren lassen. Das ist einem deutschen preußischen Heer noch nicht passiert. Im übrigen allenthalben Zurückweichen, also Besiegt-Werden. [20. 7. 1944  :]1181 Attentat mit Sprengstoff auf Hitler und seine militärische Umgebung. Er erlitt angeblich nur leichte Brandwunden und setzt seine Beschäftigung fort. Nahm übrigens gleich darauf den Besuch des Duce1182 entgegen. Eine Anzahl von Generalstabsoffizieren schwer oder leicht verwundet. Wie es geschehen ist, wird nicht gesagt. Das Geschehnis wird als ein Werk der Feinde bezeichnet. Immerhin sonderbar, daß so etwas in dem durch die militärische Bedeckung und die SS-Bewachung geschützten Hauptquartier passieren konnte. Es wird einen recht üblen Eindruck machen, Zivilpersonen waren nicht dabei. Heute nacht hörte ich – ebenso wie andere Leute im Haus – Detonationen, die auf Explosionen hindeuteten. Ich sah sogar einen gelben, blätterartigen Feuerschein. – Das Imperialhotel ist heute wegen eines Staatsbesuches gewöhnlichen Sterblichen verschlossen gewesen. Sprach darüber mit einem zur SS gezogenen Polizeimann, der sich ziemlich gleichmütig äußerte, und, als ich von den mitverwundeten Generälen sprach, meinte er  : »So viele Generäle sind im ersten Weltkrieg nicht gefangen genommen worden wie jetzt in Rußland.« Major K.1183 erzählte übrigens, die Gefangennahme der Generäle sei gelegentlich einer Besprechung in einem Stabsquartier erfolgt, das durch russische Fallschirmjäger überrascht worden sei. – Auf der ganzen deutschen Front werden die deutschen Armeen weitergetrieben und immer wieder umgangen, eingekesselt und können sich nur Bruchteile retten. – 39.000 Stabbrandbomben wurden am letzten Sonntag über Wien abgeworfen und über 500 Kanisterbomben.

1181 Im Typoskript kein Datumsvermerk. 1182 Benito Mussolini. 1183 Karl Wildner.

21. 7. 1944

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21. 7. 1944  : Heute wird schon anders gesprochen. Das Komplott sei von einer verräterischen Generalclique ausgegangen. Göring spricht in dem Aufruf an die Luftwaffe von einem »unvorstellbaren gemeinen Mordanschlag, der von einem Obersten Grafen Stauffenberg im Auftrag einer erbärmlichen Clique von ehem. Generälen, die wegen ihrer ebenso feigen wie schlechten Führung davongejagt werden mußten, durchgeführt worden sei. Die Verräter versuchten, als Usurpatoren, durch falsche Befehle Verwirrung in die Truppen zu bringen.« Diese Bemerkung und die Worte des Kommuniqués, daß die Verschwörung niedergeschlagen worden sei, die Rädelsführer hätten sich teils selbst entleibt, teils seien sie durch Bataillone der Wehrmacht fusilliert worden und es hätten sich keine Zwischenfälle ereignet, sind doch ziemlich widerspruchsvoll, so daß jeder der Ansicht ist, daß es sich doch um eine große Geschichte handeln müsse. – Alarm die ganze Nacht bis 2 Uhr. Es waren durchfliegende und beobachtende Flugzeuge. Das Gros scheint in Böhmen und Mähren gewesen zu sein. 22. 7. 1944  : Die angreifenden Flugzeuge sind in Pardubitz und Kolin gewesen, um die dortigen Raffinerien anzugreifen. Wahrscheinlich haben sie auch Fallschirmjäger herabgelassen. – Major K.1184 und Leutnant L.1185 bei mir, sehr erregt über die Putschgeschichte. Angeblich soll der frühere Generalstabschef Beck1186 der Leiter gewesen sein. 24. 7. 1944  : Für die ganze Wehrmacht ist der deutsche Gruß eingeführt. Das Preußentum bringt sich selber um. Immer noch Mutmaßungen über die Putschgeschichte, Rolle Görings, wer die anderen Generäle, Papen. Was mit den Beziehungen zum feindlichen Ausland  ? Erzählungen H.’s1187  : Die Slovaken sind schon lange Zeit auf der Suche, wie sie wieder eine Verbindung zu den Tschechen bekommen könnten. Die Tschechen1188 selbst haben keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie sich auf einen Kampf auf Tod und Leben mit den Sowjetleuten keinesfalls einlassen können und werden. Dr. Polja, der in Preßburg die wirtschaftspolitischen Belange verwaltet, hofft, in einer Emigrantenregierung in Deutschland Aufenthalt zu finden. Seinen Sohn1189 hat er bereits in der Schweiz untergebracht. In Kroatien gehen die Dinge ganz und gar

1184 Karl Wildner. 1185 Hans Wildner junior. Aus den Gabelsberger-Aufzeichnungen geht hervor, dass Karl und Hans Wildner bei ihm waren. Leutnant L. ist ein Tippfehler. 1186 Ludwig Beck (1880–1944). 1187 Hans Wildner junior. 1188 Im Typoskript ist »Tschechen« durchgestrichen. 1189 Nicht zu eruieren.

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Heinrich WildnerTagebücher 1938–1944

nicht. Der Poglavnik1190 ist der Aufgabe nicht gewachsen, man kann aber einen anderen Mann nicht finden, weil sich niemand von den Leuten, die noch zu Deutschland halten – und das sind keine 30 % –, zu so etwas getrauen würde. Die von der Propaganda so laut gerühmte Reinigungsaktion hat ganz ephemeren Charakter. Kaum sind die Säuberungsabteilungen aus dem betreffenden Tale heraus, so fängt die Geschichte von vorne an. Noch viel schlechter steht es in Serbien, wo die ganze Bevölkerung zur Aktion gegen Deutschland bereit ist und wartet. Ähnliche Verhältnisse in Griechenland. In Ungarn war mehr oder weniger alles gegen die SS und gegen Deutschland überhaupt empört, als das Land besetzt worden war. Diese Empörung hat sich jetzt infolge der Angst vor den Russen gelegt. Die besseren Stände zittern vor dem Ruin ihrer bisherigen Existenz. Wirtschaftlich, vor allem landwirtschaftlich, wird auch jetzt nicht viel aus dem Land herauszuholen sein. Der Bauer wird so viel als möglich alles selbst aufessen, was ihm nicht die SS mit Gewalt oder durch Schiebung wegnimmt. Die Behandlung der Juden ist sehr ungeschickt. Ein großer Teil soll nach Niederösterreich in die Wachau gekommen sein und dort mit Entwässerungsarbeiten beschäftigt werden. Die Aufsichtsleute sollen sehr brutal sein, mit der Peitsche gegen die Leute vorgehen. Als Clodius in Begleitung von LR Hudeczek im Flugzeug nach Ungarn gekommen war, in der Absicht, einen modus vivendi zu finden, war man durch die bisherige Berichterstattung von der Voraussetzung ausgegangen, daß Imrédy oder ein anderer sofort die Regierung übernehmen würde. Das war aber nicht der Fall, sondern Imrédy zog sich, vielleicht entsetzt durch das deutsche Vorgehen, immer mehr zurück und so kam es zur Bestellung Sztójays, der es, wie er zu H.1191 gesagt hatte, nur mit Widerstreben tat, weil er sich nie mit aktiver Innenpolitik abgegeben habe, kein Redner sei und schon gar nicht das parlamentarische Parteileben kenne. Als Soldat habe er sich natürlich dem Willen des Horthy beugen müssen. Veesenmayer vertrat den Standpunkt, daß man ihn nehmen müsse, man werde in 1–2 Monaten mit ihm das Auslangen finden und inzwischen einen andern, eben Imrédy oder einen anderen, finden. Dem war aber nicht so, da sich niemand in Ungarn für so etwas hergeben will. Und Veesenmayer scheint auch mit seinem Latein bald fertig zu sein. – In Rumänien ist der Killinger nicht imstande gewesen, das richtige Verhältnis zu Antonescu zu finden. Er ist auch selbst nicht der richtige Mann, kann nicht Französisch, während der andere nicht Deutsch kann. Clodius hatte sich das Mandat geben lassen, die Sachen in Ordnung zu bringen, möchte sich von der Handelspolitik, die jetzt wenig ergiebig ist, am liebsten drücken und in die reine Politik abschwimmen. Er wurde aber dieser Tage wieder zurückberufen. Manfred Weiss hat mit der SS ein Abkommen getroffen, ihr die Aktien auf 25 Jahre überlassen und dafür die freie Ausreise im Schlafwagen mit anderen Juden 1190 Ante Pavelić (1889–1959). 1191 Carl Hudeczek.

25. 7. 1944

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bekommen. Veesenmayer hatte nichts davon gewußt. Als er dann auf Einspruch der ungarischen Regierung beim Führer Beschwerde führen und Abhilfe schaffen wollte, wurde er abgewiesen. Es sei von Hitler gutgeheißen worden. In Griechenland und in Serbien erweist sich der so gescheit und überlegen tuende Neubacher als eine Niete. 25. 7. 1944  : Alarm. Die Flieger waren, von Süden kommend, über Neunkirchen bis in den Raum von Wr. Neustadt eingedrungen, haben dann nach Westen eingeschwenkt und waren im Raum von Linz bis Krems. – Hitlers Befehl zum vollen Einsatz aller verfügbaren Kräfte, Goebbels mit der Durchführung betraut. Aus den Verkehrsanstalten ist alles Verfügbare herausgeholt worden. – Stadtgespräch, daß Baldur1192 nach dem Einlangen von der Nachricht des Todes Hitlers, die u. a. auch an den hiesigen Luftgau gelangt war, verschwand und erst nach einigen Stunden wieder zum Vorschein kam. Nach anderem Gerede soll er verhaftet gewesen sein. Heute 25.-Juli-Feier. Die HJ wurde zum Trommeln in den Hängehof beordert und dort photographiert. – An der Ostfront gehen die Durchbrüche weiter. General von Dittmar sagte heute im Radio, die Einbrüche seien auch möglich geworden durch das nicht rechtzeitige Eingreifen seitens der Heimatfront. Jetzt setze man aber schon die vor allem notwendigen motorisierten neuen schnellen Verbände ein. Darüber hinaus müsse man das Wort des neuen Generalstabschefs Guderian, »Das Volk an die Gewehre«, in die Tat umsetzen. – Die Russen stürmen aber weiter vorwärts. Dittmar machte einen Unterschied zwischen den Kämpfen der letzten Tage an der Ostfront und jenen vor einem Monat. Damals habe es sich bei Bobruisk und Minsk um Durchbrüche gehandelt, während es jetzt schon gelungen sei, den Feind durch Gegenstöße aufzuhalten. Darüber, daß an der Ostfront seit dem Juni 24 Generäle sich ergeben haben, wird in den Berichten nichts gesagt. Diese Generäle lassen von sich in einer Weise hören, die merkwürdig ist, indem sie zum Einstellen des Kampfes auffordern, weil er nutzlos sei. 26. 7. 1944  : Die Rede des Goebbels über das Attentat und den totalen Kriegseinsatz angehört. Er hat sich sichtlich angestrengt, möglichst milde und salbungsvoll zu sprechen. Nach seiner Darstellung war die Verschwörung wirklich zu einfach gedacht und durchgeführt. Die Herren haben geglaubt, daß die Dinge von selber gehen würden, offenbar weil sie glaubten, daß das Volk ohnedies ohne Schwierigkeiten dem Regime bisher gefolgt war. Der totale Kriegseinsatz wird natürlich sehr ernsthaft in Angriff genommen werden, aber viel kann dabei nicht mehr herausschauen. Die Hauptsache wird bei der Heranziehung in der Verwaltung, aber auch im Heere selbst zu suchen sein. Da scheint noch große Kräfteverschwendung zu herrschen. Inzwischen stürmen die 1192 Baldur von Schirach.

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Russen weiter vorwärts und man kann ihnen nicht recht standhalten. Das Loch ist zu groß und man scheint noch nicht das Gegenmittel gegen die bisherige Taktik und Strategie, die jetzt die Russen verwenden, herausgefunden zu haben. Übrigens hat sich wieder ein General, ein Armeekommandant,1193 der 25., ergeben, wurde heute von einem Journalisten erzählt. – Alarm  ; wo sie eigentlich waren, weiß ich nicht. In Mauer wurden zwei Flugzeuge abgeschossen. Die Flieger flogen sehr niedrig. 27. 7. 1944  : Luftgefahr. Sie flogen aber nach Budapest, wahrscheinlich wegen der Anlagen in Csepel. Das Bombardement war bis Wien zu hören durch den Ostwind. Gestern waren sie vornehmlich in der Mödlinger Gegend, Wr. Neudorf, Himberg, Laxenburg, auch in Hütteldorf und über dem Halterbach, wo sie aber an Stelle der in der Nähe befindlichen Magazine ein Kinderheim trafen und angeblich 50 Personen töteten. 28. 7. 1944  : Goebbels’ Artikel angehört. Er schwört, daß der Sieg doch Deutschland zukommen werde durch die Technik und durch den Einsatz aller. Dabei gibt der Heeresbericht die Räumung von Lemberg, Bialystok und Dünaburg bekannt, wozu heute noch Přemysl und Jaroslau kamen. Im Westen der Normandie scheint die deutsche Front durchbrochen zu sein. In Italien stehen die Engländer und Amerikaner vor Florenz und die Polen in Senigallia. Die Leuna-Werke dürften heute stark demoliert worden sein. Die Namen der 3 Rädelsführer wurden heute bekanntgegeben  : Olbricht, Beck1194 und Hoepner. In Ottakring wurden auf die Nachricht vom Attentat Fenster mit Bierflaschen zerschlagen. Auffallend viel Polizeiposten auf den Straßen. 29. 7. 1944  : Reither und Seitz sollen verhaftet sein. Am Attentatstag waren von der hiesigen Stadtkommandantur der Scharizer und der Polizeikommandant Gotzmann verhaftet worden. Wie muß sich jetzt jeder fühlen, der an verantwortlicher Stelle ist  ! Was mag erst im Altreich früher verhaftet und was jetzt von der anderen Seite gefangen gesetzt worden sein. – Die Auflösung der Ostfront geht weiter. Die Russen scheinen dicht vor Warschau zu stehen und sich den Weg nach Krakau freigemacht zu haben. Sie gehen offenbar auf Berlin und die Tschechei los. Zwei Tage hindurch behaupteten die Offiziosen, daß die Russen nicht auf Ostpreußen losgingen. Nun haben sie schon Kaunas und Schaulen in Besitz, sowie sie schon im Besitz von Mitau sind. Man ist ihnen nicht nur zahlenmäßig, sondern auch operativ nicht mehr gewachsen. Wien und Österreich werden früher in die Kriegszone fallen als ich es 1193 Nicht zu eruieren. 1194 Ludwig Beck.

30. 7. 1944

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angenommen hatte. – Die Militärrevolte scheint doch viel weiter gegangen zu sein, sie war aber merkwürdig »lahmlackert« angelegt und durchgeführt. Man hat nicht wirklich zugegiffen, sondern sich auf das Befehlen verlassen. Mir scheint, daß Göring vielleicht nicht weit von der Geschichte war. Sein Graf Helldorff ist schon abgesetzt als Berliner Polizeipräsident. Die Heimatfront soll sich wirklich nicht beeilt haben, die Fronturlauber zurückzusenden, sondern sie in Urlaubsregimenter zusammengezogen haben, um den Kampf mit der SS aufzunehmen. Zeitzler scheint auch schwer kompromittiert zu sein. 30. 7. 1944  : Luftgefahr. – Am Abend in der Rochuskirche hielt der Pfarrer nach dem Deutschlandlied eine Ansprache über die Pflicht, der Obrigkeit zu gehorchen, und darüber, wie man froh sein müsse, insbesondere wir Katholiken, daß der Anschlag mißglückte, sodann Tedeum. 31. 7. 1944  : Die Angst vor den Russen wächst in der Stadt. Das Gebiet bis Bielitz wird geräumt. Die Russen stehen anscheinend wieder am Karpathenkamm. Andererseits nähern sie sich gerade rapid in mehreren Gruppen der ostpreußischen Grenze, so daß die militärischen Orakel, die uns vor einigen Tagen in den Zeitungen sagten, daß der Hauptstoß nicht gegen Ostpreußen gerichtet sei, wieder einmal falsch gesprochen haben. – Sah heute in der Schauflergasse, wenige Schritte vor der Reichsstatthalterei, Ballhausplatz, an der Wand des Hauses der Landwirtschaftsgesellschaft einen Galgen aufgezeichnet, an dem das Hakenkreuz hing. Dieselben Zeichen an 4 Stellen in der Johannesgasse. Im Durchgang der Spanischen Reitschule steht seit mehreren Tagen ganz deutlich in großen Buchstaben  : Pifkes hinaus, Nazipreußen hinaus  ! Die Polizei zeigt sich stärker in den Straßen. Mehrere tausend Juden sind in die Leopoldstadt gebracht worden zur Arbeit. Jüdisch Versippte brauchen angeblich den Zionstern nicht mehr zu tragen. 3. 8. 1944  : Kl.1195 erzählt Sensationelles von der Verwirrung im wirtschaftlichen Betrieb. Für Seife gibt es eigentlich kein Kunstfett mehr nach der Zerstörung der Merseburger Werke. – An dem Putsch waren auch SS-Leute beteiligt, so SS-Obergruppenführer Nebe und noch ein anderer.1196

1195 Clemens (Klemens) Wildner. 1196 Rudolf Querner (1893–1945).

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4. 8. 1944  : Die Amerikaner sind seit einigen Tagen in die Bretagne weit vorgebrochen. Deutscherseits wird der rechte Flügel offenbar nur gehalten, um die Räumung von Paris usw. zu ermöglichen. – Daß die Türken zum Abbruch der Beziehungen mit Deutschland gebracht worden sind, kann ich mir hinsichtlich der Rückwirkungen nur damit auslegen, daß seit längerer Zeit bereit gestellte Orienttruppen nunmehr zu Lande und in der Luft gegen Rumänien und vor allem gegen Ungarn eingesetzt werden sollen. An die Russen hat man natürlich auch denken müssen, aber nur ihretwegen wird man sich nicht so viel angestrengt haben. Die heutige Kundmachung über die Ausstoßung einer Reihe von Generalstabsoffizieren dementiert die seinerzeit amtliche Mitteilung, daß es sich nur um einen kleinen Klüngel gehandelt habe. 6. 8. 1944  : Der Kommentar zum gestrigen Heeresbericht spricht von Zwangsoffensive im Westen, Vorstoß in die Bretagne zur Gewinnung von Raumentfaltung. Diese Goebbelsleute sind schon ganz verblödet. Wer das heute gelesen hat, ist empört über die an den Intellekt der Leser gestellte Zumutung. Tatsächlich scheinen die Amerikaner nicht nur schon bis zur Küste der Bretagne vorgestoßen zu sein und nicht mehr weit von Brest sich zu befinden, sondern gegen Paris eingeschwenkt zu sein. Im Osten haben sich die Russen Krakau genähert, wo mit aller Macht eine Abwehr und Gegenwehr ins Werk gesetzt worden zu sein scheint. Auch in den Waldkarpathen und deren Vorgebiet scheinen die Russen stärker vorwärts gekommen zu sein. – Ein weiterer SS-Führer wegen Beteiligung an der Revolte gesucht. Der zu Gunsten des verhafteten Generalstabsoberst Hansen von der Abwehrabteilung von einer SS-Abteilung unternommene Befreiungsversuch ist nicht geglückt. Die Teilnehmer am Versuch konnten entkommen. Es soll eine SS-(?) SA-Abteilung gewesen sein, die mit Hansen zusammengearbeitet hatte. Immer wieder hört man, daß die Verhaftungen noch nicht abgeschlossen seien und mit neuen Festnahmen zu rechnen sei. Der hier angehaltene Generalstabsoberst Maronja1197 hätte Stadtkommandant werden sollen. Der verhaftet gewesene General Sinzinger, Träger des Goldenen Parteiabzeichens, der den Gotzmann und Scharizer verhaftet hatte und frei gelassen wurde, ist wieder in Haft genommen worden. 8. 8. 1944  : In der Nacht Alarm. Nichts. – Vorgestern sprach ein SS-Führer im Radio an die Jugend  : »Wir wurden von den neiderfüllten Feinden mit erbarmungslosem Kriege überfallen.« Diese freche Lüge darf einer unangefochten sagen. Weiters rief er ganz Deutschland zum Kampf für die endgültige Freiheit. Mit dem Anspruch auf Weltgeltung stünden wir im Weltprozeß. Wenn der Sieg komme, werden wir in den Rui1197 Nicht zu eruieren  ; Schreibweise ungeklärt.

9. 8. 1944

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nen unserer Heimat Umschau halten. Wenn Er1198 den feldgrauen Rock ausziehen wird, wird er, wozu ihn Gott berufen, Baumeister des Reiches sein. Sehr schlecht vorgetragen, ein SS-Gruppenführer namens Johst.1199 9. 8. 1944  : Der Hochverratsprozeß läßt die beteiligten Generäle und Offiziere nichts weniger als in einer besonderen Glorie erscheinen. Neu ist mir, daß der Generaloberst Fromm in noch nicht geklärtem Zusammenhang den Beck1200 erschossen hat. Auch mit dem innerlichen Zusammengehörigkeitsgefühl der Militärkaste scheint es nicht weit her zu sein. 11. 8. 1944  : Die Amerikaner sind schon ins Innere Frankreichs vorgedrungen, also immer wieder dieselbe Taktik, mit der die Deutschen ihre Siege in Polen, Frankreich und Rußland errungen hatten. Außerdem haben sie die Überlegenheit an Material und Menschen. 12. 8. 1944  : Die Angststimmung wächst, äußert sich auch in Äußerungen auf der Straße. 13. 8. 1944  : Dr. M.1201 erzählt, daß im Dianabad der Betriebsführer1202 anhand eines Blattes einen Vortrag über die Lage gehalten habe mit dem Hinweis, daß V 3 die dreifache Wirkung von V 1 habe. V 2 sei ein neues Unterseeboot mit 80 km Fortbewegungsgeschwindigkeit. Die Entente forciere jetzt den Krieg aus Angst vor den neuen deutschen Mitteln. England lasse sogar über Frieden verhandeln. Eden habe darüber mit Papen kürzlich sprechen lassen. 15. 8. 1944  : In Frankreich scheint sich bei Falaise eine böse Sache vorzubereiten. An der französischen Riviera erfolgte heute früh die zweite Landung. Es scheint nicht, daß starker Widerstand entgegengesetzt werden konnte. Vor allem fällt die Luftwaffe auf deutscher Seite anscheinend vollständig aus. Sie kommt offenbar nur an der russischen Front noch zur Geltung.

1198 Adolf Hitler. 1199 Im Typoskript  : Jod (mit Fragezeichen). Wildner war sich des Namens nicht sicher. Wahrscheinlich Hanns Johst (1890–1978). 1200 Ludwig Beck. 1201 Josef Müller (1875–1962). 1202 Nicht zu eruieren.

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17. 8. 1944  : In Frankreich stehen die andern beinahe 50 km vor Paris. 18. 8. 1944  : Der Heeresbericht bringt nur Ungünstiges, wenn man zwischen seinen Zeilen zu lesen vermag. Es scheint schlecht zu gehen. Traf F. Coll.,1203 der sehr ängstlich ist  ; viele seiner Standesgenossen sind verhaftet, besonders solche in Kärnten. 19. 8. 1944  : Die Amerikaner sind schon an der Seine und scheinen Paris umgehen zu wollen, um die Front auf der anderen Seite aufzurollen. 20. 8. 1944  : Hudeczek hier. Erzählt, daß wir von morgen ab von Spanien abgeschnitten sind, weil wir die Grenzen räumen müssen, offenbar, damit die deutschen Besatzungstruppen nicht abgeschnitten werden. In Königsberg Panik unter der Bevölkerung. Die besseren Leute trachten, ihre Sachen zu verkaufen, um Geld zu haben, ein Teil sucht seine Habseligkeiten in kleinen Booten längs der Küste wegzubringen. In Polnisch-Schlesien traut man sich nicht mehr Deutsch zu sprechen. Der Balkan ist verloren. Mit der Türkei besteht noch indirekte Verbindung, aber die Bulgaren dürften bald ausspringen. Der größere Teil der ungarischen Diplomaten ist abgesprungen. Der Papst1204 hat in einer bemerkenswerten Rede beim Empfang des neuen holländischen Gesandten1205 die Treue gerühmt, die das holländische Volk seiner Königin1206 gehalten hat. – Im V. B. Artikel des Generalfeldmarschalls von Brauchitsch, der zum Aushalten auffordert und das Attentat verdammt. Daß der Himmler Chef der Heimatarmee geworden ist, werde manchem Offizier nicht gefallen haben, man solle aber auf die Weisheit des Führers vertrauen. Dann noch einige Worte über die SS überhaupt. – Pfarrer Schmid1207 ist in den Ruhestand versetzt. Er hat doch eigentlich viel Ärgernis bereitet. Heute soll er sehr aufgeregt gepredigt und geschrien und u. a. gesagt haben  : »Christlich ist allein die Kirche und nicht Rom, nicht der Papst und die Bischöfe. Ich bin nicht der Stellvertreter Gottes, ich bin nur ein Diener der Kirche usw.« 21. 8. 1944  : In der Nacht Luftgefahr. Sie waren in St. Valentin beim Nibelungenwerk. 1203 Ferdinand Colloredo (1878–1967). 1204 Pius XII. (1876–1958). 1205 Marc Willem van Weede (1904–1994). 1206 Wilhelmina von Oranien-Nassau (1880–1962). 1207 Im Typoskript  : Schmidt  ; gemeint ist Leopold Schmid.

22. 8. 1944

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22. 8. 1944  : Fliegerangriff, nachdem wir schon in der Nacht alarmiert worden waren. Der Lärm vieler hundert Motoren übertönte weit das wütende Flakschießen. Der Angriff hielt sich auf der östlichen Seite, betraf offenbar die Mineralölanlagen an der Donau, Lobau und Floridsdorf, Korneuburg. 23. 8. 1944  : Luftangriff auf Wien, wohl der bisher schwerste nach Ausdehnung, die Gegend der Triester Straße, das Spital, Matzleinsdorfer Platz mit Reinprechtsdorferstraße. 24. 8. 1944  : Die Rumänen sind abgefallen, die Bulgaren bereiten sich dazu vor. Die Rumänen haben, behauptet der Aufruf ihres Königs,1208 die Integrität ihres Gebietes von den drei Alliierten zugesichert bekommen und wollen das ihnen durch den Wiener Vertrag weggenommene Gebiet wieder zurücknehmen. Die Russen haben sich Krakau bis auf 60 km genähert. An der Westfront scheint die Normandiearmee zusammengeschlagen zu sein. Feldmarschall Model soll den Oberbefehl übernehmen, Kluge abgesetzt. Im Osten, heißt es hier, soll Brauchitsch den Oberbefehl mit Halder als Generalstabschef und unumschränkter Vollmacht übernehmen. Neue Verkehrsbeschränkungen sollen bevorstehen. Am Tag wieder Alarm. Sie waren in der Donau-Krems-Gegend und haben sich nach Böhmen verzogen, wahrscheinlich ins Elbetal, wenn nicht weiter. 25. 8. 1944  : Wieder Alarm. Sie waren im Protektorat, Brünn. Die Nachricht, daß die Ungarn ausgesprungen sind, war verfrüht. In Rumänien scheint sich die Sache doch etwas gespießt zu haben. 26. 8. 1944  : Wir bleiben ohne nähere Nachricht von dem, was sich im Ausland tut. Gerüchte, daß die Bulgaren die deutschen Truppen entwaffnet hätten. Von hier sind SS-Truppen nach Ungarn geschoben worden. Die Katastrophe in Nordwestungarn geht weiter. In wenigen Tagen dürften die Amerikaner an der deutschen Grenze sein. Wo sind die Träume, daß Toul und Verdun zu Deutschland geschlagen werden, wofür das hiesige Staatsarchiv so emsige Belegarbeit geliefert hat  ? 27. 8. 1944  : Die Nachrichten aus dem anderen Lager enervieren. Sie wollen anscheinend den Krieg mit allen Mitteln rasch zum Abschluß bringen. Der Luftkrieg dürfte noch 1208 Mihai (Michael) I. (1921–2017).

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weiter verschärft werden und Wien kommt immer näher in den Bereich des unmittelbaren Krieges. Alarm, nichts Besonderes. 28. 8. 1944  : Alarm. Wien wurde in Ruh’ gelassen. Anscheinend Nordwestbahnstrecke und vorher Mödling. – Die Rumänen zahlen jetzt ordentlich drauf, aber auch die deutschen Truppen. – Die Abwürfe auf das Franz-Josef-Spital waren doch viel ärger als man zuerst vernommen hatte. Es mußten viele hundert Leute ausgegraben werden. Dabei herrschte während der Beschießung große Verwirrung, so daß die Infektionskranken frei mit den anderen zusammengebracht wurden. Das Ganze soll jetzt evakuiert werden. 29. 8. 1944  : Trotz verschiedener Bedenken nach Reichenberg gefahren. Sehr bequem, von Fliegern verschont gewesen. In Kolin brannte noch ein Teil der Raffinierien. Die Reservoirs scheinen aber zum größeren Teil verschont geblieben zu sein. 30. 8. 1944  : Alles sehr aufgeregt und voll trüber Befürchtung. Es sei kein Gift mehr zu bekommen, um sich rechtzeitig umbringen zu können usw. Alles denkt an Vergraben und Wegbringen. Die Russen würden demnächst in Wien sein. Diverse Leute hätten ihr Ausrüstungsmaterial bereits in der Schweiz, Vorarlberg sei ganz unsicher, am besten noch Bayern usw. 1. 9. 1944  : Unterhaltung mit dem alten Jugendbekannten Major H.,1209 der um das Schicksal seiner Kinder bangt. Er selbst habe schon ebenso wie andere Leute mit dem Leben abgeschlossen. 8. 9. 1944  : Wieder zurück nach Wien. Vor der Abreise brachte man die Nachricht, daß in der verflossenen Nacht die tschechische Polizei im Protektorat entwaffnet worden sei. Auf den Bahnen seien Sabotageakte immer stärker zu merken, die Züge hätten große Verspätung. Dem entgegen kam mein Schnellzug mit ½-stündiger Verspätung an, die er aber während der Durchfahrt durch das Protektorat sehr schnell einholte. Auch nichts davon zu sehen, das die Gerüchte bestätigen würde. In Nimburg stand ein Panzerzug. Viele Militärtransporte.

1209 Nicht zu eruieren.

9. 9. 1944

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9. 9. 1944  : In der Slovakei ist ein Teil der Armee mit dem Generalstabschef1210 abgefallen und hat einen Teil des Landes in Besitz genommen, mit Kriegsmaterial durch Fallschirme versorgt. Dieser Teil scheint sich im Waagtal-Sillein festzuhalten, etwas zu nahe von Wien. In Preßburg selbst konnte Ordnung gemacht werden. Die Verbindung mit Jugoslavien scheint ganz gestört zu sein. Die Russen dürften dort, von Bulgarien kommend, bald einrücken und zur Adria weiterstreben, wenn nicht gar zu uns. Die eigentliche russische Offensive scheint erst bevorzustehen. Wenn nicht bald die neue Waffe herauskommt, wird die Panik noch weiter zunehmen. 10. 9. 1944  : Fliegeralarm. Sehr böse Bomben fielen in meiner Nähe, auch die Innere Stadt nicht verschont. Ballhausplatz schwer getroffen. Das Kanzleramt bis in die Höhe meines langjährigen Amtszimmers durchgerissen. Das Ganze doch eine infame Barbarei, selbst wenn es wahr sein sollte, daß in der Burg Munition untergebracht ist. 2 große Trichter am Michaelerplatz, Treffer auf dem Graben, Herrengasse usw. Auch die Leopoldstadt in der Gegend des Nordwestbahnhofes sehr mitgenommen. Tramwayverkehr eingestellt, kein Wasser. Traf zu Mittag Dr. Rudolf, der mit mir eine Unterhaltung pflegen möchte. 11. 9. 1944  : Die Verwüstungen in der Inneren Stadt sind doch noch ärger. Auch die Ungarische Gesandtschaft, Länderbank, Harrachpalais, Schottenhof, 2 Häuser gegenüber der Universität. In Döbling sind zwischen Billrothstraße und Hauptstraße ganze Straßenzüge niedergelegt, Arsenal, dann noch viele Häuser in der Josefstadt, am Gürtel. Dazu Gerüchte, Zettel abgeworfen, wonach die Angreifer wiederkommen werden, bis das österreichische Volk auch seinen Beitrag leiste. Neue Verhaftungen, viele Internierungen. Angeblich Aufschriften auf Eisenbahnwaggons  : »Wir alten Affen sind die neuen Waffen«. Botschafter Hassell in der Verschwörung verfangen gewesen. 12. 9. 1944  : In der Inneren Stadt ziehen die Leute ganz entsetzt herum. Jetzt heißt es, wie MR K.1211 erzählt, daß die amerikanischen Flieger eigentlich auf Linz losgegangen waren, dort eine Wolkendecke vorfanden und ohne Zielwerkzeuge nicht richtig operieren konnten, weswegen sie sich Befehl erbaten, worauf sie den Auftrag erhielten, Ausgleichziele zu nehmen. Sie gingen dann auf Wien los. Dies eine Information aus dem Luftgau, wo man dann vom Überfall auf Wien ganz entsetzt war, so daß 1210 Wahrscheinlich Ferdinand Čatloš (1895–1972). 1211 Major Karl Wildner.

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die Orientierung der Bevölkerung aussetzte. Tatsächlich ging auch der Luftschutzsender eine Zeitlang nicht mehr. Wir sind also gut aufgehoben. Alles hat Angst vor dem Wiederkommen der Flieger, das angeblich sehr bald und sehr oft erfolgen soll. In der Rheingegend sind die Angelsachsen schon auf Reichsboden eingebrochen bei Trier und ganz nahe bei Aachen. Der Westwall soll unter Beschuß liegen. – Die in Aussicht gestellten weiteren Einzelheiten über den 2. Volksgerichtsprozeß sind bisher nicht erschienen. Angeblich sollen neue Verhaftungen erfolgt sein, darunter der Regierungspräsident von Potsdam, Bismarck-Schönhausen,1212 der mit einer Gräfin Hoyos1213 verheiratet ist, sowie Schacht und der preußische Finanzminister Popitz. 13. 9. 1944  : Mir die Verwüstungen in Döbling angeschaut. Grauenhaft  ; »Nie wieder Krieg«, wird man schreien. In der Beatrixgasse, nicht weit von meiner Wohnung, mußten die Trümmer heute abend gesprengt werden. Von 80 Begrabenen hat man erst 27 herausholen können. Hinter dem Rathaus große Trichter und Zerstörungen. Diese Fliegerangriffe sind doch ein reines Mordwerk am hellichten Tage und am Sonntag noch dazu ... Wieder Alarm. Es scheint aber nur der Slovakei gegolten zu haben, vielleicht Abspringen von Fallschirmjägern, um die dort gegen die Deutschen kämpfenden slovakischen Truppen, die unter dem Befehl des früheren Kriegsministers1214 stehen, zu verstärken. In Prag soll das Standrecht verkündet worden sein. 14. 9. 1944  : Preßburg war in der vergangenen Woche schon zerniert gewesen, die Regierung geflüchtet. Schirach, der gerade in Preßburg gewesen war, wäre beinahe gefangen genommen worden. Kriegsminister Čatloš hat seit Monaten die Armee mit bolschewistischen Offizieren besetzt und den Überraschungsabfall vorbereitet. Davon hatte der Nachrichtendienst nichts bemerkt, weil sich die Herren, anstatt sich mit den Vertrauenspersonen abzugeben, mit Lebensmittel- und sonstigen Versorgungen für eigene Zwecke abgeben. Auch der diplomatische Dienst hatte versagt. Wenn jetzt die Ungarn nachlassen – und heute soll ein kritischer Tag sein –, wird Wien in unmittelbare Gefahrennähe geraten. 15. 9. 1944  : In der Nacht um 10 Uhr zwei Detonationen und Fliegergeräusch. Ein einziger hatte 2 Bomben, angeblich in Simmering, abgeworfen. Kein Alarm. Natürlich große Unruhe in der Nacht. Man spricht von etwa 500 Häusern, die bisher getroffen wurden, 1212 Gottfried von Bismarck-Schönhausen (1901–1949). 1213 Melanie von Bismarck-Schönhausen (1916–1949). 1214 Ferdinand Čatloš (1895–1972).

16. 9. 1944

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und 30.000 Ausgebombten. Die Zahl der Toten dürfte schon an mehrere Tausende gehen. Gerüchte, daß die Feindflieger Sonntag wiederkommen und daß die ausländischen Arbeiter aufgefordert wurden, ins Freie zu gehen. Für die Stimmung bezeichnend, daß Staatsarchivgeneraldirektor Bittner dem Bischoff, seinem Cousin, sagte, leider sei Zyankali nicht zu bekommen und das wäre doch ein Lebensverlängerer, weil es gegebenenfalls gleich wirke, während das Gas den Nachteil habe, daß man es lange vorher anwenden müsse, und es fraglich sei, ob es überhaupt dann noch ein Gas geben werde. Eine förmliche Selbstmordpsychose bereitet sich auch hier vor. 16. 9. 1944  : Unter dem Druck der Angststimmung in der Stadt. Viele Leute sind schon von Wien weggefahren, um dem für morgen erwarteten Luftangriff zu entgehen. Die Züge waren so überfüllt, daß viele Leute nicht mitkonnten. In der Stadt schauen die Leute beim Hauptzollamt zum Prater, wo das Riesenrad brennt. Ein Soldat neben mir meint, es seien feindliche Aufklärer nachmittags hier gewesen und hätten Bomben abgeworfen. 17. 9. 1944  : Während der Hl. Messe wurde ein Hirtenbrief des Kardinals1215 verlesen, der vom innigen Mitgefühl des Papstes1216 Kenntnis gibt, der mit Betrübnis von dem unmenschlichen Angriff erfahren hat, dessen Opfer Wien wurde. Der Hl. Vater dürfe es bei der Sympathiekundgebung nicht bewenden lassen. Jetzt wird erzählt, daß der letzte Angriff hier auf einen Regiefehler zurückzuführen sei. Die nicht ganz sicheren Elemente der fremden Arbeiterschaft wird man wohl aus Wien wieder entfernen. – Die Amerikaner sind doch in die Westwallinie eingebrochen. Großer Kampf bei Stolberg und bei Aachen, das schon zerniert ist. – Der gestrige Praterbrand ist auf einen einfachen Kurzschluß zurückzuführen und von der Feuerwehr gelöscht worden. Nur die Hochbahn ist vollständig verschwunden. Vom Riesenrad sind nur 7 Waggons verbrannt. Der Prater selbst voll von Militärs. 18. 9. 1944  : Wieder Luftgefahr. Die Leute rannten in die Keller oder Bunker. Das Gewitter zog aber vorüber. Die Angelsachsen haben Luftlandetruppen in Holland gelandet und scheinen die Vereinigung mit den zu Lande vorrückenden Teilen versucht zu haben. Das niederrheinische Gebiet ist unmittelbar bedroht. Sie scheinen nicht weit von Köln zu sein.

1215 Theodor Innitzer (1875–1955). 1216 Pius XII. (1876–1958).

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19. 9. 1944  : Las in der Nationalbibliothek wiederum die Februarnummern der »Neuen Freien Presse« von 1908. Eine merkwürdige Zeit. Wie es unter der Oberfläche bebte und doch frei. Eine Mutter von 6 Kindern springt, weil sie das Brot für die Familie nicht aufbringen konnte, in den Donaukanal, kommt vor Gericht und der Oberlandesgerichtsrat fordert öffentlich für die unglückliche Familie zu Spenden auf. Hungerdemonstrationen. – Der Kaiser1217 schneidet die deutschen Delegierten beim Empfang und der deutsche Delegierte Dobernig fordert den Kaiser in der Sitzung auf, politische Gespräche mit den Delegierten lieber zu unterlassen. Aehrenthal blamiert sich mit der Sandschakbahn und der ungarische Abgeordnete Ugron nennt ihn einen alten Esel und muß dann revozieren. Die bulgarische Regierung1218 desavouiert öffentlich Bemerkungen Aehrenthals auf die Verhältnisse in Mazedonien. Ein Hochschulprofessor,1219 der als Sachverständiger an der Ausarbeitung der neuen Vorschriften für das Kommißbrot teilnimmt, kritisiert schärfstens die praktische Durchführung dieser Vorschrift und erklärt das gegenwärtige Kommißbrot für ungenießbar. – Daß ausgerechnet Aachen als erste große Stadt des Deutschen Reiches in die Hände des Feindes gelangte, wäre wohl ein böses Omen. Die Luftlandungen in Holland gehen weiter und betreffen das rechte Rheinufer, wo angeblich der Westwall, wenn überhaupt, nur schwach ausgebaut ist. Die Russen schon in Temesvár. 20. 9. 1944  : Alarm. Sie waren in Preßburg, Mineralölraffinerien und Flugplatz an der Grenze, sowie in Ungarn. Am Nachmittag in Gießhübel, dessen unterer Teil ziemlich zerhaut ist. 21. 9. 1944  : In der Nacht abermals Alarm. Sie waren abermals in Preßburg und im ungarischen Raum. 22. 9. 1944  : Mit Kleinwächter beisammen, der sagt  : »Jetzt heißt es nur beten, nur der liebe Gott kann helfen.« Der einzelne könne nichts machen. – In Ungarn kriselt es bösartig. Verkehrsmäßig sind wir beinahe ganz abgeschnitten. Die ungarischen Bahnen sollen zweimal täglich bombardiert werden. Die einzigen Lebensmittelzuschüsse, die wir jetzt erwarten können, liegen in Ungarn blockiert. Angeblich 400.000 t Getreide und 200.000 t Ölfrüchte (?). 1217 Franz Joseph I. 1218 Kabinett Aleksandăr P. Malinov (1867–1938), Jänner 1908 bis März 1911 Ministerpräsident. 1219 Nicht zu eruieren.

23. 9. 1944

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23. 9. 1944  : MR Duda hat sich heute einen Kalbsbraten mit Knochen um 103 RM gekauft. 24. 9. 1944  : Der Bahnhof von Wels soll gestern zerstört worden sein. Im Pongau sind Soldaten in die Berge gegangen, worauf 500 SS-Leute von Salzburg ihnen nachgeschickt wurden, um Ordnung zu machen. Salzburg wird täglich vernebelt. Bei den Schulungsvorträgen ist den Offizieren im hiesigen Wehrkreis u. a. gesagt worden  : »Wer mit Recht vermutet, daß ein anderer Offizier mit der Seydlitz-Bewegung in Zusammenhang steht, hat ihn sofort niederzuschießen.« Seydlitz kommandiere eine von den Russen gegen Deutschland in Gang gesetzte deutsche Armee. Nach der eben gelesenen Preßburger Zeitung »Der Grenzbote« scheint schon ein richtiges Terrorregime in der Slovakei etabliert zu sein. 26. 9. 1944  : Auch Bischoff versteht nicht, wieso so viele Leute sich nur in der Provinz sicher zu fühlen glauben. G{unleserlich} Erscheinungen sollen sich auch in der Ötschergegend, im Traisental und im Dunkelsteinerwald ereignen. Am Abend bei Peter,1220 der ebenfalls gehört hat, daß in Deutschböhmen Luftangriffe stattgefunden haben. 27. 9. 1944  : Mit Ludwig beisammen, der mir die Geschichte erzählt, die zur Entfernung des Clodius von der Gesandtschaft unter Rieth geführt habe. Es war im Jahre 1931, als der Kanzler Ender vom Parlament nicht die gewissen Vollmachten bekommen konnte und demissionierte, worauf Seipel zuerst den Versuch machte, ein allgemeines Koalitionskabinett als eine Art homo regius1221 zusammenzubringen. Sein Versuch scheiterte an der Haltung der Sozialdemokraten, die in einer kritischen und höhnischen Rede des Seitz zum Ausdruck kam, worauf Seipel ein Koalitionskabinett mit den Christlichsozialen und den Großdeutschen mit dem Landbund zusammenbringen sollte. Er war auch damit zu einem Ende gekommen, als auf einmal am Abend der Abg. Hampel zum Ludwig kam, der damals als eine Art Sekretär von Seipel ausgeborgt war, und sagte, es scheine doch etwas nicht zu stimmen, die Geschichte gehe doch nicht. Und es stellte sich heraus, daß Clodius im Großdeutschen Club erschienen war, mit Berufung auf allgemeine deutsche Dinge die Großdeutschen bearbeitete, sie mögen an der von Seipel beantragten Lösung nicht mittun. Ludwig sprach die Vermutung aus, daß die Intervention des Clodius durch Schober herbeigeführt worden sei, der beleidigt gewesen sei, daß Seipel mit ihm in der Sache keine 1220 Franz Josef Peter (1866–1957). 1221 Homo regius – wörtlich »königlicher Mann«  ; im übertragenen Sinn Stellvertreter.

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Rücksprache gepflogen hatte, und der es dann verstanden hatte, den Clodius entsprechend einzuspannen. Der Schmitz1222 ließ sich dann den jungen Békessy1223 kommen und informierte ihn wegen eines, diesen Vorfall schildernden Zeitungsartikels, den der Békessy dann in einer Pester Zeitung erscheinen ließ, von wo er dann von der Sonn- und Montagzeitung gebracht wurde. Dabei war des Neubacher gedacht worden, daß er sich in die Sache eingemischt hätte, der die Zeitung klagte, die dann sachfällig wurde. In der Verhandlung sei auch der Clodius einvernommen worden. Im weiteren Verfolg hätte Schmitz, der zu Brüning gefahren war, die Abberufung des Clodius wegen Einmischung in innere österreichische Verhältnisse verlangt. Er wurde dann auch nach Sofia versetzt. Eigentlich hatte er hier als der sozialdemokratische Kommissar zur Kontrolle des Rieth, eines Zentrumsmannes, gegolten. Mir selbst hatte Clodius damals ziemlich unvermittelt erzählt, daß er eingetragener Sozialdemokrat sei. Wäre er ein Zentrumsmann, würde er in seiner Karriere einen um 2 Jahre verkürzten Vorsprung haben. Jetzt ist er angeblich in Bukarest von den Russen als Kriegsschuldiger verhaftet worden. Peter1224 meinte vorgestern  : »Er wird sich jetzt als Kommunist deklarieren.« – In der Slovakei soll sich die militärische Lage zu unseren Ungunsten verschlechtert haben. Am Abend Gerüchte, daß die Garnisonen und die Polizei konsigniert ist. 28. 9. 1944  : Alle Gemüter von dem Herannahen der Russen bewegt. Sie sind im Raume von Szegedin-Makó und angeblich schon in Neumarkt in der Slovakei. Im Burgenland wird fleißig geschanzt. Die Alarmierung der Polizei und des Militärs scheint wirklich stattgefunden zu haben, angeblich wegen Abwurfes von Material durch Flieger. Churchill-Rede, sehr brutal und schonungslos. Er scheint aber doch den Hitler noch zu unterschätzen. Gerüchte, daß Göring konfiniert ist. Seldte, der Mann, der den Stahlhelm hergegeben hat, soll abgesetzt sein. 30. 9. 1944  : Gemunkel, daß Ungarn ausspringe und schon längst verhandle. Darüber allgemeine Andeutungen in Zeitungen, zuerst In der Maur in den »Wiener Neuesten« und heute der »V. B.« – Bei Arnheim scheinen die Engländer doch ordentlich draufgezahlt zu haben. Jedenfalls stimmen ihre Berechnungen nicht mehr. Der Krieg dürfte heuer nicht mehr beendet werden. Kassanter Artikel1225 im »V. B.« vom 29. unter dem Titel »Die letzte Überfahrt«. Ein Teil derjenigen, an die sich die Churchill’sche 1222 Richard Schmitz. 1223 Hans Békessy (1911–1977). 1224 Franz Josef Peter (1866–1957). 1225 Kassanter Artikel – schroffer Artikel.

1. 10. 1944

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Aufforderung, sie müßten sich die Überfahrt verdienen, richtete, habe nicht gewußt, was das bedeute. So habe die tragische Entwicklung in Italien, Rumänien, Bulgarien und Finnland begonnen. Mehr Überfahrten dieser Art werde es aber nicht geben, die deutsche Führung sei entschlossen, nunmehr rücksichtslos und mit allen Mitteln gegen solche Erscheinungen aufzutreten. 1. 10. 1944  : Hudeczek wieder hier, erzählt von der Lage in der Slovakei  : die Ostslovakei, das Ostkarpathenland ist Okkupationsgebiet. Der südliche Teil zwischen Westslovakei und dem Okkupationsgebiet ist von der gegnerischen Partei besetzt gewesen, jetzt zum Teil freigekämpft. In Neusohl sitzt noch die erste tschechoslovakische Regierung. Das Waagtal ist gesäubert. Die Karpathenkämme sind notdürftig von alten Truppenteilen besetzt. Der Abfall der Armee ist nicht vom Kriegsminister Čatloš organisiert worden, sondern von mehreren Obersten,1226 die meistenteils in der tschechoslovakischen Armee gedient hatten. Čatloš schloß sich ihnen an, da sie in der überwiegenden Majorität waren. Es war ein Fehler gewesen, daß man die Volksdeutschen aus der Armee herausgenommen und in SS-Formationen untergebracht hatte. Man hat sich dadurch gewisser Kontrolle begeben. In Preßburg waren 300 deutsche Truppen 8.000 slovakischen gegenübergestanden. Dem Gesandten Ludin gelang es, die 8.000 zu entwaffnen. Sie taten es mehr oder weniger freiwillig. Die militärische Organisation sowohl des Heeres, die drei verschiedenen Kommissionen, auch die SS und die Abwehrorganisation hatten vollständig versagt. Jetzt gehen neue wirtschaftliche Verhandlungen, deren Ergebnis auf Infiltration hinauslaufen wird. Die Beamten haben sich sehr gut gehalten, sind sogar während oder nach dem Putsch zurückgekommen. – Griechenland ist geräumt mit Ausnahme von Kreta, wo kleine Truppenbestände. Hier im Hotel Imperial in Wien sitzt Dr. Altenburg im Auftrage von Ribbentrop und kreiert Gegenregierungen, so z. B. für Bulgarien die Regierung Zankov,1227 der hier in Wien wohnt. – Unser ehem. Kollege Winter1228 ist ganz verrückt, ein Schädling, hat nach seiner Rückkehr aus Amerika (er war Geschäftsträger in Panama (?) gewesen) jedem, der es hören wollte, den Beweis geliefert, daß die Amerikaner technisch nicht imstande sein werden, Armeen nach Europa zu bringen. – Glaise-Horstenau ist in Wien, hat sich mit dem Poglavnik1229 zerzankt, auch mit dem Gesandten Kasche. Anstoß war die Ernennung des neuen Ministers des Inneren,1230 ein früherer Polizeidirektor und mehrfacher Mörder, dem er, Glaise-Horstenau, nie die Hand geben wollte, wohl sie aber osten1226 Ján Golian (1906–1945)  ; Rudolf Viest (1890–1945). 1227 Alexander Zankov (1879–1959), 9. September 1944 bis April 1945 Ministerpräsident. 1228 Hanns Winter (= Walter Hengauf) (1897–1961). 1229 Ante Pavelić (1889–1959). 1230 Mate Frković (1901–1987).

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tativ seinem Chauffeur gab. In die Slovakei ist jetzt eine Armee von 60.000 gebracht worden. Zwischen hier und der Tschechei geht eine gewisse Zusammenarbeit. – Bevorstehen einer neuen Verhaftungswelle gegen Katholiken. – Der bei der Deutschen Mission beim Vatikan zugeteilt gewesene Gesandte Bemmer (?),1231 ein SS-Mann, ist von den Engländern, als er sich in Rom bewegte, verhaftet worden. Den Posten hatte Hudeczek seinerzeit mehrmals angestrebt. 4. 10. 1944  : Die Russen nähern sich Belgrad. Gegen die Rheinprovinz geht der Vormarsch weiter. 7. 10. 1944  : Alarm. Die Flugzeuge blieben an der Peripherie der Stadt, beinahe 2 Stunden dauerte der Angriff und das Flakfeuer. Große Rauchwolken, auch Vernebelungswolken. Der Schaden scheint besonders groß zu sein. Traf Dr. Rudolf, der mir erzählte, er sei gestern von der Gestapo verhört worden, auch eine Hausdurchsuchung wurde vorgenommen. Es scheint sich eigentlich nur um eine Ungeschicklichkeit gehandelt zu haben. 10. 10. 1944  : Aufregung im Haus wegen einer nach 11 Uhr erfolgten großen Detonation, worüber nichts zu erfahren war. Fortwährend wird von in der Umgebung von Wien bevorstehenden Schanzarbeiten gesprochen. In der Steiermark wird schon gearbeitet. 11. 10. 1944  : Alarm, sehr bös. Diesmal kam die Wieden dran, Simmering, Döbling und die westlichen Bezirke. Wie sinnlos das Ganze, denn eine, für das Endergebnis des Krieges, ja nicht einmal für den Fortgang, entscheidend wirkende Beeinflussung kann dadurch nicht erzielt werden. Nach der Entwarnung kamen 1 Stunde später wiederum Flieger. In den Morgenblättern Aufruf der beiden Gauleiter für Wien1232 und Niederösterreich1233 zu Schanzarbeiten und Ausbau der vom Führer anbefohlenen Stellungen. Wütender Kampf um Aachen. 12. 10. 1944  : Nach dem Essen wieder Alarm. Das Gewitter ging aber an uns vorüber. Zum Tee bei F. Coll.,1234 der ganz resigniert ist  ; sehnt das Ende herbei, rechnet bestimmt mit dem 1231 Nicht zu eruieren. 1232 Baldur von Schirach (1907–1974). 1233 Hugo Jury (1887–1945). 1234 Ferdinand Colloredo (1878–1967).

13. 10. 1944

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Kommen der Russen. Was aus uns dann geschehe, sei ganz schleierhaft, er hoffe, daß alle drei schließlich hier walten werden. Vorläufig dürften aber die Russen allein gewirtschaftet haben. Von einem polnischen Bekannten hat er gehört, daß die Russen in Lemberg sind und Erzbischof Scheptyzkyj zum Bürgermeister der Stadt Lemberg bestellt haben.1235 Er, F. Coll., war kürzlich beim Erzherzog Eugen,1236 der entgegen den Gerüchten nicht verhaftet war, sondern ganz in Ruhe gelassen wurde, in Hietzing wohne, sich in politische Gespräche nicht einlasse und nur von seiner früheren militärischen Tätigkeit spreche. Sein Generalstabschef, General Krauß, sei ihm wegen seines unangenehmen Wesens nicht sympathisch gewesen, hätte sich lieber an seine Stelle den Sarkotić gewünscht. F. bezeichnet den Erzherzog nicht als einen gescheiten, aber sehr gebildeten Menschen, besonders auf musikalischem Gebiet, aber ohne Initiative und Tatkraft. 13. 10. 1944  : Langer Alarm, sehr viel geschossen, wiederum mehr am Land, aber auch in der Josefstadt sollen Bomben gefallen sein, vor allem in der Wienerstraße in Floridsdorf. Die dortigen Fabriken, das Elektrizitäts- und Gaswerk sollen getroffen worden sein. Im Ganzen sieben Wellen. Außerdem waren sie im Protektorat. Nachmittag wieder Angriff und ein drittes Mal am Abend. Luftgefahr, doch nur Abwurf von Leuchtbomben. Große Hetze, nur wenig Leute kamen in die Betreuungsstelle, die Disziplin läßt nach, weil die Leute einfach nicht mehr mitkönnen und gezwungen sind, mehr an sich selbst zu denken. In der Betreuungsstelle, die in einem Kaffeehaus untergebracht ist, spielten nebenan griechische Männer, die viel rauchten, Karten und Billard. Auf meine Frage sagte mir die Wirtin, daß die Frauen dieser Männer arbeiten und die Männer nicht anständig beschäftigt sind und spazieren gehen. Von Klagenfurt erzählte heute jemand im Luftschutzkeller, es sei doch durch das Radio verkündet worden, daß 3 mit Bazillen versehene Wattepäckchen abgeworfen worden seien, und die Bevölkerung sei aufgefordert worden, diese Päckchen noch an demselben Tage zu sammeln und abzuliefern. Angeblich seien darin Bakterien tragende Insekten. Propagandageschichte  ? Aber die erzählende Frau blieb dabei, ihr Mann habe die Sache persönlich im Radio gehört und heute früh telephoniert. Gerüchte über Verschärfung der Luftangriffe und angebliche Aufforderung, daß man sich Lebensmittel für 14 Tage anschaffen solle, weil man dann so lange nicht werde auf die Straße gehen können. 14. 10. 1944  : Gestern wurden auch Strebersdorf und Jedlesee beworfen. Heute wieder Alarm, der 3 Stunden währte. Sie trieben sich in der Nordbahngegend, Stadlau, Gänserndorf, 1235 Das Gerücht stimmte nicht. 1236 Eugen Habsburg (1863–1954).

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herum, auch in den äußeren Bezirken der Stadt, ohne aber hier Bomben abzuwerfen. Wahrscheinlich sind es mehr Jäger, die An- und Abflüge der nach Norden (Schlesien) dirigierten Bomber zu decken hatten. 15. 10. 1944  : Die Ungarn verhandeln angeblich. 16. 10. 1944  : Alarm. Sie waren im Salzkammergut und sollen angeblich in Salzburg große Verwüstungen angerichtet haben. Der Aufenthalt in den Alpen wird auch langsam ungemütlich werden. Die Ungarn sind also abgefallen, Horthy hat schon eine Botschaft gesendet und die Einstellung des Kampfes verfügt. Er sagte darin angeblich, daß sein Volk es nie auf fremdes Eigentum abgesehen habe, daß Ungarn selbst von den Deutschen vergewaltigt wurde, die ihn absichtlich während einer Verhandlung zurückgehalten und dann die Schlüsselstellungen des Landes besetzt, die Polizei gegen die Regierung aufgeboten, und daß der damalige Ministerpräsident1237 sich nur mit Mühe in eine neutrale Gesandtschaft retten konnte. Er sehe, daß Deutschland den Krieg verloren habe usw. Inzwischen soll deutscherseits der Rundfunk in Ungarn besetzt worden sein und eine Pfeilkreuzler-Regierung unter Szálasi’s1238 Führung die Macht übernommen haben. – In einem eben hier abgedruckten Artikel der »Times« heißt es  : das Hauptinteresse der Sowjets sei die Sicherheit ihrer eigenen Grenzen, die sie gerechterweise durch Einschließung Rumäniens und Bulgariens, vielleicht auch Ungarns und Jugoslaviens, in ein sowjetisches Sicherheitssystem zu sichern versuchen könnten. In einer solchen Politik liege nichts Unvernünftiges und bestimmt nichts, was in England, den Vereinigten Staaten oder in den unmittelbar betroffenen Ländern Unruhe hervorrufen könnte. (Hier hat aber alles Angst vor den Russen. Die Nachrichtenstellen haben über die ungarische Geschichte nichts verlauten lassen.) – Die Räumungsarbeiten in den von den letzten Luftangriffen betroffenen Stadtteilen gehen nur langsam vor sich. In einem Arbeiterbunker in Simmering sind vorgestern erst 18 Leichen herausgebracht worden. 17./18. 10. 1944  : Gestern großer Angriff auf Wien in den verschiedensten Stadtteilen, darunter auch auf der Landstraße. Betreuungsdienst, Jammerszenen, die Leute bewahrten aber doch fast alle Haltung.

1237 Géza Lakatos (1890–1967). 1238 Regierung Ferenc Szálasi (1897–1946), 16. Oktober 1944 bis 28. März 1945 »Führer der Nation«.

19. 10. 1944

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19. 10. 1944  : Vorbereitung des Volkssturmes der 16–60jährigen. 20. 10. 1944  : Betreuungsdienst. Kleinwächter ausgebombt. 21. 10. 1944  : Gestern Nacht Alarm. Man wird doch zermürbt. Immer wieder sieht man aber, wie die Leute froh sind, am Leben geblieben zu sein. Vor den Plakatanschlägen, die die Meldung der zum Volkssturm Berufenen regeln, stehen die Leute ganz verdattert. Beim Essen reichsdeutsche Direktoren, die sehr schwarzsehen. 22. 10. 1944  : Horthy ist nach Deutschland gebracht worden, sein Sohn1239 nach Wien. Dieser hatte sich der Verhaftung mit der Schußwaffe widersetzt, wurde in Ketten hergebracht. – Rundstedt ist Kommandant der Westfront. Besuch bei Kleinwächter und bei Oberst K.,1240 wo die Schlafzimmer ruiniert worden sind. 23. 10. 1944  : Wieder Alarm, etwas konfus, nichts Besonderes geschehen. Auch in Ostpreußen dringen die Russen immer stärker vor. Die Befestigungen scheinen nicht aufzuhalten. 26. 10. 1944  : Oberleutnant F. [Fred]1241 angekommen. Erzählt vom fluchtartigen Durcheinander deutscher Truppen bei Koblenz, als Paris geräumt wurde. Man stand unter dem Eindruck, daß der Krieg in kurzem aus sein würde. Die durchziehenden Truppen waren wie von einer Panik erfaßt und waren bis Sachsen vorgeprellt, bis man sie aufhalten konnte. Erst die SS hat wirklich Ordnung machen können. Die in Frankreich gewesenen Truppen seien durch das lange Nichtstun und blinde Vertrauen auf die Festigkeit des Westwalles korrumpiert worden und konnten nicht mehr in richtiger Zucht gehalten werden. Ein General Stülpnagel1242 ist als verantwortlich für die Zustände in Paris und Umgebung durch die SS umgebracht worden. Ganz dasselbe Bild beinahe wie nach Stalingrad. Regellos und unaufhaltsam zurückflutende Masse, die Offiziere voraus, das Vertrauen war ihnen weg. Es könne nicht mehr lange dauern, sei 1239 Miklós Horthy junior (1907–1993). 1240 Nicht zu eruieren. 1241 Alfred (Fred) Wildner. 1242 Carl-Heinrich von Stülpnagel (1886–1944), Februar 1942 bis Juli 1944 Militärbefehlshaber in Frankreich.

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die eigentliche Stimmung. – In der Ostslovakei weicht man weiter zurück, Munkács scheint schon verloren zu sein. – In Prag eine Reihe von Hinrichtungen wegen Zusammenarbeit mit dem Feind. Befürchtungen für den 28. Oktober. Minister Hennet getroffen, der sagt, daß der Szálasi früher anders geheißen habe und natürlich nicht Major usw. gewesen sei, wie in den hiesigen Zeitungen zu lesen stand. 27. 10. 1944  : Munkács geräumt und in Ostpreußen scheint es ähnlich zuzugehen. 28. 10. 1944  : Gerüchte, daß bei den Russen etwas nicht stimme. Man wolle nicht mehr recht vorwärts gehen, weil man mit einem neuen Krieg mit den Angelsachsen rechne. Die bolschewistischen Emissäre aus der Slovakei sollen verschwunden sein. 29./30. 10. 1944  : Kleinwächter hat von LR Seemann, der eben aus Pest gekommen war, gehört, daß dort die Stimmung ganz zu Gunsten Deutschlands umgeschlagen habe. Horthy sei unten durch und die Leute seien sehr zuversichtlich. Ein anderer Tischgenosse erzählte, ein Kollege, der eben aus der Schweiz zurückgekommen sei, sei noch ganz benommen von den dort erhaltenen Eindrücken, man sei von der Niederlage Deutschlands ganz überzeugt und glaubt, daß Österreich eine Sonderstellung erhalten werde. Im Staatsarchiv erzählte Dr. Schwanke, König Ferdinand1243 sei von den Aufständischen in der Slovakei überrascht und erst von den deutschen Truppen befreit worden. 1. 11. 1944  : Alarm, wilde Schießerei, die inneren Bezirke blieben verschont. 2. 11. 1944  : Die Russen sollen schon 50 km vor Pest stehen. Es scheint nicht, daß man den Vormarsch in der Ebene rechtzeitig aufhalten kann. 3. 11. 1944  : Alarm. Im Bezirk Landstraße viel Schaden. Man hat es offenbar auf den Arenbergring und Siemens & Halske abgesehen sowie auf die Verbindungsbahn. Der Heeresbericht gibt zu, daß die Russen im Anmarsch auf Pest sind. Die Flucht aus Wien, vor allem die Wegbringung von Habseligkeiten hält verstärkt an. Immer mehr bedeutsam wird mir die Stelle in der Rede, die Hitler zu Beginn des Krieges gehalten hatte, in der er sagte  : »Eine Kapitulation wird es nicht geben«, d. h., daß er damals schon 1243 Ferdinand I. von Bulgarien (1861–1948), lebte von 1941 bis 1944 in der Slowakei.

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an eine militärische Katastrophe gedacht hat. Im Wesen bedeutet das jetzige Verhalten, daß die andern die Köpfe hergeben sollen. Ob die Aufrufung des Volkssturmes ein wirklich bedachtes Mittel ist, erscheint fraglich, denn eigentlich wird doch durch die Bewaffnung aller die Möglichkeit für einen inneren Umsturz geschaffen. Eben deswegen wird wohl auch die Partei eingespannt, um einer solchen Gefahr entgegenzuwirken. Generalkonsul L.1244 erzählt, daß Horthy stark verschuldet sei, und zwar den Juden durch seine Söhne,1245 und die Frau1246 eigentlich armenischen Ursprungs sei. 4. 11. 1944  : Wieder Alarm, glücklicherweise aber nur Rückflüge. Franckenstein soll eine für die Österreicher bestimmte Rede gehalten und sie zur Selbstbetätigung gegen die Deutschen aufgefordert haben. Dabei hat er sich selbst in die englische Staatsbürgerschaft geflüchtet und hätte als solcher wohl kein moralisches Recht, sich an österreichischen Dingen zu beteiligen. Die Russen sind in den Außenbezirken von Pest angelangt, aber wieder zurückgeschlagen worden. Die Zerstörungen im westlichen Teil unseres Bezirkes angeschaut. 5. 11. 1944  : Schon um 11 Uhr Alarm. Hin- und Herfliegen an der Nord- und Nordwestgrenze der Stadt. Dann aber ein halbstündiger Angriff, zum ersten Mal Brand- und Sprengbomben, in unmittelbarer Nähe meiner Wohnung zwei Brände. In meiner Wohnung selbst Fenster zerstört und die Eingangstür gesprengt. Die Brände breiten sich aus, kein Wasser. Im Fasanviertel 60 Häuser zerstört. Auch die Innere Stadt kam wieder dran, Kärntnerstraße und Wollzeile, großes Durcheinander, kein Wasser, die Hy­ dranten funktionieren nicht. 6. 11. 1944  : Dienst in der Betreuungsstelle von 7 Uhr früh bis 8 Uhr abends. Die Wollzeile wegen der Zerstörungen gesperrt. Kunstgewerbemuseum getroffen, alle Fenster zerhaut, Urania. Am Vormittag ein neuer Angriff, der vornehmlich auf Favoriten gerichtet war, wo angeblich die schöne große Antoniuskirche zerhaut wurde. 7. 11. 1944  : Wieder Alarm. Sie waren abermals über dem Stadtkern, ließen uns aber in Ruhe. Betreuungsstelle, aufgeregte Szenen. Die Leute besonders jetzt geängstigt, weil viele 1244 Möglicherweise Hannibal Leschanofsky (1878–1945). 1245 István Horthy (1904–1942)  ; Miklós Horthy junior (1907–1993). 1246 Magdolna Horthy (1881–1959).

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Blindgänger liegen geblieben und auch Zeitzünderbomben abgeworfen wurden. Immer wieder gibt es starke Explosionen, sehr viele Opfer. Die Dominikaner und die Akademie der Wissenschaften getroffen. 8./10. 11. 1944  : Betreuungsstelle. Das große Elend anhören müssen. Frau Pernter, die wiederum starken Schaden haben, braucht Bezugscheine für Schuhe, weiß nicht, was mit ihrem Mann geschehen ist. – Wieder ein neuer Volksgerichtsprozeß mit Todesurteilen. Angeblich Bevorstehen neuer Maßnahmen gegen jüdische Mischlinge. 11./12. 11. 1944  : Urbas meinte heute, daß die Dinge doch im Laufe dieses Jahres aus sein würden, wenigstens hier bei uns, die Russen kämen doch unaufhaltsam weiter. Hier würden dann gleichzeitig die andern mit Fallschirmtruppen kommen. – In Rumänien sollen sich die Russen viel gesitteter, als wie man es gemeiniglich hört, laut Berichten von Augenzeugen, die inzwischen hieher gelangt sind, benommen haben. Salzburg wurde gestern wieder angegriffen. – Bei Meißl & Schadn wüstes Eindringen der Altreichler. 13. 11. 1944  : Unterhaltung mit verschiedenen hiesigen Pg.’s, die alle sehr bald auf die Altreichler zu schimpfen begannen und sich die guten alten Zeiten zurückwünschten. Im Radio berichtet jemand über die Mißhandlung durch Juden in der amerikanischen Kriegsgefangenschaft. Merkwürdig, wie schlecht dieser Mann sprach. Überhaupt läßt die deutsche Diktion im Rundfunk sehr zu wünschen übrig. Vor einigen Tagen hörte ich einen sagen  : »Als ich an zu reden fing.« Qualitativ überhaupt sind die Radiodarbietungen sehr zurückgegangen. Bei der gestrigen Aufführung des 1. Aktes der »Walküre«, bei der Lorenz und die Teschemacher sangen, gab es fortgesetzt tiefere Detonierung. 16. 11. 1944  : Kongreß der von der Sowjetunion unterjochten Völkerschaften in Prag auf der Burg mit gewissen Leitsätzen  : Freiheit der Arbeit, Rückführung der Ländereien ins Eigentum der Bauern usw. Warum hat man dieses Programm nicht gleich nach dem Einmarsch verkünden lassen, wo man noch den besseren Teil Rußlands in der Hand hatte und dadurch die beste und wirksamste Propaganda gegen die Bolschewiken hätte machen können. – Bei Tisch erzählt einer von einer Bekannten, die Protektoratsangehörige, jetzt hier zur Arbeit veranlaßt sei, 11 Stunden gegen 21 Mark die Woche. Derselbe erzählt vom Salzburger »Österreichischen Hof«, wo sich eine Menge junger Leute in neuer Ordenstracht treffe und üppig mit mitgebrachten Cognacs und anderen hochalkoholischen Getränken auf einen Satz mehr Fleisch vertilge als wie der gewöhnliche Volksgenosse in der Woche essen dürfe. Derselbe

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erzählt dann noch vom Luftschutzkeller am Mozartplatz, wo ein SA-Mann, der den »Gourmet« arisiert habe,1247 jedes Mal mit einer Dogge sich einfinde, die sich auf einem der Betten niederlasse und trotz der Proteste der anderen nicht stören lasse. Ein mutiger Wiener habe ihm kürzlich schon bedeutet, er möge dorthin gehen, woher er gekommen sei, worauf der Mann antwortete  : »Ja, wenn es einmal geschehen sollte, aber vorher wird hier noch etwas anderes geschehen.« Öfters hört man jetzt solche Äußerungen, die doch erweisen, daß die Leute aufbegehren. 17. 11. 1944  : Alarm. Sehr heftige Detonationen in unserer Nähe. Dennoch war diesmal unser Bezirk nicht beteiligt. Sie waren mehr in der Leopoldstadt an der großen Donau. Das Licht setzte aus und später hörte ich, sie seien auch im Cottage, Währing und Alsergrund gewesen. 18. 11. 1944  : Wieder Alarm, abermals das Fasanviertel drangekommen, auch im 4. Bez. sind Brände. Immer wieder hört man, wie die Zeitzünder losgehen. Das Heer ist jetzt auch nazifiziert worden. Während bisher die Mitgliedschaft zur Partei beim Heer aussetzte, ist der einschlägige Artikel des Wehrgesetzes dieser Tage aufgehoben worden. Damit ist auch die seinerzeitige Erklärung Adolf Hitlers, die er nach dem Röhmputsch im Reichstag abgegeben hatte, gegenstandslos geworden. Damals hatte er die strenge Scheidung zwischen Heer als unpolitischem Faktor und Partei als politischem Instrument betont. – In Belgien geht die Regierung1248 gegen die Linksbewegung los und setzt mit Unterstützung durch die Okkupationsbehörde die Waffenablieferung durch. Sogar Versammlungen werden in Brüssel verboten. 19. 11. 1944  : Alarm am Sonntag. Die Betreuungsstelle war ein großes Jammerbild. Das Belvedere getroffen. Angeblich befindet sich dort im Garten der Bunker des Polizeipräsidenten1249 und die Luftschutzbefehlsstelle. Auch waren dort, wie ich selbst gesehen habe, Einrichtungen der Flugwaffe im Park. 20. 11. 1944  : Alarm, unser Bezirk verschont, aber die eigentliche Stadt getroffen und sie scheinen mehr in der Tschechei und Slovakei sich herumgetrieben zu haben. Die Meldun1247 Nicht zu eruieren. 1248 Regierung Hubert Pierlot (1883–1963), 26. September/6. Oktober 1944 bis 2. Februar 1945 Ministerpräsident. 1249 Leo Gotzmann (1893–1945).

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gen waren übrigens eher konfus. Keine Fliegerabwehr, nur wenig Flakschießen. Das wirkt natürlich auch auf die Stimmung. Denn wenn nachher gesagt wird, daß durch Flakartillerie ein paar 4-Motorige abgeschossen seien, besagt das gar nichts für die eigentliche Stimmung. Großer Andrang in der Betreuungsstelle. 23. 11. 1944  : Betreuungsstelle, Luftgefahr. Sie waren in Bayern. Am Abend Alarm. Einige schnelle Kampfflugzeuge waren in der Gegend des Neusiedlersees. Vorgestern wurden die Nordbahnbrücke und die Stadlauer Brücke angegriffen und schwer beschädigt. Der Eisenbahnverkehr ist also nach Norden nur mehr über die Nordwestbahn möglich. Das wird sich wohl auch für die Lebensmittel- und Kohlenversorgung Wiens auswirken. In der H.-gasse1250 und in einer anderen Gasse sollen je 4 Waggon Butter zerhaut worden sein, es sollen überhaupt die Lebensmittelmagazine angegriffen werden. Im Elsaß scheint den Angelsachsen ein Durchbruch gelungen zu sein. 26. 11. 1944  : Betreuungsstelledienst. Die Angelsachsen haben seit einigen Tagen Straßburg in der Hand, wo nur geringer deutscher Widerstand möglich war. Überdies ein Durchbruch an der schweizerischen Grenze, wo aber der deutsche Bericht sagt, daß die andern in der Klemme seien. Feindpropagandanachrichten, daß Hitler krank ist. 27. 11. 1944  : Betreuungsstelledienst. Es wird von bevorstehenden Flugangriffen gesprochen. 28. 11. 1944  : Ermüdender Betreuungsdienst. 29. 11. 1944  : Weiterer Rückzug. Auch an der Westfront kommen die andern immer wieder vorwärts. Wie stellt sich die deutsche Heeresleitung die weitere Entwicklung vor  ? Spekuliert sie wirklich auf den Zerfall der andern  ? Von der neuen Waffe wird ja überhaupt nicht mehr gesprochen. 30. 11. 1944  : Mit F. Coll.1251 zusammen. Erzählt, daß auf einem Gut bei Deutschlandsberg, also 40 km von Graz entfernt, eine slovenische Bande aufgetaucht sei und den Förster, den sie mit einem Nazi verwechselt habe, bestialisch umgebracht habe. In der Steier1250 Nicht zu eruieren. 1251 Ferdinand Colloredo.

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mark sei ein Förster, der gegen den Herzog von Hohenberg machiniert habe, von Angehörigen des angeblichen Österreichischen Freiheitsbundes umgebracht worden. 1. 12. 1944  : Feindlicher Druck im Raum von Aachen und im Elsaß. Auch in Ungarn werden die Bewegungen des Feindes großzügiger. 2. 12. 1944  : Wie gestern Dienst in der Betreuungsstelle. Alarm durch 3 Stunden. Die Meldungen sprachen aber nur von Flügen in der Slovakei und in Mähren sowie Oberschlesien. Dann kamen sie aber trotzdem herüber und hauten an der Donau und am Prater­ stern verschiedenes zusammen. 3. 12. 1944  : Voralarm. Abermals das Fasanviertel, die Aspangbahngegend und der Gürtel. 5. 12. 1944  : Von zwei verschiedenen Seiten Gerüchte gehört, daß in spätestens 4 Wochen deutscherseits neue Waffen angewendet würden mit fürchterlicher Durchschlagskraft. Das Heer wisse dies und halte deswegen so bewunderungswürdig aus. Der eine erzählte, man würde von Unterseeboten aus, eine noch stärkere Waffe wie die V 2 gegen Amerika anwenden. Es wäre höchste Zeit. Die Engländer sind gestern in Ravenna eingezogen und die Russen stehen schon am Plattensee, haben die Save bei Mitrowitza überschritten und stehen vom Süden aus 60 km vor Budapest. Saarbrücken von 10 km entfernten Positionen beschossen. – Schirach hielt gestern eine Rede vor der politischen Führerschaft des Reichsgaues Wien und sagte darin u. a., mit der Berufung des Reichsführers Heinrich Himmler zum Befehlshaber des Ersatzheeres sei – dem Willen des Heeres und der ganzen deutschen Nation entsprechend – der stärkste Mann an die entscheidende Stelle berufen worden. Auch Wien werde immer wieder von feindlichen Fliegern angegriffen. Wir hätten viele tausend Männer, Frauen und Kinder aus der Gemeinschaft unseres Reichsgaues verloren, Kirchen und andere Kulturdenkmäler seien auf immerdar zerstört. Aber, wenn wir auch diese edlen Wahrzeichen der Kunst usw. unserer Vorfahren verlören und wenn wir auch vielleicht die Wohnstätten verlieren müßten, die unser Heim sind, eines würden wir nie verlieren, nie preisgeben  : den Boden der Heimat und damit auch die Freiheit und die Zukunft unserer Kinder. »Wir werden die Erde, auf der wir stehen, bis zum Letzten behaupten und es soll uns in der Stunde unserer geschichtlichen Bewährung niemand schwach und feige finden.« Ruhig und fest stehe der Führer vor uns in dieser Zeit, er halte das große Geheimnis dieses Krieges in seiner Hand. Bei ihm und nicht bei unseren Feinden liege die Entscheidung. Denn, wenn wir nur seinem Beispiele folgten mit gleicher Ruhe und glei-

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cher Gelassenheit, auch mit gleicher Standhaftigkeit tapfer das durchstehen, was uns nun erwartet, dann würden wir nach seinem Willen das deutsche Schicksal wenden. Mehr denn je glaube er, Schirach, an ihn, glaube er an sein Volk. »Diese Heimat und diese Herzen gehören unserem Führer Adolf Hitler und ihm seien sie gelobt.« Ich  : hiemit wird das erste Mal zugegeben, daß viele Tausende bisher den Bombenangriffen zum Opfer gefallen sind. Aus den bisher veröffentlichten Zahlen ist eine so große Anzahl nicht anzunehmen gewesen. Warum aber, wenn Schirach so zuversichtlich spricht, hat er seine eigenen Sachen aus Wien in Sicherheit gebracht, fragen sich die Leute. Er sprach auch von dem sozialen Willen und der nationalsozialistischen Haltung der Volkssturmleute, von denen einige über 60 Jahre seien, wovon er sich habe überzeugen können. Daß dieser von den aktiven Generälen »junger Bursche« genannte Politiker sich diese anmaßliche Sprache erlauben darf, dessen sogenannte Frontdienstleistung ein Hohn für das Soldatentum gewesen sein soll  ! 7. 12. 1944  : Die Rede Schirachs hat ungünstig gewirkt. Die Frauen sagen, er hat leicht reden. Gestern noch Alarm. Die Stadt wurde in Ruh’ gelassen. Heute waren nur einzelne Flugzeuge hier. Es wurde auch geschossen. 8. 12. 1944  : Wieder Alarm ohne Schaden für die Stadt. 9. 12. 1944  : Alarm, nichts Besonderes. 10. 12. 1944  : Major K.1252 getroffen. Sein Chef (a. D.)1253 habe die Lage sehr zuversichtlich beurteilt. – In Ungarn stehe es etwas schlecht, weil die ungarischen Truppen und die Führung unzuverlässig seien, sehr viel Überläufer. In Rußland Unruhen, sowohl in Moskau wie besonders in der Ukraine. Sehr starke Partisanenbewegung gegen die Russen. Nach wie vor äußerste Disziplin notwendig. Jede, gegen das Regime sich wendende Haltung, werde unbarmherzig unterdrückt werden. Wer sich mit den andern einlasse, werde sofort bestraft werden. In kürzester Frist lebe er nicht mehr. 11. 12. 1944  : Alarm. Schwere Angriffe auf die Süd- und Ostbahngegend, die in hellen Flammen stand, dicker Rauch aus der Gegend kommend, die Sonne ganz verfinstert, lange 1252 Karl Wildner. 1253 Nicht zu eruieren.

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Zeit Aschenregen. Der Verkehr auf der Staats- und Südbahn ist von Wien aus nicht mehr möglich. Die Strecken sind bis Münchendorf und Mödling gesperrt, ja bis Guntramsdorf. Schnellzüge auf der Ostbahn (Bruck an der Leitha) werden von der Westbahn aus geleitet. Auf der Staatsbahn ist ein Personenverkehr überhaupt erst jenseits der Donau möglich. Auf der Franz Josefsbahn (Tulln) muß eine schwere Unterbrechung sein, da die Fernzüge über die Nordwestbahn gehen. 12. 12. 1944  : Ein aus Odessa gebürtiger Litauer Rechtsanwalt,1254 der sich schon mehrere Monate hier aufhält, erzählte mir heute, daß sich bis vor nicht allzu langer Zeit gegen 10.000 Litauer hier befunden hätten. Er selbst sei schon lange vor der Räumung Litauens hieher zum Studium der deutschen Sprache geschickt worden und lebe jetzt von seinen Ersparnissen. Die meisten Litauer seien inzwischen in die Provinz gezogen. Ein Bekannter von ihm habe es hier nicht ausgehalten, habe sich zu Schanzarbeiten in Ostpreußen gemeldet, sei aber ganz enttäuscht von dort zurückgekommen und jetzt in die SS eingeteilt. Im Heeresarchiv sah ich die 2 Geschütze, die beim Scharfschießen zersprungen sind. – Großes Aufsehen im Publikum, weil der deutsche Heeresbericht um 3 Uhr gemeldet hatte, daß beim Luftangriff auf Wien auch das Burgtheater und die Staatsoper zerstört worden seien. Sehr fatal, weil diese Meldung von der Auslandpropaganda gegen die deutsche Berichterstattung ausgenützt werden wird und dadurch der ohnedies nicht feste Glaube an die Verläßlichkeit des Heeresberichtes weiter erschüttert wäre. 13. 12. 1944  : Alle Buttermaschinen und Butterfässer sind beschlagnahmt, offenbar weil Molkereien getroffen worden sind. Seit gestern auch zeitweilige Gassperre, unser Bezirk am Montag. – Wieder einmal Schulung für die Betreuungsstelle. Man ist darauf gekommen, daß die liberale Ausstellung der Betreuungskarten von Übel ist. Sie wird also beschränkt werden, aber um Gottes Willen niemanden bei der faktischen Handhabung vergrämen. Einzelne Leute meutern noch immer. Unser Bezirk Landstraße ist der am meisten getroffene  : 18.000 Betreute, d. h. also jeder 6. Bei uns sind auch die schwersten materiellen Schäden. 14. 12. 1944  : Besuch bei Exzellenz Pogatscher, wo Offiziersgesellschaft. Ein bekannter Ritterkreuzträger1255 mußte hier erfahren, daß er in der Filmwochenschau mit vollem Namen aufgenommen worden sei, wobei ihm das Kreuz von Hitler selbst überreicht wurde, während 1254 Nicht zu eruieren. 1255 Nicht zu eruieren.

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er tatsächlich das Kreuz nur von seinem Obersten bekommen hatte. Diese Nachricht wurde im hiesigen Kino verifiziert. Ein anderer Offizier,1256 der die Goldene Spange von Hitler bekommen hatte, schildert ihn als Mann mit seltsam unstetem Blick, der nur mit Mühe die Überreichung vornehmen konnte, als ob er gelähmt wäre. Deswegen wird wohl jetzt die Überreichung von Himmler vorgenommen. Der Film, betreffend die Zusammenkunft mit Szálasi ist offenbar vom Doppelgänger gestellt worden. 17. 12. 1944  : Wieder Alarm. Sie flogen anscheinend nur in die Slovakei und ins Protektorat sowie über unsere Staatsbahnstrecke. Major K.1257 erzählt von militärischer Seite über den Generalstab, daß man viel davon spreche, man würde im Jänner durch die neue Waffe ganz anders dastehen und bald wieder am Atlantik stehen. Ähnliche Redereien von Pg.-Seite, daß sogar Rußland wieder angegriffen und man bis Stalingrad gehen würde. Die Verwüstungen auf der Wieden, Prinz Eugen-Straße, Plösslgasse, Theresianumgasse angeschaut. Der Ostbahnhof ist ganz ausgebrannt, andere stehen gebliebene Waggons von den Dachkonstruktionen zerdrückt worden, ebenso das Postamt, dann die obere Favoritenstraße, die Antoniuskirche eine Ruine. 18. 12. 1944  : Alarm. Sehr ernst. Die Bombeneinschläge spürte ich so nahe, daß ich wieder für unseren Bezirk oder für die Donaugegend fürchtete. Tatsächlich blieben wir aber verschont, dagegen kam die Pratergegend, Reichsbrücke, Kaisermühlen dran. Den Hauptteil mußten aber die Bezirke um die Vorortelinie über sich ergehen lassen, Lainz, Speising, 17.-19. Bezirk, auch Simmering. Der heutige Heeresbericht brachte die Nachricht, daß an der Westfront die deutsche Offensive begonnen habe. Abends Unterhaltung mit Ges. Kral, der jetzt auf Berlin sehr schlecht zu sprechen ist. Er hätte bei seiner Außenpolitik nur lauter Fehler begangen, insbesondere auf dem Balkan und schon gar in Albanien, wohin eben nur lauter unfähige Leute geschickt worden seien. 20. 12. 1944  : Alarm, nur kurz. Sie waren in Oberösterreich und in Böhmen und scheinen nur auf Eisenbahnen loszugehen. Auf der Kärntnerstraße stoben die Leute, als die Sirenen heulten, auseinander wie gescheuchte Hasen auf der Flucht und rannten davon. 22. 12. 1944  : Die Vorgänge in Athen sind nicht recht verständlich. Man hätte meinen sollen, daß die Griechen besser getan hätten, wenn sie sich die sogenannte englische Invasion 1256 Nicht zu eruieren. 1257 Karl Wildner.

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vorderhand gefallen und sich von den Engländern mit Lebensmitteln aushalten ließen, bis der Abzug der Truppen veranlaßt würde. Stecken dahinter die Russen  ? Im englischen Parlament wurde aber erklärt, daß keine Anzeichen dafür vorlägen, daß hinter der EAM/ELAS die Deutschen stecken, sondern nur Rußland habe ein Interesse daran, das Festsetzen der Engländer zu verhindern, weil Rußland selbst zur Ägäis will, um die Dardanellen noch sicherer in der Hand zu haben. Deswegen läßt man auch im Epirus die Griechen zurückdrängen, um die Mazedonier und die Albanesen dorthin zu bringen. – Die Leute hier wollen nicht recht an die Durchschlagskraft der neuen deutschen Offensive glauben. Sie reden immer wieder von Entlastungsoffensive wie sie im Jahre 1918 erfolgte, aber Rundstedt hat sich bisher noch immer als ernster Stratege gezeigt. Alarm. Sehr kleine Abteilungen waren in der Slovakei und in Ungarn (Raab). Hier über Wien nur einzelne Flieger, die offenbar beobachten mußten. 23. 12. 1944  : Die Parteileute sind wieder sehr hochgemut. Die deutsche Angriffsbewegung hat die Zuversicht sehr gehoben. Tatsächlich sind Engländer und Amerikaner sehr betroffen und ihre Rechnungen sind über den Haufen geworfen. In Ungarn dringen die Russen noch immer vorwärts, besonders in Nordungarn, wo sie bis Gran vorgerückt sind. 24. 12. 1944  : Die Nachrichten über Unruhen in der Ukraine werden wiederholt. Man sieht aber aus ihnen keine Rückwirkung auf die Kriegsführung der Russen. Ob sie nicht von ihnen selbst verbreitet werden  ? Die Nachricht, daß Marschall Timoschenko unzuverlässig geworden sei und daß Stalin in einem eigenen Befehl vor ihm gewarnt habe, scheint auf das gleiche Blatt zu gehören. Jedenfalls dringen die Russen bei Budapest auf beiden Seiten vor und die Zeitungsartikel, die die hiesigen Blätter hier schreiben dürfen, spielen förmlich mit der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, daß der Russe die Stadt nehmen werde. Auf dem Semmering soll übrigens schon Quartier für die ungarische und für die kroatische Regierung gemacht werden. 25. 12. 1944  : Wieder Alarm. Spaziergang in Heiligenstadt beim Haus des Schirach vorüber auf der Hohen Warte. Die Villa soll längst ausgeräumt sein. Das macht sich gut  ! Sie bringen sich in Sicherheit und von den andern verlangen sie, daß sie hier aushalten sollen. – In Ungarn gehen die Russen energisch vor, um die Verbindung mit den Tschechen zu bekommen und das oberschlesische Gebiet aufzurollen. Heute wiederum Nachrichten, daß die Partisanenkämpfe in der Ukraine sehr ernst sind. Sie selbst lassen unterirdisch anderswo arbeiten, so in Griechenland, wo sie den Engländern durch

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die ELAS lauter Schwierigkeiten bereiten und im Übrigen die Unordnung auf dem Balkan durch das Vorprellenlassen der Albanesen und Mazedonier nach dem Epirus schüren. 26. 12. 1944  : Die Kohlenlage soll jetzt so grotesk sein, daß die Betriebe nur 1/10 ihres bisherigen Bedarfes bekommen können. Die Bahnen sind auf der Westbahnstrecke bis Regensburg verstopft. 27. 12. 1944  : Auf der Westbahn kann man nur bis Amstetten fahren. Man muß dann über Selztal ausweichen. – Hudeczek bei mir, sehr betroffen, verwahrt sich dagegen, daß er, wie man es von ihm erzähle, eine so großartige Stellung im Außenamt gehabt habe, er sei nur ein kleiner Referent gewesen  ; das Bleiben der Österreicher werde nicht mehr lange sein, er sei auch auf die letzte Liste der zur Disposition zu Stellenden gesetzt gewesen, leider aber davon gestrichen worden  ; er überlege jetzt, ob er sich nicht irgendwie drücken solle, natürlich könnte er einen höheren Posten bei uns in der Industrie, in der Credit-Anstalt, Länderbank usw. bekommen, was aber sehr ungeschickt wäre, weil er, wenn er es täte, dann für das Kommende unten durch wäre. So müßte er gegebenenfalls in einer kleinen Stellung als Buchhalter in einer Tiroler Papierfabrik unterzukommen trachten, die hiesige Wohnung unterdessen vermieten. Hier würden schon die Listen für das Kommende zusammengestellt. Guido Schmidt habe ihm schon vor 2 Jahren bemerkt, er solle nicht den Anschluß versäumen. Von Clodius erzählte er, es sei gesagt worden, daß er im russischen Radio gesprochen habe. Er halte es durchaus für möglich, daß Clodius auf eine andere Umstellung schon früher gedacht habe, weil er in der Nazipartei keine rechte Stellung gehabt habe. Im Auswärtigen Amt würden jetzt alle Leute, die mit Ausländerinnen verheiratet seien, abgebaut. Natürlich gebe es auch da Ausnahmen. Der Fall von Pest sei nur eine Frage von Tagen. Die Offensive an der Westfront werde ebenfalls sehr bald zusammenbrechen. Das Ganze dürfte sich bis in den Sommer hineinziehen. Die Russen benähmen sich in Ungarn anständig und trachteten nur, die nationalistische Stimmung zu steigern. Eigentlich seien wenig Leute aus Ungarn und Pest geflüchtet. Die besseren Leute glaubten überhaupt, daß man die Arbeiter werde zurückhalten können, dies durch nationalistische Motive, und daß man wieder aus der Sache heraussteigen werde können. Die Russen hätten es jetzt auf die Slovakei, die Tschechei und Oberschlesien abgesehen. Die Lage der in Montenegro und angrenzend aufgehaltenen Armeen sei katastrophal. Die Leute seien in Sommerausrüstung und kämen nicht vorwärts. Man habe sie viel zu spät zurückgerufen. Wären sie rechtzeitig mit den in Rumänien und Griechenland eingesetzten Armeeteilen herausgekommen, so hätte man die Russen besser abhalten können. Unbegreiflicherweise seien auch die

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Pässe der Karpathen gegen Rumänien nicht rechtzeitig und richtig befestigt worden. Kroatien werde auch im Stiche gelassen werden müssen. Der kroatische Innenminister,1258 mit dem er, Hudeczek, eben aus Berlin gekommen war, hatte ihm gegenüber gemeint, daß die neue Front so verlaufen werde, daß Agram verlassen werden würde. Das Auswärtige Amt habe nichts zu tun, ein kleiner Klüngel, Leute gleichen Alters, suche sich zu halten und dränge die andern hinaus usw. – [28.] H. [Hansi]1259 bei mir, regt sich über seinen Beruf auf. Der Generalstab versage in seiner jetzigen Erziehung und Einstellung. Zu Beginn des Krieges habe man auch an Rückschläge gedacht und dementsprechend vorbereitet. Sie seien dann zurückgezogen worden, so daß für diesen Fall überhaupt keine Schulung bestehe. Die jetzigen Generalstäbler hätten keine richtige Stabsvorbildung, seien zum größten Teil energische Frontoffiziere, die weder taktisch und schon gar nicht operativ richtig gebildet seien usw. – Wieder Alarm, wie alle Tage dieser Woche. Sie waren über dem Stadtkern, ohne aber etwas anzurichten. – Einschränkung des Straßenbahnverkehrs. Angeblich ist das Werk in Opponitz getroffen worden. 29. 12. 1944  : Besuch beim alten Peter.1260 Er erzählt von Hold-Ferneck, daß er stets bereit war, alles Mögliche zu machen, um Wünsche des Generalstabes bis über das Kriegsministerium zu erfüllen. Auf ein Schreiben des Kriegsministeriums, das fragte, was man machen könnte, um die Mobilisierungsvorschriften in Liechtenstein durchzuführen, schlug Hold-Ferneck in einem Amtsvortrag vor, an Liechtenstein den Krieg zu erklären, worauf ohne weiters die Vorschriften angewendet werden könnten. Peter zeigte empört dieses Stück dem damaligen Sektionschef Müller,1261 der käsebleich vor Wut fragte  : »Wer hat diesen Unsinn geschrieben  ?« Der Akt wurde daraufhin verbrannt. Von Leeper, großbritannischer Botschaftssekretär, erzählte er, seine Frau1262 habe einen bestellten Hut, der ihr nicht mehr gefiel, nicht bezahlen wollen, worauf die Putzmacherin Beschwerde erhob und Peter deswegen mit dem englischen Gesandten1263 sprechen mußte. 30. 12. 1944  : In Pest ist der letzte Kampf im Gange. Was wird mit den Armeeteilen geschehen, die östlich und nordwestlich von Pest sind  ? Sie sollen sich offenbar nur zum Aufhal-

1258 Mate Frković (1901–1987). 1259 Hans Wildner junior. 1260 Franz Josef Peter (1866–1957). 1261 László Müller (1855–1941). 1262 Janet Leeper. 1263 Aretas Akers-Douglas (1876–1947).

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ten opfern. – Rede des Bürgermeisters1264 an die Gemeindeangestellten. Sprach vom Sieg, nach dem Wien neue Aufgaben zufallen würden. – Die Offensive wird jetzt ganz offen im Heeresbericht als einfache Entlastungsoffensive bezeichnet. 31. 12. 1944  : Alles ist froh über die angebliche Bestellung von 2 amerikanischen Kommissaren,1265 die für Österreich für den Fall der Besetzung bestimmt worden seien.

1264 Hanns Blaschke. 1265 Nicht zu eruieren.

A N H A NG

Gertrude Enderle-Burcel/Roland Starch

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge1 8. 1. 1938 Pester Konferenz – Am 11. und 12. Jänner fanden in Budapest die in den »Römischen Protokollen« von 1934 vorgesehenen periodischen Besprechungen statt. Schuschnigg war anwesend. Österreich wies die Aufforderung zurück, aus dem Völkerbund aus- und dem Antikominternpakt (ein am 19. November 1936 zwischen Deutschland und Japan abgeschlossener Pakt gegen die Sowjetunion) beizutreten. Die Paktmächte der Römischen Protokolle – Österreich, Italien und Ungarn – hatten eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der die »Achse Berlin–Rom« einbezogen und die Anerkennung der Franco-Regierung angekündigt wurde. Achse Rom–Berlin – Am 25. Oktober 1936 wurde ein geheimer Freundschaftsvertrag zwischen Italien und dem Deutschen Reich geschlossen. Wenig später, am 1. November 1936, verkündete Mussolini in einer Rede die »Achse Berlin–Rom«, die eine Annäherung in der antikommunistischen Politik und eine Abstimmung der Expansionsinteressen bringen sollte. Zudem waren wirtschaftliche Vereinbarungen vorgesehen. Diese Annäherung fand im Stahlpakt, dem militärisch-wirtschaftlichen Bündnis vom Mai 1939 ihren stärksten Ausdruck. Komintern  – Kommunistische Internationale, III. Internationale  ; internationaler Zusammenschluss der Kommunistischen Parteien, die als nationale Sektionen der Komintern fungierten. Sie bestand von 1919 bis 1943 mit Sitz in Moskau. »Faniteum«  – Zwischen 1894 und 1896 ließ Karl Lanckoroński das Faniteum im Wiener Stadtteil Ober Sankt Veit als Mausoleum für seine zweite, im Kindbett verstorbene Frau, Franziska Xaveria von Attems-Heiligenkreuz, genannt »Fani«, errichten. Rout  – Redoute, veraltet österreichisch für Maskenball, Ball.

1 Die Erläuterungen beschränken sich auf die wichtigsten im Text vorkommenden Begriffe. Den Zeitungsartikeln wurde nur nachgegangen, wenn dies online kostenlos möglich war. Deutsche Zeitungen sind erst bis 1920 digitalisiert. Die geografischen Angaben wurden nicht in das Geografische Register aufgenommen. Textstellen in Kursivschrift geben allgemeine Hinweise zum historischen Geschehen, die im Wildner-Text nicht explizit angesprochen werden.

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12. 1. 1938 Steenokkerzeel  – Im Oktober 1929 zog Zita Habsburg mit ihren Kindern nach Belgien, um Otto Habsburg ein Studium an der katholischen Universität Löwen zu ermöglichen. Der Wohnsitz war Schloss Ham in Steenokkerzeel, in der Nähe von Brüssel. Am 10. Mai 1940 verließ die Familie beim Einmarsch der deutschen Truppen Belgien. 17. 1. 1938 Ministerr at – K rieg gegen die Pr ager – Der nächstfolgende Ministerrat fand am 4. Februar 1938 statt. Er enthielt keinen Tagesordnungspunkt zu Spanien. Tagesordnungspunkt 21 betraf die Verträge mit der Tschechoslowakischen Republik über die Grenzänderungen aus Anlass der Marchregulierung. Rotspanien – Abwertend gemeinte Bezeichnung für das republikanische Spanien, das 1939 von Franco besiegt wurde. Jänner/Februar 1938 – Blomberg-Fritsch-Krise – Durch Vorwürfe über angebliche Affären entledigt sich Hitler zweier militärischer Kritiker  : Reichskriegsminister und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Werner von Blomberg, und Oberbefehlshaber des Heeres, Werner von Fritsch. 4. 2. 1938 Jugoslawische Verh andlungen – Bei seinem Treffen mit Hitler in Berlin am 17. Jänner 1938 hatte der jugoslawische Ministerpräsident Stojadinović die Erklärung abgegeben, die österreichische Frage sei für Jugoslawien eine rein innere Angelegenheit des deutschen Volkes. 6./8. 2. 1938 K irchenfürsten/Bischofsball  – Am 6. Februar 1938 gaben die Bischöfe Österreichs einen prunkvollen Empfang für mehr als 1000 Gäste in der Wiener Hofburg, auf dem die bevorstehende Realisierung der Katholischen Universität in Salzburg präsentiert wurde. Siehe »Reichspost«, 7. Februar 1938, S. 3 f. 12. 2. 1938 Obersalzberg – Das Treffen zwischen Schuschnigg und Hitler wurde von Papen vorbereitet. Schuschnigg musste bei seinem Treffen mit Hitler auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden unter Druck eine Reihe von Zusagen machen, u. a. Amnestie für Nationalsozialisten, Aufnahme nationalsozialistischer Minister in die Regierung, Ersetzung von Generalstabschef Alfred Jansa durch Franz Böhme (am 17. Februar 1938 erfolgt).

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14. 2. 1938 A bmachung vom 11. Juli – Das sogenannte »Juliabkommen« von 1936 war ein österreichisch-deutsches Verständigungsabkommen, in dem die deutsche Reichsregierung die volle Souveränität Österreichs anerkannte und die Frage des österreichischen Nationalsozialismus als eine innere Angelegenheit bezeichnete. Eine Folge des Juliabkommens war die Aufnahme »Nationalbetonter« in die Regierung (Edmund Glaise-Horstenau und Guido Schmidt). Österreich erwartete sich eine zumindest zeitweise Absicherung der Eigenstaatlichkeit sowie eine Stärkung des Fremdenverkehrs und des Exports. 16. 2. 1938 Neues K abinet t – (Bundesregierung Schuschnigg IV, 16. Februar bis 11. März 1938) – Aufgrund des Berchtesgadner Abkommens wurden zwei österreichische Nationalsozialisten, Seyß-Inquart als Sicherheitsminister und Glaise-Horstenau als Minister ohne Portefeuille in die Regierung aufgenommen. 17. 2. 1938 M aiverfassung von 1934 – Als Maiverfassung 1934 wird die am 1. Mai 1934 geschaffene Verfassung bezeichnet. Die Grundprinzipien dieser am 1. Mai 1934 verkündeten – oktroyierten – neuen Verfassung waren »christlich-ständisch-autoritär.« In der Präambel hieß es  : »Im Namen Gottes des Allmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seinen christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung.« Die Errichtung des sogenannten »Ständestaates« mit einem Scheinparlament wurde damit verwirklicht. Vaterländische Front – Die Vaterländische Front wurde im Mai 1933 von der Bundesregierung unter der Führung von Dollfuß als Sammelbecken aller »regierungstreuen« Kräfte in Österreich gebildet. Die Vaterländische Front sollte nach Auflösung der Parteien Träger der politischen Willensbildung sein. Sie war als Trägerin des österreichischen Staatsgedankens konzipiert, mit dem Ziel einer politischen Zusammenfassung aller Staatsbürger, auf dem Boden eines selbständigen, christlichen, deutschen, berufsständisch gegliederten Bundesstaates Österreich. Deutsche A rbeitsgemeinsch aft – Die Österreichisch-deutsche Arbeitsgemeinschaft wurde 1919 als überparteiliche Organisation zur Propagierung des Anschlusses an Deutschland gegründet.

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18. 2. 1938 A lpine  – Die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft war eine mehrheitlich in deutschem Besitz (Vereinigte Stahlwerke Düsseldorf) stehende Aktiengesellschaft. Sie unterstützte die Heimwehren und in den 1930er-Jahren die NSDAP. 9. März 1938 Bundeskanzler Schuschnigg verkündet den Plan einer Volksbefragung über die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit Österreichs für den 15. März. 10. 3. 1938 Volkspolitisches Refer at – Es wurde im Rahmen der Vaterländischen Front im Juni 1937 mit dem Ziel gegründet, die »betont Nationalen« an die Vaterländische Front heranzuführen. 11. 3. 1938 Meissl & Sch a dn – Restaurant des Hotels am Neuen Markt im ersten Wiener Gemeindebezirk. Seyß-Inquart und Glaise-Horstenau setzen Bundeskanzler Schuschnigg unter Druck. Sie verlangen von Schuschnigg die Absage der Volksbefragung binnen einer Stunde. Nach Absage durch Schuschnigg erfolgte die Forderung nach seinem Rücktritt und die Einsetzung von Seyß-Inquart als Bundeskanzler, da sonst der Einmarsch deutscher Truppen erfolgen werde. Schuschnigg tritt zurück (19 Uhr 25 Abschiedsrede im Rundfunk). 12. März 1938 Seyß-Inquart bildet eine nationalsozialistische Regierung (bis 13. März 1938). Deutsche Truppen überschreiten in den Morgenstunden an mehreren Stellen die Grenzen Österreichs. 13. März 1938 Mit dem Gesetz über die »Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich« beginnt die Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes in Österreich. Bundespräsident Wilhelm Miklas weigert sich, das Gesetz zu unterzeichnen  ; Rücktritt des Bundespräsidenten. 15. März 1938 Hitler hält Rede auf dem Heldenplatz in Wien. Im Hotel Imperial kommt es zu einer Aussprache zwischen Kardinal Innitzer und Hitler.

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16. März 1938 Nur Chile, China, Mexiko, die Republik Spanien und die Sowjetunion erheben offiziell Protest gegen den »Anschluss« Österreichs. 18. März 1938 Kardinal Innitzer bestellt für den 18. März 1938 die Bischöfe zu einer außerordentlichen Bischofskonferenz nach Wien, wo diese eine »Feierliche Erklärung« unterzeichnen, die am 27. März 1938 in den Kirchen verlesen wird. Der Text und das Begleitschreiben stammen von Bürckel. Die Bischöfe drücken darin ihr Wohlwollen gegenüber dem Nationalsozialismus aus und empfehlen, dem »Anschluss« Österreichs an Deutschland (bei der geplanten Volksabstimmung am 10. April 1938) zuzustimmen. Das Begleitschreiben enthält ein handschriftliches »Heil Hitler« von Innitzer. Die Bischöfe wollten das Verhältnis mit der neuen Regierung nicht stören, hatten aber nicht mit der propagandistischen Verwertung im gesamten Reichsgebiet gerechnet. Die Vorgänge rund um die Texterstellung waren überaus komplex. 28. März 1938 Beginn der Sudetenkrise in der Tschechoslowakei. Hitler beauftragt den Führer der »Sudetendeutschen Partei«, Konrad Henlein, Forderungen an die tschechoslowakische Regierung zu stellen, die nicht erfüllbar sind. 31. März 1938 Die Österreichische Legion, bestehend aus rund 8000 nach Deutschland geflohenen österreichischen Nationalsozialisten, zieht in Wien ein. 1. 4. 1938 Vatik an und Erklärung der österreichischen Bischöfe – Am 4. April 1938 wurde Innitzer nach Rom zitiert, wo er sich vom 5. bis 6. April 1938 aufhielt. Erster Transport von Österreichern ins KZ Dachau (»Prominententransport«). 2. 4. 1938 K ar dinal Innitzer – neue Erklärung – siehe 5. April 1938. 3. April 1938 In einem Interview erklärt Karl Renner, bei der Volksabstimmung mit »Ja« zu stimmen. Renner erhoffte sich dadurch Erleichterungen für verhaftete Genossen.

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5. 4. 1938 Innitzer nach Rom – Nach der »Feierlichen Erklärung« der österreichischen Bischöfe vom 18. März wurde der Kardinal nach Rom zitiert – er unterzeichnete eine Klarstellung, die am 6. April 1938 im »L’Osservatore Romano« veröffentlicht wurde. 9. 4. 1938 Hitlerversammlung  – »Tag des Großdeutschen Reiches« – Als Auftakt zur Volksabstimmung kamen Hitler und Goebbels nach Wien. Erneutes Treffen Innitzer–Hitler. 10. April 1938 Volksabstimmung über »die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich«. In Österreich stimmen 99,73 %, im »Altreich« 99,03 % mit »Ja«. 13./14. 4. 1938 Dr. Ender Untersuchung wegen Steuergeschichte – Ender wurde wegen Steuerhinterziehung verhaftet und war vom 27. März bis 15. September 1938 in Haft – zunächst in Bregenz, ab Mitte Juni in Innsbruck und im September in Wien. Eine Anklage wegen Steuerhinterziehung führte normalerweise nicht zur Verhaftung. Es sind keine Verhör- und Verhandlungsprotokolle überliefert. Ender legte gegen das erste Urteil Berufung ein. Das Urteil in 2. Instanz ist ebenfalls nicht auffindbar. 14. April 1938 Das »Ostmark-Gesetz« bringt die Aufteilung Österreichs in Reichsgaue  : Nieder- und Oberösterreich werden zu Nieder- und Oberdonau, Vorarlberg wird mit Tirol vereint, das Burgenland wird auf Niederdonau und Steiermark aufgeteilt. Ostmark – NS-Bezeichnung für Österreich ab 1938  ; 1942 durch die Bezeichnung Alpenund Donau-Reichsgau des Großdeutschen Reiches ersetzt. 18. 4. 1938 Ehegeschichte Schuschniggs – Vera Schuschnigg, geborene Czernin von und zu Chudenitz, 1924–1936 mit Leopold Fugger von Babenhausen verheiratet (1936 staatliche Scheidung  ; 1937 kirchliche Annullierung)  ; 1938 Eheschließung mit Kurt Schuschnigg. 24. 4. 1938 Erklärungen Henleins – Henlein präsentierte in Karlsbad sein »Karlsbader Programm« mit dem Bekenntnis zum Nationalsozialismus und der Forderung nach Gleichberechtigung mit den Tschechen durch Errichtung einer Selbstverwaltung für

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die deutschsprachigen Gebiete der Tschechoslowakischen Republik. Die Deutsche Wehrmacht rüstete sich für einen Einmarsch in die Tschechoslowakei. Hitler forderte in der Folge Ungarn und Polen auf, Gebietsansprüche gegenüber der Tschechoslowakei zu erheben. 25. April 1938 Josef Bürckel wird Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. 26. April 1938 Verordnung über die Anmeldepflicht aller jüdischen Vermögen über 5000 Reichsmark. In Österreich werden Richtlinien für die Enteignung jüdischen Vermögens erlassen. 2. 5. 1938 Romreise Hitlers – Hitler befand sich vom 2. bis 9. Mai 1938 auf Staatsbesuch in Italien. 4. 5. 1938 »Revue des Deux Mondes« – französische Kulturzeitschrift. 7. 5. 1938 Ereignisse vom 4. Februar – Damit ist die Entlassung von Blomberg und Fritsch gemeint. An diesem Tag übernahm Hitler die Befehlsgewalt über die gesamte Deutsche Wehrmacht. 9. 5. 1938 Langoth-Organisation – Zwischen 1934 und 1938 betrieb Franz Langoth ein Hilfswerk, um illegale Nationalsozialisten zu unterstützen. Am 9. Dezember 1936 erhielt er die behördliche Genehmigung, unter seinem Namen ein Hilfswerk (Hilfswerk, Führung Franz Langoth) zu gründen. Dem Hilfswerk war es verboten, sich als rein nationalsozialistische Aktion zu deklarieren. 12. 5. 1938 Aufstand in Br asilien – Eine Revolte der faschistischen Integralisten, die den Präsidentenpalast belagerten und das Marineministerium besetzt hatten, wurde innerhalb einiger Stunden niedergeschlagen. Ein Teil des Militärs hatte mit den Aufständischen sympathisiert. In Rio de Janeiro war das Standrecht erklärt worden. Es gab Gerüchte, wonach deutsche Firmen und Reichsangehörige an dem Aufstand beteiligt waren.

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13. Mai 1938 Spatenstich zur Errichtung der Hermann-Göring-Werke in Linz. 24. 5. 1938 Völkerbundliga  – Die Österreichische Völkerbundliga war eine pazifistische Vereinigung. 25. 5. 1938 »Völkischer Beobachter« – 25. Mai 1938, S. 6, »Versuch einer Geschichtsfälschung«. Odilo Globocnik wird zum Gauleiter des Reichsgaues Wien ernannt. 30. Mai 1938 Ein Gespräch zwischen Innitzer und Bürckel von 11.45–12 Uhr endet ohne Ergebnis. 31. 5. 1938 Pfeilkreuzler – oder Hungaristen wurden die Anhänger einer unter verschiedenen Bezeichnungen von 1935 bis 1945 bestehenden faschistischen und antisemitischen Bewegung bezeichnet, die von Ferenc Szálasi geführt wurde. 4./7. 6. 1938 H akenkreuz in der A btei Lambach – Gemeint ist das Hagn-Kreuz (persönliches Wappen des Abtes Theoderich Hagn, 1816–1872) – ein heraldisches Zeichen, das sich aus dem Benediktinerkreuz und dem Familiennamen zusammensetzte. Daraus entstand die Legende, dass Hitler als Volksschüler und Chorknabe im Lambacher Stiftshof die »Vision« des Hakenkreuzes empfangen hätte. 8. 6. 1938 Neues Beamtengesetz – Gemeint ist die sogenannte »Berufsbeamtenverordnung«, Gesetzesblatt für das Land Österreich, 160. Kundmachung des Herrn Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums vom 31. Mai 1938 bekanntgemacht wurde. Die Verordnung ermöglichte u. a. die Versetzung von Beamten in den Ruhestand, die Juden, jüdische »Mischlinge« oder mit Juden verheiratet waren (§ 3). Ein weiterer Paragraf des Gesetzes (§ 6) erlaubte es, jeden Beamten »zur Vereinfachung der Verwaltung oder im Interesse des Dienstes« in den Ruhestand zu versetzen.

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16. 6. 1938 Umgang – Donnerstag, der 16. Juni 1938, war ein kirchlicher Feiertag. Fronleichnam wird in Österreich traditionell mit einem Umzug begangen. Am 17. Mai 1941 verlegte das Reichskirchenministerium die Feste Christi Himmelfahrt und Fronleichnam auf den jeweils folgenden Sonntag. 26. 6. 1938 A bessinien – Am 2. Oktober 1935 hatte Italien den abessinischen Eroberungskrieg begonnen. Am 9. Mai 1936 erfolgte die offizielle Annexion Abessiniens durch Italien. 29. 6. 1938 Feiertag – Peter und Paul war in Österreich ein kirchlicher Feiertag. Er wurde von den Nationalsozialisten zum Arbeitstag gemacht. 30. 6. 1938 »Daily Her ald« – Britische Tageszeitung, erschien 1912 bis 1964, vertrat die Interessen der Arbeiterbewegung, unterstützte die Labour Party. 6.–15. Juli 1938 Konferenz von Evian  ; die Möglichkeiten zur Auswanderung von Juden aus Deutschland und Österreich sollen verbessert werden, doch die meisten Staaten weigern sich, Juden aufzunehmen. 6. 7. 1938 Hotel Metropol – Das Luxushotel in jüdischem Eigentum im 1. Wiener Gemeindebezirk wurde im März 1938 beschlagnahmt und darin die Staatspolizeileitstelle (Gestapo-Zentrale) untergebracht. 7. 7. 1938 »Tagblat t« – »Neues Wiener Abendblatt«, Abendausgabe des »Neuen Wiener Tagblatts«, S. 1. 15. 7. 1938 Depositenbank – Die Allgemeine Depositenbank, 1871 gegründet, musste nach missglückten Spekulationen gegen den französischen Franc 1925 den Ausgleich anmelden. 21. 7. 1938 »Reichspost« – Die Zeitungen brachten zahlreiche Artikel zu den mit 1. August 1938 in Kraft tretenden neuen NS-Ehegesetzen.

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25. 7. 1938 »Giornale d’Italia« – Der Artikel konnte nicht eruiert werden. M änner des 25. Juli – In ganz Österreich fanden »Weihestunden« zur Erinnerung an die im Juli 1934 beim NS-Putsch getöteten Nationalsozialisten statt. In Wien fand ein Gedenkmarsch der SS-Standarte 89 statt. Am ehemaligen Bundeskanzleramt – nun Gebäude der Reichsstatthalterei – und am Gebäude des Rundfunks wurden Gedenktafeln enthüllt. Für Graz hatte Hitler die Genehmigung erteilt, sich »die Stadt der Volkserhebung« nennen zu dürfen. 28. 7. 1938 Eisengroßfirma Schneider & Wolkenberg – befand sich im Wohnhaus Heinrich Wildners. 1. 8. 1938 Russen und Japaner an der mandschurischen Grenze – Am 31. Juli und 1. August 1938 war es zu Grenzkämpfen zwischen japanisch-mandschurischen Grenztruppen und Sowjettruppen um den Chang-Kufeng-Berg gekommen. 3. 8. 1938 Ausstellung »Der ewige Jude« – Die propagandistische Ausstellung war als Wanderausstellung konzipiert, um antisemitische Ressentiments zu schüren. Vom 2. August bis 23. Oktober 1938 wurde die Schau in der Nordwestbahnhalle in Wien gezeigt. Davor war sie in München, danach in Berlin sowie in anderen deutschen Städten. Reichenberger Beisl – Das »Griechenbeisl« – eine der ältesten Gaststätten Wiens im 1. Wiener Gemeindebezirk am Fleischmarkt – trug ursprünglich den Namen »Zum Goldenen Engel« oder »Reichenberger Beisl«. Beisl – im Wiener Dialekt kleines Wirtshaus. Einführung der Zivilehe – Am 1. August 1938 traten die neuen NS-Ehegesetze in Kraft. 4./5. 8. 1938 Goldunternehmen (Gastein) – Es wird davon ausgegangen, dass seit der Keltenzeit im Gasteinertal Gold abgebaut wurde. Mitte des 18. Jahrhunderts ging der Bergbau stark zurück. 1864 wurde er eingestellt. Danach wurde er wenig erfolgreich von privaten Unternehmen weitergeführt. 1927 übernahm der Staat den Bergbaube-

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trieb, musste ihn aber im selben Jahr einstellen. 1937 wurde ein neues Projekt propagiert. Ein Optionsvertrag mit einer englischen Unternehmergruppe vom Dezember 1937 kam nicht zum Tragen. Im März 1938 erhielt die »Preußische Bergwerks- und Hütten AG« in Berlin den Auftrag, die Bergbautätigkeit auf Gold und Silber in den Hohen Tauern wieder aufzunehmen. Im August 1944 wurde der Bergbau wieder eingestellt. 15. 8. 1938 K irchenanschlagszeitung  – Dabei handelt es sich um die »Kirchliche Wandzeitung«, die von 1933 bis 1939 erschienen ist. In den Jahren 1937/1938 wurde die Wandzeitung – ein Einblattdruck im Format 20 x 13 – der Zeitschrift »Lebe mit der Kirche« (von Pius Parsch herausgegeben) beigelegt. Die Textpassagen, auf die sich Wildner bezieht, finden sich in »Lebe mit der Kirche« vom 15. August 1938. Lauretanische Litanei – Eine in der katholischen Kirche verwendete Litanei, deren Anrufung sich an die Gottesmutter Maria richtet. Anfang September 1938  : Die Konflikte in der Tschechoslowakei zwischen Sudetendeutschen und Tschechen nehmen zu. 1. 9. 1938 Neuer Hodžaplan – Zwischen dem 28. August und 4. September 1938 fanden zahlreiche Besprechungen über neue Verhandlungsgrundlagen der Prager Regierung zur Lösung der Nationalitätenfrage statt. Ein Kompromiss zwischen der von der »Sudetendeutschen Partei« geforderten territorialen Autonomie und dem Regierungsvorschlag, der die Errichtung von Landtagen mit nationalen Kurien vorsah, wurde verhandelt. In der Presse wurde von dem sogenannten »Neuen Plan« berichtet. Am 2. September kam es zu einem Treffen Henleins mit Hitler am Obersalzberg. Der »Telegr aph« eingestellt – Der »Telegraf« war das Spätabendblatt der Zeitung »Der Abend«. Der »Telegraf« wurde im April 1932 gegründet und war bis 1933 sozialdemokratisch orientiert, ab Februar 1934 bis März 1938 regierungsfreundlich, aber strikt antinationalsozialistisch. Noch im März 1938 wurde die Zeitung in »Nationalsozialistischer Telegraf« umbenannt, danach in »Deutscher Telegraf«. Am 15. September 1938 wurde die Zeitung eingestellt. »Reichspost« – Konkurs – Die Zeitung stand der »Christlichsozialen Partei« nahe. Sie vertrat eine konservative und antisemitische Linie. Die Einstellung erfolgte am 30. September 1938.

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3. 9. 1938 Technische Nothilfe – Ursprünglich aus einem technischen Freikorps hervorgegangen, bis 1939 eine formell unabhängige, allerdings vom Deutschen Reich finanzierte Freiwilligenorganisation. In der Weimarer Republik wurde sie vor allem als Streikbrecher-Organisation eingesetzt, in der NS-Zeit für den Katastrophenschutz, für Sicherheits- und Hilfsdienste sowie im Laufe des Krieges auch für den Kampfeinsatz gegen Widerstandsgruppen. 11. 9. 1938 Südbahn-Gesellsch aft – In der österreichisch-ungarischen Monarchie ein bedeutendes Verkehrsunternehmen. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es 1923 in Rom zur Neuordnung und der Namensänderung in »Donau-Save-Adria Eisenbahn-Gesellschaft«. Diese Gesellschaft war im Wesentlichen die Verwalterin des Vermögens der Obligationäre. M auserbewaffnung  – Mauser war einer der ältesten und international bekanntesten Waffenhersteller Deutschlands. Ab 1934 war Mauser an der Aufrüstung der Deutschen Wehrmacht beteiligt. M annlichergewehre  – Repetiergewehr mit Geradezugverschluss, Ordonanzgewehr in der österreichisch-ungarischen Armee vor und während des Ersten Weltkrieges. Mit dem Staatsvertrag von St. Germain durfte in Österreich nur noch die kurze Version – Karabiner Modell 1895 – eingesetzt werden. Das Gewehr wurde in Österreich von der Firma »Steyr Mannlicher« hergestellt, in Ungarn von der »Gewehrfabrik Budapest«. 15. 9. 1938 Vermeer – siehe 7. 11. 1941 17. September 1938 Auf Befehl Hitlers wird das »Sudetendeutsche Freikorps« gebildet, das Terrorakte gegen tschechische Einrichtungen beging. 25. 9. 1938 Godesberg – Vom 22. bis 24. September 1938 verhandelte der britische Ministerpräsident Chamberlain in Bad Godesberg mit Hitler, wobei Chamberlain die Einwilligung Englands und Frankreichs zur Abtretung des Sudetenlandes gab. Hitler lehnte eine internationale Garantie für die Unabhängigkeit der Tschechoslowakei ab. Am 23. September 1938 kam es zur allgemeinen Mobilmachung in der Tschechoslo-

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wakei und der Bildung einer neuen Regierung unter Armeegeneral Syrový, nachdem die Regierung Hodža am 22. September 1938 demissioniert hatte. 26. 9. 1938 Winklerische K arte – Wilhelm Winkler, Statistiker und Demograf, verfasste 1923 eine »Sprachkarte von Mitteleuropa (– Deutsches Selbstbestimmungsrecht  !)«. Oderberg – siehe 24. Jänner 1939. 27. 9. 1938 Demonstr ationen – Dazu findet sich nichts in den Zeitungen. 30. 9. 1938 Münchner A bkommen – Am 29. September 1938 wurde das Münchner Abkommen geschlossen. Die Vertreter Frankreichs, Großbritanniens und Italiens gaben die Zustimmung zum Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich. In dem Abkommen wurden die Modalitäten der Räumung und etappenweisen Besetzung des vorwiegend deutschsprachigen Gebietes durch deutsche Truppen in der Zeit zwischen dem 1. und 10. Oktober 1938 vereinbart. Für die Festlegung der endgültigen Grenzen war ein internationaler Ausschuss vorgesehen. Gründung der Tschecho-Slowakischen Republik (30. September 1938 bis 16. März 1939) unter Staatspräsident Emil Hácha und Ministerpräsident Rudolf Beran. 3. 10. 1938 Einmarsch in Deutschböhmen – Die Annexion erfolgte zwischen 1. und 10. Oktober 1938. 5. Oktober 1938 Beneš tritt als tschechoslowakischer Staatspräsident zurück und emigriert nach London. 6. Oktober 1938 Die Slowakei erhält weitgehende Autonomie innerhalb der Tschechoslowakei. 7. Oktober 1938 Am 7. Oktober 1938 predigt Kardinal Innitzer beim Rosenkranz-Fest im Stephansdom von »Christus als einzigem Führer«. Es kommt vor dem Stephansdom zur spontanen Rosenkranz-Demonstration von 6000 katholischen Jugendlichen gegen den Nationalsozialismus.

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8. Oktober 1938 Als Reaktion auf die Rosenkranz-Demonstration dringen rund hundert Jugendliche der HJ ins Erzbischöfliche Palais in Wien ein und verwüsten es. Auch das Dompfarramt am Stephansplatz wird angegriffen. Die Polizei schreitet nicht ein. 12. 10. 1938 Priester in den Hof gestürzt, im Palais – Domkurat Johannes Krawarik wurde am 8. Oktober 1938 aus dem Fenster geworfen und schwer verletzt. »Schwarze Korps« – mit dem Untertitel »Zeitung der Schutzstaffel der NSDAP«, war das Organ der Reichsführung SS und galt als ihr Kampf- und Werbeblatt. 13. Oktober 1938 In Wien wird von der Gauleitung am Heldenplatz eine Massendemonstration organisiert, bei der Reichskommissar Bürckel zum politischen Katholizismus Stellung nimmt. Innitzer wird als »politisierender Kleriker« beschimpft. Bei den Vorfällen und Demonstrationen in den Tagen davor hätten Juden und zahlreiche Tschechen teilgenommen. Der Staat habe in allen Fragen gegenüber der Kirche Vorrang. 25. 10. 1938 Iglau-Komitee – In Wien gab es einen Verein für in Iglau Geborene. Litauen – In der Auslandspresse wurde berichtet, dass Deutschland Litauen einen Nichtangriffspakt angeboten habe, mit der Bedingung, dass Litauen seinen Vertrag mit der Sowjetunion kündige, seinen landwirtschaftlichen Export nach Deutschland leite und das Memelgebiet in einen autonomen Staat umwandle. 26. 10. 1938 Cercle Club – steht für Techniker-Cercle, einen Verein zur Unterstützung bedürftiger und würdiger Hörer der Technischen Hochschule Wien (ursprünglich k. k. Polytechnisches Institut) und einen noch immer bestehenden elitären Männerbund. 28. 10. 1938 M arseille, Br and – Ein Großbrand in Marseille, wo zur gleichen Zeit ein Parteitag der Radikalsozialisten tagte, forderte 74 Tote. 1. 11. 1938 Schiedsspruch  – Beim Münchner Abkommen waren polnische und ungarische Gebietsansprüche nicht geregelt worden. Polen hatte am 2. Oktober 1938 das Olsagebiet besetzt. Bezüglich Ungarns hatten Großbritannien und Frankreich einem

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deutsch-italienischen Schiedsverfahren zugestimmt, das zum Ersten Wiener Schiedsspruch am 2. November 1938 führte, in dem Teile der südlichen Slowakei und der Karpatenukraine, mit überwiegend ungarischer Bevölkerung, Ungarn zugesprochen wurden. Ungarn annektierte diese Teile. »gedäftet« – gedeftet – ein österreichischer Ausdruck für niedergeschlagen, trübselig. 3. 11. 1938 »Tempo«  – Gemeint ist »Le Temps«, 19. Oktober 1938, S. 8, »Accusé de haute trahision«. 4. 11. 1938 Volksfrontpolitik – Politische Sammelbewegung französischer linker Parteien von 1936 bis 1938 unter Premierminister Léon Blum. 7./8. 11. 1938 Ein zweiter 30. Juni – Gemeint ist die »Säuberungswelle« am 30. Juni 1934, bei der die Führungskräfte der SA inklusive des Stabschefs Ernst Röhm durch Kommandos der SS, unterstützt durch Gestapo und die Reichswehr, ermordet wurden. Die NS-Propaganda verbreitete in der Folge das Gerücht eines angeblichen Putsches, des sogenannten »Röhm-Putsches«. Die Morde wurden als präventive Maßnahmen dargestellt. 9. 11. 1938 Reichspogromnacht  – Dieser war das Attentat auf Ernst vom Rath, Legationsrat bei der deutschen Botschaft in Paris, durch Herschel Grynszpan am 8. November 1938 als Protest gegen die »Polenaktion«, die Ausweisung polnischer Juden aus Deutschland, vorausgegangen. Grynszpans Eltern waren davon betroffen. 10. 11. und 11. 11. 1938 Pogrome  – Zwischen 8. und 10. November 1938 gab es planmäßige Aktionen der Nationalsozialisten gegen die Juden in Deutschland und Österreich. Es kam zu Plünderungen jüdischer Wohnungen und Geschäftslokale, zur Verhaftung von Juden und dem Niederbrennen fast sämtlicher Synagogen. Etwa 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager deportiert. 12. 11. 1938 At tentat auf Ernst vom R ath – siehe 9. 11. 1938.

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13. 11. 1938 Militärmesse in K arlskirche – neuer Feldpropst Das Ende der Eigenstaatlichkeit Österreichs 1938 bedeutete auch das Ende der bisherigen österreichischen Militärseelsorge, an deren Spitze als oberster katholischer Geistlicher der Heeresprobst, ab 1926 Militärvikar (Fürstbischof Ferdinand Pawlikowski) und sein Stellvertreter, der Militärprovikar (Prälat Anton Allmer) standen. Pawlikowski wurde beurlaubt, Allmer mit der Überführung der österreichischen Militärseelsorge in das deutsche System beauftragt. In der Deutschen Wehrmacht gab es bereits seit 1934 einen evangelischen Feldbischof. Heeresoberpfarrer Franz Justus Rarkowski wurde am 11. August 1936 mit der provisorischen Leitung der katholischen Militärseelsorge im Amt eines Armeebischofs betraut. Am 20. Februar 1938 wurde er zum Titularbischof ernannt. Er hatte wegen der mangelnden Distanz zum NS-Regime nicht das Vertrauen der anderen Bischöfe. Anerkannt war hingegen sein Stellvertreter Feldgeneralvikar Prälat Georg Werthmann. Entente mit Rumänien in Bled – Anlässlich der Tagung des Ständigen Rates der Staaten der Kleinen Entente am 21. und 22. August 1935 in Bled vereinbarten die Außenminister Rumäniens, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens u. a. »vollständige Solidarität in außenpolitischen Fragen«. Es wurde ein Donaupakt angestrebt, der als Grundlage für eine freundschaftliche Zusammenarbeit der Staaten der Kleinen Entente mit Österreich und Ungarn gesehen wurde. 15. 11. 1938 A rtikel des »A ngriff« – »Der Angriff« war die Gauzeitung der Berliner NSDAP, die (von Goebbels 1927 gegründet) bis April 1945 erschien. Italienische Ehebestimmungen – Das Gesetzesdekret vom 17. November 1938 verbot die Eheschließung eines »arischen« Italieners mit einer Person anderer Rasse. Schweizer Regierung verbietet drei nationalsozialistische Zeitungen  – In Folge des »Anschlusses« Österreichs erklärte die Schweiz am 14. Mai 1938 ihre Rückkehr zur »uneingeschränkten Neutralität«. Im November 1938 kam es zum Publikationsverbot der Zeitungen »Schweizervolk« und »Schweizerdegen, schweizerisch-nationalsozialistisches Kampfblatt«. Als drittes Blatt wurde 1938 das »Nachrichtenblatt der deutschen Kolonie in der Schweiz« in Bern eingestellt. 18./20. 11. 1938 Veröffentlichungen zu Schier und K lastersk y – »Völkischer Beobachter«, 20. November 1938, S. 1 f., »Schieberzentrale BKA, Min. R. Benjamin Schier, Vize-

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präsident der Concordia  ; Kabinettsdirektor Wilhelm Klastersky.« Beiden wurde vorgeworfen, gemeinsam mit Eduard Ludwig in den Jahren 1932–1936 300.000 Schilling in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben (Vorwurf des Missbrauchs der Amtsgewalt, Amtsveruntreuung). Weitere Artikel dazu »Völkischer Beobachter«, 20. November 1940 und 21. November 1940. 23. 11. 1938 Deutsch-fr anzösischer Nichtangriffspakt – Am 6. Dezember 1938 unterzeichneten der deutsche und der französische Außenminister eine »Übereinstimmende Erklärung über Aufrechterhaltung gutnachbarlicher Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich«, inklusive der gegenseitigen Anerkennung der Grenzen. 1. 12. 1939 Wilhelmstr aße – u. a. Sitz des deutschen Außenministeriums in Berlin. 3./5. 12. 1938 Tunis – Italien erhob Anspruch auf das im Kolonialbesitz Frankreichs befindliche Tunis. Korsika – Italien erhob mehrfach Anspruch auf das zu Frankreich gehörende Korsika. 6./7. 12. 1938 »Giornale d’Italia« – »Il Giornale d’Italia«, 2. Dezember 1938, S. 1, Leitartikel von Virginio Gayda. 9. 12. 1938 Lage in Rumänien – Der rumänische König hatte Hitler am 24. November 1938 einen Besuch auf dem Obersalzberg abgestattet. Am 10. Dezember 1938 war es zum Abschluss mehrerer Abkommen über Zahlungsverkehr, Exportkontingente und Zusatzvereinbarungen zum Handelsvertrag vom 23. Mai 1936 gekommen. Parallel wurden Verhandlungen zwischen Rumänien und Italien geführt, die am 3. Dezember 1938 zum Abschluss von vier Verträgen führten, u. a. zu einem Handels- und einem Zahlungsvertrag. 12. 12. 1938 Memelsache – Am 11. Dezember 1938 waren in Memel Landtagswahlen, bei denen es zu Unruhen kam. Der litauische Staatspräsident verhängte daraufhin am 11. Dezember über die Stadt und den Kreis Kaunas für die Dauer von sechs Monaten den Ausnahmezustand.

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Das Memelland war dem Deutschen Reich im Artikel 28 des Vertrags von Versailles aberkannt und nach Artikel 99 unter alliierte Verwaltung gestellt worden. Polen beanspruchte dieses Gebiet ebenfalls. 1923 war es von Litauen besetzt worden. Die Region wurde als autonomes Gebiet mit einem eigenen Landtag Litauen angeschlossen. Ein Grenzvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Litauen aus dem Jahr 1928 beließ das Gebiet bei Litauen. Ab 1933 nahmen die Spannungen und Zwischenfälle zwischen den beiden Staaten zu. 15. 12. 1938 Italienisch-englische A rr angement bezüglich des Mit telmeers – Am 4. Jänner 1937 veröffentlichten die britische und die italienische Regierung die amtliche Mitteilung über den Abschluss eines Mittelmeerabkommens (Gentlemen-Agreement), das die Ein-, Aus- und Durchfahrt durch das Mittelmeer regelte und das Bekenntnis zum Status quo enthielt. 23. 12. 1938 Besuch Hitlers – am 2. Dezember 1938 in Reichenberg, wo er am Abend bei einer Massenversammlung eine Wahlrede (seine letzte) für die Ergänzungswahl zum Reichstag am 4. Dezember hielt. 29. 12. 1938 Tr ansaktion des Petschek – Damit ist der Verkauf des gesamten Besitzes der sogenannten Prager Petscheks (Hans und Paul Petschek) gemeint. Der Erwerb des Petschek-Besitzes in der Tschechoslowakei war die größte Transaktion, die die »Živnostenská banka« durchführte. Die Verkäufe wurden vom Juli bis Dezember 1938 abgewickelt. 10. 1. 1939 K atholischer A k a demikerverband – war ein europaweit tätiger Zusammenschluss katholischer Hochschulabsolventen. Am 21. Dezember 1938 wurde der »Katholische Akademikerverband Deutschland« aufgelöst. Ukr ainefr age  – Im Jänner 1939 fanden die slowakisch-karpatoukrainischen Grenzstreitigkeiten in der internationalen Presse ihren Niederschlag. 13. 1. 1939 Ch amberlain-Mussolini – Chamberlain und Halifax waren vom 11. bis 14. Jänner 1939 in Rom.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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»Il Tevere« – eine seit 1924 bis Juli 1943 bestehende faschistische Tageszeitung in Rom. 14./15. Jänner 1939, S. 1 und 6. In den Zeitungsartikeln wird das amikale Klima der Gespräche betont. Angegriffen wird die Haltung Frankreichs – »L’indipendenza di Daldier«. 16. 1. 1939 Schoeller-Bleckmann – ein Montanbetrieb, der 1924 durch die Fusion der »Bleckmann Stahlwerke AG« mit der »Stahlwerk Schoeller AG« als »SchoellerBleckmann Stahlwerke AG« entstanden war. Seit 1936 lag die Führung bei Philipp Alois Schoeller, der bereits vor 1938 illegales Parteimitglied der NSDAP gewesen war. 17. 1. 1939 Danziger und Memeler (siehe  12.  12.  1938) Fr age – Nach dem Friedensvertrag von Versailles konstituierte sich Danzig als selbständiges Staatengebilde – Freie Stadt Danzig – mit einer Schutzgarantie des Völkerbundes. Die Beziehungen zu Polen wurden im November 1920 durch den Danziger-Polnischen Vertrag geregelt. Ab 1930 waren die Nationalsozialisten in Danzig aktiv geworden. Ab Juni 1933 hatte Danzig eine nationalsozialistische Regierung. Ab Oktober 1937 war jegliche Opposition ausgeschaltet. Im Jänner 1939 vertagte der Völkerbund als Garant der Danziger Verfassung die Prüfung der Sachlage. Beide Problemkreise wurden in der nationalen und internationalen Presse fast täglich kommentiert. 18. 1. 1939 Nationalsozialistische Ehefeier – Im »Völkischen Beobachter« findet sich kein Hinweis. 24. 1. 1939 »Neues Wiener Tagblat t« – 24. Jänner 1939, S. 5, »Greuelmärchen über die Ostmark.« Oderberger Geschichte – Oderberg war ein bedeutender Bahnknotenpunkt im Olsa-Gebiet. Dabei ging es um eine Bahnverbindung über Oderberg (Bohumín) durch das Teschener Land. Durch eine Zusatzerklärung zum Münchner Abkommen war das Teschener Land an Polen abgetreten worden bzw. von diesem am 2. Oktober 1938 besetzt worden. Oderberg war dem Deutschen Reich zugeschlagen worden, doch hatte sich Hitler der Besetzung durch polnische Truppen nicht widersetzt. Hitler hatte mit den Zugeständnissen in der Teschener und Oderberger Frage die Hoffnung auf Zugeständnisse Polens in der Danziger Frage verknüpft. Im Oktober und November 1938 sowie im Jänner (u. a. am 25. und 26. Jänner), März, April und

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August 1939 kam es zu Versuchen, das Danzig-Problem auf dem Verhandlungsweg zu lösen. In der Monarchie führte die Bahnverbindung von Kaschau nach Oderberg über österreichisches (63 Kilometer) und ungarisches Gebiet (363 Kilometer), wobei fünf Kilometer der Trasse der österreichischen Nordbahn bis zur damaligen Grenzstadt Annaberg (Chalupki/Polen) benutzt werden mussten. 26. 1. 1939 K reuzbund – 1896 erfolgte die Gründung des »Katholischen Vereines gegen Missbrauch ›geistiger Getränke‹« in Aachen  ; ab 1899 war der Verbandsname »Katholisches Kreuzbündnis«. Turn verein (des Pultar) – Im März 1900 war es zur Gründung des ersten »Christlich-Deutschen Turnerbundes« in Wien gekommen. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es 1921 zur Neugründung des Vereins, der unmittelbar nach dem »Anschluss« aufgelöst wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Josef Pultar der Verbandsobmann. 8. 2. 1939 Wieder aufbaukomitee Josef Reiner – Verfasser eines Flugblattes, das sich Anfang Februar 1939 an alle »Unzufriedenen« richtete und mit »Josef Reiner, Führer der oppositionellen Aufbaubewegung« unterzeichnet war. 13. 2. 1939 »Relazioni Estere« – Gemeint ist die Zeitschrift »Relazioni Internazionali«, 11. Februar 1939, Nr. 6, S. 93 »Gli interessi vitali e la pace con giusticia.« 21. 2. 1939 A ffäre Globocnik – Während der »Arisierungen« kam es in Wien zu willkürlichen Enteignungen und Korruption sowie zu Unregelmäßigkeiten in der Gebarung des Parteivermögens. Globocnik vergab u. a. Darlehen an Freunde und Parteispenden wurden nicht korrekt verbucht und zweckentfremdet. Nach einer Buchprüfung im September 1938 wurde ihm die Finanzhoheit entzogen. Am 30. Jänner 1939 wurde er wegen dubioser Devisengeschäfte, Geheimkonten für erpresstes jüdisches Vermögen und wegen Unterschlagung von Parteigeldern aus dem Amt entfernt. 24. Februar 1939 Beitritt Ungarns zum Antikominternpakt.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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25. 2. 1939 Studentendemonstr ationen gegen Deutsche in Polen – Ende Februar 1939 kam es in zahlreichen polnischen Städten zu Kundgebungen gegen Deutschland. Am 27. Februar 1939 überreichte die polnische Regierung dem deutschen Botschafter eine Entschuldigung und versprach die strenge Bestrafung der Schuldigen. 2. März 1939 Eugenio Pacelli wird Papst Pius XII. 9. und 10. März 1939 Anhänger des slowakischen Ministerpräsidenten Tiso (Hlinka-Garde) demonstrieren in Preßburg für die Errichtung eines unabhängigen slowakischen Staates. 10. März 1939 Absetzung der Regierung Tiso durch Prag. 11. und 12. März 1939 Proteste der slowakischen Autonomisten  ; Note Tisos an Reichsregierung  ; Unruhen. 13. 3. 1939 Geheimer K abinet tsr at von Hitler – Der Geheime Kabinettsrat wurde per Erlass vom 4. Februar 1938 von Hitler installiert und sollte diesen in der Führung der Außenpolitik beraten. Er trat niemals zusammen und war als Kompensation für die Abberufung Neuraths von seinem Posten als Außenminister gedacht. Tiso bei Hitler in Berlin  ; Andauern der von Deutschland geschürten Unruhen. 14. 3. 1939 Slovakei h at sich selbständig gemacht – Unabhängigkeitserklärung der Slowakei  ; neue Regierung Tiso gebildet. Staatspräsident Hácha in Berlin  ; Einmarsch deutscher Truppen in Mährisch-Ostrau und Witkowitz. 15. 3. 1939 London und Paris Demarche – in Berlin – erfolgte am 18. März 1939. Erklärungen Ch amberlains und H alifa x’ – betrafen die deutschen Aktionen in der Tschecho-Slowakei. Chamberlain hielt eine Rede in Birmingham, Halifax im Oberhaus. In Birmingham verkündete Chamberlain das Ende der »appeasement«

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Politik. Großbritannien werde weiteren Expansionsbestrebungen Hitlers energisch entgegentreten. Besetzung von Prag  : Proklamation Hitlers zum Einmarsch in Böhmen und Mähren. Hitler auf der Prager Burg. Abkommen über den Schutz der Slowakei durch Deutschland. 16. März 1939 Erlass über die Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren  ; Besetzung der Westslowakei durch deutsche Truppen. Karpato-Ukraine beschließt Unabhängigkeit, der bisherige Ministerpräsident Woloschyn wird Präsident der unabhängigen Karpato-Ukraine. Ungarn besetzt die Karpato-Ukraine, den östlichsten Teil der ehemaligen Tschechoslowakei und erreicht die polnische Grenze. Polen und Ungarn anerkennen die Slowakei. 17. 3. 1939 Sch arfe Rede Ch amberlains – siehe 15. 3. 1939. Teleki gibt im Oberhaus die Inbesitznahme der Karpato-Ukraine durch Ungarn bekannt. Rückberufung der Botschafter Englands und Frankreichs aus Berlin. 21. März 1939 Die litauische Regierung nimmt die deutsche Forderung auf sofortige Rückgabe des Memellandes an. 23. März 1939 Abschluss eines Deutsch-Rumänischen Wirtschaftsabkommens. Im Deutsch-Slowakischen Schutzvertrag verzichtet die kurz zuvor unabhängig gewordene Slowakei zugunsten des Deutschen Reiches auf die selbständige Ausübung von Souveränitätsrechten. 26. 3. 1939 Zernat tos Buch – Guido Zernatto, Die Wahrheit über Österreich, Paris 1938. 28./.29. 3. 1939 »Berliner Tageblat t« – erschien von 1872 bis 1939, der Leserkreis war das aufgeklärte Bürgertum.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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»Deutsche A llgemeine Zeitung« – erschien von 1861 bis 1945 in Berlin. Die Berichterstattung der Zeitung wurde auf NS-Parteilinie gebracht. Die deutschen Zeitungen sind erst bis 1920 digitalisiert. 30. 3. 1939 A rierpar agr aph  – Dabei handelte es sich um § 3 der Berufsbeamtenverordnung  : »Jüdische Beamte, Beamte, die jüdische Mischlinge sind, und Beamte, die mit einer Jüdin (einem Juden) oder mit einem Mischling ersten Grades verheiratet sind, sind in den Ruhestand zu versetzen …« 31. 3. 1939 Rede von Ch amberlain – im Unterhaus  : »Es gibt keine ideologischen Gegensätze zwischen England und der Sowjetunion, die eine Zusammenarbeit stören könnten.« Beginn von monatelangen Verhandlungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion. Britisch-Französische Garantieerklärung für Polen. Es folgten weitere Beistandserklärungen für Rumänien, Griechenland und die Türkei. 1. April 1939 Die Slowakei schließt mit Ungarn Frieden und muss weitere Gebiete an Ungarn abtreten. Franco gibt die Beendigung des spanischen Bürgerkrieges bekannt. 3./4. 4. 1939 A lbanien – siehe 7. 4. 1939. Italienisch-englische A bmachung – Am 16. April 1938 war es zu einer Britisch-Italienischen Verständigung gekommen. Das Abkommen bestand aus einem Protokoll mit 8 Anlagen, u. a. enthielt es die Anerkennung der italienischen Annexion von Abessinien durch England. 4. April 1939 Der polnische Außenminister Beck führt in London Verhandlungen über die Unterstützung Polens durch die Westmächte im Falle eines deutschen Angriffs. 5. 4. 1939 Autostr aße und Eisenbahnlinie durch den »polnischen Korridor« – dabei ging es um die Verbindung vom Deutschen Reich nach Danzig durch die polnische Woiwodschaft Pommerellen. Polen stand auf dem Standpunkt, dass deutsche Staatsbürger bereits ohne »Korridor« – der Begriff wurde von Polen abgelehnt –

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ohne Zoll- und Passformalitäten nach Ostpreußen reisen konnten. Verhandlungen über den Autoverkehr könnten geführt werden. 7. 4. 1939 Besetzung A lbaniens durch Italien – Ende März/Anfang April 1939 hatten Verhandlungen zwischen Italien und Albanien stattgefunden, um den Freundschaftsund Sicherheitspakt vom 27. November 1926 zu verstärken, u. a. war ein Eingreifen Italiens im Falle bedrohlicher Unruhen in Albanien vorgesehen. Am 7. April 1939 landeten italienische Truppen in Albanien, u. a. wurde dies damit begründet, den Frieden auf dem Balkan vor gefährlichen Intrigen – etwa König Zogus – schützen zu wollen. Am 10. April 1939 war die militärische Besetzung vollzogen. 14. 4. 1939 Esk a der – (Schiffs-)Geschwader – Am 18. April 1939 war ein deutsches Flottengeschwader zu einer einmonatigen »Auslandsausbildungsreise« aufgebrochen. Ziel waren Häfen in Spanien, Portugal, Marokko und Tanger. 20. 4. 1939 Horst-Wessellied  – 1929 zunächst ein Kampflied der SA (Text von Horst Wessel) und danach Parteihymne der NSDAP, de facto auch zweite deutsche Nationalhymne. 21. April 1939 Hitler verfügt die Übernahme der Leitung der Stadt Wien durch Gauleiter Bürckel ab 1. Mai 1939. 28. 4. 1939 Englisches Flot tenabkommen – Das Deutsch-Britische Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 wird mit dem Memorandum vom 27. April 1939 gekündigt. Polnisches A bkommen – Deutsch-Polnischer Nichtangriffspakt vom 26. Jänner 1934. 3. 5. 1939 Göt tweig – Or densburg – Das Benediktinerstift Göttweig wurde zugunsten der Stadt Krems eingezogen, die Kunstgegenstände des Stifts kamen großteils in das Museum der Stadt Krems  ; vom Oktober 1940 bis September 1941 waren etwa 600 Deutsche aus Bessarabien und Umsiedler aus Serbien und der Bukowina im Stift untergebracht  ; im Oktober 1940 fand ein Lehrgang einer SS-Standarte statt  ; ab Jän-

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ner 1943 nahm eine »Nationalpolitische Erziehungsanstalt« (NAPOLA) den Schulbetrieb auf  ; darüber hinaus gab es Beamtenlehrgänge in den Stiftsräumlichkeiten. 5. 5. 1939 Deutsch-Polnisches A bkommen von 1934 – siehe 28. 4. 1939. 11. 5. 1939 Wolgaschiffer denkmal – Das Denkmal stammte von Teresa Feodorowna Ries. 12. 5. 1939 A bkommen zwischen Großbritannien und der Türkei – Die britische und türkische Regierung gaben gleichlautende Erklärungen in den jeweiligen Parlamenten ab, in denen die Staaten gegenseitige Hilfe und Unterstützung im Falle eines Angriffskrieges, der zu einem Krieg im Mittelmeer führen könnte, zusagten. Britisch-Französische Beistandserklärung für Rumänien und die Türkei. 21. 5. 1939 K losterneuburger Gründe – Ab 1938 wurden Pachtgründe für den »Fonds der deutschen Mutter« (ein Kaiser Wilhelm Institut), die Gemeinde Wien, das Kunsthistorische Museum sowie die Weinbauschule beschlagnahmt. Vom 30. April 1941 bis 1945 war das Stift von den Nationalsozialisten enteignet und aufgehoben. Am 4. März 1942 wurde das gesamte Vermögen des Stifts von der Reichsfinanzverwaltung auf der Grundlage des Gesetzes über die Einziehung volks- und staatsfeindlicher Vermögen vom 14. Juli 1933 (Reichsgesetzblatt 1933 I, S. 479) eingezogen. Deutscher M arkkredit an Sowjetrußland – Verhandlungen darüber wurden über einen längeren Zeitraum geführt. Am 19. August 1939 wurde ein Handels- und Kreditabkommen geschlossen. Das Abkommen sah einen Warenkredit von 200 Millionen Reichsmark vor, den Deutschland der Sowjetunion gewährte und der für den Bezug deutscher Waren zur Verfügung stehen sollte. 23. 5. 1939 Deutsch-italienisches Bündnis – Am 22. Mai 1939 wurde von Deutschland und Italien ein Freundschafts- und Bündnisvertrag – der sogenannte »Stahlpakt« in Berlin unterzeichnet. Der Pakt sah die unbedingte gegenseitige Unterstützung im Falle eines Krieges (auch eines Angriffskrieges) vor. Zugeständnisse Hitlers waren die Brennergrenze und die Überlassung Südtirols.

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24. 5. 1939 Überflüssigkeitspar agr aph  – siehe 27. 5. 1939. 27. 5. 1939 Gesetz zur Regelung des Berufsbeamtentums, Ruhestand – siehe auch 8. 6. 1938. Das Gesetz sah u. a. in § 6 vor  : »Zur Vereinfachung der Verwaltung oder im Interesse des Dienstes können Beamte, auch wenn sie noch nicht dienstunfähig sind, in den Ruhestand versetzt werden.« Damit konnte jeder Beamte ohne weitere Angaben in den Ruhestand versetzt werden. 28./29. 5. 1939 Gösser Br äu – Bierlokal im 1. Wiener Gemeindebezirk. 31. Mai 1939 Abschluss eines Deutsch-Dänischen Nichtangriffspaktes. 2. 6. 1939 Überhörung – Abhörung der Telefongespräche. 10. 6. 1939 Zwischenfall in K la dno – In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni 1939 wurde in Kladno ein deutscher Polizeihauptwachmeister (siehe Wilhelm Kniest, Biografie im Anhang) durch zwei Schüsse getötet. Die deutschen Behörden im Protektorat Böhmen und Mähren reagierten mit scharfen Maßnahmen wie Verhängung des Kriegsrechts über die Stadt, Auferlegung von Geldbußen, Verhaftung von 107 tschechischen Bürgern, u. a. auch der Mitglieder des Stadtrats und des Bürgermeisters (der am 11. Juni 1939 Selbstmord in der Haft beging). Für die Erfassung der Täter wurde eine Frist gesetzt. 11. 6. 1939 Hitler in Wien – Hitler besuchte zum Abschluss der Theaterfestwochen die Aufführung von Nestroys »Einen Jux will er sich machen« im Burgtheater. 12. 6. 1939 Deutsch-slovakisches A bkommen – siehe 23. März 1939. 14./15. 6. 1939 Vorfälle in Náchod – Die Vorfälle waren eng verbunden mit den Ereignissen in Kladno. Als möglicher Vergeltungsakt für die Ermordung eines deutschen Wach-

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mannes wurde ein tschechischer Staatspolizist erschossen. In den frühen Morgenstunden des 10. Juni 1939 zogen zwei deutsche Schupo-Mitglieder (Schutzpolizei) betrunken durch Náchod und feuerten ihre Waffen ab. Polizisten der tschechischen Staatspolizei, die von einem Einschreiten absehen wollten, wurden, als sie die Sachlage erkannten, von den Betrunkenen in das Gebäude des Staatspolizeiamtes gejagt. Ein bis dahin unbeteiligter Polizeioffizier wurde durch Schüsse durch ein Fenster tödlich getroffen. Die Betrunkenen flohen. 21. 6. 1939 § 4 führt zu kleinen Quälereien der Beamten – Zur Verordnung siehe 8. 6. 1938  ; der §  4 der Berufsbeamtenverordnung lautete  : »Beamte, die nach ihrem bisherigen politischen Verhalten nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten, können in den Ruhestand versetzt werden, …« 27. 6. 1939 Göringwerke  – Die Reichswerke Hermann Göring waren neben der IG Farben und der Vereinigten Stahlwerke AG der größte Industriekonzern im nationalsozialistischen Deutschen Reich. 90 Prozent der Stammaktien waren im Besitz des Staates, vertreten durch das Reichswirtschaftsministerium. 6. 7. 1939 Englisches Flot tenstärke-Memor andum – siehe 28. 4. 1939. 24. Juli 1939 Abschluss einer Französisch-Britisch-Sowjetischen Übereinkunft, die gegenseitigen Beistand im Falle von Aggressionen anderer Staaten vorsah. 26. 7. 1939 Br and des Bischöflichen Palastes in Toledo – Ein Großbrand vernichtete in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1939 die Residenz des Kardinalerzbischofes von Toledo. Das Feuer soll von einer im Untergeschoss des Palastes gelegenen Apotheke durch Explosion chemischer Produkte ausgegangen sein. 28. 7. 1939 Priesterseminar in Linz – Ab April 1938 wurde der Neubau des Priesterseminars von verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen zur Verwendung für ihre Zwecke gefordert. Am 2. Juli 1938 wurde ein Mietvertrag zwischen dem Bischof und der SA-Gruppe »Alpenland« über einen Teil des Gebäudes abgeschlossen. Danach kam es ohne Mietverträge zur Inbesitznahme weiterer Gebäudeteile. Im Juni

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1939 wurde durch Bescheid das gesamte Gebäude militärischen Dienststellen zugewiesen. Den Bewohnern des Priesterseminars wurde zur Weiterführung des Lehrbetriebes das Zisterzienserstift Wilhering zugewiesen. 29. 7. 1939 Zisterzienserkloster Stams – 1939 von den nationalsozialistischen Behörden aufgehoben, wurden die Stiftsgebäude beschlagnahmt und als Heim für Umsiedler aus Südtirol verwendet. 10. 8. 1939 Palatin – Restaurant in Pécs. Westerland  – Anwesen von Göring in den Sylter Dünen in Wenningsted-Braderup. 21./22. 8. 1939 Deutsch-russischer Pakt – wird angekündigt. 23. 8. 1939 Deutsch-russischer Nichtangriffspakt – Der Nichtangriffspakt vom 23. August 1939 (»Hitler-Stalin-Vertrag«) bezog sich auf einen im April 1926 zwischen Deutschland und der Sowjetunion abgeschlossenen Neutralitätsvertrag (Berliner Vertrag). In einem geheimen Zusatzprotokoll wird die Aufteilung der Einflusssphären festgelegt. Ende August 1939 erreichen die deutsch-polnischen Spannungen ihren Höhepunkt, Mobilisierung in beiden Ländern. Wien ist voll von Mexik aner K.D.F. – Am 20. August 1939 fand in Wien ein Volksfest der KDF statt. Ab 21. August 1939 wurden in Wien Studenten-Weltspiele abgehalten. »Völkischer Beobachter«, 21. August 1939, S. 8, Beiblatt »Wiener Beobachter.« Südtiroler Umsiedlung – siehe 21. Oktober 1939. 25. 8. 1939 A rtikel 4 des deutsch-russischen Paktes – »Keiner der vertragschließenden Teile wird sich an irgendeiner Mächtegruppierung beteiligen, die sich mittelbar oder unmittelbar gegen den anderen Teil richtet …«

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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Hitlers »Angebot an England«  : Zusicherung des Bestands des britischen Imperiums, doch Bestehen auf Lösung der deutsch-polnischen Frage. Abschluss eines Englisch-Polnischen Beistandspakts. 28. 8. 1939 Briefwechsel Hitler–Dala dier – Am 26. August 1939 hatte der französische Ministerpräsident Daladier an Hitler einen Brief mit dem Ersuchen gerichtet, die polnische Frage einer friedlichen Lösung zuzuführen. Hitler antwortete am 27. August 1939. Er verlangte die Rückgabe Danzigs und des »Polnischen Korridors« an Deutschland, sah aber keine Möglichkeit, »auf Polen in einem vernünftigen Sinn einwirken zu können…« Die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland wird geschlossen. Bezugsk artenregelung – Noch vor Kriegsbeginn wurde am 27. August 1939 eine »Verordnung zur vorläufigen Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs des deutschen Volkes« eingeführt (Reichsgesetzblatt I, 1939, S. 1498 f.; S. 1872  ; S. 2195–2222). Damit wurde die Bezugsscheinpflicht für Verbrauchsgüter (etwa Lebensmittel, Kohle, Kleidung) eingeführt. Ab Oktober 1939 gab es auch Reise- und Gaststättenkarten. Japan protestiert – Der Deutsch-Sowjetische Nichtangriffspakt wird als Bruch des Antikominternpaktes gewertet. Tokioter Regierung ist zurückgetreten – Die japanische Regierung Hiranuma ist am 27. August 1939 zurückgetreten. Einmarsch deutscher Truppen in der Slowakei. 1. September 1939 Angriff des Deutschen Reiches auf Polen – ohne Kriegserklärung. Mussolini kündigt die Nichtkriegsführung Italiens an. 2. September 1939 Anschluss der Freien Stadt Danzig an das Deutsche Reich. 3. September 1939 Großbritannien – Kriegserklärung an Deutschland infolge des Beistandspaktes mit Polen. Neuseeland – Kriegserklärung an Deutschland als Mitglied des britischen Commonwealth.

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Kanada – 10. September 1939 Kriegserklärung an Deutschland als Mitglied des britischen Commonwealth. Frankreich – Kriegserklärung an Deutschland infolge des Beistandspaktes mit Polen. Die neugegründete Slowakische Republik beteiligt sich am Krieg gegen Polen. 5. September 1939 USA und Japan erklären ihre Neutralität. 7. 9. 1939 Ciano sei in Paris gewesen – Die Tagebücher Cianos enthalten keine Eintragung über eine Reise nach Paris, doch erwähnt er für den 5. September 1939 Gespräche mit hochrangigen französischen Politikern. 11. 9. 1939 Westwall – militärisches Verteidigungssystem entlang der Westgrenze des Deutschen Reiches (von den westlichen Alliierten auch Siegfried-Linie genannt). Die Anlagen (Bunker, Stollen, Gräben und Panzersperren) wurden kurz nach der Besetzung des Rheinlandes im März 1936 bis 1940 errichtet. 13./14. 9. 1939 Ruheständler  – Die ehemaligen österreichischen Beamten, die sich in Ruhestand befanden, mussten ein Formular mit den persönlichen Daten, ihrer Tätigkeit als Beamte, Zeitpunkt und Grund der Versetzung in den Ruhestand und die letzte Dienststelle ausfüllen. Das Formular musste persönlich abgegeben werden. (Gesetzblatt für das Land Österreich, Stück 227, 1129. Kundmachung des Reichskommissärs für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, wodurch der Erlass des Reichsministers des Innern über die Meldung von Ruhestandsbeamten vom 2. September 1939 bekanntgemacht wird). 16. 9. 1939 Kutno  – Vom 9. bis 19. September 1939 fand bei Kutno eine Offensive der polnischen Armee gegen die Deutsche Wehrmacht statt. 17. September 1939 Die Sowjetunion annektiert Teile Ostpolens. 19. 9. 1939 Hitlerrede in Danzig – Am Nachmittag hält Hitler im Artushof in Danzig eine Rede, in der er das Ende des »Feldzuges der 18 Tage« verkündete.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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Stift Göt tweig – siehe 3. 5. 1939. 27. 9. 1939 Ribbentrop in Mosk au – Nach Beendigung des Feldzuges in Polen unterzeichneten die beiden Staaten eine Vereinbarung (Grenz- und Freundschaftsvertrag), nach der es ausschließlich ihre Aufgabe sei, Ruhe und Ordnung in diesem Gebiet wiederherzustellen. Es wurde eine »Demarkationslinie« zur Abgrenzung der Interessensgebiete festgelegt. Zudem wurde eine Verstärkung des Warenaustausches vereinbart. Die Deutsche Wehrmacht besetzte Warschau. 28. September 1939 Deutsch-Sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag – Abänderung des geheimen Zusatzprotokolls vom 23. August 1939. 29. September 1939 Estländisch-russischer Vertr ag – 28. September 1939 Abschluss eines Sowjetisch-Estnischen Beistands- und Stützpunktabkommens  ; Stationierung sowjetischer Verbände  ; 16. Juni 1940 Machtübernahme nach sowjetischem Ultimatum  ; 9. August 1940 Anschluss an die Sowjetunion. 5. Oktober 1939 Abschluss eines Sowjetisch-Lettischen Beistands- und Stützpunktabkommens  ; Stationierung sowjetischer Verbände  ; 16. Juni 1940 Machtübernahme nach sowjetischem Ultimatum  ; 5. August 1940 Anschluss an die Sowjetunion. Rede Hitlers vor dem Deutschen Reichstag, u. a. Ankündigung eines Bevölkerungsaustausches mit den Ländern Ost- und Südosteuropas  ; Forderungen nach Kolonien. 10. Oktober 1939 Abschluss eines Sowjetisch-Litauischen Beistands- und Stützpunktabkommens  ; Stationierung sowjetischer Verbände  ; Übergabe des vorher polnischen Vilnius-Gebietes an Litauen  ; 15. Juni 1940 Machtübernahme nach sowjetischem Ultimatum  ; 3. August 1940 Anschluss an die Sowjetunion. 13. 10. 1939 Aussiedlung der Deutschen aus Estland, Let tland und Finnland – Ein geheimes Zusatzprotokoll zum Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. September 1939 hatte die Integration der baltischen Staaten in das sowjetische Satelliten-Staatensystem festgelegt. Es sah auch die Umsiedlung der sogenannten Deutsch-Balten vor. Die Umsiedlung aus Estland und Lettland

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fand von Oktober bis Dezember 1939 statt bzw. eine Nachumsiedlung Anfang 1941. In Litauen erfolgte die Aussiedlung zwischen Jänner und März 1941. Wolga deutsche – Nach Unterzeichnung des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrages am 28. September 1939 wurde die bestehende Autonomie nicht mehr weiter eingeschränkt. Erst ab August 1941, nach Beginn des DeutschSowjetischen Krieges am 22. Juni 1941, kam es zur Deportation der Russland-Deutschen aus den europäischen Teilen der Sowjetunion in den Osten. 15. Oktober 1939 Ein Deutsch-Estnisches Protokoll regelte die Umsiedlung der Baltendeutschen. 20. 10. 1939 Britisch-Fr anzösisch-Türkischer Beistands-Pakt – Am 19. Oktober 1939 Unterzeichnung eines Vertrages in Ankara auf Grundlage der gegenseitigen Beistandserklärungen vom 12. Mai bzw. 23. Juni 1939. 21. Oktober 1939 Unterzeichnung eines Deutsch-Italienischen Abkommens über Südtirol in Rom, das die Umsiedlung der dort ansässigen »Volksdeutschen« in das Deutsche Reich bis 31. Dezember 1942 vorsah. 30. 10. 1939 Leibstandarte-SS A dolf Hitler – eine am 17. März 1933 gegründete und auf Hitler vereidigte Einheit zu seinem persönlichen Schutz. Im Krieg wurde sie eine Elitetruppe der Waffen-SS. 1. 11. 1939 A mtliche Verlautbarung – zwei Personen erschossen – »Völkischer Beobachter«, 1. November 1939, S. 5. »Volksfeinde erschossen.« 3./4. 11. 1939 M aginotlinie – war eine zwischen 1930 und 1940 gebaute Linie von Bunkern entlang der französischen Grenze zu Belgien, Luxemburg, Deutschland und Italien, um Angriffe der Nachbarländer, vor allem Deutschlands und Italiens, zu verhindern. Benannt wurde das Verteidigungssystem nach dem französischen Verteidigungsminister André Maginot. 7. 11. 1939 Westwall – siehe 11. 9. 1939.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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9. 11. 1939 At tentat im Br äuh auskeller – Am 8. November 1939 entging Hitler nur knapp einem Attentat im Bürgerbräukeller (Gasthauskeller in München). Seit 1933 hatte Hitler am Jahrestag des Putschversuchs des Jahres 1923 eine Rede an dem Ort gehalten, von dem am 9. November 1923 der Marsch zur Feldherrnhalle – der gescheiterte Hitlerputsch – seinen Ausgang genommen hatte. 12. 11. 1939 Friedensappell des belgischen Königs und der niederländischen Königin – Am 7. November boten sich Königin Wilhelmina von den Niederlanden und König Leopold von Belgien in einem Friedensappell als Vermittler zwischen den kriegsführenden Mächten an, Reichsaußenminister von Ribbentrop weist am 14. November 1939 den Friedensappell zurück. 18. 11. 1939 Studentenwirbel – Tschechei – Am 28. Oktober 1939 war es aus Anlass des Jahrestages der Gründung der Tschechoslowakei im Jahre 1918 zu Demonstrationen, Arbeitsniederlegungen und in Prag zum Vorlesungs-Boykott der Studenten gekommen. Am 16. und 17. November 1939 besetzten die nationalsozialistischen Besatzungsorgane die tschechischen Hochschuleinrichtungen, schlossen und beschlagnahmten sie. Die deutschen Hochschulen in Prag und Brünn waren davon nicht betroffen. Neun Studenten wurden ohne Gerichtsverhandlung erschossen. 21. 11. 1939 Tschechische Hochschulen auf drei Jahre gesperrt – siehe 18. 11. 1939. 22./23. 11. 1939 Münchner At tentat – siehe 9. 11. 1939. Staatsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Slowakei über die »Rückgliederung« ehemaliger polnischer Gebietsteile an die Slowakei. 27. 11. 1939 Zwei Agenten des englischen Geheimdienstes – Am 9. November 1939 waren in Venlo (Niederlande) zwei britische Agenten des Auslandsgeheimdienstes MI6 enttarnt und über die nahe deutsche Grenze verschleppt worden. Die zwei Agenten waren mit vermeintlichen deutschen Hitlergegnern aus Wehrmachtskreisen in Kontakt. Einen Tag nach dem Bürgerbräu-Attentat gerieten sie in eine Falle. Ein niederländischer Geheimdienstoffizier wurde erschossen.

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Der Vorfall wurde von Hitler im Mai 1940 als Vorwand für den Einmarsch in die Niederlande benützt. Siehe auch in den Biografien im Anhang  : Major Richard Henry Stevens, Captain Sigismund Payne Best und Dirk Klop, Offizier des niederländischen Geheimdienstes. Salzburger Zusammenkunft – Außenminister Ciano traf Außenminister Ribbentrop am 11. August 1939 in Salzburg. Ribbentrop glaubte noch an eine Unterstützung Italiens. Zwischen den beiden kam es zu einer Auseinandersetzung. Am 12. August 1939 war Ciano bei Hitler am Obersalzberg. Aus einem geheimen Protokoll vom 12. August 1939 geht hervor, dass Ciano über das Vorhaben in Polen detailliert informiert war. 28. 11. 1939 K ämpfe zwischen Finnen und Russen – siehe 30. November 1939. GPU – ab 1922 die Bezeichnung der Geheimpolizei der Sowjetunion. 30. November 1939 Angriff der Sowjetunion auf Finnland (»Winterkrieg«, Friedensschluss 1940  ; ab 25. Juni 1941 »Fortsetzungskrieg«  ; 1944 Kapitulation vor den Sowjets  ; zunächst neutral  ; 3. März 1945/rückwirkend mit 19. September 1944 Krieg gegen das Deutsche Reich  ; finnische und sowjetische Truppen gegen die Deutsche Wehrmacht). 30. 12. 1939 A nbruchleute (SS) – von Heinrich Wildner irrtümlich verwendeter oder in der Transkription falsch übertragener Begriff, gemeint sind die sogenannten Aufbruchleute  : Das sind jene Nationalsozialisten, die sich in den 1930er-Jahren in den Auseinandersetzungen mit den Kreisen der »Sudetendeutschen Partei«, die den ständischen Staatsaufbau präferierten, zum Aufbruchkreis zusammengeschlossen hatten (benannt nach einer Zeitschrift). Der Aufbruchkreis vertrat großdeutsche, antisemitische und rassistische Ansichten und stand von Beginn an in engem Kontakt zur NSDAP in Deutschland. Pr ag 120 Studenten erschossen – Zu einer Massenerschießung konnte nichts eruiert werden. 3 Bischöfe verh aftet – Dazu konnte nichts eruiert werden. Im Herbst 1938 war es aber zu kirchenpolitischen Maßnahmen nach der Eingliederung des Sudetenlandes gekommen. Im Oktober 1938 wurde die Einsetzung deutscher Generalvikare angestrebt. Tschechische Pfarrer hatten ihre Gemeinden verlassen. Im Oktober

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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1939 verfasste Heydrich eine Denkschrift »Die gegenwärtige politische Haltung der Kirchen und Sekten«. Der katholische Klerus wurde als der »geschworene Feind des Staates« bezeichnet und ein rücksichtsloses Vorgehen der Gestapo gefordert. Intensive Verhandlungen fanden im November 1939 zwischen Kirchenministerium, Auswärtigem Amt und Nuntius Orsenigo statt. 5. 1. 1940 Weißbuch – in der Sudetendeutschen Bücherei – Gemeint könnte sein  : Deutsches Weißbuch, Auswärtiges Amt 1939, Nr. 2, Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Archiv-Edition 1995, Nachdruck der 1939 erschienenen Ausgabe, Nr. 449 und 450. Darin finden sich etwa Unterredungen Weizsäckers mit Coulondre und Henderson vom August 1939. 9. 1. 1940 Ungarn  – Vom 5. bis 7. Jänner 1940 war es zu einem Treffen Csákys mit Ciano in Venedig gekommen. Der russisch-rumänische Konflikt um die Nord-Bukowina und Bessarabien veranlasste Ungarn, seine Revisionsansprüche gegenüber Rumänien wieder stärker zu vertreten. 10. 1. 1940 Berichte des »Corriere della Ser a« – Dazu konnten nur Berichte im »Giornale D’Italia« vom 2. Jänner 1940, S. 1 und vom 3. Jänner 1940, S. 1, gefunden werden. 17. 1. 1940 Südtirol – Aussiedlung – Zu diesem Zeitpunkt (mit 31. Dezember 1939) waren die Optionen in den Provinzen Bozen, Udine, Belluno und Trient abgeschlossen. 29. 1. 1940 Rede Bürckels – Am 27. Jänner 1940 hatte Bürckel in Wien bei einer Massenversammlung der NSDAP u. a. Kaiser Franz Joseph erwähnt, der dem Deutschen Reich die Bündnistreue bis zum Tode gehalten habe, während Kaiser Karl Verrat begangen habe, indem er den Einflüsterungen seiner Frau folgte, die sich nur als Französin gefühlt habe. 8. 2. 1940 Gaststät tenk arte  – siehe 28. 8. 1939. 17. 2. 1940 Zwischenfall deutsches H andelsschiff – siehe 18. 2. 1940.

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18. 2. 1940 »A ltenmark« – Zwischenfall – In der Nacht vom 16. zum 17. Februar 1940 war der deutsche Handelsdampfer »Altenmark« (unter Eskorte eines norwegischen Torpedobootes) von dem englischen Kreuzer »Intrepid« bzw. von dem ihn begleitenden Zerstörer »Cossak« im norwegischen Jössingfjord geentert worden. Dem war vorangegangen, dass die »Altenmark« 300 gefangene britische Matrosen von jenen Handelsdampfern an Bord hatte, die durch das Panzerschiff »Graf Spee« im Südatlantik versenkt worden waren. 26. 2. 1940 »Pesti Hírlap« – Ungarische Zeitung, die von 1878 bis 1944 erschien. 27./28. 2. 1940 Clearingspitzen  – Im Zuge der Weltwirtschaftskrise wurde der Außenhandel beschränkt. Bilaterale Clearingverträge wurden zur Regel. Damit wurden Devisen, aber auch Zölle im internationalen Handel überflüssig. Die Ein- und Ausfuhr wurde über eine Clearingstelle verrechnet (Deutsche Verrechnungskasse in Berlin). Die »ungedeckten« Clearingspitzen (Handelsschulden) Deutschlands wurden durch die Kriegsereignisse gegenstandslos. 8. 3. 1940 Parga – Die Textstelle bezieht sich auf Vorgänge Anfang des 19. Jahrhunderts. 1819 wurde der Hafen von Parga an einen albanischen Herrscher verkauft. Ukr ainische Gegenorganisation – 1940 Spaltung der »Organisation Ukrainischer Nationalisten« in eine konservative und eine radikal antisemitische Organisation. 9. 3. 1940 Ribbentropreise  – Der deutsche Außenminister traf am 10. März 1940 in Rom ein. Es fanden Gespräche mit Mussolini, Ciano, König Viktor Emanuel III. und dem Papst statt. 12. März 1940 Friedensschluss zwischen der Sowjetunion und Finnland. 17. 3. 1940 Hitler und Mussolini am Brenner – erste Unterredung Hitler–Mussolini – Nach Pressemeldungen waren die Folgen einer Ausbreitung des Krieges für die Achsenmächte Gesprächsthema. Hitler war am Kriegseintritt Italiens interessiert.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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20. 3. 1940 Sumner Welles Mission – Am 10. März 1940 hatte der amerikanische Unterstaatssekretär dem französischen Finanzminister Reynaud und allen anderen Regierungen der Welt eine Denkschrift überreicht, in der für die Zeit nach Beendigung des Krieges und Herstellung eines dauerhaften Friedens die Rückkehr zu einem internationalen Handelssystem auf Grundlage der Meistbegünstigung festgelegt wurde. 22. 3. 1940 Überfall auf Sylt – Am 19. März 1940 hatten britische Flugzeuge den Flugstützpunkt Hörnum, den Hindenburgdamm, den Hafen List und andere Orte auf der Insel Sylt angegriffen. 25. 3. 1940 Im Protektor at unruhig – Vom 25. bis 27. März 1940 war die 3. Kompanie des Polizei-Bataillons 131 (Einheit der deutschen Ordnungspolizei) im Gebiet TausChodenschloß eingesetzt, um nach einem tschechischen Staatsangehörigen aus Taus zu fahnden, der zwei Zollbeamte erschossen und einen Gestapo-Beamten angeschossen hatte. 29. 3. 1940 Syltsache  – siehe 22. 3. 1940. Die Insel Sylt war im Zweiten Weltkrieg Sperrgebiet, da mit einer möglichen Invasion der Alliierten über die Nordsee gerechnet wurde. Es wurden in den Dünen Bunkeranlagen und Seezielbatterien mit schweren Geschützen gebaut. Die Insel blieb jedoch weitgehend von kriegerischen Handlungen verschont. Gezielte Bombenangriffe erfolgten am 7. September 1939, 8. September 1939, 3. Dezember 1939, 19. März 1940 und 17. Dezember 1940 durch britische Verbände. Es entstanden jedoch nur geringe Schäden. 31. 3. 1940 Polnische diplomatische Dokumente – Am 29. März 1940 veröffentlichte das Auswärtige Amt in Berlin ein Weißbuch mit 16 Dokumenten, die nach der Besetzung Warschaus in den Archiven des polnischen Außenministeriums gefunden worden waren. Es dokumentiert die rege diplomatische Tätigkeit Polens mit dem westlichen Ausland ab 1935, besonders aber ab August 1938. 8. 4. 1940 Ch amberlain zu versichtliche Rede – Am 4. April 1940 hielt Chamberlain vor dem Zentralausschuss der Landespartei der Konservativen eine Rede, in der er u. a. ausführte, dass die Parteiorganisationen einen großen Beitrag zur Festigung der inneren Front leisten.

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9. 4. 1940 Deutsches Kommuniqué – Am 9. April 1940 hatte die deutsche Reichsregierung der norwegischen und dänischen Regierung ein Memorandum übermittelt, in dem die Kriegserklärung Englands und Frankreichs als Grund für das deutsche Vorgehen angeführt wurde. Norwegen von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen  ; siehe 30. 4. 1940. Dänemark von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen (bis 29. August 1943 mit eigenständiger Regierung  ; keine Exilregierung  ; »Nicht-Zusammenarbeit« mit der deutschen Besatzungsmacht). 26. 4. 1940 Danubia – Egon Pflügl war in der Zwischenkriegszeit Aufsichtsrat der Danubia AG für Gaswerks-Beleuchtungs- und Meßapparate (Wien) gewesen. 30. 4. 1940 Norwegen – Die norwegische Regierung veröffentlichte am 29. April 1940 eine Erklärung, sie habe aus dem Rundfunk erfahren, dass die deutsche Regierung am 26. April 1940 festgestellt hätte, sich mit Norwegen im Krieg zu befinden. Dem war der bereits am 8./9. April 1940 erfolgte Einmarsch deutscher Truppen vorangegangen. K roaten selbständig – Erst am 10. April 1941 wurde der »Unabhängige Staat Kroatien« proklamiert. 1./3. 5. 1940 Å ndalsnes  – Nach deutschen Heeresberichten hatten die Briten das Gebiet überstürzt geräumt. 4. 5. 1940 Englische Truppenlandungen – Amtliche Londoner Mitteilung vom 30. April 1940 über weitere Truppenlandungen an der norwegischen Küste. 5. Mai 1940 In London wird eine norwegische Exilregierung gebildet. 9./10. 5. 1940 Belgien und Holland – Einmarsch deutscher Truppen.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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10. Mai 1940 Belgien von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen. Luxemburg von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen. Niederlande von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen. Rücktritt der Regierung Chamberlain. Churchill wird neuer Premierminister und bildet ein »Kriegskoalitionskabinett« mit allen Parteien. 11./12. 5. 1940 Denkmaltafel für Pater A bel – Das Denkmal war am 3. Oktober 1937 enthüllt worden. Die Figur aus Bronze stand vor der Universitätskirche in Wien und war wahrscheinlich – wie Wildner berichtete – der kriegsbedingten Erzsammlung zum Opfer gefallen. In der unmittelbaren Nachkriegszeit gab es den Plan, das Denkmal nach alten Plänen und Modellen wiederherzustellen. Es wurde aber im November 1953 lediglich eine Gedenktafel an der Augustinerkirche in Wien enthüllt. 12. Mai 1940 Deutsche Truppen überschreiten die französische Grenze. 15. 5. 1940 Holländische A rmee k apituliert – Am 14. Mai 1940 hatten die niederländische Regierung und Königin Wilhelmina das Land verlassen. Die Königin richtete am 15. Mai 1940 eine Proklamation an das Volk. 18. Mai 1940 Regierungsumbildung in Frankreich. Marschall Pétain tritt als Vize-Ministerpräsident in das Kabinett Paul Reynaud ein. 26. Mai bis 4. Juni 1940 Die britischen Truppen ziehen sich über den Ärmelkanal nach Großbritannien zurück. 28. Mai 1940 Belgiens Kapitulation gegenüber dem Deutschen Reich. 1. 6. 1940 Deutscher K aiser – Wilhelm II. lebte von 1920 bis zu seinem Tod am 4. Juni 1941 in Doorn in den Niederlanden. 5. Juni 1940 Beginn der »Schlacht um Frankreich«.

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9. Juni 1940 Der norwegische König Haakon VII. und die Regierung gehen nach London ins Exil. 10. Juni 1940 Eintritt Italiens in den Krieg gegen Großbritannien und Frankreich (Juli 1943 Regierung Badoglio erklärt Deutschland den Krieg). 11. 6. 1940 Hitlertelegr amm an Mussolini – »Das ganze deutsche Volk denkt in diesem Augenblick an Sie und Ihr Land. Die Deutsche Wehrmacht freut sich, im Kampf an der Seite der italienischen Kameraden stehen zu können …« 12. 6. 1940 M alta – von der italienischen Luftwaffe angegriffen. 13./15. 6. 1940 Paris – fällt am 14. Juni 1940 kampflos. Die französische Regierung geht nach Bordeaux. 15. Juni 1940 Sowjetische Truppen besetzen Litauen. 16. Juni 1940 Rücktritt der französischen Regierung. Pétain wird neuer Regierungschef und sondiert bei der deutschen Regierung mögliche Friedensbedingungen. 17. Juni 1940 Sowjetische Truppen besetzen Estland und Lettland. 19. 6. 1940 Monroe Doktrin – eine wesentliche Leitlinie der amerikanischen Außenpolitik ab 1823  : keine Einmischung der USA in europäische Angelegenheiten und die bestehenden Kolonien und keine Einmischung europäischer Mächte in amerikanische Angelegenheiten. 22. Juni 1940 Abschluss des Deutsch-Französischen Waffenstillstands.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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24. Juni 1940 Abschluss des Italienisch-Französischen Waffenstillstands. 27. 6. 1940 Baltische Sta aten – Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen hatten sich ab 20. Juni 1940 in allen drei Staaten – Estland, Lettland, Litauen – neue Regierungen gebildet. Die Parlamente und Parteien wurden aufgelöst. Neuilly-Feier  – dazu konnte nichts eruiert werden. Im Vertrag von Neuilly – einer der Pariser Vorortverträge – vom 27. November 1919 musste Bulgarien Gebiete an Griechenland und Jugoslawien abtreten. 1940 erhielt Bulgarien im Vertrag von Craiova (7. September 1940) die im Mai 1918 abgetretene Süddobrudscha zurück. 2. 7. 1940 Kongo  – Anfang Juli gab der belgische Generalverwalter des Kongo bekannt, dass der Kongo dem britischen Kriegseinsatz unterstellt werde. Großbritannien versuchte ab diesem Zeitpunkt, die Kolonie in die britische Kriegswirtschaft einzugliedern. Kongolesische Truppen wurden im britischen Feldzug gegen die Italiener in Abessinien eingesetzt. Steenokkerzeel – bei Brüssel, war ab Oktober 1929 der Wohnsitz der Familie Habsburg. Am 10. Mai 1940 verließ die Familie Belgien. Wiesnerpartei – 1921 Gründung der »Partei der Österreichischen Monarchisten« (»PÖM«), mit der »Christlichsozialen Partei« wurde vereinbart, einen Kandidaten der PÖM auf einen sicheren Listenplatz zu setzen. Friedrich Wiesner kam so 1923 in den Nationalrat. 1924 löste sich die PÖM auf. Danach übernahm der »Reichsbund der Österreicher«, ursprünglich als unpolitische Vereinigung konzipiert, die Aufgaben der monarchistischen Partei. 1928 wurde der Reichsbund in eine politische Partei umgestaltet. 4. 7. 1940 Treffen Hitler–Mussolini – Am 18. Juni 1940 kam es unter dem Eindruck der französischen Kapitulation zu einem Treffen in München, zu dem Mussolini mit einem Sonderzug anreiste. Die französische Regierung unter Pétain bricht die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien ab.

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7. Juli 1940 Ciano trifft in Berlin Hitler. Italien erhebt für die Zeit nach dem gewonnenen Krieg Ansprüche auf Tunis, Korsika, Nizza und Malta, den Nahen Osten, Ägypten, den Sudan, das Somaliland usw. 8. 7. 1940 Englischer Überfall auf fr anzösische Flot te – Nach der Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 lag der Großteil der Vichy-Flotte in der Flottenbasis Mers-el-Kébir (bei Oran), ein britisches Auslieferungsultimatum wurde abgelehnt. Am 3. Juli 1940 wurde etwa die Hälfte der in Mers-el-Kébir ankernden Schiffe zerstört oder erbeutet, der Rest konnte sich nach Toulon zurückziehen. Um zu verhindern, dass die französische Flotte in deutsche Hände fällt, wurde Ende November der Befehl zur Selbstversenkung der Vichy-Flotte im Hafen von Toulon gegeben. Bei den britischen Angriffen starben etwa 1300 französische Seeleute. In der Folge brach die Vichy-Regierung die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien ab. 9. Juli 1940 Beginn der deutschen Bombenangriffe auf London (»Luftschlacht um England«). 19. 7. 1940 Führerrede im R a dio – Hitler hielt im Reichstag eine Rede über die Aktion gegen Dänemark und Norwegen sowie über den Westfeldzug. Er richtete in sehr allgemeinen Worten ein »Friedensangebot« an England. Grundlage für das Vorgehen Deutschlands sei die Revision des Versailler Vertrages. 30. 7. 1940 Neue Or dnung im Südosten – Durch Forderungen Bulgariens und Ungarns an Rumänien war auf dem Balkan eine neue Krisensituation entstanden. Am 26., 27. und 28. Juli 1940 fanden am Berghof Gespräche zwischen Hitler und Vertretern Rumäniens, Bulgariens und der Slowakei statt. 3. August 1940 Ungarn annektiert Nord-Siebenbürgen. 15. 8. 1940 »Neues Wiener Tagblat t« – böser Artikel von Manfred Jasser über Österreich. Der Artikel findet sich nicht im »Neuen Wiener Tagblatt« vom 14. August 1940. Ein Artikel vom 15. August 1940, S.1 f., »Baldur von Schirach zog am Ballhausplatz ein«, ist namentlich nicht gezeichnet, enthält allerdings negative Bemerkungen über Österreich in den Jahren 1933 bis 1938 (»hochverräterische Politik am Ballhausplatz«).

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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19. August 1940 In Bukarest beginnen Verhandlungen zwischen Rumänien und Bulgarien über die Abtretung der Dobrudscha an Bulgarien. 20. 8. 1940 Leunawerke – Leunagas – Die Leunawerke – allgemeine Bezeichnung für Ammonitwerk Merseburg GmbH – war bis 1945 eines der führenden Chemieunternehmungen Deutschlands. Mit der Entwicklung der weltweit ersten großindustriellen Kohle-Hydrieranlagen waren sie wichtiger Bestandteil der Autarkiebestrebungen. Durch Benzin (Leuna-Benzin), das mittels Hydrierung aus Braunkohle gewonnen wurde, wollte man Unabhängigkeit von Mineralölimporten erreichen. Die Werke produzierten einen Großteil des Treibstoffes für Panzer und Flugzeuge. Im August 1940 wurden die Leunawerke zum ersten Mal aus der Luft angegriffen. Zweiundzwanzig weitere Angriffe folgten. 21./22. 8. 1940 Zwei A nschläge auf Hitler – Aus dem Textzusammenhang kann nicht geklärt werden, um welche Anschläge es sich gehandelt hatte. Carinh all – Gemeint ist das Attentat nach der Beisetzung von Carin Göring am 19. Juni 1934 auf Görings Landsitz in Carinhall in der Schorfheide. Während der Rückfahrt nach Berlin wurde die Scheibe des Autos, in dem Himmler saß, durch ein Objekt getroffen, bei dem es sich nach polizeilichen Untersuchungen um einen Steinschlag gehandelt hatte. Himmler war überzeugt, dass die Sturmabteilung (SA) dafür verantwortlich sei. Es folgte eine politische »Säuberungswelle« am 30. Juni 1934. Hitler, der sich in einem Auto hinter Himmler befand, vermutete, dass der Anschlag ihm gegolten habe. Hitlers Autos wurden danach mit kugelsicherer Panzerung ausgestattet. Der Vorfall wurde benützt, um die Gewalttaten des 30. Juni 1934 vorzubereiten. Auch Kurt von Schleicher wurde am 30. Juni 1934 mit seiner Frau im Zuge des sogenannten »Röhm-Putsches« ermordet. 29. bis 30. August 1940 Konferenz der Außenminister Deutschlands, Italiens, Ungarns und Rumäniens im Belvedere in Wien  ; Festlegung einer neuen ungarisch-rumänischen Grenze. 30. 8. 1940 Gebietsstreit zwischen Rumänien und Ungarn – Zweiter »Wiener Schiedsspruch« der Achsenmächte – Rumänien musste Nord-Siebenbürgen und den Szekler Zipfel an Ungarn abtreten. Nach einem Entrüstungssturm dankte König Carol II.

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von Rumänien am 4. September 1940 zugunsten seines Sohnes ab und ging in die Schweiz ins Exil. 1. 9. 1940 Flugplatz von Wiener Neusta dt – Wiener Neustadt war mit seinen für die deutsche Luftrüstung wichtigen Industrieanlagen und einem bedeutenden Feldflughafen ständiges Ziel der alliierten Bomberflotten. 4. September 1940 In Rumänien kommt General Antonescu an die Macht  ; er beherrscht das Land mit jungen Legionären. 5. 9. 1940 Depeschenwechsel  – Anlässlich der Wiener Herbstmesse gab die SüdosteuropaGesellschaft am 3. September 1940 einen Empfang für in Wien weilende Gäste. »Völkischer Beobachter«, 4. September 1940, S. 1. Reklame für Schir ach – »Völkischer Beobachter«, 5. September 1940, S. 1 (Foto), S. 2 (Artikel), Schirach erhielt das Sturmabzeichen der Infanterie. Rede Hitlers – »Völkischer Beobachter«, 5. September 1940, S. 1–3. 9. 9. 1940 Steinhof evakuiert – In der Heil- und Pflegeanstalt »Am Steinhof« in Wien wurden mindestens 7500 Menschen Opfer der nationalsozialistischen Euthanasiemaßnahmen. 1940 bis 1945 gab es auf dem Anstaltsgelände unter der Bezeichnung »Am Spiegelgrund« eine Abteilung, in der etwa 800 kranke oder behinderte Kinder und Jugendliche ermordet wurden. 1940/1941 wurden im Rahmen der »Aktion T4« mehr als 3200 Patientinnen und Patienten aus der Anstalt in das Schloss Hartheim bei Linz – eine Tötungsanstalt – transportiert und ermordet. Im August 1941 wurde die »Aktion T4« offiziell gestoppt. Danach fielen die Kranken der Euthanasie durch Hunger und Infektionen zum Opfer. 18. 9. 1940 Ägypten – wurde von den Italienern über die libysche Grenze angegriffen. Schwarzenberg Besitz – Adolph Schwarzenbergs ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus zwang ihn, bei Kriegsbeginn aus der Tschechoslowakei zu fliehen. Am 17. August 1940 wurde durch die Linzer Gestapo-Dienststelle sein gesamtes Eigentum im deutschen Machtbereich beschlagnahmt. Er unterstützte

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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die tschechoslowakische Exilregierung in London durch Überweisungen von Erträgnissen seiner Impala-Farm in Kenia. 29. 9. 1940 Neuer Dreierpakt – Am 27. September 1940 wurde in Berlin zwischen Deutschland, Italien und Japan ein Militärbündnis (Dreimächtepakt) unterzeichnet. 4. Oktober 1940 Zweite Unterredung Hitler–Mussolini am Brenner. 8./9. 10. 1940 Stift K losterneuburg – enteignet – siehe 21. 5. 1939. 11. 10. 1940 Prozeß – Ludwig – siehe 18./20. 11. 1938. 13. 10. 1940 Rumänien – Eine deutsche Militärmission sowie »Lehrformationen« und deutsche Jagdverbände werden zur Sicherung der Ölfelder nach Rumänien verlegt. Erinnerungen  – Ottokar Czernin, Im Weltkriege, Berlin/Wien 1919. 14. 10. 1940 Schir ach – A ppell der Politischen Leiter – Am 13. Oktober 1940 fand der erste Großappell Schirachs für die Politischen Leiter in Wien in der EngelmannArena in Hernals statt. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Niederlage im Luftkrieg gegen England, machte Schirach Churchill für den Krieg verantwortlich und verwendete die Dolchstoßlegende – die Lüge von den im Ersten Weltkrieg unbesiegten Truppen und der »feigen Führung« durch »erbärmliche Parlamentarier«. Zur schlechten Stimmung in der Bevölkerung meinte er  : »Der Wiener raunzt und der Berliner meckert.« Gegen Schluss beseitigte er Klischeevorstellungen  : »Wien sei nicht nur die Stadt des goldenen Wiener Herzens, sondern auch der tüchtigen, harten Wiener Fäuste.« (Der Begriff Appell/Großappell wurde von den damaligen Zeitungen für Dienstappelle auf Gau-, aber auch auf Kreisebene verwendet.) 15. 10. 1940 »Neues Wiener Tagblat t« – 14. Oktober 1940, S. 1 f.

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16. 10. 1940 Eisernes Tor – auch Hoher Lindkogel – Name für einen der meistbesuchten Berge des Wienerwalds. 18. 10. 1940 Englisch-amerik anische Vereinbarung – In einer Rundfunkrede am 12. Oktober 1940 verpflichtet sich der US-Präsident, die »westliche [sic] Hemisphäre« zu verteidigen sowie Großbritannien weiterhin jede Hilfe zu gewähren, außer einer Teilnahme am Krieg. 23. 10. 1940 Hitler mit Laval – Während eines Aufenthalts Hitlers in Frankreich kam es am 22. Oktober 1940 zu einem Treffen mit Laval (zu dieser Zeit Vizepräsident des französischen Ministerrats). Am 24. Oktober traf Hitler Ministerpräsident Pétain. 28. 10. 1940 Leitartikel »Propaganda= Persönlichkeit« – »Neues Wiener Tagblatt«, 27. Oktober 1940, S. 1 f. 28. Oktober 1940 (bzw. 6. April 1941) Zusammenkunft Hitler–Mussolini, bei der Mussolini die Absichten Italiens in Griechenland bekanntgibt. Griechenland von Italien bzw. Deutschland (6. April 1941) angegriffen. Rumänien willigt nach einem sowjetischen Ultimatum in die Abtretung Bessarabiens und der Nord-Bukowina ein. 31. 10. 1940 »Neues Wiener Tagblat t« – Sonntags-Beilage, 29. September 1940, S. 13 f. November 1940 Bulgarien räumt der Deutschen Wehrmacht ein Durchmarschrecht nach Griechenland ein. 1. 11. 1940 Landfried  – Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium Friedrich Landfried, war Ende Oktober zu einem dreitägigen Besuch in Wien. »Völkischer Beobachter«, 30. Oktober 1940, S. 4 (Bericht über einen Vortrag am 29. Oktober 1940 »Die ostmärkische Wirtschaft im Krieg«  ; 31. Oktober 1940, S. 7, »Dr. Landfried im Haus der Mode«  ; 2. November 1940, S. 6, Vortrag »Tatkräftige Förderung der Wirtschaft«).

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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12. 11. 1940 Molotow in Berlin – Der sowjetische Außenkommissar traf am 12. und 13. November 1940 Hitler, Ribbentrop und Göring zu Gesprächen. Bei den Gesprächen ging es um die Besetzung der rumänischen Erdölquellen im Oktober 1940 durch die Deutsche Wehrmacht (mit Erlaubnis Antonescus) und um Nickelschürfungen in Finnland, worauf auch die Sowjetunion Ansprüche erhob. 19. 11. 1940 Diplomatische Offensive – Am 20. November 1940 wurde der Beitritt Ungarns zum Dreimächtepakt bekanntgegeben. Das Protokoll wurde im Schloss Belvedere in Wien unterzeichnet. 20. 11. 1940 A rtikel im »Völkischen Beobachter« zu Fußballmatch – Bei einem von Schirach organisierten Freundschaftsspiel zwischen Schalke 04 und Admira Wien im Praterstadion (heute Hanappi-Stadion) kam es zu antideutschen Kundgebungen und Ausschreitungen von Zuschauern. »Völkischer Beobachter«, 18. November 1940, S. 3, »Schalke und Admira trennen sich 1  :1«  ; »Völkischer Beobachter«, 19. November 1940, S. 10, »Ein schwarzer Tag«. Piefke – in Österreich abwertende Bezeichnung für Deutsche. Hitler in Wien – anlässlich des Beitritts Ungarns zum Dreimächtepakt  ; »Völkischer Beobachter«, 21. November 1940, S. 1 und 2. 20. bis 25. November 1940 Beitritt Ungarns, Rumäniens und der Slowakei zum »Dreimächtepakt«. 30. 11. 1940 Stä dteverwüstung in England – In der Nacht zum 30. November 1940 erfolgte ein Großangriff der deutschen Luftwaffe auf London, Liverpool, Birmingham und Plymouth. 6./7. 12. 1940 Englischer Sperrballon – Am 5. Dezember 1940 nachmittags hatte sich ein englischer Sperrballon (ein mittelgroßer Fesselballon) nach Wien verirrt. Er wurde von Flakschützen (Flugabwehrkanonen) abgeschossen.

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9. 12. 1940 »Wiener Neuste Nachrichten« – Artikel »75. Geburtstag Richard Riedls« – In den Zeitungsnummern rund um den 8. Dezember findet sich kein Artikel dazu. 10. 12. 1940 Hitlerrede – Hitler sprach in einem Berliner Rüstungsindustrie-Unternehmen. 15. 1. 1941 Hitler–Pétain – Bei einem Treffen in Montoire am 24. Oktober 1940 hatten die beiden Staaten den »Weg der Kollaboration« vereinbart. In einer Radiorede – »Botschaft vom 30. Oktober 1940« – gab Pétain dies bekannt. Hitler in Florenz – Am 28. Oktober 1940 war es zu einer Zusammenkunft Hitlers mit Mussolini in Florenz gekommen. Ba doglio  – setzte 1940 einige schwache Friedensinitiativen, da er Gegner eines Kriegseintritts an der Seite Deutschlands war. Im November 1940 erfolgt seine Entlassung, nachdem er für den erfolglosen Feldzug gegen Griechenland verantwortlich gemacht wurde. Mit telschüler verh aftet – Wien war bis 1941 trotz zahlreicher Verhaftungen das Zentrum von Aktionen von Jugendgruppen verschiedener politischer Richtungen. 16. 1. 1941 Rückführung der Leiche des Herzogs von Reichsta dt – Am 15. Dezember 1940 wurde auf Befehl Adolf Hitlers der Sarg mit den sterblichen Überresten des Sohnes Napoleons in den Invalidendom nach Paris gebracht. Diese Überführung war als Geschenk des Führers an Marschall Pétain, anlässlich des 100. Jahrestages der Überführung des Leichnams Napoleons von St. Helena nach Paris, gedacht. Mit der Durchführung war der damalige Stadtkommandant von Wien, Heinrich Stümpfl, betraut. 19. 1. 1941 Bartholomäusnacht – Pogrom an französischen Protestanten (Hugenotten) in der Nacht vom 23. auf den 24. August 1572. 19. und 20. Jänner 1941 Treffen Hitler–Mussolini am Obersalzberg, bei dem es um deutsche Hilfe für Italien in Nordafrika und Griechenland geht.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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21. bis 23. Jänner 1941 Erfolgloser Putschversuch der »Eisernen Garde« gegen den ehemaligen Koalitionspartner Antonescu in Rumänien  ; es kommt zu Judenpogromen. 23. 1. 1941 Austr alier in Tobruk – Der Angriff war Teil der militärischen Operation der Alliierten in Nordafrika. Am 22. Jänner 1941 wurde die libysche Hafenstadt eingenommen. Bei einem deutschen Gegenangriff wurde Tobruk im April 1941 von australischen Truppen verteidigt. 25. 1. 1941 Grillparzer-Ausstellung  – Die Grillparzer-Gedächtnisschau anlässlich des 150. Geburtstags des Dichters im Wiener Rathaus war am 15. Jänner 1941 eröffnet worden. Am 25. Jänner wurde sie verlängert. Brief K aiser Fr anz Josef zum 80. Geburtstag – Der Brief befindet sich im Österreichischen Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Selekt Kronprinz Rudolf 12–1, Kopialbuch mit 187 Briefen. 30. 1. 1941 Hitlerrede  – Zum Jahrestag der »Machtergreifung« hielt Hitler eine Rede im Berliner Sportpalast. 10./11. 2. 1941 Buk arest-Aufstand – Vom 20. bis 23. Jänner 1941 war es zu einem Putsch der Legionäre gegen Antonescu gekommen. Am 15. Februar 1941 wurde der »Nationallegionäre Staat« offiziell abgeschafft  ; siehe die Biografien von Antonescu und Sima im Anhang. 12. und 13. Februar 1941 Treffen Mussolini–Franco im italienischen Seebad Bordighera, bei dem sich Mussolini vergeblich bemüht, Franco zum Kriegseintritt zu bewegen. 14. Februar 1941 Hitler versucht erfolglos, Jugoslawien zum Beitritt zum Dreimächtepakt zu bewegen. 15. 2. 1941 Rede Churchills – Am 9. Februar 1941 hatte Churchill im Rundfunk eine Rede an die Nation gehalten. Er kündigte materielle Hilfe durch die USA an. Kurz danach wurde in den USA das »Englandhilfsgesetz« in Kraft gesetzt. Das Leih- und Pacht-

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gesetz (»Lend and Lease Bill«) erlaubte den USA, Kriegsmaterial u. a. nach Großbritannien zu liefern. 16./17. 2. 1941 Bombensichere Unterkünfte – In den Jahren 1942 bis 1945 wurden sechs große Stahlbetonbauten – die Wiener Flaktürme – gebaut. Antonescu löst die rumänische »Nationallegionäre Regierung« auf. Abschluss eines Bulgarisch-Türkischen Freundschafts- und Nichtangriffspakts. 18. 2. 1941 A lle Juden aus Wien her ausgebr acht – Am 15. Februar 1941 begannen die Deportationen. Insgesamt wurden zwischen Februar 1941 und Oktober 1942 45.000 Jüdinnen und Juden vom Bahnhof Aspang in 45 Zügen nach Tschechien, Polen, Weißrussland und in die baltischen Staaten in Konzentrationslager deportiert. 20. 2. 1941 Bulgarisch-Türkischer Nichtangriffspakt – Unterzeichnung am 17. Februar 1941. 23./24. 2. 1941 Führerrede  – Am 24. Februar 1941 hielt Hitler eine Gedenkrede zur Parteigründung im Münchner Hofbräuhaus. 1. 3. 1941 Bulgarien Dreimächtepakt – Bulgarien tritt dem Pakt bei. Die Vertragsunterzeichnung fand in Wien statt, mit anschließendem Empfang im Schloss Belvedere. Nicht veröffentlichter Vertr ag – Italien–Deutsches Reich zur Achsenpolitik  – Dies bezieht sich auf den Freundschafts- und Bündnisvertrag vom 22. Mai 1939, dem sogenannten »Stahlpakt« mit seinen 7 Artikeln sowie einem geheimen Zusatzprotokoll. 2. März 1941 Einmarsch deutscher Truppen in Bulgarien – mit Zustimmung der bulgarischen Regierung. 6. 3. 1941 Göring – trifft am 5. März 1941 den rumänischen Staatsführer Antonescu im Schloss Belvedere in Wien.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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12. 3. 1941 Bulgarien – Hereinlassen der deutschen A rmee – siehe 2. März 1941. Rumänien – Rosenbergrichtung in der Partei – Das Auswärtige Amt förderte die Vereinigung aller rechtsextremen Organisationen, um eine engere Bindung an das Deutsche Reich zu erreichen  ; (siehe auch 4. September 1940). 13. 3. 1941 Aufmarsch auf dem Heldenplatz – »Das kleine Volksblatt«, 14. März 1941, S. 4, »Wien feiert seine Heimkehr ins Reich«  ; Reichsminister Dr. Goebbels »Die Stadt Wien wird wieder eine Perle im deutschen Städtekranz werden.« 14. 3. 1941 Jugoslaven – wollen sich nicht ergeben – siehe 24./25. 3. 1941 22. 3. 1941 Wilhelminenschloß  – Das Schloss Wilhelminenberg, das seit 1926 im Besitz der Gemeinde Wien war, liegt am Stadtrand von Wien im 16. Wiener Gemeindebezirk. Ab 1934 beherbergte es die Wiener Sängerknaben. Im März 1938 wurde es beschlagnahmt und in den Kriegsjahren als ein an das nahe Wilhelminenspital angeschlossenes Heereslazarett verwendet. 24. 3. 1941 Fr au Ciano – Spitalsschiff – Am 14. März 1941 wurde der Dampfer »Po«, ein ehemaliges Passagierschiff des Österreichischen Lloyd, das 1940 von der italienischen Armee requiriert und als Hospitalschiff im Einsatz war, von britischen Torpedobombern versenkt. Zu diesem Zeitpunkt war Edda Ciano, die Tochter Mussolinis und Ehefrau von Außenminister Ciano, als Krankenschwester auf dem Schiff. 24./25. 3. 1941 Achsenanschlußvertr ag – Am 25. März 1941 unterzeichneten Regierungsvertreter Jugoslawiens in Wien den Beitritt zum Dreimächtepakt. Hitler befand sich am 24./25. März 1941 in Wien. Brief Ribbentrops – »Neues Wiener Tagblatt«, 26. März 1941, S. 4  ; Wildner spricht hier von einem Brief, gemeint ist die gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Protokolls über den Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt an die jugoslawische Regierung gerichtete Note, in der Ribbentrop das gegenseitige Einverständnis der Vertragspartner bestätigt, »daß die Regierungen der Achsenmächte während des

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Krieges nicht die Forderung an Jugoslawien richten werden, den Durchmarsch oder Durchtransport von Truppen durch das jugoslawische Staatsgebiet zu gestatten.« 26. 3. 1941 Türkisch-russischer Nichtangriffspakt – Am 25. März 1941 wurde gleichzeitig ein offizielles Communiqué der beiden Staaten veröffentlicht, in dem sie den bestehenden Nichtangriffspakt bekräftigten. 27. 3. 1941 Belgr a d  – Nach dem Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt kam es zu antideutschen Kundgebungen in ganz Jugoslawien. Am 27. März 1941 putschten Offiziere in Belgrad gegen die Regierung Cvetković, setzten den minderjährigen Peter II. auf den Thron (Prinzregent Paul ging ins Exil) und installierten eine neue Regierung unter General Simović. 1. 4. 1941 Riesenniederlage der Italiener – Eine italienische Offensive in Griechenland zwischen 9. und 20. März 1941 war erfolglos verlaufen. Der deutsche Angriff am 6. April 1941 führte zur Kapitulation Griechenlands am 23. April 1941. 5. 4. 1941 Teleki  – Am 3. April 1941 beging der ungarische Ministerpräsident Pál Teleki aus Protest gegen die deutschen Pläne, Ungarn zur Kriegsteilnahme zu zwingen, Selbstmord. Ungarisch-jugoslawischer Nichtangriffspakt – Im Rahmen des Abkommens von Bled vom 23. August 1935 hatten die Staaten der Kleinen Entente Ungarn Gleichberechtigung in Rüstungsfragen zugesichert. Als Gegenleistung Ungarns wurde ein Nichtangriffspakt abgeschlossen. 6. 4. 1941 Belgr a d – Beginn der Angriffe der deutschen Luftwaffe auf Belgrad. Jugoslawien von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen. Griechenland von Deutschland ohne Kriegserklärung angegriffen. 10. April 1941 Nach dem Angriff Hitlers auf Jugoslawien am 6. April 1941, proklamiert Kvaternik am 10. April 1941 den »Unabhängigen Staat Kroatien«.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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7. 4. 1941 Nichtangriffspakt – Die sowjetische Regierung schloss mit der neuen jugoslawischen Regierung (Simović) einen Freundschafts- und Nichtangriffspakt ab (am 6. April vordatiert auf 5. April 1941). 8. 4. 1941 »Neues Wiener Tagblat t« – Dienstag, 8. April 1941, S. 3, Oberst Max Freiherr von Pitreich, »Besonders schweres Kampfgelände. In Serbien gibt es keinen ›Blitzkrieg‹.« 9. April 1941 Deutsche Truppen besetzen Saloniki. 11. April 1941 Krieg Ungarns gegen Jugoslawien  ; ab Juni 1941 Beteiligung am Einsatz gegen die Sowjet­ union  ; 28. Dezember 1944 Kriegserklärung der provisorischen Regierung an Deutschland. 12. 4. 1941 K roatien – erklärt sich zum »Unabhängigen Staat Kroatien«. 13. 4. 1941 Tobruk – war noch nicht von Deutschen erobert – deutsche Truppen belagerten die von Briten besetzte Stadt Tobruk von April bis November 1941. Japanisch-Sowjetischer Neutralitätspakt. Deutsche Truppen besetzen Belgrad. 15. 4. 1941 Belgr a d  – Die Stadt wurde zerbombt und mehr als 17.000 Zivilpersonen getötet. 17. 4. 1941 Serbischer K rieg – Die Kapitulation der jugoslawischen Wehrmacht erfolgte am 18. April 1941. 19. April 1941 Kriegseintritt Bulgariens (nach massivem deutschen Druck)  ; 27. August 1944 Bulgarien erklärt Neutralität  ; 8. September 1944 Kriegserklärung gegen das Deutsche Reich.

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20. 4. 1941 Göring auf dem Semmering – Er bezog im Hotel »Panhans« sein Quartier. Hitler ernennt Rosenberg zum Beauftragten für die »zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes.« 22. 4. 1941 Hitler in Mönichkirchen – In einem vor einem Tunnel abgestellten Sonderzug (seinem Mönichkirchner Hauptquartier) empfing Hitler am 19. April 1941 König Boris III. von Bulgarien und Papen, am 20. April 1941 Außenminister Ciano und am 24. April 1941 den ungarischen Reichsverweser Horthy. Das für den Balkanfeldzug eingerichtete Führerquartier in Mönichkirchen wurde am 26. April 1941 aufgelöst. Bei dem Tunnel handelte es sich um den 2500 Meter langen Großen Hartbergtunnel. In den Zeitungen wurde vom Führerhauptquartier geschrieben, ohne den Ort anzugeben. 23. 4. 1941 Epirusarmee K apitulation – Unterzeichnung der Kapitulation der griechischen Armee in Saloniki. Der griechische König weigerte sich, die Kapitulation zu unterzeichnen, und verließ Athen. 5. 5. 1941 K losterneuburg  – siehe 21. 5. 1939. St. Gabriel – Am 2. Mai 1941 wurde das Ordenshaus der Steyler Missionare aufgehoben. Das Missionshaus St. Gabriel in Wien-Mödling wurde beschlagnahmt. Die Gebäude wurden von den im Jänner 1941 in Wiener Neudorf gegründeten »Flugmotorenwerken Ostmark«, einem Zweigbetrieb der Junkers-Werke, genutzt. In Deutschland wurden zu dieser Zeit mehrere Klöster entsprechend der Parole vom »klosterfreien Deutschland« aufgehoben. »Völkischer Beobachter« – 4. Mai 1941, S. 9. Rede Hitlers – Am 4. Mai 1941 hielt Hitler eine Rede – Rechenschaftsbericht über den Südostfeldzug – vor dem Reichstag. 12. 5. 1941 Heß ist abgängig – Am 10. Mai 1941 flog Heß von Augsburg nach Großbritannien. Er sprang mit einem Fallschirm über Schottland ab. Heß wollte mit der britischen Regierung Friedensgespräche aufnehmen. Amtlich wurde von der NSDAP

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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mitgeteilt, dass er »Opfer von Wahnvorstellungen« geworden sei. Alle Personen, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem Flug standen, wurden verhaftet. Messerschmit twerke  – Das Regensburger Unternehmen »Messerschmitt GmbH« wurde 1936 als Zweigwerk der damaligen Bayerischen Flugzeugwerke gegründet. Ab 1938 unter dem Namen »Messerschmitt AG« firmierend, wurde es zu einem der wichtigsten Flugzeugwerke des Deutschen Reiches. 1943 wurde das Werk durch Luftangriffe fast vollständig zerstört. 18. Mai 1941 Die italienischen Truppen kapitulieren in Abessinien vor den britischen Truppen, die am 19. Jänner 1941 eine Offensive zur Eroberung der italienischen Kolonie begonnen hatten. 20. Mai 1941 Beginn der deutschen Luftlandeoperation zur Besetzung Kretas. 24. 5. 1941 K reta – siehe 20. Mai 1941 Englischer Schlachtkreuzer – Das britische Schlachtschiff »Hood«, das größte der Welt, wird durch das größte deutsche Schlachtschiff, die »Bismarck«, versenkt. 28. 5. 1941 »Die Bismarck« zusammengeschossen – Das deutsche Schlachtschiff »Bismarck« wurde samt seiner Besatzung (2000 Mann) am 27. Mai 1941 durch britische Schlachtschiffe versenkt. 2. Juni 1941 Dritte Aussprache Hitler–Mussolini am Brenner. 4. 6. 1941 Gerede – Hitler in Wien – dazu finden sich keine Hinweise. 9. 6. 1941 Letztes Münchner At tentat – siehe 9. 11. 1939. Ribbentrop – Gut in Fuschl – Schloss Fuschl am Fuschlsee in Hof bei Salzburg, wurde von Ribbentrop als Sommerresidenz benützt, die vorherigen Besitzer waren enteignet worden, einer verhaftet und im KZ Dachau ermordet. 1939 wurde

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von Ribbentrop eine »Stiftung Haus Fuschl« gegründet, deren Grundbesitz durch Erwerb von zahlreichen Grundstücken und Bauernhöfen der Umgebung vergrößert wurde. Das Geld kam aus einem Sonderfonds des Reichsaußenministeriums in Berlin. Rosenberg – A pold – Gut Pichl-Auhof – Anton Apold hatte nach seinem Abgang von der »Alpine« sein Gut Seehof am Mondsee (Post Loibichl) zu einem Musterbetrieb ausgebaut, den er 1940 an Alfred Rosenberg verkaufte. 12. 6. 1941 Ausstellung »K ampf um Wien« – Groß-Ausstellung im Messepalast in Wien vom 26. April bis 2. Juni 1941. 15. 6. 1941 Fußballmatch – K roatien – Österreich – war ein Testländerspiel mit 31.000 Zuschauern, bei dem Kroatien 1  :5 verlor. Kroatien tritt dem Dreimächtepakt bei. 18. 6. 1941 M aterial für geplanten Prozeß gegen Schuschnigg – Seit Jänner 1940 war ein Weißbuch über den »Kampf um Österreich« geplant, für das Borodajkewycz Material sammelte. Ein Prozess gegen Schuschnigg war als Schauprozess nach dem »Endsieg« geplant. Ein Deutsch-Türkischer Nichtangriffs- und Konsultativpakt wird in Ankara unterzeichnet. Es kommt jedoch nicht zu dem von Deutschland gewünschten Kriegsbündnis. 22. Juni 1941 Deutscher Angriff auf die Sowjetunion  ; Italien, die Slowakei und Rumänien erklären der Sowjetunion am selben Tag den Krieg. 24. 6. 1941 Churchill – Wutrede – Zum Angriff der Deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion erklärte Churchill in einer Rundfunkrede am 22. Juni 1941 abends u. a.: »Hitler ist ein Ungeheuer an Verruchtheit, unersättlich in seiner Blut- und Raubgier …« Hitler übersiedelt in sein neues Führerhauptquartier (Tarnname »Wolfsschanze«) in Rastenburg in Ostpreußen.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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25./28. 6. 1941 Molotow in Berlin – Am 12. und 13. November 1940 hatte Molotow Gespräche mit Hitler und Ribbentrop über Finnland, die türkische Meerenge und Interessen auf dem Balkan geführt. Ribbentrop schlug den Beitritt der Sowjetunion zum Dreimächtepakt vor, Molotow verlangte dagegen, dass Bulgarien in die sowjetische Einflusssphäre komme. Die Verhandlungen blieben ergebnislos. 26. Juni 1941 Finnland erklärt der Sowjetunion den Krieg. 27. Juni 1941 Ungarn erklärt der Sowjetunion den Krieg. 1. 7. 1941 Ustasch a  – Die kroatische Ustascha (deutsch »Aufstand«), 1929 von Pavelić gegründet, war eine radikale Organisation kroatischer Nationalisten, die, u. a. von Italien und Ungarn aus, den großserbischen Zentralismus in Jugoslawien bekämpfte. Die faschistische Bewegung unterstützte 1941 Hitler und Mussolini bei der Besetzung Jugoslawiens und übernahm im Unabhängigen Staat Kroatien (auf dem Gebiet Kroatiens, Bosniens und Herzegowinas) die Herrschaft. Serben und Tschetniks wurden von ihr in Bosnien und Slowenien unterdrückt und bekämpft. Mit teleuropäischer Wirtsch aftsverein – Wahrscheinlich meinte Heinrich Wildner den »Mitteleuropäischen Wirtschaftstag«, der als Machtzentrum der deutschen Wirtschaft zunehmend unter den Einfluss der NS-Eliten geriet. Von 1931 bis 1944 war er ein Interessensverband der führenden deutschen Konzerne, Banken und Wirtschaftsverbände, der nach Beherrschung des süd- und osteuropäischen Marktes strebte. Der Krieg gegen die Sowjetunion und der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg führten durch die militärische Expansion zum Scheitern der ökonomischen Strategien. Orientverein – Die Südosteuropa-Gesellschaft (Wien) war am 8. Februar 1940 in Wien gegründet worden, um die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und den Ländern Südosteuropas zu fördern. Sie war eine staatliche Organisation und stand in Konkurrenz zum privatwirtschaftlich organisierten Mitteleuropäischen Wirtschaftstag. Schirach – als Präsident – drängte auf Auflösung des Mitteleuropäischen Wirtschaftstags und dessen Beitritt zur Südosteuropa-Gesellschaft. Geschäftsführer der Gesellschaft war August Heinrichsbauer.

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5. 7. 1941 Schot ten-Stift – Das Schottenstift entging der Beschlagnahme, weil Militär einquartiert wurde. 6. 7. 1941 »International A ffairs« – Eine zweimonatlich erscheinende britische Zeitschrift, 1922 als »Journal of the British Institute of International Affairs« gegründet. Der Artikel Gessner, R. »The Future of Austria«. In  : »International Affairs« (Royal Institute of International Affairs 1931–1939), vol. 15, no. 2, 1936, S. 225–244. Bei dem Autor »Dr. Gessner« geht Wildner mit der Annahme fehl, dass es sich um einen sudetendeutschen Sozialisten handelt. Rudolph Gessner war das Pseudonym von John Mars, eigentlich Hans Materschläger, seit 1925 Hans Mars (siehe Biografie im Anhang). Der in London lebende Wiener Emigrant war Verbindungsmann Otto Bauers zur Labour Party. Der andere, von Wildner angeführte Artikel stammte von Seton-Watson, R. W. »Europe and the Austrian Problem«. In  : »International Affairs« (Royal Institute of International Affairs 1931–1939), vol. 15, no. 3, 1936, S. 327–350. 7. 7. 1941 Hirtenbrief der deutschen Bischöfe – Am 26. Juni 1941 einigten sich die Bischöfe auf den Text eines Hirtenbriefes, in dem u. a. mit vorsichtigen Formulierungen Eingriffe in das kirchliche Leben, die nicht durch »Kriegsnotwendigkeiten begründet« seien, bedauert wurden. Der Hirtenbrief, von 30 Bischöfen und Erzbischöfen unterschrieben, wurde am 6. Juli 1941 von allen Kanzeln verlesen. 8./12. 7. 1941 In K lagenfurt 500 Personen verh aftet – Die von Wildner berichtete Zahl von 500 Verhaftungen in Kärnten konnte nicht verifiziert werden. Bereits vor und unmittelbar nach dem Überfall auf Jugoslawien wurden zahlreiche Kärntner Slowenen verhaftet. Im Zusammenhang mit den Sabotageanschlägen im Frühjahr 1941 auf der Bahnstrecke Judenburg–Villach nach Italien kam es im Juli 1941 in Klagenfurt zum bis dahin größten Prozess des Reichskriegsgerichtes in der Ostmark, bei dem sechs der 13 Angeklagten zum Tode verurteilt wurden. 16./17. 7. 1941 Kommunistenprozesse Wien – Im Jänner 1941 zerschlug die Gestapo die 1940 reorganisierte KPÖ in Wien. In den folgenden Monaten kommt es zu zahlreichen Verhaftungen und Prozessen. Bis Kriegsende folgten drakonische Strafen für geringste Vergehen bis hin zur Todesstrafe.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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Alfred Rosenberg wird Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. Die Ernennung wird nicht bekanntgegeben. 30. Juli 1941 Hitler verfügt ein vorläufiges Ende der Klosteraufhebungen. 31. Juli 1941 Göring beauftragt Heydrich mit der »Gesamtlösung der Judenfrage«  ; Rumänien besetzt Bessarabien. 9./10. 8. 1941 Parteih aus – Am Schwarzenbergplatz Nr. 5 befand sich der Sitz der Kreisleitung III (für die Wiener Gemeindebezirke 3, 4 und 5). 14. August 1941 Veröffentlichung der »Atlantik-Charta« durch Roosevelt und Churchill – In acht Punkten werden Friedensziele und -bedingungen formuliert  ; u. a. die Ablehnung aller territorialen Veränderungen ohne freie Zustimmung der betroffenen Völker und das Recht der Völker, sich ihre Regierungsform frei wählen zu können. 19. August 1941 Rumänien übernimmt vom deutschen OKW das Gebiet Transnistrien (Gebiet zwischen den Flüssen Dnjestr und Bug). 25. bis 29. August 1941 Zusammenkunft Hitler–Mussolini im Führerhauptquartier (Tarnname »Wolfsschanze«) in Rastenburg in Ostpreußen. 25. 8. 1941 Rich ar d Schmitz – K Z – Gärtner und Interventionen für ihn – Richard Schmitz gehörte im KZ Dachau seit Ende November 1940 dem Arbeitskommando »Heilkräutergarten« an, arbeitete dort aber nicht als Gärtner, sondern als Übersetzer im »Forschungsinstitut«. Es gab Interventionen seines Bruders und dessen Söhne für seine Entlassung. Hans Schmitz, September 1940 bis Dezember 1941 Angehöriger einer Nachschubkompanie in Finnland, intervenierte höchstwahrscheinlich 1941 für ihn. Nach Eintragungen in seinem Kriegstagebuch hat er während eines Urlaubs zwischen dem 18. und 24. März 1941 im Reichssicherheitshauptamt in Berlin vorgesprochen. Eine Intervention von Hans, Bruno und Ernst Schmitz für

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eine Entlassung von Richard Schmitz erfolgte auch 1943. Für diese Angaben zu den Mitgliedern der Familie von Richard Schmitz danke ich Hofrat Dr. Georg Schmitz. Vis et metus – Gewalt und Furcht als trennendes Ehehindernis  ; zur Ehe Kurt Schuschnigg – Vera Fugger-Czernin siehe auch 18. 4. 1938. 26. 8. 1941 Das K apuzinerkloster für Privatwohnungen in A nspruch genommen – Im August 1941 fand die Besichtigung des Kapuzinerklosters in Reichenberg statt. Aus einem städtischen Heim mussten Mieter ausziehen, da dieses in ein Lazarett umgewandelt wurde. Die Bewohner dieses Heims wurden mit Mietverträgen im Kloster untergebracht. Am 25. August 1941 räumten die Kapuzinermönche das Kloster. 1. September 1941 Offizieller Abschluss des »Euthanasie-Programms«, in dessen Rahmen 70.000 bis 93.000 Menschen ermordet wurden. 14. 9. 1941 Her ausnahme des K reuzes aus Schulen – Ab April 1941 sah der »Kruzifix-Erlass« in Bayern die Entfernung des Kreuzes aus den Schulen vor. Der Erlass war am 28. August 1941 gestoppt worden. Die Eintragung findet sich bei Wildner am Tag der Kreuzerhöhung. Die Kreuzerhöhung ist der Name eines Festes, das im Kirchenjahr der römisch-katholischen Kirche am 14. September gefeiert wird. 15. 9. 1941 Gasth aus unter dem Jeschken – Das Jeschken-Gebirge ist Teil des böhmischen Randgebirges. Reichenberg wird auch »Stadt unter dem Jeschken« genannt. 18. 9. 1941 Hoher Berg – wahrscheinlich lokale Ortsbezeichnung in oder bei Reichenberg. 24. 9. 1941 Reiftr ägerbaude  – eine Übernachtungsherberge im Riesengebirge. 29. 9. 1941 Pr ag – Standrecht – Schon im April 1941 gab es Konfidenten-Berichte von Widerstands- und Sabotageaktionen im Protektorat. In den Nachtstunden vom 15. auf den 16. September 1941 war es zu Massendemonstrationen von Arbeitern und Angestellten in Prag gekommen. Am 16. September 1941 wurde das Standrecht verhängt. Am 17. September wurden mehr als 3000 Personen verhaftet, vor allem ehe-

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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malige tschechoslowakische Offiziere, Polizisten, Sokolführer und Legionäre. Am 27. September 1941 ernannte Hitler den Leiter des Reichssicherheitshauptamtes sowie Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes SS, Heydrich, zum Stellvertretenden Reichsprotektor für Böhmen und Mähren. Dieser verhängte sofort den Ausnahmezustand und ließ bis Ende November 4000 bis 5000 Verhaftungen durchführen, 544 Todesurteile vollstrecken und 1299 Personen der Gestapo übergeben, die alle in das KZ Mauthausen deportiert wurden. Heydrich bekam den Beinamen »Schlächter von Prag.« 2. Oktober 1941 Beginn des Angriffs auf Moskau. 9. Oktober 1941 Abschluss eines Deutsch-Türkischen Wirtschaftsabkommens. Die Türkei erwartet Waffenlieferungen und Kredite. 12. Oktober 1941 Deutsche Truppen erreichen die Außenbezirke von Moskau. 16. 10. 1941 Brevillier & Urban – Die Bleistiftfabrik in Floridsdorf war bereits seit 1931 geschlossen. 24. Oktober 1941 Deutsche Truppen besetzen Charkow. 26. 10. 1941 Besetzung Islands – Am 10. Mai 1940 hatten die Briten Island besetzt. Am 7. Juli 1941 erfolgte die Besetzung durch die USA, um die britische Marine und Armee zu entlasten. 31. 10. 1941 Korruption Schönaich – Franz von Schönaich, General der Infanterie, von 1906 bis 1911 Reichskriegsminister, musste auf Betreiben von Erzherzog Franz Ferdinand zurücktreten, u. a. wurden unbegründete Korruptionsvorwürfe erhoben, die aus der Umgebung des Thronfolgers lanciert worden waren. Damit in Verbindung stand auch Clemens Kolischer Khan. Er war in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in der Wiener Gesellschaft als »kaiserlich persischer Generalleutnant und Sektionschef« aufgetreten, bekannt für seine zwielichtigen Geschäfte und Ehrenhändel.

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7. 11. 1941 Vermeer– Das Gemälde »Die Malkunst« von Jan Vermeer, 1664/1668 oder 1673, gilt als eines der Hauptwerke des Malers. Es war seit 1813 im Besitz der Czernins. Der Versuch, das Gemälde 1935 an einen US-Sammler zu verkaufen, scheiterte am Einspruch der österreichischen Regierung. Im Oktober 1940 kaufte Hitler um 1,65 Millionen Reichsmark und einen Steuererlass in Höhe von etwa 500.000 Reichsmark das Gemälde. Juristisch ist nicht eindeutig geklärt, ob das Gemälde von Hitler privat oder für das geplante Führermuseum in Linz gekauft wurde. 1946 erfolgte die Restitution an die österreichischen Behörden. Seit 1952 ist es im Kunsthistorischen Museum in Wien ausgestellt. 2011 hat der Kunstrückgabebeirat die Empfehlung ausgesprochen, dem Restitutionsantrag der Czernin-Erben nicht zu folgen. Czernin-Galerie – Die um 1800 gegründete Gemäldegalerie Czernin war im Czernin-Palais untergebracht. Dieses war in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts als Fideikommiss-Palais der Familie im 8. Wiener Gemeindebezirk, heute FriedrichSchmidt-Platz  4, errichtet worden. Die Galerie wurde zuletzt von Eugen Czernin (1892–1955) verwaltet. »Der lesende M ann« – Ein fälschlicherweise Jan Vermeer zugeschriebenes Bild, das Reichsstatthalter Schirach in Amsterdam erworben hatte, um es den Wienern als Ersatz für die »Malkunst« anzubieten. 9. 11. 1941 Hitlerrede – Am 8. November 1941 hielt Hitler zum Jahrestag des Putsches von 1923 im Löwenbräukeller eine Rede, in der es u. a. hieß  : »Noch niemals ist ein Riesenreich in kürzerer Zeit zertrümmert und niedergeschlagen worden als diesmal Sowjetrussland …« 19. 11. 1941 In vektiven  – Schmähungen, Beleidigungen. 25. November 1941 Verlängerung des Antikominternpakts, dem bis dahin Deutschland, Italien, Japan, Spanien und Ungarn angehörten, um fünf Jahre in Berlin. Als neue Mitglieder treten Bulgarien, Dänemark, Finnland, Kroatien, Rumänien, die Slowakei und die chinesische Nationalregierung (unter Patronanz Japans) dem Pakt bei. 26. 11. 1941 Vermeerbild  – siehe 7. 11. 1941.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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6. Dezember 1941 Britische Kriegserklärung an Finnland, Ungarn und Rumänien  ; Beginn der sowjetischen Gegenoffensive bei Moskau. 8. 12. 1941 A merik a im K rieg mit Japan – Am 7. Dezember 1941 erfolgte der japanische Angriff auf Pearl Harbour. Užice – In dem serbischen Ort wurde eine Produktionsstätte der Widerstandskämpfer (Partisanen) für Waffen und Munition, die sich in einem unterirdischen Gewölbe der ehemaligen jugoslawischen Nationalbank befunden hatte, durch eine Explosion zerstört. US-Kriegserklärung an Japan. 9. Dezember 1941 (bzw. 17. Dezember 1941) Kriegserklärung der tschechoslowakischen Exilregierung an die Dreimächtepaktstaaten  ; Exiltruppen kämpfen an der Ost- und Westfront. 11. 12. 1941 Hitlerrede  – Deutschland und Italien erklärten den USA den Krieg (am 10. Dezember 1941). Aus diesem Anlass gab Hitler eine stundenlange Erklärung vor dem Reichstag ab. US-Kriegserklärung an Deutschland. 13. Dezember 1941 Bulgarien und Ungarn erklären den USA den Krieg. 21. 12. 1941 Aufruf Goebbels – »Völkischer Beobachter«, 21. Dezember 1941, S. 1 f., Rede Goebbels am Samstag, 20. Dezember 1941 über alle Rundfunksender  : »Das Weihnachtsgeschenk des deutschen Volkes an die Ostfront. Sammlung von Winter- und Wollsachen für Soldaten.« »Deutsche Zeitung für Norwegen« – Sie erschien vom 20. Mai 1940 bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945 in Oslo. Oberbefehlsh aber für Fr ankreich – Erwin von Witzleben im »Paris-soir« vom 24. Dezember 1941, S. 1, »… Ordonnance du 17 décembre imposée aux juifs … L’amende d’une milliard de frances …«

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1. 1. 1942 K ertsch und Feodosia – Bis Ende Jänner 1942 fanden sich noch immer Heeresberichte über Angriffe der Luftwaffe auf die beiden auf der Halbinsel Krim liegenden Hafenstädte. Pakt der Vereinten Nationen – 26-Nationen-Erklärung (auch Washington-Pakt) – Die Staaten erklären ihre Bereitschaft zur Bildung einer großen Koalition der Alliierten »im gemeinsamen Kampf gegen wilde und brutale Kräfte« und für Freiheit, Unabhängigkeit, Menschenrechte und Gerechtigkeit. Darüber hinaus erklären die Staaten, keinen gesonderten Waffenstillstand und keinen Sonderfrieden mit dem Feind zu schließen. Auch weitere Nationen könnten sich dem Kampf für den Sieg über den Hitlerismus anschließen. 2. 1. 1942 Japaner losgeschossen – Es gab etwa japanische Angriffe auf Pazifikinseln und Hawaiihäfen  ; in Manila, in der Provinz Hunan, in Malaya und Britisch-Borneo kam es zum japanischen Truppeneinmarsch. 7. 1. 1942 Ausstellung – Die Ausstellung von Gemälden aus preußischen Schlössern fand vom Dezember 1941 bis März 1942 im Belvedere in Wien statt. 20. Jänner 1942 Wannsee Konferenz unter dem Vorsitz von Heydrich zur Koordinierung der »Endlösung« (der Ermordung der europäischen Juden). 23. 1. 1942 Ribbentrop-Ciano-Besuch – Im Tagebuch von Ciano findet sich der Hinweis auf einen Besuch in Ungarn vom 14. bis 19. Jänner 1942 und auf eine gemeinsame Jagd mit Ribbentrop am 17. Jänner 1942. 28. Jänner 1942 Unterzeichnung der Militärkonvention zwischen Deutschland, Italien und Japan. 31. 1. 1942 Rede Hitlers – Zur Wiederkehr des 30. Jänner (am 30. Jänner 1933 wurde Hitler Reichskanzler) hielt Hitler im Sportpalast in Berlin eine Rede. 3. 2. 1942 Hotel Dianaba d – Das Hotel befand sich im 2. Wiener Gemeindebezirk und war Teil des Dianabades. Das alte Dianabad war nach dem Abriss 1913–1917 neu gebaut

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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worden. Die luxuriöse fünfstöckige Anlage umfasste auch ein Hotel. 1945 wurde das Gebäude schwer beschädigt. Hess-Hotels – Es sind dies das Hotel »Österreichischer Hof« in der Rotenturmstraße und das Hotel »König von Ungarn« in der Schulerstraße, beide im 1. Wiener Gemeindebezirk. 7./9. 2. 1942 Udet – Mödlinger Fabrik – Im Jänner 1941 waren die »Flugmotorenwerke Ostmark« gegründet worden. Eines der drei geplanten Werke (mit fünf großen Fertigungshallen) wurde in Wiener Neudorf gebaut. Die Produktion hätte im August 1941 anlaufen sollen, doch war der dafür vorgesehene neue Motor des Junker-Konzerns noch nicht serienreif. Die Umstellung auf einen Daimler-Benz-Motor gelang nicht, da dieser auch nicht serienreif war. Im Oktober fand das Richtfest im Beisein von Generalluftzeugmeister Udet statt. Der Bau verzögerte sich weiter, da Arbeitskräfte für den Bau der Flugzeugfabrik »Heinkel« in Schwechat abgegeben werden mussten. Erst ab 1944 lieferte das Werk einen Serienmotor. KZ-Häftlinge, Zwangsverpflichtete und Kriegsgefangene wurden zur Arbeit eingesetzt. Seit März 1942 wurden zur Behebung des Arbeitskräftemangels im ganzen Reichsgebiet KZ-Insassen, Kriegsgefangene und ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt. 15. 2. 1942 Schir ach in Rom – »Völkischer Beobachter«, 14. Februar 1942, S. 1, »Zusammenarbeit der Jugend Europas, Baldur von Schirach beim Duce.« 19. 2. 1942 Brief Innitzers an Schir ach – Es ist nicht klar, worauf sich die Textstelle bezieht. 23. 2. 1942 Blomberg-Fritsch-A ffäre – Siehe Jänner/Februar 1938. Wahlsieg von Lippe – Die NSDAP erlangte bei den Landtagswahlen am 15. Jänner 1933 im Freistaat Lippe 39,5 Prozent der Stimmen und wurde damit stärkste Kraft. Mit dem Wahlsieg wurde der Druck auf Kanzler Kurt von Schleicher erhöht und er trat zurück. Der regionale Wahlerfolg – propagandistisch als »Signal Lippe« verwendet – ebnete Hitler den Weg zum Amt des Reichskanzlers (Ernennung am 30. Jänner 1933).

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Hotel K r antz – Traditionsreiches Luxushotel im 1. Wiener Gemeindebezirk, Neuer Markt 5/Kärntnerstraße 22. 4. 3. 1942 Ch arkow – Vom Jänner bis Ende April 1942 führten Einsatzgruppen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Wehrmacht in der Ukraine einen Ausrottungsfeldzug gegen Kommunisten, Partisanen und Juden. Bis 7. Jänner 1942 waren bereits 15.000 Juden in einer Schlucht bei Charkow erschossen worden. Im sowjetischen Kriegsverbrecherprozess von Charkow vom 15. bis 18. Dezember 1943 gegen drei deutsche Militärangehörige und einen ukrainischen Kollaborateur wurde die Zahl der ermordeten Menschen vorläufig auf 33.000 geschätzt. Die vier Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Sophiensäle – Ein Gebäude mit Veranstaltungsräumlichkeiten in der Marxergasse im 3. Wiener Gemeindebezirk. 10. 3. 1942 Renault-Werke – Ziel britischer Luftangriffe im März und April 1942 in Paris. Erst nach einem weiteren Angriff im September 1943 musste die Produktion eingestellt werden. 15. 3. 1942 Papstfeier in der Steph anskirche – Am 7. März 1942 war der dritte Jahrestag der Papstkrönung von Pius XII., der in der katholischen Kirche feierlich begangen wurde. 21. 3. 1942 Achsenpolitik – Ungarns Ministerpräsident Kállay hielt am 19. März 1942 seine Antrittsrede vor dem Parlament, in der er den Platz Ungarns an der Seite Deutschlands und Italiens im Krieg betonte. Ostmark – offizieller Gebietsname für Österreich zwischen Oktober 1938 und Jänner 1942  ; im April 1942 wurde die Bezeichnung »Reichsgaue der Ostmark« in die Bezeichnung »Alpen- und Donau-Reichsgaue« geändert. Bereits im Mai 1941 war angeordnet worden, die Bezeichnung »Ostmark« in der Presse nicht mehr zu verwenden. 6. 4. 1942 Vorlesungen – Bezeichnungen – Ein Vergleich der Titel der Vorlesungen an der Universität Wien der Jahre vor und nach 1942 zeigt keine auffälligen Veränderungen.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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SS-K aserne im Fasangarten – im 13. Wiener Gemeindebezirk – Die Grundsteinlegung erfolgte im Oktober 1936. 1940 wurde die Kaserne fertiggestellt, in der die Kraftfahrtechnische Lehranstalt der Waffen-SS bis 1945 untergebracht war. Vom September 1944 bis April 1945 befand sich auf dem Gelände auch ein Nebenlager des KZ Mauthausen und ein Lager für Zwangsarbeiter. 1967 wurde die Fasangartenkaserne in »Maria-Theresien-Kaserne« umbenannt. 11. 4. 1942 Name Blaschko auf Ross abgeändert – Siehe Rossee-Blaschko, Biografie im Anhang. 18. 4. 1942 Sabotageakte in Fr ankreich – Judenverfolgung, Zwangsrekrutierung französischer Arbeitskräfte und zunehmender Terror der Deutschen verstärkten den Zulauf zur Résistance. Ständige Sabotageakte und zunehmende Attentate auf Wehrmachtsangehörige wurden mit harten Repressalien und »Sühnemaßnahmen« (Geiselerschießungen) durch die Militärverwaltung geahndet. Im Frühjahr 1942 eskalierte der NS-Terror (Massenexekutionen und -deportationen) weiter. Mit der Ablösung von Otto Edwin von Stülpnagel durch seinen Cousin Carl-Heinrich von Stülpnagel als Militärbefehlshaber in Frankreich am 16. Februar 1942 verschlechterte sich das Verhältnis zwischen der Militärverwaltung und dem Oberkommando der Wehrmacht. 20. 4. 1942 Verse von Baldur von Schir ach über den Führer – »Völkischer Beobachter«, 20. April 1942, S. 1. Schirach war auch Herausgeber von  : Das Lied der Getreuen, Verse ungenannter österreichischer Hitler-Jugend aus den Jahren der Verfolgung 1933–1937, Leipzig 1938. 26. 4. 1942 Führerrede – Am 26. April 1942 sprach Hitler im Reichstag, Göring hielt die Schlussansprache, in der er u. a. auch ausführte, dass »das deutsche Volk in einem Kampf um Sein oder Nichtsein steht.« 29. bis 30. April 1942 Unterredung Hitler–Mussolini in Salzburg. 1. 5. 1942 Innitzer Vorspr ache bei Hitler – siehe 15. März 1938.

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2. 5. 1942 Pilsen – Die Škoda-Werke in Pilsen waren immer wieder Ziel von Bombardierungen, so auch in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1942 durch die neuen britischen Stirling-Bomber. 5. 5. 1942 M a dagask ar – Britische See- und Landstreitkräfte besetzten Madagaskar, um – wie es in offiziellen Erklärungen hieß – »einem japanischen Angriff gegen den französischen Marinestützpunkt Diego Suarez« zuvorzukommen. 6. 5. 1942 Salzburg 80 Lokomotivführer verh aftet – In den Zeitungen wurde darüber nicht berichtet. 1942 wurden zahlreiche Eisenbahner aus politischen Gründen hingerichtet, u. a. wegen des Abhörens von »Feindsendern«, in welchen zur Sabotage an Zugsgarnituren aufgerufen wurde. In Salzburg gab es vom Frühjahr 1942 bis 1943 eine Verhaftungswelle. 8. 5. 1942 Hofmobiliendepot – Das Mobiliendepot wurde in der Monarchie zur Verwaltung der Einrichtungsgegenstände für die Ausstattung des Hofes und diverser Schlösser gegründet. Nach dem »Anschluss« verwaltete das Mobiliendepot zudem mehr als 5000 »arisierte« Gegenstände. 1942 wurde es als eigenständige Institution aufgelöst. Die Bestände wurden zusammen mit den ehemaligen kaiserlichen Schlössern und Gärten direkt dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin unterstellt. 25. 5. 1942 A ffäre – Röhm – siehe 7./8. 11. 1938. 26. Mai 1942 Sowjetisch-Britischer Bündnisvertrag – Der Vertrag ist als Bekräftigung der Bestimmungen des Abkommens vom 12. Juli 1941 zu sehen, u. a. waren eine enge Zusammenarbeit und Anerkennung der Prinzipien der Atlantik-Charta sowie gegenseitiger Beistand im Falle eines Angriffs vorgesehen. 28. 5. 1942 Heydrich – At tentat – Am 27. Mai 1942 wurde auf Heydrich in Prag ein Attentat verübt. Zunächst wurde offiziell gemeldet, dass er außer Lebensgefahr sei.

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4. 6. 1942 Heydrich – Der stellvertretende Reichsprotektor in Böhmen und Mähren stirbt an den Folgen des Attentats. M assenjustifizierungen – Nach dem Attentat auf Heydrich kam es neuerlich zur Verfolgung tschechischer Bürger. Zwischen 27. Mai und 3. Juli 1942 wurden 3188 Personen verhaftet, von diesen 1357 von Standgerichten in Prag und Brünn zum Tode verurteilt und erschossen. Am 10. Juni 1942 erschossen SS-Soldaten im Dorf Lidice 20 Kilometer nordwestlich von Prag sämtliche 192 Männer und sieben Frauen zweier Legionärsfamilien. 198 Frauen wurden in Konzentrationslager deportiert. Kriegserklärung der USA an Rumänien. 5. 6. 1942 Ledererschlößl – Die Villa, 1715 erbaut, wurde nach einem seiner letzten Besitzer, dem Industriellen August Lederer (1857–1936) Lederer-Schlössl genannt. Die Nachlass-Streitigkeiten nach dem Tod von August Lederer zogen sich bis weit nach 1945. 1938 bis zu ihrem Tod 1943 wurde das Gebäude zwar zum Privatvermögen der Ehefrau von August Lederer, Serena Lederer (1867–1943) gezählt, aber von einem Treuhänder verwaltet. Serena Lederer besaß die ungarische Staatsbürgerschaft und lebte ab 1938 in Budapest. Für die Kunstgegenstände aus der Villa wurde im Oktober 1940 für den Verkauf eine Frist gesetzt. Der Erlös sollte einem Sperrkonto zukommen. Im November 1940 wurde das Gebäude für Militärzwecke angefordert. Die Kunstgegenstände wurden teilweise in das Institut für Denkmalpflege gebracht, teilweise bei einer Spedition eingelagert. Die Militärbehörde sagte eine »pflegliche« Behandlung des Objektes zu. Im Dezember 1942 wurde Mobiliar an die Wien-Film veräußert. 1945 wurde die Villa beschädigt. 1971 erfolgte nach Sicherung von Fresken der Abriss. Hotel in Gösing – Der seit 1907 bestehende Gasthof wurde 1922 von dem Holzindustriellen Siegmund Glesinger (1863–1941) zu einem Luxushotel umgebaut. 1938 musste die Familie Glesinger fliehen. Das Hotel ging an Görings österreichische Patentante, Elisabeth Epenstein-Mauternburg (1887–1939), die ihren Vertrauten Otto Metz-Randa (1878–1952) zum Erben einsetzte (Testamentvollstreckung 1943). Es hielt sich jedoch in der Bevölkerung das Gerücht, dass Göring etwas mit dem Hotel zu tun habe. Während des Zweiten Weltkrieges war das Hotel ein Erholungsheim für Offiziere der Luftwaffe. 1952 wurde das Hotel an die Erben Glesingers zurückgestellt.

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7./9. 6. 1942 Felten & Guilleaume – Die »Felten & Guilleaume Carlswerk AG« in Köln-Mülheim war das älteste deutsche Draht-, Drahtseil- und Kabelwerk. Erst im Herbst 1944 kam die Produktion nach Bombenangriffen zum Erliegen. For dfabrik – Die außerhalb von Köln gelegene Fabrik wurde 1942 nur leicht beschädigt. Das Werk, Teil des amerikanischen Ford-Konzerns, befand sich bei Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 zur Hälfte in deutschem Besitz. Die Werke wurden vom Reichskommissar für die Behandlung feindlichen Vermögens verwaltet. Sie lieferten mittlere Lkw an die Wehrmacht. Da die Fabrik selbst bei Angriffen im Oktober 1944 kaum beschädigt worden war, wurde eine Einflussnahme des Ford-Konzerns vermutet, um die Zerstörung des Werkes zu verhindern. Zur Einstellung der Produktion war es erst gekommen, als über den Kölner Verschiebebahnhof kein Nachschub mehr erfolgte. 11. Juni 1942 Abkommen über die Prinzipien der gegenseitigen Hilfeleistung in der Kriegsführung zwischen den USA und der Sowjetunion. 15./17. 6. 1942 Lidice – siehe 4. 6. 1942. Rothschild – Nathaniel Rothschild erwarb in den 1860er-Jahren auf der Hohen Warte ein mehr als 80.000 Quadratmeter großes Grundstück. Die Parkanlage mit einer Villa und 90 Glashäusern enthielt botanische Raritäten. 1938 von den Nationalsozialisten enteignet und durch Kriegsereignisse zum Teil zerstört, wurde der Garten nach 1945 an die Familie Rothschild zurückgegeben. 1950 kam die Anlage durch Schenkung in den Besitz der Gemeinde Wien. Die kommunale Parkanlage trägt heute den Namen »Heiligenstädter Park«. 18. 6. 1942 Domsch ale – Die slowenische Ortschaft gehörte seit April 1941 zum Gebiet der Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten Kärntens und Krains. Die Gemeinde wurde von »Domzale« in »Domschale« umbenannt. Konsular ak a demie – Diese wurde bereits ab 1941 als Lazarett genutzt. Die Biblio­thek der Akademie wurde in die Archive in der Bankgasse und am Minoritenplatz bzw. in Räume unter der Peterskirche verlegt. Stiftsbibliotheken – Der Generaldirektor der Nationalbibliothek, Paul Heigl, war u. a. auch Berater bei der Auflösung von Amts- und Stiftsbibliotheken.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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Villa Pr angins – Prangins am Genfersee war vom Mai 1919 bis Mai 1921 einer der Wohnorte des im Exil lebenden Kaiserpaares Karl und Zita. Über das Treffen zwischen Alfred Verdroß und Otto Habsburg, das in den 1930er-Jahren gewesen sein muss, konnte nichts eruiert werden. 25. 6. 1942 Sanatorium Rek awinkel – 1907 gegründet, 1938 von Anton Fehringer, dem Schwiegersohn von Gauleiter Jury, arisiert. 28. 6. 1942 At tentat in Berlin – Konnte nicht eruiert werden. 29. 6. 1942 Der junge Stürgkh – Es handelt sich um Karl Georg Stürgkh, dessen Mutter eine geborene Polzer war. In den Erinnerungen von Edmund Glaise-Horstenau finden sich im August 1941 ähnliche Angaben wie bei Wildner. Der Volksgerichtshof hatte Stürgkh wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt, aber in einem Handbuch zur deutschsprachigen Emigration findet sich der Hinweis, dass er nach 1945 noch lebte. 2. 7. 1942 H amburg – Hungerkr awalle – Obwohl auch in Deutschland die Lebensmittel zunehmend knapper und durch Ersatzprodukte ausgetauscht wurden, kam es dennoch zu keinen Hungerkrisen oder Hungerrevolten wie im Ersten Weltkrieg. Erst im letzten Kriegsjahr wurde die Versorgungslage kritisch. Eine Korrespondenz mit dem Hamburger Stadtarchiv erbrachte keine Hinweise zu Hungerkrawallen. 7./8. 7. 1942 Hitler in Linz und St. Valentin – Am 20. Juni 1942 besichtigte Hitler die Göringwerke in Linz und das Nibelungenwerk (größtes Panzermontagewerk) in St. Valentin. 9. 7. 1942 Flieger abzeichen in Gold mit Brillanten – wurde von Göring an Reichsführer SS Himmler als Nicht-Luftwaffen-Angehöriger ehrenhalber verliehen. 17. 7. 1942 Fieseler Storch – war das Standard-Kurier- und Verbindungsflugzeug der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Storch wurde es wegen seines hochbeinigen Fahrgestells genannt. Er wurde auch als Beobachtungs- und Sanitätsflugzeug ein-

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gesetzt. Die spezielle Konstruktion ermöglichte eine niedrige Mindestfluggeschwindigkeit und kurze Start- und Landestrecken. 24. 7. 1942 K agr an  – Den Schießplatz in Kagran gab es seit 1871. Er wurde von Militär und privaten Schützenvereinen genützt. Zwischen 1940 und 1945 war er eine der Wiener Hinrichtungsstätten. Die genaue Zahl der Exekutierten, zumeist Angehörige der Deutschen Wehrmacht, lässt sich nicht ermitteln. 27. 7. 1942 Ba den (Schwefelba d) – Baden bei Wien mit seinen 14 natürlichen Schwefelthermalquellen gehörte zu den mondänsten Kurorten der österreichisch-ungarischen Monarchie. 7. 8. 1942 STUAG Bau-AG – ein 1928 gegründetes Straßenbauunternehmen. Ab 1938 kam es zur Expansion durch den Bau von Autobahnen und Flugplätzen sowie der Errichtung des Atlantikwalls. 11. 8. 1942 M aikop – Die südrussische Stadt Maikop war das Zentrum des Ölgebietes am Nordrand des Kaukasus. 12. 8. 1942 Blutor denstr äger M andl – Der Stadtsekretär Josef Mandl wurde Anfang August 1942 wegen Verdachts des Missbrauchs von Kleider- und Haushaltskarten verhaftet. In der »Salzburger Zeitung« erschienen am 8. und 10. August 1942 sowie am 26. Oktober 1942 Artikel zu den Vorkommnissen. Treffen zwischen Churchill, Stalin und Harriman in Moskau. Das Ziel der Zerschlagung des Nationalsozialismus wird bekräftigt. 19. 8. 1942 Landungsversuch in Fr ankreich – Durch Sondermeldung des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht wurde bekanntgegeben, dass eine Landung englischer, amerikanischer, kanadischer und De-Gaulle-Truppen bei Dieppe zurückgeschlagen worden sei.

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23. 8. 1942 Bosnien – In den Zeitungen kam es laufend zu Meldungen über »Säuberungsaktionen gegen das Bandenwesen in Bosnien« – wie es in der NS-Diktion hieß. Am 18. August 1942 erließ Hitler mit der Weisung Nr. 46 Richtlinien für die verstärkte Bekämpfung des »Bandenwesens« im Osten. Bereits seit März 1942 durfte der Begriff »Partisanen« in der Öffentlichkeit nicht mehr benützt werden, da er »heroisierend« wirke. 1. 9. 1942 Gut Henleins – Am 8. Jänner 1941 findet sich im Text der Hinweis, dass das Gut in der Gegend von Saaz war. K reuz in der Schule – siehe 14. 9. 1941 2. 9. 1942 Führererlaß  – Der neue Justizminister Thierack wird beauftragt, eine »nationalsozialistische Rechtspflege« aufzubauen. 14. 9. 1942 Gerüchte über eine Verwundung Hitlers – Dazu konnte nichts eruiert werden. 15. 9. 1942 Rede Schir achs – Vom 14. bis 18. September 1942 fand die Europäische Jugendtagung in Wien statt. Am 14. September 1942 wurde der »Europäische Jugendverband« gegründet, dessen Ehrenpräsidium Schirach übernahm. 17. 9. 1942 Insurgenten  – Aufrührer. Gerüchte über eine Zusammenkunft der Diktatoren – Dazu konnte nichts eruiert werden. 22. 9. 1942 Prozesse gegen A delige in Pr ag – Zahlreiche Vertreter der böhmisch-mährischen Aristokratie, die im September 1938 Präsident Beneš bzw. ein Jahr später, Präsident Hácha ihre Ergebenheit gegenüber der Republik erklärt hatten, wurden von den Nationalsozialisten verfolgt. Über ihre Güter wurde die Zwangsverwaltung verhängt bzw. der gesamte Besitz konfisziert.

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Kultusgemeinde – Zu ihrer Auflösung gibt es unterschiedliche Angaben, und zwar zwischen September und November 1942. 26. 9. 1942 Treffen Hitlers – In den Pressemeldungen wird das Treffen Hitlers mit dem stellvertretenden rumänischen Ministerpräsidenten Antonescu am 23. September 1942 erwähnt und jenes vom 24. September 1942 mit dem kroatischen Staatsführer Pavelić. Siemens & H alske AG – Zum bereits 1847 gegründeten Industrie-Konzern gehörten neben den Standorten Berlin und München Zweigniederlassungen in ganz Deutschland sowie Beteiligungen an den größten Unternehmen der deutschen elektrotechnischen Industrie. Als Beispiel für den Einsatz von Zwangsarbeitern gelten etwa die Produktionsstätten des Konzerns neben dem KZ Ravensbrück, wo etwa 2300 Frauen und Kinder von August 1942 bis April 1945 Zwangsarbeit leisteten. 14 Personen hingerichtet – Am Wiener Landesgericht wurden zwischen dem 6. Dezember 1938 und dem 4. April 1945 nach Angaben des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands 1210 Hinrichtungen mit dem Fallbeil durchgeführt. Zahlreiche Angehörige der Deutschen Wehrmacht und der Wiener Berufsfeuerwehr wurden auf dem ehemaligen Schießplatz Kagran durch Erschießen hingerichtet. 1. 10. 1942 Führerrede – Zur Eröffnung des Kriegswinterhilfswerks sprach Hitler auf einer Großkundgebung im Berliner Sportpalast. 4. 10. 1942 Rede Görings – Zur Eröffnung des Kriegswinterhilfswerks sprach Göring auf einer Großkundgebung im Berliner Sportpalast. 8. 10. 1942 Kvaternik  – Der kroatische Kriegsminister hatte nach offiziellen Angaben aus gesundheitlichen Gründen einen Urlaub angetreten. Pavelić übernahm selbst das Landesverteidigungsministerium und den Oberbefehl der »kroatischen Heimwehr«. 25. 10. 1942 Par dubitz  – Pulverfabrik – EXPLOSIA AG, in Semtin bei Pardubitz. Die »Explosia« war in der Zwischenkriegszeit ein tschechoslowakisches Monopolunternehmen mit französischer, englischer und österreichischer Kapitalbeteiligung,

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in dem Sprengstoffe hergestellt wurden. Im November 1939 wurde das Unternehmen in die deutsche Kriegsindustrie eingegliedert. 1944 wurde die Pulverfabrik dreimal bombardiert. 31. 10. 1942 Ustasch a – siehe 1. 7. 1941. 8. 11. 1942 Die gestrige Hitlerrede – Gemeint muss die Rede Hitlers am 8. November 1942 sein. Zum Jahrestag des Putsches von 1923 hielt Hitler im Münchner Löwenbräukeller eine Rede, in der er gegen die angloamerikanischen Staatsmänner polemisierte. 11. November 1942 Nach der Landung der Alliierten in Französisch-Nordafrika besetzen deutsche Truppen bis zum 15. November 1942 Vichy-Frankreich. 13. 11. 1942 K anzler – Amtsbezeichnungen für den Chef der Kanzleiverwaltung einer diplomatischen Vertretung im Ausland (meist ein B-Beamter). 15. 11. 1942 Italienischer Beauftr agter in K at towitz – Von 1940 bis 1943 gab es einen Beauftragten des Reichsführers SS, Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums, der verwaltungsmäßig für italienische Arbeiter zuständig war. Italienische »Fremdarbeiter« (Arbeitskräfte der Achsenmächte bzw. italienische Militärinternierte) gab es im ganzen Deutschen Reich ab 1937. 19. November 1942 Beginn der sowjetischen Gegenoffensive in Stalingrad. 27. 11. 1942 Toulon-Flot te h at sich selbst versenkt  – Um zu verhindern, dass die französische Flotte in deutsche Hände fällt, hatte sich die Vichy-Flotte im Hafen von Toulon selbst versenkt. 3. 12. 1942 A renbergpark  – Das Flakturmpaar im 3. Wiener Gemeindebezirk wurde von Dezember 1942 bis Oktober 1943 errichtet. Für den Bau wurde ein Haus in der Landstraßer Hauptstraße abgerissen.

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12. 12. 1942 Goebbels-Wochenartikel – »Das Reich«, Ausgabe vom Sonntag, 13. Dezember 1942. Die Wochenzeitung »Das Reich« war von 1940 bis 1945 eine deutsche Zeitschrift, die zu den erfolgreichsten und meistgelesenen Publikationen in der Zeit des Nationalsozialismus zählte. Sie erschien immer sonntags. Die Leitartikel stammten ab Dezember 1940 häufig von Joseph Goebbels. Sie wurden zusätzlich über die Reichssender verbreitet und an die Reichsredner verteilt. 17. 12. 1942 Spanien – heutige Zeitungen – Der »Völkische Beobachter« berichtete am 17. Dezember 1942, der Staatspräsident von Kuba, Fulgencio Batista, habe bei seinem Staatsbesuch in den USA den Überfall auf Spanien gefordert. 19. 12. 1942 Flot te versenkt – siehe 27. 11. 1942. 24. 12. 1942 Goebbels zitiert Fontane – Theodor Fontane  : »Courage ist gut, aber Ausdauer ist besser. Ausdauer, das ist die Hauptsache.« (Der Stechlin, 1898). 28. 12. 1942 »Kommissäre« – Gebietskommissar war der amtliche Titel für Beamte, die an der Spitze der Verwaltung eines Kreisgebietes bzw. eines Gebietskommissariats standen. Ab 1940 gab es in Norwegen und in den Zivilverwaltungen der besetzen Ostgebiete im Reichskommissariat Ostland und im Reichskommissariat Ukraine zahlreiche Kommissäre. 8. 1. 1943 Got tgläubig – Bezeichnung einer »Religionszugehörigkeit« in der NS-Zeit. Diese Bezeichnung war durch Erlass des Reichsinnenministeriums vom 26. November 1936 auf den Melde- und Personalbögen der Einwohnermeldeämter sowie bei Personalpapieren für aus einer Kirche ausgetretene Personen anstelle der Bezeichnungen »Dissident« und »konfessionslos« eingeführt worden. Als gottgläubig galt, wer sich von den anerkannten Religionsgemeinschaften abgewandt hatte, jedoch nicht glaubenslos war. Die Einführung des Begriffs war der »Versuch, eine religiöse Identifikationsformel für Nationalsozialisten jenseits der Kirchen und sonstigen Glaubensgemeinschaften zu schaffen«, und galt als »Ausweis besonderer ideologischer Nähe zum Nationalsozialismus«.

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10. 1. 1943 A ntwort telegr amm – Die »Telegrammkrise« war im Oktober und November 1942 eine diplomatische Krise zwischen dem Deutschen Reich und Dänemark. Auslöser war ein Glückwunschtelegramm Hitlers am 26. September 1942 an König Christian X. zu seinem 72. Geburtstag. Der König antwortete – wie in den Jahren davor – ohne Unterschrift  : »Spreche Meinen besten Dank aus. Christian Rex.« Hitler, der die Antwort zufällig sah, war empört über die vermeintliche Geringschätzung. Ein Versuch des Kronprinzen Frederik, die Lage zu deeskalieren, scheiterte. Der deutsche Botschafter wurde aus Kopenhagen abberufen, der dänische aus dem Deutschen Reich verwiesen. Der deutsche Botschafter wurde durch SS-Obergruppenführer Best ersetzt, der u. a. hart gegen die anwachsende dänische Widerstandsbewegung vorging. Zudem wurde der dänische Ministerpräsident durch Erik Scavenius ersetzt. Alle noch einsatzbereiten dänischen Truppen wurden General Hanneken unterstellt und aus Jütland abgezogen. Das führte in weiterer Folge zur Selbstversenkung der dänischen Flotte. Dem wachsenden dänischen Widerstand begegnet die deutsche Militärregierung Ende August 1943 mit der Verhängung des Ausnahmezustandes. 14. bis 26. Jänner 1943 Konferenz von Casablanca – Die Konferenz diente der Festlegung der weiteren strategischen Pläne der Alliierten. 20. Jänner 1943 In Bosnien beginnt eine deutsch-italienisch-kroatische Großaktion gegen die Tito-Partisanen. 23. 1. 1943 Tripolis ger äumt – Rückzug der deutsch-italienischen Panzerarmee auf libyschtunesisches Gebiet. 24. 1. 1943 Hitler war nicht in Stalingr a d – Auf die Bitte von Generaloberst Paulus um Genehmigung zur Einleitung von Übergabeverhandlungen antwortete Hitler mit einem Funkspruch  : »Verbiete Kapitulation. Die Armee hält ihre Position bis zum letzten Soldaten und zur letzten Patrone …« 25. 1. 1943 Belgisches Gold – Dak ar – Ziel des Deutschen Reiches war es, sich der Goldreserven der Zentralbanken der besetzten Länder zu bemächtigen. Im Falle der Belgischen Nationalbank war es der deutschen Reichsbank nicht gelungen, von den Ver-

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antwortlichen der Bank die schriftliche Zustimmung zur Überführung des Goldes nach Deutschland zu erhalten. Belgien hatte schon vor Kriegsausbruch einen Teil des Goldes der Französischen Nationalbank anvertraut. Bei Kriegsausbruch wurde der größte Teil der Goldreserven nach Großbritannien und in die USA transferiert. Der Teil, der in Frankreich war, ging nach der deutschen Invasion in Frankreich nach Dakar. Vichy-Frankreich (das südliche, unbesetzte Frankreich mit der Hauptstadt Vichy) brachte das Gold nach Frankreich zurück. Die Banque de France, von der Regierung Laval unter Druck gesetzt, stimmte dem Transfer an die deutsche Reichsbank zu. Diese wollte die Banque Nationale de Belgique in Reichsmark entschädigen, doch die Direktoren der Bank weigerten sich, einen Empfangsschein zu unterzeichnen. Das Gold wurde in Frankreich konfisziert und nach Berlin gebracht. 27. 1. 1943 Zusammenkunft in Casablanca – Vom 14. bis 27. Jänner 1943 fand eine Konferenz in der Nähe von Casablanca statt, bei der Roosevelt und Churchill sowie Vertreter der Generalstäbe Besprechungen über die militärischen Operationen des Jahres 1943 durchführten. Ziel war es, den Krieg rasch zu beenden, u. a. wurde auch die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation Deutschlands gestellt und militärische Hilfe für Russland und China geplant. Stalin nahm wegen der Schlacht um Stalingrad nicht teil. 30. 1. 1943 Rede Goebbels – gehalten anlässlich der Gedenkfeier zum zehnten Jahrestag der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Sportpalast in Berlin, bei der eine Proklamation Hitlers verlesen wurde und Goebbels dabei schon sinngemäß zum »totalen Krieg« aufrief  ; siehe 18. 2. 1943. 31. Jänner 1943 In Stalingrad gerät Generalfeldmarschall Paulus nach dem Zusammenbruch der Front im Südkessel mit seinem gesamten Stab in sowjetische Gefangenschaft. 2. Februar 1943 Die Schlacht um Stalingrad ist beendet. Die Kapitulation erfolgt durch Generalfeldmarschall Paulus. 4. 2. 1943 Fr anzösische Volksfront – siehe 4. 11. 1938.

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7. Februar 1943 Im Schloss Itter bei Wörgl in Tirol wird ein Nebenlager des KZ Dachau für hochrangige Politiker und Militärs aus Frankreich und Italien eröffnet. 9. 2. 1943 Friedrich II. durch ein Wunder geret tet – 1762 veränderte sich im Siebenjährigen Krieg durch den Tod der russischen Zarin die Lage schlagartig zugunsten Preußens (»Mirakel von Brandenburg«). 17. 2. 1943 Schweiz – Deutschland – Kohletr ansporte – Während des gesamten Zweiten Weltkrieges fanden zwischen Deutschland und Italien Transporte durch den Gotthardtunnel statt, u. a. wurde der größte Teil der Kohle über die Gotthardbahn transportiert. Deutschland war an der Erhaltung der Transitfunktion der neutralen Schweiz interessiert. Die Schweiz wollte ihre allgemeine Versorgungslage nicht gefährden. Der Transport von reinem Kriegsmaterial wurde nie erlaubt. 18. 2. 1943 Goebbels hielt im Sportpalast in Berlin eine Rede – Er stellte an die Anwesenden u. a. die Frage »Wollt ihr den totalen Krieg«. Insgesamt stellte er 14 solcher Fragen. 4. 3. 1943 Luftangriff auf Berlin – Der erste größere Angriff der Royal Air Force auf Berlin. Bei den Bombardierungen gab es 711 Tote und Vermisste sowie 35.000 Obdachlose. 12./13. 3. 1943 Bar ackensta dt La aberg – Am Laaerberg im 10. Wiener Gemeindebezirk gab es mehrere Barackensiedlungen. 14. 3. 1943 Heldensonntag – Hitler verlegte den »Heldengedenktag« auf den 21. März 1943, um die Rückeroberung von Charkow abzuwarten  : »In diesem Jahr ist der 21. März Heldengedenktag.« 1./3. 4. 1943 König Boris III. von Bulgarien – Besuch bei Hitler auf dem Berghof am 3. April 1943.

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5. 4. 1943 Schelih a-Geschichte – Der deutsche Diplomat Rudolf von Scheliha sammelte Beweise für die Massenmorde in Polen, um diese an die polnische Exilregierung und die Alliierten weiterzuleiten. Am 29. Oktober 1942 wurde er von der Gestapo verhaftet. Siehe auch Biografie im Anhang. 7. 4. 1943 Ernst Jünger – Der Arbeiter, Herrschaft und Gestalt, Hamburg 1932. München – Studentenunruhen – Die Unruhen standen im Zusammenhang mit dem Prozess gegen die Angeklagten der Widerstandsgruppe »Weiße Rose« vor dem Volksgerichtshof in München. 19. 4. 1943 Hitler  – auf Schloss Klessheim. Casablanca Erklärung – siehe 27. 1. 1943. 19. April bis 16. Mai 1943 Der Ghettoaufstand in Warschau endet mit der vollständigen Zerstörung des Ghettos. 23. 4. 1943 Kyffh äuser Reichskriegerbund – Ein deutscher Soldatenbund, der ab 1900 den Namen »Kyffhäuser-Bund der Deutschen Landes-Krieger-Verbände« mit Sitz in Berlin führte. Ab 1922 »Deutscher Reichskriegerbund Kyffhäuser«. Am 7. Mai 1933 bekannte sich der Verein zu Hitler. Dem folgte die Auflösung von Landesverbänden und die Umwandlung zu einer »Krieger-Kameradschaft«. Aufgaben wurden von NS-Organisationen übernommen und an NS-Strukturen angepasst. Im März 1938 wurde durch Führerbefehl der Name in »NS-Reichskriegerbund Kyffhäuser« geändert. Am 3. März 1943, einen Monat nach der Niederlage in Stalingrad, wurde der Kyffhäuserbund auf Reichsebene aufgelöst, das Vermögen ging an die NSDAP. Auf lokaler Ebene weiter bestehende kleine Vereine bildeten den Grundstock für die Volkssturmeinheiten in der Endphase des Zweiten Weltkrieges. 2. 5. 1943 Spionageaffäre  – siehe Rudolf von Scheliha, Biografie im Anhang, der das Ausland über deutsche Verbrechen an Polen und Juden im besetzten Polen unterrichtete.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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3. 5. 1943 Schir ach Rede im Gauh aus – Der Gauleiter erklärte vor den politischen Leitern, er sehe es als eine seiner Hauptaufgaben an, die Verbindung zwischen ihnen und dem Führer herzustellen. 4. 5. 1943 Serbien und Bosnien – Ab Jänner 1943 versuchten die Achsenmächte, die wesentlich kleinere Streitmacht der jugoslawischen Partisanen unter der Führung Titos zu vernichten. Ein erneuter deutscher Angriff begann am 15. Mai 1943. Rund 127.000 Soldaten der Achsenmächte standen 18.000 Partisanen der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee gegenüber, denen bedeutende Gebietsgewinne, zeitweise bis Triest, gelangen. Warsch au – Str aßenk ämpfe – Der Aufstand der letzten noch in Warschau verbliebenen Juden begann am 19. April 1943 und wurde am 16. Mai 1943 niedergeschlagen. K atyn-A ffäre  – Vom 3. April bis 11. Mai 1940 erschossen Angehörige des sow­ jetischen Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten etwa 4400 polnische Gefangene, größtenteils Offiziere. Im Sommer 1942 wurden die Morde durch die Entdeckung eines Massengrabes bei Katyn bekannt. Im April 1943 informierte das NS-Regime die internationale Öffentlichkeit über den Fund. 11. 5. 1943 A frik a  – In einer Sondermeldung wurde bekanntgegeben, dass Rommel seit Mitte März 1943 wegen gesundheitlicher Probleme nicht mehr den Oberbefehl in Nordafrika innehabe. Am 13. Mai 1943 kapitulierten die deutschen und italienischen Truppen. 12. 5. 1943 Fleischr ationen – Offiziose – »Neues Wiener Tagblatt«, 11. Mai 1943, S. 4. Rommel – Zeitung vom 4. Oktober 1942 – »Neues Wiener Tagblatt«, S. 1 f. 16. 5. 1943 Srbik – seit 1898 Mitglied des »Vereins Deutscher Hochschüler«, der späteren Burschenschaft »Gothia«, siehe Biografie im Anhang.

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18. 5. 1943 Talsperren im Rheinland – Am 17. Mai 1943 wurden fünf Talsperren im Sauerland bombardiert. Die Flutwelle nach der Zerstörung der Möhne-Talsperre forderte mehr als 1580 Menschenleben. 24. 5. 1943 Auflösung der Komintern – siehe auch 8. 1. 1938. Am 22. Mai 1943 wurde in Moskau der Beschluss des Exekutivausschusses der Kommunistischen Internationale (Komintern) zur Selbstauflösung – datiert vom 15. Mai – verlautbart. 1. 6. 1943 Jugoslawische und polnische Emigr antenregierung in K airo – Die jugoslawische Exilregierung wollte im Juni 1943 von London nach Kairo übersiedeln, tatsächlich erfolgte die Übersiedlung nach Kairo erst im März 1944. Die polnische Exilregierung blieb in Großbritannien. 2. 6. 1943 Ehrung der Deutschmeister – Der »Verein Hoch- und Deutschmeister« wurde – wie viele andere Soldatenvereine – in den NS-Reichskriegerbund »Kyffhäuser« zunächst eingegliedert und dann aufgelöst. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt. Am 1. Juni 1943 hatte ein Großverband der Deutschen Wehrmacht – die 44. Infanterie-Division – den Ehrennamen 44. Reichsgrenadier-Division »Hoch- und Deutschmeister« erhalten. 18. 6. 1943 IG Farben – Die Interessengemeinschaft (IG) war das größte Chemieunternehmen der Welt. Sie entstand durch den Zusammenschluss von acht deutschen Chemieunternehmen. 26. 6. 1943 A ntistreikgesetz  – Das US-Gesetz verbot alle Streiks oder sonstigen Arbeitsunterbrechungen in allen unter Leitung der Regierung stehenden Betrieben. Roosevelt befürchtete weitere Streikausbrüche in der Kriegsindustrie. 10. Juli 1943 Alliierte Truppen landen in Sizilien. 11. 7. 1943 Gemeinde Wien, Verk auf der Str aßenbahn an H amburger Konsortium – Im Verwaltungsbericht der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien der

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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Jahre 1940 bis 1945 findet sich kein Hinweis dazu. Es wurden lediglich zehn Straßenbahnwagen an die Straßenbahn Graz verkauft. 26. 7. 1943 Mussolini  – Nach der Landung der Alliierten empfahl der »Große faschistische Rat« am 25. Juli 1943 die Übergabe des militärischen Oberbefehls von Mussolini an den italienischen König. Der König nahm den Vorschlag des Rates überraschenderweise an und entließ Mussolini als Ministerpräsident. Er wurde am 25. Juli 1943 verhaftet. Badoglio bildete am 26. Juli 1943 eine neue Regierung. 29. 7. 1943 K apitulation – Badoglio unterzeichnete das Kapitulationsabkommen am 29. September 1943. 1. August 1943 Deutsche Truppen überschreiten die italienische Grenze und bereiten die Machtübernahme in Ober- und Mittelitalien vor. 10. 8. 1943 Bjelgorod  – russische Stadt nahe der ukrainischen Grenze. Im Rahmen der sowjetischen Sommeroffensive der Roten Armee wurden am 5. August 1943 Bjelgorod und am 23. August 1943 Charkow von den Sowjets zurückerobert. »Neues Wiener Tagblat t« – 7. August 1943, S. 1. Treffen Churchills und Roosevelts in Quebec zu Gesprächen über die Zukunft Deutschlands nach dem Krieg. 26. 8. 1943 A nh alter Bahnhof – Einer der wichtigsten Fernbahnhöfe in Berlin, der bei alliierten Luftangriffen 1945 stark beschädigt wurde. Seelsorgeaktion 1943 – Im Wiener Diözesanblatt findet sich 1943 ein Hinweis auf Verhaltensvorgaben bei der Wiederaufnahme in die Kirche. Dies sollte mit angemessener seelsorglicher Betreuung geschehen – etwa in Form einer Aussprache. Nach der Wiederaufnahme bedürfe es einer besonderen religiösen Betreuung. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass Liturgieänderungen vorgesehen waren, die es ermöglichen sollten, die Gläubigen trotz Kriegsgeschehen durch eine geänderte Wortwahl in ihrem Glauben zu stärken.

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Neuer Hirtenbrief 1943 – Erst am 19. August 1943 entschlossen sich die katholischen Bischöfe Deutschlands auf der Bischofskonferenz in Fulda zu einem gemeinsamen Hirtenbrief unter dem Titel »Zehn Gebote als Lebensgesetz der Völker«, der am 12. September 1943 veröffentlicht wurde. Darin wurde u. a. gegen Euthanasie und Tötung von Menschen anderer Rasse und Abstammung Stellung bezogen. Treffen Hitler–Innitzer – siehe 15. März 1938. Neuland – Der »Bund Neuland« war ein 1921 von Karl Rudolf und Michael Pfliegler gegründeter katholischer Verein. Als Werte vertrat er das einfache Leben nach christlichen Grundsätzen, Naturverbundenheit und die Pflege christlicher Kunst und Kultur. Der Gottesdienst fand in deutscher Sprache statt. Das geistige Milieu des Vereins war teilweise am rechten deutschnationalen Rand des politischen Katholizismus in Österreich angesiedelt, in dem es Wandervogel-Ideologie, Deutschtümelei, antisemitische Vorstellungen, Ablehnung gegenüber Liberalismus, Marxismus und allen kulturellen Einflüssen der Moderne gab. Politische Parteien wurden abgelehnt. In den 1930er-Jahren wechselten viele seiner Anhänger zur Hitler-Jugend. 1938 löste sich der Verein auf. 2. 9. 1943 Lavalsache  – Laval hatte im Gegensatz zu Pétain eine umfassende Kollaboration mit dem Deutschen Reich gefordert. 6. 9. 1943 Papst  – Pius XII. richtete am 1. September 1943 eine Rundfunkbotschaft an die Menschheit mit der Bitte um Frieden. 8. 9. 1943 K apitulation Italiens – Der amtliche britische Nachrichtendienst gibt die Kapitulation bekannt. Der Waffenstillstand war am 3. September 1943 unterzeichnet worden. Deutsche Truppen besetzen Athen und italienische Verbände kapitulieren auf Rhodos gegenüber den Deutschen. 9. 9. 1943 Faschistische Gegenregierung – Mussolini wird am 12. September 1943 befreit, die faschistische Republik von Salò (Repubblica Sociale Italiana) bestand zwischen 23. September 1943 und 2. Mai 1945. Dieser faschistische Reststaat befand sich unter der militärischen Protektion des Deutschen Reiches.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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10. 9. 1943 Hitler-Rede – In einer Rundfunkansprache über den Zusammenbruch Italiens kündigt er an, dass »technische und organisatorische Voraussetzungen im Entstehen« seien, um zu »vergelten«. 12. 9. 1943 Vatik an – Geldangelegenheiten – Heinrich Wildner interpretiert diese Information nicht richtig. Nach neuesten Forschungen unterstützte die Vatikanbank die Anti-Hitler-Koalition mit Überweisungen in beträchtlicher Höhe, zu denen Dokumente vorliegen, die bis zum 10. September 1943 reichen. 16. 9. 1943 Mussolini in Wien – Mussolini wurde von deutschen Truppen am Sonntag, dem 12. September 1943, aus dem Hotel Campo Imperatore auf dem Gran Sasso befreit und über den südlich von Rom gelegenen Militärflugplatz Pratica di Mare nach Wien gebracht. 17. 9. 1944 Hirtenbrief des K ar dinals – Die Texte der Hirtenbriefe wurden hauptsächlich in den Messen verlesen. 18. 9. 1943 Rede Mussolinis  – »Mussolini da R a dio Monaco« – Rede anlässlich der Ausrufung der faschistischen Republik von Salò (Repubblica Sociale Italiana). 13. Oktober 1943 Kriegserklärung Italiens an Deutschland. 24. 10. 1943 Warthegau – Auch »Reichsgau Wartheland«, war im besetzten Polen seit Oktober 1939 ein deutsches Verwaltungsgebiet, das die westlichen Woiwodschaften umfasste. 29. 10. 1943 Ba dogliogeschichte – Am 13. Oktober 1943 hatte die italienische Regierung unter Badoglio Deutschland den Krieg erklärt und wurde daher von den Alliierten als »Mitkriegsführender« gesehen. 1. 11. 1943 Mosk auer Konferenz – Vom 18. Oktober bis 2. November 1943 fand in Moskau eine Konferenz der Außenminister der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens

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statt. Am 1. November 1943 wurde eine Erklärung – die Moskauer Deklaration – veröffentlicht, in der u. a. von Deutschland die bedingungslose Kapitulation verlangt und für die Nachkriegszeit Abrüstung und ein Militärgericht für Kriegsverbrecher angekündigt wurden. Für Österreich wurde der Anschluss an das Deutsche Reich für ungültig und als Ziel die Wiederherstellung eines freien und unabhängigen Österreich erklärt. Unter anderem enthält die Erklärung die Formulierung, »dass Österreich, das erste freie Land, das der typischen Angriffspolitik Hitlers zum Opfer fallen sollte, von deutscher Herrschaft befreit werden soll … Österreich wird aber auch daran erinnert, dass es für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands eine Verantwortung trägt, der es nicht entrinnen kann, …« 6. 11. 1943 Leitartikel  – »Neues Wiener Tagblatt«, 6. November 1943, S. 1 und 2, »Die Kampflage im Osten, Berlin 5. November.« 9. 11. 1943 Gestrige Hitlerrede – Die Rede wurde am Vortag anlässlich der Gedenkfeiern zum »Marsch zur Feldherrnhalle« bzw. zum Jahrestag des Putsches von 1923 im Löwenbräukeller in München gehalten. 13. 11. 1943 Sterzinger A ltar – Der gotische Flügelaltar für die Pfarrkirche Sterzing mit acht Flügelbildern und Holzschnitzarbeiten, die nur teilweise erhalten sind, wurde 1456–1459 von Hans Multscher geschaffen. 1943 wurden die Tafeln, die damals der Gemeinde Sterzing gehörten, von Mussolini an Reichsmarschall Göring nach Berlin gesendet. Nach dem Krieg wurden diese dem italienischen Staat zurückgegeben und in den Uffizien in Florenz verwahrt. Aufgrund inneritalienischer Querelen kamen die Tafeln erst 1959 wieder nach Sterzing zurück. Vermeers »Lesender M ann« – siehe 7. und 13. 11. 1941. Rothschild-Besitz in Paris – Große Teile des Kunstbesitzes der Familie Rothschild wurden beim Einmarsch der deutschen Truppen in Paris geraubt und in die deutsche Botschaft transferiert. Ein Teil der Kunstwerke wurde 1941 nach Deutschland gebracht, der Rest blieb in der deutschen Botschaft. 18. 11. 1943 Berliner Kongress – 1878, Zusammenkunft der europäischen Großmächte, auf dem imperialistische Ordnungsvorstellungen aufeinanderprallten. Die Beziehungen

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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zwischen den europäischen Großmächten und die Verhältnisse auf dem Balkan blieben jedoch friedensgefährdend und krisenanfällig. 26. 11. 1943 Kolchos – Landwirtschaftliche Großbetriebe in der Sowjetunion auf genossenschaftlicher Basis. Die ersten Kolchosen entstanden bereits nach der Oktoberrevolution 1917 auf freiwilliger Basis. Ab 1929 begann die Zwangskollektivierung der bäuerlichen Einzelwirtschaften. 28. November bis 1. Dezember 1943 Die Konferenz von Teheran der Regierungschefs Churchill, Roosevelt und Stalin beschließt Details zum militärischen Vorgehen für das Jahr 1944 und trifft Vorabsprachen über die politische Neuordnung Europas nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition. 16. 12. 1943 »Freies Österreich«  ; »A lpenland« – dazu konnten nur einzelne Flugblätter aus den Jahren 1944 und 1945 eruiert werden. 18. 12. 1943 Verwüstungen in Innsbruck – Am 15. Dezember 1943 kam es zu Angriffen eines amerikanischen Bomberverbandes auf Innsbruck. Durch Sprengbomben entstanden Schäden in Wohnvierteln und an Kulturgebäuden. 27. 12. 1943 Schlachtschiff »Sch arnhorst« – Das deutsche Schlachtschiff galt als unsinkbar. Es wurde am 26. Dezember 1943 am Nordkap durch britische Kriegsschiffe versenkt. 2. 1. 1944 Neujahrsbotsch aft Hitlers – Hitler spricht u. a. davon, dass das Jahr 1944 ein sehr hartes sein werde und »in diesem Kampf um Sein oder Nichtsein … am Ende Deutschland siegen« werde. 5. 1. 1944 Kopenh agen Augustgeschichte – siehe 10. 1. 1944. 10. 1. 1944 Dänische Regierung demissioniert – Die deutsche Besetzung Dänemarks stellt einen Sonderfall dar. Dänemark wurde nicht als feindlicher Staat betrachtet. Die staatliche und territoriale Integrität Dänemarks wurde bis 1943 respektiert. Am

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29. August 1943 war die dänische Regierung unter Eric Scavenius nach der Ablehnung eines deutschen Ultimatums, in dem die Unterdrückung von Unruhen in der Bevölkerung verlangt worden war, zurückgetreten. Ab diesem Zeitpunkt setzte die direkte Besetzung ein. Das Staatsoberhaupt, König Christian X., blieb während der Besetzung im Land. Norwegische Studentensache – Ein Brand in der Aula der Universität Oslo wurde von der deutschen Besatzungsmacht als Widerstandsaktion gewertet. Im Dezember 1943 wurden der Präsident der Universität und 600 Studierende in das KZ Sachsenhausen deportiert. 11. 1. 1944 Der Prozess von Verona – Vom 8. bis 10. Jänner 1944 findet ein Kriegsgericht der »Republik von Salò« (»Repubblica Sociale Italiana«) statt. Es wurden jene 19 Mitglieder des Großen Faschistischen Rats zum Tode verurteilt, die in der Sitzung vom 24./25. Juli 1943 in Rom für die Absetzung Mussolinis gestimmt hatten. Unter ihnen war auch der ehemalige Außenminister Ciano (Schwiegersohn Mussolinis). 14. Jänner 1944 Die Rote Armee startet an der Ostfront eine Großoffensive gegen die deutsche Heeresgruppe Nord. 19. 1. 1944 Pr awda – Die Zeitung war zwischen 1912 und 1991 das Zentralorgan der »Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands – Bolschewiki«, ab 1918 »Kommunistische Partei Sowjetrusslands« bzw. ab 1922 der »Kommunistischen Partei der Sowjetunion«. 21. Jänner 1944 Beginn der Intensivierung der Luftangriffe – die letzte Luftoffensive – gegen England durch die deutsche Luftwaffe. 23. 1. 1944 Südlich von Rom – Alliierte Verbände landeten überraschend im Rücken der deutschen Truppen und bildeten einen Brückenkopf. Damit wollten sie die deutsche Hauptverteidigungslinie in Mittelitalien, die »Gustav-Linie«, umgehen, um den Vormarsch auf Rom zu beschleunigen.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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28. 1. 1944 Ultimatum der A lliierten an Bulgarien – Dem Ultimatum waren US-Flugzeugangriffe ab dem 10. Jänner 1944 vorausgegangen. Witkowitzer Werke – waren eines der bedeutendsten Unternehmen der Schwerindustrie in Mähren. In der NS-Zeit wurden die jüdischen Anteile arisiert und in die Reichswerke Hermann Göring eingegliedert. Produziert wurden vor allem Munition sowie später Bauteile für die Rakete »Aggregat 4« (V2). Befreiung der von der Wehrmacht eingekesselten Stadt Leningrad durch die Rote Armee. 14. 2. 1944 K esselschlacht von Tscherk assy – Die Schlacht westlich von Tscherkassy, wo zwei deutsche Korps eingekesselt waren, war Teil der Dnjepr-Karpaten-Operation der Roten Armee und dauerte vom 24. Jänner bis 17. Februar 1944. Der Ausbruch der eingeschlossenen deutschen Korps gelang nur unter großen Verlusten. 16./20. 2. 1944 St. Gabriel in Mödling – Flugzeugmotorenfabrik – siehe 5. 5. 1941. 16. Februar 1944 Berlin ist Ziel der bis dahin schwersten Luftangriffe der Alliierten. 20. Februar 1944 Die alliierte Luftwaffe beginnt eine Offensive zur Zerstörung der deutschen Flugzeugindustrie und deren Zulieferbetriebe. 22. 2. 1944 Churchill im Unterh aus – Premierminister Winston Churchill erklärte die anglo-amerikanischen Luftangriffe an der Ostfront zur Hauptoffensive. 4. März 1944 An der Ostfront beginnt die Frühjahrsoffensive der Roten Armee. Die deutschen Truppen müssen sich aus der Ukraine zurückziehen. 8. März 1944 Hitler erlässt den »Führerbefehl 11«, durch den 29 Orte zu »Festen Plätzen« bestimmt werden, die besonders hartnäckig verteidigt werden sollen.

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22. März 1944 Amtlich wird der Einmarsch deutscher Truppen in Ungarn verlautbart. Unter deutschem Druck wird Döme Sztójay neuer Ministerpräsident und Außenminister von Ungarn. Der Einmarsch war bereits seit Anfang März 1944 geplant worden. 24. 3. 1944 Horthy am Obersalzberg – Das Treffen mit Hitler fand am 18. März 1944 im Schloss Klessheim bei Salzburg statt. Horthy weigerte sich, dass ihm vorgelegte Protokoll über die Stationierung deutscher Truppen in Ungarn und einen Regierungswechsel zu unterschreiben. In einem Vieraugengespräch mit Hitler wurde er überzeugt, dass Widerstand zwecklos sei. In den frühen Morgenstunden des 19. März 1944, während der Rückreise der ungarischen Delegation, begannen die deutschen Truppen ihren Einmarsch. Ein Sonderkommando beginnt in Budapest mit dem Abtransport ungarischer Juden in das KZ Auschwitz. 25. 3. 1944 Enzesfelder K atastrophe – In der Nacht vom 23. auf den 24. März 1944 ereignete sich in der Munitionsfabrik, die zum Böhler-Konzern gehörte, eine schwere Explosion von 20 Tonnen TNT, die durch Hantieren mit Granaten verursacht worden war. Ein Großteil der Anlagen für die Produktion von Artilleriegeschossen wurden zerstört. Hirtenberg – Die Hirtenberger Patronen-, Zündhütchen- und Metallwarenfabrik wurde im Juni 1939 in »Gustloff-Werke – Otto Eberhard Patronenfabrik, Hirtenberg« umbenannt. Bei den alliierten Luftangriffen hatten die Werke kaum Schäden zu verzeichnen. Am 23. März 1944 kam es zu einem größeren Explosionsunglück. 16. 4. 1944 K rim – Die Krim wurde vom 7. April 1944 bis 12. Mai 1944 durch die Rote Armee befreit. 17. 4. 1944 Film »Die Schr ammeln« – Die Erstaufführung fand am 3. März 1944 statt. Ein bekanntes Schrammel-Lied, das in dem Film gesungen wurde, endete  : »… hat kan Begriff davon, was Öst’reich ist«. Auf Anordnung der Reichsfilmkammer wurde dies mit  : »Hat kan Begriff davon, wie schön’s da ist« synchronisiert. Bei den Vorführungen im Wiener Scala-Kino übertönte das Publikum aber die Abänderungen durch Singen des Originaltextes.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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Die vom 24. Dezember 1943 bis zum 17. April 1944 dauernde »Dnjepr-Karpaten-Operation« war eine große Offensive der Roten Armee und endete mit einem sowjetischen Sieg. 19. 4. 1944 Russen – Rumänien – Am 2. April 1944 waren sowjetische Truppen in Rumänien eingedrungen. 22. April 1944 Am 22. und 23. April 1944 finden zwischen Hitler und Mussolini auf Schloss Klessheim Gespräche über den Einsatz des neuen italienischen Heeres und die Verwendung der italienischen Militärinternierten statt. 27. 4. 1944 Wiener Neusta dt – Die Industriestadt war am 23. April 1944 Ziel von Luftangriffen. 18. 5. 1944 Italienische Front – Monte Cassino wurde nach fünf Monaten Kampf durch die Alliierten eingenommen. Die deutschen Truppen werden hinter die »Gustav-Linie« zurückgedrängt. 2. 6. 1944 Waggerl Gedicht – »Neues Wiener Tagblatt«, 2. Juni 1944, S. 2. 3. 6. 1944 Mönchsberg  – Ab Mitte 1943 wurden zahlreiche Stollen in den Salzburger Stadtbergen angelegt. Allein zum Mönchsberg gab es zehn Haupteingänge. 4. 6. 1944 Rom  – Die Alliierten ziehen in Rom ein. 6. 6. 1944 Die In vasion – In der Normandie hat die Invasion der Alliierten begonnen. Vom 6. Juni bis 30. September 1944 erfolgte die Befreiung Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs durch die Alliierten. 7. 6. 1944 A ngelsachsen – Brückenköpfe – Die Invasion der Alliierten in der Normandie ab dem 6. Juni 1944 führte im Westen Europas zur Errichtung der zweiten Front gegen Deutschland.

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13. 6. 1944 K arelische Landenge – Ein Großangriff der Roten Armee auf die finnische Armee in Karelien dauerte vom 10. Juni bis zum 9. August 1944. Die sowjetische Operation bestand aus zwei Unteroperationen  : der »Wyborger Operation« auf der Karelischen Landenge und der »Swir-Petrosawodsker Operation« in Ostkarelien, nördlich des Ladogasees. 16. 6. 1944 Vacuum-Ölr affinerie – Die Vacuum Oil Company AG war eine Raffinerieanlage im 22. Wiener Gemeindebezirk. Ab Frühjahr 1944 war sie ständiges Ziel von Luftangriffen mit zum Teil schweren Bombenschäden. 18. 6. 1944 Neue Waffe – siehe 13. 8. 1944. »Neues Wiener Tagblat t« – 18. Juni 1944, S. 1 f., Totale Unerbittlichkeit. 21. 6. 1944 Berger-Waldenegg-Geschichte  – Egon Berger-Waldenegg hatte ein Österreich-Büro in Rom gegründet. Nach dem Einzug der anglo-amerikanischen Truppen in Rom versuchte er, in der früheren österreichischen Gesandtschaft als Vertreter »Österreichs« zu fungieren. Die alliierten Militärbehörden erhoben jedoch dagegen Einspruch. Banden  – Partisanen wurden als Banden bezeichnet. In Eisenkappel und Umgebung gab es Partisanenstützpunkte, u. a. den Peršmanhof, auf dem es am 25. April 1945 zu einem Massaker an elf Zivilisten kam. 25. 6. 1944 Cherbourg  – siehe 28. 6. 1944. Bei Witebsk – Die Rote Armee begann eine Großoffensive gegen die deutsche Heeresgruppe Mitte. Auf der Karelischen Landenge beginnt die Schlacht von Tali-Ihantala zwischen der Sowjetunion und dem von Deutschland unterstützten Finnland. Die Schlacht dauerte bis zum 9. Juli 1944 und war Teil des »Fortsetzungskrieges«, einem Nebenkriegsschauplatz des Zweiten Weltkrieges. Der Sieg Finnlands stoppte den Großangriff der Roten Armee auf der Karelischen Landenge und verschaffte Finnland eine vorteilhafte Ausgangsbasis für die Moskauer Waffenstillstandsverhandlungen im September 1944.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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28. 6. 1944 Russischer Durchbruch – Am 22. Juni 1944 hatte die sowjetische Sommeroffensive begonnen, in deren Verlauf die deutsche Heeresgruppe Mitte zerschlagen wurde. Die Niederlage gilt als die schwerste und verlustreichste in der deutschen Militärgeschichte. Die sowjetischen Siege veranlassten die »Polnische Heimatarmee« zu einem Aufstand mit dem Ziel, Polen von der deutschen Besatzung zu befreien. Während der sowjetischen Offensive wurden erstmals in größerem Umfang deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager befreit. Normandie – Am 14. Juni 1944 begann die Schlacht um Cherbourg. Aufgrund des hartnäckigen Widerstands der Deutschen Wehrmacht konnte Cherbourg erst am 27. Juni 1944 eingenommen werden. 29. 6. 1944 A driazeitung – Die »Deutsche Adria-Zeitung« war eine deutschsprachige Tageszeitung im deutsch besetzten Teil Italiens während der faschistischen Republik von Salò (Repubblica Sociale Italiana). 1. bis 27. Juli 1944 Auf der Konferenz von Bretton-Woods in den USA werden für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eine internationale Währungsordnung mit Wechselkursbandbreiten sowie die Gründung der Weltbank und des Internationalem Währungsfonds beschlossen. 2. 7. 1944 Minsk  – Die sowjetische Armee erobert Minsk zurück, 100.000 deutsche Soldaten geraten in Gefangenschaft. 8. 7. 1944 Shell in Floridsdorf – Die Aktiengesellschaft der Shell-Floridsdorfer Mineralölfabrik ging 1938 in den Besitz der deutschen Shell-Tochter über. Ab 1940 wurde nur mehr Erdöl aus österreichischen Revieren verarbeitet. Ab Mai 1944 war sie – wie auch Anlagen in der Lobau, Kagran, Vösendorf/Siebenhirten, Korneuburg, Schwechat und Moosbierbaum – ständiges Ziel von alliierten Luftangriffen. Siemensk abelwerk – Das zum Siemenskonzern gehörende Kabelwerk in Floridsdorf (Wiener Kabel- und Metallwerke AG) war Ziel ständiger Luftangriffe, daher wurden kleinere Zweigbetriebe und Lager für Zwangsarbeiter errichtet. Cherbourg  – siehe 28. 6. 1944.

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Caen  – Die Schlacht um Saint-Lô vom 3. bis 20. Juli 1944 (Durchbruch durch die deutschen Linien) sowie die Offensive vom 25. Juli bis 4. August 1944 u. a. mit der Schlacht um Caen, sicherten den alliierten Brückenkopf in der Normandie. 10. 7. 1944 V 1 Waffe – siehe 13. 8. 1944. 16. 7. 1944 Gasth aus Zum Mondschein – Gasthaus in der Wagramer Straße in Kaisermühlen (22. Wiener Gemeindebezirk) am Kaiserwasser, das auch Mondscheinlack’n genannt wurde. 17. 7. 1944 M arxer Br auerei – war eine Brauerei im 3. Wiener Gemeindebezirk. Die Kellereien waren Ziel von Luftangriffen, da sie – wie auch andere Kellereien – seit Ende 1943 für kriegswichtige Betriebe verwendet wurden. 18. 7. 1944 Teppichdepot Zacherl – Auf die Besitzungen der Familie Zacherl – drei Villen mit Gärten und die Fabrik (Insektenpulver) fielen während eines Luftangriffs am 16. Juli 1944, 24 Bomben. 19. 7. 1944 Lemberg  – Die militärische Offensive der Sowjets begann am 13. Juli 1944 und endete am 29. August 1944 mit der Rückeroberung der westlichen Ukraine und der südöstlichen Gebiete Polens. Mosk au – Am 17. Juli 1944 wurden 57.000 deutsche Kriegsgefangene in einem Triumphzug durch Moskau geführt. 20. 7. 1944 At tentat – Ein missglücktes Bombenattentat auf Hitler und seinen engsten Stab im Führerhauptquartier (Tarnname »Wolfsschanze«) in Rastenburg in Ostpreußen. Stauffenberg war der Exponent einer Gruppe deutscher Offiziere, die wegen der aussichtslosen militärischen Lage an allen Fronten mit den Alliierten Frieden schließen wollte. Der Umsturzversuch scheiterte und endete noch in der Nacht mit der Hinrichtung der Beteiligten. Eine Welle der Verfolgung von weiteren Mitverschwörern setzte ein. Hitler wurde nur leicht verletzt.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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Besuch des Duce – Am Nachmittag des 20. Juli 1944 traf Mussolini in Rastenburg ein und wurde von Hitler empfangen. 24. 7. 1944 Juden nach Niederösterreich-Wach au – Zwischen 14. Mai und 9. Juli 1944 deportierte ein von Eichmann geleitetes Sonderkommando mit Hilfe der ungarischen Gendarmerie mehr als 430.000 ungarische Juden nach Auschwitz. Nach internationalem Druck verbot Horthy am 7. Juli 1944 weitere Deportationen. Ende Mai 1944 waren Deportationszüge in Gänserndorf angehalten, Arbeitskräfte aus den Zügen selektiert und im Durchgangslager Strasshof medizinisch untersucht worden. Danach wurden sie auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie Gewerbebetriebe in Niederösterreich, in Wien oder in Gebieten Südmährens als Zwangsarbeiter verteilt. Dazu kamen Zwangsarbeitseinsätze in der Industrie und im Straßen- und Schanzenbau. Als Unterkünfte dienten Ställe, Scheunen und Baracken. Bei zwölfstündigen Arbeitstagen wurden die Lebensmittelrationen gekürzt. Dieser Zwangsarbeitseinsatz betraf etwa 55.000 ungarische Juden. M anfréd Weiss A bkommen – siehe 27. 7. 1944. 25. 7. 1944 H ängehof  – Hinrichtungsstätte im Gefangenenhaus des Wiener Straflandesgerichts mit dem Würgegalgen (auf der Seite Richtung Wickenburggasse), wo Planetta nach dem NS-Putsch 1934 hingerichtet worden war. Zehn Jahre nach dessen Hinrichtung fand hier eine Gedenkfeier unter Teilnahme der Hitlerjugend statt. 26. 7. 1944 Rede Goebbels – gesendet über alle deutschen Sender. Die Rede begann damit  : »Ich schulde dem deutschen Volke einen Rechenschaftsbericht über die Vorgänge des 20. Juli …« 27. 7. 1944 A nlagen in Csepel – 1944 war der »Manfréd-Weiss-Konzern« in Csepel der größte Rüstungskonzern Ungarns. Die SS hatte die Mehrheit des Konzerns durch einen erpressten Treuhandvertrag von den jüdischen Inhaberfamilien Weiss und Chorin erworben. Dafür sollten 48 Familienangehörige unter Zahlung von drei Millionen Reichsmark in Devisen aus Ungarn ausreisen dürfen. 28. 7. 1944 Leuna-Werke – siehe 20.  8.  1940. Vom 12. Mai 1944 bis 4. April 1945 gab es 22 Luftangriffe auf das Werk. Am 28. und 29. Juli 1944 waren sie Ziel schwerer

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Luftangriffe, um die Industrieanlagen zur Herstellung von synthetischem Treibstoff systematisch zu zerstören. 1. August 1944 Der Warschauer Aufstand der »Polnischen Heimatarmee« mit ca. 25.000 nur unzureichend bewaffneten Männer und Frauen beginnt. Hitler befiehlt »Warschau dem Erdboden gleichzumachen.« 3. 8. 1944 Merseburger Werke – Die von der »IG Farben« betriebenen Ammoniakwerke Merseburg waren zwischen Mai 1944 und Jänner 1945 Ziel schwerer Luftangriffe. Sie stellten mit den Leuna-Werken, dem Buna-Werk Schkopau und dem Mineralölwerk Lützkendorf den Schwerpunkt der chemischen Industrie des Deutschen Reiches dar. Am 28. Juli 1944 erfolgte einer der schwersten Luftangriffe auf die Ammoniakwerke. Die Bevölkerung wurde Großteils aus der stark bombengefährdeten Stadt evakuiert. Mit der Ermordung der letzten Häftlinge endet die Auflösung des von den Nationalsozialisten als »Zigeunerlager Auschwitz« bezeichneten Abschnitts des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. 4. 8. 1944 A merik aner in der Bretagne – Die Schlacht um die Bretagne hatte am 1. August 1944 begonnen. Die eigentlichen Kampfhandlungen waren bis Ende September 1944 weitgehend beendet. Ein Großteil der US-Einheiten wurde zur Ostfront verlegt. Eine kleinere Belagerungsstreitmacht blieb im Einsatz, weil sich die deutschen Festungskommandanten in Lorient und St. Nazaire weigerten, zu kapitulieren. Die Bretagne selbst konnte von der Résistance gesichert werden. 13. 8. 1944 Waffe ( V2) – Seit 1944 setzte die deutsche Luftwaffe sogenannte »Vergeltungswaffen« ein, die Flugbombe V1 und die Fernrakete V2. Aggregat 4 (A4) war die Typenbezeichnung der seit 1942 weltweit ersten funktionsfähigen Großrakete mit Flüssigkeitstriebwerk. Als ballistische Artillerie-Rakete war sie für eine große Reichweite konzipiert. Die Boden-Boden-Rakete A4 wurde in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom ab 1939 entwickelt und kam ab 1944 zum Einsatz. Die flugzeugähnliche »Fieseler Fi 103« wurde V1 genannt. Die Rakete A4 wurde von der NS-Propaganda als kriegsentscheidende »Wunderwaffe« bezeichnet. Im August 1944 wurde sie von Propagandaminister Goebbels zuerst intern und im Oktober 1944 öffentlich zur »Vergeltungswaffe 2«, kurz V2, erklärt.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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15. 8. 1944 Falaise – Vom 7. bis 13. August 1944 erfolgte ein deutscher Gegenangriff im Rahmen der Schlacht in der Normandie, der mit einem Abwehrerfolg der Alliierten endete. Vom 12. bis 21. August 1944 kam es südlich von Caen zur Kesselschlacht bei Falaise. Rivier a  – US- und französische Verbände gehen bei Toulon und Cannes an Land. 16. August 1944 Hitler gibt den Befehl zur schrittweisen Räumung Südfrankreichs. 20. 8. 1944 Türkei  – Die türkische Nationalversammlung hatte am 2. August 1944 den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland beschlossen. Papst Rede – Vom 16. August 1944, der Text ist im »L’Osservatore Romano«, 16.–17. August 1944, S. 1, wiedergegeben. »Völkischer Beobachter« – 20. August 1944, S. 1. Beginn einer sowjetischen Großoffensive im Südabschnitt der Ostfront. 21. 8. 1944 Nibelungenwerk in St. Valentin – Das Werk in Niederösterreich, Teil des Rüstungskonzerns Steyr-Daimler-Puch, war das größte und modernste PanzerMontagewerk des Deutschen Reiches. 22. bis 23. August 1944 Bei der in ganz Deutschland am 22. August 1944 gestarteten Verhaftungswelle »Aktion Gitter« (auch »Aktion Gewitter« und »Aktion Himmler« genannt) werden viele politische Gegner festgenommen und interniert. Es war eine umfassende Verhaftungsaktion der Gestapo nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944. 24. 8. 1944 Rumänien  – Am 23. August 1944 erfolgte die Kapitulation Rumäniens. König Michael I. rief zur Einstellung des Kampfes gegen die Sowjetunion auf. Antonescu wurde gestürzt und eine neue Regierung eingesetzt. Die deutsche Front brach in Rumänien rasch zusammen.

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Am 23. August 1944 fordert König Michael I. u. a. die Rumänen auf, »den ungerechten Wiener Schiedsspruch« zu zerreißen und das damals abgetretene Nordsiebenbürgen »von der Fremdherrschaft zu befreien.« In einem weiteren Aufruf fordert er die rumänischen Truppen auf, die Grenze zu überschreiten und das Gebiet von Ungarn zurückzugewinnen. Am 7. September 1944 erfolgt die Kriegserklärung an Ungarn. Rumänien schließt mit den Alliierten einen Waffenstillstand (12. September 1944) und erklärt Deutschland den Krieg. 26. August 1944 Befreiung von Paris. Bulgarien erklärt offiziell seine Neutralität und den »Rückzug aus dem Krieg.« Am 5. September 1944 erfolgt die Kriegserklärung der Sowjetunion an Bulgarien. Bulgarien ersucht am selben Tag um Waffenstillstand. 29. 8. 1944 Kolin – R affinerie – wurde bombardiert. In der Raffinerie wurde u. a. Zyklon B für die Konzentrationslager produziert. Goebbels verfügt den »Totalen Kriegseinsatz der Kulturschaffenden«. Das hat mit Inkrafttreten der Verfügung am 1. September die Schließung fast aller Theater und Kulturbetriebe zur Folge. Künstler, die nicht auf der sogenannten »Gottbegnadeten-Liste« stehen, werden auch zu sogenannten »kriegswichtigen Tätigkeiten« herangezogen. Nicht betroffen waren z. B. das Wiener Konzerthaus, die Berliner und die Wiener Philharmoniker. Der ungarische Reichsverweser Horthy entlässt die deutschfreundliche Regierung Sztójay und ernennt seinen Vertrauensmann, General Lakatos, zum Ministerpräsidenten. Der slowakische Nationalaufstand beginnt  ; siehe 1. 10. 1944. 9. 9. 1944 Wa agtal-Sillein – Die Bahnlinie wurde hier zerstört  ; siehe 1. Oktober 1944. 12. 9. 1944 Trier  – Am 11. September 1944 erreichten amerikanische Truppen nördlich von Trier erstmals deutsches Reichsgebiet. Volksgerichtsprozeß – Nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 kam es zu einer Serie von Prozessen. Am 7. und 8. September 1944 wurden die zivilen Betei-

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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ligten zum Tode verurteilt. Ab Oktober 1944 kam es zur Verurteilung von Menschen, die die am Umsturzversuch Beteiligten unterstützt hatten. Die »Europäische Beratende Kommission« legt im »1. Zonenabkommen« (auch »Londoner Protokoll« genannt), die Grenze zwischen der Sowjetischen Besatzungszone und den Besatzungszonen der Westmächte fest und beschließt ein »besonderes Besatzungssystem« für Berlin. Vom 14. September bis 24. November 1944 dauern die Kämpfe zwischen Verbänden der Roten Armee und deutschen Truppen, in deren Folge fast das gesamte Baltikum von der deutschen Besatzung befreit wird. 19. 9. 1944 A achen  – Erst nach einer 19-tägigen Schlacht konnte Aachen als erste deutsche Großstadt am 21. Oktober 1944 von US-Truppen befreit werden. 22. 9. 1944 Ungarn – Kämpfe zwischen deutsch-ungarischen und sowjetischen Truppen. 24. 9. 1944 Soldaten in die Berge – Die »Goldegger Deserteure« wurden in Auseinandersetzungen mit Einheiten des Sicherheitsdienstes großteils erschossen. Weibliche Verwandte, die sie mit Lebensmitteln versorgten, wurden in das KZ Ravensbrück deportiert. 28. 9. 1944 Seldte – Stahlhelm – siehe Franz Seldte, Biografie im Anhang. 30. 9. 1944 Völkischer Beobachter – 29. September 1944, S. 1. Finnland  – Am 2. September 1944 hatte die finnische Regierung die sowjetischen Waffenstillstandsbedingungen angenommen, die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen und den Abzug der deutschen Truppen bis 15. September 1944 gefordert. Nach Ablauf der Frist erklärte Finnland Deutschland den Krieg. Am 19. September 1944 unterzeichnete Finnland mit der Sowjetunion einen Waffenstillstand. Deutsche Truppen mussten Finnland räumen.

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1. 10. 1944 Lage in der Slowakei – Der von Teilen der slowakischen Armee und vom Widerstand getragene »slowakische Nationalaufstand« gegen das slowakische Kollaborationsregime unter Tiso und die Besetzung der Slowakei durch die Deutsche Wehrmacht hatte die Stadt Banská Bystrica als Zentrum. Mit dem Fall der Stadt am 28. Oktober 1944 endete der Nationalaufstand. Es folgten Vergeltungsmaßnahmen von Spezialtruppen der Hlinka-Garde und des deutschen Sicherheitsdienstes. Griechenland – Am 3. Oktober 1944 ordnete Hitler die vollständige Räumung Griechenlands, Süd-Albaniens und Süd-Mazedoniens an. 2. Oktober 1944 Der Warschauer Aufstand endet nach 64 Tagen mit der Kapitulation der »Polnischen Heimatarmee« und der fast völligen Zerstörung der Stadt durch die Deutschen. 4. 10. 1944 Russen nähern sich Belgr a d – Am 20. Oktober 1944 nahm die Rote Armee Belgrad ein. Die Operation war eine Großoffensive der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee und der Roten Armee mit Unterstützung der bulgarischen Streitkräfte. 11. 10. 1944 K ampf um A achen – Die schweren Kämpfe im Gebiet der Nordeifel (südöstlich von Aachen) dauerten vom 6. Oktober 1944 bis Februar 1945. 13. 10. 1944 Leuchtbomben – Diese enthielten einen Leuchtsatz und wurden meist an Fallschirmen abgeworfen. Sie wurden zur Gefechtsbeleuchtung oder zur Markierung eines Zieles eingesetzt. 15. 10. 1944 Ungarn verh andeln – Ein Waffenstillstand zwischen Ungarn und der Sowjetunion wurde in Moskau unterzeichnet. Horthy proklamiert den Waffenstillstand über den Budapester Rundfunk. Ein von deutscher Seite unterstützter Staatsstreich der »Pfeilkreuzler« unter Szálasi und ein blitzartiger Putsch durch SS-Einheiten unter Otto Skorzeny in Budapest, zwangen Horthy zum Rücktritt am 16. Oktober 1944 und zur Zurücknahme des Waffenstillstandes. Horthy und seine Familie wurden gefangen genommen und in Deutschland interniert. 18. Oktober 1944 Die Rote Armee dringt in die Tschechoslowakei vor.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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19. 10. 1944 Volkssturm – Am 25. September 1944 unterzeichnete Hitler einen Erlass über die Bildung des Volkssturmes. Alle waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren wurden dazu eingesetzt. 23. 10. 1944 Ostpreußen – Das Vorrücken der Roten Armee nach Ostpreußen löste in der Bevölkerung Panik aus. Millionen Deutsche verließen ihre Heimat. Ein enormer Flüchtlingsstrom setzte ein. 26. 10. 1944 Pr ag – Befürchtungen für den 28. Oktober 1944 – Der 28. Oktober war in der ehemaligen Tschechoslowakei Staatsfeiertag im Gedenken an die Republikgründung 1918. 2. 11. 1944 Russen vor Pest – Der Kampf um Ungarn begann am 6. Oktober 1944. Die vollständige Eroberung Ungarns durch die Rote Armee endete am 4. April 1945. 6. 11. 1944 Betreuungsstelle nach Luftangriffen – Diese Betreuungsstellen waren regional verschieden organisiert. Es waren Sammelstellen, die die »Ausgebombten« erfassten und betreuten. Ein Bombenpass legitimierte den durch einen alliierten Fliegerangriff Geschädigten. Sonderbezugsscheine berechtigten zum Bezug rationierter Verbrauchsgüter sowie zur Versorgung mit Wohnraum. 8./10. 11. 1944 »Mischlinge« – Als »Mischlinge ersten Grades« oder »Halbjuden« galten Menschen mit zwei jüdischen Großeltern. Als »Mischlinge zweiten Grades« oder »Vierteljuden« galten Menschen mit einem jüdischen Großelternteil. 16. 11. 1944 Kongreß in Pr ag – Am 14. November 1944 wurde das Prager Manifest verabschiedet. In Anwesenheit von Diplomaten und hohen Politikern kam es zur Gründung eines »Komitees zur Befreiung der Völker Russlands« unter der Leitung von Andrei Andrejewitsch Wlassow, einem sowjetischen Generalleutnant, der in deutscher Gefangenschaft eine »Russische Befreiungsarmee« zum Kampf gegen den Bolschewismus aufgestellt hatte.

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Gourmet arisiert – »Gourmet« war eine Pastetenfabrik im 2. Wiener Gemeindebezirk, Eigentümer war Charles Mortz. 18. 11. 1944 In Belgien geht die Regierung gegen die Linksbewegung – Am 2. September 1944 überquerten amerikanische Truppen die belgische Grenze. Am 8. September 1944 kehrte die belgische Regierung aus dem Londoner Exil zurück. Ende September war fast ganz Belgien befreit. Auf die Befreiung folgte eine ernste politische Krise, da gegen die Angehörigen der Widerstandsbewegung bzw. der sozialistischen und kommunistischen Bewegung vorgegangen wurde. Diese »Befreiungskrise« wurde von der internationalen sozialistischen Bewegung in mehreren Ländern, so etwa auch in Griechenland, registriert. Am 15. November 1944 wurden die Mitglieder der belgischen Widerstandsbewegung aufgefordert, bis zum 18. November 1944 alle Waffen abzuliefern. Am 18. November 1944 kam es zu Demonstrationen in Brüssel und am 28. November 1944 zu Streiks. Im Parlament wurde der Ausnahmezustand bewilligt. 19. 11. 1944 Der Bunker unter dem Belvedere – Dieser befand sich im Oberen Belvedere unter dem Teich. 20. November 1944 Hitler verlässt sein Führerhauptquartier (Tarnname »Wolfsschanze«) in Rastenburg in Ostpreußen und kehrt in die Reichskanzlei nach Berlin zurück. 30. 11. 1944 Österreichischer Freiheitsbund – Es ist nicht klar, welche Organisation Heinrich Wildner meint. Zu dieser Zeit waren u. a. die sogenannte »Freies-Österreich-Bewegung« oder die »Österreichische Freiheitsbewegung« aktiv. 5. 12. 1944 Schir ach-Rede – »Völkischer Beobachter«, 6. Dezember 1944, S. 1, »Schirach vor seinen Politischen Leitern  : Wien  : Festung härtesten Widerstandes«. Waffe ( V2) – siehe 13. 8. 1944. 8. Dezember 1944 Fünfzig der achtzig kriegsgefangenen Generäle in der Sowjetunion veröffentlichen im Namen des Nationalkomitees Freies Deutschland einen Aufruf »An Volk und Wehrmacht« mit der Forderung nach einer »rettenden Tat gegen Hitler«.

Erläuterungen in chronologischer Reihenfolge

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12. 12. 1944 Litauer in Österreich – Wahrscheinlich ist ein Großteil dieser Litauer im Sommer 1944 vor der heranrückenden sowjetischen Armee geflohen. Insgesamt geht man in der Forschung von 100.000 Menschen aus, davon etwa 4000, die nach Österreich geflüchtet waren. Zusätzlich gab es noch litauische Helfer deutscher Einheiten und ziviler Einrichtungen, die evakuiert wurden. Nach dem Mai 1945 befanden sich diese Flüchtlinge neben vielen anderen als »Displaced Persons« in verschiedenen Lagern. Litauische Kolonien gab es etwa in Wien, Salzburg, Graz, Innsbruck, Bregenz und in Braunau. 13. 12. 1944 Betreuungsk arten  – siehe 6. 11. 1944. 18. 12. 1944 A n der Westfront deutsche Offensive – Am 16. Dezember 1944 begann die deutsche Ardennenoffensive mit dem Ziel, den westalliierten Armeen eine große Niederlage zuzufügen und den Hafen von Antwerpen zurückzuerobern. Ohne den Hafen hätten die Alliierten nicht den Nachschub liefern können, den sie für ihren weiteren Vormarsch brauchten. Die Ardennenoffensive gilt als die vorletzte deutsche Offensive an der Westfront. Hitler ordnete auch in Lothringen und im Elsass eine Offensive zur Zerschlagung der 7. US-Armee an. Beide Offensiven scheiterten. 22. 12. 1944 Vorgänge in Athen – Vom 3. Dezember 1944 bis 11. Jänner 1945 fanden Kämpfe – vorwiegend in Athen und den Vororten – statt. Auslöser war die Demobilisierung der Partisanenverbände bzw. die Proklamation eines Generalstreiks durch die EAM am 2. Dezember 1944. Über die Umstände der Waffenniederlegung kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den linksgerichteten Widerstandsorganisationen und den ab dem 15. Dezember 1944 von britischen Einheiten unterstützten Truppen der neuen Regierung. EA M / ELAS – Im Dezember 1941 beschloss das Zentralkomitee der am 27. September 1941 gebildeten »Nationalen Befreiungsfront« EAM die Gründung der »Griechischen Volksbefreiungsarmee« ELAS, die ab Mitte Mai 1942 einen Partisanenkampf gegen die deutschen, italienischen und bulgarischen Besatzungstruppen und die griechischen Kollaborateure führte. Die ELAS wurde zur stärksten militärischen Macht im griechischen Widerstandskampf und wurde am 5. Juli 1943 vom britischen Hauptquartier Nahost als verbündete Armee anerkannt.

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25. 12. 1944 EA M / ELAS – siehe 22. 12. 1944. 27. 12. 1944 Fall von Pest – siehe 2. 11. 1944. Agr am – Die kroatische Regierung verließ erst im Mai 1945 Agram/Zagreb. Opponitz – Das Wasserkraftwerk Opponitz-Mirenau in Niederösterreich war für die Stromversorgung Wiens wichtig. 30. 12. 1944 Rede des Bürgermeisters – »Völkischer Beobachter«, 30. Dezember 1944, S. 4, »Wien habe alle Veranlassung, dem Zukunftsbild der siegreichen deutschen Nation mit Stolz und Zuversicht entgegenzuschauen.« 31. Dezember 1944 bis 12. Jänner 1945 Die letzte deutsche Offensive an der Westfront beginnt. Ende des Jahres 1944 befindet sich Deutschland mit 48 Staaten im Krieg.

Ausgewählte Literaturhinweise1 Benz, Wolfgang/Distel, Barbara, Der Ort des Terrors, Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, 9 Bände, München 2005–2009. Brandes, Detlef/Sundhaussen, Holm/Troebst, Stefan (Herausgeber), Lexikon der Vertreibungen, Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts, Wien 2010. Bruppacher, Paul, Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP, Eine Chronik, Teil 2, 1938– 1945, Norderstedt 2018. Ciano, Galeazzo, Il diario del conte Ciano, 7 anni da ministro degli Esteri nell’Italia di Mussolini, Agosto 1937–febbraio 1943, Printed by Amazon Italia, ohne Ort, ohne Jahr. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr, 13 Bände, Stuttgart 1979–2008. Dierich, Wolfgang, Die Verbände der Luftwaffe 1935–1945, Gliederungen und Kurzchroniken, ein Dokument, Zweibrücken 1993. Enzyklopädie des Holocaust, Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, 4 Bände (Taschenbuch), 2. Auflage, München/Zürich 1998. Europa unterm Hakenkreuz. Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938–1945), Die faschistische Okkupationspolitik in Österreich und der Tschechoslowakei (1938–1945), bearbeitet von Helma Kaden, 8 Bände, Köln 1988 ff. Herde, Peter, Die Achsenmächte, Japan und die Sowjetunion, Japanische Quellen zum Zweiten Weltkrieg 1941–1945, Berlin/Boston 2018. Goebbels, Joseph, Die Tagebücher von Joseph Goebbels, herausgegeben von Elke Fröhlich, Teil I, II, III, München 1987–2008. Kasamas, Alfred, Österreichische Chronik, zu den Jahren 1938 bis 1945, S. 551–668, Wien 1948. Kästner, Erich, Das Blaue Buch, Geheimes Kriegstagebuch 1941–1945, herausgegeben von Sven Hanuschek in Zusammenarbeit mit Ulrich von Bülow und Silke Becker, aus der Gabelsberger’schen Kurzschrift übertragen von Herbert Tauer, Zürich 2018. Keesings Archiv der Gegenwart, Jahrgänge 1938 bis 1944. [Die Publikation mit Quellencharakter enthält Informationen zum gesamten politischen Geschehen und Kommentare zum Kriegsverlauf. Es finden sich durchgehend die Texte oder lange Passagen wichtiger Reden von NS-Politikern, aber auch von Politikern des Auslands.] Kleindel, Walter, Österreich, Daten zur Geschichte und Kultur, Wien/Heidelberg 1978. Konferenzen und Verträge, Vertrags Ploetz, Teil II, Band 4 A  : Neueste Zeit 1914–1959 (2. Auflage), Freiburg/Würzburg 1979.

1 Eine Bibliografie zum Zweiten Weltkrieg sowie zu Einzelthemen würde den Rahmen der Publikation sprengen.

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Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht 1940–1945, geführt von Helmuth Greiner und Percy Ernst Schramm, herausgegeben im Auftrag des Arbeitskreises für Wehrforschung von Percy Ernst Schramm, 8 Bände, Herrsching 1982. Rosenberg, Alfred, Die Tagebücher von 1934 bis 1944, herausgegeben und kommentiert von Jürgen Matthäus/Frank Bajohr, Frankfurt/Main 2018. Torke, Hans-Joachim, Historisches Lexikon der Sowjetunion, 1917/22 bis 1991, München 1993.

Biografien Bei divergierenden Angaben zu Lebensdaten wurden nach einer Einschätzung der Quelle jene genommen, die verlässlicher erschien. Wenn das Geburtsland mit der Staatszugehörigkeit übereinstimmt, wurde es bei den Geburts- und Sterbeorten nicht extra angeführt. Die Orte wurden so angegeben, wie sie in den Personenstandesunterlagen vorkommen. Eine Aktualisierung hätte den Rahmen des Registers gesprengt. Die Ortsangaben in den Biografien können nicht die historisch-politischen Veränderungen der europäischen Landkarte des 20. Jahrhunderts abbilden. Adelige Namenszusätze wurden bei österreichischen Staatsbürgern weggelassen. Bei den Personen aus Jugoslawien wurde auch die nationale Identität berücksichtigt. A bel, Heinrich Josef M aria 15. Dezember 1843 Passau – 23. November 1926 Wien Priester Studium der Theologie und Philosophie in Innsbruck, 1869–1891 (mit vierjähriger Unterbrechung) Professor für Geschichte am Kalksburger Jesuitenkollegium, Priesterweihe 1874, Jesuit, gründete verschiedene Kongregationen, organisierte Männerwallfahrten nach Mariazell, erhielt die Bezeichnung »Männerapostel von Wien«, 1895–1926 Hauskaplan der »Confraternität«. A betz, Ot to 16. März 1903 Schwetzingen – 5. Mai 1958 Langenfeld (Autounfall) deutscher Diplomat 1922–1926 Kunst-Studium in Karlsruhe, ab Dezember 1926 im Schuldienst, Zeichenlehrer, Oktober 1934 Beurlaubung, 1934–1940 Mitarbeiter der Dienststelle Ribbentrop, 1935 Mitglied der SS (Brigadeführer 1942), 1937 Mitglied der NSDAP (1930 schon beworben), August 1940 bis November 1942 und November 1943 bis September 1944 Botschafter in Paris, dazwischen Rückruf nach Berlin, September bis Dezember 1944 in Sigmaringen (Ausweichstelle der Botschaft), Oktober 1945 Verhaftung durch französische Behörden, 1949 von einem Militärtribunal in Paris zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, im April 1954 entlassen, danach für die »Rheinisch-Westfälische Zeitung« tätig.

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A betz, Suzanne 1900 – 5. Mai 1958 Langenfeld/Rheinland geborene de Bruyker (Französin) Sekretärin des Journalisten Jean Luchaire, Ehefrau von Otto Abetz (1932), kam mit ihm bei Verkehrsunfall ums Leben. A dam, Walter 6. Jänner 1886 Klagenfurt – 26. Februar 1947 Innsbruck Offizier, Journalist und Politiker 1909–1912 Kriegsschule Wien absolviert, als Generalstabsoffizier verwendet, ab 1916 im Armeeoberkommando, 1918/1919 Brigadeoffizier in der Türkei, 1919 Eintritt in das Zivilkommissariat des Staatsamtes für Heerwesen, ab September 1919 Adjutant von Unterstaatssekretär Erwin Waihs, 1920 stellvertretender Stabschef beim Brigadekommando, ab Juni 1923 in der Präsidialabteilung des Bundesministeriums für Heereswesen tätig, 1. August 1924 Pensionierung, 1924–1934 Redakteur bzw. stellvertretender Chefredakteur der »Reichspost«, Juli 1934 Bundeskommissär für den Heimatdienst, Oktober 1934 bis Mai 1936 Generalsekretär der Vaterländischen Front, 1934–1936 Mitglied, ab Jänner 1937 Leiter des Bundespressedienstes im Bundeskanzleramt, 1. April 1938 bis 15. Juli 1943 in den KZ Dachau und Flossenbürg, nach Freilassung Aufenthaltsverbot für das Gebiet des ehemaligen Österreich, Schreibkraft auf Schloss Molsberg im Westerwald, Ende Juni 1945 nach Bad Ischl, Oktober 1945 zum Dienstantritt gemeldet, als Sektionschef aufgenommen, aber krankheitsbedingt beurlaubt. A dam, Wilhelm 28. März 1893 Eichen/Hanau – 24. November 1978 Dresden deutscher Offizier 1908–1913 Lehrerseminar in Schlüchtern, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919–1929 Volksschullehrer, 1922–1924 Studium an der Universität Frankfurt am Main, 1923 Mitglied der NSDAP, am Münchner Hitler-Putsch 1923 beteiligt, 1929–1934 an der Heeresfachschule, 1933 Mitglied des Stahlhelms, ab 1934 der SA, 1934 Reaktivierung als Hauptmann, bis 1939 Lehrer an der Infanterieschule Döberitz und der Kriegsschule Dresden, 1939 und 1941 Adjutant unter den Armeeoberbefehlshabern Walther von Reichenau und Friedrich Paulus, nahm an der Schlacht von Stalingrad teil, Jänner 1943 gemeinsam mit Paulus in sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1948 Rückkehr nach Deutschland, 1948–1949 Referent bei der sächsischen Landesregierung, 1949–1963 Abgeordneter der Volkskammer der DDR, 1950–1952 Finanzminister von Sachsen, ab September 1952 bis 1958 in der Volkspolizei tätig.

Biografien

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A damović, Fr anz Josef 27. Mai 1893 Krakau/Galizien – 26. Februar 1946 Innsbruck Diplomat 1914–1916 Kriegsdienst, 1917 Konsularakademie absolviert, August 1917 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1919–1926 an der Gesandtschaft in Belgrad, 1926–1931 in Budapest, 1931–1932 in Den Haag tätig, 1933–1938 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, Abteilung Wirtschaftspolitik, am 22. März 1938 zur Dienstleistung in das Auswärtige Amt Berlin berufen, ab Oktober 1940 Mitglied der NSDAP, 1940–1944 bei der deutschen Gesandtschaft in Budapest, November 1944 in den einstweiligen Ruhestand versetzt, Februar 1945 Zuteilung zum Generalbeauftragten für die Betreuung der Evakuierten und der ungarischen Regierung, Februar 1945 Versetzung in den Ruhestand, ab September 1945 für die Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst gemeldet. A damovich, Dr. jur. Ludwig 30. April 1890 Esseg/Kroatien – 23. September 1955 Wien Beamter 1918 Eintritt in den Niederösterreichischen Verwaltungsdienst, Dezember 1920 Einberufung in den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, 1926–1928 ordentlicher Professor an der Universität Prag, Oktober 1928 ordentlicher Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Graz, 1930 ständiges Mitglied des Verfassungsgerichtshofes, Mai 1933 Wechsel in den Verwaltungsgerichtshof, ab Juli 1934 Mitglied des Verfassungssenats, ab Oktober 1934 ordentlicher Professor an der Universität Wien, 1934 bis 16. Februar 1938 Mitglied des Staatsrats und des Bundestags, 16. Februar bis 11. März 1938 Bundesminister für Justiz, März 1938 Enthebung von allen politischen Ämtern und der Universitätsprofessur, 31. August 1938 Versetzung in den Ruhestand, 1945 reaktiviert, Mai 1945 bis Juli 1947 Rektor der Universität Wien, ab 1945 Mitglied des Verfassungsgerichtshofes, 13. Mai 1945 Bestellung zum Mitglied der Kommission zur Vereinheitlichung und Vereinfachung der österreichischen Rechtsordnung, Juni 1946 bis 1955 Präsident des Verfassungsgerichtshofes. A dele (A di) siehe Wildner, Adele. A ehrenth al, A lois Lex a (Freiherr von, 1909 Gr af) 27. September 1854 Groß Skal/Böhmen – 17. Februar 1912 Wien Diplomat und Politiker 1899–1906 Botschafter in St. Petersburg, 1906–1912 Außenminister, 1908 setzte er Annexion von Bosnien-Herzegowina durch.

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A ehrenth al, Pauline 25. November 1871 Wien – 14. August 1945 Doxan/Böhmen geborene Széchenyi Ehefrau von Alois Lexa Freiherr von Aehrenthal (1901). Agstner, Dr. jur. Rudolf 24. Juli 1951 Den Haag – 19. Mai 2016 Wien Diplomat und Autor Jus-Studium an der UniversitätWien, Promotion zum Dr. jur. 1975, absolvierte Di­ plomatische Akademie Wien, ab 1977 im Auswärtigen Dienst, 1980–1981 in Paris und Brüssel, 1981–1984 in Tripolis, 1984–1987 bei den Vereinten Nationen, 1991– 1996 in Kairo, ein Jahr in Bonn, 2006–2009 Botschafter in Äthiopien, zahlreiche Publikationen. A igner, Dr. jur. A rtur 2. Juni 1876 Wien – 24. März 1947 Wien Beamter, Generaldirektor der Post- und Telegraphenverwaltung 1900 Eintritt in den Staatsdienst, 1905 ins Handelsministerium, ab Mai 1918 Vorstand im Büro des Generaldirektors für das Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesen und der Personalabteilung, 1925 Sektionschef, Juli 1930 bis Juli 1933 Generaldirektor der Post- und Telegraphenverwaltung, 31. Juli 1933 Versetzung in den dauernden Ruhestand (wegen seiner nationalen Einstellung). A kers-Douglas, A retas (2. Viscount Chilston) 17. Februar 1876 London – 25. Juli 1947 Kent britischer Diplomat 1921–1928 Gesandter in Österreich, 1928–1933 Gesandter in Ungarn, 1933–1938 Botschafter in der Sowjetunion, Februar 1939 Mitglied des Geheimen Kronrats, erbte 1926 den Titel 2. Viscount Chilston, dadurch Mitglied des Oberhauses. A lbrecht, Dr. jur. Erich 8. August 1890 Kronstadt/Siebenbürgen – 4. Februar 1949 Stuttgart deutscher Jurist und Diplomat 1908–1912 Jus-Studium in Leipzig, Berlin und Bonn, 1912 Promotion zum Dr. jur., 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1918 im Justizdienst, 1920 Staatsanwalt in Berlin, ab Februar 1922 beim deutsch-englischen Gemischten Schiedsgericht in Berlin und London, 1928 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1937 stellvertretender Leiter der Rechtsabteilung, stellte 1939, 1941 und 1943 Anträge auf Mitgliedschaft in der NSDAP, 1942 Gesandter als Ministerialdirigent, 1943–1945 Leitung der Rechtsabteilung, bei Kriegsende in der Nähe von Fuschl am See in alliierter Kriegsgefan-

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genschaft, im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) bis August 1947 als Angeklagter geführt, danach als Zeuge. A lex ander, A lbert (1. Earl A lex ander of Hillsborough) 1. Mai 1885 Weston-super-Mare/Somerset – 11. Jänner 1965 London britischer Politiker Baptistenprediger, 1922–1931 und 1935–1950 Labour-Abgeordneter, 1929–1931, 1940–1945 und 1945–1946 Erster Lord der Admiralität, 1947–1950 Verteidigungsminister, 1950/1951 Chancellor of the Duchy of Lancaster (Kanzler des Herzogtums Lancaster), ein Sinekure-Amt. A lexich, Dr. phil. Georg 14. September 1893 Wien – 15. Juli 1949 Washington Diplomat und Universitätsprofessor Studium an den Universitäten Genf, Washington und Wien, Konsularakademie, 1917 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1918/1919 Tätigkeiten in St. Gallen und Dresden, April 1919 bis Februar 1920 im Außenamt, Februar 1920 bis April 1928 Leiter der Pass-Stelle Pressburg, Mai bis Dezember 1928 an der Gesandtschaft in Rio de Janeiro, Jänner 1929 bis Juni 1930 im Außenamt, August bis Dezember 1930 in Sofia, 1930–1933 im Außenamt, 1933 bis April 1935 stellvertretender Geschäftsträger in Brüssel, Luxemburg und Den Haag, Mai 1935 bis Juli 1936 Präsidialchef im Büro des Vizekanzlers Ernst Rüdiger Starhemberg, ab Juli 1936 ao. Gesandter und bev. Minister in Den Haag, Dezember 1938 Entlassung ohne Ruhegenuss, bis 1940 Direktor einer pharmazeutischen Fabrik in Paris, 1940 Flucht über Portugal in die USA, 1943–1949 Studium und Habilitation an der Georgetown University, Professor für internationales vergleichendes Recht und Diplomatie. A lfieri, Dino 8. Dezember 1886 Bologna – 2. Jänner 1966 Mailand italienischer Diplomat und Politiker Jus-Studium, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, ab 1922 aktiv in der faschistischen Bewegung, Abgeordneter im Parlament, 1929–1939 Unterstaatssekretär in verschiedenen Ministerien, propagandistischer Verfechter des Abessinien-Krieges, 1939–1940 Botschafter im Vatikan, Mai 1940 bis September 1943 Botschafter in Berlin, ab Mai 1942 im Großen Faschistischen Rat, Oktober 1943 (stimmte gegen Mussolini) Flucht in die Schweiz, Jänner 1944 in Abwesenheit zum Tode verurteilt, 1948 Rückkehr, Rechtsanwalt in Italien. A lfred (Fred) siehe Wildner, Alfred.

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A llmer, A nton 10. Juni 1881 Stubenberg/Steiermark – 1946 Priester Studium der Theologie, 1914–1917 Feldkurat, 1917–1918 Professor an Unterrealschule, 1918–1919 in Mödling, 1921 Mitwirkung an der Aufstellung der Militärseelsorge im Bundesheer, bis 1935 Militärpfarrer in Graz und Wien, 1935–1938 Militärprovikar im Bundesheer, Wehrkreis- und Divisionspfarrer in der Deutschen Wehrmacht. A ltenburg, Dr. jur. Günther 5. Juni 1894 Königsberg – 23. Oktober 1984 Bonn deutscher Diplomat 1913/1914 und 1918/1919 Jus-Studium in Göttingen und Königsberg, 1914–1918 Kriegsdienst, 1920 Promotion zum Dr. jur., Jänner 1920 in den Justizdienst, September 1920 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1921 Konsular-Prüfung, 1922–1925 in Rom, 1925–1931 in Sofia, 1931–1934 im Auswärtigen Amt, Februar bis September 1934 an der Gesandtschaft in Wien, danach im Auswärtigen Amt u. a. Referent für Österreich, Ungarn und die Tschechoslowakei, 1935 Mitglied der NSDAP, ab Dezember 1940 im Persönlichen Stab des Reichsaußenministers, 1941 Bevollmächtigter für Griechenland, ab Oktober 1943 u. a. im Feldquartier des Reichsaußenministers, Oktober 1944 Leitung der »Dienststelle Gesandter Altenburg« in Wien, ab Dezember 1944 Dienststelle des Auswärtigen Amtes für Bulgarien und Rumänien, Frühjahr 1945 in der Ausweichstelle in Altaussee/Steiermark, bis November 1946 von den Amerikanern interniert, dann Tätigkeit als Anwalt, Juni bis Dezember 1947 Haft für Zeugenaussage im Nürnberger Prozess, danach wieder Anwalt, kaufmännische Tätigkeiten, ab 1951 Leiter der Außenhandelsstelle des Deutschen Industrie- und Handelstages, 1957–1964 Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer in Köln. A ndré, Friedrich M a ximilian 27. Juli 1885 Wien – 10. März 1946 Wien Beamter 1909 Eintritt in den Staatsdienst, 1919 Einberufung in das Staatsamt für Finanzen, ab 1921 Stellvertreter des Referenten für das Börsen-, Bank- und Aktienwesen in der Kreditsektion, 1931 Ernennung zum Hofrat, 1. Februar 1939 Versetzung in den Ruhestand, ab November 1940 juridischer Mitarbeiter beim Brauwirtschaftsverband für die Ostmark, April 1945 Wiedereintritt in den Staatsdienst im Staatsamt für Finanzen.

Biografien

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A ndre, Mich ael keine Information Gastwirt. A ndresen, Ing. Erich 19. November 1882 Reval –   ? estnischer Diplomat November 1921 bis Mai 1935 Berufskonsul in Wien, nach Umwandlung des Berufskonsulats in ein Honorarkonsulat (Martin Bunzl) zugeteilter Berufskonsul. A ndrić, Dr. phil. Ivo 9. Oktober 1892 Dolac/Travnik – 13. März 1975 Belgrad jugoslawischer Schriftsteller, Diplomat, Politiker ab 1912 Studium der Philosophie, Slawistik und Geschichte an verschiedenen Universitäten (1924 Promotion), 1917 ein Jahr im Gefängnis, 1920–1941 im diplomatischen Dienst, ab 1939 Gesandter in Berlin, 1941 Ersuchen um seine Abberufung, Mai 1941 Rückkehr nach Belgrad, arbeitete an seinen großen Romanen, nach 1945 Vorsitzender des jugoslawischen Schriftstellerverbandes, Abgeordneter des Parlaments, Filmzensor, 1954 Mitglied des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, 1961 Nobelpreis für Literatur. A ndroszowski, Fr anz 16. Dezember 1890 Wien – 19. Februar 1972 Wien Beamter ab 1912 im Staatsdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, im Außenministerium tätig, Oktober 1938 Versetzung in den Ruhestand, August 1945 wieder in den Dienst aufgenommen, wirklicher Amtsrat, Jänner 1947 Regierungsrat, Juni bis Oktober 1954 vorübergehende Zuteilung zur politischen Vertretung in Bulgarien, Dezember 1954 Hofrat, Dezember 1955 Versetzung in den dauernden Ruhestand. A nger, Dr. keine Information Kurdirektor aus Oberschlesien, neuer Verwalter der Kuranstalt Bad Gleichenberg, Arzt, vorbestraft, verhaftet. A ntonescu, Ion 15. Juni 1882 Pitești – 1. Juni 1946 Jilava (Militärgefängnis Bukarest) (hingerichtet) rumänischer Generalstabschef und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1933 Generalstabschef, 1937/1938 Verteidigungsminister, ab 1940 enge Anlehnung an Deutschland, 1940–1944 »Staatsführer«, September

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1940 bis Jänner 1941 im Bündnis mit der faschistischen »Eisernen Garde« »Nationallegionären Staat« errichtet, nach Ausschaltung der Legionäre Militärdiktatur (Massaker und ethnische Säuberungen), Juni 1941 Kriegseintritt auf deutscher Seite, August 1944 gestürzt, September 1944 an Sowjetunion ausgeliefert, im Mai 1946 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt. A ntonescu, M aria 3. November 1892 Calafat a. d. Donau – 18. Oktober 1964 Bukarest geborene Niculescu Ehefrau von Ion Antonescu (1928), nach seiner Hinrichtung mehrere Jahre im Gefängnis, danach in Verbannung. A ntonescu, Mih ai 8. November 1904 Nucet/Dâmbovița – 1. Juni 1946 Jilava (Militärgefängnis Bukarest) (hingerichtet) rumänischer Politiker Jus-Studium an der Universität Paris, Rechtsanwalt in Bukarest, persönlicher Rechtsbeistand von Marschall Ion Antonescu, (mit dem er nicht verwandt war), 1941 Justizminister (initiierte zahlreiche neue Gesetze u. a. zur Verfolgung von Juden), stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister, vom 1. Jänner 1943 bis 23. August 1944 auch zuständig für Propaganda, verhaftet und an die Sowjetunion ausgeliefert, 1946 vom rumänischen Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. A pold, Dipl.-Ing. A nton 23. Juni 1877 Groß-Jedlersdorf/NÖ – 25. September 1950 Velden/Kärnten Industrieller Studium an der Montanistischen Hochschule Leoben, 1898 Studienabschluss als Hütteningenieur, Tätigkeiten in Norddeutschland, 1921 Leiter der Steirischen Magnesitindustrie-AG, 1922–1935 Generaldirektor der Österreichischen Alpine-Montangesellschaft, Präsident der Mercurbank, 1934 Mitglied der NSDAP (seit 1932 Kontakte), nach dem Juliputsch 1934 als Minister unter Rintelen im Gespräch, wurde beurlaubt, 1935 entlassen, nach dem »Anschluss« 1938 Aufsichtsratsvorsitzender der Länderbank, Mitglied mehrerer Aufsichtsräte, 1945 von britischer Besatzungsmacht verhaftet, blieb bis 1948 in Haft. A por, Gábor 7. November 1889 Sepsikőröspatak/Valea Crișului/Siebenbürgen – 12. Februar 1969 Rom ungarischer Diplomat

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1918 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, Attaché in Berlin, April bis Juli 1919 interniert, 1919 Rückkehr nach Siebenbürgen, ab 1921 diplomatische Tätigkeiten in Warschau, Paris und Budapest, Leiter der politischen Abteilung, ab 1934 Tätigkeit in Wien, 1936–1938 stellvertretender Außenminister, 1939–1944 Gesandter im Vatikan, während der deutschen Besetzung Rücktritt, blieb aber in Rom, Mitglied des Souveränen Malteserordens, 1952 zum Kanzler des Ordens ernannt, 1958 aus gesundheitlichen Gründen Rücktritt. A pponyi, Ger aldine siehe Zogu, Geraldine. A pponyi, Gr af Gyula (Julius) von 28. Dezember 1923 Budapest – 1946 Aix-en-Provence/Frankreich Bruder von Geraldine. A rık an, Saffet 1888 Erserum/Erzincan – 26. November 1947 Istanbul türkischer Diplomat 1915 kämpfte er in der Schlacht von Gallipoli, danach Tätigkeiten in Bagdad und Baku, nach dem Ersten Weltkrieg Mitglied der türkischen Nationalbewegung von Mustafa Kemal Atatürk, kurz Militärattaché der neu gegründeten Türkei in Moskau, ab August 1923 Abgeordneter in der Großen Nationalversammlung, 1925–1931 Generalsekretär von Atatürks »Republikanischer Volkspartei«, 1935–1938 Präsident des »Instituts für die türkische Sprache«, Juni 1935 bis Dezember 1938 Unterrichtsminister, April 1940 bis November 1941 Minister für Staatsverteidigung, 1942–1944 Botschafter in Deutschland. Aschmann, Got tfried 18. Juli 1884 Wilhelmshaven – 31. Juli 1945 Wessow/Brandenburg (in sowjetischer Haft) deutscher Diplomat Jus-Studium, 1908–1914 im preußischen Justizdienst, 1914–1918 im militärischen Justizdienst, ab 1918 im Auswärtigen Dienst (diplomatische Laufbahn), ab Februar 1933 Leitung der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, 1936 Amtsbezeichnung Gesandter, September 1938 Ministerialdirigent, April 1939 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, ab August 1939 kommissarische Beschäftigung, Tätigkeiten in Den Haag und Zuteilung zur Botschaft in Brüssel, ab August 1940 Militärdienst in Belgien und Nordfrankreich, Verwaltung des Pressereferats, ab Mai 1945 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft.

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At tems, Dr. jur. Othmar 17. Mai 1899 Linz – 23. Jänner 1985 Wien Beamter 1917–1918 Kriegsdienst, Jus-Studium an der Universität Innsbruck, 1926 Promotion zum Dr. jur., ab 1929 Polizeikommissär in der Polizeidirektion Wien, 1. Jänner bis 12. März 1938 im Bundeskanzleramt, 13. März 1938 bis 25. Juli 1940 Regierungsrat in der Deutschen Verwaltung, 1. September bis 30. September 1955 Ministerialsekretär im Bundeskanzleramt, ab 1. Oktober 1955 Administrationsrat im Zentralbesoldungsamt, 1. April 1956 bis 19. März 1958 Leiter des Präsidialbüros des Zentralbesoldungsamts, Jänner 1964 zum Oberadministrationsrat des Zentralbesoldungsamts ernannt. At tolico, Dr. jur. Bernar do 17. Jänner 1880 Canneto/Provinz Bari – 9. Februar 1942 Rom italienischer Diplomat Jus-Studium, 1901 Promotion, Hochschullehrer für Wirtschaft und Finanzen in Foggia, 1915–1918 Vertreter Italiens bei einer interalliierten Organisation zur Koordination von Kriegswirtschaftsfragen, 1919 Berater bei den Friedensverhandlungen von Paris, 1920–1921 Völkerbundkommissar in Danzig, 1922 Untergeneralsekretär des Völkerbundes in Genf, 1927–1930 Botschafter in Rio de Janeiro, 1930–1935 in Moskau, September 1935 bis Mai 1940 in Berlin, 1940–1942 Gesandter am Heiligen Stuhl. Auersperg, Familie Auffenberg, Moritz 22. Mai 1852 Troppau/Schlesien – 18. Mai 1928 Wien Offizier und Politiker 1911–1912 Kriegsminister, 1912–1914 Armeeinspektor, 1914 Kommandant der 4. Armee, Sieg bei Komarów über russische Truppen, September 1914 enthoben, schriftstellerisch tätig. Augustinus, Aurelius 13. November 354 Thagaste/Algerien – 28. August 430 Hippo Regius/Algerien Priester, Ordensgründer 391 Priesterweihe, Gründung eines Klosters, 394 Bischofsweihe. Ba ar-Ba arenfels, Eduar d 3. November 1885 Laibach/Slowenien – 17. März 1967 Saalfelden/Salzburg Offizier, Diplomat und Politiker

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1903–1905 Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolviert, 1905– 1919 aktiver Offizier, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919–1934 Landwirt in Rohrbach/ Niederösterreich, ab 1929 für die Heimwehr tätig, 1933 militärischer Landesführer der Heimwehr für Niederösterreich, Februar bis Oktober 1934 stellvertretender Landeshauptmann von Niederösterreich, November 1934 bis Oktober 1935 geschäftsführender Landeshauptmann, November 1934 bis Oktober 1935 Mitglied des Länderrats und des Bundestags, Oktober 1935 bis Mai 1936 Bundesminister mit der sachlichen Leitung der Angelegenheiten des Sicherheitswesens und der inneren Verwaltung betraut, Mai bis November 1936 Vizekanzler mit der sachlichen Leitung der Angelegenheiten der inneren Verwaltung einschließlich des Sicherheitswesens betraut, 1. Dezember 1936 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1936–1938 ao. Gesandter und bev. Minister in Budapest, 1. April 1938 Versetzung in den Ruhestand (1. Jänner 1939 Entlassung), 21. April 1938 verhaftet, September 1939 bis Mai 1941 in den KZ Dachau und Flossenbürg, danach »Gauverbot« für das gesamte Staatsgebiet des ehemaligen Österreichs, Dienstverpflichtung zur Arbeit in den Bunawerken der IG-Farbenindustrie AG in Auschwitz, 27. April 1945 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, 30. Juni 1945 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Ba doglio, Pietro 28. September 1871 Grazzano Monferrato/Piemont – 1. November 1956 Grazzano Monferrato/Piemont italienischer Offizier und Politiker 1896 in Afrika verwendet, 1911/1912 in Libyen, ab 1912 im Generalstab, 1918 Stabschef der Oberkommandierenden, 1919 zum Senator ernannt, 1919–1921 Generalstabschef, 1922–1924 Botschafter in Brasilien, 1925–1940 Chef des »Comando Supremo«, 1926 Marschall von Italien, 1929–1933 Generalgouverneur in Libyen, 1935/1936 Oberbefehlshaber in Abessinien, 1936/1937 Vizegouverneur von Italienisch-Ostafrika, im Zweiten Weltkrieg Generalstabschef der Wehrmacht, November 1940 Rücktritt, nach Mussolinis Sturz im Juli 1943 Auftrag zur Regierungsbildung, 13. Oktober 1943 Kriegserklärung an Deutschland, italienischer Ministerpräsident, 8. Juni 1944 Rücktritt, 1945 aus dem Senat ausgeschlossen, 1948 rehabilitiert. Baldass, Dr. phil. Ludwig 8. Februar 1887 Wien – 20. November 1963 Wien Kunsthistoriker 1911 Promotion, 1912 Assistent in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, 1918 Kustos, 1938/1939 Leiter der Gemäldegalerie, 1926 Habilitation an der Universität Wien, 1934 Ernennung zum außerordentlichen Professor, April 1938 Entzug der Venia legendi, 1938 Antrag um Aufnahme in die NSDAP, 1940 Ablehnung wegen angeblicher Verwicklungen in den »jüdischen Kunsthandel«, 1945 als

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Leiter der Gemäldegalerie wiedereingesetzt, 1948 bestätigt, 1949 vorzeitiger Ruhestand. Ballacs, Dr. jur. Josef 8. April 1883 Wien – 12. Februar 1947 Wien Beamter 1925–1938 Ministerialrat im Bundesministerium für Handel, 1938 Parteianwärter, 1938 Sektionschef, Staatskommissär bei der Wiener Messe AG, März 1940 Ministerialrat im Reichswirtschaftsministerium, 1942 Mitglied der NSDAP, bei der Reichsstatthalterei Wien, 7. Februar 1946 im Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau vom Dienst enthoben. Balser, Ewald 5. Oktober 1898 Wuppertal-Elberfeld – 17. April 1978 Wien Schauspieler 1916–1917 Kriegsdienst, 1919 Debüt am Stadttheater Elberfeld, 1923/1924 Basel, 1924–1928 Düsseldorf, ab 1928 am Wiener Burgtheater, 1933–1944 in Berlin tätig, drehte zahlreiche Filme, galt als wichtiger Künstler im NS-Staat, nach 1945 am Burgtheater tätig, 1963 Ehrenmitglied des Burgtheaters. Bar andon, Dr. jur. Paul 19. September 1881 Kiel – 15. April 1971 Wien deutscher Diplomat und Völkerrechtler 1904 bis 1909 Justizdienst, 1910–1914 im Auswärtigen Dienst (konsularische Laufbahn), 1914–1919 Militärdienst, 1919/1920 Rechtsanwalt und Notar in Kiel, 1920– 1927 Staatsvertreter beim deutsch-englischen Gemischten Schiedsgerichtshof in London, ab Februar 1927 Mitglied der Rechtsabteilung des Völkerbundsekretariats in Genf, ab Februar 1933 im Auswärtigen Amt, 1937 Mitglied der NSDAP, ab 1937 in Valparaíso, Montevideo und Buenos Aires, 1941 im Auswärtigen Amt, 1942–1944 mit zeitweiser Amtsbezeichnung Gesandter in Dänemark, ab November 1944 im Auswärtigen Amt, ab Jänner 1945 Vertreter des Auswärtigen Amtes beim Oberkommando des Heeres, 1947 Privatdozent für Völkerrecht an der Universität Hamburg, 1954 Honorarprofessor, 1954–1960 Ständiges Mitglied des Schiedsgerichtshofes und der Gemischten Kommission nach dem Londoner Abkommen über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953. Bar dolff, Dr. jur. Carl (K arl) 3. September 1865 Graz – 17. Mai 1953 Graz Offizier und Schriftsteller

Biografien

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1885–1888 Jus-Studium, 1889 Promotion zum Dr. jur., 1891–1893 Kriegsschule Wien, 1903–1906 Lehrer der Strategie an der Kriegsschule Wien, Dezember 1911 Flügeladjutant und Vorstand der Militärkanzlei Erzherzog Franz Ferdinands, September 1914 Generalstabschef der 2. Armee, März 1918 Feldmarschallleutnant, 3. September 1918 Sektionschef im Kriegsministerium, Jänner 1919 verabschiedet, 1921–1932 geschäftsführender Verwaltungsrat in einem Industriekonzern, 1932– 1937 Obmann des Deutschen Klubs, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, Beitritt zur SA, Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten (u. a. Berndorfer Metallwarenfabrik Arthur Krupp AG und Schoeller-Bleckmann Stahlwerke AG). Barth a, K ároly 18. Juni 1884 Budapest – 22. November 1964 Linz ungarischer Offizier und Politiker 1924–1932 Inspekteur der Technischen Truppen des Heeres, 1930 Generalmajor, 1932–1936 Leiter der Nachschubabteilung des Verteidigungsministeriums, 1936– 1938 Leiter der Militärischen Abteilung, 1936 Generalleutnant, 15. November 1938 bis 24. September 1942 Honvédminister (Verteidigungsminister), für Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien, für Kriegseintritt Ungarns, ging später nach Österreich. Batista y Zaldívar, Fulgencio 16. Jänner 1901 Banes/Kuba – 6. August 1973 Marbella/Spanien kubanischer Politiker 1921 Sergeant-Stenograf des Generalstabs der Armee, 1933 Beteiligung am »Aufstand der Sergeanten«, 1940–1944 gewählter und 1952–1958 diktatorisch regierender Staatspräsident Kubas, 1958 im Rahmen der kubanischen Revolution gestürzt, Exil in Portugal und Spanien. Bauer, M a x Hermann 31. Jänner 1869 Quedlinburg – 6. Mai 1929 Shanghai deutscher Offizier 1914–1918 Oberstleutnant und Chef der Operationsabteilung II (u. a. schwere Artillerie) in der Obersten Heeresleitung, Vertrauensmann Erich Ludendorffs, 1920 am Kapp-Putsch beteiligt, danach Waffenhändler und Militärberater in Spanien, Argentinien, der Sowjetunion und China, stand dem Nationalsozialismus nahe. Bauer, Dr. jur. Ot to 5. September 1881 Wien – 4. Juli 1938 Paris Politiker (SdP)

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Jus-Studium, 1906 Promotion an der Universität Wien, 1907 Redakteur der »Arbeiter-Zeitung« und Chefredakteur der neu gegründeten theoretischen Zeitschrift »Der Kampf«, 1907–1914 Sekretär des sozialdemokratischen Parlamentsklubs, ab 1917 Tätigkeit im Kriegsministerium, 1918 Präsidialchef im Ministerium des Äußeren, 31. Oktober bis 21. November 1918 Unterstaatssekretär des Äußeren, 21. November 1918 bis 26. Juli 1919 Staatssekretär des Äußeren, 1919 Vorsitzender der Sozialisierungskommission, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, 1920 bis 17. Februar 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1934 Flucht nach Brünn, Leiter des Auslandsbüros der österreichischen Sozialdemokraten in Brünn, Herausgeber der dort erscheinenden »Arbeiter-Zeitung«, 1938 Emigration nach Paris, Mitverfasser des 1926 beschlossenen Parteiprogramms und Autor zahlreicher historischer und theoretischer Publikationen. Baumann, Joh annes 27. November 1874 Herisau/Appenzell – 8. September 1953 Herisau Schweizer Politiker ab 1901 Mitglied des Kantonrats des Kantons Appenzell, 1905–1931 Mitglied des Regierungsrats des Kantons Appenzell, stand in dieser Zeit der Militär- und Polizeidirektion vor, ab 1911 für seinen Kanton im Ständerat, 1934–1940 im Bundesrat, wo er das Justiz- und Polizeidepartement leitete, bekämpfte die Flüchtlinge, baute den Staatsschutz aus, Mitglied zahlreicher Verwaltungsräte, 1938 Bundespräsident, Mitglied der »Liberalen Partei« (Freisinnig-Demokratische Partei). Beck, Józef 4. Oktober 1894 Warschau – 5. Juni 1944 Stănești/Rumänien polnischer Offizier, Diplomat und Politiker ab 1915 in Polnischer Legion, 1920–1922 Militärattaché in Bukarest, 1922–1923 in Paris, Vertrauter von Józef Piłsudski, ab 1930 im Außenministerium tätig, August bis November 1930 Minister ohne Geschäftsbereich, November 1932 bis 17. September 1939 Außenminister, nach dem Polenfeldzug bis zu seinem Tod in Rumänien interniert. Beck, Ludwig 29. Juni 1880 Biebrich/Hessen – 21. Juli 1944 Berlin-Tiergarten (hingerichtet) deutscher Offizier 1898 in die Armee eingetreten, 1914–1918 Kriegsdienst (Generalstabsoffizier), 1919 in die Reichswehr übernommen, 1929 Oberst und Kommandeur eines Artillerie-Regiments, 1932 Generalleutnant, 1933 Chef des Truppenamtes, 1935 Chef des Generalstabs des Heeres, 1938 gegen die Kriegsplanungen Hitlers, mit 1. November aus

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dem aktiven Dienst geschieden, aktiv im Widerstand, Beteiligung an der Planung des Attentats auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944, nach Suizidversuch erschossen. Beckerle, Dipl.-Volkswirt A dolf 4. Februar 1902 Frankfurt am Main – 3. April 1976 Frankfurt am Main deutscher Diplomat ab 1921 Studium der Volkswirtschaft, Wirtschaftswissenschaften und Philosophie an der Universität Frankfurt am Main (1927 Abschluss als Diplom-Volkswirt), parallel 1921–1922 Zeitfreiwilliger der Reichswehr, 1922 kurz in der NSDAP, 1925–1926 Offiziersanwärter der preußischen Schutzpolizei an der Polizeischule in Hannoversch Münden, weitere Tätigkeiten in Banken, Krankenpflege, kaufmännischen und industriellen Berufen, 1928 erneut Mitglied der NSDAP und der SA (Obergruppenführer 1937), April bis Juli 1932 Mitglied des Preußischen Landtags, Juli 1932–1945 Mitglied des Reichstags, Juli 1933 bis Jänner 1942 Führer der SA-Gruppe Hessen, September 1933 vertretungsweise und Februar 1934 bis Juni 1941 Polizeipräsident von Frankfurt am Main, Oktober bis November 1939 Polizeipräsident von Łódź, 1939 bis 1940 Kriegsfreiwilliger an der Westfront, ab 28. Juni 1941 deutscher Gesandter in Sofia, an der Deportation von Juden in den von Bulgarien besetzten Gebieten beteiligt, Mitglied der NSDAP, SA-Obergruppenführer, Teil der Gruppe von SA-Diplomaten (Jagow, Kasche, Killinger, Ludin), die Ribbentrop im »Südosten« einsetzte, 18. September 1944 von den Sowjets in Bulgarien gefangen genommen, zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, 1950 in Abwesenheit von der Zentralspruchkammer in Hessen als »Hauptschuldiger« eingestuft, Oktober 1955 freigelassen, 1956–1966 Prokurist in Neu-Isenburg, 1966 verhaftet, 1968 Verfahren krankheitsbedingt eingestellt. Békessy, H ans (eigentlich János Békessy, später H ans H abe) 12. Februar 1911 Budapest – 29. September 1977 Locarno ungarischer Journalist und Schriftsteller ab 1929 Korrespondent für ungarische Zeitungen in Wien, 1931 Chefredakteur der »Österreichischen Abendzeitung«, 1933 einige Wochen beim »Österreichischen Abendblatt« (Organ der Heimwehr) tätig, 1934 Korrespondent des »Neuen Wiener Journals« in Genf, 1935 stellvertretender Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung »Wiener Morgen« in Wien, 1935–1939 für das »Prager Tagblatt« tätig u. a. als Korrespondent in Genf, 1938 Ausbürgerung und Verbot seiner Bücher, 1940 Flucht aus Frankreich über Spanien und Portugal in die USA, ab 1942 in der US-Armee tätig, nach dem Krieg gründete er im Auftrag der US-Regierung mehrere Zeitungen in Deutschland, ab 1960 in der Schweiz.

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Bemmer keine Information. Beneš, Dr. Edvar d 28. Mai 1884 Kozlány/Böhmen – 3. September 1948 Sezimovo Usti tschechoslowakischer Politiker (»Tschechoslowakische National-Sozialistische« bzw. »Volkssozialistische Partei«) 1909 Dozent für Nationalökonomie in Prag, 1915 Emigration in die Schweiz, dann nach Paris, dort Generalsekretär des tschechischen Nationalrats, Oktober 1918 bis Dezember 1935 Außenminister, 1921–1922 zugleich Ministerpräsident, ab Dezember 1935 bis 5. Oktober 1938 Staatspräsident (zurückgetreten), 1939 Professor in Chicago, 1940 Präsident der Exilregierung in London, 1945 Staatspräsident, Mai 1948 Amtsniederlegung. Benies, M a x 13. November 1894 Prag – 26. Mai 1955 Kenia Zuckerindustrieller ab 1919 Generaldirektor der Zuckerfabrik Litola, Besitzer eines Rennstalls, Sponsor eines Fußballvereins, April 1939 Emigration nach Kenia (Britisch-Ostafrika), leitete die Firma Mpala (Dosenbutter) für die Familie Schwarzenberg, 1940 Zwangsverkauf des Wohnsitzes Schloss Klecany durch seine geschiedene Frau, Oktober 1945 Rückkehr in die Tschechoslowakei, danach wieder nach Kenia, ab 1949 britischer Staatsbürger. Ber an, Rudolf 28. Dezember 1887 Pracejovice/Böhmen – 23. April 1954 Leopoldov/Tschechoslowakei tschechoslowakischer Politiker (»Tschechische Agrarpartei«) ab 1918 Abgeordneter, 1935–1938 Vorsitzender der Agrarpartei, nach dem Münchner Abkommen im Oktober 1938 ab 1. Dezember 1938 Ministerpräsident der Tschecho-Slowakischen Republik, nach Einmarsch der Deutschen Wehrmacht blieb er noch im Amt, am 27. April 1939 von Alois Eliáš abgelöst, 1941–1943 von Deutschen inhaftiert, ab 1945 wieder in Haft, in einem Gerichtsverfahren 1947 wegen Kollaboration zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Berger, Got tlob 16. Juli 1896 Gerstetten/Baden-Württemberg – 5. Jänner 1975 Stuttgart Lehrer, Leiter des SS-Führungshauptamtes 1914–1918 Kriegsdienst, ab März 1919 in verschiedenen Freikorps, Mitglied der NSDAP 1921 (oder 1923, erneut 1931), 1930 Mitglied der SA, 1936 der SS, 1937–

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1938 im Reichserziehungsministerium für Leibesübung zuständig, 1938 Chef des Ergänzungsamtes im SS-Hauptamt u. a. März 1938 in Wien, 1940–1945 Leiter des SS-Führungshauptamtes und Chef des Kriegsgefangenenwesens, ab April 1943 Verbindungsmann Himmlers im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete unter Alfred Rosenberg, SS-Obergruppenführer (1940) und General der Waffen-SS, August bis September 1944 deutscher Befehlshaber in der Slowakei, September 1944 Stabsführer des aufzubauenden Deutschen Volkssturms, April 1945 militärischer Bevollmächtigter für Bayern, Mai 1945 gefangen genommen, 1949 im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, 1951 auf zehn Jahre herabgesetzt, 1952 begnadigt und entlassen, finanzielle Unterstützung durch die Robert Bosch GmbH. Berger-Waldenegg, Dr. oec. publ. Egon 14. Februar 1880 Wien – 12. September 1960 Graz Jurist, Gutsbesitzer und Politiker Studium der Staatswissenschaften an der Universität Wien, 1902 bei der Niederösterreichischen Statthalterei, 1904–1918 (mit Kriegsunterbrechung in den Jahren 1914–1916) im Außenministerium beschäftigt, 1919 auf eigenen Wunsch in den zeitlichen Ruhestand, ab 1929 Mitglied des Steirischen Heimatschutzes, 1930 nach Verkauf des Gutes Beamter im Wiener Bankhaus Pinschof & Co, Landesführer des Steirischen Heimatschutzes, 1932 Bundesführer des Österreichischen Heimatschutzes, April bis Juli 1934 stellvertretender Landeshauptmann der Steiermark, Juli 1934 bis Oktober 1935 Bundesminister für Justiz, 1934–1936 Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten, 1936–1938 ao. Gesandter und bev. Minister in Rom, nach 1938 weiterer Verbleib in Italien, Annahme der italienischen Staatsbürgerschaft, 1939 Entlassung aus dem Staatsdienst ohne Pensionsanspruch, September 1939 bis Februar 1940 Inhaftierung im Polizeigefangenenhaus Wien und im KZ Buchenwald, danach Tätigkeit in der Privatwirtschaft, Sommer 1944 Gründung eines »Österreichischen Büros« in Rom, 1948 Rückkehr nach Österreich. Berger-Waldenegg, Dr. Osk ar 13. November 1889 – September 1960 Autounfall (nach dem Begräbnis seines Bruders) Beamter Bruder von Egon Berger-Waldenegg, Oktober 1939 wieder in Haft, Sektionsrat, Dezember 1946 stimmte die Bundesregierung der Ernennung zum Ministerialrat im Innenministerium in der Abteilung 9 zu.

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Berndt, A lfred-Ingemar 22. April 1905 Bromberg/Schlesien – 28. März 1945 bei Veszprém/Ungarn (vermutlich) deutscher Journalist und Schriftsteller abgebrochenes Germanistikstudium, 1919 im Grenzschutz-Dienst Ost, 1923 Mitglied der NSDAP und SA, 1924–1926 als Schriftsteller tätig, 1928 in »Wolffs Telegraphischem Bureau«, ab 1932 im Gaupresseamt der NSDAP, 1933 Chef des Deutschen Nachrichtenbüros, mit der Gleichschaltung der Presse beauftragt, 1934 Übertritt zur SS, SS-Brigadeführer (1943), 1936 Leiter der Presseabteilung des Propagandaministeriums und stellvertretender Pressechef der Reichsregierung, März 1938 Chef der neugeschaffenen Abteilung Presse-Inland, verantwortlich für die propagandistische Unterstützung des »Anschlusses« Österreichs und des Sudetenlandes, Oktober 1938 Ministerialdirigent, August 1939 Leiter der Abteilung Rundfunk des Propagandaministeriums, 1941–1943 im Stab Rommels, 1941 als Ministerialdirektor Leiter der Abteilung Propaganda, pendelte bis 1943 zwischen Berlin und Nordafrika, gilt als vermisst. Best, Sigismund Payne 14. April 1885 Cheltenham – 21. September 1978 Calne britischer Geheimdienstoffizier naturwissenschaftliches Studium in London, als Kaufmann tätig, 1908 Studium an der Musikakademie Lausanne, danach Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität München sowie Musikwissenschaften am Konservatorium (1913 beide Studien mit Examen abgeschlossen), 1914–1918 Kriegsdienst (Offizier des britischen Secret Intelligence Service), nach dem Krieg Geschäftsmann in Den Haag, weiter für den britischen Geheimdienst tätig, ab den 1930er-Jahren hauptberuflich, im November 1939 (»Venlo-Zwischenfall«) wurde er nach Kontakten mit vermeintlichen Wehrmachtsoffizieren, die vortäuschten, Hitler beseitigen zu wollen, gemeinsam mit Richard Henry Stevens nach Deutschland entführt (in Deutschland als Hintermänner des »Bürgerbräu-Attentats« beschuldigt), bis April 1945 als Sonderhäftling im KZ Sachsenhausen und KZ Dachau, Ende April 1945 in Tirol befreit. 1950 Veröffentlichung seiner Memoiren  : »The Venlo Incident« (London 1950). Best, Dr. jur. Werner 10. Juli 1903 Darmstadt – 23. Juni 1989 Düsseldorf deutscher Beamter, Polizeichef Jus-Studium, 1927 Promotion zum Dr. jur., im hessischen Justizdienst, 1930 Mitglied der NSDAP, 1931 der SS, 1931 Verfahren wegen Hochverrats, 1931–1933 Mitglied des Hessischen Landtags, Juli bis September 1933 Landespolizeipräsident in Hessen, 1933–1935 Leiter von Oberabschnitten in Stuttgart und München, 1935

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zur Gestapo nach Berlin, Chef des Amtes Verwaltung und Recht im Hauptamt Sicherheitspolizei, 1940 Verwaltungschef beim Militärbefehlshaber in Frankreich, ab August 1942 im Auswärtigen Amt, ab November 1942 Reichsbevollmächtigter in Dänemark, SS-Obergruppenführer (1944), 1945–1951 in dänischer Haft, 1949 in Kopenhagen zum Tode verurteilt, begnadigt, 1951 entlassen, 1951–1953 Rechtsberater der FDP, Rechtsberater des Stinnes-Konzerns, ab 1969 mit Unterbrechungen in Untersuchungshaft, 1972 Haftentlassung, 1983 Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit. Bethlen, István (Gr af von Bethlen) 8. Oktober 1874 Gernyeszeg/Siebenbürgen – 5. Oktober 1946 (oder 1947) in oder bei Moskau ungarischer Politiker 1901 als Liberaler in den ungarischen Reichstag, aktiv gegen die ungarische Räterepublik, Berater von Admiral Miklós Horthy, 1921–1931 Ministerpräsident, gestützt auf die 1922 gegründete Einheitspartei regierte Bethlen autoritär, nach der deutschen Besetzung Ungarns im Mai 1944 in den Untergrund, nach sowjetischem Einmarsch verhaftet, nach Moskau gebracht, wo er gestorben sein soll. Bethmann Hollweg, Theobald von 29. November 1856 Hohenfinow/Brandenburg – 2. Jänner 1921 Hohenfinow deutscher Beamter und Politiker ab 1886 Landrat, 1896 Oberpräsidialrat, 1899 Regierungspräsident in Bromberg, dann Oberpräsident der Mark Brandenburg, 1905–1907 preußischer Innenminister, 1907–1909 Staatssekretär des Innern, Stellvertreter des Reichskanzlers und Vizepräsident des Preußischen Staatsministeriums, 1909–1917 Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident. Bichlmaier, Georg 20. Jänner 1910 Wendenheim/Bayern – 2000 Priester Kaplan in Wien, Jesuit, gründete 1936 das »Pauluswerk zur Bekehrung der Juden«, im August 1939 von der Gestapo verboten, gründete er inoffiziell die »Hilfsstelle der Caritas für nichtarische Christen«, 19. November 1939 verhaftet, mit »Gauverweis« nach Oberschlesien abgeschoben. Bielk a-K arltreu, Dr. jur. Erich 12. Mai 1908 Wien – 1. September 1992 Bad Aussee/Steiermark Diplomat, Völkerrechtsexperte

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Jus-Studium an Universität Wien, 1931 Promotion zum Dr. jur., 1931–1935 Tätigkeit in der Privatwirtschaft u. a. als Vertrauensmann der Wiener Handelskammer, 1935 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, August 1936 bis März 1938 im Generalkonsulat München (Jänner 1939 Entlassung), März bis August 1938 Gestapo-Haft und KZ Dachau, im Widerstand tätig, 30. April 1945 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, 1946–1948 in Bern und Kairo, Juli 1948 bis April 1949 stellvertretender Leiter der Abteilung 5 ERP, April 1949 bis Februar 1950 Referent der Abteilung 5 für Wirtschaftspolitik, 1950–1952 im Generalsekretariat, Februar 1952-März 1958 in Ankara, ab Jänner 1953 als ao. Gesandter und bev. Minister, ab Juli 1957 als ao. und bev. Botschafter, März 1958 bis April 1962 Leiter der Abteilung für Wirtschaftspolitik im Außenministerium, 1962–1967 Generalsekretär, Juli 1967 bis Juni 1972 Botschafter in Bern, 1972–1974 in Paris, 1974–1976 Außenminister. Bílý, Josef 30. Juni 1872 Zbonín/Böhmen – 28. September 1941 Prag (hingerichtet) tschechoslowakischer Offizier (Armeegeneral) März 1939 Beitritt und führendes Mitglied der tschechoslowakischen Widerstandsbewegung »Obrana národa« (deutsch »Verteidigung der Nation«), von den Deutschen gemeinsam mit Hugo Vojta und František Horáček verhaftet und hingerichtet. Birkmeyer, A nton Heinrich (»Toni«) 25. April 1897 Wien – 30. August 1973 Wien Ballett-Tänzer und Choreograf 1921–1954 Solotänzer an der Wiener Staatsoper mit Unterbrechung im Nationalsozialismus, 1940 wurde er von der Gestapo verhaftet und wegen des Hörens ausländischer Rundfunksender zu 18 Monaten Zuchthaus verurteilt. Seine Ehefrau Jolanthe wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Birkmeyer, Jolanthe 1896 Budapest – 2. Jänner 1943 Auschwitz (ermordet) Jüdische Ehefrau von Toni Birkmeyer, wurde mit ihrem Mann verurteilt, nach Auschwitz deportiert, 1943 ermordet. Birkmeyer, Susanne 16. Jänner 1920 Wien –   ? Tochter von Toni Birkmeyer, Ballett-Tänzerin, als »Halbjüdin« konnte sie ab 1942 nur mehr mit einer Sondergenehmigung der Reichstheaterkammer in Wien auftreten.

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Bischoff, Norbert 26. November 1894 Wien – 30. Juni 1960 Schruns/Vorarlberg Diplomat 1919 Eintritt in den Staatsdienst, dem österreichischen Generalkonsulat in Köln zugeteilt, 1920 Einberufung in die politische Abteilung des Staatsamtes für Äußeres, 1928–1930 interimistischer Leiter der politischen Abteilung, Oktober 1930 bis Oktober 1933 interimistischer Geschäftsträger in Ankara, 1933 bis März 1938 Legationsrat in Paris, 12. März bis 31. Dezember 1938 ohne Verwendung, 31. Dezember 1938 Entlassung bzw. Versetzung in den Ruhestand mit Kürzung des Ruhegenusses, bis 1942 verschiedene Tätigkeiten in Frankreich, 1942–1944 Tätigkeit an der Akademie der Wissenschaften in Wien, 30. April 1945 Wiedereintritt in den Staatsdienst als Leiter der politischen Abteilung in der Staatskanzlei/Auswärtige Angelegenheiten, Februar bis Dezember 1946 als ao. Gesandter und bev. Minister Vertreter in Paris, ab 31. Dezember 1946 politischer Vertreter in Moskau, ab Juli 1953 bis März 1960 als ao. und bev. Botschafter. Bismarck, Ot to (ab 1865 Gr af von Bismarck-Schönh ausen, ab 1871 Fürst von Bismarck) 1. April 1815 Schönhausen/Elbe – 30. Juli 1898 Friedrichsruh bei Hamburg deutscher Politiker 1862–1890 (mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 1873) Ministerpräsident von Preußen, 1867–1871 zugleich Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes, 1871– 1890 erster Reichskanzler des Deutschen Reiches. Bismarck-Schönh ausen, Got tfried Gr af von 29. März 1901 Berlin – 14. September 1949 Verden/Aller/Niedersachsen (mit Ehefrau Autounfall) deutscher Politiker 1932 Mitglied der NSDAP, 1935 SS-Brigadeführer, 1928–1929 Mitglied der Geschäftsführung des Reichsverbandes der Industrie, 1933/1934 Landrat von Rügen und Kreisleiter der NSDAP, 1933–1944 Mitglied des Reichstags, 1935 Regierungspräsident von Stettin, 1938 von Potsdam, gehörte dem »Freundeskreis Reichsführer SS« an, 1943 SS-Oberführer, 1944 SS-Brigadeführer, nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 Verdacht der Beteiligung, im KZ Sachsenhausen, Flossenbürg und Ravensbrück, Haft bis Kriegsende, trotz Freispruchs. Bismarck-Schönh ausen, Melanie von 29. Februar 1916 Wien – 14. September 1949 Verden/Aller/Niedersachsen geborene Gräfin Hoyos Cousine und Ehefrau von Gottfried von Bismarck-Schönhausen (1937).

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Bismarck-Schönh ausen, Ot to Gr af von 25. September 1897 Schönhausen/Elbe – 24. Dezember 1975 Friedrichsruh bei Hamburg deutscher Diplomat und Politiker 1916–1918 Kriegsdienst, 1919–1921 Jus-Studium, Landwirt, 1924–1927 Reichstagsabgeordneter (»Deutschnationale Volkspartei«), 1927 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1927/1928 in Stockholm, 1928–1936 in London, Mai 1933 Mitglied der NSDAP, ab Jänner 1937 im Auswärtigen Amt, April 1938 Ministerialdirigent, April 1940 bis September 1943 in Rom, November 1943 bis November 1944 im Auswärtigen Amt Leitung des Länderausschusses Italien, November 1944 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, Verwaltung seiner Güter, 1953–1965 Mitglied des Bundestags (CDU), 1959/1960 und 1961–1966 Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Bit tner, Dr. phil. Ludwig 19. Februar 1877 Wien – 2. April 1945 Wien (Suizid) Historiker und Archivar Studium der Geschichte an Universität Wien, 1897 ordentliches Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 1898 Promotion zum Dr. phil., in deutschnationalen Vereinigungen aktiv, ab 1900 im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Neuinventarisierung des Archivs (fünfbändiges Gesamtinventar), 1919 Stellvertreter des Leiters des Archivs, Archivverhandlungen zwischen Österreich und den Nachfolgestaaten der Monarchie, 1926 Direktor des Archivs, 1928 Professor an der Universität Wien, 1933 Mitglied der NSDAP, 1941 Direktor des Reichsarchivs Wien, Forschungen in der Kriegsschuldfrage, förderte im Archiv die vom Münchner Institut finanzierten antisemitischen Forschungen, 1941 Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften, 1943 Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bla as, Ludwig 9. Juni 1884 Grüneck/Bayern – 2. Oktober 1958 Wien Diplomat 1910 Eintritt in den niederösterreichischen Landesdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, 1918 in den Auswärtigen Dienst, Dezember 1924 bis Juli 1925 beim Vatikan, Juli 1925 Rückberufung in das Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, Oktober bis November 1925 abermals beim Vatikan tätig, Oktober bis Dezember 1928 interimistischer Geschäftsträger der Gesandtschaft beim Vatikan, bis 1930 dem Kabinett von Minister Johannes Schober zugeteilt, Oktober 1934 Bestellung zum Vorstand des Kabinetts von Minister Egon Berger-Waldenegg, Dezember 1934 bis Mai 1937 an der Gesandtschaft in London, Juni 1937 Bestellung zum Vorstand des Kabinetts

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von Minister Guido Schmidt und Verleihung des Titels »ao. Gesandter und bev. Minister«, 31. Dezember 1938 Versetzung in den Ruhestand, Juli 1945 bis März 1947 Berater des Landeshauptmanns von Tirol in außerordentlichen Angelegenheiten sowie Berater des französischen Hochkommissars in allen Jagdbelangen, 1. Jänner 1946 Wiedereintritt in den Staatsdienst, ab Mai 1947 erneut im Auswärtigen Dienst als Chef des Protokolls, September 1948 bis November 1949 ao. Gesandter und bev. Minister in Kairo, 31. Dezember 1949 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Blah a, Dr. phil. Vinzenz 25. Mai 1876 Wien – 23. Februar 1950 Wien Priester (OSB) und Lehrer nach der Matura Eintritt in das Schottenkloster, 1899 Priesterweihe, Studium der Mathematik und Physik an der Universität Wien, 1904 Promotion zum Dr. phil., ab 1905 Lehrer am Schottengymnasium, 1931–1938 Direktor, 1925–1938 Subprior des Klosters, 1934 Hofrat, 1938–1946 Pfarrverweser in Gumpendorf, während des Zweiten Weltkrieges verhaftet (sieben Monate im Gefängnis), 1946 Rückkehr in das Schottenstift. Blaschke, Dipl. -Ing. H anns 1. April 1896 Wien – 25. Oktober 1971 Salzburg Patentanwalt und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, Elektrotechniker, ab 1926 Patentanwalt, 1931 Mitglied der NSDAP, Funktionär der NSDAP, Beteiligung am Juliputsch 1934, 1934–1936 Haft, Februar 1935 vom Militärgerichtshof zu lebenslangem Kerker verurteilt, 1936 nach Juliabkommen bedingt enthaftet, 1938 Teilnahme am Sturm auf das Gebäude der Vaterländischen Front (1. Bezirk, Am Hof 3/4), 1938 Mitglied der SS, ab 15. März 1938 Vizebürgermeister von Wien, ab 1. März 1941 Beigeordneter (Stadtrat), ab 30. Dezember 1943 kommissarischer Bürgermeister von Wien (bis 6. April 1945), SS-Brigadeführer (1944), Leiter der Betreuungsstelle für »Alte Kämpfer des Gaues Wien«, 1948 in Wien wegen Hochverrats zu sechs Jahren Haft und Vermögensentzug verurteilt, Verlust der Staatsbürgerschaft und Aberkennung sämtlicher akademischer Titel, März 1958 wurde das Urteil auf sein Betreiben aufgehoben. Blaschko siehe Rossee-Blaschko. Blazowski General keine Information.

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Blomberg, Luise M argarethe 22. Jänner 1913 Berlin-Neukölln – 1978 geborene Gruhn vorbestraft wegen Sittlichkeitsdelikten, Stenotypistin im Reichsnährstand, Jänner 1938 Ehe mit Werner von Blomberg. Blomberg, Werner von 2. September 1878 Stargard/Pommern – 13. März 1946 Nürnberg (in Haft verstorben) deutscher Offizier und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst (Generalstabsoffizier bei verschiedenen Heeresteilen), 1919–1921 Referent im Reichswehrministerium, 1925–1926 Chef des Ausbildungswesens, 1927–1929 Chef des Truppenamtes im Reichswehrministerium, 1929 Befehlshaber im Wehrkreis I, 30. Jänner 1933 bis 1935 Reichswehrminister, 1935–1938 Reichskriegsminister und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, 1936 Generalfeldmarschall, 1937 Verleihung des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP, leitete die Wiederaufrüstung, 27. Jänner 1938 aus der Wehrmacht und als Minister entlassen (wegen »unstandesgemäßer Heirat«), im Zweiten Weltkrieg ohne militärische Verwendung, 1945 wurde er unter dem Verdacht von Kriegsverbrechen festgenommen, in Nürnberg inhaftiert. Blücher, Wassili Konstantinovitsch (Bljucher, Vasiliji Konstantinovic) 1. Dezember 1889 Barschtschinka/Rajon Rybinsk/Jaroslawl – 9. November 1938 Moskau (ermordet) sowjetischer Offizier General der Roten Armee und Marschall der Sowjetunion, Kommandeur der Fernost-Armee, Sommer 1938 japanischen Angriff abgewehrt, das weitere japanische Vordringen wurde ihm als schweres Versagen vorgeworfen, Verdacht der Spionage für Japan, Oktober 1938 verhaftet, Tod nach Folter im Gefängnis, 1956 rehabilitiert. Blum, León 9. April 1872 Paris – 30. März 1950 Jouy-en-Josas französischer Journalist und Politiker 1905 gelang ihm die Vereinigung der französischen Sozialisten in der »Französischen Sektion der Arbeiter-Internationale«, Juni 1936 bis Juni 1937 und 13. März bis 10. April 1938 erster sozialistischer Ministerpräsident, seine Regierung »Front populaire« (Volksfront) gekennzeichnet durch Wirtschaftsreformen, führendes Mitglied der Résistance, von Pierre Laval nach dem Prozess von Riom (Februar 1942 bis Mai 1943) an die Deutschen ausgeliefert, in das KZ Buchenwald deportiert, April

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1945 als SS-Geisel nach Niederdorf (Südtirol) gebracht, nach der Rückkehr nach Frankreich Direktor der Tageszeitung »Populaire«, 16. Dezember 1946 bis 16. Jänner 1947 Ministerpräsident. Bock, Fedor von 3. Dezember 1880 Küstrin/Brandenburg – 4. Mai 1945 Oldenburg in Holstein (Tieffliegerangriff) deutscher Offizier 1898 Eintritt in die Preußische Armee, ab 1911 im Großen Generalstab, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, verweigerte Teilnahme am Kapp-Putsch, 1920 Oberst und Chef des Stabs im Wehrkreis III, 1935 General der Kavallerie und Oberbefehlshaber des Gruppenkommandos 3 (Dresden), führte an der Spitze der 8. Armee im März 1938 den Einmarsch in Österreich und im Oktober im Sudentenland durch, August 1939 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord (Polenfeldzug), 1940 Generalfeldmarschall, im Westfeldzug verwendet, 1941 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte (Feldzug gegen die Sowjetunion), Dezember 1941 in »Führerreserve«, Jänner 1942 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, Juli 1942 erneut in »Führerreserve«, bot sich der neuen Reichsregierung unter Karl Dönitz an. Boeckmann, Dr. phil. Walther von 12. Februar 1888 Neapel – 2. Mai 1970 Dießen am Ammersee/Bayern deutscher Verwaltungsjurist und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, 1920 Gerichtsassessor, 1920–1931 Syndikus bei der Schlesischen Landgesellschaft, ab 1922 Rechtsanwalt beim Amts- und Landgericht Breslau, ab 1925/1926 Mitglied der NSDAP, 1931 Kreissyndikus, Mai 1933 Verwalter im Landratsamt Waldenburg, Juli 1933 zum kommissarischen Landrat ernannt, ab September 1933 Landeshauptmann der Provinz Niederschlesien, Landeshauptmann von Niedersachsen, Kurator der Universität und Technischen Hochschule von Breslau, ab 1. Februar 1940 bis 1945 Kurator der deutschen wissenschaftlichen Hochschulen in Wien. Bohle, Dipl.-K aufmann Ernst Wilhelm 28. Juli 1903 Bradford/Großbritannien – 9. November 1960 Düsseldorf deutscher Politiker (bis August 1937 zugleich britischer Staatsangehöriger) Studium der Staats- und Handelswissenschaften, 1923 Diplom-Kaufmann, 1924– 1930 Abteilungsleiter und Prokurist in britischen und amerikanischen Exportfirmen in Holland, Rheinland und Hamburg, 1930 bis Juni 1933 Gründer und Leiter einer Großhandelsfirma für Autozubehör, ab 1931 für die Auslandsorganisation der NSDAP tätig, 1931/1932 Mitglied der NSDAP, Mai 1933 Leiter der Abteilung

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für Deutsche im Ausland (im Range eines Gauleiters), Oktober 1933 Berufung in den Stab des Stellvertreters des Führers, 1933–1945 Mitglied des Reichstags, Jänner 1937 bis November 1941 Chef der Auslandsorganisation der NSDAP im Auswärtigen Amt mit dem Rang eines Staatssekretärs (ab Dezember 1937), SS-Obergruppenführer (1943), 1945 interniert, im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) im April 1949 zu fünf Jahren Haft verurteilt, Dezember 1949 begnadigt, danach als Kaufmann in Hamburg tätig. Böhme, Fr anz 15. April 1885 Zeltweg/Steiermark – 29. Mai 1947 Nürnberg (Suizid) Offizier 1904 Eintritt in die k. u. k. Armee, 1914–1918 Kriegsdienst (Hauptmann im Generalstab), 1920–1938 im Bundesheer, hauptsächlich in Generalstabsstellen, im Dezember 1933 der Abt. 2 des Verteidigungsministeriums zugeteilt, ab Jänner 1935 Chef der Abt. I a (Nachrichtenabteilung), 1935 Ernennung zum Generalmajor, im Februar 1938 im Berchtesgadener Abkommen zum Nachfolger von Alfred Jansa bestimmt, Übernahme in die Deutsche Wehrmacht, 1938/1939 Generalleutnant und Kommandeur einer Infanteriedivision, Teilnahme am Polen- und Frankreichfeldzug, 1940 General der Infanterie, 1941 Wehrmachtsbefehlshaber in Serbien, mit der Partisanenbekämpfung betraut, Mai 1942 bis Dezember 1943 an der Eismeerfront, danach als Wehrkreisbefehlshaber nach Salzburg, Juni 1944 Führung der 2. Panzerarmee in Jugoslawien, ab Jänner 1945 Oberbefehlshaber einer Gebirgsarmee und Wehrmachtsbefehlshaber in Norwegen, Mai 1945 in Norwegen in britische Gefangenschaft, am 13. Mai 1947 im Nürnberger Prozess (Geiselprozess) angeklagt. Bonaparte, Napoleon ( Napoleon I.) 15. August 1769 Ajaccio/Korsika – 5. Mai 1821 Longwood/Sankt Helena französischer General 1804–1814/1815 Kaiser der Franzosen. Bonaparte, Napoleon Fr anz Joseph K arl ( Napoleon II.) 20. März 1811 Tuilerien-Palast/Paris – 22. Juli 1832 Schloss Schönbrunn/Wien Herzog von Reichstadt einziger legitimer männlicher Nachkomme Napoleon Bonapartes, stammte aus dessen zweiter Ehe mit Marie-Louise von Österreich, nach der endgültigen Abdankung seines Vaters als Napoleon II. vom 22. Juni bis 7. Juli 1815 titularischer Kaiser der Franzosen, dieser Anspruch erlosch am 8. Juli mit der Restauration des Königreichs durch Ludwig XVIII., 1818 ernannte ihn Kaiser Franz I. zum Herzog von Reichstadt.

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Boris III., Sachsen-Coburg-Koh áry (Sakskoburggotski) 30. Jänner 1894 Sofia – 28. August 1943 Sofia König (Zar) von Bulgarien 1918–1943 König, regierte ab Mai 1934 autoritär, 1941 Beitritt zum Dreimächtepakt, aber keine Teilnahme am Krieg gegen die Sowjetunion, starb nach einem Besuch bei Hitler unter nicht geklärten Umständen. Bornemisza, Dipl. -Ing. Geza 20. Dezember 1895 Munkács – 4. Juni 1983 Budapest ungarischer Politiker nach dem Ersten Weltkrieg Adjunkt des Lehrstuhls für Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Budapest, danach Tätigkeit bei der Salgotarjaner-Kohlenbergwerks AG, Geschäftsführender Direktor der Elektrizitätsgesellschaft Hungaria, Mitglied im Institut für industrielle Arbeitsorganisation, 4. März bis 1. August 1935 Handelsminister, 1. August 1935 bis 15. November 1938 Minister für Industrie, 1. August bis 2. September 1935 und 12. Oktober 1936 bis 14. Mai 1938 Handelsund Verkehrsminister, 3. November 1936 Geheimrat, bis 29. März 1943 Leiter des Instituts für industrielle Arbeitsbeschaffung. Borodajkew ycz, Dr. phil. Tar as 1. Oktober 1902 Wien – 3. Jänner 1984 Wien Historiker und Universitätsprofessor Studium der Theologie begonnen, Geschichtsstudium, Mitglied des Christlichdeutschen Studentenbundes, 1932 Promotion zum Dr. phil., 1933 Sekretär des Katholikentag-Büros, 1934 in das Haus-, Hof- und Staatsarchiv (1941 Archivrat), 1934 Mitglied der (seit 1933 illegalen) NSDAP, 1937 Dozent an der Universität Wien, 1942–1945 ao. Universitätsprofessor für Geschichte an der Universität Prag, 1943 Parteiausschlussverfahren, 1945 arbeitete er für die sowjetische Besatzungsmacht (Sichtung von Quellenmaterial für russische Geschichte im Archiv), 1946 im Entnazifizierungsverfahren als »Minderbelasteter« eingestuft, Kontakte zu ÖVP-Kreisen, 1955 Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte an der Hochschule für Welthandel, in den Vorlesungen offene neonazistische und antisemitische Äußerungen, 1957 Kandidat für den Verband der Unabhängigen bei den Nationalratswahlen, nach Protesten gegen seine Vorlesungstätigkeit 1966 bei vollen Bezügen zwangsweise pensioniert. Boromejsk ý, K arel K ašpar 16. Mai 1870 Miröschau/Böhmen – 21. April 1941 Prag Priester

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1893 Priesterweihe, Studium der Philosophie und Katholischen Theologie in Pilsen und Rom, 1899–1920 Seelsorger und Domkapitular am Prager Metropolitankapitel, 1921 Bischof von Königgrätz, ab 1931 Erzbischof von Prag, 1935 Kardinal. Boschilow, Dobri 13. Juni 1884 Kotel – 1. Februar 1945 Sofia (hingerichtet) bulgarischer Politiker 1902 Eintritt in die Nationalbank, 1922 Mitglied des Direktoriums der Nationalbank, 1922–1924, 1931–1932 und 1934–1935 amtierender Generaldirektor, 1935– 1938 Gouverneur der Nationalbank, November 1938 bis September 1943 Finanzminister, August 1943 bis Juni 1944 Ministerpräsident, trotz Zusammenarbeit mit den Deutschen, Widerstand gegen Judendeportationen, bis September 1944 Gouverneur der Nationalbank, verhaftet, von einem Volksgericht wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt, hingerichtet, 1996 vom Obersten Gericht rehabilitiert. Bothmer, Gr af K arl von 2. Juli 1891 Kaschau/Slowakei – 28. November 1971 Meersburg/Baden Württemberg ungarischer Diplomat Jus-Studium an Universität Wien, im diplomatischen Dienst von Österreich-Ungarn, danach im ungarischen Dienst, 1941 Generalkonsul in Wien, auf seinen Wunsch als ungarischer Gesandter nach Bern versetzt (Hilfe für verfolgte Juden), vom Nazi-Regime zum Tode verurteilt, seine Tätigkeit endete 1949, arbeitete in Bern bei einem Antiquitätenhändler, danach in einem Teppichhaus. Bourbon-Parma, Felix von 28. September 1893 Schwarzau am Steinfeld/NÖ – 8. April 1970 Schloss Fischbach/ Luxemburg jüngerer Bruder von Zita, seit November 1919 verheiratet mit Charlotte, Großherzogin von Luxemburg, dadurch Prinzgemahl von Luxemburg. Bourguignon, Edwin 7. Jänner 1885 Triest –   ? Diplomat Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolviert, Jus-Studium (Abschluss mit Staatsprüfungen), 1909 in den Staatsdienst bei der Niederösterreichischen Statthalterei, 1910 in das Außenministerium, 1911 Diplomatenprüfung, 1911 an der Gesandtschaft in Bukarest, 1914–1916 Kriegsdienst, Jänner bis August 1916 an der Gesandtschaft Bukarest, Dezember 1916 an die Gesandtschaft in Sofia, Mai 1917 dem Vertreter des Außenministeriums beim Militärgouvernement in Belgrad

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zugeteilt, November 1919 Versetzung in den zeitlichen Ruhestand, 1920–1921 Konzeptsbeamter im Auswärtigen Dienst, ab Juli 1920 beurlaubt, mit Ende Jänner 1922 in den Ruhestand. Bowes-Lyon, Elizabeth 4. August 1900 London – 30. März 2002 Windsor ab 1923 Ehefrau von Prinz Albert, Herzog von York (1936–1952 König Georg VI.), Mutter (»Queen Mum«) von Königin Elizabeth II. Br andl, Dr. jur. Fr anz 14. April 1875 Wien – 16. März 1953 Wien Beamter, Polizeipräsident Jus-Studium, 1898 Eintritt in den Staatsdienst, 1914 in das Präsidium der Polizeidirektion Wien, 1918–1922 Leiter der politischen Abteilung (Staatspolizei), 1924 Hofrat, 1930–1932 Vizepräsident und mit der Leitung der Bundespolizeidirektion Wien betraut, 30. September 1932 bis 17. März 1933 Polizeipräsident, zwangspensioniert (Kritiker von Engelbert Dollfuß), März 1933 Mitglied der NSDAP, 1938 Präsident der DDSG, 10. August 1946 wegen Hochverrats (illegaler Nationalsozialist) zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilt, später begnadigt. Br antner, Theodor 20. Juli 1882 Großfeld/Mähren – 15. Dezember 1964 Wien Offizier 1903 in die k. u. k. Armee, im Generalstab tätig, Übernahme in das österreichische Bundesheer, im Jänner 1934 zum General der Infanterie befördert, im November 1934 General der Kavallerie, September 1936 aus dem aktiven Dienst geschieden, Frühjahr 1938 in die Deutsche Wehrmacht übernommen, Offizier zur besonderen Verwendung, Mai 1938 aus der Wehrmacht verabschiedet, später wieder zur Verfügung des Heeres, erhielt aber kein Kommando, Juni 1940 General der Kavallerie zur Verfügung, 1943 endgültig aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Br auchitsch, Walther von 4. Oktober 1881 Berlin – 18. Oktober 1948 Hamburg (in britischer Haft) deutscher Offizier 1914–1918 Generalstabsoffizier, 1921 Übernahme in die Reichswehr, 1927 Chef des Stabs des Wehrkreiskommandos VI, 1927 Abteilungsleiter im Reichswehrministerium, 1936 General, 1938–1941 Oberbefehlshaber des Heeres, führte die Feldzüge gegen Polen, Frankreich, Jugoslawien, Griechenland und die Sowjetunion, Generalfeldmarschall (1940), im Dezember 1941 in die »Führerreserve« versetzt, Tod in britischer Haft vor Eröffnung eines Militärgerichtsverfahrens.

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Br äuer, Dr. jur. Curt 24. Februar 1889 Breslau/Schlesien – 8. September 1969 Wiesbaden deutscher Diplomat Jus-Studium, 1911 Promotion zum Dr. jur., 1911 in den preußischen Justizdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, ab Jänner 1920 im Auswärtigen Dienst, 1920–1926 am Generalkonsulat in Kapstadt, 1926–1930 im Auswärtigen Amt, 1930–1937 an der Gesandtschaft in Brüssel, 1935 Mitglied der NSDAP, 1937–1939 Botschaftsrat in Paris, November 1939 bis April 1940 Gesandter in Oslo, bildete am 15. April gemeinsam mit Theodor Habicht einen Verwaltungsausschuss für die besetzten norwegischen Gebiete, April/Mai 1940 Bevollmächtigter des Reiches bei der norwegischen Regierung in Oslo, im Mai 1940 zur Wehrmacht einberufen, 17. September 1940 als Di­ plomat Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, von Kriegsende bis 1953 in sowjetischer Gefangenschaft, April bis Juni 1959 Sonderauftrag des Auswärtigen Amtes. Br aum, Dr. H ar ald 1. Juni 1893 Wien – 3. März 1979 Wien Rechtskonsulent 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1924 in der Industrie- und Handelskammer tätig, Vizepräsident des Vereins »Österreich-Holland«, März 1938 Parteianwärter (1942 Aufnahme abgelehnt), 1942 Hauptgeschäftsführer-Stellvertreter in der Gauwirtschaftskammer Wien. Br aun von Stumm, Gustaf 23. Juni 1890 Berlin – 3. November 1963 Innsbruck deutscher Diplomat Jus-Studium, ab 1913 im Justizdienst, 1914–1917 Kriegsdienst, 1918 in den Auswärtigen Dienst (diplomatische Laufbahn), zeitweise Tätigkeiten in Budapest, Konstantinopel und Brüssel, ab 1931 im Auswärtigen Amt, 1933 Mitglied der NSDAP, 14. März bis 11. April 1938 kommissarische Beschäftigung bei der Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Wien, seit Dezember 1939 stellvertretender Leiter der Nachrichten- und Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, mit Jänner 1944 Ministerialdirigent, nach Kriegsende in einem französischen Internierungslager in Innsbruck, Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst, besaß Anteile am Stumm-Konzern, publizierte numismatische Bücher. Brehm, Dr. phil. Bruno (Pseudonym  : Bruno Clemens) 23. Juli 1892 Laibach/Slowenien – 5. Juni 1974 Altaussee/Steiermark Schriftsteller und Verleger Studium der Kunst- und Frühgeschichte an der Universität Wien, ab 1914 Kriegsdienst und im September in russische Kriegsgefangenschaft, 1916 ausgetauscht, 1922

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Verlagsbuchhändler, ab 1928 freier Schriftsteller, 1936 Mitglied der »Sudetendeutschen Partei«, 1938 Mitglied der NSDAP, Mai 1939–1945 Ratsherr der Stadt Wien, 1938–1942 Herausgeber der Zeitschrift »Der getreue Eckart«, 1941 Präsident der Wiener Kulturvereinigung, Ordonanzoffizier in Griechenland, Russland und Nordafrika, im August 1944 in Hitlers Gottbegnadeten-Liste aufgenommen, hielt danach Dichterlesungen, 1945 kurze Zeit in Haft, Voruntersuchungen am Volksgericht Wien (Verdacht auf Grundstücksarisierung) wurden 1949 eingestellt, ab 1960 Mitglied der rechtsextremistischen Gesellschaft für freie Publizistik. Breza, Dr. Robert 3. August 1882 Brünn – 23. Dezember 1942 Wien 1906 in den staatlichen Finanzdienst, ab 1907 im Handelsministerium, 1911–1912 im Außenministerium, ab September 1912 bis 1923 im Handelsministerium (April 1923 Pensionierung), 1924 Ministerialrat, danach handelspolitischer Referent in der Handelskammer, Experte u. a. für die Handelsverträge bzw. ab 1932 Präferenz- und Kontingentverträge mit Deutschland, Tschechoslowakei, Ungarn und Polen, Gutachter in der Handelspolitischen Arbeitsgemeinschaft, Juli 1939 als leitender Sekretär der Handelskammer in den Ruhestand versetzt. Brüning, Heinrich 26. November 1885 Münster/Westfalen – 30. März 1970 Norwich/Vermont/USA deutscher Politiker (»Deutsche Zentrumspartei«) 1921 Geschäftsführer der Christlichen Gewerkschaften, 1924–1933 Reichstagsabgeordneter, 1929 Fraktionsführer des Zentrums, 30. März 1930 bis 30. Mai 1932 Reichskanzler, Oktober 1931 bis Mai 1932 auch Außenminister, 1934 Emigration in die USA, Professor an der Harvard University, 1938 expatriiert, 1951 Rückkehr nach Deutschland, 1951–1955 Professor an der Universität Köln, danach wieder in die USA. Brusat ti, A lois 3. März 1877 Wien – 26. September 1939 Thomersbach/Baden bei Wien/NÖ Bankdirektor Sparkassendirektor in Baden, 14. März 1938 von seinem Amt als Direktor suspendiert, 26. März 1938 verhaftet wegen »eigenmächtiger Entnahme von in der Sparkasse angelegten Geldern«, April bis August 1938 im Gefängnis in Wiener Neustadt, danach bis zu seiner Enthaftung im Jänner 1939 (kein Vorliegen eines Strafbestandes) im Inquisitenspital, starb an den physischen und psychischen Folgen der Haftzeit. Brusselle-Sch aubeck, Dr. jur. A lfred 8. Dezember 1881 Graz – 19. Februar 1963 Bad Gleichenberg/Steiermark Gutsbesitzer

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Oberstleutnant des Generalstabs a. D., Kommerzialrat, Präsident der Gleichenberger und Johannisbrunnen AG, März 1938 Einsetzung eines kommissarischen Verwalters, 1938 für einige Wochen inhaftiert, nach 1945 Ausbau des Heilbades Gleichenberg, aktiv beim Ausbau des Fremdenverkehrs. Buchberger, K arl (Carl) 14. August 1887 Olmütz/Mähren – 6. Mai 1974 Bad Ragaz/Schweiz Diplomat 1906–1911 Konsularakademie, 1911 Eintritt in den diplomatischen Dienst, 1911– 1912 Üsküb (Skopje), 1912 Scutari, 1912–1913 Janina, September bis Dezember 1913 bei der internationalen Grenzkommission in Albanien, Jänner bis August 1914 (beurlaubt) im Kabinett des Fürsten von Albanien, 1914 an der Botschaft in Berlin, 1915 in Den Haag, Februar 1915 bis Oktober 1916 in Berlin, November 1916 bis März 1917 Zivilkommissar in Mitrowitza, 1917–1924 in Berlin, November 1924 interimistischer Geschäftsträger der österreichischen Gesandtschaft in Stockholm, Jänner 1928 bis August 1933 ständiger Geschäftsträger in Stockholm, seit Juli 1933 ao. Gesandter und bev. Minister, September 1933 bis 30. April 1938 ao. Gesandter und bev. Minister in Ankara, 31. Dezember 1938 Versetzung in den dauernden Ruhestand, Emigration nach Schweden, 1942 Annahme der schwedischen Staatsbürgerschaft, mit 27. April 1945 rehabilitiert und erneut in den Ruhestand versetzt, ab November 1949 wieder österreichischer Staatsbürger. Bullit t, William Christian 25. Jänner 1891 Philadelphia – 15. Februar 1967 Neuilly-sur-Seine/Frankreich US-Diplomat und Autor ab 1917 im Staatsdienst, stellvertretender Außenminister, 1918/1919 Teilnehmer an der Pariser Friedenskonferenz, 1919 auf Sondermission in Moskau, 1933 Sekretär im Staatsministerium, 1933–1936 Botschafter in Moskau, August 1936 bis Juni 1940 Botschafter in Paris, November 1941 bis April 1942 Botschafter zur besonderen Verfügung (u. a. in den Nahen Osten entsandt), Juni 1942 bis Juli 1943 Sekretär im Marine-Ministerium, August 1944 als Major in der französischen Befreiungsarmee Charles de Gaulles. Bülow, Vicco von (genannt Bülow-Schwante) 10. Mai 1891 Berlin – 14. März 1970 Düsseldorf deutscher Diplomat Jus-Studium, 1910–1920 Militärdienst, 1918–1933 Verwaltung seiner Güter, 1928– 1932 Mitglied der »Deutschnationalen Volkspartei«, 1928 Leiter der Auslandsabteilung im Bundesvorstand des Stahlhelms, 1933 Mitglied der SA, 1936 Mitglied der NSDAP, ab 1933 im Auswärtigen Amt, Chef des Protokolls, 1938–1940 Botschafter

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in Brüssel, 1942 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, danach Verwaltung seiner Güter, Mitglied in Aufsichtsräten zahlreicher Wirtschaftsunternehmen. Bürckel, Josef 30. März 1895 Lingenfeld/Pfalz – 28. September 1944 Neustadt an der Weinstraße/ Pfalz deutscher NS-Funktionär 1921 Mitglied der NSDAP, ab März 1926 Gauleiter in der Pfalz, 1930–1944 Mitglied des Reichstags, 1935–1936 Reichskommissar für die Rückgliederung des Saargebiets, 1938 Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, 1939–1940 Gauleiter von Wien, Reichsstatthalter der Ostmark und Reichsverteidigungskommissar, 1940–1944 Reichsstatthalter der Westmark mit Sitz in Saarbrücken sowie Chef der Zivilverwaltung in Lothringen. Burgsdorff, Dr. jur. Curt Ludwig Ehrenreich von 16. Dezember 1886 Chemnitz – 26. Februar 1962 Starnberg/Bayern deutscher Politiker Jus-Studium, 1911 Promotion zum Dr. jur., 1914–1918 Kriegsdienst, Beamter im sächsischen Staatsdienst, 1927 Oberregierungsrat im sächsischen Innenministerium, 1933 Mitglied der NSDAP, 1933–1937 Kreishauptmann, dann Regierungspräsident in Leipzig, 1938 nach Wien versetzt, leitender Beamter beim »Anschluss«, März 1939 im Stab des Chefs der Zivilverwaltung für Mähren, Ministerialdirektor beim Reichsprotektorat für Böhmen und Mähren, April 1939 Unterstaatssekretär und SAGruppenführer, 1942 zur Wehrmacht eingezogen, Dezember 1943 bis Jänner 1945 Gouverneur des Distrikts Krakau, 1945 verhaftet, von den Amerikanern interniert, 1946 Zeuge im Nürnberger Prozess, Mai 1946 an Polen ausgeliefert, 1948 von einem polnischen Gericht zu drei Jahren Haft verurteilt, Juli 1949 entlassen, Verwalter bei der Evangelischen Akademie. Butler, Rich ar d Austen (R. A. Butler, R ab Butler, Baron Butler of Saffron Walden 1965) 9. Dezember 1902 Attock Serai/Britisch-Indien – 8. März 1982 Great Yeldham/Essex britischer konservativer Politiker ab 1929 Mitglied des Unterhauses, 1932–1937 Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, 1938–1941 Parlamentarischer Unterstaatssekretär im Außenministerium, Juli 1941 bis Mai 1945 Unterrichtsminister, Mai bis Juli 1945 Arbeitsminister, Oktober 1951 bis 1955 Schatzkanzler, 1955–1959 Lordsiegelbewahrer, 1955–1961 Sprecher des Abgeordnetenhauses, 1957–1962 Staatssekretär, 1962/1963 Minister für afrikanische Angelegenheiten, 1956–1961 Führer der Konservativen.

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Buzzi, Rich ar d 25. September 1882 Malborghetto Valbruna/Udine – 3. Februar 1948 Wien Bankdirektor 1905–1930 bei der Commerzbank, ab 1930 bei der Oesterreichischen Nationalbank, leitende Stellung in der Devisenbewirtschaftung und bei Vertragsverhandlungen mit Nachbarländern, 1938 Mitglied der NSDAP, 1938 Kommissarischer Leiter der Reichsbankhauptstelle Wien und Liquidator der Oesterreichischen Nationalbank, Juni 1939 bis 1942 Direktor der Reichsbankhauptstelle Wien sowie Berater und Bankratsmitglied der Slowakischen Nationalbank in Pressburg, ab 1942 Vorstandsmitglied der Wiener Creditanstalt-Bankverein, nach 1945 wieder Direktor der Oesterreichischen Nationalbank. Călinescu, Dr. A rmand (Hermann) 4. Juni 1893 Pitești/Moldawien – 21. September 1939 Bukarest rumänischer Politiker Jus-Studium an der Universität Bukarest, Promotion in Politikwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften in Paris, 1926 Abgeordneter des Parlaments, Dezember 1937 bis Jänner 1938 Innenminister, ab 1938 verschiedene Ministerposten, u. a. Verteidigungsminister, März bis September 1939 Ministerpräsident, wurde von Mitgliedern der »Eisernen Garde« ermordet. Cambon, Jules-M artin 5. April 1845 Paris – 19. September 1935 Vevey/Schweiz französischer Diplomat Jus-Studium, Rechtsanwalt, 1871 in den Staatsdienst, Präfekt in mehreren Départements, ab 1891 Generalgouverneur in Algerien, 1897 Botschafter in Washington, 1902 in Madrid, 1907–1914 in Berlin, ab 1914 Generalsekretär für Auswärtige Angelegenheiten, ab 1918 Mitglied der Académie francaise, 1920–1922 Vorsitzender der Botschafterkonferenz, 1920 Direktor der Compagnie Radio Franc, in den 1920erJahren Verwaltungsrat der Länderbank, 1930–1931 Verwaltungsratspräsident der Banque de Paris et des Pays-Bas. Cambon, M arie-Virginie 1821 – 1905 geborene Larue Mutter von Jules-Martin und Paul Cambon. Cambon, Paul 20. Jänner 1843 Paris – 29. Mai 1924 Paris französischer Diplomat

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Jus-Studium, ab 1872 Präfekt mehrerer Départements, ab 1882 im diplomatischen Dienst, Ministerresident in Tunesien, 1886 Botschafter in Madrid, 1891 in Konstantinopel, 1898–1920 in London. Carol II. (Hohenzollern-Sigmaringen) 15. Oktober 1893 Sinaia/Rumänien – 4. April 1953 Estoril/Portugal König von Rumänien 1930–1940 König, errichtete im Februar 1938 eine Königsdiktatur, im September 1940 von Ion Antonescu zur Abdankung gezwungen, ging ins Exil. Čatloš, Fer dinand 7. Oktober 1895 Szentpéter/Slowakei – 16. Dezember 1972 Martin/Tschechoslowakei Offizier in tschechoslowakischer Armee und slowakischer General 1915 in russische Gefangenschaft, 1917 in die Tschechoslowakische Legion in Russland, absolvierte Offizierskurse, 1925–1926 im Nachrichtendienst des tschechoslowakischen Verteidigungsministeriums, 1927 Vertreter des Militärattachés in Budapest, 1927–1930 an der Militärhochschule in Prag, ab Oktober 1938 Leiter der Militärkanzlei der autonomen slowakischen Landesregierung und stellvertretender Oberbefehlshaber der in der Slowakei operierenden tschechoslowakischen Streitkräfte, 1939–1944 Verteidigungsminister des ersten Slowakischen Staates und Oberbefehlshaber der slowakischen Armee, engster Vertrauter von Jozef Tiso, den Slowakischen Nationalaufstand am 29. August 1944 verurteilte Čatloš nach deutschem Druck in einer Rundfunkansprache, am 2. September 1944 stellte er sich der neuen Regierung zur Verfügung, wurde abgelehnt, verhaftet und am 13. September 1944 an die Sowjetunion ausgeliefert, 1947 vom tschechoslowakischen Volksgerichtshof zu fünf Jahren Haft verurteilt, 1948 freigelassen. Cavallero, Ugo Gr af 20. September 1880 Casale Monferrato/Piemont – 13. September 1943 Frascati/Latium (erschossen oder Suizid) italienischer Offizier 1913 Hauptmann im Libyen-Feldzug, 1915–1918 Kriegsdienst, 1919 Chef der Militärdelegation bei den Friedensverhandlungen in Paris, 1925–1928 Unterstaatssekretär im Kriegsministerium, 1926 Senator, 1927 Kommandeur der Truppen in Nordafrika, 1938–1940 Generalleutnant in Italienisch-Ostafrika, 1940 Generalstabschef, 1940–1943 Chef des Comando Supremo, 1941 Oberbefehlshaber in Albanien, 1942 Marschall, Jänner 1943 verabschiedet, nach Mussolinis Sturz 1943 Verhaftung durch die Regierung Badoglio, im September 1943 Befreiung durch deutsche Truppen.

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Ceschi, Wolfgang 17. Oktober 1900 Groß-Enzersdorf/NÖ – 21. September 1971 Jurist und Kaufmann Ch amberlain, Sir A rthur Neville 18. März 1869 Birmingham – 9. November 1940 Reading/Großbritannien britischer konservativer Politiker 1911–1918 Stadtrat von Birmingham, 1915–1916 Oberbürgermeister, 1918–1940 Mitglied des Unterhauses, 1922–1923 Postminister, 1923–1924 Schatzkanzler, 1924–1931 Gesundheitsminister (mit Unterbrechungen), 1931–1937 Schatzkanzler, Mai 1937 bis Mai 1940 Premierminister, Mai bis Oktober 1940 Vorsitzender des Geheimen Rats. Ch amberlain, Sir Joseph Austen 16. Oktober 1863 Birmingham – 17. März 1937 London britischer konservativer Politiker ab 1892 Mitglied des Unterhauses, 1895–1900 Zivillord der Admiralität, 1900–1902 Unterstaatssekretär im Schatzamt, dann Generalpostmeister, 1903–1906 und 1919– 1921 Schatzkanzler, 1915–1917 Staatssekretär für Indien, 1921 Lordsiegelbewahrer, November 1924 bis Juni 1929 Außenminister, 1925 gemeinsam mit US-Finanzpolitiker Charles G. Dawes Verleihung des Friedensnobelpreises. Ch ar din, Jean Siméon 2. November 1699 Paris – 6. Dezember 1779 Paris französischer Maler berühmt für seine Stilleben und Genrebilder. Ch avanne, Eugen 12. November 1882 Schärding am Inn/OÖ – 18. Mai 1964 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1905 Eintritt in den Staatsdienst, 1918 in das Innenministerium und Einberufung in den Verwaltungsgerichtshof, 1925 in das Bundeskanzleramt, 1934–1938 Leiter der Präsidialsektion, Juli 1936 Sektionschef, 14. März bis 17. September 1938 Haft im Polizeigefangenenhaus Wien, 31. März 1939 Versetzung in den Ruhestand mit gekürztem Ruhegenuss, 1. Mai 1945 Wiedereintritt in den Staatsdienst im Staatsamt für Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr, bis 1949 Vorstand des Präsidiums, 31. Dezember 1949 Versetzung in den dauernden Ruhestand, danach in leitenden Stellungen bei großen Industrieunternehmen.

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Chilh aud-Dumaine, A lfred 25. Dezember 1852 Paris – 6. Februar 1930 französischer Archivar und Diplomat 1877 in den Auswärtigen Dienst, 1887–1892 Legationssekretär in Berlin, 1904–1907 Gesandter in München, 1907–1912 Gesandter in Mexiko-Stadt, Mai 1912 bis August 1914 Botschafter in Wien, danach wieder als Historiker tätig, ab 1924 Präsident der »Société d’histoire diplomatique«. Chorin, Familie Christandl, Ot to (auch K ristandl) 28. Mai 1909 Bruck an der Mur – 21. Juni 1946 Graz (hingerichtet) Lehrer und Politiker 1932 Mitglied der NSDAP, Gauredner, als Kreis- und als Gauleiter in der Steiermark tätig, mehrmals vom Schuldienst suspendiert, 24. November 1937 vor dem Landesgericht Anklage wegen Hochverrat, jedoch amnestiert, März und April 1938 stellvertretender Gauleiter in der Steiermark, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, provisorischer Bezirkshauptmann und später Bezirksschulinspektor von Leoben, als Kreisleiter von Leoben einer der Hauptverantwortlichen für das Massaker am Präbichl-Pass am 7. April 1945 (250 ungarische Juden auf einem Todesmarsch ins KZ Mauthausen ermordet), am 29. April 1946 von einem britischen Militärgericht zum Tode verurteilt, Ende Dezember 1948 erfolgte im selbständigen Verfahren die Einziehung seines Vermögens. Christian X. (Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg) 26. September 1870 Gentofte – 20. April 1947 Kopenhagen König von Dänemark 1912–1947 König, regierte ab 1915 nach demokratischer Verfassung, Bruder des norwegischen Königs Haakon VII., während der deutschen Besetzung ab 1940 blieb er im Land, 1943 unter Hausarrest gestellt. Churchill, Sir Winston Leonar d Spencer 30. November 1874 Woodstock/Oxfordshire – 24. Jänner 1965 London britischer Politiker ab 1900 mit Unterbrechungen bis 1964 Abgeordneter der Konservativen, 1905– 1908 Unterstaatssekretär für die Kolonien, 1908–1910 Handelsminister, 1910 Innenminister, 1911–1915 Erster Lord der Admiralität, 1917–1919 Munitionsminister, 1919–1921 Leiter des Kriegs- und Luftfahrtministeriums, Februar 1921 bis 1924 Kolonialminister, 1924–1929 Schatzkanzler, 1939 Erster Lord der Admiralität, 1940–1945 und 1951–1955 Premierminister, 1940–1945 gleichzeitig Verteidigungs-

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minister, 1945–1951 Führer der konservativen Opposition, 1953 Verleihung des Nobelpreises für Literatur. Chvalkovsk ý, Dr. jur. Fr antišek 30. Juni 1885 Eulau – 25. Februar 1945 Berlin (bei einem Bombenangriff) tschechoslowakischer Diplomat und Politiker 1908–1914 Rechtsanwalt, ab 1920 im diplomatischen Dienst, Juni 1921 Gesandter in Tokio, 1923 in Washington, 1925–1927 Abgeordneter der »Republikanischen Partei«, März 1927 bis 1932 Gesandter in Berlin, 1932–1938 in Rom, Oktober 1938 bis April 1939 Außenminister der Tschecho-Slowakischen Republik, für Anlehnung an das Deutsche Reich, Minister ohne Geschäftsbereich in der Protektoratsregierung, ab Juni 1939 Gesandter in Berlin. Cianet ti, Tullio 20. August 1899 Assisi/Italien – 8. April 1976 Maputo/Mosambik italienischer Politiker 1917–1921 Kriegs- und Militärdienst, 1922 Teilnahme am Marsch auf Rom, ab 1924 gewerkschaftliche Positionen, zuletzt Gewerkschaftssekretär für die Faschistische Konföderation der Industriearbeiter und Vizepräsident der Sozialversicherung, November 1934 Mitglied des Großen Faschistischen Rats, 1939–1940 Unterstaatssekretär im Korporationsministerium, 1940–1941 Batteriechef einer Alpindivision, ab April 1943 Korporationsminister, stimmte als Mitglied des Großen Faschistischen Rats am 25. Juli 1943 gegen Mussolini, schrieb jedoch eine Entschuldigung an Mussolini, Jänner 1944 in der Repubblica Sociale Italiana im Prozess von Verona von einem Sondergericht zu dreißig Jahren Haft verurteilt, 1945 Flucht nach Mosambik. Ciano, Costanzo Conte di Cortellazzo e Buccari 30. August 1876 Livorno – 26. Juni 1939 Lucca italienischer Offizier und Politiker Vater von Galeazzo Ciano 1915–1918 Kriegsdienst, als Fregattenkapitän der italienischen Kriegsmarine befehligte er im Ersten Weltkrieg den Handstreich von Gabriele D’Annunzio in der Bucht von Bakar, Konteradmiral (1923), 1922 Unterstaatssekretär im Marineministerium, ab 1924 Abgeordneter, 1924–1934 Post- und Kommunikationsminister, April 1934 bis März 1939 Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer. Ciano, Edda di Cortellazzo e Buccari 1. September 1910 Forlì/Emilia Romagna – 8. April 1995 Rom älteste Tochter von Benito Mussolini, Ehefrau von Galeazzo Graf Ciano (1930).

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Ciano, Galeazzo Conte di Cortellazzo e Buccari 18. März 1903 Livorno – 11. Jänner 1944 Verona (erschossen) italienischer Diplomat und Politiker Schwiegersohn Benito Mussolinis, Kampfgefährte von Mussolini, Teilnahme am Marsch auf Rom, 1925 Eintritt in den diplomatischen Dienst, Generalkonsul bzw. Geschäftsträger in Shanghai, 1931 Präsident der Völkerbundkommission für Shanghai, 1934 Pressechef von Mussolini, Unterstaatssekretär, 1935 Minister für Presse und Propaganda, Fliegerleutnant im Abessinien-Feldzug, Juni 1936 bis Februar 1943 Außenminister, Februar 1943 als Botschafter zum Vatikan versetzt, stimmte als Mitglied des Großen Faschistischen Rats gegen Mussolini, von der Regierung Badoglio interniert, Flucht nach Deutschland, an Mussolini ausgeliefert, Jänner 1944 von einem Sondergericht in Verona zum Tode verurteilt. Cincar-M arković, A leksandar (Zinzar-M arkowitsch) 20. Juni 1889 Belgrad – 1947 Belgrad (hingerichtet) jugoslawischer Politiker Februar 1939 bis 27. März 1941 Außenminister, unterschrieb am 25. März 1941 in Wien den Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt, durch einen Offiziersputsch gestürzt, 1945 verhaftet. Clary-A ldringen böhmische Adelsfamilie. Clemens siehe Wildner, Clemens. Clodius, Dr. rer. pol. Carl 9. Februar 1897 Bremen – 15. Jänner 1952 (in sowjetischer Haft) deutscher Diplomat und Wirtschaftsfachmann 1914–1919 Militärdienst, 1920–1923 Studium, 1923 Promotion zum Dr. rer. pol., ab 1921 im Auswärtigen Dienst, 1926 Ernennung zum Legationssekretär, ab Mai 1927 an der deutschen Botschaft in Paris, ab Mai 1931 Gesandtschaftsrat in Wien, 1932–1934 in Sofia, danach im Auswärtigen Amt, ab Oktober 1937 stellvertretender Leiter der Handelspolitischen Abteilung, ab 10. Juni 1938 Vertreter bei der vom Reichsminister des Innern errichteten Zentralstelle zur Durchführung der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, ab November 1938 Gesandter und Ministerialdirigent in der Handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, 1943 Ministerialdirektor, ab Mai 1944 Sonderauftrag zu wirtschaftlichen und politischen Verhandlungen in Bukarest, dort am 4. September 1944 durch sowjetisches Militär verhaftet, Gefangenschaft in der Sowjetunion.

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Cnobloch, Dr. jur. Joh ann A lois A lfred 6. März 1871 St. Ruprecht bei Klagenfurt – 19. Februar 1962 Lehen/Salzburg Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1894 Promotion zum Dr. jur., 1893 Eintritt in den niederösterreichischen Landesdienst, 1899 Einberufung in das Ackerbauministerium, ab 1912 Leiter des Departements für Handelspolitik, Eisenbahn- und Steuerfragen, 1917 Sektionschef, November 1918 mit der Führung der wirtschaftlichen Verhandlungen in Ungarn betraut und Vertreter Österreichs in Budapest, April 1920 als ao. Gesandter und bev. Minister in den Auswärtigen Dienst übernommen, ab November 1922 Vertreter in Bukarest, Juni 1925 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Colloredo-M annsfeld, Fer dinand (Fertsch) 5. Juni 1878 Sierndorf/NÖ – 8. Dezember 1967 Wien Beamter und Gutsbesitzer Legationsrat und Präsidialchef im Außenministerium, Jänner 1919 in den Ruhestand versetzt. Colloredo -M annsfeld, Fr anz Fer dinand 1. März 1910 Rom – 14. Jänner 1944 Mer Loire-et-Cher/Frankreich (Flugzeugabsturz) Pilot Sohn von Ferdinand Colloredo-Mannsfeld (1878–1967). Colloredo-M annsfeld, M aria Gr äfin von geborene Freiin Lexa von Aehrenthal 26. Mai 1850 Doxan/Böhmen – 5. Mai 1881 Volosca/Istrien Mutter von Colloredo-Mannsfeld, Ferdinand (1878–1967). Colloredo-M annsfeld, Dr. Rudolf 16. August 1876 Sierndorf/NÖ – 21. März 1948 Sierndorf/NÖ Gutsbesitzer und Politiker 1901–1904 im Dienst der politischen Verwaltung Böhmens, Bezirkshauptmann von Gänserndorf, 1907–1918 Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag, Beirat des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Kommerzialrat, ab 1928 Präsident der Österreichischen Land- und forstwirtschaftlichen Gesellschaft, 1933 Präsident der Vaterländischen Front, Ökonomierat (1947). Conr a d-Eybesfeld, Heinrich 7. Dezember 1854 Graz – 24. November 1944 Eybesfeld steirischer Gutsbesitzer.

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Cooper, A lfred Duff (ab 1952 1. Viscount Norwich) 22. Februar 1890 London – 1. Jänner 1954 bei Vigo/Spanien britischer Diplomat, Historiker und konservativer Politiker nach Abschluss des Studiums in den Auswärtigen Dienst, 1917–1918 Kriegsdienst, 1924–1929 (ab 1931 wieder) Mitglied des Unterhauses, 1935–1937 Kriegsminister, 1937–1938 Erster Lord der Admiralität (Marineminister), 1940–1941 Informationsminister, 1941 Kanzler des Herzogtums Lancaster, 1941/1942 kurzzeitig Repräsentant in Singapur, 1943 Botschafter beim französischen Befreiungskomitee in Algier, 1944–1948 in Paris. Coulondre, Robert 11. September 1885 Nimes – 6. März 1959 Paris französischer Diplomat 1908 Eintritt in den konsularischen Dienst, 1909 Konsul in London, März 1912 im Büro des Außenministers, 1912 in Beirut, 1919 in den diplomatischen Dienst, Mai 1919 in Marokko, 1927–1933 Leiter der Unterabteilung Handelsbeziehungen im Außenministerium, 1929–1932 Mitglied verschiedener Delegationen bei internationalen Währungs- und Schuldenkonferenzen, 1933–1936 Vizedirektor der Politischen Abteilung des Außenministeriums, 1936–1938 Botschafter in Moskau, November 1938 bis September 1939 in Berlin, Mai bis Oktober 1940 in Bern, 1941 vom Vichy-Regime entlassen, 1945–1949 Vertreter im Reparationsrat. Cr aig, M alin 5. August 1875 St. Joseph/Missouri – 25. Juli 1945 Washington US-Offizier im Ersten Weltkrieg in Frankreich eingesetzt, 1924–1926 Chef der US-Kavallerie, danach bis 1935 Kommandant in der Panamazone, Oktober 1935 bis 31. August 1939 als »temporary General« Generalstabschef des US-Heeres, August 1939 Versetzung in den Ruhestand. Cristea, Miron (eigentlich Ilie bzw. Elie Gheorghe Cristea) 18./20. Juli 1868 Toplita/Siebenbürgen – 6. März 1939 Cannes/Frankreich rumänischer Patriarch und Politiker parteiloser Ministerpräsident vom 11. Februar bis 29. März 1938 (Kabinett Cristea I), vom 30. März 1938 bis 31. Jänner 1939 (Cristea II) und vom 1. Februar bis 6. März 1939 (Cristea III), König Carol II. hatte die klerikal-faschistische Regierung Goga abgesetzt und errichtete mit Cristea als Ministerpräsident eine Königsdiktatur. Cristea erließ im Februar 1938 eine neue, autoritäre Verfassung und antisemitische Gesetze, Anlehnung an Deutschland, für die Einheit von Kirche und Staat.

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Csák y von Körösszegh und A dorjan, Gr af István (Steph an) 18. Juli 1894 Schäßburg/Siebenbürgen – 27. Jänner 1941 Budapest ungarischer Politiker 1914–1918 Kriegsdienst (Offizier), 1919 in den Auswärtigen Dienst, 1921–1923 Gesandter beim Heiligen Stuhl, 1923/1924 in Bukarest, 1933–1935 Leiter der Presseabteilung im Auswärtigen Amt, 1933–1935 Gesandter in Madrid, 1936 Kabinettschef im Auswärtigen Amt, Dezember 1938 bis Jänner 1941 Außenminister. Cvetković, Dr agiša (Zwetkowitsch, Dr agisch a) 15. Jänner 1893 Niš – 18. Februar 1969 Paris serbischer Politiker Jus-Studium, 1922–1929 Kommunalpolitiker in Niš, Mitglied der »Radikalen Partei«, 1927 Abgeordneter in der Skupština (Nationalversammlung), 1928 Minister für Glaubensfragen, Jänner 1929 Mitglied der Opposition gegen das totalitäre Regime König Alexanders I., nach dessen Ermordung (im Oktober 1934) 1935 Abgeordneter in der Skupština und Minister für Sozialpolitik und Volksgesundheit, nach dem Sturz der Regierung Stojadinović Februar 1939 bis 27. März 1941 Ministerpräsident Jugoslawiens, durch einen Offiziersputsch gestürzt, verließ September 1943 Serbien und ging nach Frankreich. Czernin, Eugen 3. Jänner 1892 Prag – 16. Juni 1955 Wien Verwalter der Czernin’schen Gemäldegalerie in Wien. Czernin, Fer dinand 25. November 1903 Hermannstadt/Böhmen – 1. November 1965 New York Schriftsteller Sohn von Ottokar Czernin, Buchautor, schrieb zahlreiche Texte gegen Hitler, verfasste Bücher in deutscher und englischer Sprache. Czernin, Jaromir 30. Jänner 1908 Prag – 1. Februar 1966 München Bruder von Vera Schuschnigg, Schwager Schuschniggs. Czernin, Ot tok ar 26. September 1872 Schloss Dimokur/Böhmen – 4. April 1932 Wien Diplomat und Politiker 1895–1902 im diplomatischen Dienst, 1903–1913 Abgeordneter des Böhmischen Landtags (»Partei der Verfassungstreuen Großgrundbesitzer«), ab 1905 Berater von Erzherzog Franz Ferdinand, 1913–1916 Gesandter in Bukarest, 1912–1918 Mitglied

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des Herrenhauses, 1913 wieder in den diplomatischen Dienst, Botschafter in Bukarest, 1916–1918 Minister des Äußern, 1920–1923 Abgeordneter zum Nationalrat (»Bürgerliche Arbeiterpartei«). Czernin, Dr. jur. Peter 25. November 1907 Winar/Böhmen – 31. Oktober 1967 Wien Bruder von Ferdinand Czernin (1903–1965) Jus-Studium an Universität Graz, 1933 Promotion zum Dr. jur., 1927–1933 beim Steirischen Heimatschutz, Übersiedlung nach Wien, Mitglied der NSDAP, SSObersturmführer, ab 1936 persönlicher Referent von Glaise-Horstenau, Mai 1936 bis März 1938 wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Wien, gehörte dem sogenannten »Spann-Kreis« (Othmar Spann) an, ab März 1938 Referent in der Dienststelle Staat und Wirtschaft des Reichskommissariats für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. Czoernig-Czernh ausen, Walter 16. Februar 1883 Triest – 28. Dezember 1945 Großgmain/Salzburg Bahnbeamter 1907 Abschluss des Studiums in Graz als Maschinenbau-Ingenieur, in den Dienst der Staatsbahnen, nach Versetzung in den Ruhestand widmete er sich der Höhlenforschung. Czyhlarz, Dr. med. Ernst 1. Oktober 1873 Prag – 3. Jänner 1950 Wien Arzt Studium in Prag und Wien, 1897 Promotion zum Dr. med., 1898–1905 Assistent an der I. Medizinischen Universitätsklinik in Wien, 1908–1933 Primararzt an der III. Medizinischen Abteilung des Kaiser-Franz-Joseph-Spitals, 1917 ao. Professor, bis 1937 Leiter der I. Medizinischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses, Arzt von Heinrich Wildner. Dala dier, Édouar d 18. Juni 1884 Carpentras – 10. Oktober 1970 Paris französischer Politiker Geschichtslehrer, ab 1919 Abgeordneter der »Radikalsozialistischen Partei«, ab 1924 mehrmals Minister, u. a. Kriegsminister und Bildungsminister, 1927–1931 Parteivorsitzender, Jänner bis Oktober 1933, Jänner bis Februar 1934, April 1938 bis März 1940 Ministerpräsident, 1934–1938 auch Kriegsminister, September 1940 verhaftet und vom Vichy-Regime vor Gericht gestellt, 1943–1945 Internierung in Deutschland, 1946 wieder Abgeordneter, 1949 Präsident der linksrepublikanischen

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Sammelbewegung, 1953–1958 Bürgermeister von Avignon, 1957/1958 Vorsitzender der »Radikalsozialistischen Partei«. Danckelmann, Heinrich 2. August 1887 Hardehausen/Nordrhein-Westfalen – 30. Oktober 1947 Belgrad (hingerichtet) deutscher Offizier ab 1905 Militärdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in die Reichswehr, Einsatz in einem Reiterregiment, 1923–1924 im Reichswehrministerium, 1925 Auslandsaufenthalt in der Tschechoslowakei, 1926–1932 in einer Kavallerie-Division, 1932–1934 Kommandeur eines Reiter-Regiments, März bis September 1934 im Reichswehrministerium (zur besonderen Verwendung), Oktober 1934 bis September 1935 im Reichsluftfahrtministerium (zur besonderen Verwendung), 1935 bis März 1938 Chef des Stabs eines Luftkreis-Kommandos, April 1938 bis Jänner 1939 Kommandierender General und Befehlshaber im Luftgau VIII (Schlesien und Ostsudetenland), Februar bis April 1939 im Reichsluftfahrtministerium, Mai 1939 bis Juli 1941 Wehrersatz-Inspekteur in Düsseldorf, Juli 1941 bis Oktober 1941 Militärbefehlshaber von Serbien (verantwortlich für Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung), Oktober 1941 bis Februar 1942 in Deutschland Offizier zur besonderen Verwendung, Februar 1942 aus dem Dienst geschieden, März 1942 zur Verwendung im Luftgaukommando VI gehalten, ohne Kommando, am 31. Mai 1943 endgültig aus der Wehrmacht ausgeschieden, August 1945 von Alliierten verhaftet, Auslieferung an Jugoslawien, zum Tode verurteilt. Danner, Ing. Clemens keine Information Sektionsrat, Oberste Bergbehörde. D’A nnunzio, Gabriele (auch  : d’A nnunzio, R apagnet ta-d’A nnunzio) 12. März 1863 Pescara – 1. März 1938 Gardone Riviera italienischer Schriftsteller 1898–1900 Abgeordneter in der Kammer, 1908–1915 freiwillig im französischen Exil, 1915–1918 Kriegsdienst als Fliegeroffizier, im August 1918 Propagandaflug über Wien organisiert, September 1919 mit Freischärlern Fiume besetzt, 1924 auf Vorschlag der faschistischen Regierung durch König Viktor Emanuel III. geadelt. Dar ányi von Pusztaszentgyörgy und Tetétlen, Dr. K álmán 22. März 1886 Budapest – 1. November 1939 Budapest ungarischer Politiker

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1927 Abgeordneter (»Einheitspartei«), 1935–1936 Landwirtschaftsminister, Oktober 1936 bis Mai 1938 Ministerpräsident, Dezember 1938 bis November 1939 Präsident des ungarischen Parlaments. Darlan, Fr ançois X avier 7. August 1881 Nérac – 24. Dezember 1942 Algier (ermordet) französischer Offizier und Politiker Abgeordneter der Nationalversammlung, 1896/1897 Justizminister, 1899–1902 Marineschule, 1914–1918 Kriegsdienst, nach Kriegsende befehligte er das Schulschiff Jeanne d’Arc, ab 1926 einen Panzerkreuzer, durch Verwandtschaft zum langjährigen Marineminister rascher Aufstieg, 1929 Konteradmiral, 1937 Generalstabschef der Marine und Admiral, 1939 Oberbefehlshaber der Marine (Flottenadmiral), 1940 Handels- und Marineminister der Vichy-Regierung, Dezember 1940 Regierungschef, Außen-, Innen- und Kriegsminister, schuf das Generalkommissariat für die »Judenfrage«, April 1942 auf Druck Hitlers Rücktritt, 1942 Oberkommandierender der Vichy-Streitkräfte, Opfer eines Attentats, dessen nähere Hintergründe unklar sind. Darré, Walther (eigentlich Ricar do Walther Oscar Darré, auch Rich ar d Walter Darré) 14. Juli 1895 Belgrano/Buenos Aires – 5. September 1953 München deutscher Agrarpolitiker und Schriftsteller 1925 Diplomlandwirt, 1930 Mitglied der NSDAP und SS, 1931–1938 Leiter des SS-Rasse- und Siedlungs-Hauptamtes, SS-Obergruppenführer, 1933–1942 Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Reichsbauernführer (1934), 1933–1945 Mitglied des Reichstags, 1942 politisch kaltgestellt, 1949 im Nürnberger Prozess (Minister-Prozess/Wilhelmstraßen-Prozess) zu sieben Jahren Haft verurteilt, 1950 Entlassung, Privatier in Bad Harzburg. Dask alov, Teodosi 2. September 1888 Gorsko Slivovo – 1. Februar 1945 Sofia (erschossen) bulgarischer Offizier 1930–1932 an der Militärschule tätig, 1932–1934 Militär-Attaché in Italien, Jänner 1938 bis April 1942 Kriegsminister, 11. April 1943 in den Ruhestand versetzt, nach dem Aufstand vom 8. auf den 9. September 1944 vom sogenannten Volksgericht zum Tode verurteilt. Davies, Joseph Edwar d 29. November 1876 Watertown/Wisconsin – 9. Mai 1958 Washington US-Rechtsanwalt und Diplomat

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Jus-Studium, Anwalt, Mitglied der Demokratischen Partei. 1902–1906 Staatsanwalt in Wisconsin, 1912 Wahlkampfleiter bei der Präsidentschaftswahl für Woodrow Wilson, 1915–1916 Leiter der Federal Trade Commission, ab 1917 wieder Anwalt (spezialisiert auf Unternehmensrecht), Mitglied der US-Delegation bei der Pariser Friedenskonferenz 1919, 1932 Unterstützer der Wahlkampagne von Franklin D. Roosevelt, Jänner 1937 bis Juni 1938 Botschafter in der Sowjetunion, Juni 1938 bis November 1939 Botschafter in Belgien und Luxemburg, 1939–1941 Sonderassistent des Außenministers Cordell Hull, 1942 bis 1946 Vorsitzender des »War Relief Control Board« von Präsident Roosevelt, Mai 1943 Sonderbotschafter Roosevelts in Moskau, zur Herstellung des direkten Kontakts zwischen Roosevelt und Stalin, Teilnehmer an der Konferenz von Jalta und Potsdam, 1947 Ausscheiden aus dem Beraterkreis des Weißen Hauses. Davignon, Jacques 15. Februar 1887 Brüssel – 10. Oktober 1965 Woluwe-Saint-Pierre/Sint-PietersWoluwe belgischer Diplomat Jus-Studium an der Katholischen Universität Löwen, 1911 in den Auswärtigen Dienst, ab 1913 an der Botschaft in Berlin, August 1914 nach London, Jänner bis Juli 1919 Sekretär der belgischen Delegation bei der Pariser Friedenskonferenz, 1926– 1933 Geschäftsträger in Budapest, 1933–1935 in Warschau, 1935–1940 Gesandter (ab 1938 Botschafter) in Berlin. De Bono, Emilio 19. März 1866 Cassano d’Adda/Provinz Mailand – 11. Jänner 1944 Verona (hingerichtet) italienischer Offizier und Politiker Ausbildung an der Militärakademie in Modena, Offizier bei der Bersaglieri-Truppe, 1912 Teilnahme am Italienisch-Türkischen Krieg, 1915–1918 Kriegsdienst, Mitbegründer der Faschistischen Partei, 1922 Teilnahme am Marsch auf Rom, 1923–1924 Polizeichef und Leiter der faschistischen Miliz (»Schwarzhemden«), 1925–1929 Gouverneur von Tripolitanien, 1929–1935 Minister für die italienischen Kolonien, 1935–1936 Oberbefehlshaber im Abessinien-Krieg, von Pietro Badoglio abgelöst, 1935 »Marschall von Italien«, am 25. Juli 1943 stimmte er im Großen Faschistischen Rat gegen Mussolini, in der Repubblica Sociale Italiana im Prozess von Verona wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und erschossen. De Bourgoing, Jean 30. Dezember 1877 Budapest – 24. Dezember 1968 Wien Schriftsteller

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1909–1938 Präsident der Allianz-Versicherungs-AG in Wien, 1914–1918 Kriegsdienst. De Gaulle, Ch arles 22. November 1890 Lille – 9. November 1970 Colombey-les-Deux-Églises französischer General und Politiker 1908–1912 Militärschule, in die Armee, 1914–1916 Kriegsdienst, 1916–1918 in deutscher Kriegsgefangenschaft, 1919/1920 Teilnahme am Polnisch-Sowjetischen Krieg, 1921 Lehrer an einer Militärschule, 1924 an der Mosel stationiert, 1925 in den persönlichen Stab von Marschall Pétain, 1927 aktives Kommando in Trier, 1929–1931 im Libanon, 1932–1937 in untergeordneter Position im Nationalen Verteidigungsrat, Mai 1940 gegen die deutsche Offensive verwendet, 6. Juni 1940 Unterstaatssekretär für Nationale Verteidigung, lehnte Waffenstillstand ab, verließ am 15. Juni 1940 Frankreich, im Juni 1940 von der Vichy-Regierung zum Tode verurteilt, 1942 an die Spitze des französischen Komitees der Nationalen Befreiung, Juni 1943 Chef der Exilregierung, 1944 Präsident der Provisorischen Regierung, 1945/1946 Ministerpräsident und provisorisches Staatsoberhaupt, 1947 Rückzug aus der Politik, 1958 wegen Algerienkrise wieder aktiv, 1958–1969 Staatspräsident. Degenfeld-Schonburg, Dr. jur. Dr. phil. Fer dinand 1. März 1882 Wien – 11. März 1952 Wien Jurist und Nationalökonom Jus-Studium sowie Studien der Nationalökonomie, Philosophie und Landwirtschaftslehre, 1907 Promotion zum Dr. jur. und 1914 zum Dr. phil., 1915/1916 Kriegsdienst und Verwundung, 1917 nach Berlin zurück, 1920 Habilitation an der Universität Marburg, 1923 an der Universität Würzburg tätig, ab 1927 an der Universität Wien, 1933/1934 Dekan, Vertreter der Historischen Schule der Nationalökonomie, trotz seines offenen Antisemitismus im April 1938 beurlaubt und im August 1938 in den Ruhestand versetzt, galt als katholisch, legitimistisch, den Nationalsozialismus ablehnend, 1945 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit. Dek anosow, Wla dimir G. (Dek anosov, Vla dimir) Juni 1898 Baku – 23. Dezember 1953 Moskau (hingerichtet) sowjetischer Politiker und Diplomat Mitglied des Obersten Sowjets, 1938–1940 Leiter der sowjetischen Auslandsspionage, 1939 stellvertretender Außenkommissar, 1940 Sonderbeauftragter für die Eingliederung Litauens in die Sowjetunion, November 1940 bis Juni 1941 Botschafter in Berlin, als Vertrauter des Chefs des Geheimdienstes Lawrenti P. Berija nach dessen Sturz 1953 gemeinsam mit ihm angeklagt und hingerichtet.

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Dellbrügge, Dr. jur. H ans 15. September 1902 Bielefeld/Nordrhein-Westfalen – 19. Februar 1982 Bad Neuenahr-Ahrweiler/Rheinland-Pfalz deutscher Beamter Jus-Studium, 1927 Promotion zum Dr. jur., Regierungsassesor bei Landratsämtern in der preußischen Verwaltung, 1933 Mitglied der NSDAP und SS (SS-Brigadeführer 1944), August 1933 bis Mai 1934 Generalpolizeidezernent bei der Regierung in Arnsberg, danach Personalreferent im Reichsministerium des Innern, 1938 Ministerialrat, April 1940 bis Mai 1945 Regierungspräsident in der Reichsstatthalterei in Wien, April bis September 1940 Hauptabteilungsleiter für Verwaltung, Mitarbeiter von Gauleiter Baldur von Schirach, nach dem Zweiten Weltkrieg langjähriger Geschäftsführer des Landkreistags Nordrhein-Westfalen. Demmer, Dipl.-Ing., Dr.-Ing. A rno 15. Juni 1882 Großjedlersdorf/NÖ – 7. Jänner 1964 Wien Industrieller und Politiker Studium an der Technischen Hochschule Wien, Vizepräsident des Wiener Indus­ triellenverbandes, Generaldirektor der Floridsdorfer Lokomotivfabrik bzw. Generaldirektor der Wiener Lokomotivfabrik AG bis 1939, 24. Juni 1937 bis 16. März 1938 Rat der Stadt Wien. Deutsch, Dr. jur. Viktor Stefan 26. Februar 1864 Wien – 6. November 1941 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1887 Promotion zum Dr. jur., 1886 Eintritt in den Staatsdienst, bei verschiedenen Bezirkshauptmannschaften tätig, 1893 im Ackerbauministerium, Februar 1918 Sektionschef, 1918–1922 Leiter der Sektion für Wasser- und Jagdrechtsgesetzgebung im Landwirtschaftsministerium, Dezember 1922 Versetzung in den Ruhestand, Verwaltungsrat in verschiedenen Aktiengesellschaften. Dieckhoff, Dr. jur. H ans Heinrich 23. Dezember 1884 Straßburg – 21. März 1952 Lenzkirch/Baden-Württemberg deutscher Diplomat Jus-Studium, ab 1906 im Justizdienst, ab 1912 im Auswärtigen Dienst (konsularische Laufbahn), 1914/1915 im Kriegsdienst, 1915–1918 Tätigkeiten in Teheran und Konstantinopel, ab 1919 im Auswärtigen Amt, bis 1930 Tätigkeiten in Valparaíso, Lima, Prag, Washington und London, ab August 1930 im Auswärtigen Amt, Ministerialdirektor, ab 1936 Leitung der Politischen Abteilung, ab März 1937 (formal) bis Dezember 1941 Botschafter in Washington, seit November 1938 zurückberufen,

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1941 Mitglied der NSDAP, bis 1943 Sonderaufträge, April 1943 bis September 1944 Botschafter in Madrid, Oktober 1944 bis Jänner 1945 mit Sonderaufgaben betraut (Schwager von Ribbentrop). Diesenreiter, H ans 10. November 1909 Haidershofen/NÖ – 7. Dezember 1978 Mondsee/OÖ Förster und NS-Funktionär 1927–1928 an der Staatsförsterschule bei Gmunden, 1929–1930 Forstadjunkt bei der Forstdirektion Frohnleiten, 1929 Mitglied der NSDAP, 1930 bis Juli 1934 bei der Forstverwaltung Glein bei Knittelfeld, gründete eine Ortsgruppe der NSDAP, wegen Beteiligung am Juliputsch 1934 vom Militärgerichtssenat Leoben zum Tode verurteilt, bis Juli 1936 in der Strafanstalt Graz-Karlau inhaftiert, nach Freilassung Revierförster bei der Graf von Almeidaschen Gutsverwaltung und Sägeleiter in Mondsee, Mitglied der SS, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, ab 1938 im Stab des SS-Oberabschnitts Alpenland, während des Zweiten Weltkrieges Freiwilliger in der Waffen-SS (Obersturmführer 1943). Dietl, Eduar d 21. Juli 1890 Bad Aibling/Bayern – 23. Juni 1944 bei Graz (Flugzeugabsturz) deutscher Offizier 1909 Eintritt in die bayerische Armee, 1919 im »Freikorps Epp«, Beitritt zur NSDAP noch vor Hitler, Übernahme in die Reichswehr, Parteiaustritt wegen allgemeinem Verbot für Soldaten, aktiv am Aufbau der SA beteiligt, 1937 kurzzeitig zur italienischen Armee abkommandiert, April 1938 Divisionskommandeur in Graz, im April 1940 Narvik besetzt, Juni 1940 Kommandierender General des Gebirgskorps Norwegen, 1941 Murmansk, Jänner 1942 bis Juni 1944 Oberbefehlshaber der LapplandArmee, August 1943 Gesuch um Wiedereintritt in die NSDAP. Dietrich, Joseph (Sepp) 28. Mai 1892 Hawangen/Oberbayern – 21. April 1966 Ludwigsburg deutscher Beamter und Politiker 1909–1911 Hotelangestellter in der Schweiz, 1911–1914 Bäckereibote, 1914–1918 Kriegsdienst, November 1918 Vorsitzender eines Soldatenrats in Bayern, 1919–1927 Beamter der bayerischen Landespolizei, 1923 zur SA, 1928 Mitglied der NSDAP und SS (1934 Obergruppenführer), 1933–1945 Mitglied des Reichstags, 1933–1943 Kommandeur der »Leibstandarte Adolf Hitler«, seit 1940 Waffen-SS, 1943–1944 Kommandierender General des I. SS-Panzerkorps, Oberstgruppenführer, 1944 bis Kriegsende Oberbefehlshaber der 6. SS-Panzerarmee, 9. Mai 1945 Gefangennahme, im MalmedyProzess im Juli 1946 von US-Militärgericht in Dachau zu lebenslanger Haft verurteilt, 1950 in 25 Jahre Haft umgewandelt, Oktober 1955 begnadigt, Tätigkeit bei Werbeagen-

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tur in Ludwigsburg, 1957 wegen seiner Rolle beim Röhm-Putsch von einem Münchner Gericht wegen »Beihilfe zum Totschlag« zu 18 Monaten Haft verurteilt. Dietrich, Dr. Ot to 31. August 1897 Essen – 22. November 1952 Düsseldorf deutscher Journalist und Politiker 1915 Kriegsfreiwilliger, 1919/1920 Politikstudium, 1921 Promotion, 1922 wissenschaftlicher Assistent der Essener Handelskammer, 1926–1928 Redakteur der »Essener Allgemeinen Zeitung«, ab 1928 bei der deutschnationalen »MünchenAugsburger Abendzeitung«, berufliche Beziehungen zur rheinisch-westfälischen Schwerindustrie, 1929 Mitglied der NSDAP, 1931 stellvertretender Chefredakteur der »Essener National-Zeitung«, ab August 1931 Reichspressechef der NSDAP, 1932 Eintritt in die SS, Anfang 1934 Vizepräsident der Reichspressekammer, 1937– 1945 Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und Pressechef der Reichsregierung, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 1945 von den Alliierten interniert, im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) 1949 zu sieben Jahren Haft verurteilt, August 1950 entlassen, Leiter der Düsseldorfer Zweigstelle der Deutschen Kraftverkehrsgesellschaft. Dietrich keine Information Kapitän. Dirksen, Dr. jur. Herbert von 2. April 1882 Berlin – 19. Dezember 1955 München deutscher Diplomat Jus-Studium in Heidelberg und Berlin, Promotion zum Dr. jur. in Rostock, ab 1904– 1910 im preußischen Verwaltungsdienst, 1907/1908 Weltreise, 1910–1914 im Landratsamt in Bonn, 1914/1915 Kriegsdienst, ab 1915 in der Zivilverwaltung in Belgien, 1917 in der Gesandtschaft in Den Haag, 1918 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, bis 1921 Tätigkeiten in Kiew, und Warschau, 1921–1923 im Auswärtigen Amt, 1923–1925 Generalkonsul in Danzig, 1925–1928 im Auswärtigen Amt, 1928–1933 Botschafter in Moskau, 1933–1938 in Tokio, März 1938 bis August 1939 in London, 1939 Mitglied der NSDAP, Jänner 1940 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand (im Zuge der Blomberg-Fritsch-Affäre gemeinsam mit Neurath und Papen). Dit tmar, Kurt 5. Jänner 1891 Magdeburg/Sachsen-Anhalt – 26. April 1959 Holzminden/Niedersachsen deutscher Offizier

Biografien

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1914–1918 Kriegsdienst, 1920 Verbindungsoffizier zur Alliierten Militärkommission, 1928 Lehrer an der Infanterieschule Dresden, danach Bataillonskommandeur in Königsberg, 1937 Kommandeur der Pionierschule Berlin-Karlshorst, 1941 Divisionskommandeur an der finnischen Front, nach Erkrankung 1942 militärpolitischer Kommentator beim Reichssender Berlin, brachte realistische Radiokommentare zur militärischen Lage. Dobernig, Josef Wolfgang 10. September 1862 Maria-Waitschach/Kärnten – 24. Juli 1918 Klagenfurt Journalist und Politiker 1887–1907 Herausgeber der »Freien Stimmen« in Klagenfurt, ab 1895 Abgeordneter zum Reichsrat, wo er deutschnationale Positionen vertrat, Mitglied des Kärntner Landtags. Dobner-Dobenau, Helene 22. Februar 1887 – 14. September 1971 Wien (Bestattungsdatum) geborene Heller zweite Ehefrau (1903) von Fritz Dobner-Dobenau (1852–1925). Dobretsberger, Dr. rer. pol. Josef 28. Februar 1903 Linz – 23. Mai 1970 Wien Jurist, Nationalökonom und Politiker Studium an der Universität Wien, 1926 Promotion zum Dr. rer. pol., 1925–1929 Assistent von Prof. Dr. Hans Kelsen, 1929–1930 Generalsekretär des österreichischen Reichsbauernbundes, 1929 Habilitation für Nationalökonomie, 1930–1934 ao. Universitätsprofessor für Nationalökonomie, Sozialpolitik und Finanzwissenschaften an der Universität Graz, 1934 o. Universitätsprofessor, 1934 Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank, Oktober 1935 bis 14. Mai 1936 Bundesminister für soziale Verwaltung, 1936/1937 Dekan der juridischen Fakultät der Universität Graz, 1937/1938 Rektor, März 1938 Enthebung seines Amtes, März/April 1938 Haft im Polizeigefängnis Graz, Juni 1938 Emigration, Universitätsprofessor in Istanbul, Mai 1940 in Überlegungen zu einer österreichischen Exilregierung eingebunden, 1942–1946 in Kairo, im Oktober 1943 wieder in Überlegungen zu einer Exilregierung eingebunden, August 1946 wieder in Graz, Dezember 1946 Mitbegründer der »Demokratischen Union«, 1948–1957 Bundesobmann derselben, Vizepräsident der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft, Leiter des Büros für den Ost-West-Handel, 1963 Gründung der Zeitschrift »Der Österreichische Standpunkt«. Dollfuß, Dr. jur. Engelbert 4. Oktober 1892 Texing/NÖ – 25. Juli 1934 Wien (ermordet)

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Politker (ChP) 1914–1918 Kriegsdienst, Jus-Studium an der Universität Wien, 1920/1921 Studien in Berlin, 1923 Promotion zum Dr. jur., in der »Vereinigung der deutsch-christlichen Bauernvereine« tätig, 1922 Sekretär der NÖ Landwirtschaftskammer, ab 1927 Kammeramtsdirektor, 1930 Vize-Präsident der österreichischen Bundesbahnverwaltungskommission, März 1931 bis Mai 1932 Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, 20. Mai 1932 bis 25. Juli 1934 Bundeskanzler und gleichzeitig mit der Leitung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft betraut, 1933 Gründer der Vaterländischen Front, September 1933 bis 25. Juli 1934 gleichzeitig mit der Leitung des Bundesministeriums für Heereswesen betraut, März 1933 »Selbstausschaltung« des Parlaments, Niederschlagung des »Februar-Aufstandes« 1934, während des NSJuliputsches von nationalsozialistischen Putschisten ermordet. Donnevert, Dr. med. dent. Rich ar d 2. August 1896 Mainz/Rheinland-Pfalz – 27. Januar 1970 Wiesbaden/Hessen deutscher Politiker 1914 Notabitur, 1914–1918 Militärdienst, 1919–1922 Studium der Zahnmedizin an der Universität Göttingen, 1922 Promotion zum Dr. med. dent., Zahnarzt in Rotenburg an der Fulda, Dezember 1930 Eintritt in die NSDAP, 1937 Ernennung zum Ministerialrat, August 1940 Abgeordneter im Reichstag, November 1940 Eintritt in die SS (SS-Oberführer), März 1940 bis August 1943 stellvertretender Gauleiter Sudetenland, ab Dezember 1942 wegen Differenzen mit Gauleiter Henlein vom Amt beurlaubt, Dezember 1944 in Ruhestand versetzt. Döring, Helmut 1. Oktober 1903 – 19. Jänner 1941 Bukarest (erschossen) deutscher Offizier 1938–1939 Hauptmann der Transportkommandatur Wien, ab 1941 Bevollmächtigter Transportkommissar Südost, Major im Generalstabsdienst, wurde vor dem Hotel Ambassador vom Berufsboxer Sarandos erschossen, die Hintergründe für den Mord sind nicht geklärt, führte zur Entlassung des rumänischen Innenministers, es kommt zu Demonstrationen der Legionäre und Studenten. Dörnberg zu H ausen, Dr. jur. A lex ander Freiherr von 17. März 1901 Darmstadt – 7. August 1983 Oberaula-Hausen/Hessen deutscher Diplomat 1919/1920 Militärdienst, 1920–1923 Jus-Studium, 1925 Promotion zum Dr. jur., ab 1924 kaufmännische Tätigkeit, 1925 Sprachstudien, 1926/1927 Sekretär des Botschafters in Washington, April 1927 Einberufung in das Auswärtige Amt, 1930– 1936 Tätigkeiten in Bukarest und Reval, 1934 Mitglied der NSDAP, als Landes-

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schulungsleiter in Estland, 1936–1937 Verbindungsreferent des Auswärtigen Amtes zum Reichskriegsministerium, 1938 Mitglied der SS, Juni 1936 bis Februar 1937 im Auswärtigen Amt, 1937 bis April 1938 in London, ab März 1938 Chef der Protokollabteilung des Auswärtigen Amtes, ab Juli 1938 Amtsbezeichnung Gesandter, ab April 1939 Ministerialdirigent, 1942 bevollmächtigter Botschafter in außerordentlicher Mission. Dorpmüller, Julius 24. Juli 1869 Elberfeld/Wuppertal – 5. Juli 1945 Malente-Gremsmühlen/SchleswigHolstein deutscher Eisenbahningenieur und Politiker 1896 in den preußischen Eisenbahndienst, 1908–1917 in China, 1922 Präsident der Reichsbahndirektion, 1926 bis zu seinem Tod Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn, 1937–1945 zusätzlich Reichsverkehrsminister sowie im Mai 1945 Reichspostminister. Dorr, Dr. theol. K arl R aph ael 10. August 1905 Brunn a. Gebirge/NÖ – 5. März 1964 Wien Priester 1930 Priesterweihe, bis 1936 als Kooperator tätig, 1936–1948 Domprediger in St. Stephan in Wien, 1941 »Gauverbot«, Studium der Theologie in Freiburg im Breisgau, 1942 Promotion zum Dr. theol., 1948–1964 Pfarrer zu St. Stephan, 1953– 1964 Domherr, 1960–1964 Dechant des Stadtdekanats Wien 1. Dr a xler, Dr. jur. Ludwig 18. Mai 1896 Wien – 28. November 1972 Wien Rechtsanwalt und Politiker Jus-Studium an den Universitäten Wien und Innsbruck, 1914–1918 Kriegsdienst, nach dem Krieg führte er das österreichische Freikorps »Oberland« im oberschlesischen Abstimmungsgebiet, 1922 Promotion zum Dr. jur., Rechtsanwalt, Verwaltungsratsmitglied mehrerer Unternehmungen, 1928 Mitglied der Heimwehr, 1930 selbständige Rechtsanwaltskanzlei, Rechtsvertreter der Familie Habsburg-Lothringen, ab 1934 Vizepräsident des Österreichischen Creditinstituts für öffentliche Unternehmungen und Arbeiten, November 1934 bis Oktober 1935 und November 1936 bis 12. März 1938 Mitglied des Staatsrats und Mitglied des Bundestags, 17. Oktober 1935 bis 3. November 1936 Bundesminister für Finanzen, ab 1936 Präsident des Finanzbundes, ab 1938 Vizepräsident der Bundeshandelskammer, am 14. März 1938 unter Verdacht des Amtsmissbrauchs verhaftet, 1. April 1938 bis 11. August 1939 im KZ Dachau interniert, September bis 18. November 1939 Fliegerhauptmann beim Heeres-Luftgaukommando XVII, 1939–1945 Tätigkeit als Rechtsanwalt und Syndikus der Dresdner Bank,

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1945 von den US-Besatzungsbehörden zum Sachverständigen für Monopolfragen in Österreich bestellt, 1945 wieder juristischer Vertreter der Familie Habsburg-Lothringen, öffentlicher Verwalter der Starhemberg’schen Güter und Anwalt westdeutscher Konzerne sowie des Fiat-Konzerns, Aufsichtsrat in zahlreichen Unternehmungen. Drummond, Sir James Eric (ab 1937 16. Earl of Perth) 17. August 1876 North Yorkshire – 15. Dezember 1951 Rogate/Sussex britischer Diplomat ab 1900 Tätigkeit im diplomatischen Dienst, 1906–1919 für diverse britische Politiker tätig, u. a. 1912–1915 Privatsekretär des britischen Premierministers, 1919 bis Juni 1933 Generalsekretär des Völkerbundes, Oktober 1933 bis Mai 1939 Botschafter in Rom, 1939–1940 Berater im Informationsministerium, 1947–1951 stellvertretender Vorsitzender der britischen Liberalen. Drünkler, Dr. jur. K arl Heinz 31. Oktober 1909 Ebeleben/Thüringen – 17. März 1943 (vermisst) Beamter Jus-Studium an der Universität Breslau, 1934 Promotion zum Dr. jur., 1931 Mitglied der NSDAP, Lehrgang des Reichslagers für Beamte beim Stab des Stellvertreters des Führers, ab 1937 beim Stab, Juli 1938 bis August 1939 nach Wien beordert, September bis Ende Oktober 1939 im Stab des Stellvertreters des Führers, ab Ende Oktober 1939 provisorische, dann Leitung der Hauptabteilung B (Personalwesen/ Hauptpersonalamt) des Reichsgaus Wien, Stadtrat, November 1942 zur Deutschen Wehrmacht einberufen. Dubsk y, A dolf 30. Juni 1878 Athen – 16. November 1953 Wasserburg am Bodensee/Bayern Diplomat, Großgrundbesitzer und Unternehmer ab 1903 im Ministerium des Äußeren, Tätigkeiten in Konstantinopel, Rom, Dresden, Stuttgart und London, 1914–1917 Kriegsdienst, nach Militärdienst 1917 ins Ministerium einberufen, ab 1918 privater Unternehmer, tschechoslowakischer Staatsbürger, eine politische Beurteilung 1940 attestierte ihm »nach bestem Können in den Dienst der nationalsozialistischen Partei gestellt«. Duda, A la dár 2. März 1887 Mödling/NÖ – 21. Februar 1969 Wien Beamter ab Juni 1921 Leiter des Pressedienstes im Bundesministerium für soziale Verwaltung und Sekretär des Bundesministers für soziale Verwaltung, 1932 Hofrat, 1933–1938 Ministerialrat, Redakteur der »Reichspost« und Berichterstatter im Parlament, Ok-

Biografien

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tober 1938 bis März 1943 im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 1946 rehabilitiert, 1945–1947 Ministerialrat in der Staatskanzlei (Pressedienst). Dumba, Konstantin Theodor 17. Juni 1856 Wien – 6. Jänner 1947 Bodensdorf/Kärnten Diplomat 1879 in den Auswärtigen Dienst, ab 1881 in London, 1886–1890 St. Petersburg, 1890–1893 in Rom, ab 1895 in Paris, 1903–1905 in Belgrad, 1905–1909 im Ministerium des Äußeren, 1909–1912 in Schweden, 1913–1915 Botschafter in Washington, unter dem Verdacht der Spionage und der Sabotage zur persona non grata erklärt (»Dumba-Affäre«), Oktober 1916 Pensionierung, 1917–1918 Mitglied des Herrenhauses, 1917 Präsident der Österreichischen Völkerbundliga. Eckert, Curt keine Information Oberregierungsrat im Reichsschulministerium. Eckh ar dt, Josef 17. April 1883 Krakau/Galizien – 23. Juli 1946 Wien Diplomat Jus-Studium, 1907 Eintritt in den Salzburger Landesdienst, Oktober 1913 probeweise im Ministerium des Äußern zugelassen, Dezember 1919 bis Mai 1921 der Agrarbehörde Kärnten im Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft zugeteilt, 1921 Rückübernahme in den Auswärtigen Dienst, 1924–1928 an der Gesandtschaft in Paris, 1929 bis Juli 1933 in Bukarest, ab November 1932 als Geschäftsträger, ab Mai 1933 ao. Gesandter und bev. Minister, Juli 1933 bis November 1934 ao. Gesandter und bev. Minister in Sofia, 1934 bis August 1936 Leiter des Kabinetts von Außenminister Egon Berger-Waldenegg und der Personalabteilung, August 1936 bis Oktober 1937 erneut in Sofia, November 1937 bis März 1938 in Athen, 29. Oktober 1938 Einberufung in den deutschen Auswärtigen Dienst, 31. Jänner 1939 Überleitung in den Reichsdienst, Februar 1940 in den Wartestand versetzt, 30. April 1945 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst und Tätigkeit als ständiger Vertreter des Amtes für die Auswärtigen Angelegenheiten bei der französischen Delegation der Alliierten Mächte. Eden, Sir Robert A nthony (Earl of Avon 1961) 12. Juni 1897 Rushyford/Durham – 14. Jänner 1977 Salisbury/Wiltshire britischer konservativer Politiker 1923–1957 Mitglied des Unterhauses, 1926–1929 Sekretär Austen Chamberlains, 1931–1933 Unterstaatssekretär im Außenministerium, Jänner 1934 bis Juni 1935

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Lordsiegelbewahrer, Mai 1935 bis 21. Februar 1938 Außenminister, September 1939 Staatssekretär für die Dominien, Mai 1940 Kriegsminister, Dezember 1940 bis 1945 Außenminister, 1951–1955 wieder Außenminister, April 1955 bis Jänner 1957 Premierminister, 1954 Verleihung des Titels »Sir«. Eden, La dy Sybil Fr ances 9. April 1867 Calcutta – 17. Juni 1945 Park Lodge geborene Grey Mutter von Anthony Eden, verheiratet mit William Eden (1886). Edwar d V II. (gebürtig K ronprinz A lbert Edwar d) 9. November 1841 Buckingham Palace/London – 6. Mai 1910 London König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland und Kaiser von Indien ältester Sohn Königin Victorias, 1901–1910 König, der erste britische Herrscher aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha (seit 1917 in Großbritannien Haus Windsor genannt). Ehrh art-Erh artstein, Robert 12. September 1870 Innsbruck – 18. April 1956 Baden bei Wien/NÖ Beamter rechtswissenschaftliche Studien, 1893 Eintritt in die Niederösterreichische Statthalterei, ab 1899 im Unterrichtsministerium, ab 1905 in der Präsidialkanzlei des Ministerratspräsidiums, 1912 Protokollführer im Ministerrat, Jänner 1917 Sektionschef, 11. November 1918 in den Ruhestand versetzt. Eichhoff, Dr. jur. Joh ann A ndreas 27. September 1871 Wien – 22. März 1963 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Innsbruck, 1895 Eintritt in den steiermärkischen Landesdienst, ab 1897 im Handelsministerium, 1900–1902 im Ministerratspräsidium, 1902–1918 im Innenministerium, September 1918 Sektionschef, 1918–1925 dem Außenministerium zugeteilt, Mitglied der österreichischen Delegation bei den Friedensverhandlungen in St. Germain, ab September 1919 Bevollmächtigter beim Obersten Rat in Paris sowie bei der französischen Regierung, 1920–1925 ao. Gesandter und bev. Minister in Paris, 1925–1927 österreichischer Vertreter bei der Schiedsgerichtskommission des Völkerbundes, Jänner 1927 Versetzung in den dauernden Ruhestand, ab 1938 Aufenthalt auf dem Familienbesitz in Rochlitz bei Prerau in Mähren, 1946–1948 Präsident der Französisch-Österreichischen Gesellschaft, Vizepräsident der österreichischen Völkerbundliga.

Biografien

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Eigenberger, Dr. phil. Robert 14. Februar 1890 Sedlitz/Brandenburg – 14. August 1979 Wien Kunsthistoriker und Maler Studium der Kunstgeschichte in Prag, München, Göttingen, Berlin, 1913 Promotion zum Dr. phil., ab 1913 bei der Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien, 1916 Kustos der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, 1922 Direktor, 1926 Professorentitel, 1933 Leiter der Restaurierungskurse an der Akademie, 1934 ao. Professor, 1934 illegal für die NSDAP tätig, 1938 Mitglied der NSDAP, förderndes Mitglied der SS, NS-Dozentenführer an der Akademie, 1940 o. Professor, 1945 seiner Funktionen enthoben, 1946 erneut Lehrauftrag an der Akademie, 1951–1955 mit kurzen Unterbrechungen Rektor der Akademie der bildenden Künste, 1961 Emeritierung, 1961–1965 Leiter des Instituts für sakrale Kunst an der Akademie, als Maler 1928–1939 Mitglied der Wiener Secession, 1939 Mitglied des Wiener Künstlerhauses. Eigruber, August 16. April 1907 Steyr – 28. Mai 1946 Landsberg am Lech (hingerichtet) NS-Funktionär und Politiker Hilfsarbeiter, Feinmechaniker, 1925 Führer der NS-Jugend in Österreich, 1928 Mitglied der NSDAP, ab Mai 1935 NSDAP-Gaugeschäftsführer des Gaues Oberösterreich, ab 1936 Gauleiter, nach dem »Anschluss« 1938 bestätigt, ab April 1940 Reichsstatthalter im Reichsgau Oberdonau, SS-Obergruppenführer (1943), 1945 in Haft, Zeuge bei den Nürnberger-Prozessen, wegen der Verbrechen im KZ Mauthausen von US-Militärgericht im März 1946 zum Tode verurteilt. Eilhirsch keine Information jüdischer Spediteur. Einem, Gerta-Luise von 20. Jänner 1889 Kassel – 3. März 1964 Ludwigsburg geborene Rieß von Scheuernschloss Spionin führte mondäne Salons in Paris und Berlin, als Gattin eines Militärattachés zahlreiche Reisen, 1926 im Mittelpunkt einer mysteriösen Bestechungsaffäre in der Tschechoslowakei, zahlreiche Verbindungen zu Agenten, im Juli 1939 wird Spionagetätigkeit für das Deutsche Reich bekannt, Anfang 1940 in Abwesenheit durch ein französisches Militärgericht wegen Spionage und Bestechung zum Tode verurteilt, 1940 Rückkehr nach Paris, verlor Wohlwollen des deutschen Abwehrchefs, in Brüssel verhaftet, von einem deutschen Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, Flucht,

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nach Kriegsende in Bayern verhaftet, 1948 an Frankreich ausgeliefert, überraschend freigesprochen, besaß in Österreich verschiedene Exportunternehmen. Eisenlohr, Ernst 12. November 1882 Heidelberg – 20. Jänner 1958 Badenweiler deutscher Diplomat Jus-Studium, 1904 im Verwaltungsdienst, 1909/1910 Sprachstudien, 1911 Einberufung in den Auswärtigen Dienst (konsularische Laufbahn), 1912–1914 Tätigkeiten in London und São Paulo de Luanda (Angola), Jänner bis März 1915 britische Internierung in Gibraltar, 1915 Kriegsdienst, November 1916 bis Februar 1920 französische Kriegsgefangenschaft, 1920–1925 Tätigkeiten in Lissabon und Belgrad, 1925–1931 im Auswärtigen Amt, 1931–1935 Gesandter in Athen, 1936 bis September 1938 Gesandter in Prag, Jänner 1939 im Auswärtigen Amt, zur besonderen Verwendung dem Gesandten Ritter zugeteilt, Ministerialdirigent, mit Ende 1942 in den einstweiligen Ruhestand, ab Mai 1943 kommissarische Beschäftigung an der Gesandtschaft Lissabon, 1946–1955 Bürgermeister von Badenweiler. Elena von Montenegro 8. Jänner 1873 Cetinje/Montenegro – 28. November 1952 Montpellier/Frankreich Königin von Italien 1896 Heirat mit Kronprinz Viktor Emanuel (Viktor Emanuel III.) ab 1900 Königin von Italien. Eliáš, A lois 29. September 1890 Prag – 19. Juni 1942 Prag (hingerichtet) tschechoslowakischer General und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, 1938 Divisionsgeneral und Kommandeur eines Armeekorps, November 1938 bis April 1939 Verkehrsminister, April 1939 bis Jänner 1942 Ministerpräsident des Protektorats Böhmen und Mähren, bis September 1939 auch Innenminister, unterhielt geheime Kontakte zur tschechoslowakischen Exilregierung in London, 1941 von der deutschen Besatzungsmacht verhaftet, 1942 nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich hingerichtet. Else siehe Wildner, Elisabeth. Elser, Georg 4. Jänner 1903 Hermaringen/Württemberg – 5. April 1945 KZ Dachau (erschossen) Widerstandskämpfer

Biografien

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gelernter Schreiner, gescheitertes Attentat auf Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller am 8. November 1938, »Ehrenhäftling« im KZ Dachau. Ender, Dr. jur. Ot to 24. Dezember 1875 Altach/Vorarlberg – 25. Juni 1960 Bregenz Rechtsanwalt und Politiker (ChP) Jus-Studium, 1901 Promotion zum Dr. jur., ab 1908 Rechtsanwalt, 1913 Direktor der Landeshypothekenanstalt Vorarlberg, führende Stellung in der Landesleitung der Christlichsozialen Partei Vorarlbergs (1915 Obmann), 1918 bis Dezember 1930 Landeshauptmann von Vorarlberg, 1920–1934 Mitglied des Bundesrats, Dezember 1930 bis Juni 1931 Bundeskanzler, 15. April bis 16. Juni 1931 Bundesminister für soziale Verwaltung, Juli 1931 bis Juli 1934 Landeshauptmann von Vorarlberg, Juli 1933 bis Juli 1934 Bundesminister für Verfassungs- und Verwaltungsreform, 1934–1938 Präsident des Rechnungshofes, 27. März 1938 Verhaftung, bis September 1938 Inhaftierung in Bregenz, Innsbruck und Wien, von den Nationalsozialisten mit »Gauverbot« belegt, nach 1945 kein politisches Amt mehr innegehabt, 1947 Präsident des österreichischen Rheinschifffahrtsverbandes. Epenstein-M auternburg, Elisabeth 26. August 1887 Prag – 4. September 1939 Mauterndorf/Salzburg geborene Schandrovich Edle von Kriegstreu, verwitwete Spitz Patentante von Hermann Göring, ab Dezember 1938 Besitzerin des »arisierten« Hotels Gösing. Erbach-Schönberg, Victor Prinz zu 26. September 1880 Bad König/Hessen – 27. April 1967 München deutscher Diplomat 1901–1909 preußischer Militärdienst, Mitglied des Preußischen Herrenhauses, 1905/1906 Jus-Studium und Nationalökonomie, 1906 an der Gesandtschaft in Brüssel, 1907–1909 und 1914–1921 an der Botschaft in Wien, 1915 Zulassung zum Auswärtigen Dienst, 1921–1923 kommissarischer Gesandtschaftsrat an der Gesandtschaft Kristiania, 1923–1926 Gesandtschaftsrat an der Botschaft in Madrid, 1926–1931 an der Gesandtschaft Stockholm, 1931–1936 Botschaftsrat in Wien, 1936–1941 Gesandter in Athen, September 1941 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er dmannsdorff, Irmgar d keine Information geborene Albert Ehefrau von Otto Erdmannsdorff 1923–1939.

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Er dmannsdorff, Dr. jur. Ot to von 22. Oktober 1888 Dresden – 30. Dezember 1978 Starnberg/Bayern deutscher Diplomat 1907–1912 Jus-Studium, 1912 Promotion zum Dr. jur., 1912 in den sächsischen Justizdienst, 1912/1913 in Tsingtau, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1920–1923 an der Gesandtschaft in Mexiko, ab Oktober 1923 im Auswärtigen Amt, 1925–1928 im Büro des Reichspräsidenten, August 1928 bis Juni 1929 in Peking, 1929–1933 in Tokio, 1934 im Auswärtigen Amt, 1936 Gesandter des Auswärtigen Amtes im Reichsdienst, 1937 Mitglied der NSDAP, April 1937 bis Juli 1941 Gesandter in Budapest, September 1941 in den einstweiligen Ruhestand versetzt, jedoch weiterverwendet, Jänner 1944 als Ministerialdirigent, nach Kriegsende Verhaftung, 1947 Anklage im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Versuch, die Rettung jüdischer Kinder zu verhindern), 1949 Freispruch. Ernst, Dr. phil. Rich ar d 1. Februar 1885 Eger/Böhmen – 7. Juli 1955 Wien Kunsthistoriker Studium der Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Prag, 1911 Promotion zum Dr. phil., 1907–1910 Assistent am Kunsthistorischen Institut in Prag, 1915–1918 Kriegsdienst, 1912–1932 im Museum für Kunst und Industrie in Wien, ab 1931 Leiter, August 1932 bis Dezember 1950 Direktor des Museums für angewandte Kunst. Esser keine Information Pater der Peterskirche. verhaftet November 1939, Legitimist. Esterh ázy, Dr. jur. Paul V. 23. März 1901 Eisenstadt – 25. Mai 1989 Zürich Großgrundbesitzer Jus-Studium, 1920 als Majoratsherr die Besitzungen der Familie Esterházy übernommen, 1946–1947 in Ungarn enteignet, inhaftiert und in einem Schau-Prozess zu 15 Jahren Haft verurteilt, 1956 Flucht in die Schweiz. Et ter, Dr. jur. Philipp 21. Dezember 1891 Menzingen/Kanton Zug – 23. Dezember 1977 Bern Schweizer Journalist und Politiker

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Jus-Studium, 1917 Promotion zum Dr. jur., 1912–1934 Chefredakteur der konservativen »Zuger Nachrichten«, 1918 in den Zuger Kantonsrat (»Christlichdemokratische Volkspartei«) gewählt, 1934–1959 Mitglied des Bundesrats, 1939, 1942, 1947 und 1953 Bundespräsident. Et tingsh ausen, Dr. jur. Georg 16. September 1896 Baden bei Wien/NÖ – August 1958 Wien Rechtsanwalt 1914–1918 Kriegsdienst, Jus-Studium, 1919 Promotion zum Dr. jur., 1929 Rechtsanwaltsprüfung, 1930 Mitglied der SA, 1931 Mitglied der NSDAP, Mitglied des NSJuristenbundes (Rechtswahrerbundes), seit 1932 Gauobmann des Juristenbundes im Gau Wien, Rechtsberater der NSDAP, Obersturmbannführer (1936), Reichsfachredner, 1934 nach München, 1934–1938 Landesgerichtsrat am Landgericht in München, 14. März 1938 kommissarischer Leiter der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Burgenland, April 1938 bis 1939 Präsident der RAK, 1938–1945 Rechtsberater des ungarischen Generalkonsulats in Wien (sein Vorgänger wurde wegen seiner »nichtarischen« Herkunft entlassen), sicherte ungarisch-jüdisches Eigentum für den ungarischen Staat. Fabricius, Dr. jur. Wilhelm 20. Juni 1882 Oppenheim – 9. März 1964 Holz/Bad Wiessee deutscher Diplomat 1902–1905 Jus-Studium, 1908 Promotion zum Dr. jur., 1906–1909 im Verwaltungsdienst, 1910 Einberufung in den Auswärtigen Dienst (konsularische Laufbahn), 1911–1920 Konsulatstätigkeiten in Kairo, Konstantinopel und Zürich, 1921–1936 in Saloniki, Konstantinopel, Istanbul und Ankara, 1936–1941 Gesandter in Rumänien, 1937 Mitglied der NSDAP, August 1941 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, bis 31. Dezember 1944 weiter kommissarische Beschäftigung im Auswärtigen Amt als Gesandter I. Klasse in der Handelspolitischen Abteilung für Südosteuropa. Fabricius keine Information Amtsdirektor, ehemalige Geisel (1939). Falser, Dr. rer. pol. Meinr a d 28. September 1896 Lienz – 12. Juni 1972 Innsbruck Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1930 Promotion zum Dr. rer. pol., Konsularakademie, 1921 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1922–1934 in den Gesandtschaften in Sofia, Konstantinopel und Paris, 1934 Einberufung in das Bundeskanz-

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leramt/Auswärtige Angelegenheiten, 1935–1936 in Paris, ab November 1936 in Rom, 11. März 1938 bis Februar 1939 vom Dienst enthoben, ab Februar 1939 in der Präsidialabteilung der Reichsstatthalterei Wien, im Generalgouvernement Polen, bei der Reichsstatthalterei Tirol/Vorarlberg und im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft (1942–1943), Dezember 1943 wieder in Tirol, Mai 1945 bis Jänner 1946 Leiter des Landesernährungs- und Wirtschaftsamtes Tirol, 28. Jänner 1946 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, Februar 1946 bis Oktober 1947 politischer Vertreter in Budapest, Oktober 1947 ao. Gesandter und bev. Minister, April bis Juni 1948 ao. Gesandter und bev. Minister in Paris, Juni 1948 Direktor des dortigen ERP-Büros, Februar bis März 1950 ao. Gesandter und bev. Minister in Washington, März 1950 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, August 1950 bis Februar 1956 in Prag, April 1956 bis Jänner 1958 ao. und bev. Botschafter in Buenos Aires, Juli 1958 Versetzung in den zeitlichen Ruhestand, 31. Dezember 1961 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Farinacci, Roberto 16. Oktober 1892 Isernia/Molise – 28. April 1945 Vimercate/Lombardei (ermordet) italienischer Rechtsanwalt, Journalist und Politiker ab 1921 Abgeordneter, 1922 Gründer einer Zeitung, 1925–1926 Generalsekretär der »Faschistischen Partei«, danach Tätigkeit als Rechtsanwalt, 1935 Freiwilliger im Abessinien-Krieg, Aufnahme in den Großen Faschistischen Rat, 1938 Minister, setzte sich für die italienischen Rassengesetze (»leggi razziali«) ein, Deutschlandberater Mussolinis, 1941 Generalinspekteur der in Albanien eingesetzten Miliz, im Juli 1943 stimmte er im Großen Faschistischen Rat für Mussolini, nach Mussolinis Verhaftung Flucht nach Deutschland, bei Kriegsende von Partisanen festgenommen und erschossen. Fehringer, Dr. med. A nton 14. Juni 1903 – 21. November 1994 Wien (Bestattungsdatum) Arzt im Rassenpolitischen Amt des Reichsgaues Niederdonau, Chefarzt des Sanatoriums Rekawinkel, September 1940 bis Jänner 1941 »T4«-Gutachter (Selektion von psychisch und/oder körperlich kranken bzw. behinderten Menschen aus verschiedenen Anstalten zum Zweck ihrer Ermordung), Eugeniker, aktiv bei der seit 1942 in Niederdonau bestehenden Zentralstelle »Kinderlose Ehen«, um die Fruchtbarkeit der arischen Rasse zu erhöhen und die der »Minderwertigen« per Sterilisation zu verringern, Schwiegersohn von Hugo Jury. Feistner, Dr. Wilhelm 16. November 1855 Wartenberg am Rollberg/Böhmen – 29. Juni 1946 Gymnasiallehrer, Historiker und Journalist

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1886–1938 Chefredakteur der »Reichenberger Zeitung«, 1934 die meistverbreitete deutschsprachige Zeitung in Böhmen, im November 1938 eingestellt. Fer dinand I., Sachsen-Coburg- Koh áry 26. Februar 1861 Wien – 10. September 1948 Coburg Zar von Bulgarien ab 1887 Fürst und 1908 bis 1918 Zar Ferdinand I. von Bulgarien, proklamierte Ende 1908 die Unabhängigkeit Bulgariens vom Osmanischen Reich, lebte ab 1941 in der Slowakei. Fer dinand II., (H absburg) 9. Juli 1578 Graz – 15. Februar 1637 Wien römisch-deutscher Kaiser (seit 1619) 1617–1637 König von Böhmen und Ungarn, 1619–1637 römisch-deutscher Kaiser. Fey, Emil 23. März 1886 Wien – 16. März 1938 Wien (Suizid) Offizier, Heimwehrführer und Politiker ab 1908 Berufsoffizier, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919/1920 in der Volkswehr in Kärnten, 1924–1936 Herausgeber der »Österreichischen Wehrzeitung«, Direktor des Wiener Militärkasinos, 1923 die »Deutschmeister Heimwehr« gegründet, 1926 Präsident des Wiener Kameradschafts- und Kriegerbundes, 1927 Gründung der Wiener Heimwehren, Oktober 1932 bis Mai 1933 Staatssekretär für das Sicherheitswesen, Mai bis September 1933 Bundesminister, September 1933 bis Mai 1934 Vizekanzler, Mai bis Juli 1934 Sicherheitsminister, Juli 1934 bis Oktober 1935 Bundesminister für die Angelegenheiten der inneren Verwaltung, ab November 1935 Präsident der Ersten Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft, Oktober 1936 Ausschluss aus der Heimwehr. Fey, Herbert 15. November 1918 – 16. März 1938 Wien (Suizid oder von Emil Fey erschossen) Sohn von Emil Fey. Absolvent der Militärakademie Wiener Neustadt, ab September 1936 dem Dragonerregiment Nr. 1 in Stockerau zugeteilt, nach dem einjährigen Militärdienst auf eigenen Antrag Versetzung in den Stand der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt, am 16. März 1938 Suizid, da nicht sofort tot, von Fey erschossen. Fey, M alvine 28. September 1891 – 16. März 1938 Wien (erschossen) geborene Pesina-Méttelé Ehefrau von Emil Fey (1915), am 16. März 1938 von Fey erschossen.

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Fillunger, H ans 1. Dezember 1881 Wien – 2. Mai 1964 München Diplomat 1901–1906 Konsularakademie, 1906 bei Gerichtsbehörden in Wien tätig, 1907– 1914 konsularische Tätigkeiten, bei Kriegsausbruch verhaftet, 1915 Entlassung aus St. Petersburger Gefängnis, 1915–1919 im Generalkonsulat München, August 1919 in den Ruhestand versetzt, verschiedene Tätigkeiten u. a. als Dolmetscher und Redakteur, 1920/1921 interimistisch in einem Finanzamt tätig, 1922 Disziplinarverfahren wegen Zeitungsartikel über seine Notlage, gründete ein Unternehmen in München, ungeklärtes Verhältnis zur NSDAP, 1938 hielt er sich vorübergehend in Wien auf. Finck, August von 18. Juli 1898 Kochel am See/Bayern – 22. April 1980 Möschenfeld/Bayern deutscher Bankier 1924 Teilhaber des Bankhauses Merck Finck & Co, Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten u. a. bei großen Versicherungen, gehörte zu dem Kreis Industrieller, die Hitler unterstützten, 1933 Mitglied der NSDAP, im Generalrat der Wirtschaft, zahlreiche Banken durch »Arisierung« in seinen Besitz gebracht., 1938 u. a. die Privatbank S. M. Rothschild Bank Wien, 1945 wurde seine Bank von einem Treuhänder verwaltet, 1948 als Mitläufer eingestuft, ab 1951 wieder im Aufsichtsrat der Münchner Rückversicherung, aktiv gegen Bodenreformpläne, Vergrößerung seines Grundbesitzes und seiner Bank. Finckh, Eberh ar d 7. November 1899 Kupferzell/Baden-Württemberg – 30. August 1944 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Offizier ab 1917 als Freiwilliger Kriegsdienst, 1920 Übernahme in die Reichswehr, 1927 an die Kriegsakademie in Berlin-Moabit, im Zweiten Weltkrieg Quartiermeister in verschiedenen Einheiten, 1942 bei der 6. Armee, 1943 bei Heeresgruppe Süd, 1944 beim Oberbefehlshaber West in Paris, Beteiligung an der Planung des Juli-Attentats auf Adolf Hitler 1944, Befehl zur Ausschaltung des der SS unterstellten Sicherheitsdienstes in Paris, 26. Juli 1944 verhaftet, durch den »Ehrenhof« aus der Armee ausgestoßen, 29. August 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Fischböck, Dr. jur. H ans 24. Jänner 1895 Geras/NÖ – 3. Juni 1967 Wehrda/Marburg an der Lahn Jurist und Politiker

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Jus-Studium an der Universität Wien, ab 1920 Prokurist der Allgemeinen Verkehrsbank in Wien, ab 1927 Tätigkeit in der Boden-Creditanstalt, ab 1929 Leiter der Wohnbauförderung in der Hypothekenabteilung der Österreichischen Creditanstalt, April 1936 Betrauung mit der Sanierung der »Phönix« Lebensversicherungsgesellschaft, 1937 und wieder ab 1941 Mitglied der NSDAP, Konsulent des Bundesministeriums für Handel und Verkehr mit der Behandlung der Wirtschaftsbeziehungen zum Deutschen Reich beauftragt, 12. bis 24. März 1938 Handelsminister, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, Mai 1938 bis April 1939 Minister für Finanzen im Lande Österreich, Mai 1939 bis April 1942 Ratsherr der Stadt Wien, ab Mai 1940 Generalkommissar für Finanzen und Wirtschaft in den Niederlanden, am 1. Juli 1940 als Oberführer in die SS aufgenommen, SS-Brigadeführer (1941), ab 1942 Reichskommissar für Preisbildung, ab 1943 Staatssekretär, Präsident der Industrie- und Handelskammer in Wien, Leiter der Wirtschaftskammer in Wien, ab 1944 stellvertretender Leiter des Planungsamtes beim Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben, 1945 auf die Liste österreichischer Kriegsverbrecher gesetzt, 1951 Flucht nach Argentinien, 1959 Einstellung des Strafverfahrens, danach Tätigkeit als Wirtschafts- und Finanzberater eines Stahlkonzerns in Essen, 1966 Wiederaufnahme des Verfahrens und wieder eingestellt. Fischer-Ledenice, Dipl.-K fm. Gerh ar d 5. März 1919 Wien – 5. Juli 1944 Wien (hingerichtet) Widerstandskämpfer Mitglied des Exekutivkomitees der illegalen konservativen Widerstandsgruppe »Österreichische Freiheitsbewegung« des Augustiner-Chorherrn Roman Karl Scholz, stellte antifaschistische Flugschriften her, am 22.   Oktober 1940 verhaftet, am 2.   Dezember 1943 zum Tode verurteilt, am 5. Juli 1944 im Landesgericht I in Wien hingerichtet. Fischer auer, Dr. jur. Friedrich 8. Dezember 1882 Leoben/Steiermark – 25. November 1949 Stainach/Steiermark Diplomat Jus-Studium, 1910 Promotion zum Dr. jur., 1908–1910 Verwaltungsdienst in Triest und Pola, Juli 1910 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1910–1919 konsularische Tätigkeiten in Mailand, Marseille, New York und Breslau, 1919 Einberufung in das Auswärtige Amt, 1922–1928 Leiter des Generalkonsulats New York, Oktober 1938 zur kommissarischen Beschäftigung der Politischen Abteilung (Referat IX/Amerika) zugeteilt, Jänner 1939 Überleitung in den Reichsdienst, Dezember 1939 Versetzung in den Wartestand, 1947 rehabilitiert und in den Ruhestand versetzt.

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Fischmeister, Dr. jur. Viktor 12. August 1878 Wien – 27. Oktober 1945 Wien Kammerfunktionär Jus-Studium an Universität Wien, 1902 Eintritt in den Staatsdienst bei der Niederösterreichischen Statthalterei, ab 1907 bei der Wiener Handelskammer, Leiter der Geschäftsgruppe Handelspolitik, Zollgesetzgebung und Zollverfahren, 1932 Hofrat, 1. Jänner 1933 Kammeramtsdirektor der Wiener Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie, Geschäftsführer des Kammertags, Mitglied des Beirats für Handelsstatistik, 1938 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Fitzthum, Josef 14. September 1896 Loimersdorf/NÖ – 10. Jänner 1945 Wiener Neudorf/NÖ (Autounfall) NS-Funktionär und Politiker 1915 Technische Militärakademie Mödling, 1916–1918 Kriegsdienst, Jänner 1919 Entlassung aus dem Militärdienst, ab 1923 Tätigkeit an der Wiener Kunstgewerbeschule, zuletzt Direktionssekretär, 1930 Mitglied der NSDAP, 1932 Mitglied der SS, September 1932 Führer der 11. SS-Standarte in Wien, 1933 Suspendierung vom Dienst und Inhaftierung, 1934 Flucht nach Deutschland, April 1934 erneute Inhaftierung in Wien und Haft im Anhaltelager Wöllersdorf, Februar 1936 Flucht aus dem Gefängnis, 1936–1938 hauptamtlicher SS-Führer in Deutschland, 12. März 1938 SS-Oberführer und Polizeivizepräsident von Wien, Mai 1939 bis August 1944 Ratsherr der Stadt Wien, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, März 1940 wegen Korruption im Zuge von Arisierungsgeschäften von Polizeiposten entbunden, 1. April 1940 Versetzung nach Danzig zum Dienst in der Waffen-SS, 1941 Tätigkeit im Hauptamt Ordnungspolizei im Reichsministerium des Inneren, im selben Jahr als Sturmbannführer an die Ostfront, April 1942 bis Mai 1943 Kommandeur für die Aufstellung von Freiwilligen-Verbänden der Waffen-SS in den Niederlanden und Flandern, November 1943 Beauftragter des Reichsführers SS Heinrich Himmler beim Bevollmächtigten des Deutschen Reiches in Albanien, April bis Juni 1944 Kommandeur der 21. Waffen-Gebirgs-Division der SS »Skanderbeg« (albanische Nr.  1), 1. August 1944 SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS, 3. bis 10. Jänner 1945 Divisionskommandeur der 18. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division »Horst Wessel«. Flandin, Pierre Étienne 12. April 1889 Paris – 13. Juni 1958 Saint-Jean-Cap-Ferrat/Nizza französischer Politiker 1918–1921 Generalresident in Tunis, 1920–1934 zahlreiche Regierungsämter im Range eines Unterstaatssekretärs, 1934–1935 Ministerpräsident, 1935–1936 Mi-

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nister ohne Geschäftsbereich, Dezember 1940 bis Februar 1941 Vizepräsident und Außenminister der Vichy-Regierung, 1946 wegen Kollaboration verurteilt, 1948 rehabilitiert. Fleisch, Dr. jur. A rbogast Josef 29. April 1884 Klaus/Feldkirch/Vorarlberg – 15. März 1970 Wien Beamter Jus-Studium, 1911 Promotion zum Dr. jur., 1911 Eintritt in den Staatsdienst, 1918 Einberufung in das Ackerbauministerium, 1921–1926 stellvertretender Präsidialvorstand des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, 1925–1926 Ersparungskommissär, 1926 Ministerialrat, 1926–1934 Präsidialvorstand, 1. Jänner 1934 Bundeskommissär für Personalangelegenheiten im Bundeskanzleramt, 1934 Sektionschef, 30. Juni 1938 Versetzung in den dauernden Ruhestand und Entlassung, 1. Mai 1945 Rehabilitierung und Versetzung in den dauernden Ruhestand, zu einer Mitgliedschaft in der NSDAP gibt es keine Quellen. Flor, Dr. Fritz 22. Juni 1905 Wien – 13. April 1939 bei Petronell/NÖ (Autounfall) Ethnologe und Journalist Studium der Ethnologie, Universitätsassistent, aktiv in der »Neuland-Bewegung«, schloss sich 1931 der Heimwehrbewegung an, für radikal faschistischen Kurs, 1933 außenpolitischer Redakteur der Tageszeitung der Heimwehr, im Herbst 1933 verhaftet, nach 100 Tagen ohne Anklage und Verfahren freigelassen, wurde Mitarbeiter von Arthur Seyß-Inquart, gab 1937 dessen Sprachrohr die »Alpenländische Korrespondenz« heraus, ab März 1938 im Stab des Reichsstatthalters, auf der Rückkehr von Besprechungen in Pressburg kam er gemeinsam mit Franz Hammerschmied bei einem Autounfall ums Leben. Flotow, Dr. jur. Ludwig 17. November 1867 Wien – 6. April 1948 Gmunden/OÖ Diplomat Jus-Studium, 1894 Promotion zum Dr. jur., 1894 in den steiermärkischen Landesdienst, 30. November 1894 Einberufung in das Außenministerium, 1895–1913 in Rom, Berlin, Bukarest, Belgrad und Brüssel, 1913–1918 im Außenministerium, 1913 ao. Gesandter und bev. Minister, 1917 Sektionschef, bis 1918 Leiter des Referats I der politischen Sektion, Leitung aller politischen und Presseangelegenheiten des Ministeriums, 2. bis 11. November 1918 Leiter des Außenministeriums, 12. November 1918 bis 8. November 1920 Leiter des liquidierenden Ministeriums des Äußern, 8. April 1922 Übernahme in den österreichischen Bundesdienst, 30. April 1922 Versetzung in den dauernden Ruhestand (auf eigenen Wunsch).

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Fontane, Theodor 30. Dezember 1819 Neuruppin/Brandenburg – 20. September 1898 Berlin deutscher Schriftsteller, Journalist und Kritiker. Forster, A lbert 26. Juli 1902 Fürth/Bayern – 28. Februar 1952 Warschau (hingerichtet) deutscher Politiker kaufmännischer Lehrling, im Bankfach tätig, 1923 Mitglied der NSDAP, SA-Führer, 1930 Gauleiter von Danzig, 1930–1945 Mitglied des Reichstags, ab 1933 Führer des Gesamtverbandes der deutschen Angestellten in der Deutschen Arbeitsfront, 1933 Preußischer Staatsrat, SS-Obergruppenführer (1941), 1939–1945 Reichsstatthalter und Gauleiter von Danzig-Westpreußen, im Mai 1945 in Hamburg verhaftet, 1947 an Polen ausgeliefert, 1948 Todesurteil wegen Kriegsverbrechen (Massenmorde an der jüdischen und polnischen Bevölkerung). Fouché, Joseph 21. Mai 1759 Le Pellerin/Nantes – 26. Dezember 1820 Triest französischer Politiker Jakobiner, Mitglied des Konvents und der Bergpartei, 1793 Leiter der Massenhinrichtungen in Lyon, am Sturz Robespierres beteiligt sowie am Staatsstreich General Bonapartes 1799, 1799–1802 und 1804–1810 Polizeiminister, seit 1809 Herzog von Otranto, 1810 in Ungnaden entlassen, 1814 schloss er sich den Bourbonen an, 1815 wieder Polizeiminister, dann Gesandter in Dresden, 1816 verbannt, nach Triest ins Exil. Fr anckenstein, Dr. jur. Georg (Sir George Fr anckenstein) 18. März 1878 Dresden – 15. Oktober 1953 Kelsterbach/Frankfurt am Main (Flugzeugabsturz) Diplomat Jus-Studium an den Universitäten Wien und Oxford, 1902 Eintritt in den Auswär­ tigen Dienst, Tätigkeiten u. a. in Washington, St. Petersburg, Rom, Tokio, London und Brüssel, Oktober 1918 bis August 1920 im Außenministerium, 1919 Regierungsvertreter bei den Friedensverhandlungen in St. Germain, August 1920 bis 30. Juni 1938 ao. Gesandter und bev. Minister in London, 13. Juli 1938 Annahme der britischen Staatsbürgerschaft und Erhebung in den britischen Adelsstand. Fr anco y Bah amonde, Fr ancisco 4. Dezember 1892 El Ferrol/Spanien – 20. November 1975 Madrid spanischer Staatschef und »Generalissimus«

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ab 1907 Dienst in einem Infanterieregiment, 1912–1915 in Polizeitruppe in Marokko, ab 1921 Kommandeur eines Bataillons der Fremdenlegion, 1928–1931 Leiter der Kriegsakademie in Saragossa, 1934 ins Kriegsministerium berufen, schlug einen Aufstand in Asturien nieder, 1936 auf die kanarischen Inseln versetzt, an den Vorbereitungen zum Aufstand gegen die republikanische Regierung beteiligt, im September 1936 von einer Nationaljunta zum Staatschef (Caudillo) und Generalissimus ernannt, nach Beendigung des spanischen Bürgerkrieges mit italienischer und deutscher Hilfe 1939–1975 Diktator. Fr ank, A nna 5. Jänner 1899 Karlsbad –   ? geborene Müller Ehefrau von Karl Hermann Frank (1925 bis 17. Februar 1940). Fr ank, Gerh ar d 22. April 1931 – 2000 Ennetbürgen/Nidwalden/Schweiz Sohn von Karl Hermann Frank. Fr ank, Dr. jur. H ans Mich ael 23. Mai 1900 Karlsruhe – 16. Oktober 1946 Nürnberg (hingerichtet) deutscher Politiker bereits 1919 Mitglied der DAP (Vorläufer der NSDAP), Beteiligung am Münchner Hitler-Putsch 1923, ab 1926 Rechtsanwalt, Leiter der rechtspolitischen Abteilung in der Reichsleitung der NSDAP, 1928 Gründung des NS-Rechtswahrerbundes, 1930– 1945 Mitglied des Reichstags, 1933/1934 bayerischer Justizminister, 1934 Reichsminister ohne Geschäftsbereich und Präsident der Akademie für Deutsches Recht, 1939 Generalgouverneur im besetzten Polen (»Schlächter von Polen«), 1942 Bruch mit Hitler, 1946 im Nürnberger Prozess (Kriegsverbrecherprozess) zum Tode verurteilt, schrieb während der Haft Memoiren und trat zum Katholizismus über. Fr ank, H ar ald 20. Jänner 1926  –   ? Sohn von Karl Hermann Frank. Fr ank, Josip 16. April 1844 Osijek – 17. Dezember 1911 Zagreb kroatischer Rechtsanwalt und Politiker Vater von Olga Kvaternik, vom Judentum zum Katholizismus konvertiert, nationalistischer bzw. rechtsextremer Politiker, der antihabsburgisch und antijugoslawisch ausgerichtet, für ein »Großkroatien« eintrat.

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Fr ank, K arl Hermann 24. Jänner 1898 Karlsbad – 22. Mai 1946 Prag (hingerichtet) sudetendeutscher Politiker Jus-Studium (vier Semester), Beamter bei den Witkowitzer Eisenwerken, danach bei der Dux-Bodenbacher Eisenbahn, ab 1925 selbständiger Buchhalter, ab 1932 in Karlsbad, 1919 bereits Mitglied der Deutschen Arbeiterpartei (DAP), 1933 Eintritt in die Sudetendeutsche Heimatfront, 1935 Propagandaleiter der Sudetendeutschen Partei, 1935–1938 Abgeordneter der Sudentendeutschen Partei der tschechoslowa­ ki­schen Nationalversammlung, 1937 Führer der sudetendeutschen Nationalsozialis­ ten, Oktober 1938 bis März 1939 Stellvertreter des Reichskommissars für die sudeten­deutschen Gebiete, November 1938 Mitglied der NSDAP, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 1939–1943 Staatssekretär beim »Reichsprotektor in Böhmen und Mähren«, nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich 1942 als Höherer SS- und Polizeiführer verantwortlich für die Massenmorde an Tschechen, 1943–1945 Staatsminister für Böhmen und Mähren im Range eines Reichsministers, SS-Obergruppenführer (1943) und General der Polizei, Juli 1944 General der Waffen-SS und der Polizei, Mai 1945 von Amerikanern gefangen genommen, nach London überstellt, Anfang 1946 an die tschechoslowakische Regierung ausgeliefert, von einem Volksgericht im April 1946 in Prag zum Tode verurteilt. Fr ank, K arola 13. August 1913 Brüx/Böhmen – 1982 geborene Blaschek zweite Ehefrau von Karl Hermann Frank (ab 14. April 1940) Ärztin, nach 1945 elf Jahre in sowjetischer Gefangenschaft. Fr anz Fer dinand (H absburg, Österreich-Este ab 1875) 18. Dezember 1863 Graz – 28. Juni 1914 Sarajevo (ermordet) Erzherzog von Österreich, Thronfolger ab 1878 militärische Ausbildung, seit 1896 Thronfolger von Österreich-Ungarn, 1913 Generalinspektor der österreichischen Armee. Fr anz Joseph I. (H absburg) 18. August 1830 Wien – 21. November 1916 Wien Kaiser von Österreich-Ungarn 1848–1867 Kaiser von Österreich, ab 21. Dezember 1867 Kaiser und König von Österreich-Ungarn. Fr ashëri, Mehdi Bej 28. Februar 1874 Frashër – 25. Mai 1963 Rom

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albanischer Diplomat und Politiker 1923–1939 (mit Unterbrechungen) Vertreter Albaniens beim Völkerbund in Genf, 1935–1936 Ministerpräsident einer als liberal geltenden Regierung, keine Unterstützung durch den albanischen König, 1939 gegen die italienische Okkupation, unter der deutschen Besatzung Oktober 1943 bis November 1943 erneut Ministerpräsident, danach bis Oktober 1944 Vorsitzender des Regentschaftsrats, 1944 Flucht nach Italien. Fr auendienst, Dr. phil. Werner 5. Februar 1901 Berlin – 24. August 1966 Mainz/Rheinland-Pfalz deutscher Historiker und Archivar 1926 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Berlin, 1926 in den Dienst des Auswärtigen Amtes, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, 1932 Privatdozent an der Universität Greifswald, 1933 Mitglied der NSDAP, 1935 an der Universität Berlin, September 1936 Legationssekretär, in der Personal- und Verwaltungsabteilung des Auswärtigen Amtes, März 1937 bis November 1938 Leiter des Politischen Archivs und Historischen Referats, ab November 1938 o. Professor für mittlere und neuere Geschichte in Halle-Wittenberg, 1942–1945 in Berlin, ab Jänner 1943 kommissarische Nebenbeschäftigung in der Archivkommission, 1945–1952 in sowjetischer Haft in Buchenwald, 1954–1960 Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz. Fr auenfeld, A lfred Eduar d 18. Mai 1898 Wien – 10. Mai 1977 Hamburg Journalist und Politiker 1916–1918 Kriegsdienst, Studien an der Technischen Hochschule Wien, Bankbeam­ ter in der Boden-Creditanstalt, journalistisch tätig u. a. für die »Reichspost«, 1929 Verlust des Arbeitsplatzes, Mitglied der NSDAP, 1930 Gauleiter der NSDAP in Wien, 1932 Mitglied des Wiener Gemeinderats und nichtamtsführender Stadtrat, Dezember 1933 in Haft, Jänner 1934 Haft im Anhaltelager Wöllersdorf, Mai 1934 Flucht über Ungarn und die Tschechoslowakei nach Deutschland, involviert in die Vorbereitungen des Juli-Putsches 1934, nach Scheitern des Putsches Präsidialrat und Geschäftsführer der Reichstheaterkammer in Berlin, 1940 ins besetzte Norwegen beordert, um eine Propagandaabteilung des Auswärtigen Amtes aufzubauen (im Rang eines Generalkonsuls), 1941 in Griechenland, September 1941 Generalkommissar für Taurien (Krim), bei Kriegsende in US-Gefangenschaft, im Lager Aldrin­gen, später in Dachau interniert, als Zeuge im Nürnberger Prozess, in Wien in Abwesenheit zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, in Deutschland rasch entnazifiziert, lebte in Dinklagen in Niedersachsen.

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Fredborg, A rvid 8. Oktober 1915 Hudiksvall – 4. Jänner 1996 Stockholm schwedischer Journalist und außenpolitischer Berater Februar 1941 bis Mai 1943 Korrespondent des »Svenska Dagbladet« in Berlin, nach dem Krieg bis 1959 in Köln-Marienburg, danach in Wien außenpolitischer Berater, aktiv im Europäischen Dokumentations- und Informationszentrum, gründete 1961 das Institut d’Études Politiques, Treffpunkt außenpolitischer Berater aus dem konservativen Milieu. Frederik I X. (Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg) 11. März 1899 Schloss Sorgenfri – 14. Jänner 1972 Kopenhagen König von Dänemark erster Sohn des dänischen Königs Christian X., 1947–1972 König. Freisler, Dr. jur. Roland 30. Oktober 1893 Celle – 3. Februar 1945 Berlin (bei Luftangriff) deutscher Beamter, Jurist und Richter 1914 Kriegsdienst, 1915 in russischer Kriegsgefangenschaft, 1920 Rückkehr nach Deutschland, Jus-Studium, ab 1924 eigene Anwaltskanzlei, 1925 Mitglied der NSDAP, 1932–1933 Mitglied des Preußischen Landtags, 1933–1945 Mitglied des Reichstags, 1933 Ministerialdirektor im preußischen Justizministerium, Staatssekretär und Preußischer Staatsrat, 1935 Staatssekretär im Reichsjustizministerium, August 1942 Präsident des Volksgerichtshofes (»Blutrichter«). Frère, M aurice 8. August 1890 Charleroi – 11. August 1970 Side/Türkei belgischer Währungspolitiker und Wirtschaftsfachmann 1918–1938 Experte bei internationalen Konferenzen über deutsche Reparationen und Wirtschaftsthemen, Februar 1933 bis November 1936 Berater des Völkerbundes bei der Oesterreichischen Nationalbank, 1938 Präsident der Bankenkommission, 1939–1942 Administrator der Banque d’Émission à Bruxelles, bei Kriegsende Gouverneur der Notenbank, 1946–1958 Vorsitzender des Verwaltungsrats und Präsident der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Freud, Sigmund 6. Mai 1856 Freiberg/Mähren – 23. September 1939 London Arzt, Begründer der Psychoanalyse. Freudenth al, K arl 4. Februar 1886 Salzburg – 9. Dezember 1952 Purkersdorf/NÖ

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Beamter 1909 Eintritt in die Statthalterei Wien, 1910 Einberufung in das Ministerium des Äußern, 1912 bis März 1914 Washington, ab März 1914 in Rom, Juni 1915 bis Jänner 1916 Kriegsdienst, April 1916 bis April 1917 in Athen, ab April 1917 in Sofia, 1920 Übernahme in den Bundesdienst, 1921–1928 an der Gesandtschaft in Rom, Mai 1928 bis September 1932 in Warschau, Oktober 1932 stellvertretender Leiter des Kabinetts des Bundesministers für Auswärtige Angelegenheiten, 1936–1938 Tätigkeit in Stockholm, nach März 1938 Beurlaubung gegen Wartegeld, 1940 wurde sein Wiener Personalakt von Berlin angefordert, März 1941 Versetzung in den Wartestand, Juni 1945 zum Dienstantritt gemeldet, Rehabilitierung, keine Übernahme in den Auswärtigen Dienst, 1946 Wartegeld erhalten, Oktober 1947 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Frick, Dr. jur. Wilhelm 12. März 1877 Alsenz/Pfalz – 16. Oktober 1946 Nürnberg (hingerichtet) deutscher Beamter und Politiker Jus-Studium, 1901 Promotion zum Dr. jur., in den bayerischen Staatsdienst, ab 1904 bei der Kreisregierung Oberbayern, 1917–1925 Amtsanwalt der Polizeidirektion München, 1923 Teilnahme am Münchner Hitler-Putsch, 1924 Haft, 1924–1945 Mitglied des Reichstags, 1930 thüringischer Innen- und Volksbildungsminister, Jänner 1933 bis August 1943 Reichsminister und preußischer Minister des Innern, 1943– 1945 Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) am 1. Oktober 1946 zum Tod verurteilt. Friderici, Erich 21. Dezember 1885 Timmendorf/Pleß/Schlesien – 19. September 1964 GarmischPartenkirchen deutscher Offizier ab 1905 militärischer Dienst, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, bis 1923 im Reichswehrministerium in Berlin, Kommandeur verschiedener Kompanien und in Stabsabteilungen, Oktober 1935 bis September 1937 Militärattaché für Ungarn und Bulgarien in Budapest, Oktober 1937 Kommandeur der 17. Infanterie-Division, die er beim »Anschluss« im März 1938 führte, 1. April 1939 Wehrmachtbevollmächtigter beim Reichsprotektor Böhmen und Mähren und gleichzeitig Kommandierender General des Wehrkreises Böhmen und Mähren mit Sitz in Prag, April 1939 Beförderung zum General der Infanterie, im Herbst 1941 abberufen, in verschiedenen Wehrkreisen verwendet (u. a. in Danzig, Westpreußen und Wien), Mai 1945 bis 1947 in Kriegsgefangenschaft, wurde niemals angeklagt, 1948 kurzzeitig Mitarbeiter der deutschen Abteilung der kriegsgeschichtlichen Forschungsgruppe der US-Armee.

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Frieberger, Dr. jur. Kurt 4. April 1883 Wien – 19. November 1970 Wien Beamter und Schriftsteller Jus-Studium, 1910 Promotion zum Dr. jur., 1909 Eintritt in den Dienst bei der Niederösterreichischen Statthalterei, April 1917 dem Amt für Volksernährung zugewiesen, November 1918 bis 1929 Tätigkeit in der Staatskanzlei (Abteilung für Verwaltungsreform) und im Bundeskanzleramt, 1929–1938 Presseattaché bei der Gesandtschaft in Rom, 1931 Ministerialrat, 1938 Entlassung aus dem Staatsdienst, 1940 Versetzung in den dauernden Ruhestand, Übersetzungstätigkeiten, ab 2. Oktober 1945 im Staatsamt für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, November 1945 Sektionschef, Dezember 1946 bis 1953 Senatspräsident des Verwaltungsgerichtshofes. Fried, Dr. theol. Jakob 25. Juli 1885 Eibesthal/NÖ – 18. Mai 1967 Wien Priester Studium der Theologie, 1909 Promotion zum Dr. theol. und Priesterweihe, 1914 Direktor der Zentralstelle des Katholischen Volksbundes in Wien (1915 Generaldirektor) und in der Seelsorge in verschiedenen Pfarren tätig, 1918 Gründer des Reichsbundes der katholisch-deutschen Jugend Österreichs, 1925 Domkurat von St. Stephan, 1934 Päpstlicher Hausprälat und Mitglied des Wiener Domkapitels, aktiv in katholischen Vereinen und im Pressewesen, u. a. Leiter vom »Wiener Kirchenblatt«, Obmann des Vereins »Herold«, ab 1932 Direktor der »Katholischen Aktion«, 1938 Stadtdechant für den 1. und 2. Wiener Gemeindebezirk, 21. November 1939 verhaftet, nach Haft im Gestapo-Gefängnis ab Februar 1940 im Landesgericht Wien, Jänner 1941 in ein Gefängnis in Regensburg, Oktober 1943 wieder nach Wien verlegt, November 1943 Prozess vor dem Volksgerichtshof, Mai 1944 vor Verlegung ins KZ Dachau wegen »Haftunfähigkeit« entlassen, Aufenthalt in Großpriesen (bei Aussig), September 1944 Rückkehr nach Wien, ab April 1945 Mitherausgeber der Zeitung »Neues Österreich«, aktiv beim Wiederaufbau der »Katholischen Aktion«, Herausgeber der Wiener Kirchenzeitung, Leiter des Wiener Dom-Verlags, zahlreiche kirchliche Funktionen, 1959 von allen Ämtern zurückgetreten. Friedmann keine Information Sektionschef, Prag. Friedrich III. (H absburg) 21. September 1415 Innsbruck – 19. August 1493 Linz Kaiser

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als Friedrich V. ab 1424 Herzog der Steiermark, von Kärnten und Krain, ab 1439 Herzog von Österreich, als Friedrich III. ab 1440 römisch-deutscher König, ab 1452 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Friedrich II. (Preußen) 24. Januar 1712 Berlin – 17. August 1786 Potsdam König von Preußen auch Friedrich der Große, volkstümlich der »Alte Fritz«. Friedrich Wilhelm II. (Preußen) 25. September 1744 Berlin – 16. November 1797 Potsdam König von Preußen. Frigessi di R at talma nobile (Frigyessi Edler von) , Dr. A rnoldo (A rnold) (bis 1929 Frigyessy di R àcz-A lmàs nobile) 7. Jänner 1881 Triest – 8. April 1950 Triest Versicherungsunternehmer ab 1902 im Triestiner Versicherungskonzern Riunione Adriatica di Sicurità (RAS) tätig, ab 1917 Generaldirektor, trotz italienischer Rassengesetze behielt er während des Krieges beherrschenden Einfluss auf die RAS, Mai 1945 bis Juli 1945 inhaftiert, ab Oktober 1946 wieder in der RAS tätig, bis zu seinem Tod als Präsident. Fritsch, Werner Freiherr von 4. August 1880 Benrath – 22. September 1939 Praga/Warschau deutscher Offizier ab 1898 im preußischen Heer, 1914–1918 Kriegsdienst, zuletzt Generalstabsoffizier, 1919 Übernahme in die Reichswehr, 1920–1922 im Reichswehrministerium, danach Kommandeur verschiedener Regimenter, 1917–1930 Abteilungsleiter im Reichswehrministerium, 1930–1934 Divisions-Kommandeur, 1934 Chef der Heeresleitung, 1935–1938 Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst (1936), 1938 im Zuge der Blomberg-Fritsch-Krise (Vorwurf der Homosexualität) verabschiedet, von einem Kriegsgericht freigesprochen, rehabilitiert, Chef eines Infanterieregiments, fiel im Polenfeldzug. Fritzsche, H ans 21. April 1900 Bochum – 27. September 1953 Köln Journalist und Propagandist Studium der Volkswirtschaft, ab 1923 Redakteur, 1924–1932 bei der TelegraphenUnion (Auslandsdienst), 1932 im Rundfunknachrichtendienst, Mitglied der NSDAP, ab Mai 1933 Leiter des Nachrichtenwesens in der Presseabteilung des Reichspro-

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pagandaministeriums, 1937 Rundfunkkommentator, 1938 Leiter der Abteilung Deutsche Presse, Ministerialdirektor, November 1942 bis 1945 Leiter der Abteilung Rundfunk und Generalbevollmächtigter für die politische Organisation des Großdeutschen Rundfunks im Propagandaministerium, 1945 verhaftet, Haft in Moskau, 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) angeklagt und freigesprochen, 1947 von Entnazifizierungsgericht zu neun Jahren Arbeitslager verurteilt, 1950 entlassen. Frković, Dr. med. M ate 31. Dezember 1901 Lički Novi – 7. September 1987 Buenos Aires kroatischer Arzt und Politiker 1929 Abschluss an der Medizinischen Fakultät in Zagreb, aktiv in der nationalistischen Bewegung Ustascha, bis 1934 als Arzt in Varaždin tätig, 1935 Mitbegründer einer Zeitschrift, April 1941 Ustascha-Kommissar in Varaždin, August 1942 Leiter der medizinischen Abteilung des Ustascha Armee-Kommandos, Juli 1943 Stellvertreter von Ante Pavelić, 30. August 1944 bis Mai 1945 Innenminister, am 6. Mai 1945 Flucht, mehrmals inhaftiert, bis in die 1960er-Jahre weiter politisch aktiv u. a. Gründung eines kroatischen Nationalkomitees in München und einer Zeitung, Emigration nach Argentinien, publizistisch tätig. Fröhlichsth al, Dr. jur. Viktor 4. Juli 1899 Triest – 28. Juni 1971 Bregenz Beamter Jus-Studium, 1921 in den Staatsdienst, Mitarbeiter Schuschniggs als dieser Unterrichtsminister war, 1934–1938 Privatsekretär und Kabinettschef von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, Jänner 1934 Ministerialrat, am 13. März 1938 beurlaubt, am 5. Oktober 1939 ohne Ruhegenuss entlassen, nach Mitteilung über eine bevorstehende Verhaftung Flucht nach Oberitalien, Juni 1939 Verweigerung der Verlängerung des Reisepasses, Flucht in den Vatikan, Jänner 1941 Aberkennung der Staatsbürgerschaft, im juridisch-administrativen Referat des »Ufficio Austriaco« in Rom tätig, 1945 Leiter der Verbindungsstelle des Amtes der Vorarlberger Landesregierung zur französischen Besatzungsmacht, Oktober 1946 stimmt die Bundesregierung der Ernennung zum Ministerialrat mit altem Rang anlässlich der Rehabilitierung zu. Frölicher, Dr. jur. H ans 3. Dezember 1887 Solothurn – 30. Jänner 1961 Bern Schweizer Diplomat Jus-Studium, Rechtsanwalt, 1918 Eintritt ins Eidgenössische Politische Departement, 1920–1930 in der Abteilung für Auswärtiges in Bern, 1930 Gesandtschaftsrat in Berlin, 1934 wieder in Bern als Leiter des Konsulardienstes und Stellvertreter des

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Leiters der Abteilung für Auswärtiges, Februar 1938 bis 8. Mai 1945 Gesandter in Berlin, enge Kontakte zu führenden Nazi-Größen, ab 1945 in einer administrativen Dienststelle verwendet, bis 1951 Leitung der Interessensvertretung im Eidgenössischen Politischen Departement (treuhändische Wahrung deutscher Interessen in der Schweiz), April 1953 Pensionierung. Fromm, Friedrich 8. Oktober 1888 Charlottenburg – 12. März 1945 Brandenburg an der Havel (hingerichtet) deutscher Offizier 1906 Eintritt in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, 1934 Chef des Allgemeinen Heeresamtes im Reichswehrministerium, 1939 General der Artillerie, September 1939 bis Juli 1944 Oberbefehlshaber des Ersatzheeres, 1940 Generaloberst, 1944 in die Attentatspläne auf Adolf Hitler eingeweiht, ließ die Attentäter hinrichten bzw. befahl ihnen Suizid, vom Volksgerichtshof wegen »Feigheit vor dem Feind« zum Tode verurteilt, da ihm eine direkte Beteiligung am Attentat nicht nachgewiesen werden konnte. Fuchs, Dr. M artin 26. September 1903 Wien – 1. Oktober 1969 Wien Journalist und Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1926 Promotion zum Dr. jur., 1927–1936 bei der Amtlichen Nachrichtenstelle in Paris, 1936–1937 im Bundespressedienst, 1937– 1938 Presseattaché in Paris, 1938 Verzicht auf die deutsche Staatsbürgerschaft, bis 1940 Mitorganisator der Exilzeitschrift »Österreichische Post« und des »Österreichischen Freiheitssenders«, anschließend Emigration in die USA, Mitarbeiter des »Office of War Information« des CIC und 1944–1947 Mitarbeiter und Programmgestalter der Österreich-Abteilung des Senders »Voice of America«, 1948–1952 Legationsrat beim Generalkonsulat in New York, 1953–1958 Botschafter in Belgien, 1958–1962 Generalsekretär für Auswärtige Angelegenheiten, 1962–1969 Botschafter in Frankreich. Fugger, Leopold Gr af von Babenh ausen 18. Juli 1893 Ödenburg – 8. Juli 1966 Hamburg deutscher Offizier 1913–1919 im Militärdienst, Ehemann (1924–1936) von Vera Czernin (1904–1959). Führer, Dr. jur. Erich 5. April 1900 Wien – 16. Juli 1987 Wien Rechtsanwalt und Politiker

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1932 Mitglied der NSDAP, 1934 Verteidigung von Nationalsozialisten (u. a. der Juliputschisten von 1934 Planetta und Holzweber) vor den Stand- und Schwurgerichten, 1934 Mitglied der SS, 1935–1938 Leiter des illegalen Juristenbundes, 1936–1938 Mitglied der Österreichischen Landesleitung der NSDAP, 1938 SS-Hauptsturmführer, 1938–1943 Vizepräsident der Anwaltskammer Wien, Mai 1945 bis August 1946 und Dezember 1946 bis September 1947 in Haft, Verurteilung zu drei Jahren schweren Kerkers und Verfall des Vermögens, Mai 1948 bedingte Entlassung. Funder, Dr. jur. Friedrich 1. November 1872 Graz – 19. Mai 1959 Wien Publizist und Schriftsteller Jus-Studium an Universität Wien, 1898 Promotion zum Dr. jur., 1896 Redakteur der christlichsozialen Tageszeitung »Reichspost«, 1903 Chefredakteur, 1905–1938 Herausgeber der »Reichspost«, 1934–1938 Mitglied des Staatsrats und des Bundestags, 13. März 1938 verhaftet, bis 11. November 1939 im KZ Dachau, später in Flossenbürg, Beschäftigung bei der Diözese Wien, 1944 kurz inhaftiert, 1945 Gründer und bis 1959 Herausgeber der katholischen Wochenzeitung »Die Furche«, 1947 Präsident des Österreichischen Zeitschriftenverbandes, zahlreiche Ehrenfunktionen. Funk, Dr. jur. Walther 18. August 1890 Trakehnen/Ostpreußen – 31. Mai 1960 Düsseldorf deutscher Journalist und Politiker Studium der Rechtswissenschaften und Nationalökonomie, 1912 Promotion zum Dr. jur., 1915–1916 Kriegsdienst, 1916 Redakteur und 1921 bis 1930 Chefredakteur der »Berliner Börsenzeitung«, 1931 Mitglied der NSDAP, Hauptabteilungsleiter im Reichswirtschaftsrat der Reichsleitung der NSDAP, Kontaktperson zu Industriellen, 1932–1933 Mitglied des Reichstags, 1933 Pressechef der Reichsregierung, als Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und Vizepräsident der Reichskulturkammer für Presse und Rundfunk zuständig, Februar 1938 preußischer und Reichsminister für Wirtschaft und Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft, Jänner 1939 Reichsbankpräsident und Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft, August 1939 Mitglied des Ministerrats für die Reichsverteidigung, 1943 Mitglied der Zentralen Planung, Juni 1945 von britischen Truppen verhaftet, 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) zu lebenslänglicher Haft verurteilt, 1957 entlassen. Fürstenberg, K arl Emil 16. Februar 1867 Prag – 21. Februar 1945 Strobl am Wolfgangsee/Salzburg Diplomat

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1892 Eintritt in den niederösterreichischen Landesdienst, ab Dezember 1892 im Ministerium des Äußern, Dezember 1893 in Rom, Dezember 1895 in St. Petersburg, 1898 in Paris, 1902 in Brüssel, 1905 erneut in St. Petersburg, 1908 ao. Gesandter und bev. Minister, 1909 am königlich-sächsischen Hof, 1911 am königlich-rumänischen Hof, 1913 bis 4. November 1918 am königlich-spanischen Hof, Amtsverzicht nach Waffenstillstand mit Italien. Furtwängler, Wilhelm 25. Jänner 1886 Berlin – 30. November 1954 Ebersteinburg/Baden-Baden deutscher Komponist und Dirigent 1922–1945 Leiter des Berliner Philharmonischen Orchesters, 1922–1928 des Leipziger Gewandhausorchesters, 1927–1930 der Wiener Philharmoniker, als Gastdirigent im Ausland, 1934 Direktor der Berliner Staatsoper, Vizepräsident der Reichsmusikkammer, Mitglied in Goebbels’ Reichskultursenat, Juni 1939 mit der Leitung der Wiener Philharmoniker betraut, Dezember 1939 von Gauleiter Josef Bürckel zum Bevollmächtigten für das gesamte Musikwesen der Stadt Wien ernannt, ab 1944 überwiegend in Luzern, 1945–1947 Dirigierverbot, 1952 wieder Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Gabčík, Jozef 8. April 1912 Poluvsie – 18. Juni 1942 Prag (ermordet) tschechoslowakischer Widerstandskämpfer 1940 Fremdenlegion, Mitglied der »Freien tschechoslowakischen Streitkräfte«, beim britischen Special Operations Executive (SOE), im Dezember 1941 mit dem Fallschirm bei Prag abgesetzt, verübte am 27. Mai 1942 mit Jan Kubiš das Attentat auf Reinhard Heydrich. Gaeta, Josef 7. Mai 1885 Pellezzano/Salerno –   ? Diplomat 1901–1915 im Generalkonsulat Neapel, italienischer Staatsbürger, ab 1907 Heimatzuständigkeit in Pettau, 1915–1918 für die Kanzlei des Militärattachés in Zürich für den militärischen Nachrichtendienst tätig, Juli 1918 Konsularkanzleisekretär, 31. Jänner 1920 vom liquidierenden Ministerium des Äußeren in den dauernden Ruhestand versetzt, ab Juni 1920 bis April 1922 als Kanzleihilfskraft (nicht ständiger Hilfsbediensteter) gegen Taggeld im Außenministerium, eine Übernahme in den Bundesdienst ist nicht erfolgt.

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Galen, Clemens August Gr af von 16. März 1878 Dinklage/Oldenburger Münsterland – 22. März 1946 Münster/Westfalen Priester 1933–1946 Bischof von Münster, Predigten gegen Euthanasie, Befürworter des Krieges gegen die »Pest des Bolschewismus«, 1946 zum Kardinal erhoben, 2005 seliggesprochen. Gamelin, M aurice Gustave 20. September 1872 Paris – 18. April 1958 Paris französischer Offizier 1914–1917 Stabschef des Marschalls Joffre, ab 1931 Chef des Generalstabs, 1935 Generalinspekteur des Heeres und Vizepräsident des Obersten Kriegsrats, September 1939 Oberbefehlshaber, Mai 1940 nach der Niederlage Frankreichs während des Westfeldzugs abgesetzt, bis April 1943 in französischer Haft, anschließend in deutscher Haft, 1945 befreit. Garski, Eugen 8. Juni 1897 Thorn/Westpreußen – 30. September 1942 Kostonossowo/Sowjetunion deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in den Polizeidienst, 1934 Ehrenkreuz für Frontkämpfer, 1935–1942 bei der Wehrmacht, Bataillonskommandeur des Infanterieregiments 2 »Großdeutschland«, Generalmajor posthum. Gaus, Dr. jur. Friedrich Wilhelm Ot to 26. November 1881 Mahlum/Braunschweig – 17. Juli 1955 Göttingen deutscher Diplomat Jus-Studium, 1907 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1910–1912 in Genua und Konstantinopel, 1919 Mitglied der Friedensdelegation in Versailles, danach in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, 1923 Ministerialdirektor und Leiter des Referats für internationales Recht, in der NS-Zeit »völkerrechtlicher Berater«, Mitglied der nationalsozialistischen Akademie für Deutsches Recht, 1940–1943 Unterstaatssekretär, 1943 Botschafter zur besonderen Verwendung, Zeuge im Nürnberger Prozess. Gautsch-Fr ankenthurn, Osk ar 9. Juli 1879 Bad Vöslau/NÖ – 14. Juni 1958 Wien Legationsrat in Ruhe Mitglied des Cercle Clubs.

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Gawroński, Jan 25. Jänner 1892 Warschau – 26. Jänner 1983 Rom polnischer Schriftsteller und Diplomat 1919 in den diplomatischen Dienst, Tätigkeiten in der Schweiz, Deutschland, Niederlanden, der Türkei und Österreich, 1929–1932 Berater an der Gesandtschaft in Ankara, danach im Außenministerium, 1933 Konsulent an der Botschaft in Wien, 1934–1938 Botschafter in Wien, Herbst 1939 mit Familie (italienische Ehefrau) nach Italien, blieb auch nach Kriegsende im Exil, schriftstellerisch tätig. Gayda, Virginio 12. August 1885 Rom – 14. März 1944 Rom (bei Luftangriff) italienischer Journalist 1919–1926 Leiter des »Messaggero«, 1926–1944 des »Giornale d’Italia«, unterstützte Benito Mussolini, galt als Propagandist, Juli 1943 nach dem Ende des faschistischen Systems seines Postens enthoben. Geer, Dirk Jan de 14. Dezember 1870 Groningen – 27. November 1960 Soest niederländischer Politiker (Christelijk-Historische Unie) Juli 1921 bis Juli 1922, September 1922 bis Juli 1923 Finanzminister, August bis November 1925 Innenminister, März 1926 bis Juli 1929 Ministerpräsident und Finanzminister, August 1929 bis April 1933 Finanzminister, 1933 Bürgermeister von Arnheim, August 1939 bis (offiziell) September 1940 Ministerpräsident und Finanzminister, Mai 1940 ins Exil nach London, Rückkehr noch während des Krieges, nach 1945 wegen Kollaboration mit Deutschland angeklagt, Verlust sämtlicher Ehrentitel. Georg V I. A lbert ( Windsor) 14. Dezember 1895 Sandringham/Norfolk – 6. Februar 1952 Sandringham König von Großbritannien Seeoffizier, ab 11. Dezember 1936 König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, Oberhaupt des Commonwealth of Nations, bis 1947 letzter Kaiser Indiens. Georg II. (Georgios II.) (Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg) 19. Juli 1890 Tatoi bei Athen – 1. April 1947 Athen König von Griechenland September 1922 bis März 1924 und November 1935 bis April 1947 König der Hellenen, 1936 ernannte er General Ioannis Metaxas zum Regierungschef, der eine Diktatur errichtete, nach der Besetzung Griechenlands im April 1941 bis September 1946

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im Exil, im September 1946 sprachen sich bei einer Volksabstimmung 68 Prozent für die Monarchie aus, der König kehrte nach Athen zurück. Gessner siehe Mars. Gir aud, Henri Honoré 18. Jänner 1879 Paris – 11. März 1949 Dijon/Frankreich französischer Offizier 1900 Eintritt in die Armee, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1914 verwundet, Gefangenschaft und Flucht, 1922–1926 in Marokko im Rifkrieg, danach militärischer Befehlshaber der Festung Metz, 1939 Sitz im französischen Kriegsrat, als Chef der 9. Armee Mai 1940 von der Deutschen Wehrmacht gefangen genommen, auf Festung Königstein in Dresden, 1942 Flucht nach Vichy-Frankreich, Gegner de Gaulles, bis 1. April 1944 Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte, 1946 in die Verfassungsgebende Versammlung gewählt, bis 1948 Vizepräsident des Obersten Kriegsrats. Glaise-Horstenau, Dr. h. c. Edmund 27. Februar 1882 Braunau/OÖ – 20. Juli 1946 Nürnberg (Suizid) Offizier und Archivar ab 1903 Berufsoffizier, ab 1910 im Generalstab, 1915–1918 Pressereferent des Armee-Oberkommandos, Verfasser der Heeresberichte, 1918 Bevollmächtigter in Brest Litowsk, ab 1918 im Kriegsarchiv in Wien, 1919–1921 Studium an der Universität Wien, 1924 Hofrat, 1925–1938 Direktor des Kriegsarchivs und Generalstaatsarchivar, 1928 Beförderung zum Oberst a. D. und Ernennung zum Hofrat, 1934 Lehrtätigkeit an der Universität Wien, Mitarbeiter im Nachrichtendienst des Bundesheeres, November 1934 bis Juli 1936 Mitglied des Staatsrats und des Bundestags, galt als betont Nationaler, ab 11. Juli 1936 Bundesminister ohne Geschäftsbereich, November 1936 bis 16. Februar 1938 Bundesminister für Innere Verwaltung, danach abermals Bundesminister ohne Geschäftsbereich, 11. bis 13. März 1938 Vizekanzler, anschließend bis Mai 1938 Stellvertreter des Reichsstatthalters in Österreich, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, bis März 1940 Mitglied der österreichischen Landesregierung, Mitglied der SA (SA-Gruppenführer 1943), 1940 Beförderung zum Generalmajor, 1941–1944 General der Infanterie und Deutscher Bevollmächtigter General in Kroatien, im Oktober 1944 Abberufung, bis Kriegsende Leiter der Außenstelle Wien des deutschen Auswärtigen Amtes, Zeuge im Nürnberger Prozess (Kriegsverbrecherprozesse), wegen befürchteter Auslieferung an Jugoslawien Suizid.

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Gleißner, Dr. jur. Heinrich Philipp 26. Jänner 1893 Linz – 18. Jänner 1984 Linz Beamter und Politiker (ChP/ÖVP) 1914–1918 Kriegsdienst, Jus-Studium, 1920 Promotion zum Dr. jur., 1920 Eintritt in den Dienst der oberösterreichischen Landesregierung, 1921 Wechsel zum landwirtschaftlichen Genossenschaftsverband des Landeskulturrats, 1926 Wahl in den Ausschuss des Katholischen Volksvereins (gleichzustellen der Landesparteileitung der Christlichsozialen Partei), Juli 1933 Ernennung zum Kammeramtsdirektorstellvertreter der oberösterreichischen Landwirtschaftskammer, 1933–1938 Landesleiter der Vaterländischen Front Oberösterreich, September 1933 bis März 1934 Staatssekretär für Land- und Forstwirtschaft, März 1934 bis März 1938 Landeshauptmann von Oberösterreich, November 1934 bis März 1938 Mitglied des Länderrats und des Bundestags, Mai 1937 Ernennung zum Kammeramtsdirektor der Landwirtschaftskammer, Jänner 1938 Ernennung zum geschäftsführenden Vizepräsidenten der Kammer, am 15. März 1938 verhaftet, Mai 1938 bis Juni 1939 im KZ Dachau, Oktober 1939 erneut verhaftet, KZ Buchenwald und Hauptgefängnis Berlin, Dezember 1939 Aufenthaltsverbot für das Gebiet des ehemaligen Österreich, Zwangsaufenthalt in Berlin, Industriearbeiter, Verbindung zu Widerstandskreisen, 1945–1971 abermals oberösterreichischer Landeshauptmann, gleichzeitig Abgeordneter zum Landtag, 1951 Kandidat der ÖVP bei der Wahl des Bundespräsidenten, 1958 als Kammeramtsdirektor in den Ruhestand, zahlreiche Funktionen in Wirtschaftsunternehmen. Glesinger, Siegmund 6. Dezember 1863 Mährisch Ostrau – 1941 Holzindustrieller und Hotelier 1922 ließ er das Alpenhotel Gösing zu einem Luxushotel ausbauen, nach dem »Anschluss« Flucht der Familie. Globocnik, Odilo 21. April 1904 Triest – 31. Mai 1945 Paternion/Kärnten (Suizid) Politiker Bautechniker, 1931 Mitglied der NSDAP, 1932 oder 1934 Mitglied der SS, 1933 stellvertretender Gauleiter von Kärnten, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, März 1938 Staatssekretär und Gauleiter in Wien, November 1939 SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, 1941 Auftrag zur Errichtung von SS- und Polizeistützpunkten im »Ostraum«, Mai 1942 Leiter der »Aktion Reinhardt« zur Vernichtung der Juden im Generalgouvernement (ihm unterstanden die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka), 1943 Höherer SS- und Polizeiführer in der Operationszone Adriatisches Küstenland, wo er Partisanenbekämpfung und Deportation von Juden in das

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KZ Auschwitz-Birkenau organisierte, Ende Mai 1945 von der britischen Armee festgenommen, beging Suizid. Goebbels, Dr. phil. Joseph 29. Oktober 1897 Rheydt im Rheinland – 1. Mai 1945 Berlin (Suizid mit seiner Frau und sechs Kindern) deutscher Politiker 1922 Mitglied der NSDAP, 1926–1945 Gauleiter von Berlin, 1927–1935 Gründer und Herausgeber der Zeitung »Der Angriff«, 1928–1945 Mitglied des Reichstags, 1929 Reichspropagandaleiter der NSDAP, 1933–1945 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, und Präsident der Reichsschrifttumskammer, nach dem Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 Ernennung zum Generalbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz, 30. April bis 1. Mai 1945 Reichskanzler. Goebbels, M agda 11. November 1901 Berlin – 1. Mai 1945 Berlin (Suizid) Ehefrau von Joseph Goebbels (1931–1945). geborene Johanna Maria Magdalena Behrend, ab 1908 Friedländer (Adoption), ab 1920 Ritschel (Name des Vaters), 1921–1931 Quandt (verheiratet mit dem Textilindustriellen Günther Quandt 1921–1929). Gómez-Jor dana y Sousa, Fr ancisco 1. Februar 1876 Madrid – 3. August 1944 San Sebastián spanischer Offizier und Politiker ab 1896 in der Armee, Juli 1915 bis Jänner 1919 Hoher Kommissar von Spanien in Marokko, 1922 General der Brigade, ab September 1923 Mitglied des Militärdirektoriums, Führer von Militäraktionen in Marokko, November 1928 bis April 1931 wieder Hoher Kommissar in Marokko, Juni 1937 bis Jänner 1938 Präsident der Technischen Staatsjunta, Jänner 1938 bis August 1939 stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister, Dezember 1938 bis Jänner 1939 Minister für öffentliche Ordnung, September 1942 bis August 1944 Außenminister. Göring, A lbert 9. März 1895 Friedenau/Berlin – 20. Dezember 1966 Neuenbürg/Baden-Württemberg deutscher Unternehmer 1914–1918 Kriegsdienst (Nachrichtentechniker an der Westfront), 1923 Abschluss eines Maschinenbaustudiums, ab 1925 bei Junkers & Co in Dessau, 1928 Generalvertreter der Firma in Wien, Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft, nach dem »Anschluss« 1938 setzte er sich für jüdische Mitbürger ein, Exportchef bei

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den Škoda-Werken in Pilsen, Kontakte zum tschechischen Widerstand, mehrmals in Gestapo-Haft, bei Kriegsende verhaftet, Zeuge bei den Nürnberger Prozessen, nach Auslieferung an die Tschechoslowakei in einem Prozess im März 1947 freigesprochen, lebte in Salzburg, danach in München, Autor und Übersetzer, Bruder von Hermann Göring. Göring, Carin 21. Oktober 1888 Stockholm – 17. Oktober 1931 Stockholm geborene Freiin Fock, geschiedene Freifrau von Kantzow (verheiratet 1910–1922) Ehefrau von Hermann Göring (1923–1931). Göring, Edda 2. Juni 1938 Berlin – 21. Dezember 2018 München Tochter von Hermann Göring und dessen zweiter Ehefrau Emmy Göring. Göring, Emmy 24. März 1893 Hamburg – 8. Juni 1973 München deutsche Schauspielerin geborene Emma Johanna Henny Sonnemann, geschiedene Köstlin (1916–1926 verheiratet mit Karl Köstlin), Ehefrau von Hermann Göring (1935–1946), 1936 Gründung der »Emmy-Göring-Künstlerstiftung«, bei Kriegsende von den Amerikanern verhaftet, 1948 vor der Spruchkammer Garmisch-Partenkirchen als aktive Nationalsozialistin eingestuft und zu 30 Prozent Vermögenseinzug, einem Jahr Arbeitslager und fünf Jahren Auftrittsverbot verurteilt. Göring, Hermann 12. Jänner 1893 Rosenheim/Bayern – 15. Oktober 1946 Nürnberg (Suizid) deutscher Politiker Jagdflieger im Ersten Weltkrieg, ab 1920 Post- und Taxipilot, 1922 Mitglied der NSDAP und Führer der SA, 1923 Teilnahme am Hitler-Putsch, 1928–1945 Mitglied des Reichstags, ab 1932 Präsident des Reichstags, Jänner 1933 Bestellung zum preußischen Innenminister und Chef der Polizei sowie zum Reichskommissar für die Luftfahrt (bis 1945), ab April 1933 preußischer Ministerpräsident (bis 1945), 1935–1945 Oberbefehlshaber der Luftwaffe, ab 1936 Beauftragter für den Vierjahresplan, September 1939 Bestellung zum Vorsitzenden des Reichsverteidigungsrats, Juni 1940 Ernennung zum Reichsmarschall, 23. April 1945 von Adolf Hitler aller Ämter enthoben und aus der NSDAP ausgeschlossen, 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) zum Tod verurteilt.

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Goetz, Dr. phil. Dr. theol. Diego 13. Juli 1911 Straßburg – 20. Oktober 1980 Wien Priester 1929 Eintritt in die Dominikanerprovinz Teutonia, Studium der Theologie, 1932 Profess, 1936 Priesterweihe, 1939 Übersiedlung nach Wien, Promotion zum Dr. phil., am Seelsorgeinstitut der Erzdiözese tätig, Künstlerseelsorger, wegen seiner Predigten aus Wien verwiesen, nach Freiburg im Breisgau, 1943 Promotion zum Dr. theol., 1946 Rückkehr nach Wien, in der Dominikanerkirche tätig, unterrichtete am Max-Reinhardt-Seminar Ethik, auch Prediger im Radio. Goga, Octavian 1. April 1881 Hermannstadt – 7. Mai 1938 Klausenburg rumänischer Schriftsteller und Politiker Gründer und Vorsitzender der Liga zur National-Christlichen Abwehr, ab 29. Dezember 1937 Ministerpräsident mit antisemitischem und nationalistischem Programm, 10. Februar 1938 Rücktritt. Golian, Ján (Pseudonyme  : Ley, Gama) 26. Jänner 1906 Dombóvár/Ungarn – zwischen Jänner und März 1945 KZ Flossenbürg (hingerichtet) slowakischer Offizier 1937–1939 Militärakademie, 1940 Major im Generalstab der slowakischen Armee, 1944 Chef des Stabs beim Oberkommando des Landheeres, organisierte den slowakischen Nationalaufstand vom 29. August bis 28. Oktober 1944, 3. November 1944 gefangen genommen, im KZ Flossenbürg nach Folterungen 1945 hingerichtet. Gortsch akow (Gorčakov) , A lex ander Mich ailowitsch Fürst 4. Juni 1798 Haapsalu/Estland – 11. März 1883 Baden-Baden russischer Diplomat 1850–1855 Gesandter beim Deutschen Bund in Frankfurt am Main, 1855–1856 Gesandter in Österreich, 1856–1882 Außenminister, 1867 zusätzlich Kanzler. Got tar di, Luciano 19. Februar 1899 Ferrara – 11. Jänner 1944 Verona (hingerichtet) italienischer Politiker 1915–1918 Kriegsdienst, wirtschaftswissenschaftliche Studien an der Universität Triest, 1920 in die faschistische Bewegung, nahm am Marsch auf Rom teil, gewerkschaftliche Tätigkeiten in verschiedenen Regionen Italiens, 1942 Präsident der Bergbaugesellschaft Carbonsarda, Mai 1943 Präsident des Industriearbeiterverbandes, als Mitglied des Großen Faschistischen Rats stimmte er am 25. Juli 1943 gegen

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Mussolini, im August 1943 von der Regierung Badoglio seiner Funktionen enthoben, blieb in Rom, im September 1943 wollte er der Faschistischen Republikanischen Partei beitreten, Anfang Oktober als »Verräter« von Truppen der neu gegründeten Repubblica Sociale Italiana verhaftet, Jänner 1944 im Prozess von Verona wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Got tfried siehe Turnwald, Gottfried. Gotzmann, Dr. jur. Leo 14. Juli 1893 Olmütz/Mähren – 6. Dezember 1945 Zuffenhausen/Baden-Württemberg Polizeibeamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1914–1918 Kriegsdienst, 1920 Polizeidirektion Wien, 1924–1933 Kommandant der Alarmabteilung der Wiener Sicherheitswache, August 1933 wegen nationalsozialistischer Gesinnung Versetzung an eine andere Dienststelle, Juli 1934 Beteiligung am nationalsozialistischen Putschversuch, 25. Juli 1934 verhaftet, 23. März 1935 wegen Hochverrats zu lebenslänglichem Kerker verurteilt, im Februar 1938 amnestiert, nach dem »Anschluss« im März 1938 Oberpolizeirat, 22. Jänner 1941 Polizeipräsident von Wien, SS-Brigadeführer (1943), April 1945 Flucht vor der Roten Armee in den Westen und US-Kriegsgefangenschaft. Gr andi di Mor dano, Dr. Dino (Gr af 1937) 4. Juni 1895 Mordano bei Bologna – 21. Mai 1988 Bologna italienischer Rechtsanwalt, Diplomat und Politiker Jus-Studium, 1919 Abschluss, Rechtsanwalt, ab 1921 faschistischer Abgeordneter, 1929–1932 Außenminister, 1932–1939 Botschafter in London, Juli 1939 bis Februar 1943 Justizminister, Präsident der Kammer und des Großen Faschistischen Rats, auf seinen Antrag hin wurde Mussolini am 24. Juli 1943 im Großen Faschistischen Rat abgesetzt, im Prozess von Verona im Jänner 1944 wegen Hochverrats in Abwesenheit zum Tode verurteilt, August 1943 ins Exil nach Spanien und danach nach Südamerika, Rechtsanwalt in Brasilien, 1957 Rückkehr nach Italien. Gr aziani, Rodolfo 11. August 1882 Filettino/Provinz Frosinone – 11. Jänner 1955 Rom italienischer Offizier und Politiker ab 1908 Kolonialoffizier, 1912 Teilnahme am Italienisch-Türkischen Krieg, 1915–1918 Kriegsdienst, ab Oktober 1921 in Libyen, Guerilla-Spezialist, ordnete Massenexekutionen an, 1935–1936 in Äthiopien/Abessinien (Einsatz von Senfgas und Phosgen), 1936 Ernennung zum Marschall von Italien und zum Marchese di Neghelli, Vizekönig von

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Äthiopien, November 1939 Generalstabschef des Heeres, 1940 Generalgouverneur in Libyen, Februar 1941 vom Posten des Chefs des Heeresgeneralstabs enthoben, in Mussolinis faschistischer Restrepublik in Salò Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber der Truppen, am 29. April 1945 den US-Truppen ergeben, unterzeichnete den Waffenstillstand von Caserta, von einem Militärtribunal im Mai 1950 »wegen militärischer Kollaboration mit den Deutschen« zu 19 Jahren Haft verurteilt, noch im selben Jahr begnadigt, Ehrenpräsident des neofaschistischen »Movimento Sociale Italiana«. Gr azzi, Emanuele 30. Mai 1891 Florenz – 7. September 1961 Rom italienischer Diplomat 1911 Abschluss des Jus-Studiums, 1912 in den Auswärtigen Dienst, Tätigkeit in Tunis, 1913 zur Armee eingezogen, im Ersten Weltkrieg Artillerieoffizier, Ende 1916 auf Antrag des italienischen Militärattachés in Den Haag nach Rotterdam, 1918 bei der Interalliierten Militär-Kontrollkommission in Helsingfors, 1919 dem Politkommissar in Deutschland zugeteilt, 1920 Konsul in Berlin, 1922 in Florianópolis, 1925 in Toulouse, 1927 Generalkonsul in New York, 1933–1934 Repräsentant in Guatemala-Stadt, 1937 Generaldirektor der politischen Abteilung des Außenministeriums, 1939 bis 7. November 1940 Gesandter in Athen, 1941 Gesandter in Belgrad, 16. September 1943 schloss er sich der »Faschistischen Republik« in Salò an, ab 30. September 1943 Gesandter in Budapest, Mitte Oktober 1943 wegen »Untreue« seines Amtes enthoben, Ende 1947 als ao. Gesandter und Ministre plénipotentiaire in den Ruhestand versetzt. Greiser, A rthur K arl 22. Jänner 1897 Schroda/Posen – 14. Juli 1946 Posen (hingerichtet) deutscher Politiker 1914–1919 Kriegsdienst, 1919–1929 Handelsvertreter in Danzig, 1922–1923 Mitglied der »Deutschsozialen Partei«, 1924 Mitbegründer des Danziger Stahlhelm, 1921–1929 Mitglied der Danziger Freimaurerloge, Dezember 1929 Mitglied der NSDAP und der SA, 1930 der SS, 1930–1933 Gaugeschäftsführer der Partei, Juli 1940–1945 Mitglied des Reichstags, 1933–1939 verschiedene Funktionen im Senat der Freien Stadt Danzig, 1939–1945 Reichsstatthalter und Gauleiter im annektierten und neu gebildeten Reichsgau Wartheland, 1939 Chef der Zivilverwaltung, stellte sich im Mai 1945 den US-Truppen, an Polen ausgeliefert, als Kriegsverbrecher angeklagt und 1946 zum Tode verurteilt. Griesinger, Ilona A nna Sophie Freiin 11. Februar 1887 Budapest –   ? geborene Offermann

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Ehefrau (1911) des deutschen Diplomaten Dr. Julius von Griesinger (25. August 1863 Stuttgart – 30. Juni 1939 Freiburg im Breisgau) bewirtschaftete das Gut Feldkirch bei Freiburg im Breisgau von 1926–1958. Griessler (Grießler) , Joh ann 8. Dezember 1900 Zeilern/NÖ – 16. Oktober 1983 Attnang/OÖ NS-Funktionär Kreisleiter des Kreises II in Wien, zu dem der Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt gehörte. Grillparzer, Fr anz 15. Jänner 1791 Wien – 21. Jänner 1872 Wien Dichter Jus-Studium, 1813 Beamter, 1832 Archivdirektor der Finanzverwaltung, zahlreiche Reisen, 1856 als Hofrat in den Ruhestand, empfindlich gegen die Polizei-Zensur, 1838 Rückzug aus der Öffentlichkeit, in den letzten Lebensjahrzehnten zahlreiche Ehrungen, ab 1861 Mitglied des Herrenhauses. Grimschitz, Dr. phil. Bruno 24. April 1892 Moosburg/Kärnten – 13. Juni 1964 Wien Kunsthistoriker Studium der Kunstgeschichte, 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1919 in der Österreichischen Galerie, 1932 Habilitation an der Technischen Hochschule und 1937 an der Universität Wien, 1939–1945 Leiter der Galerie, 1940–1941 auch Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, 1956 erhielt er seine Lehrerlaubnis zurück. Groß, Dr. phil. Loth ar 13. September 1887 Heraletz/Böhmen) – 31. Mai 1944 Wien Historiker und Archivar 1909 Promotion zum Dr. phil., Historiker, 1910 im Archiv für Niederösterreich, ab 1915 im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, 1922 Univ.-Dozent für Geschichte des Mittelalters, 1926 Vizedirektor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, ab 1931 im Lehrkörper des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 1933 Hofrat, 1935 Generalstaatsarchivar, 1938 Direktor und stellvertretender Direktor des Reichsarchivs Wien, 1942 Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Groß, Dr. jur. Viktor 26. November 1883 Troppau/Schlesien – 18. April 1941Wien Beamter

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1905 Eintritt in den Staatsdienst, 1915 in das Ministerium des Innern, 1921 Ministerialrat, Leiter der Budgetabteilung im Bundeskanzleramt, bis Dezember 1933 Protokollführer im Ministerrat, 1. April 1938 bis August 1939 kommissarischer Leiter des Wiener Rechnungshofes, Ende 1938 Sektionschef, Groß wurde nicht vom Reichsrechnungshof übernommen. 1940 Wirtschaftsberater beim Protektorat in Prag. Gruber, Dr. jur. Erich 17. September 1884 Trumau/NÖ – 25. November 1953 Wien Beamter Jus-Studium, 1908 Promotion zum Dr. jur., 1909 Eintritt in den Dienst der Staatsbahnen, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in das Staatsamt für Finanzen, 1924 Ministerialrat, ab 1. Dezember 1934 im Büro des Bundeskommissärs für Personalangelegenheiten im Bundeskanzleramt, 17. März 1938 Leiter des Kommissariats für Personalangelegenheiten im Amt des Reichsstatthalters, 1939–1945 Regierungspräsident für »Niederdonau«, SS-Brigadeführer (1944), 1949 Verurteilung wegen Hochverrats zu fünf Jahren Kerker, April 1949 begnadigt. Gruber, Helga 11. Juni 1912 Mödling – 2. Dezember 2003 Schwechat geborene Ahlgrimm Ehefrau von Karl Gruber (1939). Arlberger Industriellentochter. Gruber, Dr. jur. K arl 3. Mai 1909 Innsbruck – 1. Februar 1995 Innsbruck Diplomat und Politiker (ÖVP) Elektrotechniker, Jus-Studium an der Universität Innsbruck, 1927–1935 bei der Telegraphendirektion Innsbruck, 1936 Promotion an der Universität Innsbruck, 1935–1938 bei der Telegraphendirektion Wien, Mai 1938 entlassen, Widerstandstätigkeit, 1939–1945 bei AEG und Telefunken, 1945 führende Rolle in der Tiroler Widerstandsbewegung, Mai bis Oktober 1945 Landeshauptmann von Tirol, 1945– 1953 Unterstaatssekretär bzw. Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten, 1945–1954 Abgeordneter zum Nationalrat, 1949–1954 Vizepräsident der OEEC, 1954–1958 Botschafter in Washington, 1958–1961 Sonderberater bei der Internationalen Atomenergieorganisation, 1961–1966 Botschafter in Madrid, 1966 Botschafter in Bonn, 1966–1969 Staatssekretär für Verwaltungsreform im Bundeskanzleramt, 1969–1972 Botschafter in Washington, 1972–1974 Botschafter in Bern, Juli 1987 Sonderbotschafter in den USA (Waldheim-Affäre).

Biografien

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Gruhn, Luise M argarethe (»Eva«) siehe Blomberg, Luise Margarethe. Grynszpan, Herschel 28. März 1921 Hannover – zwischen 1942/1943 und Kriegsende 1945 (ermordet) Attentäter verübte am 7. November 1938 in Paris ein Attentat auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath, 1940 an Deutschland ausgeliefert, der geplante Schauprozess wurde im Juli 1942 abgesetzt, wahrscheinlich zwischen 1942 und Kriegsende ermordet. Guarneri, Felice 6. Jänner 1882 Pozzaglio ed Uniti – 3. April 1955 Rom italienischer Nationalökonom und Politiker 1906 Abschluss des Wirtschaftsstudiums, 1909–1914 Professor in Genua, dann als Finanzfachmann tätig, 1937–1939 Minister für Devisenbewirtschaftung und Außenhandel, 21. November 1939 Leiter der Delegazione Economica Finanziaria Italiana, die die Südtirol-Frage behandelte, 1940–1944 Präsident der Bank von Rom, angeklagt wegen seiner Rolle im Faschismus, Positionen in zahlreichen Wirtschaftsunternehmen. Guderian, Heinz 17. Juni 1888 Kulm/Preußen – 14. Mai 1954 Schwangau deutscher Offizier 1907 Eintritt in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst in verschiedenen Kommandostellen, 1919 in die Reichswehr übernommen, 1938 General und Kommandeur der Schnellen Truppe, 1941 im Russlandfeldzug, Dezember 1941 abgesetzt, 1943 Reaktivierung, Generalinspekteur der Panzertruppen, Juli 1944 bis März 1945 Chef des Generalstabs des Heeres, 28. März 1945 beurlaubt, Mai 1945 in US-Kriegsgefangenschaft, Juni 1948 entlassen, nach Angaben des britischen Geheimdienstes 1950 bei der »Bruderschaft«, einer Vereinigung von Altnazis, Schriftsteller und Berater für das Amt Blank (1950–1955 Vorgängerinstitution des Bundesministeriums der Verteidigung). Gullet t, Sir Henry Somer (bek annt als H arry Gullet t) 26. März 1878 Toolamba West/Victoria – 13. August 1940 Canberra (Flugzeugabsturz) australischer Journalist, Militärhistoriker und Politiker 1919 bei der Pariser Friedenskonferenz Pressesprecher des damaligen Premierministers, November 1925 bis August 1940 Mitglied des Parlaments (wechselnde Parteimitgliedschaften), November 1928 bis Oktober 1929 und Februar 1932 bis Jänner

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1933 Minister für Handel und Zoll, April 1939 bis März 1940 Außenminister, September 1939 Minister für Information, März 1940 Minister für Wissenschaft und industrielle Forschung. Günther, Dr. jur. Ot to 30. September 1884 Trebinje/Herzegowina – 25. März 1970 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1907 Promotion zum Dr. jur., 1907 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1907/1908 Konsulatsdienst in Mailand und Marseille, 1909 in Saloniki, 1910–1912 Tanger, 1913–1921 Leiter des Honorargeneralkonsulats in Frankfurt am Main, 1921–1922 an der Gesandtschaft in Den Haag, 1923–1930 Leiter des Generalkonsulats in München, 1930–1933 ao. Gesandter und bev. Minister in Athen, 1933 in Paris und Madrid, September 1933 bis 24. Juli 1934 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, 1934–1941 im Wanderungsamt, März 1941 Versetzung in den Wartestand, 1945 Rehabilitierung und Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst als Leiter der Protokollabteilung, Jänner 1948 bis Dezember 1949 ao. Gesandter und bev. Minister in Buenos Aires, Ende 1949 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Günther keine Information Bruder von Otto Günther. H a akon V II. (Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg) 3. August 1872 Schloss Charlottenlund/Gentofte/Dänemark – 21. September 1957 Oslo König von Norwegen ab 1905 König von Norwegen, nach der deutschen Besetzung 1940 ins Exil, Symbol des norwegischen Widerstandes, 1945 Rückkehr. H abel, Fer dinand 29. (20.) September 1874 Mariaschein/Aussig/Böhmen – 13. März 1953 Wien Komponist und Domkapellmeister Organist und Chordirektor der Dominikanerkirche in Wien, Dozent für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Lehrerakademie, ab 1913 an der Akademie für Musik, ab 1924 Lehrtätigkeit für Katholische Kirchenmusik an der Universität Wien, 1921–1946 Domkapellmeister zu St. Stephan. H abel, Fer dinand (junior) 14. April 1910 Wien – 3. Februar 1940 Mauthausen (ermordet) Student

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Sohn des gleichnamigen Domkapellmeisters am Wiener Stephansdom, 1928 Matura, Studium der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Wien, nach Teilnahme am 7. Oktober 1938 am »Rosenkranzfest« in St. Stephan (Demonstration Jugendlicher gegen den Nationalsozialismus) am 8. Oktober 1938 verhaftet, zwei Monate Haft in Wien, dann KZ Dachau, September 1939 KZ Mauthausen, Versuche zur Freilassung scheiterten an seiner »schlechten Führung« im Lager, an Typhus erkrankt, starb er an den Folgen der Lagerhaft. H abicht, Theo 4. April 1898 Wiesbaden – 31. Jänner 1944 Newel/Pskow (gefallen) Schriftsteller und Politiker 1915–1918 Kriegsdienst, 1919/1920 Mitglied eines Freikorps, 1920–1927 Kaufmann, zunächst Mitglied der kommunistischen Partei, 1926 Mitglied der NSDAP, 1927–1931 Kreisleiter in Wiesbaden, 1928–1931 Stadtverordneter in Wiesbaden, 1927–1930 Herausgeber der Wochenschrift »Nassauer Beobachter«, dann der Tageszeitung »Rheinwacht«, deutscher Presseattaché in Wien, 20. Juli 1931 mit der Reorganisation der NSDAP in Österreich beauftragt, 1931–1945 Mitglied des Reichstags, August 1932 Landesinspektor der NSDAP in Österreich, 14. Juni 1933 aus Österreich ausgewiesen, (nach Attentat auf Richard Steidle), 1937–1938 Oberbürgermeister in Wittenberg, 1939 von Koblenz, 1939/1940 Ministerialdirektor mit der Amtsbezeichnung Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, September 1940 zur Wehrmacht. H absburg, Familie H absburg, A lbrecht (Österreich-Teschen) 24. Juli 1897 Baden bei Wien – 23. Juli 1955 Buenos Aires/Argentinien ehemaliger Erzherzog von Österreich und Großgrundbesitzer, Politiker 1916–1918 Kriegsdienst, 1918–1945 auf den Gütern in Ungarn, Höhere landwirtschaftliche Lehranstalt mit Diplom abgeschlossen, 1931 Ansprüche als Thronprätendent zugunsten Otto Habsburgs aufgegeben, Mitglied des Oberhauses des ungarischen Parlaments, Mitglied der rechten »Ungarischen Erneuerungspartei«, 1940 als Oberst am Einmarsch der ungarischen Truppen in Siebenbürgen beteiligt, lebte in Budapest, floh wegen seines Naheverhältnisses zum Nationalsozialismus 1945 über Österreich und Spanien nach Argentinien. H absburg, Eugen (Österreich-Teschen) 21. Mai 1863 Groß Seelowitz/Mähren – 30. Dezember 1954 Meran ehemaliger Erzherzog von Österreich

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1883–1885 Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, militärische Laufbahn, ab 1887 Mitglied und letzter weltlicher Hochmeister des Deutschen Ordens (1894–1923), ab 1914 Kommandant der 5. Armee am Balkan, 1915 und 1917–1918 Kommandant der Südwest-Front, 1916–1917 der Heeresgruppe Tirol, November 1916 Ernennung zum Feldmarschall, im April 1919 Österreich verlassen, bis 1934 im Exil in Basel, ab 1934 im Deutschordensschloss in Gumpoldskirchen, auf Druck der Nationalsozialisten in Wien, nach dem Zweiten Weltkrieg in Igls bei Innsbruck. H absburg, Joseph Fer dinand Salvator (Österreich-Tosk ana) 24. Mai 1872 Salzburg – 26. August 1942 Wien ehemaliger Erzherzog von Österreich Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, 1892 Eintritt in die Armee, Ballonfahrer, 1908–1942 Thronprätendent des Großherzogtums Toskana, 1914– 1918 Kriegsdienst, lebte danach als Privatmann in Österreich, nach dem »Anschluss« 1938 inhaftiert, drei Monate im KZ Dachau, danach Überwachung durch die Gestapo in Wien. H absburg-Lothringen, Ot to 20. November 1912 Reichenau an der Rax/NÖ – 4. Juli 2011 Pöcking/Bayern ehemaliger Erzherzog, Thronprätendent und Politiker ältester Sohn von Kaiser Karl I., aktiv in der Paneuropa-Union, seit 20. November 1933 Oberhaupt des Hauses Habsburg-Lothringen, 1961 Unterzeichnung der Verzichtserklärung auf Herrschaftsansprüche, 1967 Erlaubnis zur Rückkehr nach Österreich, 1979–1999 Mitglied des Europäischen Parlaments (CDU). H absburg-Lothringen, Zita M aria delle Gr azie 9. Mai 1892 Villa Borbone di Pianore bei Lucca/Italien – 14. März 1989 Zizers/ Schweiz Kaiserin von Österreich-Ungarn geborene Bourbon-Parma, Ehefrau von Erzherzog Karl (1911), 1916–1918 Kaiserin (Kaisergattin) von Österreich und bis 1921 Königin (Königsgattin) von Ungarn. H ách a, Dr. jur. Emil 12. Juli 1872 Trhové Sviny – 27. Juni 1945 Prag (Todesumstände nicht geklärt) Beamter und tschechischer Politiker Jus-Studium, 1896 Promotion zum Dr. jur., Beamter im böhmischen Landesausschuss, dann Rat des Verwaltungsgerichtshofes, ab 1918 Mitglied des Obersten Verwaltungsgerichtshofes der Tschechoslowakei, 1925–1938 Präsident, ab 30. November 1938 Staatspräsident der Tschecho-Slowakischen Republik, März 1939 (nach erzwungenem Protektoratsvertrag mit dem Deutschen Reich) bis 1945 Präsident des

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Protektorats Böhmen und Mähren, zeitweise Kontakt zur Exilregierung, 1945 als Kollaborateur verhaftet, starb in einem Prager Gefängnis vor Prozessbeginn. H agn, Theoderich 23. März 1816 Untergriesbach/Bayern – 29. August 1872 Lambach/OÖ Priester ab 1836 im Benediktinerstift Kremsmünster, 1837–1840 Studium der Theologie in Linz, 1841 Priesterweihe, ab 1841 Archivar in Kremsmünster, 1846 Kustos der Stiftskirche, 1850–1858 Novizenmeister, 1858 Abt des Benediktinerstifts Lambach. H aibach, Dr. theol. Dr. phil. Fr anz 18. Februar 1899 Pfraumberg/Böhmen – 9. Jänner 1958 München Priester 1923 Priesterweihe, 1926–1931 Kapitelvikar in Leitmeritz, 1931 Abschluss des Studiums (Theologie und Philosophie) an der Universität Prag, Religionslehrer in Reichenberg, führend in der Kolpingbewegung, 1926–1939 Zentralpräses der katholischen Gesellenvereine der Tschechoslowakei, 1944 in den Rettungsdienst der Deutschen Wehrmacht eingetreten, 1945 Kriegsgefangenschaft, leitete nach 1945/1946 die »Sudetendeutsche Hilfsstelle« in München, 1946 Gründung der »Ackermann-Gemeinde« (Wiederbelebung des sudetendeutschen Katholizismus), 1953 Vorstandsvorsitzender des bayerischen Landesverbandes der katholischen karitativen Erziehungsheime, 1957 Leiter des Heimpädagogischen Aufbauseminars für Bayern. H aile Selassie I. 23. Juli 1892 Edscharsa Göra/Harärge – 27. August 1975 Addis Abeba Kaiser von Äthiopien (Abessinien) geboren als Tafari Makonnen, ab 7. Oktober 1928 Staatsoberhaupt von Äthiopien, nach der Eroberung Addis Abebas im Mai 1936 durch italienische Truppen Flucht nach London, 1941 Rückkehr nach Äthiopien, 1974 durch eine Offiziersverschwörung gestürzt. H ainisch, Dr. jur. Mich ael 15. August 1858 Aue bei Schottwien/NÖ – 26. Februar 1940 Wien Jurist und Politiker (parteilos) Jus-Studium in Wien und Leipzig, 1882 Promotion zum Dr. jur., Studium der Nationalökonomie in Berlin, 1886 Eintritt in den Staatsdienst, 1888 Übernahme in das Ministerium für Kultus und Unterricht, 1890 Austritt aus dem Staatsdienst, anschließend Privatgelehrter, Volksbildner und Landwirt, 1918 Generalrat der Österreichisch-Ungarischen Bank, Dezember 1920 bis Dezember 1928 Bundespräsident, September 1929 bis Juni 1930 Bundesminister für Handel und Verkehr.

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H alder, Fr anz 30. Juni 1884 Würzburg – 2. April 1972 Aschau/Chiemgau deutscher Offizier 1902 Eintritt in die Armee, 1911–1914 Bayerische Kriegsakademie absolviert, 1914– 1918 Kriegsdienst (Generalstabsoffizier), 1919 in die Reichswehr übernommen, im Reichswehrministerium, bis 1931 bei verschiedenen Stabskommanden, 1931 Oberst und Chef des Stabs des Wehrkreises VI (Münster), 1935 Kommandeur der 7. Division, 1936 Oberquartiermeister, 1936/1937 im Reichskriegsministerium, mit 1. September 1938 Generalstabschef des Heeres, Generaloberst (1940), in militärstrategischen Fragen in Opposition zu Hitler, 24. September 1942 entlassen, Versetzung zur »Führerreserve«, Verbindung zu verschiedenen Widerstandskreisen, nach dem 20. Juli 1944 verhaftet, KZ Flossenbürg und Dachau, 31. Jänner 1945 aus der Wehrmacht entlassen, kurz vor Kriegsende in das KZ Dachau, Verschleppung nach Südtirol, 4. Mai 1945 befreit, in US-Kriegsgefangenschaft in Italien, Sommer 1945 entlassen, im Nürnberger Prozess Zeuge, 1946–1961 Leiter der deutschen Abteilung der kriegsgeschichtlichen Forschungsgruppe der US-Army. H alifa x, Edwar d Frederick Lindley Wood (1925–1934 bek annt als Lor d Irwin, 1934–1944 Viscount H alifa x) 16. April 1881 Powderham Castle/Devonshire – 23. Dezember 1959 Garrowby Hall/ Yorkshire britischer konservativer Politiker Jänner 1910 bis 1925 Mitglied des Unterhauses, 1921/1922 Unterstaatssekretär für die Kolonien, 1924/1925 Präsident des Unterrichtsamtes, 1924–1925 Minister für Landwirtschaft und Fischerei, 1926–1929 Vizekönig von Britisch-Indien, Juli 1932 bis Juni 1935 Minister für Unterricht, 1935–1938 Vorsitzender des britischen Oberhauses, Juni bis November 1935 Kriegsminister, November 1935 bis Mai 1937 Lordsiegelbewahrer, Mai 1937 bis Februar 1938 Vorsitzender des Geheimen Rats, Februar 1938 bis Dezember 1940 Außenminister, 1941–1946 Botschafter in Washington. H aller, Dr. Gustav 28. Juli 1886 – 2. August 1968 Wien Journalist u. a. beim »Neuen Wiener Tagblatt«. H ammer-Purgstall, A rthur 5. Mai 1890 Graz – 5. Februar 1958 Gmunden/OÖ Diplomat

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1909–1914 Konsularakademie, 1914 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, Konsularattaché, Februar 1917 dem Vertreter des Außenministeriums beim Armeeoberkommando zugeteilt, Februar 1918 an der Gesandtschaft in Budapest, Jänner 1921 abberufen, bis Ende Mai 1921 beurlaubt, dann im Außenamt, 1924 Generalkonsul, August 1925 in den Ruhestand versetzt. H ammerschmid, Dr. jur. Fr anz 17. Dezember 1906 Melk/NÖ – 13. April 1939 Petronell/NÖ (Autounfall) NS-Funktionär Rechtsanwaltsanwärter, 1924 Mitglied der NSDAP, stellte in Melk eine SA-Abteilung auf, ab 11. März 1938 Leiter des Stabs von Seyß-Inquart als SS-Sturmbannführer, verhandelte in der Slowakei, kam gemeinsam mit Fritz Flor bei einem Autounfall ums Leben. H ammerstein-Equor d, H ans 5. Oktober 1881 Sitzental/OÖ – 9. August 1947 Pernlehen/Micheldorf/OÖ Beamter und Politiker Jus-Studium, 1905 in den Verwaltungsdienst des Landes Oberösterreich, 1914–1918 Kriegsdienst, 1923–1934 Bezirkshauptmann von Braunau am Inn, Jänner bis Juli 1934 Sicherheitsdirektor für Oberösterreich, Juli 1934 bis Oktober 1935 Staatssekretär für die Angelegenheiten des Sicherheitswesens, August 1934 Hofrat, Oktober 1935 Einberufung in das Bundeskanzleramt, Dezember 1935 Sektionschef, Mai bis November 1936 Bundesminister für Justiz, ab 4. Dezember 1936 Bundeskommissär für Kulturpropaganda im Bundesministerium für Unterricht, 1938 Vizepräsident der RadioVerkehrs-AG (RAVAG), 20. April 1938 Zwangspensionierung, 1943–1944 im Bauamt Kirchberg beschäftigt, Juli 1944 verhaftet, bis Oktober 1944 Haft in Linz, danach Arbeitserziehungslager Schörgenhub bei Linz, 2. bis 5. Mai im KZ Mauthausen, Jänner bis Dezember 1946 reaktiviert, jedoch krankheitshalber gleichzeitig beurlaubt. H ammerstein-Equor d, Kurt Freiherr von 26. September 1878 Hinrichshagen/Mecklenburg – 24. April 1943 Berlin deutscher Offizier 1898 in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in die Reichswehr, Gegner des Kapp-Putsches, Vertreter der Reichswehr bei den Fememord-Prozessen, Oktober 1929 bis Oktober 1930 Chef des Truppenamtes im Reichswehrministerium, November 1930 bis Jänner 1934 General der Infanterie und Chef der Heeresleitung, 1934 als Generaloberst zurückgetreten, Kontakt mit Vertretern des militärischen Widerstands, 1939 reaktiviert, Chef der Armee-Gruppe A im Westen, danach nach Breslau versetzt, 24. September 1939 ohne Kampfeinsatz auf persönliche Weisung Hitlers seines Kommandos enthoben und in den Ruhestand versetzt.

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H ampel, Dr. Ernst 18. August 1885 Bodenstadt/Mähren – 23. Jänner 1964 Oberfellabrunn/NÖ Lehrer und Politiker (GdVP) Lehrer und Schuldirektor, November 1920 bis November 1923, Jänner 1924 bis Oktober 1930 und Dezember 1930 bis Mai 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, Vorsitzender des Parlamentsklubs des Nationalen Wirtschaftsblocks und Vorsitzender des Gesamtklubs der Großdeutschen Abgeordneten, Parteibeauftragter und kommissarischer Leiter des niederösterreichischen Landesgewerbeverbandes, Mitglied des Reichsvollzugsausschusses der Großdeutschen Volkspartei und Präsident des Deutschen Handels- und Gewerbebundes für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Parteibeauftragter und kommissarischer Leiter des niederösterreichischen Landesgewerbeverbandes, 1934 Regierungsrat, 12. November 1934 als Hauptschullehrer aus politischen Gründen in den dauernden Ruhestand versetzt, im selben Jahr vorübergehend inhaftiert, ab 1938 SA-Führer und Gauführerstellvertreter im Handels- und Gewerbering, 1938–1945 Propagandist im Gau »Niederdonau«, Kreis Hollabrunn, nach 1945 lebte er zurückgezogen. H anak, A nton 22. März 1875 Brünn – 7. Jänner 1934 Wien Bildhauer Lehrer an der Wiener Kunstgewerbeschule, 1932 Professor an der Wiener Akademie, ab 1915 Liaison mit Helene Koenig, seiner Schülerin und Muse, 1928 Legat, in dem er seinen gesamten künstlerischen Nachlass Helene Koenig vermachte. H anneken, Hermann Konstantin A lbert von 5. Jänner 1890 Gotha – 22. Juli 1981 Herford deutscher Offizier 1908 Eintritt in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in die Reichswehr, bis 1920 im Reichswehrministerium, 1924–1927 im Reichswaffenamt, 1927– 1930 Kompaniechef, 1935 Regimentskommandeur, 1936–1939 Chef des Stabs des Heereswaffenamtes, Juli 1937 Generalbevollmächtigter für die Eisen- und Stahlwirtschaft, 1940 Generalleutnant und Unterstaatssekretär im Reichswirtschaftsministerium, 1941 General der Infanterie, September 1943 bis Jänner 1945 Militärbefehlshaber in Dänemark, Jänner 1945 wegen Korruptionsvorwürfen seines Kommandos enthoben, 12. April 1945 Verurteilung zu acht Jahren Gefängnis, 17. April 1945 nach Eingreifen Hitlers wieder zum Major befördert, 1948 in Kopenhagen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, 1949 Freispruch. H ans / H ansi siehe Wildner, Hans und Johann.

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H ansen, Georg A lex ander 5. Juli 1904 Sonnefeld bei Coburg – 8. September 1944 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Offizier zwei Semester Jus-Studium, 1924 in die Reichswehr, 1926 und 1927 bei der Infanterieschule, 1931 zur Bayerischen Kraftfahrabteilung in Fürth, 1934 zur Stabskompanie in München versetzt, 1935 an die Kriegsakademie in Berlin-Moabit (Bekanntschaft mit Claus Schenk von Stauffenberg), Sprachausbildung für Tschechisch mit Dolmetscherabschluss, Juli 1937 ins Reichskriegsministerium nach Berlin, Ende 1937 Akademieabschluss und Versetzung in die Abteilung Spionageabwehr und Auslandsaufklärung (Abteilung fremde Heere), September 1939 Einsatz beim Überfall auf Polen, Mai 1940 Fronteinsatz in Belgien, Frankreich und Holland, November 1940 Gruppenleiter in der Abteilung I mit Dienstsitz in Zossen, Dienstreisen nach Budapest, Sofia, Saloniki und in den Irak, 1943 Chef der Abteilung 1, zuständig u. a. für die nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung aus Süd-Ost-Europa, kurz vor seiner Entlassung im Februar 1944 Chef der militärischen Abwehr, Mai 1944 Unterstellung seines Amtes unter das Reichssicherheitshauptamt, ab Juni 1944 mit der Bezeichnung »Amt Militär«, ab 1943 an der Planung des Hitlerattentats mitgewirkt, 22. Juli 1944 Verhaftung, am 10. August zum Tode verurteilt. H arriman, William Averell 15. November 1891 New York – 26. Juli 1986 Yorktown Heights/Westchester County US-Diplomat und Politiker (Demokratische Partei) aus vermögender Familie, Bankier und Industrieller, ab 1934 Beraterfunktionen in Wirtschaftsgremien für die Regierung, 1941 Sondergesandter in Europa, 1943–1946 Botschafter in Moskau, Naheverhältnis zu Stalin, April bis Oktober 1946 Botschafter in Großbritannien, Oktober 1946 bis April 1948 Handelsminister, April 1948 bis 1953 Koordination des Marshallplans, Jänner 1955 bis 1958 Gouverneur von New York, bis 1976 mit außenpolitischen Aufgaben auf höchster Ebene betraut, u. a. leitete er die Abteilung für Ostasien und Pazifik unter John F. Kennedy. H artlieb, Dr. jur. Wla dimir 19. Februar 1887 Görz – 2. September 1951 Werfen/Salzburg Schriftsteller und Journalist Jus-Studium, 1910 Promotion zum Dr. jur., nach kurzer Anstellung im Staatsdienst freier Schriftsteller, Journalist und Theaterkritiker in Wien, Anhänger von Othmar Spann, wegen seiner jüdischen Ehefrau zeitweise Schreibverbot, 1938 Scheidung, den Antrag um Aufnahme in die NSDAP zog er selbst zurück, nach 1941 auf Distanz zum Nationalsozialismus.

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H assell, Ulrich von 12. November 1881 Anklam/Vorpommern – 8. September 1944 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Diplomat 1899–1902 Jus-Studium, 1903 in den preußischen Justizdienst, Juni 1905 bis Juni 1906 in Tsingtau, 1909 Einberufung in den Auswärtigen Dienst (konsularische Laufbahn), 1910–1914 am Generalkonsulat in Genua, 1914–1915 Kriegsdienst, Verwundung, 1915 in den preußischen Verwaltungsdienst, 1919 Wiedereinberufung in den Auswärtigen Dienst, 1919–1920 Geschäftsträger in Rom, 1921–1926 Generalkonsul in Barcelona, 1926–1930 Gesandter in Kopenhagen, 1930–1932 in Belgrad, 1932 bis Februar 1938 Botschafter in Rom, 17. Februar 1938 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand (im Zuge der »Blomberg-Fritsch-Affäre«), 1933 Mitglied der NSDAP, September 1939 Sonderauftrag (Rundreise in den skandinavischen Hauptstädten zur Erörterung von Fragen der Handels- und Neutralitätspolitik), 1940–1943 Tätigkeit im Vorstand des Interessenverbandes für den Handel mit den Balkanstaaten und beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Februar 1943 Versetzung in den Ruhestand, Mitglied des deutschen Widerstandes, Juli 1944 Verhaftung, 8. September 1944 vom Volksgerichtshof wegen »Hoch- und Landesverrats« zum Tode verurteilt. H asslacher, Fr anz 20. November 1884 Bärnbad/Kärnten – 13. Mai 1951 Wolfsberg/Kärnten Unternehmer 1904 bis 1918 Tätigkeit bei den Staatsbahnen, danach vielfältige Wirtschaftsfunktionen, u. a. Generaldirektor der Holzgenossenschaft »Norica« in Villach, Mitglied der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Klagenfurt, seit 1926 Mitglied der Verwaltungskommission der Österreichischen Bundesbahnen, seit 1927 Vizepräsident des Kärntner Industriellenverbandes und Ausschussmitglied des Hauptverbandes der Industrie Österreichs in Wien, 1932 Ernennung zum Kommerzialrat, seit 1933 Vorstandsmitglied der Österreichischen Creditanstalt für Handel und Gewerbe in Wien, 1933–1938 Präsident des Holzwirtschaftsrats in Wien. H auenschield-Bauer, Eugen 25. September 1887 Wien – 5. Oktober 1946 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1910 in den Staatsdienst bei der Statthalterei Wien, 1911 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1913–1914 an der Botschaft in Tokio, 1914–1918 Kriegsdienst, 1920 im Außenamt, März 1920 bis Oktober 1921 Delegierter bei der Interalliierten Militärkommission in Ödenburg, 1921–1927 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, März 1927 bis Dezember 1932 an der Gesandtschaft in Warschau, 1932–1934 im Bundeskanzleramt/Auswärtige An-

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gelegenheiten, Oktober 1934 bis 14. März 1938 ao. Gesandter und bev. Minister in Bukarest, April 1938 bis April 1939 bei der Reichsstatthalterei Wien tätig, 30. April 1939 Versetzung in den Ruhestand. Hecht, Dr. jur. Robert 9. März 1881 Wien – 30. Mai 1938 KZ Dachau (ermordet oder Suizid) Beamter Jus-Studium, 1905 Promotion zum Dr. jur., 1906 Eintritt in den Staatsdienst bei Wiener Bezirksgericht, ab 1911 Richter in Bad Ischl, ab 1914 Kriegsdienst, 1917 in das Heeresministerium berufen, 1919 Abteilungsleiter, Berater des Heeresministers Carl Vaugoin, ab April 1923 Leiter des Rechtsbüros, führend bei der »Entpolitisierung« des Heeres und aller wesentlichen Gesetze, 1925 Sektionschef, 1933 Führer der Delegation bei der Abrüstungskonferenz, ab 1932 Berater von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, November 1933 bis 1938 Vizegouverneur der Postsparkasse, ab 1936 Leiter, am 12. März 1938 verhaftet, am 1. April 1938 in das KZ Dachau deportiert. Hefter, Dr. phil. A dam 6. Dezember 1871 Stetten bei Prien/Oberbayern – 9. Jänner 1970 Prien Priester 1894 Priesterweihe, 1896 Studium der klassischen Philologie an Universität Innsbruck, 1901 Promotion zum Dr. phil., Lehrtätigkeit an verschiedenen Gymnasien, 1914–1939 Fürstbischof von Gurk-Klagenfurt, deutsch-national gesinnt. Heigl, Dr. phil. Paul (Pseudonym Hergeth, Friedrich) 29. April 1887 Marburg an der Drau – 8. April 1945 Wien (Suizid) Historiker und Bibliothekar Studium der Geschichte und Geografie an der Universität Graz, 1910 Promotion zum Dr. phil., Ausbildung zum Archivar am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, 1914–1918 Kriegsdienst, Bibliothekar an der Universitätsbibliothek in Wien, 1927 Veröffentlichung einer antisemitischen Schrift unter dem Pseudonym Friedrich Hergeth, Mai 1933 Mitglied der NSDAP und SS (Standartenführer 1942), August 1934 wegen Hochverrats verhaftet, Juli 1935 als politischer Flüchtling nach Deutschland, Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Greifswald, danach an die Preußische Staatsbibliothek in Berlin, am 12. März 1938 von Arthur Seyß-Inquart nach Wien beordert, 16. März 1938 bis 1945 Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek, »säuberte« die Bibliothek und eignete sich zahlreiche beschlagnahmte Bücher an, April 1941 zum Kommissar für die wissenschaftlichen Bibliotheken im besetzten Jugoslawien ernannt, im Beirat der »Forschungsabteilung Judenfrage« im NS-Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands, Spitzeldienste für den Sicherheitsdienst.

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Hein, Gerh ar d (ursprünglich Gerh ar d Fr anz Philippczyk, 1938 Namensänderung) 9. Juli 1916 Klein Paniow/Oberschlesien – 6. Juni 2008 Harrislee/Schleswig-Holstein deutscher Offizier Lehre zum Revier-Steiger im Bergbau, 1931 Mitglied der Hitlerjugend, 1933–1934 im Reichsarbeitsdienst, 1936–1938 in der Wehrmacht, 1940 Mitglied der NSDAP, ab 1939 u. a. Teilnahme am Westfeldzug und an der Ostfront, nach dreimaliger Verwundung nicht mehr fronteinsatzfähig, erhielt von Gauleiter Greiser einen Bauernhof im Landkreis Gnesen/Wartheland (»Wehrbauer«), fungierte aber ab Oktober 1942 im Rang eines Bann-, später eines Oberbannführers als Reichsinspekteur der Wehrertüchtigungslager der Hitlerjugend, maßgeblich am Aufbau der 12. SS-Panzer-Division »Hitlerjugend« beteiligt, übernahm ein Kommando in der Befehlsstelle »Adria Küstenland«, Mai 1944 Mitglied der Waffen-SS, als SS-Hauptsturmführer kommandierte er ein Bataillon, ab Jänner 1945 als SS-Sturmbannführer ein Regiment der 12. SS-Panzerdivision »Hitlerjugend« in Ungarn, April 1945 zum Stab des Generalfeldmarschalls Ernst Busch bei der Regierung Dönitz versetzt, ab 1945 aktiv in Soldaten- und Veteranenverbänden, u. a. 1951–1953 Geschäftsführer des Führungsrings ehemaliger Soldaten. Heinl, Dr. h. c. Eduar d 9. April 1880 Wien – 10. April 1957 Wien Beamter und Politiker (ChP/ÖVP) 1898 Eintritt in den Dienst des Magistrats der Stadt Wien, nebenberuflich im Sekretariat der Christlichsozialen Partei, 1908 Landesinspektor für die Gewerbeförderung Niederösterreichs, ab 1910 Direktor, 1919–1938 im Gewerbeförderungsinstitut der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Wien, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, 1920 bis 2. Mai 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, Juli bis November 1920 Staatssekretär für Handel, Gewerbe, Industrie und Bauten, 1920 bis Juni 1921 Bundesminister für Handel, 1926 bis 1938 Präsident der Radio-Verkehrs-AG (RAVAG), September 1930 bis Mai 1932 Bundesminister für Handel und Verkehr, 1935–1938 Präsident der Wiener Messe AG, 1938 Enthebung von allen Funktionen, März bis 9. April 1938 in Polizeihaft und 1944/1945 Gestapohaft, während des Krieges in der Privatwirtschaft tätig, 27. April bis 20. Dezember 1945 Staatssekretär für Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr (ÖVP), Mai 1946 bis Februar 1948 Bundesminister für Handel und Wiederaufbau, 1946 Präsident der österreichischen Liga für die Vereinten Nationen, 1946 Präsident der Wiener Messe AG, 1946–1957 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Creditanstalt-Bankverein, Direktor der Niederösterreichischen Handelskammer, 1952–1955 Finanzreferent der ÖVP.

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Heinrich I. um 876 – 2. Juli 936 Memleben ostfränkisch-deutscher König verfestigte seinen Herrschaftsbereich bzw. seine Königsherrschaft am Übergang von der karolingischen Staatlichkeit zur ottonischen Königsherrschaft, u. a. gelang ihm die Einigung und Stabilisierung des Reiches, durch die Errichtung von »Marken« wurde die Kontrolle der slawischen Völker geregelt, im 19. Jahrhundert Gegenstand eines Historikerstreits (»Sybel-Ficker-Streit«), in dem es um die nationale Gestaltung Deutschlands zwischen »großdeutscher« und »kleindeutscher« Lösung ging. Heinrichsbauer, August 15. Juni 1890 Bochum – 6. Dezember 1977 Bonn deutscher Wirtschaftsjournalist abgebrochenes Jus- und Volkswirtschafts-Studium, ab 1920 Herausgeber des »Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsdienstes«, ab 1931 Mitglied der Gesellschaft zum Studium des Faschismus, 1940 Hauptgeschäftsführer der Südosteuropa-Gesellschaft in Wien (durch Reichsminister Walther Funk), 1943 Hauptgeschäftsführer des Oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins, nach 1945 von der deutschen Schwerindustrie gefördert, publizistisch tätig. Helldorff, Gr af Wolf-Heinrich von 14. Oktober 1896 in Merseburg – 15. August 1944 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst (u. a. Dolmetscheroffizier), danach Angehöriger mehrerer Freikorps, 1921–1928 Bewirtschaftung seines Gutes (1931 Bankrott), 1924–1928 und 1932 Mitglied des Preußischen Landtags, 1930 Mitglied der NSDAP, 1931 Mitglied der SA, 1933–1944 Mitglied des Reichstags, Polizeipräsident von Potsdam, 1935–1944 von Berlin (Erpressung von Juden durch sogenannte »HelldorffSpende«), Kontakte zu Widerstandskreisen, wegen seiner Teilnahme am Juli-Putsch 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Heller, Dipl.-Ing. Erich 23 September 1886 Urfahr/OÖ – 11. Mai 1958 Weiler/Vorarlberg Fachmann auf dem Gebiet der Energiewirtschaft Studien an der Technischen Hochschule in Wien, Assistent an der Technischen Hochschule, 1918 Eintritt in den Dienst bei der A.E.G.-Union-Elektrizitätsgesellschaft in Wien, Mai 1924 Direktor der Tiroler Wasserkraft AG, 1929 Eintritt in die Bundesbahnen als Beschaffungsdirektor, 1930 Industrie-Konsulent der Creditanstalt, Mitglied in den Verwaltungsräten zahlreicher Unternehmungen, 1934 Vizepräsident der DDSG und Direktor der CA, während des Krieges in Berlin, weiterhin zahlrei-

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che Wirtschaftsfunktionen, u. a. Vorstand der Reichs-Kredit-Gesellschaft AG Berlin, der Vereinigten Industrie-Unternehmungen AG Berlin, stellvertretender Vorstand des Aufsichtsrats der Alpen-Elektrowerke AG Wien sowie Aufsichtsrat in vierzehn weiteren Industrieunternehmungen. Hely keine Information Priester. Hencke, Dr. jur. A ndor 14. Juli 1895 in Berlin – 31. Jänner 1984 Kreuth-Weißach deutscher Diplomat 1914–1922 im preußischen bzw. deutschen Militärdienst, 1922 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1922–1929 in Moskau persönlicher Referent des Botschafters, 1930 an der Gesandtschaft Kowno, 1931–1933 im Auswärtigen Amt in der Abteilung VI (Kultur), 1933–1935 Konsul in Kiew, 1935 Mitglied der NSDAP, 1935 im Auswärtigen Amt, September 1936 an der Gesandtschaft in Prag, 16. September 1938, deutscher Geschäftsträger in Prag, April 1939 Vertreter des Auswärtigen Amtes beim Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, Oktober 1939 Delegationsleiter in der »Gemischten Zentralkommission des Deutschen Reiches und der UdSSR für Grenzfragen« in Moskau, April bis Juni 1940 in Kopenhagen, Juni 1940, nach der Kapitulation Frankreichs, Vertreter des Auswärtigen Amtes bei der Deutschen Waffenstillstandskommission in Wiesbaden, zum Gesandten befördert, nahm bis Ende 1942 Sonderaufträge in der »Informationsstelle III« des Auswärtigen Amtes wahr, Jänner 1943 stellvertretender Botschafter in Madrid, März 1943 ins Auswärtige Amt zurückberufen, Leiter der Politischen Abteilung, zuletzt Ministerialdirigent mit der Amtsbezeichnung Unterstaatssekretär, 21. April 1945 Evakuierung nach Fuschl, ab 3. Mai 1945 in Flensburg-Mürwik, bis Ende 1947 von den Alliierten interniert, danach Sachbearbeiter im Finanzamt Reutlingen, später Verwalter eines Weingutes, seit 1951 Wohnsitz in München, Osteuropa-Berater der Bundesregierung. Henderson, Sir Nevile 10. Juni 1882 Sedgwick Park/Horsham/Sussex – 30. Dezember 1942 London britischer Diplomat ab 1905 im diplomatischen Dienst, Botschafter in Belgrad, St. Petersburg, Tokio, Rom, Paris, 1922–1924 Hochkommissar in Konstantinopel, 1924–1928 Ministerresident bzw. Botschafter in Kairo, 1928–1929 in Paris, 1929–1935 in Belgrad, ab 1935 in Buenos Aires, 1937–1939 Botschafter in Berlin, danach keine Verwendung mehr.

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Henlein, Konr a d 6. Mai 1898 Maffersdorf/Reichenberg/Böhmen – 10. Mai 1945 Pilsen (Suizid) sudetendeutscher Politiker 1916 Kriegsdienst, 1917 in italienischer Kriegsgefangenschaft, 1919 Bankbeamter in Gablonz, 1925 Turnlehrer im Deutschen Turnerverband, 1931 Führer des Gesamtverbandes, 1933 Gründer der Sudetendeutschen Heimatfront, der späteren Sudetendeutschen Partei (1935), enge Kontakte zur NSDAP, forcierte 1938 in Absprache mit Hitler die »Sudetenkrise«, ab Oktober 1938 bis 1945 Gauleiter und Reichsstatthalter im neuen »Sudetengau«, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 1939 Mitglied der NSDAP, SS-Obergruppenführer (1943), November 1942 bis Mai 1945 Reichsverteidigungskommissar, nach Kriegsende US-Gefangenschaft und Suizid. Hennecke, Walter 23. Mai 1897 Betheln/Hannover – 1. Jänner 1984 Bad Lippspringe deutscher Marineoffizier 1915 Eintritt in die Marine, nach dem Ersten Weltkrieg aus der Marine entlassen, August 1920 Aufnahme in die Vorläufige Reichsmarine, Oktober 1924 bis September 1925 an der Technischen Universität Berlin, danach bis September 1927 Lehrer an der Schiffsartillerie-Schule in Kiel-Wik, Oktober 1927 bis Oktober 1929 Kommandeur auf einem Schulschiff, Oktober 1929 bis Oktober 1933 wieder Lehrer an der Küstenartillerieschule, danach Kommandeur verschiedener Einheiten, November 1938 bis Juli 1940 auf dem Leichten Kreuzer Nürnberg, August 1940 bis April 1943 Leiter der Schule in Kiel-Wik, April 1943 Kommandeur der Seeverteidigung Normandie, März 1944 Konteradmiral, im Juni 1944 an der vollständigen Zerstörung des Hafens von Cherbourg beteiligt, Kapitulation, in US-Kriegsgefangenschaft (erhielt in der Kriegsgefangenschaft das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen). Hennet, Dr. jur. Leopold 10. Mai 1876 Gaaden/NÖ – 27. März 1950 Wien Beamter und Politiker 1907 Eintritt in das Ackerbauministerium, ab 1914 der Gesandtschaft in Bern zugeteilt, Oktober 1917 bis Oktober 1918 Leiter der Handelspolitischen Abteilung im Ackerbauministerium, November 1918 dem bevollmächtigten Vertreter Deutschösterreichs in Bern zugeteilt, ab 1919 erneut Leiter der Handelspolitischen Abteilung, Juni 1921 bis Mai 1922 Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Jänner 1922 bis Mai 1922 Bundesminister mit den Agenden des Bundesministeriums für Äußeres betraut, 1922 Sektionschef, 1928–1932 Leiter der Sektion II (Landwirtschaft, Tierzucht, Handelspolitik und Ernährungswesen), 1932 als I. Sektionschef ständiger Vertreter des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Oktober 1932 bis 1936 ao. Gesandter und bev. Minister in Budapest, 1937 Versetzung in den dauernden

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Ruhestand, 1938 Präsident der Österreichischen Casino AG in Wien, 1938–1942 Verwaltungsrat der STUAG, Wien. Her degen keine Information Rechtsanwalt. Her degen Frau keine Information. Herrmann, H ans-Joachim 1. August 1913 Kiel – 5. November 2010 Düsseldorf deutscher Offizier und Rechtsanwalt ab Mai 1933 bei der Hamburger Polizei, August 1935 zur neu gebildeten Luftwaffe, August 1936 bis April 1937 Bomberpilot der Legion »Condor« im Spanischen Bürgerkrieg, Juni 1940 bis Oktober 1940 Staffelkapitän eines Kampfgeschwaders bei der Luftschlacht um England, ab Oktober 1940 bei verschiedenen Kampfgeschwadern im Mittelmeerraum und in Norwegen, Juni 1943 entwickelte er neue Abwehrmethode gegen alliierte Nachtbomberangriffe, März bis September 1944 Kommandeur der 1. Jagddivision, Inspekteur der Nachtflieger/Nachtjäger, Vertrauter Hermann Görings, mit Sonderaufgaben betraut, Mai 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft, Oktober 1955 Rückkehr nach Deutschland, Jus-Studium, ab 1965 Rechtsanwalt in Düsseldorf, Verteidiger von Alt- und Neonazis, Holocaustleugnern und Rechtsextremisten, publizierte zum Zweiten Weltkrieg. Herz, Fr au keine Information. Herzfeld, Emmerich 15. Juli 1880 Smyrna/Izmir – 19. Oktober 1941 Wien Diplomat 1900–1905 Konsularakademie, 1905–1906 bei Gerichtsbehörden in Triest, 1906– 1911 dem Konsulat in Chania zugeteilt, 1912–1913 in Saloniki, 1914–1915 in Venedig, 1915–1916 der Gesandtschaft in Sofia zugeteilt, anschließend 1916 temporär dem Armeeoberkommando zur Verfügung gestellt, 1916 temporär dem Konsulat in Bukarest zur Verfügung gestellt, 1916–1917 am Honorarkonsulat Dresden, 1917–1921 am Generalkonsulat in Berlin, 1921–1923 an der Gesandtschaft in Prag, 1924–1928 Leiter des Konsulats in Agram, 1928–1931 Leiter des Generalkonsulats in Triest, Dezember 1931 bis Mai 1933 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angele-

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genheiten, Abteilung 13 Pol, Juni bis November 1933 interimistischer Geschäftsträger der Gesandtschaft in Bern, danach bis November 1934 an Gesandtschaft in London, Dezember 1934 bis August 1936 Gesandter in Sofia, danach wieder im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, 31. August 1938 Versetzung in den dauernden Ruhestand, November 1939 Entlassung. Heß, Rudolf 26. April 1894 Alexandria/Ägypten – 17. August 1987 Berlin-Wilhelmstadt (Suizid) deutscher Politiker kaufmännische Ausbildung in Hamburg, 1914–1918 Kriegsdienst (Fliegeroffizier), 1919 Studium der Volkswirtschaft, Geografie und Geopolitik in München, 1920 Mitglied der NSDAP, 1923 am Münchner Hitler-Putsch beteiligt, zu Festungshaft verurteilt, Assistent an der Universität München, 1925–1932 Hitlers Privatsekretär, 1933 Reichsminister ohne Geschäftsbereich und Stellvertreter Hitlers in der Parteiführung, 1933–1941 Mitglied des Reichstags, Februar 1938 Mitglied des Geheimen Kabinettsrats, im August 1939 Mitglied des Ministerrats für die Reichsverteidigung, am 10. Mai 1941 Flug nach Großbritannien, um die britische Regierung zu einem Friedensschluss zu bewegen, interniert, Überstellung 1945, im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) 1946 zu lebenslanger Haft verurteilt, 1987 Tod im Kriegsverbrechergefängnis Spandau durch Suizid. Hessen, Philipp Prinz von 6. November 1896 Schloss Rumpenheim/Offenbach – 25. Oktober 1980 Rom deutscher Diplomat Prinz aus der Linie Hessen-Kassel des Hauses Hessen, 1914 Kriegsfreiwilliger, 1930 Mitglied der NSDAP und der SA, ab 1933 Oberpräsident der preußischen Provinz Hessen-Nassau, Schwiegersohn des italienischen Königs, in diplomatischen Diensten außerhalb der offiziellen Kanäle, an der Botschaft in Rom tätig, vermittelte zwischen Hitler und Mussolini (u. a. beim »Anschluss« Österreichs 1938), Verbindungsmann zu Regierungskreisen, September 1943 verhaftet (Verdacht der Nachrichtenübergabe an den italienischen König), nach Königsberg und dann in die Berliner Gestapo-Zentrale überstellt, 12. September 1943 bis 15. April 1945 Sonderhäftling im KZ Flossenbürg, bei Kriegsende als SS-Geisel nach Niederdorf (Südtirol) gebracht, von US-Truppen gefangen genommen und in verschiedenen Lagern interniert, 1947 freigelassen. Heuritsch, Josef 14. März 1884 Dross/NÖ –   ? Kammerfunktionär

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1907 Eintritt in den Dienst der Wiener Handels- und Gewerbekammer, im März 1915 dem Kriegsministerium zugeteilt, Tätigkeit in der Textilabteilung sowie Leiter der Gruppe für Pflanzenfaserstoffe und Seide, ab 1918 Direktionssekretär des deutsch-österreichischen Warenverkehrsbüros, ab September 1919 dessen stellvertretender Direktor, März bis Mai 1921 Direktor, April 1921 bis Dezember 1922 Liquidator des Warenverkehrsbüros, 16. November 1921 Ernennung zum Mitglied der Bankenkommission als Vertreter der Großdeutschen Partei, ab 1923 erneut im Dienst der Handelskammer, Leiter der Zollabteilung, September 1924 Verleihung des Titels »Kommerzialrat«, Wirtschaftsberater im Generalgouvernement in Krakau. Hewel, Walther 25. März 1904 Köln – 2. Mai 1945 Berlin (Suizid) deutscher Diplomat und Politiker 1923 Studien in München, 1923 Teilnahme am Münchner Hitler-Putsch, 1923 Mitglied der NSDAP (1933 Neueintritt), 1924 Haft, 1925–1926 Volontär bei einem Import- und Exporthaus in Hamburg, einjähriger Aufenthalt in England, 1927–1936 Pflanzer und Kaufmann auf Java, 1937 Mitglied der SS (Brigadeführer 1942), ab Februar 1937 Hauptreferent für deutsch-britische Angelegenheiten in der Dienststelle Ribbentrop, Februar 1938 Chef des Persönlichen Stabs von Reichsaußenminister von Ribbentrop, Juni 1938 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, September 1940 Gesandter I. Klasse, als Ministerialdirigent Ständiger Beauftragter des Reichsaußenministeriums beim Führer, März 1943 Botschafter zur besonderen Verwendung im Rang eines Staatssekretärs. Heydrich, Reinh ar d 7. März 1904 Halle an der Saale/Sachsen – 4. Juni 1942 Prag (Attentat) deutscher NS-Funktionär und Politiker Oberleutnant zur See, 1931 wegen eines ehrengerichtlichen Verfahrens entlassen, Juli 1931 mit dem Aufbau eines Nachrichtendienstes betraut, Mitglied der SS (SSGruppenführer 1934), 1932 Chef des Sicherheitsdienstes (SD) der Reichsführung SS, Februar 1933 Mitglied der Delegation bei der Abrüstungskonferenz in Genf, März 1933 im bayerischen Polizeidienst, April 1933 Chef der gesamten politischen Polizei in Bayern, 1934 Leiter des Geheimen Staatspolizeiamtes, 1936 Leiter der Sicherheitspolizei und Chef der Gestapo, 1936–1942 Mitglied des Reichstags, 1939–1942 Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, SS-Obergruppenführer und General der Polizei (1941), ab September 1941 stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren.

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Hilbert, Dr. jur. Egon 19. Mai 1899 Wien – 18. Jänner 1968 Wien Presseattaché, Theater- und Opernintendant Jus-Studium an der Universität Wien, 1924 Promotion zum Dr. jur., Eintritt in den Staatsdienst (Polizeijurist), 1926 in das Kulturreferat beim Bundespressedienst, 1935 Presseattaché der österreichischen Botschaft in Prag, mit kulturpolitischen Aufgaben betraut, am 18. März 1938 verhaftet, am 1. April mit dem sog. »Prominententransport« in das KZ Dachau deportiert, 1945 befreit, 1945 vorübergehend provisorischer Leiter des Salzburger Landestheaters, aktiv für eine Reorganisation der Salzburger Festspiele, 1946–1953 Leiter der Bundestheaterverwaltung, 1954–1959 Leiter des Österreichischen Kulturinstituts in Rom, 1959–1963 Generalintendant der Wiener Festwochen, September 1963 bis 1968 Staatsoperndirektor. Hilgenreiner, Dr. phil. Dr. theol. K arl 22. Februar 1867 Friedberg/Hessen – 9. Mai 1948 Wien Priester, Moraltheologe und Politiker 1891 Priesterweihe, 1888 Promotion zum Dr. phil. und 1892 zum Dr. theol., 1898 ao. Professor für Kirchenrecht und christliche Gesellschaftslehre an der Karls-Universität Prag, 1905 ordentlicher Professor und mehrfach Dekan und Rektor, Herausgeber der Zeitschriften »Katholikenkorrespondenz« und »Zeitenwächter«, 1920–1938 Senator im Parlament (»Deutsche Christliche Volkspartei«), ab 1927 Parteivorsitzender, 1938 wurde die Partei in die Sudetendeutsche Partei von Konrad Henlein eingegliedert, verurteilte 1939 öffentlich die Okkupation und die Repressionen gegen die Kirche, unter Polizeiaufsicht gestellt, 1944 in ein KZ für Priester eingeliefert, nach der Befreiung in der Tschechoslowakei inhaftiert, 1946 nach Österreich abgeschoben, wo er als Hilfskaplan arbeitete. Himmelreich, Dr. Josef 4. November 1905 Gelsenkirchen – nach 1948 deutscher Journalist 1932 Schriftleiter der »Freisinger Nachrichten«, 1933 Mitglied der NSDAP, NSObersturmführer ehrenhalber, 1933–1945 im Reichsverband der Deutschen Presse und in der Reichskulturkammer, 1934 Schriftleiter des Katholischen Preßvereins München, 1938 Pressereferent beim Münchner Reichsstatthalter, 1938 in Wien, beeinflusste mit Bürckel am 21. März 1938 die »Feierliche Erklärung der österreichischen Bischöfe«, der »Heil-Hitler-Gruß« von Kardinal Innitzer wurde in der Folge propagandistisch verwendet, 1945 Pressereferent und kaufmännischer Angestellter bei Panoramagesellschaft in Altötting.

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Himmler, Heinrich 7. Oktober 1900 München – 23. Mai 1945 bei Lüneburg in einem Gefangenenlager (Suizid) deutscher Politiker 1917–1918 Militärdienst, ab 1918 Studium an der Technischen Hochschule München (Landwirtschaft), 1922 Diplom, in einer Düngemittelfabrik tätig, 1923 ohne Anstellung, 1923 Teilnahme am Hitler-Putsch, 1925 Mitglied der NSDAP, 1925 stellvertretender Gauleiter von Niederbayern, 1926 von Oberbayern, 1926–1930 stellvertretender Reichspropagandaleiter, 1928 erfolgloser Betreiber einer Hühnerfarm, Jänner 1929 bis 29. April 1945 Reichsführer der SS, 1930–1945 Mitglied des Reichstags, 1933 Polizeipräsident in München, Errichtung des KZ Dachau und Organisation der politischen Polizei für ganz Deutschland, seit 1934 stellvertretender Chef der Gestapo, 1936–1943 Staatssekretär im Reichsinnenministerium, August 1943 bis 1945 Reichsinnenminister, Juli 1944 bis 1945 Oberbefehlshaber des Ersatzheeres und der Heeresrüstung, Organisierung des Volkssturms, 28. April 1945 von Hitler aller Ämter enthoben und aus der NSDAP ausgeschlossen, in britischer Gefangenschaft Selbstmord. Hindenburg, Osk ar von Beneckendorff und von 31. Jänner 1883 Königsberg/Preußen – 12. Februar 1960 Bad Harzburg deutscher Offizier ab 1903 in der Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, Oktober 1923 Taktiklehrer an der Kavallerieschule in Hannover, Mai 1925 Adjutant seines Vaters des Reichspräsidenten, 1933 setzte er sich für die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler ein, August 1934 zur Verfügung gestellt, September 1934 verabschiedet, Rückzug auf das Familiengut Neudeck, Juli 1938 erneut zur Verfügung gestellt (ohne Aufgaben), August 1939 Kommandierender General eines Armeekorps und Befehlshaber im Wehrkreis I, Oktober 1939 Kommandeur einer Division, Jänner 1941 Kommandeur der Kriegsgefangenenlager im Wehrkreis I (Ostpreußen), 1942 Generalleutnant, Dezember 1944 Versetzung in die »Führerreserve«, Februar 1945 verabschiedet, im Nürnberger Prozess Zeuge gegen Franz von Papen. Hindenburg, Paul von Beneckendorff und von 2. Oktober 1847 Posen/Preußen – 2. August 1934 Neudeck/Westpreußen deutscher Generalfeldmarschall und Reichspräsident 1908 in den Ruhestand, bei Kriegsausbruch reaktiviert, 1914 Oberbefehlshaber Ost, 1916–1918 Chef der Obersten Heeresleitung, 1919 aus dem Heeresdienst entlassen, 1925–1934 Reichspräsident, ernannte am 30. Jänner 1933 Hitler zum Reichskanzler.

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Hintze, Paul von 13. Februar 1864 Schwedt/Oder – 19. August 1941 Meran deutscher Marineoffizier und Diplomat 1882 Eintritt in die Marine, 1885–1886 an der Marineschule, 1886–1888 im Ostafrikanischen Kreuzergeschwader, 1898 im Ostasien-Kreuzergeschwader, 1903–1908 Marineattaché für die Nordischen Reiche in St. Petersburg, 1908–1911 Militärbevollmächtigter in St. Petersburg, 1911 als Konteradmiral zur Disposition gestellt für Übertritt in den diplomatischen Dienst, 1911–1913 Gesandter in Mexiko, 1914– 1917 in Peking und 1917 Gesandter in außerordentlicher Mission in Christiania (Oslo, Kriegseintritt Norwegens verhindert), 9. Juli bis 7. Oktober 1918 Staatssekretär im Auswärtigen Amt (Außenminister), 1918 Vertreter des Reichskanzlers beim Kaiser, 1921 Geheimmission in Moskau, 1923–1927 Vorsitzender des Vereins für das Deutschtum im Ausland. Hir anuma, K iichirō 28. September 1867 – 20. August 1952 Tokio (im Gefängnis) japanischer Politiker Jus-Studium, 1911 Präsident des Obersten Gerichtshofes, dann stellvertretender Justizminister, 1923 Justizminister, 1936 Präsident des Privatrats, Jänner 1939 bis August 1939 Ministerpräsident, 1940–1941 Minister ohne Geschäftsbereich, 1941 Innenminister, 1945 Vorsitzender im Geheimrat, 1945 verhaftet, 1948 vom Internationalen Militärgerichtshof zu lebenslanger Haft verurteilt, 1952 begnadigt. Hitler, A dolf 20. April 1889 Braunau am Inn/OÖ – 30. April 1945 Berlin (Suizid) deutscher Reichskanzler und »Führer« ab Juli 1921 Vorsitzender der NSDAP, nach dem gescheiterten Putsch vom November 1923 (»Münchner Bürgerbräu-Putsch«) zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, nach 9 Monaten entlassen, nach der Wiederzulassung der NSDAP im Jänner 1925 gemeinsam mit Otto und Gregor Strasser wieder an der Spitze der Partei, 1932 deutsche Staatsangehörigkeit, 30. Jänner 1933 bis 30. April 1945 deutscher Reichskanzler, 2. August 1934 bis 30. April 1945 auch deutscher Reichspräsident und Oberbefehlshaber der Wehrmacht. Hlavac, Friedrich 10. März 1885 Lemberg/Galizien – 10. Mai 1975 Elsbethen/Salzburg Diplomat 1908 in den Auswärtigen Dienst, 1908–1909 am Konsulat Galatz, 1909–1912 an der Botschaft in Konstantinopel, 1912–1922 im Außenministerium (Völkerrecht), ab 1922 Vorstand der Abteilung 13 Pers, 1933–1938 Direktor der Konsularakademie,

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im deutschen Dienst weiterverwendet, Februar 1939 Überleitung in den Reichsdienst beim Reichsstatthalter in Österreich mit der Amtsbezeichnung Ministerialrat, bis Jänner 1941 (Versetzung in den Wartestand) Direktor der Konsularakademie, bis Dezember 1942 Betreuung der Bibliothek der Konsularakademie, ab Jänner 1943 weiter Tätigkeit bei den verbliebenen Geschäften der Konsularakademie, Februar 1946 Rehabilitierung, 28. Februar 1947 in den Ruhestand versetzt (auf eigenen Wunsch). Hlavac, Wolfgang 10. September 1918 – 1940 (gefallen) Sohn von Friedrich Hlavac. Hlink a, A ndrej 27. September 1864 Černová/Ružomberok – 16. August 1938 Ružomberok slowakischer römisch-katholischer Priester und Politiker 1889 Abschluss des Theologiestudiums, 1889 Priesterweihe, Pfarrer in verschiedenen Städten, zuletzt in Ružomberok, 1897 Redakteur der Zeitschrift »Volksnachrichten«, 1906 Begründer der slowakischen Volksbank, 1907 in Haft, 1910 Begründer der slowakischen Verlagsgenossenschaft in Pressburg, 1918 Mitglied des neugebildeten Slowakischen Nationalrats, 1918 Mitbegründer und Obmann der neu entstandenen »Slowakischen Volkspartei« (ab 1925 »Slowakische Volkspartei Hlinkas«), 1918–1938 Abgeordneter des Parlaments. Hoare, Sir Samuel (Lor d Templewood 1944) 24. Februar 1880 Cromer/Norfolk – 7. Mai 1959 London britischer konservativer Politiker ab 1905 Privatsekretär im Kolonialamt, 1900–1914 Mitglied des Unterhauses, 1924– 1929 Luftfahrtminister, August bis November 1931 Innenminister, November 1931 bis Juni 1935 Staatssekretär für Indien, Juni bis Dezember 1935 Außenminister, Juni 1936 bis Mai 1937 Erster Lord der Admiralität, Mai 1937 bis September 1939 Innenminister, September 1939 bis April 1940 Lordgeheimsiegelbewahrer. Hodža, Dr. phil. Milan 1. Februar 1878 Szucsány/Ungarn – 27. Juni 1944 Clearwater/USA tschechoslowakischer Politiker 1896–1898 Studium der Rechtswissenschaften in Cluj und Budapest, 1916–1918 Studium der Philosophie, Geschichte und Slawistik an der Universität Wien abgeschlossen, ab 1901 Redakteur bei Zeitungen, 1905–1918 slowakischer Abgeordneter des ungarischen Reichstags, 1918–1938 tschechoslowakischer Parlamentsabgeordneter, 1918–1938 Vorsitzender der Agrarpartei, galt als Tschechoslowakist,

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Juli 1919 bis April 1920 und Oktober 1926 bis Jänner 1927 Minister für Vereinheitlichung, November 1925 bis März 1926 und Oktober 1932 bis November 1935 Landwirtschaftsminister, Oktober 1926 bis Februar 1929 Unterrichtsminister, November 1935 bis September 1938 Ministerpräsident, Dezember 1935 bis Februar 1936 Außenminister, Emigration in die Schweiz und nach Frankreich, gründete 1939 den Slowakischen Nationalrat im Exil (Vorsitzender), der 1940 in Tschecho-Slowakischer Nationalrat umbenannt wurde, 1940 Emigration nach Großbritannien, ab 1941 Aufenthalt in den USA. Hoepner, Erich 14. September 1886 Frankfurt an der Oder – 8. August 1944 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Offizier 1909 Militärdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, 1935 Oberst und Stabschef eines Gruppenkommandos, 1938 Divisionskommandeur, Experte für Panzerwaffen, im Widerstand aktiv ab 1938 bis zum 20. Juli 1944, 1940 Generaloberst, 1941 Befehl zum scharfen Vorgehen gegen Partisanen, 1942 wegen Befehlsverweigerung degradiert und von Hitler wegen »Feigheit und Ungehorsam« unehrenhaft aus der Wehrmacht entlassen, August 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Hofer, Fr anz 27. November 1902 Hofgastein – 18. Februar 1975 Mülheim an der Ruhr Politiker Kaufmann, 1932 Mitglied der NSDAP, ab April 1932 Kreisleiter, ab Juli 1932 stellvertretender Gauleiter von Tirol, November 1932 Gauleiter von Tirol, Juni 1933 verhaftet und zu zwei Jahren Haft verurteilt, August 1933 Flucht, Anfang 1937 Leiter des »Flüchtlingshilfswerkes für Österreicher in Deutschland« in Berlin, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 24. Mai 1938 Gauleiter von Tirol-Vorarlberg, 1. April 1940 Reichsstatthalter von Tirol und Vorarlberg, 10. September 1943 Oberster Kommissar der Operationszone Alpenvorland, 29. April 1945 Reichsverteidigungskommissär für die Alpenfestung, am 6. Mai 1945 von US-Truppen in Hall/Tirol verhaftet, bis 1948 interniert, nach 1954 Exportkaufmann in Mülheim. Hoffinger, M a ximilian 12. April 1884 Wien – 8. Dezember 1953 Bad Ischl/OÖ Diplomat Jus-Studien an der Universität Graz, 1906 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1906– 1907 am Generalkonsulat Genua, 1907–1910 in Sofia, 1910–1914 in St. Petersburg, Oktober 1914 bis März 1918 Verwendung im Ministerium des Äußern, März bis

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November 1918 am Konsulat in Kiew, November 1919 Leiter der österreichischen Vertretung in Belgrad, 1925 ao. Gesandter und bev. Minister, Mai 1928 bis November 1932 ao. Gesandter und bev. Minister in Bern, ab Dezember 1932 in Warschau, Lettland und Estland, November 1936 Leiter des Referats für Ost- und Mitteleuropa im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, 1937 als Leiter in die Abteilung zur Behandlung der deutschen Angelegenheiten berufen, Jänner 1939 Versetzung in den Ruhestand, 1. Mai 1945 Wiederaufnahme in den Dienst und Versetzung in den dauernden Ruhestand. Hoffmann, Prof. Josef 15. Dezember 1870 Pirnitz/Mähren – 7. Mai 1956 Wien Architekt und Designer Staatsgewerbeschule Brünn, im Militärbauamt Würzburg tätig, Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien, 1897 Mitbegründer der Wiener Secession (bis 1905), 1903 Mitbegründer der Wiener Werkstätte, 1907 Mitbegründer des Deutschen Werkbundes, 1912 des Österreichischen Werkbundes, 1899–1936 Lehrtätigkeit an der Wiener Kunstgewerbeschule, übernahm die Fachklasse für Architektur, ab 1923 auch Werkstattleiter für Emailarbeit und Gürtlerei, Mitglied einer Freimaurerloge, Architekt zahlreicher großer Bauten  : 1905–1911 Palais Stoclet in Brüssel, 1906 Sanatorium in Purkersdorf, 1938 begrüßte er den »Anschluss«, erhielt Aufträge in der NS-Zeit (Haus der Wehrmacht, Haus der Mode), von Baldur von Schirach gefördert, von der Reichskammer der bildenden Künste als künstlerischer Leiter beauftragt, den Wiener Kunsthandwerksverein weiterzuentwickeln, nach 1945 weiter tätig, 1950 Mitbegründer der Föderation moderner bildender Künstler Österreichs, erhielt Ehrenpreise, 1951 Ehrendoktorat der Technischen Hochschule Wien. Hohenberg, Familie Hohenberg, Ing. Ernst 27. Mai 1904 Konopischt/Böhmen – 5. März 1954 Graz Zweitältester Sohn von Thronfolger Franz Ferdinand und Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg 1919 Forstwirt, Mitglied der Heimwehr, 1938 bis 1943 in mehreren KZ, sein Besitz wurde enteignet, nach dem Krieg erhielt er diesen zurück. Hohenberg, Dr. jur. M a ximilian 29. September 1902 Schloss Belvedere/Wien – 8. Jänner 1962 Wien Oberhaupt des Hauses Hohenberg ältester Sohn von Thronfolger Franz Ferdinand und Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg, 1914–1919 Herzog von Hohenberg, 1926 Promotion zum Dr. jur an der

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Universität Graz, Kontakt zu Otto Habsburg, ab 1. April 1938 im KZ Dachau, nach einem Jahr entlassen, sein Besitz wurde enteignet, Zwangsaufenthalt auf Schloss Artstetten, ab 1945 Bürgermeister von Artstetten, Bevollmächtigter von Otto Habsburg bei den Vermögensverhandlungen. Hohenlohe-Schillingsfürst, A lfred 31. März 1889 Salzburg – 21. Oktober 1948 Prestwick/Schottland Verheiratet mit Felicitas von Schoeller (Félicité de Schoeller) (1900–1975) seit 1934 (zweite Ehefrau). Hohenlohe-Schillingsfürst, Dr. jur. Philipp 14. Dezember 1864 Wien – 27. Juli 1942 Wien Priester 1883–1887 Jus-Studium an der Universität Wien, 1888–1896 im Staatsdienst, k. u. k. Kämmerer, 1896 Eintritt in das Benediktinerkloster Seckau, 1898 Priesterweihe, Studium an der Universität Löwen, 1907 Professor für Römisches Recht und Rechtsphilosophie an der Benediktinerhochschule Sant’Anselmo in Rom, 1918 Promotion zum Dr. jur., 1918–1934 Prof. für Kirchenrecht an der Universität Wien. Hohenlohe-Waldenburg-Schillingfürst, Stéph anie 16. September 1891 Wien – 13. Juni 1972 Genf geborene Richter Tochter des Rechtsanwalts und Bankiers Johann Richter, 1914 Heirat mit Franz Prinz zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingfürst (Scheidung 1920), wurde als »Hitlers Spionin« bezeichnet, war u. a. für Nazi-Deutschland in England tätig, 1938 wurde ihr Schloss Leopoldskron zur Verfügung gestellt, ab 1940 in den USA, wo sie als deutsche Spionin interniert wurde, nach 1945 arbeitete sie u. a. im Axel-Springer-Konzern. Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst-K aunitz, Ver a zu 22. Mai 1882 Görz – 1. Dezember 1940 Prag geborene Kaunitz Mutter von Vera Schuschnigg. Hold-Ferneck, Univ.-Prof. Dr. jur. A lex ander 10. Oktober 1875 Wien – 25. Jänner 1955 Wien Universitätsprofessor Jus-Studium an den Universitäten Wien und Innsbruck, 1899 Promotion zum Dr. jur., 1898 Eintritt in den Staatsdienst bei der Finanzprokuratur, 1903 Habilitation, 1908 als völkerrechtlicher Referent im Außenministerium, 1912 ao. Professor

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für Völkerrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Wien, 1917 in das Ministerratspräsidium, 1922 Ordinarius, publizistisch gegen die Friedensverträge von Versailles und den Staatsvertrag von St. Germain tätig, Gegner von Hans Kelsen, 1929/1930 Dekan und 1934/1935 Rektor der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, Herbst 1938 Antrag um Aufnahme in die NSDAP (wegen jüdischer Vorfahren seiner Frau zurückgezogen), galt als »nationaler Legitimist«, 1940 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien, Ende 1945 emeritiert, im Zuge der Entnazifizierung als »tragbar« eingestuft, aufgrund seines Alters nicht mehr als Professor wiederernannt. Holenia, Dipl.-Ing. Rudolf 14. Jänner 1878 Graz – 15. Mai 1945 Wien Beamter 1901 Baupraktikant in der Steiermärkischen Statthalterei, 1902–1904 bei der Draubauleitung in Pettau, 1907 im Wasserbaudepartement, 1909 in das Ministerium für öffentliche Arbeiten, 1910–1913 im Departement für Personalangelegenheiten des Staatsbaudienstes, 1918 Mitglied der Donauregulierungskommission, 1918–1925 im Handelsministerium Leiter für Wasserbau und Flußregulierungen, 1925–1938 im Landwirtschaftsministerium, 1928 Sektionschef, 1928–1938 Leiter der Wasserbausektion, September 1938 Versetzung in den Ruhestand. Hollnsteiner, Dr. theol. Dr. phil. Joh annes 14. März 1895 Linz – 1. Februar 1971 Linz Priester 1914 in das Chorherrenstift St. Florian eingetreten, 1919 Priesterweihe, Studium an der Theologischen Fakultät (und an der Philosophischen und Rechtswissenschaftlichen Fakultät), 1920 Promotion zum Dr. theol., 1922 zum Dr. phil., 1925 Habilitation an der Theologischen Fakultät der Universität Wien für Kirchengeschichte, ab 1926/1927 Lehrtätigkeit, 1935 Professor für Kirchenrecht an der Universität Wien, 1937/1938 Dekan, 1930 Mitbegründer der »Katholischen Akademikergemeinschaft«, Vertrauter und Beichtvater Kurt Schuschniggs, als »Chefideologe des Ständestaats« bezeichnet, enge Freundschaft zu Alma Mahler-Werfel, 30. März 1938 im Stift St. Florian verhaftet, 23./24. Mai 1938 in das KZ Dachau deportiert, 25. Oktober 1938 ohne Abfertigung entlassen, 21. April 1939 freigelassen, Chorherr des Stifts St. Florian, erneut Professor für Kirchenrecht an der Universität Wien, Jänner 1941 Beschlagnahme des Stifts St. Florian, März 1941 bis 1945 Staatskommissär der Klosterbibliothek St. Florian, Mai 1941 Austritt aus dem Orden, Laisierung beantragt, September 1941 Heirat, Oktober 1945 von US-Truppen verhaftet, bis April 1947 in Glasenbach interniert, 1948 als Universitätsprofessor rehabilitiert bei gleichzeitiger

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Pensionierung, 1948 Gründung des Pilgram-Verlags, 1965 wurde das Laisierungsverfahren in Rom positiv erledigt. Hoover, Herbert Clark 10. August 1874 West Branch/Iowa/USA – 20. Oktober 1964 New York republikanischer US-Politiker 1915 Organisator des US-Hilfswerkes in Belgien, 1917–1919 Leiter der US-FoodAdministration, 1919–1921 Leiter der American Relief Administration, 1921–1928 Handelsminister, 1929–1933 Präsident, 1931 Verkündung des Hoover-Moratoriums (Stundung aller Kriegsschulden der europäischen Regierungen durch die USA), im Zweiten Weltkrieg Leiter von Hilfsaktionen in Polen und Griechenland, nach 1945 Leiter und Mitarbeiter diverser karitativer Organisationen zur Verbesserung der Lebensmittelversorgung in Europa und Asien. Hor áček, Fr antišek 29. August 1891 Sezemice nad Loučnou/Böhmen – 29. September 1941 Prag (hingerichtet) tschechoslowakischer Offizier (Brigadegeneral) Führendes Mitglied der tschechoslowakischen Widerstandsbewegung »Obrana národa« (»Verteidigung der Nation«), von den Deutschen gemeinsam mit Josef Bílý und Hugo Vojta verhaftet und hingerichtet. Hor az (eigentlich Quintus Hor atius Flaccus) 8. Dezember 65 vor unserer Zeitrechnung Venusia – 27. November 8 unserer Zeitrechnung römischer Dichter. Horcher, Ot to ? – 1976 Marbella/Spanien deutscher Hotelier Besitzer des Restaurants »Horcher« in Berlin, gute Verbindungen zur NS-Elite, 1937 bei der Pariser Weltausstellung betrieb Horcher das Restaurant im Dachgarten des deutschen Ausstellungspavillons, nach dem »Anschluss« 1938 Übernahme des Restaurants »Zu den drei Husaren« in Wien, nach der Besetzung von Paris Übernahme des Restaurants »Maxim’s«. 1944, nach der Schließung aller Revuetheater und Gaststätten, wurde das Restaurant nach Madrid verlagert. Hore-Belish a, Isa ac Leslie 7. September 1893 Plymouth/England – 16. Februar 1957 Reims/Frankreich britischer liberaler Politiker

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1914–1918 Kriegsdienst, ab 1923 Rechtsanwalt, 1923–1942 Parlamentsmitglied, 1942–1945 (Unabhängiger), 1931/1932 Parlamentarischer Staatssekretär im Handelsministerium, 1932–1934 Finanzsekretär im Schatzamt, 1934–1937 Verkehrsminister, Mai 1937 bis 1940 Kriegsminister, Jänner 1940 Rücktritt, Mitglied des Kriegskabinetts, 1945 Minister für Sozialversicherung, ab 1950 wieder Abgeordneter. Horick y, A lex ander 19. Dezember 1917 – 16. Mai 1944 (gefallen) Sohn von Ernst Horicky. Horick y, A lfred 22. Oktober 1913  –   ? Sohn von Ernst Horicky. Horick y, Dr. jur. Ernst 17. März 1877 Lundenburg/Mähren – 26. Juni 1944 Wien Beamter Jus-Studium an den Universitäten Graz und Prag, 1901 Promotion zum Dr. jur., 1900 Eintritt in den Staatsdienst, 1909 Einberufung in das Eisenbahnministerium, 1913–1916 im Innenministerium, 1916–1918 im Ministerratspräsidium, 1918–1934 im Bundeskanzleramt, 1922–1932 Präsidialvorstand des Bundeskanzleramtes, 1923 Sektionschef, 1932–1934 Leiter der Präsidialsektion des Bundeskanzleramtes, 31. März 1934 Versetzung in den dauernden Ruhestand, gehört einem »Iglau-Komitee« an, Mitglied der NSDAP (nicht gesichert). Horick y, Herth a 6. Juni 1912  –   ? verheiratete Tochter von Ernst Horicky. Hornbostel, Dr. jur. Fritz 9. Juni 1887 Wien – 7. Jänner 1947 Gmunden/OÖ Bruder von Theodor Hornbostel. arbeitete in den 1930er-Jahren in Oberösterreich. Hornbostel, Theodor (Thedy) 9. Jänner 1889 Wien – 8. Juni 1973 Gmunden/OÖ Diplomat 1912 Abschluss der Konsularakademie, ab 1912 im Auswärtigen Dienst, u. a. Juli 1917 bis Februar 1918 in Skutari, danach bis Dezember 1918 an der Gesandtschaft in Moskau, 1919–1926 in Budapest, 1926–1930 Vizekonsul in Konstantinopel, ab

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1930 im Außenamt, seit April 1933 Leiter des politischen Referats im Auswärtigen Amt, Oktober 1933 Amtstitel »ao. Gesandter und bev. Minister«, begleitete Bundeskanzler Dollfuß auf seinen Reisen, September 1937 wird ihm die Bearbeitung der deutschen Angelegenheiten übertragen, 13. März 1938 verhaftet, 1. April 1938 in das KZ Dachau, September 1939 bis Mai 1943 KZ Buchenwald, Rückkehrverbot, Juni 1943 bis August 1945 Angestellter bei der IG Farben, Mai 1945 bis Juni 1946 im Auswärtigen Dienst, auf eigenes Ansuchen Versetzung in den dauernden Ruhestand, 1947 und 1948 als Zeuge in Nürnberger Prozessen (IG-Farben-Prozess und Wilhelmstraßen-Prozess), 1947 im Hochverratsprozess entlastend für Guido Schmidt ausgesagt, 1953 Mitbegründer und erster Vorsitzender des Forschungsinstituts für Fragen des Donauraumes, rege publizistische Tätigkeit. Hornung, Konr a d 16. November 1877 Eggenburg/NÖ – 3. Juni 1964 Wien Offizier ab 1898 Berufssoldat, 1914–1918 Kriegsdienst (Hauptmann), in das Bundesheer übernommen, 1920 Gruppenleiter im Bundesministerium für Heereswesen, 1926 Generalmajor, Jänner 1929 von Carl Vaugoin aus politischen Gründen in den Ruhestand versetzt, 1931 Mitglied der NSDAP, Neuorganisation des NS-Kriegerbundes, 1938 »Gebietskriegerführer« in Wien, 1939 »Gaukriegerführer Alpenland« mit Sitz in Salzburg, 1939 Mitglied der SS (Brigadeführer 1943), 1944 Generalmajor der Waffen-SS, nach Kriegsende vor einem Volksgericht wegen Denunziation angeklagt, freigesprochen. Horthy, István 12. September 1904 Pola/Istrien – 20. August 1942 bei Alexejewka/Sowjetunion stellvertretender Regent Ungarns ältester Sohn von Miklós Horthy, 1928 Studienabschluss als Maschinenbau-Ingenieur, Aufenthalt in den USA, arbeitete im Ford-Werk in Detroit, Anstellung in der MÁVAG-Lokomotivfabrik, 1934–1938 Leiter des Unternehmens, danach Generaldirektor, 1942 von seinem Vater zum stellvertretenden Regenten des Königreichs Ungarn ernannt, während des Zweiten Weltkrieges Jagdpilot, Kritiker des Antisemitismus, starb bei einem Flugzeugabsturz. Horthy, M agdolna 10. Juni 1881 Sofronya/Ungarn – 8. Jänner 1959 Estoril/Portugal geborene Purgly de Jószáshely Ehefrau von Miklós Horthy (1901), ab 1945 in Bayern.

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Horthy, Miklós ( Nikolaus Horthy von Nagybánya) 18. Juni 1868 Kenderes/Ungarn – 9. Februar 1957 Estoril/Portugal ungarischer Admiral und Politiker 1904–1914 Flügeladjutant Kaiser Franz Josephs I., 1918 Konteradmiral und Flottenkommandeur der k. u. k. Kriegsflotte, 1919 Kommandeur der ungarischen Nationalarmee, März 1920 bis Oktober 1944 als Reichsverweser faktisches Staatsoberhaupt des Königreichs Ungarn, danach Internierung in Deutschland, ab 1948 in Portugal. Horthy, Miklós jun. 14. Februar 1907 Pola/Istrien – 28. März 1993 Estoril/Portugal Sohn von Miklós Horthy, Oktober 1944 verhaftet, in das KZ Mauthausen, 15. April 1945 in das KZ Dachau, 24. April 1945 als Geisel nach Niederdorf (Südtirol) gebracht, 4. Mai 1945 befreit, auf Capri interniert. Houdek, A lois 6. Februar 1906 Wien – 30. März 1943 Wien (hingerichtet) Handelsangestellter führendes Mitglied einer tschechoslowakischen Widerstandsgruppe in Wien (»Tschechische Sektion der KPÖ«), stellte antifaschistische Flugschriften her, Oktober 1941 verhaftet, am 8. Oktober 1942 vom Volksgerichtshof wegen »Landesverrats und Vorbereitung zum Hochverrat« zum Tode verurteilt, im Landesgericht Wien hingerichtet. Houdek (Houdková) , M arianne (M arie) 2. April 1908 Wien – 11. Oktober 1941 Wien (Suizid) Kontoristin Ehefrau von Alois Houdek, am 2. Oktober 1941 wegen des Verdachts, »Matrizen zur Herstellung kommunistischer Flugschriften geschrieben« zu haben, festgenommen, verübte am 11. Oktober 1941 im Polizeigefängnis Roßauer Lände Suizid. Huber, Fr anz Josef 22. Jänner 1902 München – 30. Jänner 1975 München deutscher Polizeibeamter 1922 Eintritt in den Münchner Polizeidienst, 1934 Versetzung zum Geheimen Staatspolizeiamt (Gestapa) in Berlin, 1937 Mitglied der NSDAP, März 1938 bis 1945 Leiter der Gestapo-Leitstelle Wien, auch Leiter der »Zentralstelle für jüdische Auswanderung«, die ab 1941 für Massendeportationen verantwortlich war, 1949 in Nürnberg von einer Spruchkammer als »Minderbelasteter« eingestuft, erhielt ein Jahr auf Bewährung und eine Geldstrafe von 500 D-Mark, das Urteil wurde aufgehoben, zu fünf Jahren Arbeitslager verurteilt (unter Anrechnung der Internierungshaft),

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doch er tauchte unter, 1955 wurde das Berufungsurteil aufgehoben, lebte daraufhin unbehelligt in München, bis zum Renteneintritt arbeitete er als Buchhalter in einem Münchener Unternehmen für Büromaschinen. Huber, Dr. jur. Ot to 27. Februar 1876 Wilten/Tirol – 15. Juli 1949 Wien Beamter Jus-Studium an den Universitäten Wien und Innsbruck, 1901 Eintritt in den Staatsdienst bei der Statthalterei Triest, 1918 in das Innenministerium (Leiter der Personalabteilung), 1929 Leiter der Abteilung für wirtschaftliche Unternehmungen, November 1932 bis 1934 Präsidialvorstand, 1934 Sektionschef, 1936–1938 Kabinettsdirektor in der Präsidentschaftskanzlei, Oktober 1938 als Ministerialdirigent übernommen, Juni 1939 pensioniert. Hudeczek, Dr. jur. Carl (K arl) 15. September 1889 Josefstadt/Prag – 23. Oktober 1971 Wien Diplomat 1908–1913 Jus-Studium, 1911–1913 Exportakademie in Wien, 1913 Promotion zum Dr. jur., 1914 Eintritt in den Staatsdienst beim Obersten Rechnungshof, 1916 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, diplomatische Tätigkeiten 1916 in Amsterdam, 1917 in Hamburg, 1917–1919 in Amsterdam, 1919–1923 Honorardozent für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Welthandel, 1923–1924 beim Sekretariat des Völkerbundes in Genf, 1924–1929 an der Gesandtschaft in Moskau, 1930 bis 12. März 1938 Sachbearbeiter für Wirtschaftsfragen Osteuropas in der Handelspolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes/Auswärtige Angelegenheiten, 13. März 1938 bis 15. Juli 1938 beim Amt der Reichsstatthalterei Wien, Leiter des wirtschaftspolitischen Referats, 16. Juli 1938 bis 31. Jänner 1945 Legationsrat beim Auswärtigen Amt in Berlin, Referat III/IVa Südosteuropa, Italien, Naher Osten, 1939 Überleitung in den Reichsdienst als Vortragender Legationsrat, März 1939 Leiter des Sonderreferats »Liquidation der Tschechoslowakei«, 1940, 1942 und 1944 erfolglos um die Aufnahme in die NSDAP angesucht, 31. Jänner 1945 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, bei versuchter Wiedereinstellung US-Protest, 1. Februar 1945 bis September 1946 ohne Verwendung, 5. September 1946 bis Jänner 1947 Leiter der Abteilung 12 im Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, Jänner bis Juni 1947 Gruppenleiter, Juni bis Oktober 1947 mit der Planung der außenpolitischen Angelegenheiten betraut, Juli 1947 Ministerialrat, Oktober 1947 bis Jänner 1949 persönlicher Ratgeber von Außenminister Karl Gruber, Jänner 1949 bis Mai 1951 Leiter der Abteilung 5 WPol im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, Dezember 1949 ao. Gesandter und bev. Minister, 1951–1954 diplomatische Tätigkeit in Chile, Bolivien, Peru und Ecuador, Dezember

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1954 Versetzung in den dauernden Ruhestand, zahlreiche Wirtschaftsfunktionen, u. a. 1936–1938 Verwaltungsrat der Donau-Save-Adria-AG, schrieb Buch über Chile. Hudeczek, M argarete keine Information geborene von Baldass, verwitwete Lovrek Ehefrau von Carl Hudeczek (1935). Hudl, Paul 6. Mai 1894 Wien – nach 1945 (verschollen). Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, Kaufmann, 1924 im Holzhandel selbständige Tätigkeit, 1930 Mitglied der NSDAP, 1934 Mitglied der SS (Sturmbannführer 1940), 1934 beim Juliputsch an der Erstürmung des Bundeskanzleramtes beteiligt, August 1934 zu lebenslangem Kerker verurteilt, im Februar 1938 als Folge des Berchtesgadener Abkommens entlassen, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 1938 Sonderbeauftragter des Staatskommissars für Privatwirtschaft und für die Deutsche Arbeitsfront Kommissar des deutschen Handels, im April 1945 Flucht aus Wien. Hueber, Paula 8. Mai 1890 Rosenheim – 30. November 1960 Ehefrau von Franz Hueber, Schwester von Hermann Göring. Hull, Cor dell 2. Oktober 1871 Overton County (Pickett)/Tennessee – 23. Juli 1955 Washington US-Politiker 1907–1921 Rechtsanwalt, 1923–1931 Abgeordneter im Repräsentantenhaus (Demokrat), 1931–1933 Senator, 1933–1944 Staatssekretär für Äußeres, 1945 Friedensnobelpreisträger (für die Vorbereitung der UNO). Hurban, Vla dimír Svetozár 4. April 1883 Turčiansky Svätý Martin/Slowakei – 26. Oktober 1949 Prag tschechoslowakischer Offizier, Diplomat und Schriftsteller 1918–1921 Leiter einer tschechischen Militärmission in den USA, 1924–1930 Gesandter in Ägypten, September 1930 bis 1936 Botschafter in Schweden, Norwegen und Litauen, Dezember 1936 bis Juni 1946 Gesandter (ab 1943 Botschafter) in Washington, 1946 Rückkehr in die Tschechoslowakei (schwer erkrankt), 1947 in den Ruhestand versetzt.

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Hurter, Friedrich Emanuel von 19. März 1787 Schaffhausen/Schweiz – 27. August 1865 Graz schweizerisch-österreichischer Historiker und Theologe Studium der Theologie und Geschichte an der Universität Göttingen, 1824 Pfarrer, 1835 Antistes (Vorsteher) zu Schaffhausen, 1841 sein Amt niedergelegt, 1844 zur römisch-katholischen Kirche konvertiert, 1846 von Metternich als k. k. Hofrat und Historiograf nach Wien berufen, 1848 unter dem Verdacht politischer Umtriebe kurz seine Stellung verloren, 1849 wieder erhalten sowie in den Adelsstand erhoben, u. a. Verfasser von Publikationen über Ferdinand II. Illing, Dr. jur. Paul 10. Jänner 1904 Landstraßen/Böhmen – 8. Juni 1984 Viechtach/Deutschland deutscher NS-Funktionär Studium an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, 1923 Beitritt zur NSDAP und SA, 1932 in der Tschechoslowakei wegen staatsfeindlicher Tätigkeit zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt, 1936 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Prag, 1938 Übersiedlung nach Deutschland, März 1939 Dolmetscher für Himmler in Prag, Leiter der SS-Annahmestelle des SS-Oberabschnittes »Elbe«, baute als Standortführer von Prag die SS im nördlichen Protektorat auf, Dezember 1939 kommissarisch als Landrat des Landkreises Leitmeritz eingesetzt, im Dezember 1940 bestätigt, später auch Landrat von Dauba, ehrenamtlicher Führer der 103. SS-Standarte in Aussig, Juni 1940 ehrenamtlicher Gau-Organisationsleiter in Reichenberg, Berufung durch Rudolf Heß zum Stabsleiter in die NSDAP-Gauleitung Reichenberg, 1940 in Prag zum Dr. jur. promoviert, 1945 Flucht in den Westen, in der Sudetendeutschen Landsmannschaft aktiv. Imrédy von Ómor avicza, Béla 29. Dezember 1891 Budapest – 28. Februar 1946 Budapest (erschossen) ungarischer Bankier und Politiker ab Jänner 1919 Beamter im Finanzministerium, 1926 stellvertretender Direktor der Nationalbank, 1928–1932 und 1935–1938 Präsident der Nationalbank, Oktober 1932 bis Jänner 1935 Finanzminister, aktiv in der »Partei der Nationalen Einheit« und der »Vereinigten Ungarischen Partei«, März bis Mai 1938 Minister ohne Portefeuille, Mai bis November 1938 Minister für Verkehr und Wirtschaft, Mai 1938 bis Februar 1939 Ministerpräsident, September bis Dezember 1938 Ackerbauminister, 1940 Mitbegründer und Führer der »Partei der Ungarischen Erneuerung«, Mai bis August 1944 Wirtschaftsminister, 1945 »Gast der Reichsregierung« in Salzburg, 1945 verhaftet und an Ungarn ausgeliefert, wurde er von einem Volksgericht wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt.

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Inama-Sternegg, Dr. jur. H ans (Joh ann A nton) 7. August 1907 Wien – 9. April 1989 Eppan/Südtirol Beamter Sohn von Johann Paul Inama-Sternegg Jus-Studium an der Universität Wien, 1931 Promotion zum Dr. jur., 1934–1938 im Landesdienst der Landeshauptmannschaft Tirol, 1938 Regierungskommissär in der Abteilung IV (Soziale Verwaltung, Versicherungswesen). Inama-Sternegg, Dr. jur. Joh ann Paul 26. Juni 1877 Wilten/Tirol – 28. Oktober 1950 Wien Beamter Jus-Studium, 1901 Promotion zum Dr. jur., 1900 Eintritt in den Staatsdienst in Triest, 1904 ins Handelsministerium, 1914–1918 Mitglied des Oberprisengerichtshofes, ab 1917 Leiter des Departements für Angelegenheiten des Seerechts, Mitarbeit am Friedensvertrag von Brest-Litowsk, 1919 im Staatsamt für Gewerbe, Industrie und Handel, 1921 Ministerialrat, Leiter (ab 1935 als Sektionschef) der Handelsvertragsabteilung, 1933 mit der zusammenfassenden Behandlung der handelspolitischen Agenden betraut und unmittelbar dem Minister unterstellt, ab 1936 Leiter der Industrie- und Handelspolitischen Sektion, Dezember 1937 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Inama-Sternegg, M arie Henriet te 24. Juni 1914  –   ? Gymnasialprofessorin Tochter von Johann Paul Inama-Sternegg. In der M aur (auf Strelberg und zu Freifeld) , Gilbert von 15. August 1887 Vaduz/Liechtenstein – 13. September 1959 Pörtschach/Kärnten Offizier und Journalist Angehöriger der k. u. k. Armee, 1914 schwer verwundet, nach Kriegsende Journalist und Publizist, 1918–1933 aktive Rolle in der Anschlussbewegung und in der großdeutschen Bewegung, 1920–1934 Chefredakteur des Innsbrucker Morgen- und Abendblattes »Alpenland« und der »Wochenschrift der Großdeutschen Volkspartei für Tirol«, 1930–1931 Chefredakteur der »Wiener Neuesten Nachrichten«, führendes Mitglied der österreichischen NSDAP, Mitglied der NS-Landesleitung, 1939– 1945 in der Abwehrstelle Wien, ab 1951 Sensal am Dorotheum Klagenfurt. Innitzer, Dr. theol. Theodor 25. Dezember 1875 Neugeschrei bei Weipert/Böhmen – 9. Oktober 1955 Wien Priester

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1902 Priesterweihe, 1906 Promotion zum Dr. theol., ab 1908 Privatdozent, 1911– 1932 Professor für Neues Testament an der Universität Wien, 1913 Lehrkanzel für Exegese des Neuen Testaments, 1918/1919 und 1931/1932 Dekan der theologischen Fakultät, 1928/1929 Rektor der Universität Wien, September 1929 bis September 1930 Bundesminister für soziale Verwaltung, September 1932 Ernennung zum Erzbischof von Wien, März 1933 Kardinal, unterschrieb 1938 einen Aufruf an die Gläubigen, bei der Volksabstimmung für den Anschluss an Deutschland zu stimmen, 1945 Gründer der Wiener katholischen Akademie. İnönü, İsmet (bis 1934 Mustafa İsmet Pasch a) 24. September 1884 Smyrna/Izmir – 25. Dezember 1973 Ankara türkischer Offizier und Politiker 1903–1906 Artillerieakademie und Militärakademie absolviert, 1906 Hauptmann im Generalstab, 1910 im Jemen, 1913 Leiter der ersten Sektion des Generalstabs, 1914– 1918 Kriegsdienst in Syrien, an der Kaukasusfront und in Palästina, April 1920 als Anhänger Kemal Atatürks Abgeordneter in der Großen Nationalversammlung und mit dem Aufbau einer regulären Armee beauftragt, Oktober 1920 Oberbefehlshaber im Feldzug gegen Griechenland, 1923–1924 Außenminister und Ministerpräsident, 1925–1937 und November 1938 bis 1950 Staatspräsident, 1946–1972 Vorsitzender der kemalistischen »Republikanischen Volkspartei«, 1961–1965 wieder Ministerpräsident. Inskip, Sir Thomas ( Viscount Caldecote of Bristol 1939) 5. März 1876 Clifton – 11. Oktober 1947 Grialming/Surrey britischer konservativer Politiker 1894–1897 Studium, 1899 in die Anwaltskammer aufgenommen, 1914–1918 Kriegsdienst (militärischer Nachrichtendienst), 1918–1939 Mitglied des Unterhauses, 1928–1929 und 1932–1936 Generalstaatsanwalt, März 1936 bis Mai 1937 Minister für Verteidigungskoordinierung, Jänner bis September 1939 Dominion-Minister, September 1939 bis Mai 1940 Lordkanzler, Mai bis Oktober 1940 Dominion-Minister, 1940–1946 Oberster Richter. Ironside, Edmund (1. Baron Ironside) 6. Mai 1880 Edinburgh – 22. September 1959 London britischer Offizier ab 1899 in der Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1918/1919 Kommandeur in Archangelsk, 1920 in Rumänien, Türkei und Nordpersien, 1922–1926 Chef der Generalstabsschule, 1926–1928 Divisionskommandeur in Aldershot, 1928–1931 in Indien, 1933–1936 Generalquartiermeister in Indien, 1935 General, 1938 Gouverneur von Gibraltar, 1939 Generalinspekteur der Auslandsstreitkräfte, September 1939 Chef

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des Generalstabs, Mai 1940 Kommandeur der Heimatstreitkräfte, August 1940 Feldmarschall, 1941 Rückzug auf seine Güter. Jäckl, Dr. jur. Hugo 5. Juni 1878 Wien – 23. Jänner 1944 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1905 Promotion zum Dr. jur., 1906 Eintritt in den Staatsdienst, 1907–1912 bei der Finanzprokuratur, 1912 in das Eisenbahnministerium, 1914–1916 dem Ministerium für Landesverteidigung zugeteilt, 1916–1918 im Ministerratspräsidium, 1918–1938 im Bundeskanzleramt, Februar 1930 Vorstand des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, 1936 Sektionschef, 1936–1938 Leiter der Sektion für Verfassungsangelegenheiten, 1. Oktober 1938 Ernennung zum Ministerialdirigenten, ab 1938 Vertreter des Leiters der Abteilung I der Reichsstatthalterei Wien, Mai 1940 Einberufung in das Reichsministerium des Innern, September 1940 zur Behörde des Reichskommissars für die besetzten niederländischen Gebiete nach Den Haag, 1. November 1941 Versetzung in den dauernden Ruhestand, 1941–1943 Lehrbeauftragter für Verfassungsrecht an der Technischen Hochschule in Wien. Jäger keine Information Frau Jäger – Doyenne. Jagow, Dietrich von 29. Februar 1892 Frankfurt an der Oder – 26. April 1945 Meran (Suizid) deutscher Marineoffizier und Politiker 1912 Eintritt in die Marine, 1914–1918 Kriegsdienst (auf U-Booten verwendet), als Korvettenkapitän entlassen, 1919 in der Brigade Ehrhardt, im Führungsgremium der Organisation »Consul«, Teilnahme am Kapp-Putsch, 1920 Mitglied der NSDAP von Württemberg, 1921 Mitglied der SA (Obergruppenführer 1933), 1921 in Oberschlesien, dann im Freikorps Killinger, 1929–1930 Gaugeschäftsführer, 1932–1945 Mitglied der Reichstags, 1933 Reichskommissar für die Polizei in Württemberg, 1934 Mitglied des Volksgerichtshofes, 1935 Ratsherr in Berlin, 1939–1941 Seeoffizier in der Wehrmacht, 1941 bis März 1944 Gesandter in Ungarn, Mai 1944 Berufung in das Auswärtige Amt, September 1944 Führer eines Volkssturmbataillons, Verwundung, bei Kriegsende NS-Kurier in Südtirol, 1950 in einem Entnazifizierungsverfahren der Spruchkammer in Freiburg im Breisgau als »Minderbelasteter« eingestuft.

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Jakoncig, Dr. jur. Guido 27. September 1895 Capo d’Istria/Istrien – 21. Dezember 1972 Innsbruck Rechtsanwalt und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, Jus-Studium, 1919 Promotion zum Dr. jur., Rechtsanwalt in Meran und Innsbruck, 1927 Gründer der Tiroler Heimwehr, Mai 1932 bis Mai 1933 Bundesminister für Handel und Verkehr (»Heimatblock«), Mai 1933 Leiter des Wirtschafts- und Ständeamtes der Bundesführung des Heimatschutzes, Vorsitzender des Aufsichtsrats der »Solo«- Zündwaren und chemische Fabriken AG Wien, nach 1945 Rechtsanwalt, initiierte handelspolitische Sonderregelungen für Südtirol, Gesellschafter und Geschäftsführer der Brenner Tunnel- und Alpenstraßen-Verkehrsgesellschaft. Jakoncig ?  –   ? Ehefrau von Guido Jakoncig. Jansa, A lfred 16. Juli 1884 Stanislau/Galizien – 20. Dezember 1963 Wien Offizier 1908–1911 Kriegsakademie Wien, 1914–1918 Kriegsdienst im Generalstab in Serbien, Russland und Italien, Übernahme in das Bundesheer, 1930 Ernennung zum Generalmajor, ab Oktober 1932 Vorstand der I. Abteilung des Bundesministeriums für Heereswesen, 1933 ständiger Experte bei der Abrüstungskonferenz in Genf, Juni 1933 bis 1935 Militärattaché in Berlin und Bern, Jänner 1935 Ernennung zum Sektionschef, Juni 1935 bis 1938 Leiter der Sektion III für sämtliche Generalstabsagenden, März 1936 Ernennung zum Chef des Generalstabs, für die Aufrüstung des Bundesheeres verantwortlich, entwarf einen Abwehrplan gegen Deutschland (JansaPlan), Juni 1936 Feldmarschallleutnant, nach dem Berchtesgadener Abkommen abberufen, 31. März 1938 Versetzung in den dauernden Ruhestand, danach Konfinierung in Erfurt, Versicherungsvertreter, Arbeit in einem Autoteilevertrieb, 1946 nach Graz, 1947 nach Wien, 1947 sollte er das neue Bundesheer leiten (Verbot durch Alliierte), das nach seinen Plänen 1955 wiedererrichtet wurde. Jansa, Dr. Rudolf 29. Juni 1885 Prag – 6. Februar 1958 Wien Beamter aus dem Staatsbahndienst hervorgegangen, nach dem Ersten Weltkrieg Vorstandsstellvertreter des Rechtsbüros des Staatsamtes für Volksernährung, ab 1923 im Präsidium des neuerrichteten Bundesministeriums für Handel und Verkehr, 1932 Ministerialrat, 1937–1938 dem Amt für Luft- und Schiffahrt zugewiesen, August 1938

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bis August 1939 mit der Liquidierung der Angelegenheiten der österreichischen Zivilluftfahrt befasst, August 1939 bis Mai 1940 im Präsidium des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit in Liquidation, krank gemeldet, mit 31. Juli 1942 in den Ruhestand versetzt. Jasser, Dr. phil. M anfred (Pseudonym  : K lausner) 1. August 1909 Graz – 17. Oktober 1992 Ladendorf/NÖ Journalist Studium der Germanistik, 1931 Mitglied des Kampfbundes für deutsche Kultur, 1933 Mitglied der NSDAP, 1933 Promotion zum Dr. phil., in den 1930er-Jahren Korrespondent im Bereich Kulturpolitik für deutsche Zeitungen, wegen eines Artikels in der Leipziger »Neuen Literatur« (Anschluss an Nazi-Deutschland) 1935 inhaftiert, März 1938 kommissarischer Leiter des »Grazer Preßvereins«, Juli 1938 Chefredakteur (Hauptschriftleiter) der »Grazer Tagespost«, 1940 Wechsel zum »Neuen Wiener Tagblatt«, 1941–1944 stellvertretender Beisitzer des Bezirksgerichts der Presse in Wien, 1945–1954 Berufsverbot, ab 1947 unter Pseudonym (Klausner) wieder journalistisch tätig, bis zur Einstellung 1948 leitete er illegal die Redaktion des »Alpenländischen Heimatrufes«, 1949 erste Kontakte zur ÖVP, 1953–1974 Chef des ÖVP-eigenen Österreichischen Wirtschaftsverlags, Beiträge für die ÖVP-Presse und die »Neue Kronenzeitung«. Jauner-Schrofenegg, Joh ann 1880 Wien – 1963 Priester 1934 Priesterweihe, November 1935 zum Kuraten ernannt, Kooperator in WienWieden, Landesgendarmerie-Seelsorger, Leiter des Interventionsbüros der »Katholischen Aktion«, Kardinal Innitzers Verbindungsmann zu nationalsozialistischen Kreisen, vor allem zu Franz von Papen, dessen Beichtvater er war. Jireček, Dr. phil. Konstantin 24. Juli 1854 Wien – 10. Jänner 1918 Wien Historiker und Slawist 1872 nach Prag, 1875 Promotion zum Dr. phil., 1879 nach Bulgarien, 1881/1882 Unterrichtsminister und Direktor der bulgarischen Nationalbibliothek, 1884 an die Universität Prag, ab 1893 an der Universität Wien, 1907–1918 erster Vorstand des Instituts für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien. Jodl, A lfred (vor 1899 A lfred Josef Baumgärtler) 10. Mai 1890 Würzburg/Bayern – 16. Oktober 1946 Nürnberg (hingerichtet) deutscher Offizier

Biografien

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1910 Eintritt in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst als Generalstabsoffizier, 1919 in die Reichswehr übernommen, 1928–1932 Lehrer für Taktik und Kriegsgeschichte, 1932 Gruppenleiter in der Operationsabteilung im Truppenamt des Reichswehrministeriums, 1935 Chef der Abteilung Landesverteidigung im Wehrmachtsführungsamt, August 1939 bis Mai 1945 Chef des Wehrmachtführungsstabs, an allen militärischen Beratungen beteiligt, ab 1940 General der Artillerie, ab 1944 Generaloberst, am 7. Mai 1945 Unterzeichnung der deutschen Kapitulation in Reims, Mitglied der Regierung Dönitz, am 23. Mai 1945 verhaftet, 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) zum Tod verurteilt, 1953 von einer Münchner Spruchkammer posthum als »Entlasteter« eingestuft. Johst, H anns 8. Juli 1890 Seerhausen/Sachsen – 23. November 1978 Ruhpolding deutscher Schriftsteller und NS-Funktionär Studium Medizin, Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte 1915 abgebrochen, als freiberuflicher Schriftsteller tätig, 1932 Mitglied der NSDAP, 1934 Preußischer Staatsrat, Mitglied der SS (Oberführer 1935, Gruppenführer 1942), 1935 Präsident der Reichsschrifttumskammer, Chronist und Freund Heinrich Himmlers, im November 1944 in den Stab des Reichsführers SS aufgenommen, nach Kriegsende interniert, 1949 von einer Münchner Spruchkammer im Entnazifizierungsverfahren zunächst als Mitläufer, nach Berufungsverfahren als Hauptschuldiger eingestuft, dreieinhalbjährige Arbeitslagerstrafe, 1951 weiteres Entnazifizierungsverfahren, 1955 Einstellung. Jor da, Dr. jur. Ivo 26. Mai 1884 Wien – 11. April 1954 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1910 Promotion zum Dr. jur., 1903–1920 politischer Parlamentsberichterstatter der »Reichspost«, 1915–1917 Kriegsdienst, 1921 Eintritt in den Staatsdienst als Presseattaché bei der Gesandtschaft in Rom (Vatikan und Quirinal), 1929–1933 Presseattaché in Paris, Oktober 1933 bis März 1938 Leiter des Konsulats bzw. Generalkonsulats in Jerusalem, Februar 1939 bis Februar 1940 Tätigkeit als Ministerialrat im Reichsinnenministerium in Wien, ab Februar 1940 dem Reichsaußenministerium in Berlin unterstellt, ohne aktiven Dienst zu leisten, März 1941 Versetzung in den Wartestand, Mai 1942 bis März 1945 Journalist im Deutschen Nachrichtenbüro in Istanbul, 1945 rehabilitiert, August 1946 Wiedereintritt in den Diplomatischen Dienst, Dezember 1949 Versetzung in den dauernden Ruhestand.

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Jovanović, Slobodan 3. Dezember 1869 Novi Sad/Serbien – 12. Dezember 1958 London serbischer Jurist, Historiker und Politiker Professor und Rektor der Universität Belgrad, Präsident der Serbischen Akademie der Wissenschaften, 11. Jänner 1942 bis 26. Juni 1943 Ministerpräsident der königlichen jugoslawischen Exilregierung in London, die erst im März 1944 nach Kairo übersiedelte. Jung, Philipp Wilhelm 16. September 1884 Nieder-Flörsheim/Rheinland-Pfalz – 9. September 1965 Worms deutscher Politiker und Bürgermeister von Wien Jus-Studium, 1912 zweites Staatsexamen, 1914–1918 Kriegsdienst, danach Rechtsanwalt, 1926–1933 Stadtrat von Worms, 1927 Mitglied der SA, 1930 Mitglied der NSDAP, 1931 Kreisleiter der NSDAP in Worms, 1931–1933 Mitglied des Hessischen Landtags, 1933 dessen Präsident, September 1933 bis 1935 Ministerpräsident von Hessen, nach Rückgliederung der Saar Ministerpräsident der Saarpfalz, 16. April 1940 in Vertretung des von Wien in Sondermission abwesenden Bürgermeisters Hermann Neubacher, Bürgermeister von Wien (ab 14. Dezember offiziell in dieser Funktion) bis 30. Dezember 1943, nach Kriegsende 1945 verhaftet, 1948 aus der Haft entlassen, als »Minderbelasteter« eingestuft, ab 1951 wieder Rechtsanwalt. Jünger, Ernst 29. März 1895 Heidelberg – 17. Februar 1998 Riedlingen deutscher Schriftsteller 1914–1918 Kriegsdienst als Offizier, Übernahme in die Reichswehr, bis 1923 im Reichswehrministerium in Berlin, 1923 kurz im Freikorps von Gerhard Roßbach, Studium der Naturwissenschaften, publizistisch und schriftstellerisch tätig, während des Zweiten Weltkrieges Offizier, zunächst am Westwall verwendet, ab 1941 in Paris, 1945–1949 in der britischen Besatzungszone Publikationsverbot, galt nach 1945 trotz Wandel zum Gegner des Totalitarismus als einer der intellektuellen Wegbereiter des Nationalsozialismus. Jungwirth, M argarethe 3. April 1912 Wien – 31. Mai 1993 Wien Beamtin ab 1947 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, Sekretärin Heinrich Wildners, bis 1976 im Generalsekretariat des Außenministeriums. Jury, Dr. med. Hugo 13. Juli 1887 Mährisch Rothmühl – 8. Mai 1945 Zwettl/NÖ (Suizid)

Biografien

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Arzt und Politiker Medizinstudium an der Universität Prag, 1911 Promotion zum Dr. med., 1913 Gemeindearzt in St. Pölten, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Lungenfacharzt in St. Pölten, ab 1927 in der Heimwehr aktiv, 1931 Mitglied der NSDAP, 1933 mehrfach inhaftiert, Jänner 1934 bis Juli 1936 im Anhaltelager Wöllersdorf, amnestiert, 1936 Mitglied im »Siebener-Komitee« für Ausgleich zwischen Regierung und Nationalsozialisten, ab Herbst 1936 NS-Landesleiterstellvertreter Österreichs, Februar bis 12. März 1938 Mitglied des Staatsrats, März 1938 Mitglied der SS (Obergruppenführer 1943), 12. März bis Mai 1938 in der Regierung Seyß-Inquart Minister für soziale Verwaltung, ab 24. Mai 1938 Gauleiter von Niederdonau, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, ab März 1940 Ernennung zum Reichsstatthalter für Niederdonau, ab 16. November 1942 Reichsverteidigungskommissar für Niederdonau. Ju venal 58/60 – nach 127 römischer Satirendichter. K aganowitsch, Lasar Moissejewitsch (K aganovič, Lasar Mojsejevič) 22. November 1893 Kiew – 25. Juli 1991 Moskau sowjetischer Politiker ab 1911 Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, 1916 Organisator der Kiewer Schuharbeiter-Gewerkschaft, 1917–1919 in der Roten Armee, 1924–1957 Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU, 1930–1957 Mitglied des ZK-Präsidiums (bzw. Politbüros), 1935–1937 Volkskommissar (Minister) für Verkehrswesen, 1937–1939 Volkskommissar für Schwerindustrie, 1939–1942 und 1943–1944 Volkskommissar für das Eisenbahn- und Transportwesen, zugleich 1939 für Brennstoffe, 1939–1940 für die Ölindustrie, 1941–1945 Mitglied des Staatlichen Verteidigungskomitees, 1938–1941 und 1953–1954 stellvertretender Vorsitzender des Rats der Volkskommissare bzw. Ministerrats, 1954–1957 Erster Stellvertretender Ministerpräsident, November 1956 bis Juli 1957 Minister für Baustoffindustrie, ab 1957 Leiter einer Zementfabrik in Swerdlowsk, 1962 Parteiausschluss. K állay, Miklós ( Nikolaus) 23. Jänner 1887 Nyíregyháza – 14. Jänner 1967 New York ungarischer Politiker 1921–1929 in der Kommunalpolitik tätig, 1929–1931 im Wirtschaftsministerium, 1932–1935 Minister für Landwirtschaft, 1942–1943 Außenminister, März 1942 bis März 1944 Ministerpräsident, Flucht in die türkische Gesandtschaft in Budapest, November 1944 von den Deutschen verhaftet, in einem Budapester Gefängnis in Haft, Februar 1945 in das KZ Mauthausen, April 1945 in das KZ Dachau, 24. April

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1945 als SS-Geisel nach Niederdorf (Südtirol) gebracht, 4. Mai 1945 befreit, bis August 1945 auf Capri interniert, blieb im Exil, 1951 in die USA. K altenbrunner, Dr. jur. Ernst 4. Oktober 1903 Ried im Innkreis/OÖ – 16. Oktober 1946 Nürnberg (hingerichtet) Rechtsanwalt und NS-Funktionär Jus-Studium an der Universität Graz, 1926 Promotion zum Dr. jur., Rechtsanwalt in Linz, 1932 Mitglied der NSDAP und der SS (Obergruppenführer 1943), 1934 verhaftet, 1935 zu sechsmonatiger Haftstrafe verurteilt, 1937 Führer der österreichischen SS, 12. März 1938 Staatssekretär für die öffentliche Sicherheit, vom 20. Juni 1940 bis 6. Jänner 1941 Polizeipräsident von Wien, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, Jänner 1943 bis Kriegsende Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, Juni 1943 Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, bei Kriegsende in Altaussee, durch US-Truppen verhaftet, 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) zum Tode verurteilt. K altenbrunner, Rosa K andie 27. Februar 1878 – 9. Dezember 1929 Salzburg Ehefrau von Joseph Ferdinand Salvator von Österreich-Toskana vom 2. Mai 1921 bis 6. Oktober 1928 (Scheidung). K ánya, K álmán 7. November 1869 Ödenburg – 3. Februar 1945 Budapest ungarischer Diplomat Wiener Konsularakademie absolviert, 1896 Vizekonsul in Konstantinopel, 1900 Konsul in Moskau, 1905 zum Ministerialdienst nach Wien zurückberufen, 1908 Leiter der Presseabteilung, 1912–1918 ao. Gesandter und bev. Minister in Mexiko, 1919 Organisation des diplomatischen Korps des ungarischen Außenministeriums, 1921 ständiger Vertreter des Außenministers, 1925–1933 Gesandter in Berlin, Jänner 1933 bis November 1938 Außenminister, ab 1938 Mitglied des Oberhauses, 1944 Inhaftierung durch die »Pfeilkreuzler«, Gefangenschaft im Internierungslager Sopronköhida und in einem Budapester Gefängnis. K arl siehe Wildner, Karl. K arl I. (H absburg) 17. August 1887 Schloss Persenbeug/NÖ – 1. April 1922 Funchal/Madeira/Portugal Kaiser von Österreich-Ungarn

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1916–1918 als Karl I. Kaiser von Österreich (11. November 1918 Verzichtserklärung), 1916–1921 König von Ungarn, 23. März 1919 ins Schweizer Exil, nach zwei Restaurationsversuchen in Ungarn von der Entente nach Madeira verbannt. K armasin, Dipl.-Ing. Fr anz 2. September 1901 Olmütz/Mähren – 25. Juni 1970 Steinebach am Wörthsee/Bayern slowakischer Politiker 1919–1923 Studium, als Diplomlandwirt beendet, ab 1926 für den Deutschen Kulturverband in der Slowakei tätig, 1935–1938 Abgeordneter im tschechoslowakischen Parlament, Oktober 1938 bis 1945 slowakischer Staatssekretär für die Angelegenheiten der deutschen Volksgruppe in der autonomen slowakischen Regierung und nationalsozialistischer Volksgruppenführer, Gründer und Führer der »Deutschen Partei«, einer NS-Sammelpartei der Deutschen in der Tschechoslowakei, 1938 in den autonomen Slowakischen Landtag gewählt, 1940 »Führer« der deutschen Volksgruppe in der Slowakei, 1944 SS-Sturmbannführer, 1945 Flucht nach Österreich, nach Ende der Nürnberger Prozesse nach Deutschland, 1947 in der Tschechoslowakei in Abwesenheit zum Tode verurteilt, Deutschland verweigerte die Auslieferung, 1952 Mitglied des neonazistischen »Witikobundes«, ab 1959 dessen Geschäftsführer. K árolyi, Gr af Gyula 12. Mai 1907 Nagymágocs – 2. September 1942 Érd ungarischer Politiker und Manager Schwiegersohn von Miklós Horthy, seit 1930 verheiratet mit dessen Tochter Paulette (1903–1940), in den 30er-Jahren Abschluss als Dipl.-Ing. (Maschinenbau), 1935 stellvertretender Direktor und 1940 Generaldirektor in der Maschinenfabrik GanzDanubius, 1942 Präsident des Ungarischen Aero-Verbandes, enger Vertrauter von Horthy, vertrat in der Regierungspartei Position gegen die extreme Rechte und die pro-deutsche Politik, sprach sich für eine gemäßigte Politik, die bestehende Verfassungsordnung und eine angelsächsische Ausrichtung aus, galt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Horthy, im Herbst 1942 trat Gyula Károlyi seinen Militärdienst bei der Luftwaffe an, er stürzte während eines Übungsfluges bei Érd südlich von Budapest in die Donau. K arwinsk y, Dr. jur. Carl 17. September 1888 Innsbruck – 10. April 1958 Schruns/Vorarlberg Beamter und Politiker Jus-Studium an der Universität Wien, 1913 Eintritt in den Dienst der politischen Verwaltung Niederösterreichs, dem Präsidialbüro zugeteilt, 1914–1918 Kriegsdienst, 1918 Präsidialchef beim Landeshauptmann von Niederösterreich, 1933 Sicherheitsdirektor für Niederösterreich und das Burgenland, September 1933 bis 29. Juli 1934

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Staatssekretär für öffentliche Sicherheit, 29. Juli 1934 bis 17. Oktober 1935 Staatssekretär für Justiz, Oktober 1935 Präsident des Bundesamts für Statistik, 11. März 1938 Verhaftung und Entlassung, in das KZ Dachau, später in das KZ Mauthausen deportiert, 1945 Berater der US-Militärregierung in Salzburg, in den 1950er-Jahren Initiator und Mitglied des Forschungsinstituts für Fragen des Donauraumes in Salzburg. K asche, Siegfried 18. Juni 1903 in Strausberg/Brandenburg – 19. Juni 1947 Zagreb (hingerichtet) deutscher SA-Funktionär, Diplomat Kadett, dann Schriftsteller, 1919 und 1920 in Freikorps aktiv, dann Fähnrich in der Reichswehr, 1920 aus der Armee ausgeschieden, 1920–1921 in der Landwirtschaft tätig, dann kaufmännischer Angestellter, 1925 Mitglied der SA, 1926 Mitglied der NSDAP, 1926–1933 Bezirksleiter, 1928–1931 stellvertretender Gauleiter im »Gau Ostmark« (Österreich). 1929–1931 Stadtverordneter in Sorau, 1930–1945 Mitglied des Reichstags, ab 1936 Reichsredner der NSDAP, November 1937 Führer der SAGruppe »Hansa«, 1941 bis Mai 1945 Gesandter in Kroatien (Unabhängiger Staat Kroatien), SA-Obergruppenführer, 1945 verhaftet, an Jugoslawien ausgeliefert, 1947 hingerichtet. K assner, Dr. phil. Rudolf 1. September 1873 Groß-Pawlowitz/Mähren – 1. April 1959 Sierre/Schweiz Schriftsteller, Essayist, Übersetzer und Kulturphilosoph 1914 Übersiedlung nach Wien, 1918–1945 tschechoslowakischer Staatsbürger, ab 1933 Publikationsverbot in Deutschland, nach »Anschluss« Schreibverbot, nach 1945 Übersiedlung in die Schweiz, hielt Vorlesungen an der Universität Zürich. K ästner, Erich 23. Februar 1899 Dresden – 29. Juli 1974 München deutscher Schriftsteller seine Werke standen auf der Liste der als »undeutsch« diffamierten Bücher, die im Mai 1933 verbrannt wurden, veröffentlichte unter einem Pseudonym, schrieb Drehbücher für Unterhaltungsfilme, lebte nach dem Zweiten Weltkrieg in München, 1951–1962 Präsident des westdeutschen PEN-Zentrums. K aufmann, Else 10. Jänner 1901 – 11. März 1987 geborene Speth Ehefrau von Karl Kaufmann (1928).

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K aufmann, Günter 5. September 1913 Dresden – 2001 deutscher Politiker, Journalist und Schriftsteller während des Studiums Chefredakteur der bayerischen Hochschulzeitung, 1932 als Journalist des »Mitteldeutschen Beobachters« in Genf beim Völkerbund akkreditiert, 1933 Mitglied der NSDAP, Oktober 1934 Hauptschriftleiter der HJ-Zeitung »Wille und Macht«, 1934 Referent der Abteilung P (Presse/Propaganda) der Reichsjugendführung, hauptberuflich Schriftsteller, zahlreiche Funktionen im Pressewesen, 1939 Chef des Presse- und Propagandaamtes der Reichsjugendführung und Leiter des Reichsinstituts für nationalsozialistische Jugendarbeit, stellvertretender Reichjugendführer, Oktober 1940 persönlicher Referent und Leiter der Pressestelle des Reichsstatthalters Baldur von Schirach in Wien, Beisitzer des Bezirksgerichts der Presse Wien, Landeskulturwalter des Hauses Wien der Reichskulturkammer, Vizepräsident der Südosteuropa-Gesellschaft, verschiedene Kriegseinsätze, 1944 Verwarnung wegen publizistischer Unbotmäßigkeiten und Ausscheiden aus der NSDAP, zweieinhalb Jahre Berufsverbot, Mai 1945 in Tirol verhaftet, bis Juni 1946 von der US-Armee in Ludwigsburg interniert, März 1950 als »Entlasteter« eingestuft. K aufmann, K arl Ot to 10. Oktober 1900 Krefeld – 4. Dezember 1969 Hamburg deutscher Politiker 1920 Mitglied des Selbstschutzes Oberschlesien, dann Landwirt, 1921 Mitglied der NSDAP, 1923 Mitglied des Sabotagekommandos im Ruhrgebiet, 1922–1924 Hilfsarbeiter, 1926 Leiter des Gaues Ruhr, dann Gauleiter von Hamburg, 1928–1935 Mitglied des Preußischen Landtags, 1930–1945 Mitglied des Reichstags, 1929–1945 NSDAP-Gauleiter, 1933 Reichsstatthalter von Hamburg, 1936–1945 Bürgermeister von Hamburg, Mai 1942 Reichskommissar für die Seeschifffahrt, SS-Obergruppenführer (1942), Mai 1945 verhaftet, im Nürnberger Prozess Zeuge, aus Internierungslager im Oktober 1948 aus gesundheitlichen Gründen freigelassen, August 1950 neuerlich in Haft, November 1950 entlassen, Jänner 1951 im Entnazifizierungsverfahren als »Minderbelasteter« eingestuft, Freigabe seines Vermögens, ab 1959 Teilhaber einer chemischen Fabrik und eines Versicherungsunternehmens, das seinem früheren stellvertretenden Gauwirtschaftsberater Otto Wolff gehörte. K eitel, Wilhelm 22. September 1882 Helmscherode/Niedersachsen – 16. Oktober 1946 Nürnberg (hingerichtet) deutscher Offizier 1901 in die Preußische Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, Taktiklehrer an der Kavallerieschule in Hannover, 1923–1929 in ver-

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schiedenen Regimentern, 1929–1933 Leiter der Heeresorganisationsabteilung im Reichswehrministerium, Oktober 1933 Rückkehr zum Truppendienst, 1935 Chef des Wehrmachtsamtes im Reichskriegsministerium, Oktober 1938 bis Mai 1945 Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, 1939 Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP, 1940 Generalfeldmarschall, 13. Mai 1945 Verhaftung durch die Alliierten, 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) zum Tode verurteilt. K eller, Dipl.-Ing. A lfred 17. Juni 1875 Graz – 8. März 1945 Krems/NÖ Architekt 1893–1898 Studium an der Technischen Hochschule Graz, 1899 Diplom-Abschluss, 1898–1899 Ingenieur-Assistent am Stadtbauamt in Graz, 1899–1907 Bauadjunkt in der k. k.-Gebäudedirektion Wien, ab 1908 freischaffender Architekt, 1912–1917 Präsident des Hagenbundes, 1913–1915 in den USA, 1915–1920 Auslandsaufenthalte, 1927 Zivilarchitekt, 1930 Professor an der Technischen Hochschule Wien, 1935–1936 Dekan der Fakultät für Architektur. K enworthy, Joseph Montague (Lor d Str abolgi 1934) 7. März 1886 Leamington/Warwickshire – 8. Oktober 1953 britischer Politiker 1902–1920 in der Marine, 1920–1931 Mitglied des Unterhauses (Liberale Partei), 1926 Wechsel zur Labour Partei, ab 1934 als Lord Strabolgi in Nachfolge seines Vaters Mitglied des Oberhauses, 1938–1942 Oppositionsführer. K eppler, Wilhelm 14. Dezember 1882 Heidelberg – 13. Juni 1960 Friedrichshafen deutscher Politiker Maschinenbaustudium, 1921–1932 Leiter eines chemischen Werkes, 1927 Mitglied der NSDAP, 1932 Bearbeiter wirtschaftspolitischer Fragen für die NSDAP, 1932 Bildung des »Keppler-Kreises« (stellte Verbindungen zwischen Hitler und Industriellen her), 1933 Mitglied der SS, 1933–1945 Mitglied des Reichstags, Juli 1933 Kommissar für Wirtschaftsfragen in der Reichskanzlei, November 1934 bis Oktober 1936 Sonderbeauftragter für Rohstoffversorgung, Juli 1937 von Hitler mit der Bearbeitung der österreichischen politischen Fragen innerhalb der NSDAP beauftragt, März bis Juli 1938 Reichsbeauftragter für Österreich, 19. März 1938 bis 1945 Staatssekretär für besondere Verwendung im Auswärtigen Amt u. a. betraut mit der Vorbereitung der Verwaltung des Protektorats Böhmen und Mähren, 1947 im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) angeklagt, 1949 zu zehn Jahren Haft verurteilt, 1950 freigelassen.

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K eresztes-Fischer, Lajos (Ludwig) 8. Jänner 1884 Pécs/Ungarn – 29. April 1948 Vöcklabruck/OÖ ungarischer Offizier 1914–1918 Kriegsdienst (Hauptmann im Generalstab), ab 1919 in der Nationalarmee Horthys, 1920–1925 stellvertretender Chef der Militärkanzlei, 1925–1929 im Verteidigungsministerium, ab 1929 Truppendienst, 1933–1935 stellvertretender Generalstabschef, Jänner 1935 bis Oktober 1942 Chef der Militärkanzlei, Mai bis September 1938 auch Generalstabschef, November 1942 zurückgetreten, Oktober 1944 in deutscher Haft, lebte nach 1945 in Österreich. K errl, H anns 11. Dezember 1887 Fallersleben/Niedersachsen – 15. Dezember 1941 Paris deutscher Beamter und Politiker Justizbeamter, 1914–1918 Kriegsdienst, 1923 Mitglied der NSDAP, 1928–1933 Mitglied des Preußischen Landtags, 1932 Landtagspräsident, 1933–1941 Mitglied des Reichstags, März 1933 bis Juni 1934 preußischer Justizminister, Juni 1934 Reichsminister ohne Geschäftsbereich, 1935–1941 Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten. K eyserling, Gr af A rnold 9. Februar 1922 Friedrichsruh/Schleswig-Holstein – 7. September 2005 Matrei am Brenner/Tirol deutsch-österreichischer Philosoph und Religionswissenschaftler rechtswissenschaftliche Studien an der Universität Wien, 1939 von der Universität verwiesen, 1964 Lehrauftrag an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, 1974 Professor für Religionsphilosophie. K ienböck, Dr. jur. Viktor 18. Jänner 1873 Wien – 23. November 1956 Wien Rechtsanwalt, Finanzfachmann und Politiker (ChP) Jus-Studium an der Universität Wien, 1896 Promotion zum Dr. jur., Rechtsanwalt, 1914 Kriegsdienst, 1914–1917 serbische Kriegsgefangenschaft, wieder Rechtsanwalt, 1918–1923 Mitglied des Wiener Gemeinderats, November 1920 bis November 1922 Stadtrat von Wien, Dezember 1920 bis November 1923 Mitglied des Bundesrats, November 1922 bis November 1924 und Oktober 1926 bis Mai 1929 Bundesminister für Finanzen, November 1923 bis Februar 1932 Abgeordneter zum Nationalrat, Februar 1932 bis 20. März 1938 Präsident der Oesterreichischen Nationalbank, 1934–1938 Mitglied des Staatsrats und des Bundestags, als »klerikaler Systempolitiker« eingestuft, wurde aber nicht verhaftet, Juni 1938 Verzicht auf alle Ansprüche an die Nationalbank bzw. Reichsbank für eine monatliche Rente, weiterhin Inhaber

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einer Rechtsanwaltskanzlei, 8. Mai bis 24. Juli 1945 Mitglied des Präsidialkollegiums der Oesterreichischen Nationalbank, 1952–1956 Vizepräsident der Oesterreichischen Nationalbank. K illinger, M anfred Freiherr von 14. Juli 1886 Gut Lindigt bei Nossen/Sachsen – 2. September 1944 Bukarest (Suizid) deutscher Marineoffizier und Diplomat 1904–1920 im Marinedienst, 1919/1920 Mitglied im Freikorps Ehrhardt, 1920–1923 in der Organisation »Consul«, 1923–1928 Führer des »Wikingbundes« in Sachsen, 1928 Mitglied der NSDAP und SA (Obergruppenführer 1933), 1928–1933 Mitglied des Sächsischen Landtags, 1932–1944 Mitglied des Reichstags, März 1933 Reichskommissar für Sachsen, Mai 1933 bis Februar 1935 Ministerpräsident von Sachsen, 1935 Mitglied des Volksgerichtshofes, im Gefolge des sogenannten Röhm-Putsches verlor er sein Amt, April 1937 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, Juni 1937 bis Februar 1939 Generalkonsul in San Francisco, 1939–1940 in der Personal- und Verwaltungsabteilung des Auswärtigen Amtes, Juli 1940 bis Jänner 1941 Gesandter in Pressburg, Jänner 1941 bis August 1944 in Bukarest. K ingsbury-Smith, Joseph 20. Februar 1908 – 5. Februar 1999 Waterford/Virginia US-Journalist 1924–1926 Reporter bei der Agentur International News Service, 1927–1931 Leiter des Londoner Büros der United Press, 1931–1932 beim US-Senat, 1932–1936 beim Staats-, Kriegs- und Marineamt, 1940 stellvertretender Direktor für den Außendienst, 1941–1944 beim State-Departement, 1944 Direktor des International News Service in Paris, 1955–1958 Hearst-Korrespondent. K ink, Dr. jur. M artin 16. Juli 1885 Purkersdorf/NÖ – 2. April 1973 Wien Industrieller Jus-Studium an der Universität Wien, 1910 Promotion zum Dr. jur., 1910 Volontär in der DDSG, 1912–1918 Konsulent in der Handelskammer Wien, in der väterlichen Zement- und Papierindustrie tätig, ab 1910 Aufsichtsratsmitglied in der Perlmoser Zementwerke AG, der Messe AG, des Schraubenwerkes Brevillier & Urban, in der A. Porr Betonbau-Unternehmung GmbH tätig, 1914–1918 Kriegsdienst, danach in der Porr GmbH tätig, zuletzt Mitglied der Direktion, Vizepräsident des Hauptverbandes der Industrie, 1934–1938 Mitglied des Bundeswirtschaftsrats, 1937 Präsident der Wiener Handelskammer und des Wiener Industriellenverbandes, Verwaltungsrat in zahlreichen Aktiengesellschaften, 1940 Teilhaber der Porr AG, am 24. Jänner 1944 von der Gestapo verhaftet, ein Gerichtsverfahren wegen Abhörens ausländi-

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scher Sender eingeleitet, März 1944 krankheitshalber entlassen, April 1944 die Anklage über Auftrag Ernst Kaltenbrunners fallengelassen, 1945 öffentlicher Verwalter der Firma A. Porr, 1946–1960 Präsident der Wiener Handelskammer, Aufsichtsrat in zahlreichen Aktiengesellschaften. K irchholtes, Dr. jur. H ans 29. Juli 1882 Wiesbaden/Hessen – 1. Juni 1959 Berlin deutscher Diplomat Jus-Studium, 1908 Promotion zum Dr. jur., 1904 in den preußischen Justizdienst, 1911–1913 Studien in Paris und Manchester, 1914–1918 Kriegsdienst, 1918 Einberufung in den Auswärtigen Dienst (diplomatische Laufbahn), 1919–1922 an der Botschaft in Wien, 1922–1925 im Auswärtigen Amt im Referat Österreich und Tschechoslowakei, 1925–1927 an der Botschaft in Paris, 1927–1934 an der Gesandtschaft in Bukarest, 1934 bis März 1935 Leitung des Konsulats in Beirut, 1935 Mitglied der NSDAP, 1935 bis Februar 1936 Gesandter in Addis Abeba, Krankenurlaub, November 1936 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, ab Jänner 1937 kommissarische Beschäftigungen in Bulgarien, Rumänien und im Auswärtigen Amt, 11. Jänner 1939 Sonderauftrag des Reichsaußenministeriums beim Reichsstatthalter in Wien (Südeuropa-Politik), März 1939 bis Juli 1940 in der Nachrichten- und Presseabteilung im Auswärtigen Amt (Sonderauftrag für allgemeine Südostfragen), Juli 1944 Versetzung in den Ruhestand. K irigin-M ar degani, Cyrill, Freiherr von 13. November 1881 Split/Dalmatien –   7. Juni 1957 Wien Hofrat und Kabinettssekretär a. D. K irk, A lex ander Comstock 26. November 1888 Chicago/Illinois – 23. März 1979 Tucson/Arizona US-Diplomat August 1915 bis April 1916 Botschaftssekretär in Berlin, 1916 in Konstantinopel, 1917 in Den Haag, 1918–1919 Teilnahme an der Pariser Friedenskonferenz, 1919– 1920 in Washington, 1922 in Tokio, 1923 in Peking, 1924 in Mexico-City, 1925 wieder in Berlin, ab 1928 in Rom, 1937–1938 in Moskau, 1938 Generalkonsul in Barcelona, Mai 1939 bis Oktober 1940 in Berlin, danach in Rom, 1943 Botschafter beim König von Ägypten, 1944 Berater von Dwight D. Eisenhower. K iss de It tebe, A nton 30. August 1880 Traunkirchen/OÖ – 10. November 1970 Bad Ischl/OÖ Beamter

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1904–1920 im Außenministerium, Jänner 1907 bis Jänner 1908 in Konstantinopel, Februar 1908 bis April 1909 in Brüssel, Legationsrat, Sohn von Katharina Kiss de Ittebe, geborene Schratt. K lastersk y, Wilhelm 6. Juli 1880 Wien – 24. Dezember 1961 Wien Beamter 1903 Eintritt in den Staatsdienst, 1909 Einberufung in das Handelsministerium (Referat für handels- und schiffahrtspolitische Angelegenheiten), zuletzt Leiter des Büros des Generalkommissariats für Kriegs- und Übergangswirtschaft, März 1919 Versetzung in die Präsidentschaftskanzlei, 1924 Vorstand der Kanzlei des österreichischen Ehrenzeichens, 1. Jänner 1934 Kabinettsdirektor, November 1935 bis 17. Oktober 1938 Präsident des Kuratoriums des Dorotheums, Jänner 1936 Versetzung in den dauernden Ruhestand, 31. Oktober 1938 Verhaftung, Haft bis Ende Juni 1939, Dezember 1945 Kabinettsdirektor, Mai 1947 stimmt die Bundesregierung dem Antrag auf Aufschiebung des Übertritts in den dauernden Ruhestand bis Dezember 1950 zu, weitere Verlängerungen, Oktober 1952 pensioniert, Weiterverwendung in der Präsidentschaftskanzlei bis Mai 1953. K lausner, Hubert 1. November 1892 Raibl/Friaul-Julisch Venetien – 12. Februar 1939 in Wien Offizier und Politiker ab 1914 Kriegsdienst, Dezember 1915 schwer verwundet, danach im Hinterland verwendet, 1918 Übernahme in die Volkswehr und ins Bundesheer, Dienst bei Kärntner Einheiten, 1922 (und 1931) Mitglied der NSDAP, Mai 1933 Gauleiter der NSDAP von Kärnten, Juni 1933 vom Dienst enthoben, Juli 1933 im Wartestand beurlaubt, 1935, 1936 und 1937 für einige Monate inhaftiert, März 1938 Landesleiter der NSDAP in Österreich, 11. März 1938 Bundesminister für politische Willensbildung, 1938–1939 Mitglied des Reichstags, ab 26. Mai 1938 Gauleiter von Kärnten und Vertreter des Reichsstatthalters in Österreich, SS-Oberführer, nomineller Landeshauptmann von Kärnten. K leinwächter, Dr. jur. Ludwig 9. Oktober 1882 Czernowitz/Bukowina – 12. März 1973 Wien Diplomat Jus-Studium an den Universitäten Czernowitz und Berlin, 1909 Promotion zum Dr. jur., 1911 in den Auswärtigen Dienst, vielfältige diplomatische Tätigkeit u. a. in Marseille, New York, Washington, St. Petersburg, Kiew und Rom, 1932 Bestellung zum stellvertretenden Leiter des Bundespressedienstes, 12. März 1938 Verhaftung (als »Halbjude«), 31. März 1939 Entlassung, 1. April 1938 bis 23. September 1938

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im KZ Dachau, bis 3. Mai 1939 im KZ Buchenwald, November 1939 achtzehn Tage in Gestapohaft, ab 1941 als Steuerberater und Einkäufer tätig, 30. April 1945 reaktiviert, 18. Juli 1945 bis Jänner 1946 ständiger Vertreter des Amtes für die Auswärtigen Angelegenheiten bei der US-Delegation der Alliierten Kommission in Wien, Februar 1946 ao. Gesandter und bev. Minister, Februar 1946 bis Dezember 1949 Gesandter in Washington, Versetzung in den dauernden Ruhestand, ab November 1950 als Ruhestandsbeamter weiterverwendet, Dezember 1951 bis Jänner 1952 ao. und bev. Botschafter in den USA und Kuba, 16. Jänner 1952 Beendigung der Weiterverwendung als Ruhestandsbeamter. K leist, Ewald von 8. August 1881 Braunfels an der Lahn/Hessen – 13. oder 16. November 1954 Vladimirovka/Sowjetunion (Lager) deutscher Offizier ab 1900 in der Armee, 1914–1918 Kriegsdienst (u. a. Generalstabsoffizier), 1919 Übernahme in die Reichswehr, 1919–1931 verschiedene Stabskommanden, Februar 1938 Entlassung aus dem aktiven Wehrdienst, 1. September 1939 Reaktivierung, während des Zweiten Weltkrieges Oberbefehlshaber verschiedener Panzer-Armeen und Heeresgruppen, September 1943 Oberbefehl der Heeresgruppe Südukraine, Generalfeldmarschall (1943), 9. März 1944 Versetzung in die »Führerreserve«, 1945 in britische Kriegsgefangenschaft, 1946 an Jugoslawien und 1948 an die Sowjetunion ausgeliefert, wegen Kriegsverbrechen verurteilt. K lemperer, Dr. phil. Victor 9. Oktober 1881 Landsberg an der Warthe/Brandenburg – 11. Februar 1960 Dresden deutscher Literaturwissenschaftler, Romanist und Politiker Studium der Philosophie, Romanistik und Germanistik in München, Genf, Paris und Berlin, 1905–1912 freier Publizist in Berlin, 1912 zum Protestantismus konvertiert, Promotion zum Dr. phil., 1914 Habilitation, 1914–1915 Lektor an der Universität Neapel, 1915 Kriegsfreiwilliger, bis 1916 an der Westfront, danach bei der Militärzensur, 1920 bis April 1935 Professor für Romanistik an der Technischen Hochschule Dresden (vorzeitig in den Ruhestand versetzt), wissenschaftliche Arbeiten, Tagebuchaufzeichnungen während der Kriegsjahre, 1940 aus seinem Haus vertrieben, lebte mit seiner Frau in verschiedenen »Judenhäusern« in Dresden, Februar 1945 Flucht aus der brennenden Stadt, Juni 1945 Rückkehr nach Dresden, Professor an der Technischen Hochschule Dresden, 1947–1960 an den Universitäten in Greifswald, Halle-Wittenberg und Berlin, 1950–1958 als Abgeordneter des Kulturbundes der DDR in der Volkskammer, 1950 ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften.

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K less, A nton 8. Juni 1882 Gurk/Kärnten – 19. März 1961 Wien Offizier Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolviert, 1906–1909 Kriegsschule Wien, 1914–1918 Kriegsdienst, Übernahme in die Volkswehr und in das Bundesheer, im Bundesministerium für Heereswesen tätig, Juli 1930 in den dauernden Ruhestand versetzt, März 1938 Mitglied der NSDAP, September 1938 Mitglied der SS (Brigadeführer 1943), Gaukriegerführer in Wien, leitete den Gebietsverband des »Kyffhäuser Reichskriegerbundes« in Wien, zuletzt im Rang eines Generalmajors. K lezl-Norberg, Dr. jur. Eduar d 27. Mai 1884 Wien – 17. Juli 1971 Innsbruck Beamter 1908 in den Staatsdienst bei der Niederösterreichischen Statthalterei, 1909 ins Außenministerium, 1925–1938 im Bundeskanzleramt, 1937 Ministerialrat, 1938 Übernahme in den Reichsdienst, zuletzt im Reichsarchiv Wien, April 1941 in den Wartestand versetzt, bis Juni 1942 wiederverwendet, Juli 1946 Sektionschef und Pensionierung. K limann, Thomas 6. September 1876 Klagenfurt – 25. Oktober 1942 Klagenfurt Offizier und Politiker (GdP) ab 1894 in der k. u. k. Armee, ab 1896 Berufssoldat, 1918/1919 Teilnahme an den Kärntner Grenzkämpfen, 1919 als Vertreter der Offiziere zum Mitglied der vorläufigen Kärntner Landesversammlung gewählt, 1920–1923 Landesleiter, danach Ehrenlandesleiter der Organisation des Kärntner Heimatschutzverbandes, 1919–1942 Generalsekretär des Kärntner Industriellenverbandes, 1922 Ernennung zum Oberst, November 1923 bis Oktober 1930 Abgeordneter zum Nationalrat, Februar 1932 bis 2. Mai 1934 Mitglied des Bundesrats, 1938 Hauptgeschäftsführer der Zweigstelle Kärnten der Industrie-Abteilung der Wirtschaftskammer Südmark. K linger, Fer dinand K arl 2. Mai 1870 Reichenberg/Böhmen – 27. Dezember 1948 Wien Offizier aus Reichenberger Unternehmerfamilie, seit 1907 verheiratet mit Dorothea Riedl, Beistand bei der Trauung war Theodor Mautner-Markhof. K lop, Dirk 17. Juli 1906 Nieuw-Helvoet – 9. November 1939 Düsseldorf niederländischer Geheimdienstoffizier

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ab 1939 in der Generalstabsabteilung in Den Haag, im Auftrag des Geheimdienstes gab er sich als britischer Offizier aus und begleitete die beiden britischen Offiziere Richard Henry Stevens und Sigismund Payne Best, um ein Treffen an der niederländisch-deutschen Grenze mit vermeintlichen Wehrmachtsoffizieren abzusichern, bei einem Schusswechsel mit einem Sonderkommando der SS (»Venlo-Zwischenfall«) erlitt er einen Kopfschuss, schwerverletzt wurde er in ein Krankenhaus nach Düsseldorf gebracht, die Todesumstände sind ungeklärt. K luge, Günther von 30. Oktober 1882 Posen – 19. August 1944 bei Verdun (Suizid) deutscher Offizier 1901 Eintritt in die Armee, 1910–1914 zum Großen Generalstab kommandiert, 1914–1918 Kriegsdienst (Generalstabs- und Truppenoffizier), 1919 Übernahme in die Reichswehr, Kommandeur von Truppenkörpern, 1936 General der Artillerie, 1938 Oberbefehl verschiedener Heeresteile, führte im Polen-, West- und Ostfeldzug die 4. Armee, ambivalentes Verhalten beim militärischen Widerstand gegen Hitler, 1940 Generalfeldmarschall, ab Juli 1944 Oberbefehlshaber West, August 1944 von Hitler abgesetzt. K naffl-Lenz, Dr. jur. A lfons 31. Dezember 1878 Graz – 21. April 1957 Salzburg Diplomat Jus-Studium an der Universität Graz, 1903 Promotion zum Dr. jur., 1903–1911 bei den Finanzprokuraturen Triest und Graz, 1911 in den Auswärtigen Dienst, 1912 an der Gesandtschaft Belgrad, 1913–1914 in Rio de Janeiro, 1914–1919 an der Botschaft in Madrid, Dezember 1919 bis November 1921 Geschäftsträger in Warschau, Dezember 1921 bis Dezember 1922 in Paris, 1922 bis Dezember 1928 im Auswärtigen Amt, ab Herbst 1927 Leiter der politischen Abteilung, Dezember 1928 bis Mai 1932 interimistischer Geschäftsträger, ab Oktober 1930 ao. Gesandter und bev. Minister in Buenos Aires, Oktober 1932 gegen Wartegeld beurlaubt, 1937 Versetzung in den dauernden Ruhestand. K naffl-Lenz, Yolanda keine Information geborene Grass Ehefrau von Alfons Knaffl-Lenz (1922). K niest, Wilhelm ? – 8. Juni 1939 Kladno/Böhmen (erschossen) Polizeihauptwachtmeister (aus Leipzig).

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K nips, A nton 1865 Reichenbach/Chemnitz/Sachsen – 24. Mai 1946 Wien Unternehmer Großgrundbesitzer (Steiermark und Kärnten), Präsident der Eisenwerke AG Krieglach, zeitweise Verwaltungsrat der Credit-Anstalt, Gesellschafter der Firma C. T. Petzold & Co. K noll, Dr. phil. Kurt 29. Oktober 1889 Parschnitz/Böhmen – 28. Juli 1959 Wien Professor für englische Sprache Studium der Germanistik, Anglistik und Romanistik an den Universitäten Wien, Prag und Göttingen, Auslandsaufenthalte in Frankreich und England (mit kaufmännischer Praxis), 1913 Promotion zum Dr. phil., als Lehrer tätig, 1920–1929 Mitglied der Großdeutschen Partei, ab 1921 Honorardozent am Englischinstitut der Hochschule für Welthandel, 1931 Extraordinarius für Englische Sprache, 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP, illegaler bzw. ab 1938 offizieller NS-Dozentenbundführer, September 1938 Mitglied der SS, Juni 1939 Gaudozentenführer, Oktober 1939 bis November 1944 Rektor der Hochschule für Welthandel, aktiv im Ausbildungsprogramm der Südost-Stiftung, bereitete eine Amerikalehrkanzel vor, 1945 seiner Stellung enthoben, US-Gefangenschaft. Koenig, Helene 4. April 1891 Wien – 23. Oktober 1941 Deportation ins KZ Litzmannsdorf (amtliche Todeserklärung 17. Jänner 1948) Bildhauerin, Malerin Schülerin von Anton Hanak, stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, Erbin des künstlerischen Nachlasses von Anton Hanak, ihr gesamtes Vermögen wurde enteignet, 1941 wurde sie deportiert und ermordet. Kohlruss, Dr. jur. Rudolf (Pseudonym Ludwig Agatson) 23. Februar 1884 Radautz/Bukowina – 7. August 1958 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1919 Promotion zum Dr. jur., 1908 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1908–1913 beim Generalkonsulat Skutari, 1913–1914 Gerent beim Konsulat Prisren, Oktober 1914 bis Jänner 1916 am Konsulat in Sofia, 1916–1917 provisorischer Gerent beim Vizekonsulat Nisch, November 1917 bis September 1918 als Delegierter der Gesandtschaft Sofia in Üsküb, 1919–1924 Leiter des Konsulats Laibach, April 1924 bis Dezember 1928 Geschäftsträger, ab März 1928 ao. Gesandter und bev. Minister in Sofia, Dezember 1928 bis März 1938 beim Vatikan, 1. Oktober 1938 Übernahme als Ministerialrat in den Deutschen Dienst,

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März 1941 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, 6. Jänner 1946 Wiedereintritt in den diplomatischen Dienst, Oktober 1946 bis Juni 1951 ao. Gesandter und bev. Minister beim Vatikan, Dezember 1949 Versetzung in den dauernden Ruhestand, 1950 Weiterverwendung als Ruhestandsbeamter, Juni 1951 Beendigung der Weiterverwendung. Kolischer, Clemens K h an 4. Oktober 1868 Wien – 17. Juni 1945 Wien Beamter war in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in der Wiener Gesellschaft als »kaiserlich persischer Generalleutnant und Sektionschef« aufgetreten, bekannt für seine zwielichtigen Geschäfte und Ehrenhändel. Kollmann, Josef 23. Oktober 1868 Laibach/Slowenien – 16. Juni 1951 Baden/NÖ Kaufmann und Politiker (ChP/ÖVP) 1919–1938 Bürgermeister von Baden, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, November 1920 bis 2. Mai 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 15. Jänner bis 20. Oktober 1926 Bundesminister für Finanzen, 1940 Prozess wegen Missbrauchs der Amtsgewalt und Veruntreuung (Freispruch), 9./10. April 1945 Einsetzung zum Bürgermeister von Baden durch die Sowjets, 15. August 1945 auf Wunsch der Roten Armee (Stadtkommandant von Baden) suspendiert, 30. Jänner 1946 Demission, Februar 1946 bis 1950 Mitglied des Gemeinderats von Baden. Koltsch ak, A lex ander Wassiljewitsch (Kolčak) 16. November 1874 St. Petersburg – 7. Februar 1920 Irkutsk (exekutiert) russischer Offizier 1900–1903 Teilnehmer der russischen Polarexpedition als Hydrologe, im ­Ersten Weltkrieg Marineoffizier, im Juni 1917 wurde ihm das Kommando über die Schwarzmeerflotte entzogen, August 1917 nach England ins Exil, nach Vortragsreise in die USA und Treffen mit Wilson trat er den britischen Streitkräften bei, im Kampf gegen die Mittelmächte organisierte er von Sibirien aus den Kampf gegen die Bolschewiki, November 1918 Rekrutierung der sogenannten »Koltschak-Armee«, nach einem Putsch gegen die »Sibirische Regierung« (Oberste Regenten Russlands), mit Unterstützung aus Großbritannien und Frankreich bis April 1919 erfolgreich im Kampf gegen die Rote Armee in Sibirien, nach Niederlagen und Rückzug im Jänner 1920 durch die Tschechoslowakischen Legionen nach Irkutsk gebracht, von den Bolschewiki standrechtlich exekutiert.

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Körber keine Information Diplomkaufmann. Körner, Theodor 24. April 1873 Komorn/Ungarn – 4. Jänner 1957 Wien Offizier und Politiker (SdP/SPÖ) ab 1894 Militärdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, Eintritt in die Volkswehr, Februar 1924 Versetzung in den dauernden Ruhestand als General, 1924 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, 1924–1929 Mitglied der Zentralleitung des Republikanischen Schutzbundes, 1924 bis 17. Februar 1934 Mitglied des Bundesrats, Dezember 1933 bis 17. Februar 1934 Vorsitzender des Bundesrats, Februar 1934 bis 24. Dezember 1934 in Haft, 1944 Gestapohaft, 17. April 1945 bis Juni 1951 Wiener Bürgermeister, 13. Dezember 1945 bis Juni 1951 Mitglied des Wiener Gemeinderats und des Landtags, Februar 1946 bis Juni 1951 Vorsitzender des Wiener Gemeinderats, 19. Dezember 1945 bis Juni 1951 Abgeordneter zum Nationalrat, ab 1945 Mitglied des Parteivorstandes der SPÖ, Juni 1951 bis 4. Jänner 1957 Bundespräsident. Köstring, Ernst-August 20. Juni 1876 Serebrjanyje Prudy/Gouvernement Tula/Russland – 20. November 1953 Unterwössen/Bayern deutscher Diplomat 1898–1900 Studium der Rechtswissenschaften und der Nationalökonomie an den Universitäten Leipzig und Zürich, ab 1901 aktiver Offizier, 1914–1916 Kriegsdienst, Verwundung, ab Dezember 1917 bei der Deutschen Militärmission in der Türkei, November 1918 Rückkehr nach Deutschland, 1919 Übernahme in die Reichswehr, im Reichswehrministerium tätig, zahlreiche militärische Erkundungsreisen, 1931– 1933 Militärberater an der deutschen Botschaft in Moskau, 1933 offiziell aus dem aktiven Dienst der Reichswehr verabschiedet, August 1935 Wiedereintritt, 1935– 1941 Militärattaché an der deutschen Botschaft in Moskau, an der Vorbereitung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes beteiligt, Mitglied der deutsch-sowjetischen Militärkommission, nach dem Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion im Juni 1941 kurz interniert, in Deutschland in die »Führerreserve« versetzt, ab September 1941 Beauftragter für »Kaukasusfragen« bei der Heeresgruppe A, Frühjahr 1943 erneut in die »Führerreserve« versetzt, Juni 1943 Inspekteur der prodeutschen »Turkvolk«-Verbände, Jänner 1944 General der prodeutschen »Freiwilligen«-Verbände, der nichtrussischen »Ostlegionen«, Mai 1945 in US-Kriegsgefangenschaft in Bad Aibling, drei Monate in einem Sonderlager in den USA, danach bis 1947 im Gefangenenlager in Ludwigsburg.

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Korwik (Kovarik) , Dipl. Ing. Ot to 20. September 1884 Wien – 25. März 1973 Wien Generaldirektor der DDSG Studium an der Technischen Hochschule Wien, Staatsprüfung 1907, Eintritt in den Staatseisenbahndienst, 1922 Einberufung in das Verkehrsministerium (Investitionsangelegenheiten), 1924 in die Generaldirektion der ÖBB (Personalreferent), 1925 zu deren Vorstand ernannt, ab Jänner 1929 Wirtschaftsreferent in der finanziellen Direktion, 1930 Leiter dieser Abteilung, 1931 Vorstand der Abteilung für finanzielle Wirtschaft und Buchhaltung, 1932 Hofrat, Juli 1932 Leiter der zentralen Rechnungsstelle der Generaldirektion der ÖBB, Juni 1934 bis Juni 1938 Generaldirektor der DDSG, Vizepräsident mehrerer Schifffahrtsunternehmen, 1. Juli 1939 in den Ruhestand versetzt, 1946–1961 Ingenieur-Konsulent für Bauwesen. Kothgasser, A nton 9. Jänner 1769 Wien – 2. Juni 1851 Wien Porzellan- und Glasmaler der Biedermeierzeit. Kozich, Thomas 24. März 1901 Wien – 10. November 1983 Wien Politiker Freiwillige Teilnahme am Ersten Weltkrieg, Teilnahme an den Kärntner Grenzkämpfen, nach Abbruch eines Studiums an der Hochschule für Welthandel Bankbeamter bei der Niederösterreichischen Escompte-Bank, 1927 Mitglied des Steirischen Heimatschutzes, 1931 Mitglied der NSDAP und der SA (Brigadeführer 1935), 1934 Leiter der SA-Untergruppe Wien (örtlicher Kommandeur der SA), während des Verbots der NSDAP zeitweise wegen illegaler NS-Betätigung in Haft, März bis Oktober 1938 einer der drei Vizebürgermeister Wiens, danach bis 1945 Beigeordneter (Stadtrat) der Stadt Wien und Gausportführer, August 1942 zur Wehrmacht eingezogen, bei Kriegsende im Mai 1945 verhaftet, in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, 1947 in einem Volksgerichtsverfahren zu zehn Jahren schweren Kerkers und Vermögensverfalls verurteilt, 1951 begnadigt. K r al, August 20. Juni 1869 Braunau/Böhmen – 12. Juni 1953 Wien Diplomat 1893 Eintritt in den Staatsdienst im Gerichtsdienst in Görz, 1894–1895 beim Konsulat in Konstantinopel, 1895 in Skutari, 1897–1904 in Monastir, ab Oktober 1904 im Außenministerium, 1905–1909 Gerent in Skutari, Dezember 1909–1911 Leiter des Generalkonsulats in Smyrna, 1911–1914 Generalkonsul in Saloniki, März bis Oktober 1914 Kommissär bei der Internationalen Kontrollkommission für Albanien, Ok-

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tober 1914 bis 1916 Geschäftsträger der Gesandtschaft in Durazzo, April 1916 bis Oktober 1918 Zivillandeskommissär beim Kommando der in Albanien operierenden k. u. k. Streitkräfte, 1918 Übernahme in der Auswärtigen Dienst, Versetzung in Disponibilität, Juni 1919 bis Oktober 1921 am Generalkonsulat in Hamburg, Dezember 1921 bis Dezember 1924 ao. Gesandter und bev. Minister in Sofia, 1924 bis April 1932 in der Türkei, April 1932 Versetzung in den dauernden Ruhestand. K r amer, H ans Georg 10. April 1886 Ernsthofen/NÖ – 23. Oktober 1967 Wien Journalist ab 1907 Tätigkeit als Journalist, später Chefredakteur des »Deutschen Volksblattes«, 1914–1918 Kriegsdienst im Pressehauptquartier, ab Ende 1920 Mitarbeiter des österreichischen staatlichen Pressedienstes, 1923–1933 Chefkorrespondent des Verlags Knorr & Hirth, 1932–1936 Leiter der Pressestelle der Heimwehrbundesführung, 1934–1938 Mitglied des Bundeswirtschaftsrats, Vorstandsmitglied der Pressekammer als Vertreter der Arbeitnehmer, ab 1936 Chefredakteur des Bundespressedienstes, Konsulent des Literarischen Büros im Außenamt, März 1938 seiner Ämter enthoben, entlassen und kurzfristig inhaftiert, ab September 1940 Tätigkeit als Industriebeamter, 1945 rehabilitiert, Hofrat, Leitung des Bundespressedienstes, 1950 Versetzung in den dauernden Ruhestand, 1951 bis Ende März 1954 Chefredakteur des ÖVP-Pressedienstes. K r asser, Robert 20. Oktober 1882 Wien – 11. Juni 1958 Wien Pädagoge und Politiker (ChP) Studien an der Technischen Hochschule Wien (Maschinenbau) und an der Universität Wien (Mittelschul-Lehramt 1907), Lehrer, 1915–1918 Kriegsdienst, ab 1922 im Wiener Stadtschulrat, 1932–1934 Landesparteiobmann der Christlichsozialen im Wiener Landtag, 1934 Hofrat und geschäftsführender Vizepräsident des Stadtschulrats, 1938 inhaftiert, im Februar 1939 mit halber Pension in den Ruhestand versetzt, am 23. August 1944 von der Gestapo Wien erkennungsdienstlich erfasst, 1945 rehabilitiert, bis 1952 Vizepräsident des Stadtschulrats. K r ausenecker, A dele 4. April 1899 Wien – 15. März 1978 Wien Tänzerin und Pädagogin ab 1914 im Ballettensemble der Hofoper, 1921 Solotänzerin, 1925 1. Solotänzerin des Wiener Staatsopernballetts, 1931–1963 unterrichtete sie als Pädagogin an der Ballettschule der Staatsoper.

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K r auß, A lfred 26. April 1862 Zara/Dalmatien – 29. September 1938 Bad Goisern/OÖ Offizier 1910–1914 Kommandant der Kriegsschule Wien, 1914–1918 Kriegsdienst (u. a. Generalstabschef der Balkanstreitkräfte, 1915–1917 der Südwestfront, Kommandant des I. Korps/12. Isonzo-Schlacht), August 1917 General der Infanterie, Mai 1918 Oberbefehl der k. u. k. Ostarmee und zugleich Kommandant der besetzten Gebiete in der Ukraine, ab 1919 Anhänger der Völkischen Bewegung, Gründer und ab März 1920 Obmann des Nationalverbandes deutschösterreichischer (später Deutscher) Offiziere in Wien, 1927–1938 einer der Herausgeber der alldeutschen und nationalsozialistischen Zeitschrift »Deutschlands Erneuerung«, 1938 Mitglied des Reichstags und Ernennung zum SA-Brigadeführer. K r awarik, Joh annes 15. Februar 1903 Wien – 26. März 1968 Wien Priester nach der Matura Eintritt in das Wiener Priesterseminar, Studium der Theologie an der Universität Wien (abs. theol. 1926), Juli 1926 Priesterweihe, Kaplan in Pottenstein, September 1929 in Wien-Währing, mit 1. Oktober 1930 zum Domkuraten am Wiener Stephansdom ernannt, am 8. Oktober 1938 bei nationalsozialistischen Ausschreitungen gegen das erzbischöfliche Palais und das »Curhaus« wurde er aus dem 1. Stock geworfen (»Wiener Fenstersturz«), bis Februar 1939 im Krankenhaus, ab 1. Mai 1939 Sekretär im Erzbischöflichen Ordinariat, September 1946 bis März 1968 Pfarrer von Wien-Altottakring. K r awtschenko, Wiktor A ndrejewitsch (K r avčenko, Victor) 11. Oktober 1905 Jekaterinoslan – 25. Februar 1966 New York (Suizid oder Mord) sowjetischer Diplomat Ingenieur, Handelsdiplomat in Washington, Leiter der Einkaufsabteilung in den USA, suchte 1944 um politisches Asyl an, 1946 Buch »I Chose Freedom« veröffentlicht. K rejčí, Ludvík 17. August 1890 Tuřany/Brünn – 9. Februar 1972 Ústí nad Orlicí/Tschechoslowakei tschechoslowakischer Offizier Offizier in der österreichisch-ungarischen Armee, ab 1914 Kriegsdienst, 1917 in russische Gefangenschaft, Mitglied der tschechischen Legion, ab 1923 General in der tschechoslowakischen Armee, Dezember 1933 bis 1938 Generalstabschef (März 1934 Armeegeneral) und September 1938 Oberbefehlshaber der Streitkräfte, 1938 zurückgetreten, am 15. März 1939 pensioniert, unter Aufsicht der Gestapo, Oktober

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1941 in der Kleinen Festung Theresienstadt inhaftiert, Juli 1942 entlassen, 1947 in die Reserve versetzt und pensioniert, Juli 1950 degradiert, Juni 1956 Verlust seiner Rente, 1990 rehabilitiert. K riegk, Dr. rer. pol. Ot to Hermann 17. Mai 1892 Rinteln/Niedersachsen – seit 1945 verschollen (1952 amtlich für tot erklärt) deutscher Journalist und Schriftsteller 1910–1914 Studium der Germanistik, Geschichte, Geografie und Nationalökonomie an der Universität Göttingen, 1913 Staatsexamen für das Höhere Lehramt, 1914 Promotion zum Dr. rer. pol., hauptberuflich Journalist bei der »Weser-Zeitung« in Bremen, ab 1920 Korrespondent der Zeitung in Berlin, enge Verbindung zum Scherl Verlag (Teil der Hugenberg-Presse), Mitarbeiter von Joseph Goebbels, 1937 Mitglied der NSDAP, 1945 bei der Kapitulation von Berlin am 2. Mai 1945 verhaftet, 10. August 1945 durch ein sowjetisches Militärtribunal zum Tode verurteilt, Hinrichtung nicht gesichert. K ronholz, Robert 17. September 1887 Wien – 22. August 1946 Belgrad Diplomat und Unternehmensdirektor 1905–1910 Konsularakademie, 1910 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1910 im Konsulat in Skopje, 1911–1918 in Konstantinopel, April 1918 bis März 1919 beurlaubt für eine Tätigkeit beim Wiener Bankverein in der Türkei, November 1919 Einberufung in das Staatsamt für Volksernährung, Dezember 1919 Generalkommissär für den Wirtschaftsverkehr mit Jugoslawien in Belgrad, Dezember 1922 Austritt aus dem Bundesdienst, 1924–1938 Geschäftsführender Präsident der »Drina« Industrie- und Handelsgesellschaft in Belgrad, österreichischer Honorar-Generalkonsul in Belgrad, Direktor der Firma Schenker in Jugoslawien. Kubiš, Jan 24. Juni 1913 Dolní Vilémovice/Třebíč/Mähren – 18. Juni 1942 Prag (ermordet) tschechoslowakischer Widerstandskämpfer und Soldat 1940 bei der Fremdenlegion, beim britischen Special Operations Executive (SOE), im Dezember 1941 per Fallschirm über Prag abgesetzt, führte am 27. Mai 1942 zusammen mit Jozef Gabčík das Attentat auf Reinhard Heydrich aus. Küchler, Georg von 30. Mai 1881 Schloss Philippsruhe/Hanau – 25. Mai 1968 Garmisch-Partenkirchen deutscher Offizier

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1900 Eintritt in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst (Truppen- und Generalstabsdienst), 1919 in die Reichswehr übernommen, 1937 Wehrkreisbefehlshaber und General der Artillerie, ab 1939 Führer von Armeen und Heeresgruppen im Polen-, im West- und im Ostfeldzug, ab Jänner 1942 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord, Generalfeldmarschall (1942), 1944 abgesetzt und nicht mehr verwendet, 1945 verhaftet, April 1949 im Nürnberger Prozess (Oberkommando der Wehrmacht-Prozesse) wegen Kriegsverbrechen zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, 1953 vorzeitig entlassen. Kuntze, Walter 23. Februar 1883 Pritzerbe/Brandenburg – 1. April 1960 Detmold deutscher Offizier ab 1902 Militärdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, im Reichswehrministerium, Mai 1928 bis Februar 1930 Kommandeur eines Pionier-Bataillons, März 1930 bis Oktober 1935 im Reichswehrministerium, Oktober 1935 Kommandeur einer Infanterie-Division, Februar 1938 Kommandant für den Ausbau des Westwalls, General der Pioniere bzw. von Generalkommandos, im Westen eingesetzt, danach im Ostfeldzug, Oktober 1941 kurz in die »Führerreserve« versetzt, Ende Oktober 1941 bis Juli 1942 Oberkommandierender Südost bzw. Wehrmachtsbefehlshaber Südost (ordnete Massenmord an Juden und Roma an, Partisanenbekämpfung), erneut in die Führerreserve versetzt, September 1942 Chef der Heeresausrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, Chef des Ausbildungswesens, März 1945 Befehlshaber des Wehrkreises III, Mai 1945 in alliierte Gefangenschaft, 1948 im Nürnberger Nachfolgeprozess (Geisel-Prozess) zu lebenslanger Haft verurteilt, 1953 begnadigt und entlassen. Kutscher a, Fr anz 22. Februar 1904 Ober-Waltersdorf/NÖ – 1. Februar 1944 Warschau (erschossen) NS-Funktionär und Politiker 1918–1938 Gärtner, 1930 Mitglied der NSDAP und der SS (Brigadeführer 1940), 1934 bis 1938 mehrmals inhaftiert, 1938 stellvertretender Gauleiter von Kärnten (de facto Gauleiter von Kärnten als Stellvertreter Hubert Klausners), 1938–1944 Mitglied des Reichstags, März 1940 freiwillig zur Wehrmacht, April bis Dezember 1941 stellvertretender Gauleiter und Chef der Zivilverwaltung in Oberkrain, Februar 1942 Verwendung im Stab des Höheren SS- und Polizeiführers Russland Mitte, November 1942 Generalmajor der Polizei, März bis September 1943 SS- und Polizeiführer in Mogilew, ab Oktober 1943 in Warschau, starb bei einem Anschlag von Widerstandskämpfern.

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Kvaternik, Eugen (»Dido«) 26. März 1910 Zagreb – 10. März 1962 Río Cuarto/Argentinien kroatischer Offizier (Sohn von Slavko Kvaternik) Jus-Studium begonnen, 1933 Flucht nach einem gescheiterten Attentat auf König Alexander I., nach einem zweiten Attentatsversuch Verurteilung und zwei Jahre in Italien interniert, 1936 Freilassung, Anschluss an eine Ustascha-Gruppe auf der Insel Lipari, April 1941 im »Unabhängigen Staat Kroatien« wurde er Chef der Polizei, Mai 1941 Staatssekretär im Innenministerium, August 1941 Leiter der Nachrichten- und Sicherheitsdienste. Mitte September 1942 (mit seinem Vater) aller Ämter enthoben, ging er 1943 mit seiner Familie ins Exil, zunächst in die Slowakei, dann nach Österreich und Italien, 1947 Emigration nach Argentinien, kam 1962 mit seiner Tochter Olga bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Kvaternik, M arija keine Information geborene Cvitković Ehefrau von Eugen Kvaternik (Eheschließung 1942). Kvaternik, Olga 13. August 1871 – 31. August 1941 Petrinja/Sisak-Moslavina/Kroatien (Suizid) geborene Frank Ehefrau von Slavko Kvaternik. Kvaternik, Slavko 25. August 1878 Vučinić Selo bei Vrbovsko/Kroatien – 7. Juni 1947 Zagreb (hingerichtet) kroatischer Offizier 1914–1918 Kriegsdienst in der österreichisch-ungarischen Armee, 1918 schloss er sich dem Nationalrat der Slowenen, Kroaten und Serben an, Kommandeur des Generalstabs, 1921 Versetzung in den Ruhestand, aktiv in der Ustascha-Bewegung, nach Einmarsch der Deutschen Wehrmacht rief er am 10. April 1941 in Zagreb den »Unabhängigen Staat Kroatien« aus, stellte als Kommandeur der kroatischen Streitkräfte die Kroatische Heimwehr auf, April 1941 bis Oktober 1942 Kriegsminister und Stellvertreter von Ante Pavelić, Oktober 1942 wegen eines Streits mit Pavelić abgesetzt, Übersiedlung auf vormals österreichisches Gebiet, Juli 1945 von US-Truppen gefangen genommen, September 1946 an Jugoslawien ausgeliefert, in einem Hochverrats- und Kriegsverbrecherprozess zum Tode verurteilt. La Guar dia, Fiorello 11. Dezember 1882 New York – 20. September 1947

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US-Politiker Rechtsanwalt, 1917/1918 Kommandeur eines Bombergeschwaders an der Italienfront, 1917 und 1929–1933 Abgeordneter im Kongress (Demokrat), 1933–1945 Bürgermeister von New York, April bis Dezember 1946 Leiter der UNRRA. Lak atos, Vitéz Géza Edler von Csikzernisimon 30. April 1890 Budapest – 24. Mai 1967 Adelaide/Australien ungarischer Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, 1944 Befehlshaber der 1. Ungarischen Armee, August bis 15. Oktober 1944 Ministerpräsident, von SS-Einheiten zum Rücktritt gezwungen (wegen geplanter Waffenstillstandsverhandlungen), verhaftet, 21. Oktober 1944 bis 1. April 1945 unter Hausarrest gestellt, 1949–1956 in die Provinz verbannt, Emigration nach Australien. Lamberg, K arl Othmar 29. September 1898 Feistritz – 11. Juli 1942 Auschwitz (ermordet) Gutsbesitzer 1916–1918 Kriegsdienst (Kriegsversehrter), aktiv im Steirischen Heimatschutz, 1931 Generaladjutant von Walter Pfrimer, aktiv beim Pfrimer-Putsch, 1931 Flucht nach Deutschland, Annäherung an die NSDAP, im Umfeld Görings und Papens tätig, nach dem sogenannten Röhm-Putsch 1934 Flucht nach Ungarn und in die Tschechoslowakei, Jänner 1938 kurz in Österreich, eine Woche in Haft, 1939 zur Wehrmacht gemeldet, bald wieder ausgeschieden, vom NS-Regime als Abweichler eingestuft, November 1940 verhaftet, wegen Landesverrats in den Jahren 1934/1935 angeklagt, formell freigesprochen, 1942 in Auschwitz ermordet. Lamberg, Wilhelmine keine Information geborene Krofta (Zlata Wilhelmine Cerny) Ehefrau von Karl Othmar Lamberg, Nachtclubtänzerin. Lammers, Dr. jur. H ans Heinrich 27. Mai 1879 Lublinitz/Oberschlesien – 4. Jänner 1962 Düsseldorf deutscher Richter und Beamter Jus-Studium an den Universitäten Breslau und Heidelberg, 1904 Promotion zum Dr. jur., 1907 Eintritt in den preußischen Justizdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1912 Landrichter in Beuthen, 1921 Oberregierungsrat im Reichsministerium des Innern, 1932 Mitglied der NSDAP, 1932 Ministerialrat und Referent für Staatsrecht, September 1933 Mitglied der SS (Obergruppenführer 1940), 1933–1945 Chef der Reichskanzlei, Vertrauter Hitlers, ab 1937 Reichsminister, 1939–1945 Geschäftsfüh-

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rer des Ministerrats für Reichsverteidigung, April 1945 von US-Truppen verhaftet, 1946 Zeuge im Nürnberger Prozess, 1949 im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, 1951 begnadigt. Lancken-Wakenitz, Osk ar Freiherr von der 5. Oktober 1867 Parchtitz-Boldevitz/Rügen – 23. Oktober 1939 Parchtitz-Boldevitz/ Rügen preußischer Diplomat 1886–1887 rechtswissenschaftliche Studien in Lausanne, ab 1894 im Auswärtigen Dienst in Lissabon, Stuttgart, Luxemburg, Rom, Madrid, Paris und Darmstadt, 1914 Chef der politischen Abteilung beim Generalgouvernement in Brüssel, 1919 im Ruhestand. Lanckoroński, Fr anzisk a X averia 27. Mai 1861 Schrattenthal/Hollabrunn/NÖ – 8. August 1893 St. Veit an der Glan/ Kärnten geborene von Attems-Heiligenkreuz Ehefrau von Karl Lanckoroński. Lanckoroński, K arl 4. November 1848 Wien – 15. Juli 1933 Wien Magnat, Schriftsteller, Kunstsammler und Mäzen Studium der Kunstgeschichte und Jus, Besitzer einer der wertvollsten privaten Kunstsammlungen Wiens (1939 von der Gestapo beschlagnahmt), nach dem Ersten Weltkrieg Vizepräsident des Staatsdenkmalamtes, Generalkonservator für Galizien. Lanckoroński, M argarethe 24. September 1863 Grätz/Mährisch-Schlesien – 8. April 1957 Wien geborene von Lichnowsky 3. Ehefrau bzw. Witwe von Karl Lanckoroński. Landfried, Dr. jur. Friedrich Walter 26. September 1884 Heidelberg – 31. Dezember 1952 Hamburg deutscher Beamter Jus-Studium an den Universitäten Heidelberg, Berlin und Freiburg im Breisgau, 1909 Promotion zum Dr. jur., Rechtsanwalt, 1914–1918 Kriegsdienst, danach beim Heeresabwicklungsamt Württemberg, 1920 in den preußischen Staatsdienst, 1923 ins Preußische Finanzministerium, 1932 Ministerialdirektor im Preußischen Staatsministerium, 1933–1943 Mitglied des Preußischen Staatsrats und Staatssekretär im

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Reichsfinanzministerium, ab 1939 zusätzlich im Reichswirtschaftsministerium, Mitglied des Generalrats des Vierjahresplans, danach Chef der Militärverwaltung Italien, August 1944 Präsident der Preußischen Staatsbank, Mitglied in Leitungsgremien zahlreicher Wirtschaftsunternehmen, 1945–1947 inhaftiert, danach aktiv im Evangelischen Hilfswerk. Langenh an, Dr. jur. Philipp 4. Juni 1878 Czernowitz/Bukowina – 14. November 1960 München Industrieller und Politiker (DnP) Jus-Studium an den Universitäten Czernowitz, Leipzig und Wien, 1911–1918 Reichsratsabgeordneter, Oktober 1918 bis Februar 1919 Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung, November 1918 bis März 1919 Mitglied des Staatsrats, Vorstandsmitglied der deutsch-nationalen Geschäftsstelle, Handelskammersekretär in der Bukowina, ab 1919 Obmann des Sudetendeutschen Heimatbundes in Österreich. Langer, Dr. jur. Theodor 16. Mai 1876 Mödling/NÖ – 26. April 1948 Gmunden/OÖ Beamter 1901 Eintritt in den Staatsdienst, Sekretär der Seebehörde im Handelsministerium, dann Übernahme in das Staatsamt für Volksernährung, 1921 Ministerialrat, Vorstand der Abteilung für den Kompensationsverkehr, Mai 1921 bis 1922 zugleich mit den Geschäften des Direktors der Amtsabteilung des Handelsmuseums betraut, 1923 Vorstand der Abteilung für die Angelegenheiten der Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie und des technischen Museums, Oktober 1923 Versetzung in den dauernden Ruhestand, Generalsekretär der Gesellschaft vom Roten Kreuz, Verwaltungsrat der Mödlinger Gaswerke AG und der Austria Papierfabriks-AG Wien. Langoth, Fr anz 20. August 1877 Linz – 17. April 1953 Linz Lehrer und Politiker (GdVP) Lehrer und Hauptschuldirektor, 1909–1934 deutschnationaler Abgeordneter zum Oberösterreichischen Landtag, 1911–1938 Obmann des Deutschen Volksbundes für Oberösterreich, 1914–1918 Kriegsdienst, 1918–1934 Mitglied der oberösterreichischen Landesregierung, November 1918 bis Juni 1919 Mitglied des provisorischen Landesausschusses, 1918–1931 Landeshauptmannstellvertreter, 1920–1934 Landesparteiobmann der Großdeutschen Volkspartei in Oberösterreich, 1931–1934 Landesrat, 1933 kurz vor dem Verbot der NSDAP in Österreich Mitinitiator des »Kampfbündnisses« zwischen Großdeutscher Volkspartei und NSDAP, ab 1934 Leiter des »Hilfswerkes Langoth« (Unterstützung für Nationalsozialisten), 1938 im Rang eines SS-Oberführers in die SS übernommen und formal Mitglied der NSDAP,

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1938–1939 Gauamtsleiter der NS-Volkswohlfahrt, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 1940–1944 Richter beim Volksgerichtshof, Aufsichtsratsvorsitzender diverser Banken, November 1943 bis 1945 Oberbürgermeister von Linz, Mai 1945 bis Mai 1947 im Lager Glasenbach inhaftiert. Lanske, Dr. jur. Eugen 22. Juli 1885 Wien – 7. Dezember 1956 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1909 Eintritt in den Staatsdienst, Mai 1917 Einberufung in das Handelsministerium, Tätigkeit in der Industriepolitischen Sektion, später zugleich Leiter des Amtes für Wirtschaftspropaganda und Vorsitzender der österreichischen Filmkonferenz, 1929 Ministerialrat, 1938 aller Funktionen enthoben und versetzt, ab September 1940 Tätigkeit im Landeswirtschaftsamt, 1945 Wiedereintritt in den Dienst, an den vorbereitenden Maßnahmen zur Errichtung des Staatsamtes für Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr beteiligt, ab 6. Juni 1946 mit der Führung der gesamten industriepolitischen Agenden der Sektion V des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau betraut, Juli 1946 Sektionschef, Ende 1950 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Lasch, Dr. rer. oec. Dr. rer. pol. K arl 29. Dezember 1904 Kassel – 1. Juni 1942 Breslau oder KZ Auschwitz (erschossen oder Suizid) deutscher Jurist ab 1924 Studium der Volkswirtschaft, 1927 Abschluss mit Diplom, 1928 bei den Klöckner-Werken AG in Castrop-Rauxel tätig, 1928 Promotion im Bereich Politikwissenschaften, Anklage wegen Unterschlagung, 1930 Mitglied des Bundes Nationalsozialistischer Juristen, 1931 bei der Bayerischen Lebensversicherung Allianz in München, 1931 Mitglied der NSDAP, danach als Reichsamtsleiter in der Rechtsabteilung der NSDAP, 1933 Geschäftsführer, 1934 Direktor der Akademie für Deutsches Recht, 1935 plagiierte er eine Arbeit für seine Juradissertation, Hauptstellenleiter im Reichsrechtsamt der NSDAP sowie Leiter des Amtes für NS-Juristen in der Auslandsorganisation der NSDAP, 1937 SS-Hauptsturmführer, Oktober 1939 Gouverneur des Distrikts Radom im besetzten Polen, August 1941 Gouverneur im Distrikt Galizien, Jänner 1942 wegen Bereicherung durch Raub jüdischen Vermögens und Korruption verhaftet, Mai 1942 angeklagt, Juni 1942 auf Befehl Himmlers ohne Urteil erschossen oder zu Suizid gezwungen. Laube, Heinrich 11. Jänner 1894 Wien – 4. Oktober 1982 Linz NS-Funktionär

Biografien

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1924–1938 Kartograf bei Freytag & Berndt, 1931 Mitglied der NSDAP, 1932–1933 Bezirksrat im 9. Wiener Gemeindebezirk, als »Illegaler« mehrmonatige Haftstrafe, Juli 1939 bis März 1942 Gaugeschäftsführer, November 1939 bis 20. März 1942 Ratsherr der Stadt Wien, April bis November 1942 Beigeordneter (Stadtrat) für Wohnungs- und Siedlungswesen, nach 1942 im Parteiauftrag nach Prag in das Generalgouvernement, Juli 1947 Fahndungsversuche, Voruntersuchungen beim Volksgericht Wien April 1957 eingestellt. Laval, Pierre 28. Juni 1883 Châteldun/Puy-de-Dôme – 15. Oktober 1945 Paris (hingerichtet) französischer Politiker April bis Oktober 1925 Minister für öffentliche Arbeiten, März bis Juni 1926 Justizminister, Juni bis Juli 1926 Minister für Elsass-Lothringen, März bis Dezember 1930 Minister für öffentliche Arbeiten, Jänner 1931 bis Jänner 1932 Ministerpräsident und gleichzeitig Innenminister, Jänner bis Februar 1932 Ministerpräsident und gleichzeitig Außenminister, Februar bis Mai 1932 Minister für öffentliche Arbeiten, Oktober 1934 bis Jänner 1936 Außenminister, Juni 1935 bis Jänner 1936 Ministerpräsident, Juni bis Juli 1940 Staatsminister und stellvertretender Ministerpräsident, Juli bis Dezember 1940 stellvertretender Ministerpräsident, April 1942 bis 29. September 1944 auf deutschen Druck Ministerpräsident der Vichy-Regierung, gleichzeitig Innen- und Außenminister, im September 1944 nach Deutschland verschleppt, August 1945 Inhaftierung in Deutschland durch US-Truppen, Auslieferung an Frankreich, als Kollaborateur zum Tode verurteilt. Lazar, Josef H ans 5. Oktober 1895 Konstantinopel/Istanbul – 9. Mai 1961 Wien Diplomat und Presseattaché Jus-Studium, 1915–1918 Kriegsdienst, 1920 Korrespondent der »Neuen Freien Presse« und des »Ullstein-Bilderdienstes« in Konstantinopel, Schriftleiter der »Türkischen Post«, ab Juli 1927 Korrespondent der »Amtlichen Nachrichtenstelle«, des »Deutschen Nachrichtenbüros« und des »Deutschen Wirtschaftsdienstes« in Bukarest, 1931 Konsulent des österreichischen Bundespressedienstes, 1935 Regierungsrat, September 1937 im Auswärtigen Dienst, zuletzt Presseattaché an der Gesandtschaft in Berlin, in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1938 nach Wien zurückgerufen und zum Leiter der Presseabteilung ernannt, mit der einzigen Aufgabe, am 13. März um 20 Uhr den Text des Gesetzes zum »Anschluss« den Korrespondenten der ausländischen Presse in Wien zu verlesen, Juli 1939 in den deutschen Auswärtigen Dienst übernommen, Presseattaché bei der deutschen Botschaft in Madrid, wo er zur »grauen Eminenz« wurde, nach 1950 Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft in Madrid, 1956 nach Brasilien, später Rückkehr nach Österreich.

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Lebrun, A lbert 29. August 1871 Mercy-le-Haut – 6. März 1950 Paris französischer Politiker 1900–1920 Abgeordneter, 1911–1920 mehrere Ministerämter, 1920–1932 Mitglied des Senats (gemäßigte Rechte), 1931 Senatspräsident, 1932–1940 Staatspräsident (zurückgetreten), keine Funktion in der Regierung in Vichy, 1943 von der Gestapo verhaftet, im Schloss Itter (Tirol) interniert, 1945 Kronzeuge im Hochverratsprozess gegen Philipp Pétain. Ledebur-Wicheln böhmische Adelsfamilie. Lederer, August 3. Mai 1857 Böhmisch Leipa – 30. April 1936 Wien Industrieller, Sammler und Kunstmäzen u. a. Besitzer des Lederer-Schlössels in Weidlingau (Wien). Lederer, Serena 20. Mai 1867 Budapest – 27. März 1943 Budapest geborene Pulitzer Ehefrau von August Lederer (1892). Leeb, Wilhelm von 5. September 1876 Landsberg am Lech – 29. April 1956 Hohenschwangau bei Füssen deutscher Offizier 1895 Eintritt in die bayerische Armee, seit 1903 zur bayerischen Kriegsakademie kommandiert, 1909–1911 im Preußischen Großen Generalstab, 1914–1918 Kriegsdienst (Generalstabsstellung), 1919 Übernahme in die Reichswehr, 1921–1930 Kommandeur verschiedener Heeresformationen, 1930–1933 Befehlshaber im Wehrkreis VII und Landeskommandeur in Bayern, 1933–1938 Oberbefehlshaber des Gruppenkommandos 2, Februar 1938 Entlassung aus dem aktiven Wehrdienst, ab August 1939 wieder aktiv, 1940 Chef einer Heeresgruppe, Generalfeldmarschall (1940), 1941 Oberbefehlshaber der Heeresgruppen Nord gegen die Sowjetunion, Jänner 1942 seines Postens enthoben, dann Oberbefehlshaber des Gruppenkommandos  2 (Kassel), 1945 in US-Kriegsgefangenschaft, 1948 vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zu drei Jahren Haft verurteilt. Leeper, A lex ander Wigr am A llen 4. Jänner 1887 Melbourne, Australien – 24. Jänner 1935

Biografien

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britischer Diplomat 1918 in den Auswärtigen Dienst, Mitglied des Territorial Committee bei den Friedensverhandlungen 1919 in Paris, an der territorialen Aufteilung Österreich-Ungarns beteiligt, 1924–1928 Erster Sekretär der Gesandtschaft in Wien, Befürworter der Unabhängigkeit Österreichs, ab 1933 Berater im Auswärtigen Amt, 1934 Unterstaatssekretär im Colonial Office, verfasste »A History of Medieval Austria«, in Oxford posthum 1941 erschienen. Leeper, Janet Christina ?  –   ? Ehefrau von Alexander Leeper. Lehmann, Fritz 1. August 1915 Wien – 16. April 1999 Wien Schauspieler Jus-Studium, 1936–1939 Ausbildung zum Schauspieler an der Staatsakademie, 1939 ans Burgtheater und Filmdebüt, nach dem »Anschluss« 1938 aktiv im Widerstand in der konservativ-katholischen »Österreichischen Freiheitsbewegung« des AugustinerChorherrn Roman Karl Scholz, 31. Juli 1940 verhaftet, wegen Hochverrats verurteilt, April 1943 entlassen, bis Kriegsende Auftrittsverbot, in die Wehrmacht eingezogen, 1945–1949 am Burgtheater, 1949/1950 an den Vereinigten Bühnen in Graz, danach in der Schweiz, 1953–1958 Gastspielverpflichtungen, ab 1960–1975 wieder am Burgtheater, 1974 Kammerschauspieler, danach noch Fernsehrollen übernommen. Leitgen, A lfred 1. September 1902 Rixdorf/Berlin – 1977 (oder 1988) deutscher NS-Funktionär Amtsleiter der NSDAP, 1933 bis Mai 1941 Adjutant im Stab des Stellvertreters des Führers, Pressereferent von Rudolf Heß, nach dem Flug von Heß nach Großbritannien auf Befehl Hitlers Ausschluss aus der NSDAP, Verhaftung und Einweisung ins KZ Sachsenhausen, 1944 bei einem »Bewährungsbataillon« der Waffen-SS, bis 1948 in Internierungshaft, Zeuge im Nürnberger Prozess, für den »Münchner Merkur« tätig. Leitmaier, Dr. jur. M arkus 27. Juli 1880 Graz – 8. November 1972 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1904 Promotion zum Dr. jur., 1903 Eintritt in den Justizdienst, 1912 in den Auswärtigen Dienst, 1921 Leiter der Abteilung für Völkerrecht, ab 1922 Lehrtätigkeit an der Konsularakademie, 1923–1938 Professor für internationales Privat- und Strafrecht an der Konsularakademie, 1924 Ministe-

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rialrat, 1932/1933 Delegierter bei der Internationalen Abrüstungskonferenz, 1936 ao. Gesandter und bev. Minister, 1938 vom Dienst enthoben, März 1941 Versetzung in den Ruhestand, 1. Mai 1945 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, Juli 1945 Leiter der Rechtsabteilung, 1947 Leiter der politischen Abteilung, 1949 Versetzung in den dauernden Ruhestand und Weiterverwendung als Ruhestandsbeamter, Dezember 1951 Beendigung der Weiterverwendung. Leitner, Dr. techn. Ing. K arl 10. März 1883 Salzburg – 18. April 1953 Wien Offizier und Beamter 1903–1905 Studium an der Technischen Hochschule Wien, 1919 Promotion zum Dr. techn., ab 1902 in der Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1918–1919 Liquidierungsaufgaben, 1921 im Bundesministerium für Landesverteidigung, 1931 Abteilungsvorstand, 1935 Chef des Kriegstechnischen Amtes, 1936 Technischer Leiter der Sektion II im Bundesministerium für Landesverteidigung, Jänner 1936 Generalmajor, 1. Juni 1938 Generalleutnant, Oktober 1938 pensioniert mit Erlaubnis zum Tragen der österreichischen Uniform. Leludas, Paulos 1889  –   ? Hofmarschall des griechischen Königs. Lennkh, Dr. A lbin 29. Mai 1905 Graz – 11. Juni 1982 Teresópolis/Brasilien Diplomat Polizeikommissär in der Polizeidirektion Wien, 1930 in das BKA/Auswärtige Angelegenheiten, Juli bis September 1931 an der Gesandtschaft in Prag, 1932 Diplomatenprüfung, Juni 1933 bis Juli 1935 in Bukarest, September 1935 bis Mitte August 1936 in Belgrad, dazwischen Juli und August 1936 Leiter des Konsulats Laibach, August 1936 im Bundeskanzleramt Sekretär des Staatssekretärs Guido Zernatto bzw. persönlicher Sekretär Guido Schmidts, Juli 1937 Versetzung nach Prag, mit 18. März 1938 beurlaubt, Jänner 1939 Versetzung in den Ruhestand nach § 3 der Berufsbeamtenverordnung, später mit Guido Schmidt bei den Hermann-Göring-Werken, nach 1945 im Auswärtigen Dienst, 1953–1958 Botschafter in Indien, 1958–1960 Protokollchef im Auswärtigen Amt, 1960–1970 Botschafter in Brasilien. Lenz, M at th äus 17. Juni 1890 Neuweier/Baden-Württemberg – 8. August 1965 Dornbirn/Vorarlberg Kapuzinermönch Priesterweihe 1916, 1928–1942 in Reichenberg.

Biografien

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Leopold III. A nh alt-Dessau 10. August 1740 Dessau – 9. August 1817 Dessau Fürst und Herzog von Anhalt-Dessau. Leopold III. Sachsen-Coburg und Goth a 3. November 1901 Brüssel – 25. September 1983 Brüssel König von Belgien 1934–1950 König von Belgien, ab der Kapitulation Belgiens im Mai 1940 bis 1944 in Belgien interniert, danach bis 1945 in Deutschland, ab 1945 vergebliche Bemühungen, auf den Thron zurückzukehren, 1950 übertrug er seine Rechte auf seinen Sohn Baudoin und trat zurück. Leopold, Josef 18. Februar 1889 Langenlois/NÖ – 24. Juli 1941 bei Malin/Ukraine Offizier und Politiker 1910 Militärdienst, 1914 Kriegsdienst, 1915 in russische Kriegsgefangenschaft, Jänner 1918 entflohen, Oktober 1918 bis Juni 1920 Volkswehroffizier, danach bis 1932 im Bundesheer (zuletzt Oberstleutnant), ab 1919 Nationalsozialist, August 1927 bis 1933 Gauleiter von Niederösterreich, Mai 1932 bis Juni 1933 Abgeordneter zum Landtag und Landesrat von Niederösterreich, mehrfach inhaftiert, Jänner 1935 bis 21. Februar 1938 Landesleiter der illegalen NSDAP in Österreich, 1938–1941 Mitglied des Reichstags, Mai 1938 Reichsinspekteur der NSDAP und SA-Gruppenführer für Österreich mit Sitz in München, Oktober 1939 reaktiviert. Lesch anofsk y, Dr. jur. H annibal 16. Juli 1878 Karlsbad/Böhmen – 23. April 1945 Wien Diplomat 1896–1901 Orientalische Akademie absolviert, Jus-Studium, 1901 Promotion zum Dr. jur., 1901 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1902–1918 Konsularattaché an der Botschaft in Konstantinopel, November 1918 Minister Franz Klein (Mitglied der Delegation bei den Friedensverhandlungen in St. Germain) zugeteilt, 1921– 1924 Leiter der Abteilung für sozialpolitische Angelegenheiten, 1924 Generalkonsul I. Klasse, 1924–1938 Leiter der Budgetabteilung im Außenministerium, 1938 Übernahme in den deutschen Auswärtigen Dienst, trotz Zweifel an »arischer« Abstammung, galt als »politisch zuverlässig«, 1. April 1940 in den Wartestand versetzt. Levidel siehe Leludas.

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Ley, Inga (Pseudonym  : Inga H ansen) 8. März 1916 Breslau/Schlesien – 29. Dezember 1942 Waldbröl/Nordrhein-Westfalen (Suizid) geborene Spilker deutsche Sängerin, Kinderbuchautorin Ehefrau von Robert Ley (August 1938), verfasste und illustrierte unter dem Pseudonym Inga Hansen Kinderbücher. Ley, Dr. phil. Robert 15. Februar 1890 Niederbreidenbach/Rheinprovinz – 25. Oktober 1945 Nürnberg (Suizid) deutscher Politiker Chemiestudium an der Universität Münster, Diplomabschluss (Staatsexamen), 1914–1918 Kriegsdienst, 1917 in französische Kriegsgefangenschaft, 1920 Rückkehr nach Deutschland, Promotion in Chemie an der Universität Münster, 1920 Beschäftigung bei Bayer in Leverkusen und bei Bayer-Zweigniederlassung der IG-Farben, 1923 Mitglied der NSDAP, 1925 Gauleiter von Rheinland-Süd, 1928 aus politischen Gründen entlassen, 1928 Mitglied des Preußischen Landtags, fanatischer Agitator, 1930–1945 Mitglied des Reichstags, 1932 in der Reichsleitung der NSDAP als Stabsleiter der Politischen Organisation tätig, 1933–1945 Reichsorganisationsleiter und Führer der Deutschen Arbeitsfront, Begründer der NS-Gemeinschaft »Kraft durch Freude«, 29. April 1945 Reichsminister, 16. Mai 1945 von US-Truppen verhaftet, im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) angeklagt. Liechtenstein, Joh annes 6. Jänner 1873 Wien – 3. September 1959 Holenegg/Steiermark Offizier 1906 Heirat mit Maria Gabriele (Marizza) geborene Gräfin Andrassy, 1912–1915 Marine-Attaché in Rom, 1917–1918 Kommandant der Flotte im Kriegshafen von Kattaro, 1918 Unterhändler beim Waffenstillstandsabkommen mit Italien, danach Rückzug ins Privatleben. Liechtenstein, M aria Gabriella (M arizza) 7. Dezember 1886 Budapest – 14. Dezember 1961 Wien geborene Andrassy Ehefrau von Johannes Liechtenstein (1906). Lindgren, Astrid 14. November 1907 Vimmerby – 28. Jänner 2002 Stockholm schwedische Schriftstellerin

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ab 1940 in der Abteilung für Briefzensur des Nachrichtendienstes tätig, ab Mitte der 1940er-Jahre rege schriftstellerische Tätigkeit, zahlreiche Auszeichnungen, 1994 den Ehrenpreis des Right Livelihood Award (»Alternativer Nobelpreis«). Lippe, Osterheldis (von der Lippe zu Wintrup) 28. März 1917 Wien – 2005 Salzburg Tochter von Viktor Lippe. Lippe, Viktor (von der Lippe zu Wintrup) 29. Jänner 1875 Wien – 8. Februar 1960 Wien Bankdirektor Direktor des Wiener Bankvereins, Vizepräsident der Wiener Handelskammer, führende Stellungen in zahlreichen Aktiengesellschaften, u. a. auch Vorstandsmitglied der Österreichischen Kontrollbank für Industrie und Handel, seine Kinder wurden im Gauakt als »nationalsozialistisch gesinnt« bezeichnet, sein Sohn war am Juliputsch 1934 beteiligt. Lipski, Józef 5. Juni 1894 Breslau/Schlesien – 1. November 1958 Washington polnischer Diplomat bis 1918 preußische Staatsangehörigkeit, im Ersten Weltkrieg Mitarbeiter im Polnischen Nationalkomitee in Paris, dann Eintritt in den diplomatischen Dienst, 1919–1922 Legationssekretär in London, 1922–1925 in Paris, 1925–1934 Bearbeiter für deutsche Angelegenheiten im Außenministerium und Leiter der europäischen Abteilung, 1934–1939 Botschafter in Berlin, bei Kriegsbeginn Freiwilliger in der polnischen Armee in Frankreich, November 1940 bis 1945 Mitglied der polnischen Exilregierung in London, Emigration in die USA. List, Wilhelm 14. Mai 1880 Oberkirchberg bei Ulm – 16. August 1971 Garmisch-Partenkirchen deutscher Offizier 1908–1911 Besuch der Kriegsakademie, 1914–1918 Kriegsdienst (verschiedene Generalstabsstellungen), 1919 in die Reichswehr übernommen, ab 1926 im Reichswehrministerium, 1927 Oberster Chef der Heeresausbildungsabteilung, 1930 in Infanterieschule Dresden, ab 1933 in verschiedenen Wehrkreisen tätig, 1. April 1938 Oberbefehlshaber des Heeresgruppenkommandos 5 in Wien, sollte das österreichische Bundesheer in die Wehrmacht eingliedern, 1940 Generalfeldmarschall, führte Armeen im Polen-, West- und Balkan-Feldzug, Juli bis September 1942 eine Heeresgruppe im Osten, seines Postens enthoben, 1945 von US-Besatzungsmacht interniert, im Nürnberger Prozess (Geisel-Prozess) 1948 als Kriegsverbrecher zu

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lebenslänglicher Haft verurteilt, Weihnachten 1952 aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Litwinow, M a xim M a ximowitsch (Litvinov, M aksim M aksimovič, eigentlich M a x Wallach-Finkelstein) 17. Juli 1876 Białystok/Polens – 1. Dezember 1951 Moskau sowjetischer Politiker und Diplomat 1920–1921 Vertreter bei Verhandlungen in London, 1923 stellvertretender Volkskommissar für Äußeres, 1930–1939 Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, 1934–1941 Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU, November 1941 bis August 1943 Botschafter in Washington, 1943 bei der Moskauer Außenministerkonferenz, 1943–1946 stellvertretender Volkskommissar für Äußeres. Lloyd George, David 17. Jänner 1863 Manchester – 26. März 1945 Llanystumdwy/Caernarvonshire britischer Politiker 1890–1945 Mitglied des Unterhauses, 1905–1908 Handelsminister, 1908–1915 Schatzkanzler, 1915–1916 Munitions- und Kriegsminister, 1916–1922 Premierminister, 1926–1931 Parteivorsitzender der Liberalen. Löhr, A lex ander 20. Mai 1885 Turnu Severin/Rumänien – 26. Februar 1947 Belgrad (hingerichtet) Offizier 1903–1906 Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, November 1913 als Generalstabsoffizier zur Verkehrstruppenbrigade (u. a. Aufbau der Luftfahrttruppe), ab 1914 Kriegsdienst, ab 1915 im Kriegsministerium Ausbau der Luftwaffe, 1918 in das Bundesheer übernommen, im Bundesministerium für Heerwesen für Wiedererrichtung und Ausbau der Luftstreitkräfte tätig, 1. Mai 1934 deren Kommando übernommen, März 1938 als General-Leutnant in die Deutsche Wehrmacht übernommen, blieb zunächst Befehlshaber der Luftwaffe in Österreich, ab 1. April 1939 als General der Flieger Chef der Luftflotte 4 (Wien), am Überfall auf Polen beteiligt, 1940 wieder in Wien, April 1941 leitete er Angriff gegen Belgrad, Mai 1941 Besetzung Kretas, Mai 1941 General-Oberst, Juni 1941 bis Juli 1942 Kommando am Südabschnitt der Ostfront, Jänner 1943 in Saloniki verwendet unter Abgabe des Luftwaffenkommandos, Ende 1944 leitete er den Rückzug, Mai 1945 von den Briten an Jugoslawien ausgeliefert, von einem Belgrader Militärgericht zum Tode verurteilt (u. a. wegen der Bombardierung Belgrads). Lorenz, M a x (eigentlich M a x Sülzenfuß) 10. Mai 1901 Düsseldorf – 11. Jänner 1975 Salzburg

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deutscher Opernsänger 1927 Debüt in Dresden, 1929–1933 und ab 1936 regelmäßige Auftritte an der Wiener Staatsoper, trat auf sämtlichen Opernbühnen der Welt auf, 1933–1943 und 1952 sowie 1954 bei den Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth, 1962 als gefeierter Wagner-Tenor Bühnenabschied, danach Lehrer am Mozarteum in Salzburg und in Wien. Lovrenčević, Ivana 1859 Wien – 1942 geborene Herzfeld Mutter von Maria Pavelić (geborene Lovrenčević), der Ehefrau von Ante Pavelić. Löw-Beer, August 1. Mai 1883 Elisental/Böhmen – 18. Mai 1942 Melrose/Schottland Gesellschafter der Firma Aron & Jakob Löw-Beer’s Söhne, 1923–1938 Honorargeneralkonsul in Brünn. Löwenth al-Chlumeck y, Dr. jur. M a x 14. März 1908 Lussinpiccolo/Istrien – 27. August 1995 Bozen/Italien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1931 Promotion zum Dr. jur., 1931–1932 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien, Jänner bis April 1932 beim Handelsgericht Wien, 1932 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, bis Februar 1935 an der Gesandtschaft Prag, Februar 1935 bis Oktober 1936 in der Handelspolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes/Auswärtige Angelegenheiten, Oktober 1936 bis 1938 Sekretär von Außenminister Guido Schmidt, 13. März 1938 bis März 1941 ohne Verwendung, danach im Auswärtigen Amt in Berlin, ab März 1942 im Wartestand, 1. Oktober 1945 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, Tätigkeit in der Abteilung 5 Wpol, ab 1946 stellvertretender Staatskommissär des Österreichischen Warenverkehrsbüros, Februar 1952 bis Februar 1954 ao. und bev. Botschafter in Washington, März 1954 bis Februar 1955 in Argentinien, März 1955 bis März 1974 in Rom, 31. März 1974 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Ludendorff, Erich 9. April 1865 Kruszewina/Posen – 20. Dezember 1937 Tutzing/Bayern deutscher Offizier und Politiker 1914 Generalstabschef der 8. Armee, 1916 Erster Generalquartiermeister, bildete mit Hindenburg eine Nebenregierung neben Reichskanzler und Regierung, die den Sturz des Kanzlers Bethmann Hollweg erzwang, Oktober 1918 entlassen, nach 1918 propagierte er die Dolchstoßlegende, 1920 Beteiligung am Kapp-Putsch, 1923

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am Münchner Hitler-Putsch, Führung der Deutschvölkischen Freiheitspartei (mit antisemitischen Leitmotiven), 1924–1928 Reichstagsabgeordneter, 1925 erfolglose Kandidatur für das Reichspräsidentenamt, 1928 Abkehr vom Nationalsozialismus, Anhänger von Verschwörungstheorien. Ludin, H anns 10. Juni 1905 Freiburg im Breisgau – 9. Dezember 1947 Pressburg (hingerichtet) deutscher SA-Obergruppenführer 1924–1930 Militärdienst, 1930 Verurteilung wegen Hochverrats, 1931 Eintritt in NSDAP und SA, ab Juli 1931 hauptamtlich bei der SA tätig, 1932–1945 Mitglied des Reichstags, Februar/März 1933 kommissarischer Polizeipräsident in Karlsruhe, 1934 während des sogenannten Röhm-Putsches verhaftet, von Hitler begnadigt, SA-Obergruppenführer (1937), 1939–1940 Militärdienst, Dezember 1940 bis Ende April 1945 Gesandter in Pressburg, 16. Mai 1945 in US-Haft, Oktober 1946 Auslieferung an die Tschechoslowakei, 3. Dezember 1947 von einem Volksgericht zum Tod verurteilt. Ludwig II. ( Wit telsbach) 25. August 1845 Nymphenburg/München – 13. Juni 1886 Würmsee/Starnberger See 1865–1886 König von Bayern. Ludwig, Eduar d 9. Jänner 1883 Persenbeug/NÖ – 26. Dezember 1967 Brunn bei Pitten/NÖ Beamter und Politiker (ÖVP) Dezember 1918 bis Ende September 1919 Leiter der Österreichischen Druck- und Verlagsgesellschaft, November 1919 Eintritt in den Staatsdienst als stellvertretender Pressechef in der Staatskanzlei, 1920 Hofrat, 1920–1936 Leiter der Presseabteilung, 1920 Übernahme in das Staatsamt für Äußeres, März 1924 ao. Gesandter und bev. Minister, 1927 Tätigkeit als Experte des Völkerbundes, 1934 Betrauung mit den Vorbereitungsarbeiten für die Schaffung einer Pressekammer, gleichzeitig für ein halbes Jahr Vorsitzender und Leiter des Heimatdienstes, Beteiligung an der Gründung der Tonfilmgesellschaft »Die österreichische Woche« und an der Reorganisation der RAVAG, ab 3. Dezember 1936 Freistellung zur persönlichen Dienstleistung bei Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, 3. Dezember 1936 Leiter der neugeschaffenen Pressekammer, 1936–1938 Mitglied des Staatsrats, Juni 1937 bis März 1938 Mitglied des Bundestags, 11. März 1938 Verhaftung, 1. April 1938 in das KZ Dachau, Mai 1939 bis Februar 1942 im Landesgericht Wien inhaftiert, bis 1943 in Brandenburg konfiniert, danach Tätigkeit im Widerstand, 1945 Wiederaufnahme in den Dienst, Dezember 1946 Sektionschef, Dezember 1945 bis März 1953 Abgeordneter zum Nationalrat (ÖVP), 1946 Gründer und Präsident des »Verbandes der geistig

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Schaffenden in Österreich«, 1946–1959 Ordinarius für Zeitungswissenschaften an der Universität Wien, Mai 1953 bis 1956 offizieller Beobachter des österreichischen Parlaments bei den Tagungen des Europarats, ab 1956 mit dem Beitritt Österreichs zum Europarat Ernennung zum ständigen Vertreter der österreichischen Bundesregierung. Ludwig, M arianne 5. Mai 1885 Wien – 11. September 1969 Klosterneuburg/NÖ geborene Weiss Ehefrau von Eduard Ludwig (1914). Ludwigstorff, M aria 16. Jänner 1873 – 16. Jänner 1946 vor 1918 Freiin. Lueger, K arl 24. Oktober 1844 Wien – 10. März 1910 Wien Politiker 1875–1876 und 1878–1910 Mitglied des Wiener Gemeinderats, 1890 Abgeordneter des Landtags, 1893–1895 Stadtrat von Wien, 1895 Mitglied des Reichsrats, 1895 und 1896/1897 Vizebürgermeister, 1897–1910 Bürgermeister von Wien, Begründer der Christlichsozialen Partei. Lukov, Hristo (Lukoff, Christo) 6. Jänner 1887 Varna – 13. Februar 1943 Sofia (erschossen) bulgarischer Offizier und Politiker 1907 absolvierte er die Militärschule, im Ersten Weltkrieg Befehlshaber eines Artilleriebataillons, ab 1933 Führer der Bewegung »Bund der Bulgarischen Nationalen Legionen« (mit deutscher Unterstützung zu faschistischer Organisation ausgebaut), November 1935 bis Oktober 1939 Kriegsminister, von kommunistischen Partisanen vor seinem Wohnhaus erschossen. Luther, M artin Fr anz Julius 16. Dezember 1895 Berlin – 13. Mai 1945 Berlin deutscher NS-Funktionär und Diplomat 1913/1914 kaufmännische Lehre, 1914–1919 Militärdienst, 1919–1936 Exportkaufmann, 1932 Mitglied der NSDAP, August 1936 Hauptreferent in der Dienststelle Ribbentrop, November 1936 Leitung der Partei-Verbindungsstelle, 1938 Leitung der Parteiberatungsstelle, 1938 Mitglied der SA (Brigadeführer 1942), 1938 im Auswärtigen Amt Leiter des Sonderreferats Partei (Neueinrichtung), Mai 1940 zusätz-

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lich Leiter der Abteilung D (Deutschland), einer Neueinrichtung mit der Aufgabe, die Deportation von Juden aus besetzten und befreundeten Ländern diplomatisch vorzubereiten und abzusichern), Juli 1940 Gesandter I. Klasse als Ministerialdirigent, Juli 1941 Ministerialdirektor, Amtsbezeichnung »Unterstaatssekretär«, Februar 1943 Entlassung aus dem Reichsdienst (Differenzen mit Ribbentrop), 10. Februar 1943 verhaftet, ins KZ Sachsenhausen, erhielt Hafterleichterungen, in sowjetischer Haft gestorben. Lutze, Viktor 28. Dezember 1890 Bevergern/Hörstel – 2. Mai 1943 Potsdam deutscher Offizier und Politiker ab 1912 im Militärdienst, 1914–1918 Kriegsdienst (schwere Verwundung), 1919 im Offiziersrang aus dem Heer ausgeschieden, Mitglied im »Deutschvölkischen Schutzund Trutzbund« und im »Jungdeutschen Orden«, 1921–1925 Mitbetreiber einer kleinen Metallgießerei in Elberfeld (in Konkurs), 1922 Mitglied der NSDAP, 1923 Mitglied der SA, 1930–1943 Mitglied des Reichstags, 1933 SA-Obergruppenführer, März 1933 Polizeipräsident der Polizeidirektion Hannover, Oberpräsident der preußischen Provinz Hannover und Ernennung zum Preußischen Staatsrat, nach dem sogenannten Röhm-Putsch 1934 Stabschef der SA, organisierte Terror und Po­ grome gegen Juden und politische Gegner, April 1941 als Reichsleiter der NSDAP auf eigenen Wunsch von seiner Position als Oberpräsident Hannovers entbunden, starb bei einem Autounfall. M acchio, K arl 23. Februar 1859 Herrmannstadt/Siebenbürgen – 1. April 1945 Wien Diplomat Jus-Studium, 1881 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, Tätigkeiten in Konstantinopel, Bukarest, St. Petersburg und Belgrad, 1899–1903 Ministerresident in Montenegro, 1907 Bevollmächtigter auf der Haager Friedenskonferenz, 1903–1908 Gesandter in Athen, danach im Außenministerium, 1912 erster Sektionschef (Vertreter des Außenministers), 24. August 1914 bis 23. Mai 1915 Sondergesandter in Rom, um den drohenden Kriegseintritt Italiens zu verhindern, 1915–1917 im Außenministerium, nach dem Krieg Mitarbeiter der »Neuen Freien Presse«. M aček, Vla dko ( Vla dimir) 20. Juni 1879 Jastrebarsko/Kroatien – 15. Mai 1964 Washington kroatischer Politiker 1928–1945 Vorsitzender der »Kroatischen Bauernpartei«, mehrmals inhaftiert, 1934 begnadigt, 1939 aktiv an der Errichtung der teilautonomen Banschaft Kroatien innerhalb des Königreichs Jugoslawien beteiligt, nach dem Staatsstreich im März 1941

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vom 4. bis 7. April 1941 stellvertretender Ministerpräsident, nach dem Wunsch der deutschen Besatzer hätte er Regierungschef eines »unabhängigen« Kroatien werden sollen, was er ablehnte, zeitweise inhaftiert oder unter Hausarrest, ab 1945 im Exil. M aginot, A ndré 17. Februar 1877 Paris – 7. Jänner 1932 Paris französischer Politiker 1913–1914 stellvertretender Staatssekretär im Kriegsministerium, 1910–1932 Abgeordneter der Demokratischen Linken in der Nationalversammlung, 1914 Kriegsdienst und Verwundung, 1917 Kolonialminister, 1920–1922 Pensionsminister, 1922–1924 Kriegsminister (Befürworter der Ruhrbesetzung), November 1928 bis Juli 1929 Kolonialminister, 1929–1932 Kriegsminister, förderte den Auf- und Ausbau einer Verteidigungslinie entlang der Grenze zu Deutschland (ab 1935 offiziell als »Maginot-Linie« bezeichnet). M alinov, A leksandăr Pawlov 3. Mai 1867 Pandakli/Bessarabien – 20. März 1938 Sofia bulgarischer Politiker Jus-Studium, 1891 in Kiew abgeschlossen, Staatsanwalt bzw. Rechtsanwalt in Plowdiw, 1901 und 1908–1934 Abgeordneter der Nationalversammlung, Mitglied der Demokratischen Partei, 1903 deren Vorsitzender, Jänner 1908 bis März 1911 Ministerpräsident, gleichzeitig Minister für öffentliche Arbeit und bis September 1910 Außenminister, Juni bis 28. November 1918 Ministerpräsident, bis 17. Oktober 1918 auch Außenminister und ab 17. Oktober 1918 auch Justizminister, 29. Juni 1931 bis 12. Oktober 1931 Ministerpräsident und Außenminister, 1931–1934 Präsident der Nationalversammlung. M andl, Josef 26. Juni 1903 Salzburg-Gnigl –   ? NS-Funktionär illegales SA- und NSDAP-Mitglied (seit 1932), Mai 1939 provisorischer Angestellter im Fürsorgeamt Stadt Salzburg, März 1940 ins Ernährungsamt, April 1941 in das Wirtschaftsamt, November 1941 Stadtsekretär, August 1942 wegen des Verdachts des Missbrauchs von Kleider- und Haushaltskarten verhaftet, Oktober 1942 vom Sondergericht Salzburg zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, nach seiner Verurteilung aus dem Dienst der Stadt entlassen, ab 21. November 1942 in der Zuchtanstalt Kaisheim. M anoilescu, Mih ail 9. Dezember 1891Tecuci – 30. Dezember 1950 Sighetu Marmației rumänischer Politiker

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in den 1930er-Jahren aktiver Förderer des Faschismus und des Antisemitismus, Geldgeber der faschistischen »Eisernen Garde«, 4. Juli bis 4. September 1940 Außenminister, am 30. August 1940 unterschrieb er den sogenannten »Zweiten Wiener Schiedsspruch« (von Rumänien »Wiener Diktat« genannt), danach mussten große Teile von Rumänien an Ungarn abgetreten werden, ab Oktober 1944 in Haft, starb im Gefängnis an Typhus. M anstein, Erich von (eigentlich Fritz Erich von Lewinski) 24. November 1887 Berlin – 11. Juni 1973 Irschenhausen/Oberbayern deutscher Offizier 1906 Eintritt in ein preußisches Garderegiment, 1914–1918 Kriegsdienst, 1915– 1917 Ausbildung an der Preußischen Kriegsakademie, 1919 in die Reichswehr übernommen, Truppendienst in Stabsstellen, 1932–1933 Bataillonskommandeur, 1934 Chef des Stabs des Wehrkreiskommandos III (Berlin), 1936 Oberquartiermeister im Generalstab des Heeres, 1938 Divisionskommandeur, 1939 Stabschef einer Heeresgruppe, 1940 kommandierender General einer Heeresgruppe in Frankreich, 1941– 1944 im Osten verwendet, nach Rückzug im März 1944 von Hitler abgesetzt, bis Kriegsende Aufenthalt in der Lüneburger Heide, 8. Mai 1945 von britischen Truppen interniert, im August 1945 im Nürnberger Prozess (Kriegsverbrecher) angeklagt und freigesprochen, Oktober 1949 von einem britischen Militärgericht in Hamburg wegen Kriegsverbrechen zu zwölf Jahren Haft verurteilt, Mai 1953 entlassen, 1953– 1960 offizieller Berater der Bundesregierung beim Aufbau der Bundeswehr. M arek, Dr. jur. Fer dinand 25. Jänner 1881 Karolinenthal/Böhmen– 4. Mai 1947 Moskau (im Gefängnis) Diplomat Jus-Studium an den Universitäten Wien und Prag, 1904 Promotion zum Dr. jur., 1904 Eintritt in den Dienst der Finanzbezirksdirektion Wien, 1906–1914 Tätigkeit bei der Handels- und Gewerbekammer in Brünn, 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1915 im Kriegsministerium in Wien tätig, 1. November 1918 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, ab 29. November 1918 provisorischer Geschäftsträger an der Gesandtschaft Prag, im Juni 1919 zum Bevollmächtigten ernannt, 1922 bis 13. März 1938 ao. Gesandter und bev. Minister in Prag, Februar 1939 Entlassung, danach Umwandlung der Entlassung in eine Versetzung in den dauernden Ruhestand, 1941–1942 Verwaltungsrat mehrerer Aktiengesellschaften in Prag, 7. Mai 1945 mit der Wahrnehmung der österreichischen Interessen in der Tschechoslowakei betraut, am 23. Mai 1945 in der sowjetischen Stadtkommandantur in Prag wegen Zusammenarbeit mit der Gestapo verhaftet, deportiert in die Sowjwtunion, 1993 vollständig von allen Vorwürfen rehabilitiert.

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M arek, Hedwig 12. November 1881 Wien – 25. Oktober 1964 Schruns/Vorarlberg geborene Broda Ehefrau von Ferdinand Marek. 1939 Flucht in ein Schweizer Kloster, 1948 Rückkehr nach Österreich, lebte in Schruns. M arenzi, Ernestine 12. Juli 1900 Rothen-Lhotta/Böhmen – 14. Oktober 1990 Wien geborene Schönburg-Hartenstein Ehefrau von Ludwig Marenzi (1930). M arenzi, Dr. jur. Ludwig 16. Oktober 1894 Wien – 11. Mai 1983 Wien Rechtsanwalt und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, Jus-Studium an der Universität Innsbruck, 1919 Promotion zum Dr. jur., ab Juni 1925 Rechtsanwaltkanzlei in Wien, ab 1928 in Neusiedl am See, 1934–1938 Mitglied des Bundeswirtschaftsrats, enge Beziehungen zu Bundeskanzler Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg, 1939 musste er nach Wien übersiedeln. M argaréth a, Dr. jur. Eugen 6. Juli 1885 Perchtoldsdorf/NÖ – 25. Mai 1963 Wien Verwaltungsjurist und Politiker (ÖVP) Jus-Studium, 1910 Promotion zum Dr. jur., 1910 Tätigkeit in der Hauptstelle Industrieller Arbeitgeberorganisationen, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919–1933 leitender Sekretär des Wiener Industriellenverbandes, 1934–1938 geschäftsführender Vizepräsident im Wiener Industriellenverband, 1934–1938 Mitglied des Bundeswirtschaftsrats, Dezember 1935 Handelskammerrat, März 1938 seiner Funktionen enthoben und aus dem Industriellenverband entlassen, 1938–1945 Rechtskonsulent verschiedener Industriebetriebe, ab April 1945 Generalsekretär der Sektion Industrie und Bergbau der Wiener Handelskammer, Juli 1945 bis August 1946 Mitglied der Kreditlenkungskommission, Dezember 1945 bis März 1952 Abgeordneter zum Nationalrat, November 1949 bis Jänner 1952 Bundesminister für Finanzen, März 1952 bis 1960 Präsident der Oesterreichischen Nationalbank. M aria A nnunziata von Neapel-Sizilien 24. März 1843 Caserta – 4. Mai 1871 Wien geborene Prinzessin von Bourbon-Sizilien durch Heirat (1862 mit Erzherzog Karl Ludwig von Österreich) Erzherzogin von Österreich, Mutter von Franz Ferdinand (Österreich-Este).

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M aria Theresia (H absburg) 13. Mai 1717 Wien – 29. November 1780 Wien Königin Erzherzogin von Österreich, 1740–1780 Königin von Ungarn und Böhmen. M arin, Louis 7. Februar 1871 Faulx/Département Meurthe-et-Moselle – 23. Mai 1960 Paris französischer Politiker Studium der Literatur und Rechtswissenschaften (1892 und 1894 Abschlüsse), bis 1910 Rechtsanwalt, 1905–1940 Abgeordneter der Nationalversammlung (verschiedener konservativer Parteien), März bis Juni 1924 Minister für die befreiten Gebiete, Februar bis November 1934 Minister für öffentliche Gesundheit und Leibeserziehung, November 1934 bis Jänner 1936 Minister ohne Geschäftsbereich, Mai bis Juni 1940 Minister ohne Geschäftsbereich, 1945–1951 Abgeordneter der Nationalversammlung. M arinelli, Giovanni 18. Oktober 1879 Adria/Venetien – 11. Jänner 1944 Verona (hingerichtet) italienischer Politiker 1919 Mitbegründer der faschistischen Bewegung, finanzierte den Marsch auf Rom, Sekretär der »Faschistischen Partei«, schuf die »Ceka«, eine gewalttätige Terrorgruppe, u. a. für die Ermordung von Giacomo Matteotti verantwortlich, für die er angeklagt wurde, enger Freund Mussolinis, 1929 und 1934 Abgeordneter der Kammer, September 1939 bis Februar 1943 Unterstaatssekretär im Ministerium für Kommunikation, als Mitglied des Großen Faschistischen Rats stimmte er am 25. Juli 1943 gegen Mussolini, im Jänner 1944 in der Repubblica Sociale Italiana im Prozess von Verona von einem Sondergericht wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. M aronja keine Information (Schreibweise ungeklärt) Generalstabsoberst. M ars, Dr. jur. John (eigentlich H ans M aterschläger, seit 1925 H ans M ars, Pseudonym  : Rudolph Gessner) 18. Mai 1898 Unter-Siebenbrunn/NÖ – 17. September 1985 Baden bei Wien/NÖ Ökonom und Sozialwissenschaftler ab 1925 Jus-Studium, 1931 Promotion zum Dr. jur., ab 1926 in der Arbeiterkammer Wien Referent für Arbeitswissenschaft und Betriebsrationalisierung, 1931/1932 Studienaufenthalt an der University of Chicago, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, 1934 Verlust des Arbeitsplatzes, 1934–1962 in Großbritannien, 1937–1944 an der Universität Oxford, 1946 am Trinity College in Dublin, 1948 an der Universität

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Leeds, 1962 Rückkehr nach Österreich, bis 1970 für die Vereinten Nationen Adviser in verschiedenen Staaten Afrikas, zahlreiche Publikationen. M artinek, Robert 2. Februar 1889 Gratzen/Böhmen – 28. Juni 1944 an der Beresina/Weißrussland (gefallen) Offizier 1907 in die k. u. k. Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, in das Bundesheer übernommen, 1930 Kommandant der Artilleriefachschule, 1934 Oberst, Kommandant der Artillerieschießschule, Oktober 1937 Artillerie-Inspektor des Bundesheeres, nach dem »Anschluss« 1938 Artilleriekommandeur der Wehrmacht, 1940 Einsatz an der Maginot-Linie in Frankreich, Winter 1941 Führung der 267. Infanterie-Division, Jänner 1942 Führung der 7. Gebirgs-Division, Dezember 1942 in das XXXIX. Panzerkorps übernommen, 1943 General der Artillerie, Sommer 1944 bei Luftangriffen von sowjetischen Fliegern getötet. M arx, Wilhelm 15. Jänner 1863 Köln – 5. August 1946 Bonn deutscher Jurist und Politiker Jus-Studium, 1888 in die preußische Justizverwaltung, ab 1894 als Richter, 1899– 1918 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses (»Zentrumspartei«), 1907– 1921 Oberlandesgerichtsrat in Düsseldorf, nach dem Krieg Landesgerichtsrat in Limburg an der Lahn, kurz danach Senatspräsident des Kammergerichts in Berlin, 1910–1918 Abgeordneter des Reichstags, 1919–1920 Generaldirektor des Katholischen Volksvereins, 1919–1920 Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und der verfassungsgebenden Preußischen Landesversammlung, 1920–1932 Reichstagsabgeordneter ab 1920 Vorsitzender der »Zentrumspartei«, November 1923 bis Jänner 1925 und Mai 1926 bis Juni 1928 Reichskanzler, November 1925 bis Juli 1926 Reichsjustizminister. M ärz, Dipl.-K fm. Dr. phil. Josef 9. Mai 1892 München – 28. August 1955 München deutscher Journalist und Zeitungswissenschaftler 1913 Dipl. Kaufmann der Münchner Handelshochschule, danach Tätigkeit in der Industrie, 1918–1922 Studium der Geografie, 1922 Promotion zum Dr. phil., bis 1940 als Journalist tätig, vor allem als Auslandskorrespondent, Schriftleiter beim »Neuen Wiener Tageblatt« (für äußere Politik), 1940–1945 ao. Professor und Leiter des neu gegründeten Lehrstuhls für Zeitungswissenschaften an der Universität Prag, 1952–1955 Regierungsrat im Bayerischen Landesamt für Kurzschrift, Mitglied der Historischen Kommission der Sudetenländer.

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M asaryk, Dr. phil. Tomáš Garrigue 7. März 1850 Göding/Mähren – 14. September 1937 Lány tschechischer Politiker, Philosoph, Schriftsteller und Historiker ab 1872 Studium der Philosophie an der Universität Wien, Promotion zum Dr. phil., 1878 Habilitation, 1879 Dozent in Wien, ab 1882 Professor für Philosophie an der Universität Prag, 1907–1914 Abgeordneter zum Reichsrat, während des Ersten Weltkriegs führender tschechischer Politiker im Exil, Mitbegründer der Tschechoslowakei und vom 7. November 1918 bis 14. Dezember 1935 deren Staatspräsident. M assigli, René Lucien Daniel 22. März 1888 Montpellier – 3. Februar 1988 Paris französischer Diplomat 1920 Generalsekretär auf der Pariser Botschafterkonferenz, 1919 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, Vertreter Frankreichs im Völkerbund, 1937–1938 Chef der politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, 1938–1940 Botschafter in Ankara, 1943 Flucht nach London, Anschluss an die Widerstandsbewegung, 1943–1944 außenpolitischer Mitarbeiter de Gaulles in Nordafrika, 1944–1954 Botschafter in London, 1954–1956 Generalsekretär im Auswärtigen Amt, dann in leitender Stellung bei der »Gesellschaft zum Studium der Kanaluntertunnelung«, ab 1964 für Rundfunk und Fernsehen tätig. M astný, Dr. jur. Vojtěch 18. März 1874 Manětín/Böhmen – 25. Jänner 1954 Prag tschechoslowakischer Diplomat als Jurist in Prag tätig, 1920–1925 Gesandter in London, dann in Rom, seit 1924 ständiges Mitglied der Kommission zur Kodifizierung des Völkerrechts beim Völkerbund, Juli 1932 bis März 1939 Gesandter in Berlin, 1939 in den Ruhestand, 1945 kurz in Haft. M atsuok a, Yōsuke 3. März 1880 Kumage-gun – 26. Juni 1946 Tokio japanischer Diplomat und Politiker Jus-Studium, 1900 abgeschlossen, 1900 Eintritt in das Auswärtige Amt, 1912 in St. Petersburg, 1914 in Washington, 1917 Sekretär im Außenministerium, 1918 im Amt des Ministerpräsidenten, 1919 Vertreter auf der Pariser Friedenskonferenz, 1921–1926 Direktor, 1927 Vizepräsident der Südmandschurischen Bahn, verkündete 1933 den Austritt Japans aus dem Völkerbund, Juli 1940 bis Juli 1941 Außenminister, aktiv für eine Allianz mit Nazi-Deutschland, Initiator für den Dreimächtepakt von 1940, 1945 in US-Kriegsgefangenschaft, 1945 bei den Tokioer Prozessen wegen Kriegsverbrechen angeklagt, starb im Gefängnis.

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M at teot ti, Giacomo 2. Mai 1885 Fratta Polesine – 10. Juni 1924 Rom (ermordet) italienischer Politiker 1919, 1921 und 1924 Abgeordneter in der Deputiertenkammer, 1922 Generalsekretär des neu gegründeten »Partito Socialista Unitario«, Juni 1924 als Gegner Mussolinis von Angehörigen der faschistischen Miliz ermordet, sein Tod löste eine Regierungskrise aus, die Mussolini zur Ausschaltung der anderen Parteien benutzte. M auck, Dipl.-Ing. Paul 23. September 1900 Lübeck – 18. Mai 1975 Göttingen deutscher Eisenbahnfachmann Ingenieurstudium, 1923 Diplom-Ingenieur, 1927 in den Dienst der Reichsbahn, 1928–1938 bei der privaten Lübeck-Büchener Eisenbahn, 1938 Wechsel zu Henschel & Sohn in Kassel, nach dem »Anschluss« Vorstandsmitglied der zum Henschel-Konzern gehörenden Wiener Lokomotivfabrik in Wien-Floridsdorf, 1943– 1945 Geschäftsführer der ebenfalls zum Henschel-Konzern gehörenden Rax-Werke in Wiener Neustadt, nach 1945 mit Sonderaufgaben bei der Firma Henschel in Kassel betraut, 1953–1965 bei der Linke-Hofmann-Busch GmbH in Salzgitter. M auer, Dr. theol. Ot to 14. Februar 1907 Brunn am Gebirge/NÖ – 3. Oktober 1973 Wien Priester 1926–1931 Studium der Theologie, 1931 Priesterweihe, 1931–1934 Kooperator in Schwechat, 1934/1935 in Neuottakring, 1935–1936 Religionsprofessor in Wien (Strebersdorf), 1936–1938 Kooperator in Berndorf/NÖ, ab 1938 Referent für religiöse Kultur und Akademikerseelsorge im Erzbischöflichen Seelsorgeamt sowie 1938–1941 Kaplan der Pfarre St. Josef, 1941–1944 der Pfarre St. Augustin, während der NS-Herrschaft mehrmals verhaftet, Predigtverbot, 1946 Geistlicher Assistent der Katholischen Aktion, 1954 Domprediger zu St. Stephan, Gründer der »Galerie nächst St. Stephan«. M aurois, A ndré (eigentlich Émile Herzog) 26. Juli 1885 Elbeuf/Seine-Maritime – 9. Oktober 1967 Neuilly-sur-Seine/Département Hauts-de-Seine französischer Schriftsteller, Literaturhistoriker 1938 Aufnahme in die Académie française. M autner-M arkhof Industriellen-Familie

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M autner-M arkhof, Dipl.-Ing. agr ar. Dr. jur. Dr. phil. Georg Heinrich 30. August 1904 Wien – 24. Februar 1982 Wien Industrieller ab 1921 Studium an der Hochschule für Bodenkultur und Jus-Studium an der Universität Wien, ab 1929 im Familienkonzern tätig, führende Positionen in zahlreichen Wirtschaftsgremien, u. a. Präsident des Wiener und Vizepräsident des Österreichischen Industriellenverbandes, Präsident der Wiener Handelskammer und des Niederösterreichischen Gewerbevereins, Präsident der Brau-, Spiritus- und Nahrungs- und Genussmittelindustrie, aktiv in der Heimwehr, ab 1934 in der Leitung des Familienkonzerns, Ausbau des Konzerns durch Erwerb der Brauerei Schwechat 1935, ab Dezember 1935 aus privaten Gründen Rückzug aus einigen Verbandsfunktionen, 1934–1936 Mitglied des Bundeswirtschaftsrats, 1936–1938 Mitglied des Staatsrats, Juli 1938 aus dem Familienkonzern geschieden, 1939 gemeinsam mit Manfred Mautner-Markhof zweimal verhaftet, unter Androhung eines KZ-Aufenthaltes wurde die Abgabe der Aktienmehrheit an der Brauerei Schwechat betrieben (1940 von der NSDAP de facto übernommen), ab Sommer 1939 Aufenthalt in Berlin und danach in Werden bei Potsdam, gegen Kriegsende lebte er in Italien und der Schweiz, nach dem Krieg in Brasilien, 1946–1949 Aufbau der Brauerei in São Paulo, 1949 Rückkehr nach Österreich, wieder in der Leitung des Familienkonzerns und Tätigkeit in Verbänden, 1969 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Wien, 1971 Übersiedlung in die Schweiz. M autner-M arkhof, Dipl.-Br auing. M anfred 17. September 1903 Wien – 4. Jänner 1981 Wien Industrieller Studium an der Technischen Hochschule in Wien und Weihenstephan, 1928 Dipl.Brauing., anschließend im Familienkonzern tätig, Mitglied des Verwaltungsrats der Brauerei Schwechat AG, unter Androhung eines KZ-Aufenthaltes wurde die Abgabe der Aktienmehrheit an der Brauerei Schwechat betrieben (1940 von der NSDAP de facto übernommen), Juni 1939 durch Intervention von Richard Strauss bei Goebbels Entlassung aus der Gestapo Haft (gemeinsam mit seinem Cousin Georg Heinrich Mautner-Markhof) und Verhinderung der Deportation in ein KZ, ab 1945 Wiederaufbau der Brauerei Schwechat, 1946–1972 Vizepräsident der Industriellenvereinigung, Kunstmäzen. Medinger, Ing. Dr. phil. Wilhelm 7. Jänner 1878 Wien – 3. Dezember 1934 Wien tschechoslowakischer Politiker

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Studium an der Hochschule für Bodenkultur in Wien (Abschluss mit Titel »Ingenieur«), Studium der Philosophie und Staatswissenschaften an den Universitäten Wien (1899–1900) und Halle, 1902 Promotion zum Dr. phil., erwarb ein Gut bei Gablonz (Musterbetrieb), 1908 Abgeordneter des Prager Landtags (von verfassungstreuen Großgrundbesitzern entsendet), 1919 vertrat er Österreich als ao. Gesandter in Den Haag, nach Option für die Tschechoslowakei 1920–1923 Abgeordneter der »Deutschen Nationalpartei«, 1925–1932 Senator der »Deutsch christlich-sozialen Volkspartei« im Parlament, Gründer und Präsident der 1922 gegründeten »Deutschen Völkerbundliga«, in der alle sudetendeutschen Parteien vertreten waren, Vizepräsident des Weltverbandes, Fachmann in Fragen des Minderheitenschutzes, im Völkerbund Gegenspieler von Beneš. Meissner, Dr. jur. Ot to 13. März 1880 Bischweiler/Elsass – 27. Mai 1953 München deutscher Beamter Jus-Studium, ab 1901 im Justizdienst, 1903 Promotion zum Dr. jur., 1911 Reichsbahndirektion Elsass, 1915–1918 Kriegsdienst, Jänner 1919 Geschäftsträger in der Ukraine, ab April 1919 im Büro des Reichspräsidenten Friedrich Ebert, 1920–1945 Leiter des Büros (Ebert bis 1925, Hindenburg 1925–1934, Hitler 1934–1945), 1920 Ministerialdirektor 1923 Staatssekretär, 1935 Beschränkung auf repräsentative Aufgaben, 1937 Staatsminister im Rang eines Reichsministers, Mai 1945 von den Alliierten interniert, 1949 Freispruch im Nürnberger Prozess (Wilhelmsstraßen-Prozess), 1951 im Verfahren einer Münchner Spruchkammer als »Belasteter« eingestuft, 1952 Einstellung weiterer Verfahren. Mell, A lbert A nton 13. November 1869 Josefstadt/Böhmen – 18. August 1942 Wien Beamter 1896 Eintritt in den Staatsdienst bei der Statthalterei für Böhmen, 1906 in das Ministerium des Innern, 1914–1918 bei der Ministerialkommission im Kriegsministerium, 1925 Sektionschef, 1925–1932 Leiter der Sektion II (Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit) im Bundeskanzleramt, Februar 1932 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Menghin, Dr. phil. Oswald 19. April 1888 Meran/Südtirol – 29. November 1973 Buenos Aires/Argentinien Archivar und Universitätsprofessor Studium der Prähistorischen Archäologie, 1910 Promotion zum Dr. phil., 1913 Habilitation für Urgeschichte, 1910–1918 Archivar im niederösterreichischen Landesarchiv, 1918–1945 Univ.-Prof. in Wien, 1919–1926 Mitglied der »Deutschen Ge-

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meinschaft«, 1930–1933 zusätzlich Professor an der Universität Kairo, 1936 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 11. März bis 13. März 1938 Unterrichtsminister im »Anschluss-Kabinett« von Arthur Seyß-Inquart, 1940 Mitglied der NSDAP, 1945 US-Internierung, 1948 Professor in Buenos Aires, 1956 wurde das Strafverfahren wegen Kriegsverbrechen und Hochverrats eingestellt, ab 1957 auch an der Universität La Plata, 1959 korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1968 emeritiert. Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein, A lbert 5. September 1861 Lemberg/Galizien – 15. Juni 1945 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1884 Eintritt in den diplomatischen Dienst, 1886–1896 in Paris, London und St. Petersburg, 1896–1914 an der Botschaft in London (ab 1904 als ao. Gesandter und bev. Minister), 1914–1917 Kriegsdienst (in Lazaretten des Deutschen Ritterordens), 1917 und 1918 an Friedenssondierungen mit Vertretern der britischen Regierung in der Schweiz beteiligt, Mai 1917 bis 1918 Mitglied des Herrenhauses, Jänner 1919 Versetzung in den dauernden Ruhestand, November 1920 bis 1935 Delegierter Österreichs beim Völkerbund, Vizepräsident der österreichischen Völkerbundliga. Merezkow, K irill A fanassjewitsch 26. Mai 1897 Nasarjewo/Gouvernement Rjasan – 30. Dezember 1968 Moskau sowjetischer Offizier 1918 Eintritt in die Rote Armee, 1921 Studium an der Militärakademie und an der Frunse-Militärakademie, 1936 bis Juni 1937 Militärberater der Republikanischen Regierung Spaniens, September 1938 bis 1939 Oberbefehlshaber des Wolga-, dann des Leningrader Militärbezirkes, im Sowjetisch-Finnischen Krieg 1939/1940 Oberbefehlshaber der 7. Armee, Juni 1940 im Range eines Armeegenerals Stellvertreter des Volkskommissars (Ministers) für Verteidigung, 1940–1941 Chef der Hauptverwaltung des Generalstabs, 1941 Stellvertreter des Volkskommissars für Verteidigung für Ausbildungsfragen, nach Beginn des deutschen Krieges gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941 zum Vertreter des Oberkommandos und Berater beim Hauptquartier berufen, kurz darauf verhaftet, September 1941 wieder entlassen, 1941–1943 Verteidiger von Leningrad, dann am Wolchow und in Karelien, 1943 Marschall, 1945 Oberbefehlshaber der Truppen gegen Japan, 1946–1947 Chef des Moskauer Militärbezirkes, 1947–1953 Kommandeur des Weißmeer-Distrikts, Mitglied des ZK der Karelo-Finnischen Kommunistischen Partei, ab 1956 Mitglied des Präsidiums, 1955 stellvertretender Verteidigungsminister, 1958–1961 Vorsitzender der Kriegsveteranen-Verbände.

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Messner, Fr anz Josef 8. Dezember 1896 Brixlegg/Tirol – 23. April 1945 KZ Mauthausen (ermordet) Geschäftsmann 1915–1918 Kriegsdienst (1917 als kommerzieller Referent zum Militärgouverneur nach Odessa), November 1918 Flucht, von polnischen Legionären gefangen genommen, bis Jänner 1919 inhaftiert, Tätigkeit im Warenverkehrsbüro in Wien, Sommer 1919 in Filiale nach Belgrad, 1919 Direktor der Landeseinkaufsstelle in Innsbruck, 1922 Direktor der Handelsgesellschaft »Habung« in Wien und Dakar, 1925 Auswanderung nach Brasilien, 1926 Gründung einer Firma, 1928 brasilianischer Konsul in Wien und Handelsattaché (als Angestellter des brasilianischen Handelsministeriums), 1931 brasilianische Staatsbürgerschaft, 1934 an der Sanierung mehrerer österreichischer Betriebe beteiligt, 1936 bei Credit-Anstalt angestellt und mit der Sanierung der Semperit-Werke betraut, ab 1937 Generaldirektor und Vorstandvorsitzender der Semperit AG, Wien, ab 1939 enge Zusammenarbeit mit der deutschen Continental Gummiwerke AG (Semperit wurde aber kein deutsches Eigentum), 1939 in Brasilien im offiziellen Auftrag, 1940–1941 Vorsitzender des Vorstandes, Aufsichtsratsvorsitzender der Semperit-Werke in Zagreb, Budapest und Sofia, mit Heinrich Maier bildete er die Widerstandsgruppe »Maier-Messner«, März 1944 in Budapest verhaftet und zum Tode verurteilt. Meta x as, Ioannis 12. April 1871 Ithaka – 29. Jänner 1941 Athen griechischer Offizier und Politiker seit 1913 Generalstabschef, 1916 Rücktritt, 1917–1920 (von den Franzosen auf Korsika interniert), 1923 im italienischen Exil, April 1936 Ministerpräsident, ab August 1936 mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet, Errichtung einer Militärdiktatur, April 1936 bis Jänner 1941 zugleich Außenminister. Met ternich, Clemens 15. Mai 1773 Koblenz – 11. Juni 1859 Wien Diplomat und Politiker Kaiserlicher Gesandter in Dresden, Berlin und Paris, 1809 Außenminister, 1821 Staatskanzler, sicherte auf dem Wiener Kongress 1814/1815 Österreich die Vormachtstellung in Europa, März 1848 Entlassung im Zuge der Märzrevolution, danach in England, 1849 in Brüssel, 1851 Rückkehr nach Österreich. Metz-R anda, Ot to 1878–1952 Unternehmer Erbe des Hotels mit Landgut in Gösing  ; Ariseur zweier jüdischer Firmen.

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Mih ai I. (Mich ael) (Hohenzollern-Sigmaringen) 25. Oktober 1921 Sinaia/Rumänien – 5. Dezember 2017 Aubonne/Schweiz König von Rumänien 1927–1930 und 1940–1947 König von Rumänien, ließ 1944 Antonescu verhaften und erzwang Seitenwechsel auf die Seite der Alliierten, unter kommunistischem Druck Dezember 1947 Abdankung, ins Exil in die Schweiz. Mih ailović, Dr agoljub (Dr aža) 26. April 1893 Ivanjica/Serbien – 17. Juli 1946 Belgrad (hingerichtet) serbischer Offizier 1941 Oberst im Generalstab, Mai 1941 Organisator und Führer der königstreuen Tschetniks gegen die deutsche Besatzung, Jänner 1942 bis 1944 Kriegsminister der jugoslawischen Exilregierung, 1943 von den Westalliierten im Kampf gegen Titos Partisanen fallen gelassen, 1946 in Belgrad als Kollaborateur und Kriegsverbrecher angeklagt und hingerichtet, Mai 2015 nach einem umstrittenen Urteil des höchsten Berufungsgerichts Serbiens rehabilitiert. Miklas, Fr anz A nton Josef 9. Juni 1914 Wien – 26. November 1941 Ssaweljewo/Moskau (gefallen) Sohn von Wilhelm Miklas. Miklas, Fritz 17. Mai 1913 Horn – 22. Juli 1941 bei Malin/Sowjetunion Sohn von Wilhelm Miklas. Miklas, Leopoldine 19. Oktober 1880 Horn/NÖ – 23. Dezember 1960 Wien geborene Heidinger Ehefrau von Wilhelm Miklas. Miklas, Wilhelm 15. Oktober 1872 Krems/NÖ – 20. März 1956 Wien Lehrer und Politiker (ChP) Studium der Geschichte und Geografie an der Universität Wien, 1895 Abschluss mit Lehramtsprüfung, Mittelschullehrer in Triest, Proßnitz und ab 1899 in Horn (ab 1905 Direktor), 1907–1918 Reichsratsabgeordneter, 1909–1915 und November 1918 bis März 1919 Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag, Oktober 1918 bis Februar 1919 Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, März 1919 bis November 1920 Unterstaatssekretär für Kultus, November 1920 bis

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Dezember 1928 Abgeordneter zum Nationalrat, Dezember 1928 bis 12. März 1938 Bundespräsident. Miklas, Dr. jur. Wilhelm Josef 16. März 1903 Horn/NÖ – 12. Oktober 1945 Sestrorezk/Sowjetunion Beamter Regierungsrat im Finanzministerium, Sohn von Wilhelm Miklas. Milch, Erh ar d 30. März 1892 Wilhelmshaven – 25. Jänner 1972 Wuppertal deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst (zuletzt Hauptmann bei der Fliegertruppe), 1920 Leiter der Danziger Flugpost, 1923 Leiter der Flugbetriebsabteilung der Junkers-Luftverkehrs AG, 1926–1933 im Vorstand der Deutschen Lufthansa, 1933 Mitglied der NSDAP, 1933–1945 Staatssekretär des Reichsluftfahrtministeriums, zugleich Generalinspekteur der Luftwaffe und November 1941 bis Juli 1944 Generalluftzeugmeister, Generalfeldmarschall (1940), Jänner 1943 Führer der Transportverbände Stalingrad, 1942–1945 Präsident der Deutschen Lufthansa AG, Februar 1945 Enthebung aller Funktionen, im Nürnberger Prozess 1947 zu lebenslanger Haft verurteilt, im sogenannten »Milch-Prozess« zu 15 Jahren begnadigt, Juli 1954 entlassen. Mitis, Dr. jur. Osk ar 8. Dezember 1909 Wien – 3. Juli 1981 Wien Diplomat 1927–1930 auf eigenem Gut in Borkovany bei Brünn, 1930–1932 Konsularkademie, Jus-Studium an der Universität Wien, 1937 Promotion zum Dr. jur., Jänner 1938 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 15. Jänner 1938 Attaché an der Gesandtschaft in Prag, Oktober 1938 in den Reichsdienst übernommen, an der deutschen Gesandtschaft in Prag, 1939 bis 8. April 1940 beim Amt des Reichsprotektors (Liquidierung des ehemaligen tschechoslowakischen Außenministeriums, verhalf zahlreichen Tschechen zur Flucht ins Ausland), April 1940 bis Sommer 1942 beim Vertreter des Auswärtigen Amtes beim deutschen Bevollmächtigten in Kopenhagen (Überwachung der Korrespondenz des dänischen Außenamts), Rückkehr nach Berlin, zeitweise in Kopenhagen, Februar 1943 auf eigenes Ansuchen ohne Bezüge beurlaubt, Dezember 1944 entlassen, im Mai 1945 von den US-Truppen in der Tschechoslowakei in Verwendung genommen, Mai 1945 zum Dienst in der Staatskanzlei gemeldet, verhaftet und in Glasenbach interniert, Februar 1946 entlassen, im Februar 1948 erklärte das Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten sein Dienstverhältnis für erloschen.

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Model, Walter 24. Jänner 1891 Genthin/Sachsen – 17./21. April 1945 bei Duisburg (Suizid) deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in die Reichswehr, 1929 Abteilungsleiter im Reichswehrministerium, ab 1939 Oberbefehlshaber verschiedener Armeen und Heeresgruppen, 1942/1943 führte er die 9. Armee im Osten, ab 1943 immer wieder an militärisch kritischen Stellen verwendet, 1944 kurz Oberbefehlshaber West, Generalfeldmarschall (1944), am 17. April 1945 löste er seine Heeresgruppe im Ruhrkessel auf. Mokry, Dr. Leodegar 19. September 1886 Wien – 30. September 1948 Salzburg Beamter 1910 Eintritt in den Staatsdienst, Juli 1917 Einberufung in das Ministerium des Innern, Februar 1926 bis Mai 1932 Schriftführer im Ministerrat, danach Vorstand der Abteilung 1 im Bundeskanzleramt, nach März 1938 Ministerialrat in der Reichsstatthalterei Wien, April 1938 im Amt des Reichsprotektors für Böhmen und Mähren beschäftigt, 30. September 1943 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Mölders, A nnemarie keine Information Schwester von Werner Mölders. Mölders, Werner 18. März 1913 Gelsenkirchen – 22. November 1941 Breslau/Schlesien (verunglückt) deutscher Offizier 1931 Eintritt in ein Infanterie-Regiment, 1935 in die Luftwaffe übernommen, April 1938 Einsatz in Spanien, Angehöriger der Legion »Condor« als Jagdflieger, 1941 Oberst und Inspekteur der Jagdflieger. Molotow, Wjatscheslaw Mich ailowitsch (Molotov, Vjačeslav Mich ajlovič, eigentlich Skrjabin) 9. März 1890 Kukark/Gouvernement Wjatka – 8. November 1986 Moskau sowjetischer Politiker Teilnahme an der Revolution 1905, 1909 Verbannung, dann Studium am St. Petersburger Polytechnikum, 1912 Mitherausgeber der »Pravda«, 1921–1957 Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU, 1926–1957 Mitglied des Politbüros bzw. ZK-Präsidiums, 1930–1941 Vorsitzender und 1941–1957 stellvertretender Vorsitzender des Rats der Volkskommissare bzw. Ministerrats, zugleich 1939–1949 und 1953–1956 Außenminister, 1941–1945 stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Verteidi-

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gungskomitees, 1947 Mitglied des Obersten Sowjet, gemeinsam mit Stalin Teilnehmer an den großen Konferenzen der Alliierten, 1957 sämtlicher Partei- und Regierungsämter enthoben, bis 1960 Botschafter in Ulan Bator, 1960–1961 Vertreter der Sowjetunion bei der Internationalen Atomenergiekommission in Wien, 1962 Parteiausschluss, 1984 rehabilitiert. Moltke, Gr af H ans A dolf von 29. November 1884 Oppeln/Oberschlesien – 22. März 1943 Madrid deutscher Diplomat Jus-Studium, 1913 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1913 Attaché in Konstantinopel, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 preußischer Geschäftsträger in Stuttgart, 1920–1922 Vertreter des Auswärtigen Amtes bei der Internationalen Abstimmungskommission in Oppeln, 1922–1924 Mitglied der gemischten Kommission in Oberschlesien, 1924–1928 Botschaftsrat in Konstantinopel, 1931 Direktor der Ostabteilung im Auswärtigen Amt, 1931 Gesandter (ab 1934 Botschafter) in Warschau, ab Jänner 1943 Botschafter in Madrid, Gerüchte um seinen plötzlichen Tod. Mohn, Got tlob Samuel 4. Dezember 1789 Weißenfels an der Saale/Sachsen-Anhalt – 2. Dezember 1825 Laxenburg/NÖ Porzellan- und Glasmaler der Biedermeierzeit 1824 »Schlossmaler« in Laxenburg. Monroe, James 28. April 1758 Monroe Hall/Virginia – 4. Juli 1831 New York US-Politiker 1817–1825 5. Präsident der Vereinigten Staaten. Montel, Dr. jur. Heinrich 26. Juni 1876 Aussig an der Elbe/Böhmen – 1. Februar 1967 Graz Diplomat Jus-Studium an der Universität Graz, 1900 Promotion zum Dr. jur., 1900 Eintritt in den Staatsdienst bei der Statthalterei Graz, 1909 Einberufung in das Ministerium des Innern, ab 1914 mit Flüchtlingsagenden betraut, 1918–1933 Vorstand der Abteilung für das Wanderungswesen im Bundeskanzleramt, 1920 Ernennung zum Ministerialrat, Mai 1933 bis Juli 1936 Generalkonsul in Mailand, Juli 1936 Versetzung in den Ruhestand als ao. Gesandter und bev. Minister. Mor avec, Emanuel 17. April 1893 Prag – 5. Mai 1945 Prag (Suizid)

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tschechoslowakischer Offizier und Politiker ab 1914 Kriegsdienst, nach russischer Gefangennahme 1915 Wechsel in die serbische Freiwilligendivision und dann zur Tschechoslowakischen Legion, im August 1920 Rückkehr nach Prag, als Nachrichtenoffizier in der Karpato-Ukraine, im Russischen Bürgerkrieg auf Seiten der Weißen Armee, Oberst im Generalstab, Professor für Kriegsgeschichte und Kriegstheorie an der Prager Kriegsschule, Dozent für Wehrwissenschaften an der Technischen Hochschule in Prag, 14. November 1938 (gemeinsam mit vielen anderen Offizieren) in den Ruhestand versetzt, Jänner 1942 bis Mai 1945 Minister für Schulwesen und Volkserziehung in der tschechischen Protektoratsregierung, organisierte das »Kuratorium für Jugendbildung«, eine faschistische Jugendorganisation im Protektorat. Mor avec, Emanuel Pavel 3. Juni 1932 – 18. August 1944 Salzburg Sohn von Emanuel Moravec, wurde nach Salzburg in die Schule geschickt, kam bei einem Luftangriff ums Leben. Mor avec, Igor 28. Juni/August 1920 Budweis/Böhmen – 4. Mai/10. Juni 1947 Prag (hingerichtet) Sohn von Emanuel Moravec als Freiwilliger in der Waffen-SS, Anfang 1945 in sowjetischer Gefangenschaft, im Herbst 1945 Flucht in die Tschechoslowakei, Mai 1946 verhaftet, 1947 wegen Verrat und Mord angeklagt und zum Tode verurteilt. Mor avec, Jolana (Mor avcová) 1922  –   ? geborene Emmerová Hausmädchen, dritte Ehefrau von Emanuel Moravec (ab 1942), nach 1945 in ihrer Heimatstadt Michalovce in der Slowakei verschollen. Mor avec, Jurij 22. Jänner 1923 Prag – 2. Juli 1964 Gigondas/Frankreich tschechoslowakischer Maler Sohn von Emanuel Moravec, 1938 Studium an der Deutschen Kunstakademie in Prag, 1942 Eintritt in die Deutsche Wehrmacht, desertiert zu den Alliierten, kurz in polnischer Auslandsarmee, nach dem Krieg vom Außerordentlichen Volksgerichtshof in Prag zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, nach der Entlassung 1956 nach Deutschland, lebte unter dem Namen Georg Alexander Morawetz als Zeichner und Maler, 1959 Übersiedlung nach Frankreich.

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Morgan US-Unternehmerfamilie Morsey, Dr. jur. A ndreas 1. Juli 1888 Hohenbrugg a. d. Raab/Steiermark – 16. Juli 1951 Wien Beamter und Politiker Jus-Studium an den Universitäten Innsbruck und Wien, 1912 Promotion zum Dr. jur., 1912 Eintritt in den Staatsdienst im Außenministerium, 1913 Kämmerer, Hauslehrer und persönlicher Assistent von Erzherzog Franz Ferdinand, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 den Staatsdienst verlassen, Teilnahme an den Kärntner Grenzkämpfen, aktiv bei der Gründung der steirischen Heimwehr, 1921 im Burgenland-Konflikt aktiv, danach Verwalter des elterlichen Gutes, in landwirtschaftlichen Verbänden aktiv, 1923–1936 Kreisleiter der Heimwehr in Feldbach, ab 1928 Bürgermeister von Hohenbrugg, ab 1932 Präsident des steirischen Bürgermeisterverbandes, 1934–1938 Mitglied des Staatsrats, nach dem »Anschluss« 1938 verhaftet, bis 1943 im KZ Dachau und KZ Buchenwald, danach in der Privatwirtschaft tätig, 1946 wieder in den Bundesdienst aufgenommen, zunächst im Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, dann im Finanzministerium, 1951 Versetzung in den Ruhestand. Mörth, Dr. jur. K arl 9. Jänner 1873 Wien – 18. September 1938 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1899 Promotion zum Dr. jur., 1897 Eintritt in den Staatsdienst bei der Finanzprokuratur in Wien, 1901 in das Handelsministerium, 1919 Ministerialrat, 1925–1932 Leiter der Handels- und Industriepolitischen Sektion, 1926 Sektionschef, Dezember 1932 Versetzung in den Ruhestand, Juni 1933 bis 16. März 1938 weiter in der Handelspolitischen Abteilung tätig, 1937–1938 Verwaltungsrat der Donau-Save-Adria Eisenbahn Gesellschaft Wien. Mortz, Ch arles (K arl) keine Information Eigentümer der Pastetenfabrik »Gourmet« in Wien. Mosing, Dr. jur. Ernst Christian 2. Februar 1882 Hermannstadt/Siebenbürgen – 15. Juni 1959 Wien Bankdirektor Jus-Studium, 1925 Promotion zum Dr. jur., Tätigkeit bei der Finanzprokuratur, bei den Staatsbahnen und im Finanzministerium, 1919–1929 Direktor der Boden-Creditanstalt, leitender Funktionär bei vielen Konzernen der Boden-Creditanstalt, Gene-

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ralrat der Oesterreichischen Nationalbank, Kurator des Postsparkassenamtes, Mitglied der Wiener Handelskammer, Vizepräsident des Rekonstruktionsauschusses der Creditanstalt für Handel und Gewerbe, 1933–1934 Vorsitzender des Direktoriums der Niederösterreichischen Escompte-Bank, 1935–1938 Präsident der Allgemeinen Baugesellschaft A. Porr, Mitglied zahlreicher Industrie- und Bankverwaltungsräte. Moszkowicz, Dr. med. Ludwig 2. April 1873 Krakau/Galizien – 25. September 1945 Wien Arzt 1897 Promotion zum Dr. med., 1910 Primararzt des Rudolfinerhauses, 1929 Habilitation an der Universität Wien, März 1935 Pensionierung als Vertragsarzt der Arbeiterkrankenversicherung, bis 1938 in der Ambulanz tätig, April 1938 Amtsenthebung an der Universität Wien, Widerruf der Venia Legendi, nach September 1938 als »Krankenbehandler für Juden« zugelassen, während der NS-Zeit in Wien, geschützt durch eine Ehe mit einer Nichtjüdin, 1945 wieder in der Ärztekammer Wien registriert. Much-Benndorf, Cornelie 20. Februar 1880 – 9. Mai 1963 Wien Anglistin, Turnpädagogin und Gymnasialdirektorin 1903–1921 Lehrerin an privater Mädchenschule, 1907 Leiterin der »Sektion für körperliche Erziehung der weiblichen Mittelschuljugend« im Wiener Verein Lyzeum, 1915–1916 erste weibliche Mittelschulinspektorin (Fachinspektion des Turnunterrichts an Mädchenmittelschulen), ab 1919 Organisation von Fortbildungskursen für Turnlehrerinnen und Turnlehrer an der Universität Wien, 1921 als erste Frau Direktorin der Döblinger Mädchenmittelschule (heutige Billrothgymnasium), Mitglied der NSDAP, 1945 wurde sie als Direktorin abgesetzt, 1947 in den Ruhestand versetzt. Muff, Wolfgang 15. März 1880 Ulm/Württemberg – 17. Mai 1947 Bad Pyrmont/Niedersachsen deutscher Offizier 1899 Eintritt in die Armee, ab 1914 Kriegsdienst, Dezember 1916 bis März 1918 Versetzung nach Wien zur Bearbeitung der Eisenbahnangelegenheiten im gemeinsamen Kriegsgebiet, 1919 Übernahme in die Reichswehr, Oktober 1921 Leiter des Führergehilfenlehrgangs, Oktober 1931 Generalmajor, 30. September 1932 Ausscheiden aus dem Militärdienst, Privatdozent an der Universität Tübingen, 1933 Wiedereintritt in das Heer, April 1933 bis Ende Juli 1938 Militärattaché in Wien, ab August 1935 auch Luftattaché, dann im Stab des Gruppenkommandos Wien, August 1938 Generalleutnant, gliederte das Bundesheer in die Deutsche Wehrmacht ein,

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1939 Versetzung nach Hannover, Dezember 1940 General der Infanterie, Februar 1943 Versetzung in die »Führerreserve«, April 1943 endgültige Verabschiedung aus dem aktiven Dienst. Mühlmann, Dr. phil. K ajetan 26. Juni 1898 Uttendorf/Salzburg – 2. August 1958 München Kunsthistoriker und Publizist ab 1915 Kriegsdienst, ab 1922 Studium der Malerei und Kunstgeschichte, 1926 Promotion zum Dr. phil., ab 1926 bei der Organisation der Salzburger Festspiele tätig, bis 1933 Propagandaleiter der Salzburger Festspiele, Leiter der Abteilung 7 der illegalen Landesleitung der NSDAP, 1935 vorübergehend inhaftiert, 1938 Mitglied der NSDAP, SS-Sturmbannführer, 12. März bis 14. Mai 1938 Staatssekretär in der Regierung Seyß-Inquart, 24. Mai 1938 bis 20. April 1939 Staatssekretär für Inneres und kulturelle Angelegenheiten, ab 1939 in Berlin, ab Oktober 1939 in Polen »Sonderbeauftragter für den Schutz und die Sicherung von Kunstwerken in den besetzten Ostgebieten« und Leiter der Hauptabteilung Unterricht und Wissenschaft im Generalgouvernement, von Hermann Göring als Kunstsachverständiger herangezogen, 1940 Gründung der »Dienststelle Mühlmann« in Den Haag (u. a. Beschlagnahme von Kunstgütern von ins Ausland geflohenen Juden), Tätigkeit als »Kulturreferent beim Reichskommissar für die besetzten Niederländischen Gebiete«, Jänner 1942 Ernennung zum SS-Oberführer, Ende 1944 Übersiedlung der »Dienststelle Mühlmann« nach Wien, im Juni 1945 von US-Truppen festgenommen, Internierung im Lager Glasenbach, Zeuge im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher), Zeuge im Hochverratsprozess gegen Guido Schmidt, 1948 Flucht nach Deutschland, lebte am Starnberger See. Müller, Dr. med. Josef 13. August 1875 Reichenberg/Böhmen – 14. Juni 1962 Wien Arzt und Beamter Studium an der Universität Prag, 1901 Promotion Dr. med., 1910 Eintritt in den staatlichen Sanitätsdienst bei der Statthalterei Graz, 1914–1918 Kriegsdienst (Marinearzt), August 1918–1923 im Volksgesundheitsamt, 1923–1938 im Sozialministerium, 1934–1938 Leiter des Volksgesundheitsamtes, 1936 Sektionschef, 31. Oktober 1938 Versetzung in den Ruhestand, Jänner 1946 reaktiviert und pensioniert. Müller, Ehefr au keine Information Ehefrau von Josef Müller.

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Müller, Josef 1917  –   ? Sohn von Dr. Josef Müller. am 2. September 1938 mit drei Freunden von der Gestapo in der Wohnung der Eltern verhaftet, am 24. September 1938 aus der Haft entlassen. Müller, K arl 1889 – 1964 deutscher Verwaltungsjurist 1933 Mitglied der NSDAP, 1940–1945 stellvertretender (jedoch faktischer) Regierungspräsident in Karlsbad, 1. Juni 1945 in Prag verhaftet, lebte dann in Mannheim. Müller, László von Szentgyörgy 18. Oktober 1855 Pest – 14. März 1941 Budapest Diplomat Jus-Studium an den Universitäten Pest und Wien, Studien am Institut für Orientalistik, 1879 Eintritt in den Staatsdienst im Außenministerium in Wien, 1881 an der Botschaft in Istanbul, diplomatische Tätigkeiten im Griechisch-Türkischen Krieg 1897, in den ungarischen Adelsstand erhoben, ao. Gesandter im Türkischen Reich, 1900–1904 Generalkonsul in Sofia, ab 1904 Zweiter Sektionschef in Wien, Leiter der Abteilung für Ostangelegenheiten im Außenministerium, 1909 Erster Sektionschef, 1910 in den Rang eines Freiherrn erhoben, 1910 Botschafter in Istanbul, März 1912 bis August 1914 Botschafter in Tokio, mit Kriegsausbruch im Außenministerium, Jänner bis Juni 1917 Erster Sektionschef, Mitglied der Delegation bei den Friedensverhandlungen in St. Germain, nach seiner Versetzung in den Ruhestand lebte er in Wien und Budapest. Müller-M artini, K arl Ot to 13. Mai 1870 Innsbruck – 20. Juni 1942 Wien Beamter und Verkehrsfachmann 1896 Eintritt in den Staatsdienst im Eisenbahnministerium, nach 1918 Leitung für zwischenstaatliche Angelegenheiten des Verkehrsressorts, Ministerialrat, 1919 Experte für die internationalen Verhandlungen zur Eisenbahn und Binnenschiffahrt bei den Staatsvertragsverhandlungen in St. Germain, ab 1920 im Eisenbahnministerium, 1924 in den Ruhestand versetzt, Verwaltungsrat der Donau-Save-Adria Eisenbahngesellschaft. Multscher, H ans um 1400 Leutkirch/Allgäu – 1467 Ulm deutscher Bildhauer und Maler

Biografien

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bekannt für seine Altarbauten. Munk, K aj (eigentlich K aj H ar ald Leiningersen) 13. Jänner 1898 Maribo/Lolland – 4. Jänner 1944 Hørbylunde/Silkeborg (ermordet) dänischer Pastor und Schriftsteller am 4. Jänner 1944 von einem SS-Kommando ermordet, Märtyrer der dänischen Widerstandsbewegung. Mussolini, Benito 29. Juli 1883 Dovia di Predappio/Forli – 28. April 1945 Giulino di Mezzegra/Como (hingerichtet) italienischer Ministerpräsident und »Duce« ab 1901 Volksschullehrer, 1902 sozialistischer Journalist, 1914 aus der Sozialistischen Partei ausgeschlossen, 1915–1918 Kriegsdienst, 1919 Gründer der »Faschistischen Partei«, 1922 mit seinen Anhängern Marsch auf Rom, 30. Oktober 1922 bis 25. Juli 1943 Ministerpräsident, als »Duce del Fascismo« (»Führer des Faschismus«) und ab 1925 »Capo del Governo« (»Chef der Regierung«) als Diktator an der Spitze des faschistischen Regimes, 1938 Marschall, 10. Juni 1940 Kriegseintritt an der Seite Hitlers, 1943 von König Victor Emanuel III. abgesetzt und verhaftet, von deutschen Truppen befreit (12. September 1943), errichtete im norditalienischen Salò die »Repubblica Sociale Italiana«, 1945 auf der Flucht von Partisanen gefangen genommen und erschossen. Müthel, Loth ar (eigentlich Loth ar M a x Lütcke) 18. Februar 1896 Berlin – 4. September 1964 Frankfurt am Main deutscher Bühnenschauspieler und Regisseur Ausbildung an der Max-Reinhardt-Schule für Schauspiel in Berlin, Schauspieltätigkeit, in den 1930er-Jahren als Regisseur tätig, Mai 1933 Mitglied der NSDAP, Mitglied des Präsidialrats der Reichstheaterkammer, 1. Mai 1939 bis 30. April 1945 Direktor des Wiener Burgtheaters, rezitierte in SA-Uniform auf SA-Veranstaltungen, 1951–1956 Schauspieldirektor in Frankfurt am Main, 1955–1958 Regisseur am Theater in der Josefstadt in Wien. Nagy de Nagybaczon, Vilmos 30. Mai 1884 Parajd/Siebenbürgen – 21. Juni 1976 Budapest ungarischer Offizier, Militärtheoretiker und Historiker Budapester Militärakademie und Kriegsschule Wien, 1914–1918 Kriegsdienst (bei Einheiten und im Kriegsministerium), 1919 im Generalstab der ungarischen Armee, 1931–1933 Adjutant des Oberbefehlshabers der Armee, 1935–1936 Generalquartiermeister im Verteidigungsministerium, 1938–1939 Kommandeur eines Armeekorps,

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1939–1940 Generalinspekteur der Infanterie, 1940–1941 in Ruhestand versetzt, wieder aktiviert als Kommandeur der 1. Armee, 24. September 1942 bis 12. Juni 1943 Kriegsminister, nach dem Regierungsantritt der Szálasi-Regierung inhaftiert, November 1944 nach Bayern transportiert, 1946 Rückkehr nach Ungarn, 1948 wurde sein Vermögen konfisziert, Verlust der Pension, arbeitete als Gärtner und Hausmeister, in den 1950er-Jahren durch Intervention des rumänischen Präsidenten (ehemaliger Klassenkamerad) wieder Pension erhalten, 1965 als erster Ungar vom Yad Vashem Institut zum »Gerechten unter den Völkern« ernannt. Napoleon siehe Bonaparte. Nebe, A rthur 13. November 1894 Berlin – 4. März 1945 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Beamter 1914–1918 Kriegsdienst, 1920 Kriminalbeamter, 1931 im Rauschgiftdezernat Berlin, 1931 förderndes Mitglied der SS, der NSDAP und der SA, April 1933 Kriminalrat im Geheimen Staatspolizeiamt, 1936 Mitglied der SS (1941 Gruppenführer), 1937 Chef des Reichskriminalpolizeiamtes des Amtes V im Reichssicherheitshauptamt, führend beteiligt an Massenmorden (Juden, Roma und Kranke), u. a. in Minsk, Flucht nach dem Attentat am 20. Juli 1944 auf Hitler, da er sich als Informant zu Widerstandskreisen verraten fühlte. Nedić, Milan 2. September 1878 Grocka/Belgrad – 4. Februar 1946 Belgrad (Suizid oder hingerichtet) serbischer Offizier und Politiker seit 1908 im Generalstab, 1914–1918 Kriegsdienst, 1918 Kommandeur der »Timok-Brigade«, danach Professor für Strategie an der Militärakademie, Stabsleiter von Armee-Einheiten, Befehlshaber der »Drava-Division«, 1923 Divisionsgeneral, 1930 kommandierender General, 1934–1935 Generalstabschef der jugoslawischen Armee, August 1939 bis November 1940 Armee- und Marineminister, Hausarrest, April 1941 Oberbefehlshaber einer Heeresgruppe, August 1941 bis Oktober 1944 Chef der serbischen Regierung unter deutscher Militärverwaltung mit dem Titel »Ministerpräsident« (»Regierung der nationalen Rettung«), Oktober 1944 verließ er mit den deutschen Truppen das Land, Flucht nach Kitzbühel, September 1945 von den Briten an Jugoslawien ausgeliefert, zum Tode verurteilt, die Todesumstände sind unklar.

Biografien

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Neef, Hermann 2. September 1904 Templin – 18. November 1950 Berlin deutscher Beamter und NS-Funktionär 1922–1928 Beamter beim Zoll, Mitglied der NSDAP, 1923 Mitglied der SA (Brigadeführer), 1929–1931 Stadtverordneter in Frankfurt am Main, 1931 in der Reichsleitung der NSDAP Propaganda- und Organisationsleiter (1934 Regierungsrat), 1931–1933 Hauptschriftleiter der »Nationalsozialistischen Beamtenzeitung«, April 1933 stellvertretender Reichskommissar für Beamtenorganisationen, Juni 1933 Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes, Juli 1933 Leiter der Beamtenabteilung der NSDAP, Oktober 1933 gründete er den Reichsbund der deutschen Beamten, Oktober 1933 bis 1945 Reichsbeamtenführer und Herausgeber der Zeitung »Das Dritte Reich«, zahlreiche weitere Funktionen in Beamtenorganisationen, 1933–1945 Mitglied des Reichstags, 1934–1945 Leiter des Hauptamts für Beamte der NSDAP, verfasste zahlreiche Publikationen, nach 1945 lebte er als Regierungsrat außer Dienst in Berlin. Neubacher, Dipl.-Ing. Dr. jur. Hermann 24. Juni 1893 Wels/OÖ –1. Juli 1960 Wien Wirtschaftsfachmann und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Studienabschluss an der Hochschule für Bodenkultur, ab 1920 in der Holzindustrie tätig, Mitglied des »Österreichisch-Deutschen Volksbundes«, Generaldirektor der GESIBA (kommunale Wohnbauten in Wien), 1933 Mitglied der illegalen NSDAP, 1934 zeitweilig Parteiführer, 1935 verhaftet, 1936 amnestiert, 1936 in die Zentralverwaltung der IG Farben berufen, 13. März 1938 bis 14. Dezember 1940 Bürgermeister von Wien, ab 1940 Gesandter des Auswärtigen Amtes in Bukarest und Athen, 1943–1945 »Sonderbevollmächtigter des Auswärtigen Amtes für den Südosten«, ab 1943 auch Bevollmächtigter beim Militärbefehlshaber in Serbien, Mai 1945 von den Amerikanern verhaftet, im Juni 1946 an Belgrad ausgeliefert, Mai 1951 zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, 1952 amnestiert, danach Tätigkeit als Bauunternehmer in Salzburg, 1954–1956 mit dem Ausbau der Verwaltung Äthiopiens betraut, danach wieder Tätigkeit in Österreich. Neumayer, Dr. jur. Rudolf 18. Mai 1887 Wien – 25. August 1977 Wien Beamter, Finanzfachmann und Politiker Jus-Studium, 1911 Promotion zum Dr. jur., November 1912 Eintritt in den Dienst der Gemeinde Wien, 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1919 in der Magistratsabteilung für Finanzangelegenheiten, ab Oktober 1924 Leiter der Magistratsabteilung, Oktober 1934 Leiter der Verwaltungsgruppe II (Finanzangelegenheiten), 1934–1936 Mitglied des Länderrats, Juni 1935 Obersenatsrat, November 1936 bis 24. Mai 1938 Bundesminister für Finanzen, ab 1. Juni 1938 Direktor der Wiener Städtischen Ver-

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sicherung, Jänner 1941 Austritt aus dem Beamtenverhältnis auf eigenes Ansuchen, 1943 Leiter der Hauptstelle für Wirtschaftstreuhandwesen, 1943 wurde sein Antrag um Aufnahme in die NSDAP abgelehnt, ab Jänner 1944 Sonderbeauftragter für Versicherungswesen in der Operationszone »Adriatisches Küstenland«, 1945 wurde das Dienstverhältnis mit der Städtischen Versicherung gelöst, September 1945 Voruntersuchungen gegen ihn, 1946 in einem Hochverratsverfahren zu lebenslänglichem Kerker verurteilt, 1947 Wiederaufnahme des Verfahrens, 1949 Entlassung wegen Haftunfähigkeit, Ende 1951 Amnestierung, 1953 entschied der Oberste Gerichtshof gegen eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Neur ath, Konstantin von 2. Februar 1873 Kleinglattbach/Württemberg – 14. August 1956 Enzweihingen/Baden-Württemberg deutscher Diplomat und Politiker 1893–1896 Jus-Studium, 1901 II. Staatsprüfung, 1901–1903 Assessor im Auswärtigen Amt, 1903–1908 Vizekonsul in London, 1909–1914 im Auswärtigen Amt, 1914–1916 Botschaftsrat in Konstantinopel, 1914–1915 Kriegsdienst, 1917–1918 Kabinettschef des Königs von Württemberg, 1919–1921 Gesandter in Kopenhagen, 1921–1930 in Rom, 1930–1932 in London, Juni bis November 1932 und Dezember 1932 bis 5. Februar 1938 Außenminister, Februar 1938 bis 30. April 1945 Minister ohne Geschäftsbereich, 1939 Mitglied des Reichsverteidigungsrats, März 1939 bis September 1941 Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, auf Druck Hitlers in »Krankheitsurlaub«, (förmlich entbunden erst im August 1943), Juni 1943 SSObergruppenführer, 1945–1946 von den Alliieren inhaftiert, 1946 Verurteilung zu 15 Jahren Haft im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher), 1954 Entlassung aus gesundheitlichen Gründen aufgrund der Intervention des Vatikans. Nickl-Oppavár, A lfréd Vilmos 25. Juni 1884 Budapest – 1963 ungarischer Diplomat 1921–1926 Legationsrat an der ungarischen Gesandtschaft in Wien, danach Vertreter der Regierung beim »Comité des Biens Cédés« in Paris, 1928 Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung im Außenministerium, ab 1936 Vorsitzender der Außenhandelskommission, bis 1944 im diplomatischen Dienst, 1947 Emigration, Mitglied des »Magyar Nemzeti Bizottmány« (»Hungarian National Council) in den USA, ab 1950 dessen diplomatischer Vertreter in der Schweiz. Nietzsche, Friedrich 15. Oktober 1844 Röcken – 25. August 1900 Weimar deutscher Philosoph

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nach seinem Studium 1869–1879 Professor für klassische Philologie an der Universität Basel, zahlreiche Reisen, vor allem in Italien und der Schweiz, ab 1889 psychische Störungen, die ihn arbeitsunfähig machten. Nölle, Fritz 1895  –   ? NS-Funktionär Mitglied der NSDAP, leitete seit ca. 1937 das Wiener Büro der Firma Henschel & Sohn, die 1939 die Wiener Lokomotivfabrik übernahm, 1943–1945 Kaufmännischer Direktor (»Betriebsführer«) der Lokomotivfabrik (Nachfolger von Arno Demmer), Vorstand der Henschel & Sohn GmbH. Nyga ar dsvold, Joh an 6. September 1879 Hommelvik – 13. März 1952 Trondheim norwegischer Politiker 1916–1949 Abgeordneter des Storting, ab 1923 Führer der norwegischen Arbeiterpartei, 1928 und 1934/1935 Präsident des Storting, März 1935 bis April 1945 Ministerpräsident, nach der deutschen Besetzung am 9. April 1940 floh die Regierung im Mai 1940 nach Großbritannien und bildete eine Exilregierung, Jänner 1945 Rückkehr. Olbricht, Friedrich 4. Oktober 1888 Leisnig/Sachsen – 21. Juli 1944 Berlin (erschossen) deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in die Reichswehr, ab 1926 im Reichswehrministerium (Abteilung Fremde Heere), ab 1932 Bataillonskommandeur in Dresden, 1933 Stabschef einer Division in Dresden, 1935 Stabschef eines Armeekorps, November 1938 Führung einer Infanterie-Division, Kontakte zu Widerstandskreisen, bei der Besetzung der Tschechoslowakei und dem Überfall auf Polen Divisionskommandeur, Februar 1940 Leiter des Allgemeinen Heeresamtes im Oberkommando des Heeres, General der Infanterie, Beteiligung am Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944, standrechtlich erschossen. Oppenheimer, Dr. jur. Felix 20. Februar 1874 Wien – 15. November 1938 Wien (Suizid) Kunstmäzen 1892–1898 Jus-Studium, 1898 Promotion zum Dr. jur., bis 1900 Reisen, konvertierte zum Katholizismus, 1901–1904 im Handelsministerium, danach Privatier, 1904– 1924 Herausgeber und Redakteur der »Österreichischen Rundschau«, 1914–1918 Kriegsdienst, Kunstmäzen, Organisator großer Ausstellungen.

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Or azi, Vezio 1. November 1904 Rom – 26. Mai 1942 Zara/Dalmatien (erschossen) italienischer Beamter Oktober 1941 bis Mai 1942 Präfekt des Regierungsbezirkes von Zadar (Provinz Italiens), am 26. Mai 1942 bei einer Kontrollfahrt mit seinem Begleiter von Partisanen erschossen. Ornstein keine Information. Orsenigo, Dr. theol. Cesare 3. Dezember 1873 Villa San Carlo/Valgreghentino – 1. April 1946 Eichstätt/Bayern italienischer Priester 1896 Priesterweihe, 1912 Domkapitular in Mailand, ab 1922 im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls, 1922 Bischof, bis 1925 in Den Haag, 1925 Nuntius in Budapest, ab 1930 bis 1945 Apostolischer Nuntius in Berlin. Orsini-Rosenberg, Dr. jur. Felix 9. August 1886 Theresienstadt/Böhmen – 22. Juli 1961 Damtschach/Kärnten Diplomat Jus-Studium, Promotion zum Dr. jur., 1914–1918 Kriegsdienst, 1910 in den Staatsdienst bei der Steiermärkischen Statthalterei, 1913 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1918 an der Gesandtschaft in Sofia, 1918–1919 in Bukarest, Juli 1919 bis Oktober 1931 in Prag, Oktober 1931 bis April 1935 Leiter des Generalkonsulats in Laibach, April 1935 bis Juli 1936 ständiger Geschäftsträger in Den Haag, Juli 1936 ao. Gesandter und bev. Minister, Leiter des Kabinetts von Staatssekretär Guido Schmidt, September 1937 bis März 1938 ao. Gesandter und bev. Minister in Kairo, ab März 1938 ohne Verwendung, ab März 1941 im Wartestand, Bewirtschaftung seiner Land- und Forstwirtschaftsbetriebe in Kärnten, September 1946 Eintritt in das Bundeskanzleramt/ Auswärtige Angelegenheiten, Jänner bis Februar 1947 ao. Gesandter und bev. Minister in besonderer Verwendung in London, Mai 1947 bis Juni 1950 ao. Gesandter und bev. Minister in Sofia, August 1950 bis Dezember 1952 in Brüssel. Oser keine Information Jüdin aus dem Hause Oser. Ōshima, Hiroshi 19. April 1886 Präfektur Gifu/Japan – 6. Juni 1975 Tokio japanischer Offizier und Diplomat

Biografien

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1906 an der Militärakademie, 1915 an der Kriegsschule, General der Kaiserlich Japanischen Armee, 1923 und 1924 Militärattaché in Budapest und Wien, 1934 Militärattaché in Berlin 29. Oktober 1938 bis Oktober 1939 und wieder ab Februar 1941 Botschafter in Berlin, in den Tokioter Prozessen (1946–1948) zu lebenslanger Haft verurteilt, 1955 entlassen. Osusk ý, Dr. jur. Štefan 31. März 1889 Brezová pod Bradlom/Slowakei – 27. September 1973 Herndon/Virginia/USA tschechoslowakischer Diplomat ab 1906 in den USA, Studium der Theologie, Naturwissenschaften und Rechtswissenschaften, 1916 Promotion zum Dr. jur., in den USA, Paris und Genf politisch aktiv für einen tschechoslowakischen Staat mit einer autonomen Slowakei, im Ersten Weltkrieg in der Bewegung Masaryks aktiv, 1919 Sekretär der tschechoslowakischen Delegation auf der Pariser Friedenskonferenz, danach bis 1939 Botschafter in Paris, Emigration nach London, Minister des Exilkabinetts, März 1942 entlassen, in die USA, Dozent für die Geschichte der Diplomatie und internationale Beziehungen, ab 1945 Professor, ab 1948 Mitglied des Rats der Freien Tschechoslowakei. Oet tingen-Spielberg, Sophie 17. Mai 1857 Dresden – 11. Jänner 1941 Wien geborene von Metternich-Winneburg Ehefrau von Franz Albrecht Fürst zu Oettingen-Oettingen (1878), aktiv in der katholischen Frauenbewegung. Pa asikivi, Juho Kusti (schwedischer Name bis 1885 Joh an Gustaf Hellsten) 27. November 1870 Koski Hl (Hämeenkoski) – 14. Dezember 1956 Helsinki finnischer Diplomat und Politiker Jurist, ab 1918 in der Politik aktiv, 1936–1939 Gesandter in Stockholm, 1940–1941 Botschafter in Moskau, Herbst 1939 und Frühjahr 1944 mit den Waffenstillstandsverhandlungen betraut, November 1944 bis März 1946 Ministerpräsident und stellvertretender Staatspräsident, März 1946 bis Februar 1956 Staatspräsident. Pacelli siehe Pius XII. Pacher-Theinburg, Dr. jur. Heinrich 12. Juli 1883 Wien – 28. Oktober 1960 Salzburg

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Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1908 Promotion zum Dr. jur., 1908 Eintritt in den Staatsdienst bei der Statthalterei Wien, 1910 in das Außenministerium, 1912 bei der Gesandtschaft in Den Haag, 1913 bis Jänner 1914 in Rom, 1914–1925 im Außenministerium (März/April 1917 in Warschau), Mai 1925 zur Gesandtschaft in Berlin, September 1930 bis März 1938 ao. Gesandter und bev. Minister in Moskau, Oktober 1938 in das deutsche Auswärtige Amt (Politische Abteilung, Referat V/Osteuropa), Jänner 1939 Überleitung in den Reichsdienst, Vortragender Legationsrat, 1939 Mitglied der NSDAP, 1940 Kulturpolitische Abteilung (Referat A/Lage der deutschen Volksgruppen im Ausland und der Minderheiten im Reich), Jänner 1941 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, kommissarische Beschäftigung in der Personal- und Verwaltungsabteilung, August 1943 Beurlaubung, Jänner 1944 Versetzung in den Wartestand, Mai bis Dezember 1944 der Kontrollstelle für den amtlichen Schriftverkehr zugeteilt, Dezember 1944 Beendigung der kommissarischen Beschäftigung, 1945 nicht zum Dienst gemeldet wegen »Zugehörigkeit zur NSDAP«, 31. Juli 1947 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Pacher-Theinburg, M argareth a 6. Oktober 1887 Wien – 11. August 1969 Gutenstein/NÖ geborene Margaretha Freiin Schwäger von Hohenbruck Ehefrau von Johann von Schmedes (1879–1914), von Heinrich Pacher-Theinburg (1917). Palairet, Mich ael 29. September 1882 Gloucestershire – 5. August 1956 Minehead britischer Diplomat ab 1905 im diplomatischen Dienst, 1906 in Rom, 1908 in Wien, 1913 in Paris, 1917 in Athen, 1919 bei der Friedenskonferenz in Paris, kurz im Auswärtigen Amt, 1920 in Paris, 1922 in Tokio, 1925–1926 in Peking, 1926–1928 im Auswärtigen Amt, 1928 in Rom, Dezember 1929–1935 Gesandter in Rumänien, 1935–1937 in Schweden, Dezember 1937 bis März 1938 in Wien, September bis Dezember 1938 Leiter in Bukarest, Juni 1939 bis 1941 in Athen, danach mit der griechischen Exilregierung nach Kreta und im Mai 1941 nach Kairo, 1942 Botschafter, April 1943 in den Ruhestand, bis Juli 1948 als Unterstaatssekretär weiter im Auswärtigen Amt tätig (Angelegenheiten der Kriegsgefangenen). Papen, Fr anz von 29. Oktober 1879 Werl/Westfalen – 2. Mai 1969 Obersasbach/Baden deutscher Diplomat und Politiker

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1913–1915 Militärattaché in den USA und Mexiko, dann als Major in der Türkei tätig, Stabschef einer Armeegruppe in Palästina, 1931–1932 Mitglied des Preußischen Landtags (»Zentrumspartei«), Vorsitzender des Aufsichtsrats der Zeitung »Germania«, Juni bis November 1932 Reichskanzler, Jänner 1933 bis Juli 1934 Vizekanzler im Kabinett Hitler, 1933–1945 Mitglied des Reichstags, 28. Juli 1934 bis 4. Februar 1938 Gesandter in Österreich, Juli 1936 Ernennung zum Botschafter in besonderer Mission für seine Verdienste um das Zustandekommen des Verständigungsabkommens zwischen Österreich und dem Deutschen Reich vom 11. Juli 1936, April 1939 bis August 1944 Botschafter in der Türkei, 1946 im Nürnberger Prozess freigesprochen, 1947 in einem deutschen Spruchkammerverfahren als Hauptschuldiger eingestuft, zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt, 1949 entlassen. Papen, M arth a von 28. Dezember 1880 Mettlach – 18. Februar 1961 Obersasbach geborene von Boch-Galhau aus der Industriellenfamilie Boch-Galhau (Inhaber der Keramikfabrik Villeroy & Boch), Ehefrau von Franz von Papen (1905). Pareschi, Carlo 19. August 1898 Poggio Renatico/Ferrara – 11. Jänner 1944 Verona (hingerichtet) italienischer Politiker 1917–1918 Kriegsdienst, bekannter Agronom, nach dem Krieg aktiv in der faschistischen Bewegung, 1928–1932 Generalsekretär des Faschistischen Bauernbundes, 1941 als Freiwilliger im Frontdienst in Nordafrika, Dezember 1941 bis Juli 1943 Land- und Forstwirtschaftsminister, als Mitglied des Großen Faschistischen Rats (seit 1933) stimmte er am 25. Juli 1943 gegen Mussolini, blieb in Rom, Oktober 1943 von Truppen der neu gegründeten italienischen Repubblica Sociale Italiana verhaftet, im Jänner 1944 im Prozess von Verona von einem Sondergericht wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Parmentier, A ndré 11. März 1896 Lille – 8. April 1991 Boulogne-Billancourt französischer Politiker Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg, Rechtsanwalt in Dünkirchen, 1932–1942 Abgeordneter des Departements du Nord, führender Angehöriger der Rechtsfraktion »Fédération républicaine«, 1939 Freiwilliger im Heer, Mai 1940 in Gefangenschaft geraten, nach Rückkehr aus Deutschland Hinwendung zum neuen Regime, November 1941 bis August 1942 Präfekt der Vogesen, August 1942 bis Jänner 1943 Präfekt von Seine-Maritime, als Präfekt von Rouen im Jänner 1943 auf Ersuchen der deutschen Behörden Verhaftung der Juden des Departements, 1943 von Laval zum

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Generaldirektor der Nationalpolizei ernannt, in dieser Funktion agiert er gegen die Kollaborationsanweisungen der Gestapo, nach 1945 Verurteilung wegen Kollaboration, doch sofort wegen Widerstandsaktivitäten entlassen. Parsch, Dr. theol. Pius 18. Mai 1884 Olmütz/Mähren – 11. März 1954 Klosterneuburg/NÖ Priester 1904 Eintritt in das Stift Klosterneuburg, 1909 Priesterweihe, Promotion zum Dr. theol., Seelsorger, Lehrer für Pastoraltheologie an der theologischen Lehranstalt des Stiftes, 1915–1918 Feldgeistlicher, 1928 Gründung eines Verlages für die Herausgabe von Texten für die heilige Messe und von volksliturgischen Schriften, propagierte Liturgie und Bet-Singmessen in deutscher Sprache, Herausgeber der »Kirchenanschlagszeitung«, ab 1926 Herausgeber der Zeitschrift »Bibel und Liturgie«, ab 1928 der Zeitschrift »Lebe mit der Kirche«, bis zum Verbot durch Kardinal Innitzer im September 1933 Mitglied der »Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden« (für Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialismus), 1941 Aufhebung des Stifts Klosterneuburg, 1941–1946 Pfarrer in Wien-Floridsdorf, 1946 wieder im Stift Klosterneuburg tätig. Paul (Pavle) K ar ađorđević 27. April 1893 St. Petersburg – 14. September 1976 Paris Prinzregent 1934–1941 Prinzregent von Jugoslawien für den noch minderjährigen König Peter II., 27. März 1941 nach einem Staatsstreich in Belgrad (Peter II. wurde für volljährig erklärt) endete seine Funktion, nach Einmarsch der Achsenmächte im April 1941 Flucht ins Exil, bis 1945 unter britischem Hausarrest. Paul-Boncour, Joseph 4. August 1873 Saint-Aignan/Département Loir-et-Cher – 28. März 1972 Paris französischer Politiker 1909–1930 sozialistischer Abgeordneter, März bis Juni 1911 Minister für Arbeit und soziale Fürsorge, ab 1920 Vertreter Frankreichs im Völkerbund, Dezember 1932 bis Jänner 1933 Ministerpräsident, 1932 und 1934 Verteidigungsminister, 1932–1934 und 1938 Außenminister, 1936 Staatsminister, 1940 widersprach er als einer von 80 Abgeordneten der Übertragung weitgehender Machtbefugnisse an Marschall Pétain, 1945–1948 Vertreter Frankreichs in San Francisco und London, 1948 an der Formulierung der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« beteiligt. Paulitsch, Mich ael 25. September 1874 Riedling/Kärnten – 21. Dezember 1948 Klagenfurt

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Priester und Politiker (ChP) 1898 Priesterweihe, Studium der Theologie, Journalist in Wien, Graz und Deutschland, 1911 Chefredakteur des »Kärntner Tagblattes«, 1918–1921 Mitglied und Vizepräsident der vorläufigen Kärntner Landesversammlung, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, 1920–1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1931 Obmann der Christlichsozialen Partei Kärntens, 12. März 1938 bis August 1940 inhaftiert, danach »Gauverbot« und Versetzung nach Altötting in Bayern, ab 1945 wieder in Klagenfurt. Paulus, Friedrich 23. September 1890 Breitenau/Melsungen/Hessen – 1. Februar 1957 DresdenOberloschwitz deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst (u. a. Generalstabsoffizier), 1919 Übernahme in die Reichswehr, 1918–1931 verschiedene Stabs- und Truppenkommandos, 1934 Kommando der Kraftfahrabteilung, September 1940 bis Jänner 1942 Oberquartiermeister I im Generalstab des Heeres, dann Oberbefehlshaber der 6. Armee, Kapitulation in Stalingrad am 31. Jänner 1943, verweigerte den von Hitler geforderten Suizid, 1943– 1953 sowjetische Kriegsgefangenschaft, Zusammenarbeit mit dem »Nationalkomitee Freies Deutschland«, lebte danach in der DDR. Pavelić, Dr. jur. A nte (Pawelitsch) 14. Juli 1889 Bradina/Bosnien-Herzegowina – 28. Dezember 1959 Madrid Rechtsanwalt und kroatischer Politiker Rechtsanwalt, Parteisekretär der »Staatsrechtspartei«, 1927 Abgeordneter, 1928 Gründer der kroatischen Unabhängigkeitsbewegung »Ustascha«, 1929 Emigration nach Italien, von Mussolini unterstützt, organisierte er Widerstandsgruppen gegen die großserbische Politik König Alexanders I., April 1941 bis Mai 1945 Staatschef (Poglavnik) und Ministerpräsident des »Unabhängigen Staates Kroatien«, auch Außenminister, schuf in dem diktatorischen Regime KZ für politische Gegner, Auslieferung der Juden an die SS, 1945 Flucht über Österreich nach Italien, 1948 nach Argentinien, in Abwesenheit zum Tode verurteilt, in Argentinien organisierte er eine neue Ustascha, April 1957 durch Attentat schwer verletzt, ab 1957 in Spanien. Pavelić, M aria 3. März 1897 Zagreb – 16. November 1984 Madrid geborene Lovrenčević Ehefrau von Ante Pavelić. Hatte eine in Wien geborene Jüdin als Mutter, Ivana, geborene Herzfeld (1859– 1942).

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Pavolini, Dr. jur. A lessandro 27. September 1903 Florenz – 28. April 1945 Dongo/Lombardei (erschossen) italienischer faschistischer Politiker, Journalist und Schriftsteller Jurist, Parteisekretär von Florenz, 1922 Teilnahme am Marsch auf Rom, 1929 Mitglied des nationalen Direktoriums der Partei, 1936 Teilnahme am Feldzug in Abessinien/Äthiopien, Dezember 1939 bis Februar 1943 Minister für Volkskultur und Unterricht, Präsident der Konföderation der geistigen und künstlerischen Berufe, 1943–1945 Generalsekretär der »Republikanischen Faschistischen Partei«, der Nachfolgepartei der »Nationalen Faschistischen Partei« und Staatspartei der »Italienischen Sozialrepublik«, Ende April 1945 am Comer See von Partisanen verhaftet und erschossen. Pawel-R ammingen, Dr. jur. M anfred (Reichsfreiherr) 9. März 1881 Wien – 26. März 1963 Hunderdorf/Bayern (Bestattungsdatum) Offizier und Diplomat Kavallerieoffizier, als Major a. D. zur deutschen Luftwaffe einberufen, kurz 2. Luftattaché in Bukarest, November 1939 bis April 1945 Jagdinspektor für das Wiener Gebiet, April 1945 aus Wien nach Hunderdorf in Bayern evakuiert. Pawlikowski, Fer dinand 28. April 1877 Wien – 31. Juli 1956 Graz Priester 1903 Priesterweihe, Tätigkeit in der Erzdiözese Salzburg, theologische Studien in Rom, 1907 Promotion, 1908 Militärseelsorger, im Ersten Weltkrieg Begleiter des Feldvikars auf dessen Reisen, 1920 Heerespropst, 1924 Militärvikar des Bundesheeres, 1926 Gründer einer marianischen Soldatenkongregation (später »Katholischer deutscher Reichs-Soldatenbund«, 1938 aufgelöst), März 1927 in Wien zum Bischof geweiht, Mai 1927 bis 1954 Fürstbischof der Diözese Seckau mit Sitz in Graz, weiterhin Militärvikar, 12. März 1938 von der SA unter Hausarrest gestellt und wenige Tage später als einziger Bischof in Österreich kurz inhaftiert, nach 1945 Organisation von Hilfsmaßnahmen. Pawlowski, Jerth a Georgine 24. Juni 1897 Klagenfurt – 20. Februar 1975 geborene Rainer zu Harbach Witwe von Johann Adam Seutter-Loetzen, Ehefrau von Wladimir Pawlowski. Pawlowski, Wla dimir 29. August 1891 Spittal an der Drau – 7. Jänner 1961 Klagenfurt Beamter und NS-Funktionär

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Jus-Studium an der Universität Innsbruck, 1914/1915 Kriegsdienst, 1915–1918 Kriegsgefangenschaft in Sibirien, 1919–1935 Jurist im Präsidium der Kärntner Landesregierung, 1933 Landesregierungsrat, 1933 Mitglied der NSDAP, 1935 aus politischen Gründen vom Dienst suspendiert, in den zeitlichen Ruhestand versetzt, Juli 1936 Mitglied der SS (1939–1943 Standartenführer), Juli 1936 Pensionsverlust, 1. März 1938 Wiedereinstellung als Landesregierungsrat, 11. März 1938 kommissarischer Landeshauptmann von Kärnten, August 1938 Sektionschef beim Reichsstatthalter in Kärnten (Oktober 1939 Ministerialdirigent), August 1939 Regierungspräsident, Mai 1940 Gauhauptmann, 1943 auf eigenen Wunsch aus der SS entlassen, Mai 1945 von Briten verhaftet, 1948 in einem Volksgerichtshofprozess in Graz zu fünf Jahren Kerker verurteilt. Pejacevic keine Information. Pernter, Dr. phil. H ans 3. Oktober 1887 Wien – 25. Juli 1951 Bad Ischl/OÖ Politiker (ChP/ÖVP) Studium Physik und Geografie an der Universität Wien, 1911 Promotion zum Dr. phil., 1911 Eintritt in den wissenschaftlichen Dienst (Hochschulassistent), 1914– 1918 Kriegsdienst, 1920–1922 im Handelsministerium, 1922 im Unterrichtsministerium, ab 1. Februar 1923 Leiter der Präsidialabteilung, 1932–1938 Verwaltungsrat der Österreichischen Radioverkehrs AG, 1932 Sektionschef, ab Jänner 1933 Leiter der Bundestheater und Vorstand der Kunstsektion, Juli 1934 bis Mai 1936 Staatssekretär im Unterrichtsministerium, Mai 1936 bis März 1938 Bundesminister für Unterricht, 15. März 1938 Hausdurchsuchung und Haft, anschließend im Hausarrest, 24. Mai 1938 ins KZ Dachau, danach in den Lagern Flossenbürg und Mauthausen, Oktober 1940 freigelassen, ab April 1943 in einer Steuerberatungskanzlei tätig, aktiv in der Widerstandsbewegung O5, 20. Juli 1944 bis 21. Jänner 1945 erneute Internierung im KZ Mauthausen, danach im Polizeigefängnis Elisabethpromenade und im Landesgericht Wien I, durch Krankheit keine Verhandlung vor dem Volksgerichtshof, 6. April 1945 Entlassung, 15. Mai 1945 Wiedereintritt in den Staatsdienst im Bundeskanzleramt, 1945 Mitbegründer der ÖVP, Dezember 1945 bis November 1949 Abgeordneter zum Nationalrat. Pernter, Isabella 18. April 1892 Linz – 12. Jänner 1976 Wien geborene Ebenhoch Ehefrau von Hans Pernter (1914).

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Pétain, Philippe 24. April 1856 Cauchy-á-la-Tour – 23. Juli 1951 Port-Joinville/Insel Yeu französischer Offizier und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, 1916 Verteidiger von Verdun, Mai 1917 Oberbefehlshaber der Streitkräfte, 1922–1931 Generalinspekteur der Armee und Vizepräsident des Obersten Verteidigungsrats, 1925 Oberbefehlshaber im Feldzug gegen die Rifkabylen, Februar bis September 1934 Kriegsminister, März 1939 Botschafter in Madrid, Mai 1940 Vizepräsident des Kabinetts, Juni 1940 Ministerpräsident, ab Juli 1940 bis 1944 Staatschef der mit Deutschland zusammenarbeitenden Vichy-Regierung, bei Rückzug der deutschen Truppen aus Frankreich 1944 von den Deutschen interniert, stellte sich am 24. April 1945 den französischen Behörden, August 1945 wegen Hoch- und Landesverrats (Kollaboration) zum Tode verurteilt, von Charles de Gaulle zu lebenslanger Haft begnadigt und auf die Atlantik-Insel Yeu verbannt. Peter II. K ar ađorđević 6. September 1923 Belgrad – 3. November 1970 Denver/Colorado/USA König von Jugoslawien 1934–1945 (letzter) König von Jugoslawien, 1934 starb sein Vater nach einem Attentat, Peter folgte ihm minderjährig als Peter II. auf den Thron, Staatsgeschäfte führte der Cousin seines Vaters Prinz Pavle (Paul), am 25. März 1941 trat Jugoslawien dem Dreimächtepakt bei, zwei Tage später fand in Belgrad ein von Großbritannien unterstützter Putsch statt, der den Regentschaftsrat absetzte und König Peter für volljährig und damit für regierungsfähig erklärte, nach dem Überfall Hitlers auf Jugoslawien am 6. April 1941 Flucht gemeinsam mit der Regierung. Peter, Cornelia 7. Dezember 1911 – 31. Mai 1999 Wien (Bestattungsdatum) Tochter von Franz Josef Peter, verehelichte Ultzmann. Peter, Fr anz Josef 28. April 1866 Eger/Böhmen – 22. Februar 1957 Wien Beamter 1890 Abschluss der Konsularakademie, 1891 Eintritt in den Staatsdienst in Triest, 1892 am Konsulat in Alexandrien, 1894 in Beirut und Alexandrien, 1895 Smyrna, 1899 ins Ministerium des Äußern, 1905 Ernennung zum ao. Professor an der Konsularakademie, 1912 stellvertretender Leiter der Rechtssektion, 1. Februar 1919 Ernennung zum Sektionschef, 1919 Mitglied der Delegation bei den Friedensverhandlungen in St. Germain, 1919–1932 Leiter der Rechtssektion im Staatsamt für Äußeres, ab Jänner 1926 Generalsekretär für Auswärtige Angelegenheiten, in dieser

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Funktion bis 1937 trotz der am 28. Februar 1932 erfolgten Versetzung in den Ruhestand tätig. Peter, Dr. med. Ludwig 5. Juli 1900 Wien – 7. November 1941 Wien Arzt ab Juli 1929 Assistenzarzt im Kaiserin Elisabeth Spital, Dezember 1933 Mitglied der Vaterländischen Front, 1936 Sekundararzt, im Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten in der Gruppe »Gesundheit des Menschens« verwendet, 1939 Regierungsrat, April bis November 1941 im Wartestand, Sohn von Franz Josef Peter, keine Quellen zur Mitgliedschaft in der NSDAP. Peter, Mercedes 3. Juli 1879 Smyrna/Izmir/Türkei – 19. März 1965 Wien geborene Fragiacomo Ehefrau von Franz Peter (1899). Peter, Prof. Dr. jur. Wilhelm 24. Juli 1906 – 5. Mai 1964 Wien (Bestattungsdatum) Beamter Sohn von Franz Josef Peter, ab Oktober 1935 Sekretär der Justizminister Robert Winterstein und Hans Hammerstein-Equord, Juli 1936 Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Wien II, führend bei der Gestaltung der Juliamnestie 1936 mitgewirkt, Versetzung in die Abteilung für zivile Gesetzgebung, Mai 1938 Mitglied der NSDAP, Juni 1938 wieder in der Abteilung für politische Straf- und Gnadensachen, November 1938 bis Kriegsende Wehrmachtsangehöriger, nach 1945 Hinweis auf Professortitel. Peter-Pirkh am, A lbert 22. April 1873 Wien – 25. Dezember 1950 Krumpendorf/Kärnten Fregattenkapitän 1892 Kriegsmarine, Februar 1918 Erster Chef des Stabs des Kreuzerflottillenkommandos, Verhandler bei den Waffenstillstandsverhandlungen mit Jugoslawien in Graz am 17. Jänner 1919, ab Mai 1920 Mitglied der interalliierten Abstimmungskommission, in dieser Eigenschaft zum Legationsrat ernannt. Peter-Pirkh am, Dr. jur. Ot to 27. Juli 1905 Pola/Istrien – 2. Oktober 2000 Salzburg Diplomat

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1923–1928 Jus-Studium an Universität Wien, 1928 Promotion zum Dr. jur., 1929 in den Polizeidienst, 1930 in den Auswärtigen Dienst, März bis Mai 1931 in Paris, Juni 1931 bis Juli 1935 in Kairo, Oktober 1935 bis Juli 1937 in Prag, 1937 Mitglied der NSDAP (Österreich), 1937–1938 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten in der Wirtschaftspolitischen Abteilung, März bis August 1938 in der Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Wien, September 1938 in den deutschen Dienst übernommen, September 1938 bis Jänner 1939 an der deutschen Botschaft in San Sebastián in Spanien, Jänner 1939 bis Februar 1944 im Auswärtigen Amt in Berlin (Protokoll), 1941 Mitglied der NSDAP (Deutsches Reich), Februar 1944 bis Mai 1945 Gesandtschaftsrat an der Botschaft in Madrid, Rückkehr nach Österreich, Internierung im britischen Lager in Kärnten, Dezember 1946 Entlassung, sein Ansuchen um Wiedereinstellung wurde abgelehnt, Februar 1947 Entlassung aus dem Bundesdienst, 1950 als »minderbelastet« eingestuft, pensioniert mit 31. August 1951, bis 1952 Bankdirektor in Madrid, danach bei der Süddeutschen Bank, zuletzt bei der Deutschen Bank. Petschek, H ans 1895 Prag – 1968 Scarsdale/USA Bankier aus der deutschböhmischen Unternehmerdynastie Petschek 1920 Mitbegründer des Bankhauses Petschek & Co, 1934 richtete er einen Trust für die Familie in den USA ein, Transfer von Bargeld aus der Tschechoslowakei, 1936 Verlegung des Firmensitzes von Deutschland nach London gemeinsam mit seinem Bruder Paul Petschek, ab Juli 1938 Verkauf der tschechischen Unternehmungen, ab 1938 über London in die USA. Petschek, Paul 21. Juni 1886 Prag – 18. August 1946 Oak Bay/Kanada Bankier aus der deutschböhmischen Unternehmerdynastie Petschek 1911 Promotion an der Technischen Hochschule in Dresden in Chemie, Ausbildung im Bank- und Bergbauwesen der Familie, 1914 Kriegsdienst, 1915 schwere Verwundung, danach Verwaltungstätigkeit im Kriegsministerium, 1920 Mitbegründer des Bankhauses Petschek & Co, 1928 Leitung der Familieninteressen in Deutschland, ab 1932 Verkauf der Unternehmungen in Deutschland, ab Mai 1936 Familienvertreter in London, ab Juli 1938 Verkauf der tschechischen Unternehmungen, in Kanada Zucht von Rassepferden. Pfaundler, Dr. jur. Rich ar d 25. Jänner 1882 Innsbruck – 26. März 1959 Innsbruck Beamter

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Jus-Studium an der Universität Graz, 1905 Promotion zum Dr. jur., 1906 Eintritt in den Staatsdienst bei der Statistischen Zentralkommission, 1908 Einberufung in das Finanzministerium, 1917–1918 Mitarbeit an einer neuen Staatsverfassung, 1922 Privatdozent an der Universität Wien, ab 1924 Referent und später Leiter des Departements für Finanzausgleichsrecht, 1929 Habilitation an der juridischen Fakultät für Finanzrecht in Wien, 1933 Leiter des Referats für die personellen und administrativen Angelegenheiten im Finanzministerium, 1935 ao. Universitätsprofessor an der Universität Wien, 1936 Sektionschef, bis 1939 Leiter der Budgetsektion, 1939 Pensionierung, November 1939 Ernennung zum außerplanmäßigen Professor an der Universität Wien, Aufsichtsrat der Austria Tabakwerke AG, Vorsitzender des Aufsichtsrats des Dorotheums Wien, März 1941 in den Wartestand versetzt und gleichzeitig mit der Leitung der »Abwicklungsstelle Finanzministerium in Wien« betraut, 1940–1944 Beirat der Stadtkämmerei, 1942 Versetzung in den dauernden Ruhestand als Sektionschef (Ministerialdirigent), 1945–1957 Professur an der Universität Innsbruck, Fachmann in Fragen des Finanzausgleichs, Berater der Tiroler Landesregierung. Pfeifer, Walter Beamter 1928–1938 Ministerialrat im Bundeskanzleramt. Pfeiffer, Georg 5. Mai 1890 Wendessen/Wolfenbüttel – 28. Juni 1944 bei Mogilew/Weißrussland (gefallen) deutscher Offizier 1908 in die Preußische Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1920 aus der Armee entlassen, Eintritt in die Sicherheitspolizei in Braunschweig, 1935 Stabschef der Polizei-Inspektion Nord, Oktober 1935 Rückkehr in die Wehrmacht, als Kommandeur eines Regiments Teilnahme am Überfall auf Polen, 1940 an der Westfront, Sommer 1941 Einsatz in Südrussland, ab Juni 1942 im Süden Stalingrads, im Dezember 1942 ausgeflogen, im Jänner 1943 Einsatz der »Kampfgruppe Pfeiffer« in Richtung Stalingrad, April 1943 Einsatz in der Bretagne, danach in Italien (mit der Entwaffnung der italienischen Armee beauftragt), Oktober 1943 in Süditalien, Jänner 1944 in die »Führerreserve« versetzt, Mai 1944 mit Führung des VI. Armeekorps beauftragt, zum General der Artillerie befördert, im Juni 1944 bei der sowjetischen Sommeroffensive gefallen. Pfliegler, Dr. theol. Mich ael 26. Jänner 1891 Guttenbrunn/Mistelbach/NÖ – 11. Oktober 1972 Wien Priester

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Anhang

ab 1911 Theologie-Studium an der Universität Wien, 1915 Priesterweihe, bis 1919 Kooperator in Kirchberg am Wechsel, ab 1919 in Wien, 1920 Generalsekretär des »Christlich-deutschen Studentenbundes«, 1921 Gründer des katholischen »Bund Neuland«, 1922 Promotion zum Dr. theol., 1924–1935 Religionsprofessor, 1924 Kuratbenefiziat an der Peterskirche am Graben in Wien, 1935 Habilitation an der Universität Wien für Pastoraltheologie und Katechetik, 1936 Überleitung des »Bundes Neuland« in die »Katholische Aktion«, Juli 1938 Dozent an der vakanten Lehrkanzel für Moraltheologie in Wien, 1944 Antrag der Fakultät auf Verleihung des ordentlichen Lehrstuhls für Moraltheologie, 1945 ao. Professor für Pastoraltheologie, 1946 o. Professor, 1961 emeritiert, zahlreiche Publikationen. Pflügl, Egon 9. September 1869 Linz – 18. Juni 1960 Wien Diplomat Jus-Studium, 1892 Eintritt in den bosnisch-herzegowinischen Landesdienst, 1893 Askulant am Kreisgericht in Sarajevo, ab Oktober 1894 im diplomatischen Dienst, Tätigkeiten auf diversen Posten u. a. in Konstantinopel, Saloniki, Chania, Genua, Cetinje, Sulina, Varna, Craiova, Ruse, 1905 Ernennung zum Konsul, 1910 Frankfurt am Main, 1912 Leiter des Honorarkonsulats in St. Gallen, 1913 des Generalkonsulats in Neapel, 1915–1918 Kriegsdienst, 5. November 1918 bis 17. Oktober 1919 Unterstaatssekretär für Äußeres, Juni 1922 in den zeitlichen Ruhestand versetzt, Aufsichtsrat der Danubia AG für Gaswerks-Beleuchtungs- und Messapparate (Wien), ab 1922 für die bayerische Rechte Verbindungsmann zu österreichischen Industriellen, Beziehungen zur Heimwehr, ab 1932 für die NSDAP nachrichtendienstlich tätig, 1937 Mitglied der NSDAP (1944 angeblich Austritt), nach dem »Anschluss« 1938 wollte er angemessene Stellung, der Personalkommissär lehnte wegen seines Alters ab, publizistisch tätig, nach 1950 Vorsitzender eines »Komitees für nationale Einigung« im Umfeld der von der Sowjetbesatzung geförderten »Nationalen Liga«, um die Freilassung seines Sohnes aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zu erwirken. Phillips, William 30. Mai 1878 Beverly/Essex County/Massachusetts – 23. Februar 1968 Sarasota County/Florida US-Diplomat 1917 bis März 1920 stellvertretender Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika, 1920–1922 Leiter der Gesandtschaft in den Niederlanden, April 1922 bis April 1924 und März 1933 bis August 1936 erneut stellvertretender Außenminister, 1924– 1927 Botschafter in Belgien, ab 1929 in Kanada, 1936–1941 in Italien, 1942 Leiter des United States Office of Strategic Services (Nachrichtendienst) in London, Oktober 1942 Sondergesandter von Präsident Roosevelt in Indien, 1944 in den Ruhestand.

Biografien

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Phipps, Eric 27. Oktober 1875 – 13. August 1945 London britischer Diplomat ab 1899 im diplomatischen Dienst, 1909 Attaché in Paris, Konstantinopel und Rom, 1912 Sekretär in St. Petersburg, Madrid und Paris, 1919 bei der Friedenskonferenz in Paris, 1919/1920 im Auswärtigen Amt, 1920–1922 in Brüssel, 1922–1928 Botschafter in Paris, 1928–1933 in Wien, 1933–1937 in Berlin, 1937–1939 in Paris. Pierlot, Hubert 23. Dezember 1883 Cugnon/Provinz Luxemburg – 13. Dezember 1963 Uccle/Belgien belgischer Politiker 1918–1920 Kabinettschef des Premierministers Léon Delacroix, 1926–1946 Senator, November 1934 bis März 1935 Innenminister, 1935, 1936–1938 Landwirtschaftsminister und 1937 zeitweise auch Justizminister, ab Februar 1939 Premierminister, nach Konflikt mit König Leopold III., der sich weigerte, der Regierung ins Exil zu folgen, leitete er vom 25. Mai 1940 bis 8. September 1944 die Londoner Exilregierung, zugleich 1940–1944 Minister für Landesverteidigung und 1940–1942 Minister für öffentlichen Unterricht, nach der Rückkehr vom 26. September 1944 bis 2. Februar 1945 Premierminister, 1945 Ehrentitel eines Staatsministers, Erhebung in den Adelsstand. Piffl, Gustav Friedrich 15. Oktober 1864 Landskron/Böhmen – 21. April 1932 Wien Priester Buchbinderlehre, 1883 Eintritt in das Stift Klosterneuburg, Studium der Philosophie und Theologie an der Hauslehranstalt des Stifts, 1888 Priesterweihe im Stephansdom in Wien, Kooperator in Floridsdorf und Heiligenstadt, 1892 Professor für Moraltheologie und Soziologie an der theologischen Hauslehranstalt Klosterneuburg, 1906 Kanzleidirektor des Stifts Klosterneuburg, 1907 Propst, April 1913 Erzbischof der Erzdiözese Wien (Juni 1913 Bischofsweihe), 1913–1932 Präsident der Leo-Gesellschaft, 1914 Kardinal, ab Mai 1922 auch Apostolischer Administrator des Burgenlandes, förderte das Kolpingwerk und die Caritas. Pilet-Golaz, M arcel 31. Dezember 1889 Cossonoy/Waadt – 11. April 1958 Paris Schweizer Politiker Mitglied der Liberalen Partei, 1929 Innenminister, Jänner 1930 bis März 1940 Minister für Post und Eisenbahn, 1934 und 1940 Bundespräsident, März 1940 bis Jänner 1945 Außenminister.

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Pilja, Dr. Milivoj 1887 Sombar/Ungarn –   ? jugoslawischer Beamter Orientalische Akademie Budapest, 1932–1933 Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten, Sektionschef, 1936 Volkswirtschaftlicher Referent, Verhandler bei Handelsverträgen und Geheimverträgen zwischen Jugoslawien und dem Deutschen Reich, 1937–1939 ordentliches Mitglied des Ökonomischen Komitees des Völkerbundes, 1939 Unterstaatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten. Pintsch, K arlheinz 1909 – nach 1962 deutscher NS-Funktionär 1925 Mitglied der NSDAP, 1934 bis 12. Mai 1941 Adjutant im Stab des Stellvertreters des Führers, nach dem Flug von Heß nach Großbritannien verhaftet, 1944 entlassen, an der Ostfront verwendet, von sowjetischen Truppen verhaftet, Dezember 1955 freigelassen. Pirow, Oswald 14. August 1890 Aberdeen/Kapkolonie – 11. Oktober 1959 Pretoria südafrikanischer Rechtsanwalt und rechtsextremer Politiker 1929–1933 Justizminister, 1933–1939 Verteidigungsminister, 1933–1938 auch Verkehrsminister, November 1938 Deutschlandreise, bei der Lieferverträge für Flugzeuge und Lokomotiven abgeschlossen wurden, 1940 Gründer der nationalsozialistisch orientierten politischen Fraktion »Nuwe Orde« (»Neue Ordnung«), nach dem Zweiten Weltkrieg Kontakt zu rechtsextremistischen Gruppierungen, 1957 Rückzug aus der Politik. Pitreich, M a ximilian 1. Mai 1877 Wien – 29. Juni 1945 Wien (Suizid) Offizier und Journalist 1897 Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolviert, 1900–1902 an der Kriegsschule Wien, ab 1902 bei verschiedenen Infanterie-Divisionen als Generalstabsoffizier, 1914–1918 Kriegsdienst, 1920 in den Ruhestand, veröffentlichte zahlreiche militärhistorische Studien, 1933–1944 Militärjournalist, verfasste militärische Leitartikel im »Neuen Wiener Tagblatt«, 1939/1940 Kriegsdienst beim Wiener Wehrkreiskommando XVII. Pit tman, K ey 19. September 1872 Vicksburg/Mississippi – 10. November 1940 Reno/Nevada US-Politiker

Biografien

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Jus-Studium, als Anwalt tätig, Betreiber einer Goldmine, 1913–1940 Senator von Nevada in Washington (Demokratische Partei), 1933–1940 »Präsident pro tempore« des US-Senats (ranghöchster Senator), 1933–1940 Vorsitzender des »United States Senate Committee on Foreign Relations«. Pius X I. (bürgerlicher Name  : Achille R at ti) 31. Mai 1857 Desio/Lombardei – 10. Februar 1939 Rom Papst Präfekt der Vatikanischen Bibliothek, 1918–1920 Nuntius in Polen, 1921 Ernennung zum Erzbischof von Mailand und Kardinal, 1922–1939 als Papst Pius XI. Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, Abschluss der Konkordate mit Österreich (1933) und dem Deutschen Reich (1933). Pius X II. (bürgerlicher Name  : Eugenio Pacelli) 2. März 1876 Rom – 9. Oktober 1958 Castel Gandolfo Papst 1914 Sekretär für außerordentliche kirchliche Angelegenheiten in der Kurie, 1917– 1925 Nuntius für Bayern, 1920–1929 für das Deutsche Reich, 1929 Kardinal, 1930– 1939 Kardinalstaatssekretär im Vatikan, 1939–1958 als Papst Pius XII. Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Planck, M a x 23. April 1858 Kiel – 4. Oktober 1947 Göttingen deutscher Physiker Begründer der Quantentheorie und des Planckschen Strahlungsgesetzes, 1918 Nobelpreis, 1930 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Planet ta, Ot to 2. 8. 1899 Wischau/Südmähren – 31. Juli 1934 Wien (hingerichtet) NS-Funktionär gelernter Handelsangestellter, 1916–1918 Kriegsdienst, 1919 zur Volkswehr, danach zur Gendarmerie und zum Bundesheer (Stabswachtmeister), 1929 Mitglied der NSDAP, 1933 wegen nationalsozialistischer Propagandatätigkeit entlassen, als Elektrotechniker tätig, aktiv bei der Aufstellung der SS-Standarte 89, erschoss am 2. Juli 1934 Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Platzer, Dr. jur. Wilfried 5. April 1909 Hafslund/Norwegen – 12. November 1981 Laxenburg/NÖ Diplomat

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Jus-Studium an der Universität Wien, 1933 Promotion zum Dr. jur., Juni 1933 Eintritt in den Gerichtsdienst in Wien, Dezember 1933 Eintritt in den Auswärtigen Dienst (Rechtsabteilung), Februar 1934 bis August 1934 an der Gesandtschaft in Berlin, Jänner 1935 bis März 1938 Referatsleiter für Südosteuropa in der Handelspolitischen Abteilung im Außenamt, März 1938 bis April 1945 im Auswärtigen Amt des Deutschen Reiches (Presseabteilung, Referat Westeuropa), 1940 Mitglied der NSDAP, April 1945 bis Juli 1945 ohne Verwendung, Juli 1945 bis August 1947 Verbindungsmann zwischen dem Vorarlberger Landesausschuss bzw. der Landesregierung und der französischen Militärregierung, 28. August 1947 bis Dezember 1949 Tätigkeit in der Abteilung 5 WPol im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, 1950–1954 an der Gesandtschaft in Washington, April 1954 ao. Gesandter und bev. Minister und Leiter der Abteilung WPol, April 1958 bis September 1965 Botschafter in Washington, Dezember 1965 bis Juli 1967 Leiter der Sektion III WPol im Außenministerium, Juli 1967 bis Oktober 1970 Generalsekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten, Oktober 1970 bis Jänner 1975 Botschafter in London. Pleiger, Paul 28. September 1899 Buchholz bei Witten/Nordrhein-Westfalen – 22. Juli 1985 Buchholz bei Witten/Nordrhein-Westfalen deutscher Industrieller ab 1925 Inhaber einer Maschinenfabrik, 1932 Mitglied der NSDAP, 1933 SS-Sturmführer, Amtsleiter und Gauwirtschaftsberater der Gauleitung Westfalen-Süd der NSDAP, 1934 in das Rohstoffamt nach Berlin, seit 1936 Generaldirektor der Reichswerke »Hermann-Göring«, 1938 Wehrwirtschaftsführer, 1941 in den Rüstungsrat und Vorsitzender der Reichsvereinigung Kohle, 1943 im Range eines Preußischen Staatsrats »Reichsbeauftragter für die gesamte Wirtschaft Ost«, im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) im April 1949 zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, 1951 entlassen, Vorstand seines Betriebes in Witten. Ploennies, Hermann 3. Februar 1875 Jitschin/Böhmen – 22. Dezember 1962 Wien Diplomat 1894–1899 Konsularakademie, 1900 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1911 Studien in den USA und Kanada, 1912/1913 Konsulatstätigkeiten in Dortmund und Amsterdam, 1914–1925 in Köln und Berlin, 1925–1928 in Triest, 1928–1935 ao. Gesandter und bev. Minister in Belgrad, März 1935 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Pogatscher, Rudolf 31. Juli 1859 St. Margarethen/Steiermark – 9. April 1945 Wien

Biografien

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Diplomat 1877–1882 Orientalische Akademie, 1882 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1884– 1887 Konsulatstätigkeit in Philippopel und Varna, 1888 in Monastir, 1891–1897 an der Botschaft Konstantinopel, 1902–1918 im Außenministerium, ab 1917 politischer Berater des 1. Sektionschefs, 1918 pensioniert, reaktiviert, Berater des Außenministers, 1921 im Range eines Sektionschefs, 1924 Versetzung in den Ruhestand. Polja, Dr. ?  –   ? Beamter verwaltete in Pressburg die wirtschaftspolitischen Belange. Polja ?  –   ? Sohn von Dr. Polja, in der Schweiz untergebracht. Polzer-Hoditz, Dr. jur. A rt(h)ur 2. August 1870 Lemberg/Galizien – 24. Juli 1945 Baden bei Wien/NÖ Beamter, Kabinettsdirektor von Kaiser Karl I. Jus-Studium, 1893 Promotion zum Dr. jur., Verwaltungsdienst bei verschiedenen Bezirkshauptmannschaften bzw. bei der Statthalterei Graz, 1897–1899 im Unterrichtsministerium, ab 1900 im Innenministerium, 1904 Schriftführer im Herrenhaus, 1910 Kanzleidirektor und Hofrat, 7. Februar 1917 bis 25. Juli 1918 als Sektionschef Kabinettsdirektor von Kaiser Karl I., ab 23. August 1918 Senatspräsident am Verwaltungsgerichtshof, schied Ende 1918 aus dem Aktivdienst aus, 1929 Veröffentlichung seiner Erinnerungen an Kaiser Karl. Popitz, Dr. jur. Joh annes 2. Dezember 1884 Leipzig – 2. Februar 1945 Berlin (hingerichtet) deutscher Politiker Jus-Studium, 1914–1919 Referent im preußischen Innenministerium, 1922 Honorarprofessor für Steuerrecht und Finanzwissenschaften an der Universität Berlin, 1925–1929 Staatssekretär im Reichsfinanzministerium, November 1932 bis Jänner 1933 Reichsminister ohne Geschäftsbereich und kommissarischer Leiter des preußischen Finanzministeriums, April 1933 bis Juli 1944 preußischer Finanzminister, 1937 Annahme des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP, 1938 Rücktrittsgesuch (nicht angenommen), aktiv in konservativen Widerstandskreisen, nach dem Attentat auf Adolf Hitler vom Juli 1944 verhaftet, im Oktober 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.

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Porsche, Josef 20. August 1897 – nach 1972 NS-Funktionär Maschinenbauer, 1938–1945 Kreisleiter in Reichenberg, Mitte 1942 bis Frühjahr 1943 beurlaubt. Portschy, Dr. jur. Tobias 5. September 1905 Unterschützen/Burgenland – 2. März 1996 Rechnitz/Burgenland Politiker Jus-Studium an den Universitäten Wien und Göttingen, 1937 Promotion zum Dr. jur., 1931 Mitglied der NSDAP, 1933 Kreisleiter für das südliche Burgenland, 1935 bis 11. März 1938 illegaler Gauleiter, 1937 verhaftet, Februar 1938 als Folge des Berchtesgadener Abkommens freigelassen, März bis Oktober 1938 Landeshauptmann, 24. Mai 1938 bis 8. Mai 1945 stellvertretender Gauleiter der Steiermark, 1940 Mitglied der SS (1940 Oberführer), 1945–1947 in Internierungslagern, 1949 zu 15 Jahren Kerker verurteilt, 1951 vom Bundespräsidenten Theodor Körner begnadigt, führte einen Elektronikgroßhandel in Graz, 1958 Wiederverleihung der aberkannten Doktorwürde, 1959–1991 Mitglied der FPÖ. Pospischil, Friedrich 8. September 1900 Wien – nach 1966 Seeaspirant, Leutnant der Marine 1919 in den nichtaktiven Reservestand versetzt, bei der Österreichischen Casino-Gesellschaft tätig, im August 1940 freiwillig zur deutschen Kriegsmarine gemeldet, bei Kriegsende Leiter der österreichischen Betreuungsstelle in Wilhelmshaven, organisierte Heimkehrertransporte, in den 1950er-Jahren Wiedereintritt in den Dienst der Österreichischen Casino-Gesellschaft, wo er vor 1940 auch schon tätig war, Direktor des Casinos Baden, Pensionierung 1966. Possanner-Ehrenth al, Dr. jur. Joh ann (H ans) 6. Jänner 1891 Wien – 27. Oktober 1968 Wien Industrieller Prokurist im Dorotheum, 1927–1930 Direktorstellvertreter, danach bis 1936 Prokurist und Direktor der Vereinigten Metallwerke AG, ab 1937 einer der Direktoren der Hammerbrotwerke, 1942 Geschäftsführer der Hammerbrotwerke GmbH, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Ostmark-Keramik AG. Potusch ak, Familie keine Information.

Biografien

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Prochnik, Edgar Gustav Leo 21. Jänner 1879 Amboina/Niederländisch-Indien – 12. April 1964 Wien Diplomat 1904 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1919 der Handelsdelegation zur Erledigung von Ernährungs- und Finanzfragen bei den Friedensverhandlungen in St. Germain zugeteilt, ab Jänner 1921 Geschäftsträger an der Gesandtschaft in Washington, April 1925 ao. Gesandter und bev. Minister in den USA, ab Juni 1930 in Mexiko akkreditiert, 15. März 1939 Versetzung in den dauernden Ruhestand, November 1938 bis 1960 Lehrtätigkeit an der Foreign Service School der Georgetown Universität Washington. Prochnik, Gretchen 1892 Boston – 1984 Maryland/USA geborene Stirling James Ehefrau von Edgar Prochnik (Hochzeit 1915 in Boston), Modedesignerin und Society-Dame. Proksch, A lfred 8. März 1891 Larischau/Jägerndorf/Schlesien – 3. Jänner 1981 Wien NS-Funktionär 1912 Eintritt in die Direktion der Staatsbahnen in Linz, 1914–1918 Reserveoffizier im Bahndienst, 1919 Mitbegründer der »Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei« in Österreich, 1926 Gauleiter im Gau Oberösterreich, gründete mehrere nationalsozialistische Zeitungen, 1927/1928 stellvertretender und geschäftsführender Landesleiter der NSDAP in Österreich, 1933 Betätigungsverbot und Flucht ins Deutsche Reich, Verlust der Staatsanstellung und der Staatsbürgerschaft, 1936 im Reichsarbeits- und Reichswirtschaftsrat, 1936–1945 Mitglied des Reichstags, 1938 nach dem »Anschluss« Gruppenführer der SA, als Reichstreuhänder der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Österreich (Ostmark) und 1939 auch für das Sudetenland zuständig, Juni 1938 Präsident des Landesarbeitsamtes Wien und Niederdonau, SAObergruppenführer, 1945 von US-Truppen festgenommen, Vermögensverlust und Verurteilung zu vier Jahren schweren Kerkers (in sowjetischer Gefangenschaft), nach der Entlassung Hilfsarbeiter. Prüfer, A nneliese ?  –   ? geborene Fehrmann zweite Ehefrau von Curt Prüfer (1927).

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Prüfer, Dr. phil. Curt M a x 26. Juli 1881 Berlin-Friedenau – 30. Jänner 1959 Baden-Baden deutscher Diplomat Studium der Arabistik, 1906 Promotion zum Dr. phil., 1907 als Dolmetscher Eintritt in den Auswärtigen Dienst, bis 1919 in Kairo und Konstantinopel tätig, 1926/1927 in Tiflis, 1930–1936 stellvertretender Leiter der Abteilung Anglo-Amerika und Orient im Auswärtigen Amt, 1936–1939 Leiter der Personalabteilung, 1937 Mitglied der NSDAP, 1939–1942 Botschafter in Rio de Janeiro, bis Mitte 1943 Leiter der Orient-Abteilung im Auswärtigen Amt, September 1943 in den Ruhestand versetzt, zog mit seiner Familie in die Schweiz. Puaux, Gabriel 19. Mai 1883 Paris – 1. Jänner 1970 Kitzbühel/Tirol französischer Diplomat 1905 Eintritt in den diplomatischen Dienst, 1907 Kabinettschef des Generalresidenten in Tunesien, 1915 Chef der Informationsabteilung im Hauptquartier, 1916 Leiter der Presseabteilung im Außenministerium, 1917–1919 Direktor im Kommissariat für französisch-amerikanische Zusammenarbeit, 1919 Pressechef bei den Pariser Friedensverhandlungen, 1920–1922 Generalsekretär des Gouvernements in Tunis, 1922–1924 Generalkonsul in Mainz und Köln, 1925 Legationsrat in Bern, 1926–1928 Gesandter in Litauen, 1928–1933 Gesandter in Bukarest, 10. April 1933 bis März 1938 ao. Gesandter und bev. Minister in Wien, 5. Jänner 1939 bis 1940 Oberkommissar für Syrien und Libanon, Juni 1943 bis März 1946 Generalresident in Marokko, 1947–1948 Botschafter in Schweden, 1952–1959 Senator. Pückler-Burgh auss, Gr af Carl Er dmann Victor H ans Theodor von 13. Dezember 1906 Herischdorf – 9. Juli 1941 Borissow/Weißrussland deutscher Jurist Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, preußischer Referendar, Verfasser von »Einflussreiche Engländer. Porträtskizzen englischer Politiker« (Berlin 1938). Puhl, Emil Joh ann Rudolf 28. August 1889 Berlin – 30. März 1962 Hamburg deutscher Bankier kaufmännische Lehre in einem Bankhaus, 1913 Eintritt in die Deutsche Reichsbank in Elberfeld, 1916–1918 Kriegsdienst, bei verschiedenen Reichsbank-Niederlassungen tätig, 1929 in Berlin, 1934 Mitglied des Reichsbankdirektoriums, 1934 Mitglied der NSDAP, Februar 1939 bis Mai 1945 Vizepräsident der Reichsbank im Range eines Staatssekretärs, Mitglied des Aufsichtsrats zahlreicher Wirtschaftsunternehmen, galt als Hitlers wichtigster Staatsbankier und Devisenbeschaffer über Schweizer

Biografien

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Banken u. a. durch Beraubung von Juden, 1. Mai 1945 Verhaftung, 1947 im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) angeklagt, April 1949 zu fünf Jahren Haft verurteilt, im Dezember 1949 entlassen, ab 1950 Berater der Hamburger Kreditbank und Mitglied der Geschäftsleitung, September 1952 bis 1957 Mitglied des Vorstands. Pultar, Dr. jur. Josef K arl 26. März 1879 Brumow/Böhmen – 12. November 1959 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1908 Promotion zum Dr. jur., 1901–1903 Parlamentsberichtserstatter der Reichspost, 1904 Eintritt in den niederösterreichischen Landesdienst, ab 1910 administrativer Leiter der Hofbibliothek, 1911 Leiter des Naturhistorischen Museums, 1915 des Kunsthistorischen Hofmuseums, 1921 Leiter des Sekretariats des Präsidenten des Nationalrats, 1923–1938 Verbandsobmann der Christlich-Deutschen Turnerschaft, 1934 Einberufung in das Bundeskanzleramt, 1934 Sektionschef, 1934–1938 Leiter der Präsidialsektion bzw. des Hauses der Bundesgesetzgebung, 14. März bis 8. Juni 1938 inhaftiert, Oktober 1938 aus dem Dienst entlassen, Mai 1939 mit halbem Ruhegenuss pensioniert, August 1945 Wiedereintritt in den Dienst als Parlamentsdirektor, Dezember 1952 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Queipo de Llano y Serr a, Gonzalo 5. Februar 1875 Tordesillas – 9. März 1951 Sevilla spanischer Offizier ab 1911 Kadett, als Offizier Teilnahme am Krieg gegen Kuba, dann Kriegsakademie und im Generalstab, 1909 Major in Spanisch-Marokko (Sachverständiger für Verwaltungsfragen), 1929 Brigadegeneral, wegen Teilnahme an einem Putschversuch gegen die Monarchie zur Disposition gestellt, 1930 in Portugal interniert, 1931 Rückkehr nach Spanien, Generalkapitän von Madrid, Divisionsgeneral und Generalinspekteur der Carabineros (Grenzpolizei), 1936 Anschluss an die aufständischen Generäle, führte Militärputsch gegen die Volksfront-Regierung (Sevilla), Propagandist für die Generäle im Rundfunk, ab 1938 verlor er an Einfluss, 1939 Beendigung seiner Militärlaufbahn, später Botschafter in Argentinien. Querner, Rudolf 10. Juni 1893 Lehndorf/Kamenz/Oberlausitz – 27. Mai 1945 bei Magdeburg (Suizid) deutscher Polizei-Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, nach Kriegsende in französischer Kriegsgefangenschaft, ab September 1919 bei der Ordnungspolizei in Sachsen (Abteilungskommandeur), 1933 Mitglied der NSDAP, Personalreferent im Sächsischen Innenministerium, 1934 Referent im Reichsinnenministerium, September 1936 bis April 1937 Kommandeur der

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Schutzpolizei Hamburg (ab 1940 Befehlshaber), 1938 Mitglied der SS (Obergruppenführer Juni 1943), März 1939 kommissarisch in Prag tätig, Mai 1941 bis Jänner 1943 HSSPF Nordsee mit Sitz in Hamburg (maßgeblich an der Deportation der Hamburger Juden beteiligt), ab Ende Jänner 1943 als HSSPF Donau, mit Dienstsitz Wien, 1. Juli 1944 General der Waffen-SS, am 20. Juli 1944 kurz festgenommen, Oktober 1944 bis Anfang Mai 1945 als HSSPF Mitte mit Dienstsitz Braunschweig, für Verbrechen bei der Räumung von Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern verantwortlich, nach Kriegsende verhaftet, beging in der Haft Suizid. Queuille, Henri 31. März 1884 Neuvic d’Ussel/Département Corrèze – 15. Juni 1970 Paris französischer Politiker Medizinstudium in Paris, ab 1908 Allgemeinmediziner in Neuvic, Mitglied der »Radikalen Partei«, Juni 1924 bis April 1925 und Juni 1926 bis November 1926 Ackerbauminister, Juni bis Dezember 1932 Post- und Telegraphenminister, Dezember 1932 bis November 1934 Ackerbauminister, November 1934 bis Mai 1935 Gesundheitsminister, Juni 1937 bis März 1938 Minister für öffentliche Arbeiten, April 1938 bis März 1940 Ackerbauminister, 1943 Flucht nach Großbritannien, schloss sich der Exilregierung de Gaulles an, rief die französischen Bauern zum Widerstand auf, ab Juli 1948 bis Juni 1954 mehrmals Staatsminister und Ministerpräsident, zeitweise als Stellvertreter. R a ab, Ing. Julius 29. November 1891 St. Pölten – 8. Jänner 1964 Wien Politiker (ChP/ÖVP) 1927–1933 Mitglied des Gemeinderats von St. Pölten, Mai 1927 bis Mai 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1928 Landesführer der niederösterreichischen Heimwehr, Jänner 1934 Präsident des österreichischen Reichsgewerbebundes, 1934–1938 Mitglied des Bundeswirtschaftsrats und des Bundestags, Februar 1938 Präsident der Niederösterreichischen Handelskammer, 16. Februar bis 11. März 1938 Bundesminister für Handel und Verkehr, 1945 Mitbegründer der ÖVP, 1945 Gründer und bis 1963 Präsident des österreichischen Wirtschaftsbundes, 27. April bis 20. Dezember 1945 Staatssekretär für öffentliche Bauten, Übergangswirtschaft und Wiederaufbau, Dezember 1945 bis Jänner 1964 Abgeordneter zum Nationalrat, 1946–1953 Präsident der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, 1953–1961 Bundeskanzler. R aczkiewicz, Wła dysław (La dislaus) 16. Jänner 1885 Kutaissi/Georgien – 9. Juni 1947 Ruthin/Wales/Großbritannien polnischer Offizier und Politiker

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1914–1917 Offizier in der russischen Armee, 1918–1920 in der polnischen Armee, 1925–1926 und 1935–1936 Innenminister und Senatsmarschall, mehrmals Woiwode, ab 1934 Präsident des Weltkongresses der Auslandspolen, 1939–1947 Präsident der Polnischen Exilregierung. R a decki ?  –   ? Direktor des Fremdenverkehrsbüros in Wien. R afelsberger, Dipl.-Ing. Walter 4. August 1899 Wien – 1989 Chemiker und NS-Funktionär 1917–1918 Kriegsdienst, Studium an der Technischen Hochschule in Wien (Chemie), 1920–1930 bei der Szolnoker Bergbau AG tätig, 1930–1934 bei den Steirischen Stahlwerken, 1933 Mitglied der NSDAP, 1934 Gauleiter der Steiermark, Juli 1935 verhaftet, bis Juli 1936 in Haft, Oktober 1936 nach Deutschland, März 1937 bis März 1938 Abteilungsleiter bei der Überwachungsstelle für Eisen und Stahl in Berlin, 1938 Mitglied der SS (Oberführer 1941), ab 22. März 1938 Staatskommissär für die Privatwirtschaft in der Regierung Seyß-Inquart und Leiter der Vermögensverkehrsstelle (bis Juni 1939), Mai 1938 bis April 1939 Staatssekretär, danach Gauwirtschaftsberater sowie Staatskommissar für die Regelung der Personalangelegenheiten in der Privatwirtschaft und in den gewerblichen Organisationen der Wirtschaft, in Wien (mit »Arisierungen« befasst), 1941 wirtschaftspolitischer Beauftragter im Südosten, 1943 bis September 1944 stellvertretender Leiter des Produktionsamtes für Verbrauchsgüter im Ministerium Albert Speer, Herbst 1945 bis Februar 1946 gemeinsam mit Karl Heinrich Waggerl Führung einer kunstgewerblichen Werkstätte, 1947 Verhaftung, 1947/1948 mehrmals im Nürnberger Prozess als Zeuge vernommen, danach in Südtirol Generalvertreter der Jenbacher Motoren-Werke, 1956 wurde Verfahren gegen ihn in Österreich eingestellt. R ainalter, Erwin Herbert 6. Juni 1892 Istanbul – 29. Oktober 1960 Wien Journalist und Schriftsteller Studium der Germanistik und Romanistik an der Universität Wien (ohne Abschluss), ab 1918 journalistisch tätig u. a. für den »Wiener Mittag«, das »Salzburger Volksblatt« und die »Neue Freie Presse, 1924–1934 Theaterkritiker beim »Neuen Wiener Tagblatt«, 1932 Mitglied der SS, April 1933 illegales Mitglied der NSDAP, Ende 1933 Austritt aus dem Österreichischen PEN-Club, Mitbegründer des nationalsozialistischen »Rings Nationaler Schriftsteller«, in Berlin Theaterkritiker für den »Völkischen Beobachter« und den »Berliner Lokal-Anzeiger«, 1938 Rückkehr nach

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Österreich, freier Schriftsteller, 1938–1939 Chefredakteur des »Neuen Wiener Tagblattes«, September 1938 bis Mai 1939 Vorstandsmitglied der »Concordia«, nach 1945 freier Schriftsteller in Wien. R ainer, Dr. jur. Friedrich 28. Juli 1903 St. Veit a. d. Glan/Kärnten – 19. Juli 1947 Laibach/Jugoslawien Politiker 1918/1919 aktiv in den Kärntner Grenzkämpfen, Jus-Studium an der Universität Graz, 1926 Promotion zum Dr. jur., Mitglied des Steirischen Heimatschutzes, 1930 Mitglied der NSDAP, 1933 Mitglied der SS (1943 Obergruppenführer), 1934 Leiter des Nachrichtendienstes der SS-Standarte Kärnten und Berufung in die Gauleitung, aktiv am Juli-Putsch 1934 beteiligt, August 1935 Verhaftung wegen Hochverrats, keine Verurteilung, März 1936 aus der Haft entlassen, Mai 1936 in die Landesleitung Österreich der NSDAP, 1937 interne Konflikte in der NSDAP, Februar 1938 mit der Führung des politischen Amtes der Landesleitung der NSDAP betraut, 15. März bis 24. Mai 1938 Staatssekretär für politische Willensbildung, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, Mai 1938 Gauleiter und Landeshauptmann von Salzburg, September 1939 zusätzlich Reichsstatthalter in Salzburg, November 1941 Gauleiter und Reichsstatthalter von Kärnten (und Chef der Zivilverwaltung in Krain), Dezember 1942 Reichsverteidigungskommissar von Kärnten, September 1943 Oberster Kommissar der »Operationszone Adriatisches Küstenland«, Mai 1945 Verhaftung durch britische Truppen, bis Juni 1946 in Haft in Nürnberg, Zeugenaussage im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher), danach in Dachau, März 1947 an Jugoslawien ausgeliefert, am 19. Juli 1947 von einem Militärgericht in Laibach zum Tode verurteilt. R appaport, A lfred 16. Juni 1868 Wien – 11. Oktober 1946 Wien Diplomat 1891 Orientalische Akademie absolviert, 1891 Eintritt in den Staatsdienst, 1892 in den Auswärtigen Dienst, 1893–1897 am Generalkonsulat in Skutari, 1897–1899 Leiter des Konsulats Prizren, 1900–1903 Bagdad, 1904–1909 in Mazedonien, 1909 Leiter des Orientreferats im Außenministerium, 1910 Generalkonsul 1. Klasse, ab 1918 Leiter der politischen Sektion, April 1920 Sektionschef, September 1920 Versetzung in den dauernder Ruhestand. R arkowski, Fr anz Justus 8. Juni 1873 Allenstein/Ostpreußen – 5. Februar 1950 München Priester trat ursprünglich den Maristenpatres bei, Studium der Theologie in Innsbruck, Belgien und der Schweiz, 1898 Priesterweihe, Priester des Bistums Ermland, 1914

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Garnisons-, Lazarett- und Kriegsgefangenenpfarrer in Berlin, während des Krieges Feldpfarrer an verschiedenen Frontabschnitten, politisch Richtung Deutschnationale Volkspartei orientiert, gute Kontakte zur deutschen Heeresleitung, August 1936 mit der provisorischen Leitung der katholischen Militärseelsorge (Amt eines Armeebischofs) betraut, Jänner 1938 als Kandidat des Staates (und nicht der Kirche) von Papst Pius XI. zum Feldbischof der Deutschen Wehrmacht ernannt, Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut, ab 1940 gesundheitliche Probleme, erst am 1. Februar 1945 pensioniert, nach Kriegsende lebte er in Bayern. R ath, Ernst Eduar d vom 3. Juni 1909 Frankfurt am Main – 9. November 1938 Paris deutscher Diplomat 1932 in den Auswärtigen Dienst, 1934 Attaché, 1936 am Generalkonsulat Kalkutta, ab August 1938 an der Botschaft in Paris, starb an den Folgen eines Attentats. R ath, Dr. phil. Gebh ar d 13. April 1902 Gramastetten/OÖ – 2. März 1979 Wien Priester und Archivar Eintritt in das Stift Wilhering (Zisterzienser), 1926 legte er die feierliche Profess ab, 1927 Priesterweihe, 1928–1931 Studium der Geschichtswissenschaften, 1931 Promotion zum Dr. phil., danach bis 1940 Archivar und Bibliothekar im Stift, Mitglied der Widerstandsgruppe »Großösterreichische Freiheitsbewegung«, am 26. Juli 1940 von der Gestapo verhaftet, März 1944 vom Volksgerichtshof wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, bis Ende April 1945 in Haft, März 1946 aus dem Orden ausgetreten, ab Juli 1946 im Österreichischen Staatsarchiv tätig, ab 1951 Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, ab 1955 auch des Allgemeinen Verwaltungsarchivs, 1956 bis zu seiner Pensionierung 1968 Generaldirektor des Staatsarchivs. R at ti, Achille siehe Pius XI. R átz, Jenő (von Nagylak) 20. September 1882 Nagybecskerek – 21. Jänner 1952 Budapest ungarischer Offizier und Politiker Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolviert, 1914–1918 Kriegsdienst (Generalstabsdienst), 1920 Eintritt in die Nationalarmee, ab 1922 Lehrtätigkeit an der Generalstabsschule, 1928–1930 im Generalstab, 1936 Generalleutnant, 1935–1936 stellvertretender Generalstabschef des Honvéd, Oktober 1936 bis 1938 Generalstabschef, Mitbegründer der »Ungarischen Erneuerungspartei«, Mai bis

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November 1938 Honvédminister (Kriegsminister), Mitglied der »Nationalen Einheitspartei«, ab 1939 »Partei des ungarischen Lebens«, März bis August 1944 Minister ohne Geschäftsbereich und stellvertretender Ministerpräsident, Oktober 1944 Präsident des Oberhauses, 1945 verhaftet, zum Tode verurteilt, Umwandlung in lebenslange Haft, er starb im Gefängnis. Redlich, Dr. jur. Josef 18. Juni 1869 Göding/Mähren – 12. November 1936 Wien Universitätsprofessor und Politiker 1886–1890 Jus-Studium an der Universität Wien, 1891 Promotion zum Dr. jur., 1901–1906 Privatdozent, 1906–1934 Universitätsprofessor für Verwaltungs- und Verfassungsrecht, ab November 1906 Abgeordneter zum Landtag (Mähren), 1907 Reichsratsabgeordneter, 27. Oktober bis 11. November 1918 k. k. Minister für Finanzen, Oktober 1918 bis Februar 1919 Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung (»Deutsche Fortschrittspartei«), 20. Juni bis 5. Oktober 1931 Bundesminister für Finanzen. Rehrl, Dr. jur. Fr anz 4. Dezember 1890 Salzburg – 23. Jänner 1947 Salzburg Beamter und Politiker (ChP) Jus-Studium an Universität Wien, 1915 Eintritt in den Salzburger Landesdienst, 1918–1919 Mitglied der provisorischen Landesversammlung, April 1919 bis 1922 Landeshauptmannstellvertreter von Salzburg, 1919 Abgeordneter des Landtags, 1920–1934 Mitglied des Bundesrats, 1922–1938 Landeshauptmann von Salzburg, 1934–1938 Mitglied des Länderrats und des Bundestags, August 1938 kurz inhaftiert, Juli 1944 bis Kriegsende in Berlin inhaftiert, August 1945 Rückkehr nach Salzburg. Reichenau, Walter von 8. Oktober 1884 Karlsruhe – 17. Jänner 1942 Poltawa/Ukraine deutscher Offizier 1903 Eintritt in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, 1932 Oberst und Chef des Stabs im Wehrkreis I (Königsberg), 1933 Generalmajor und Chef des Wehrmachtsamtes im Reichswehrministerium, 1934 an der Niederschlagung des sogenannten Röhm-Putsches beteiligt, 1936 General der Artillerie, 1939 Oberbefehlshaber von Armeen im Polenfeldzug, 1940 Generalfeldmarschall, 1941 Befehlshaber der Heeresgruppe Süd in der Sowjetunion, Tod durch Schlaganfall nach Flugzeugabsturz. Reiner, Josef ?  –   ?

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Verfasser eines Flugblattes, das sich Anfang Februar 1939 an alle »Unzufriedenen« richtete, unterzeichnet »Josef Reiner, Führer der oppositionellen Aufbaubewegung«. Reinh ar d, Wilhelm 18. März 1869 Lutau/Kreis Flatow – 18. Jänner 1955 Dortmund/Nordrhein-Westfalen deutscher Offizier ab 1888 in der Preußischen Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, sein Freiwilligen-Regiment »Reinhard« schlug im Jänner 1919 den »Spartakusaufstand« und die »Märzkämpfe« 1919 in Berlin blutig nieder, 1919 ging sein »Freikorps« in die Reichswehr über, Dezember 1919 schied er auf eigenen Wunsch vom aktiven Militärdienst aus, als Kaufmann tätig, 1927 Mitglied der NSDAP, 1934–1943 Bundesführer des NSReichskriegerbundes, 1935 Mitglied der SS (SS-Obergruppenführer 1941), 1936– 1945 Mitglied des Reichstags, 1939 erhielt er den Charakter eines Generals der Infanterie, 1945 einige Monate in westalliierter Internierung, im September 1952 gründete er in Dortmund den »Kyffhäuserbund« erneut (trotz Verbot), Vorsitz bis zu seinem Tod. Reinhold, M ajor keine Information. Reinth aller, Ing. A nton 14. April 1895 Mettmach/OÖ – 6. März 1958 Mettmach/OÖ Gutsbesitzer und Politiker (FPÖ) 1914–1916 Kriegsdienst, 1916–1918 in russischer Kriegsgefangenschaft, Studium an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, 1922 Abschluss des Studiums mit Ingenieur-Diplom, als Forstwirt tätig, Mitglied des Landbundes, 1930 Mitglied der NSDAP, 1934 nach Juli-Putsch im Anhaltelager Kaisersteinbruch interniert, die »Aktion Reinthaller« wollte eine Befriedung zwischen der österreichischen NSDAP und der Schuschnigg-Regierung erreichen, 12. März 1938 bis 30. April 1939 Minister für Land- und Forstwirtschaft im Kabinett Seyß-Inquart, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 1938 Mitglied der SS, Juni 1938 bis 1942 Landesbauernführer und Landesjägermeister für Donauland, ab Jänner 1940 zugleich Unterstaatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin, SS-Brigadeführer (1941), 1942–1945 Landesbauernführer der Landesbauernschaft Niederdonau, 1945 verhaftet, 1949 von US-Militärregierung nach Österreich ausgeliefert, 1950 und 1952 Verurteilung, 1955 Mitbegründer der FPÖ, April 1956 bis März 1958 Bundesobmann der FPÖ.

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Reisenleitner keine Information Inhaber eines bankrotten Geschäftes. Reither, Josef 26. Juni 1880 in Langenrohr/NÖ – 30. April 1950 Tulln/NÖ Politiker (ChP/ÖVP) 1921–1924 Bürgermeister von Langenrohr, 1921–1934 Abgeordneter zum niederösterreichischen Landtag, ab 1922 Vizepräsident, ab 1925 Präsident der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer, 1928 Obmann des Niederösterreichischen Bauernbundes, 1925 bis 1938 Landeshauptmann-Stellvertreter, bzw. Landeshauptmann, Juli 1934 bis Oktober 1935 Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, 1935–1938 Mitglied des Länderrats und des Bundestags, 13. März 1938 Verhaftung, 1. April 1938 bis Juli 1941 im KZ Dachau, Juli 1944 bis Kriegsende 1945 im KZ Ravensbrück, 1945–1947 Präsident des Österreichischen Bauernbundes, 1945–1949 Landeshauptmann von Niederösterreich, 1945–1950 Abgeordneter zum Landtag, 1946–1949 Vorsitzender der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer. Rendulic, Dr. jur. Loth ar 25. Oktober 1887 Wiener Neustadt/NÖ– 18. Jänner 1971 Eferding/OÖ Offizier 1907–1910 Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolviert, 1914– 1918 Kriegsdienst (Hauptmann und Generalstabsoffizier), 1920 Jus-Studium, Promotion zum Dr. jur., 1920 Eintritt in das Bundesheer, Verwendung u. a. im Präsidialbüro des Heeresministeriums, 1932 Mitglied der NSDAP, September 1933 bis Dezember 1934 Militärattaché in Paris, 1934–1936 Kommando über die »Schnelle Brigade« (erste voll motorisierte Einheit des Bundesheeres) in Wien, Februar 1936 in den Ruhestand, März 1938 Eintritt in die Deutsche Wehrmacht, Generaloberst, August 1943 Oberbefehlshaber der 2. Panzerarmee auf dem Balkan, Juni 1944 Befehlshaber der 20. Gebirgs-Armee in Finnland (im sogenannten »Lapplandkrieg« Taktik der »Verbrannten Erde«), 1945 Oberbefehlshaber der Heeres-Gruppe Kurland und seit März 1945 der Heeres-Gruppe Süd, 1945 in US-Kriegsgefangenschaft, 1948 im Nürnberger Prozess (Geisel-Prozess) zu fünfundzwanzig Jahren Haft verurteilt, 1951 entlassen, widmete sich publizistisch der Propagierung des Bildes einer »sauberen Wehrmacht«, 1957/1958 als möglicher Bundesparteiobmann der FPÖ im Gespräch. Renner, Dr. jur. K arl 14. Dezember 1870 Unter-Tannowitz/Mähren – 31. Dezember 1950 Wien Jurist und Politiker (SdP/SPÖ)

Biografien

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Jus-Studium an der Universität Wien, 1895 Promotion zum Dr. jur., Tätigkeit in der Bibliothek des Reichsrats, 1907–1918 Reichsratsabgeordneter, Oktober 1918 bis Februar 1919 Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung, 30. Oktober 1918 bis 7. Juli 1920 Staatskanzler, 1919 Leiter der österreichischen Delegation bei den Friedensverhandlungen in St. Germain, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, März bis Mai 1919 Staatssekretär für Inneres und Unterricht, Juli bis Oktober 1919 als Staatskanzler mit der Leitung des Staatsamtes für Äußeres betraut, 1920 bis 17. Februar 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1923 Gründer der Arbeiterbank, ab Jänner 1926 Präsident der Großeinkaufsgesellschaft österreichischer Konsumvereine, 1931 bis 4. März 1933 Präsident des Nationalrats, 1934 vorübergehend inhaftiert, 27. April bis 20. Dezember 1945 Staatskanzler, 20. Dezember 1945 bis 1950 Bundespräsident. Renthe-Fink, Dr. jur. Cécil von 27. Jänner 1885 Breslau/Niederschlesien – 22. August 1964 München deutscher Diplomat 1903–1906 Jus-Studium, 1907 Promotion zum Dr. jur., 1906 in den preußischen Justizdienst, 1909 in den sächsischen, 1913 Einberufung in den Auswärtigen Dienst (diplomatische Laufbahn), 1913 an der Gesandtschaft in Bukarest, 1914–1916 Kriegsdienst, Juni 1916 bis 1919 an der Gesandtschaft in Bern, Jänner 1920 bis Jänner 1922 im Auswärtigen Amt, 1922 bis April 1923 in Paris, Juni 1923 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, 1923–1927 Beurlaubung zur Internationalen Elbkommission, 1927 bis Oktober 1933 Mitglied der Politischen Abteilung des Völkerbundsekretariats in Genf, 1933–1936 im Auswärtigen Amt, Juni 1936 Gesandter in Kopenhagen, 1939 Mitglied der NSDAP, 9. April 1940 bis November 1942 Reichsbevollmächtigter im besetzten Dänemark, Sommer 1943 im Persönlichen Stab des Reichsaußenministers, Dezember 1943 Diplomatischer Sonderbeauftragter bei Marschall Pétain beim Vichy-Regime, ab September 1944 in Sigmaringen, bei alliierter Invasion Flucht. Rentmeister, M ag. ph arm. Walther 3. Dezember 1894 Feldbach/Steiermark – 3. Februar 1964 Peggau/Steiermark Apotheker, NS-Funktionär und Politiker Studium der Pharmazie an der Universität Prag, 1914–1918 zeitweise Kriegsdienst, 1919 Mitglied von Wehrverbänden, 1921–1923 Mitglied des Gemeinderats von Klagenfurt, 1923–1925 Landesleiter der NSDAP, 1926 Übersiedlung nach Wien, bis 1928 Gauleiter in Wien, 1931 Übersiedlung nach Oberlaa, Kreisleiter in Niederösterreich, Mai 1932 bis Juni 1933 Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag (NSDAP), 1933 Flucht nach Berlin, 1934 deutscher Staatsbürger, Anstellung bei der Deutschen Arbeitsfront in Berlin, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 1938 Rückkehr nach Wien, 1938–1945 Arbeit als Apotheker in einer arisierten Apotheke im

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10. Wiener Gemeindebezirk, 1939 Kreisleiter, Mai 1939 bis 1943 Ratsherr der Stadt Wien, Februar bis April 1942 Feldapotheker in Neapel (Afrika-Korps), November 1942 Rückkehr nach Wien, Beigeordneter (Stadtrat für Wohnungswesen), Mai 1945 verhaftet u. a. in Glasenbach interniert, ab Juni 1947 Untersuchungshaft im Landesgericht Wien, September 1948 zu sechs Jahren schweren Kerkers und Vermögensverfall verurteilt, August 1949 entlassen, 1955–1958 arbeitet er als Apotheker, 1959–1964 Konzessionär einer Apotheke in der Steiermark. Resch, Dr. jur. Josef 28. September 1880 Wien – 6. April 1939 Wien Universitätsdozent und Politiker (ChP) Erlernte Glaserhandwerk, Jus-Studium an der Universität Wien, 1907 Promotion zum Dr. jur., Beamter der Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt, publizistische Tätigkeit, 1915–1918 Kriegsdienst, November 1918 bis März 1919 Unterstaatssekretär für soziale Fürsorge, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, April 1919 bis November 1920 Unterstaatssekretär für soziale Verwaltung, 1920–1923 Abgeordneter zum Nationalrat, 1920–1921, 1924– 1929, 1930–1933 mehrfach Bundesminister für soziale Verwaltung, 1929 Hofrat, 1931 Habilitation, Privatdozent (1937 ordentlicher Professor) an der Technischen Hochschule Wien, ab 1932 zusätzlich an der Hochschule für Welthandel, 1934–1936 Mitglied des Staatsrats und des Bundestags, Mai 1935 Präsident des Reichsverbandes der Sozialversicherungsträger, 1935 Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank, Mai 1936 bis 11. März 1938 Bundesminister für soziale Verwaltung, März 1938 Entlassung, Verhaftung, Tod im Gefängnis. Reynaud, Paul 15. Oktober 1878 Barcelonnette – 21. September 1966 Neuilly-sur-Seine französischer Rechtsanwalt und Politiker 1928–1940 Abgeordneter der gemäßigten Rechten, Februar bis Mai 1932 stellvertretender Ministerpräsident und Justizminister, April bis November 1938 Justizminister, 1938–1940 Finanzminister, März bis Juni 1940 Ministerpräsident und Außenminister, ab Mai Verteidigungsminister, unterstützte de Gaulle, Gegner des Münchner Abkommens, von der Vichy-Regierung verhaftet, 1943–1945 im KZ Sachsenhausen, 1946–1962 Abgeordneter der Unabhängigen Republikaner, 1948 Finanz- und Wirtschaftsminister, 1949–1954 Vorsitzender des Wirtschafts- und Finanzausschusses des Europarats, 1953–1954 stellvertretender Ministerpräsident. Ribbentrop, Joachim von 30. April 1893 Wesel/Preußen – 16. Oktober 1946 Nürnberg (hingerichtet) deutscher Politiker und Diplomat

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1910 in Kanada, 1914–1918 Kriegsdienst, zuletzt im Kriegsministerium, 1919 Mitglied der Delegation bei den Friedensverhandlungen in Versailles, dann Kaufmann und Handlungsreisender, 1932 Mitglied der NSDAP, 1933–1945 Mitglied des Reichstags, 1933 Mitglied der SS (Obergruppenführer 1940), Beauftragter der NSDAP für außenpolitische Fragen im Stab des Stellvertreters des Führers (»Dienststelle Ribbentrop«), 23. April 1934 Beauftragter der deutschen Reichsregierung für Abrüstungsfragen, ab Juni 1935 ao. und bev. Botschafter, August 1936 bis Dezember 1937 Botschafter in London, Februar 1938 bis 30. April 1945 Reichsaußenminister, zugleich Mitglied des Geheimen Kabinettsrats, Juni 1946 Verhaftung, Oktober 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) zum Tode verurteilt. Ribbentrop, Rudolf von 11. Mai 1921 Wiesbaden – 20. Mai 2019 Ratingen ältester Sohn von Ribbentrop bei Kriegsbeginn freiwillige Meldung zur SS-Verfügungstruppe, bei Kriegsende Hauptsturmführer in Ungarn, nach 1945 Geschäftsmann in Frankfurt am Main und in Wiesbaden. Richert, Dr. jur. A rvid 5. April 1887 Göteborg – 22. August 1981 Göteborg schwedischer Diplomat 1907–1914 Jus-Studium an Universität Uppsala, 1909–1918 Militärdienst, ab 1918 im Auswärtigen Dienst, 1919–1920 in Brüssel, 1920–1921 in Den Haag, 1921–1925 in Helsinki, 1925–1926 Leiter der Abteilung Handelspolitik, 1926–1931 Leiter des Personal- und Rechnungswesens, 1931–1936 Leiter der Handelsabteilung (davon 1934–1936 beurlaubt), 1934–1936 Staatssekretär im Handelsministerium, Jänner 1937 bis 23. April 1945 Gesandter in Deutschland, 1945 Prozess, da eine seiner Mitarbeiterinnen Agentin der Gestapo war, freigesprochen, 1945–1948 Generaldirektor der Handelskammer, 1948–1949 im Außenministerium, 1949–1954 Gouverneur des Landkreises Älvsborg, zahlreiche Funktionen in der Wirtschaft. Richter keine Information Rechtsanwalt. Richter keine Information Großindustrieller in Wildenau.

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Richter, Fr anz 10. Juli 1905 Wien – 15. November 1973 München Politiker gelernter Riemenmacher, 1922–1924 aktives Mitglied der SA, 1924–1926 in Griechenland und der Türkei, 1930 Mitglied der NSDAP, nach dem Verbot der NSDAP 1933 Führer einer Terrorgruppe, Mai 1935 verhaftet, in Untersuchungshaft, im Anhaltelager Wöllersdorf, bis August 1937 mehrfach verhaftet, bis Februar 1938 stellvertretender Gauleiter von Wien, danach Gauleiter, nach dem »Anschluss« 1938 1. Vizebürgermeister von Wien, April 1938 bis 1945 Mitglied des Reichstags, Fe­ bruar 1940 bis Oktober 1940 als Mitglied der Waffen-SS an Kampfhandlungen beteiligt, Mitglied der SS (Standartenführer), danach Treuhänder bei der städtischen Versicherung in Wien. Richthofen, Oswald von 10. November 1908 Jena – 9. September 1994 Bonn deutscher Diplomat Jus-Studium, 1935 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, Tätigkeiten in Kopenhagen, Budapest und Wien, 1938 nach Kalkutta versetzt, 1943 zur Wehrmacht eingezogen, 1951 Übernahme in den Auswärtigen Dienst als Gesandtschaftsrat I. Klasse in Dublin, 1954–1955 in Bonn tätig, 1955–1963 Leiter der deutschen Vertretung (ab 1959 Botschaft) in Djidda (Saudi-Arabien und Jemen), 1963–1965 Botschafter in Khartum (Sudan), 1966–1970 in Singapur. Richthofen, Dr.-Ing. Wolfr am Freiherr von 10. Oktober 1895 Barzdorf/Schlesien – 12. Juli 1945 Bad Ischl/OÖ deutscher Offizier ab 1914 Kriegsdienst, 1917 Jagdflieger, 1920 verabschiedet, 1920–1923 Maschinenbau-Studium, 1923 Eintritt in die Reichswehr, ab 1924 im Reichswehrministerium, 1929 Dr.-Ing., 1929–1932 Militärattaché in Rom, 1933 im Reichsluftfahrtministerium, 1934 Leiter der Erprobungs-Abteilung, 1935 Major im Generalstab (1936 Oberstleutnant), Jänner 1937 Chef des Stabs, November 1938 bis Februar 1939 Kommandeur der »Legion Condor« im Spanischen Bürgerkrieg (verantwortlich für die Zerstörung von Guernica), Oktober 1939 bis Juni 1942 Kommandeur des VIII. Fliegerkorps, Juni 1942 bis Juni 1943 Oberbefehlshaber der Luftflotte 4 an der Ostfront, Juni 1943 bis Oktober 1944 Generalfeldmarschall und Chef der Luftflotte 2 in Italien, 1944 wurde ein Hirntumor festgestellt, er gab sein Kommando ab und starb in US-Kriegsgefangenschaft im Luftwaffenlazarett in Bad Ischl. Riedl, Dr. phil. Fr anz (Pseudonym  : Hieronymus) 2. April 1906 Wien – 2. April 1994 Lana/Südtirol

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Journalist und Volkstumsforscher Mitglied im »Wandervogel« und im Christlich-deutschen Studentenbund, Studium der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Wien, Zeitungs-Korrespondent in Organisationen, die sich um die Volksdeutsche Gemeinschaft im Ausland bemühten, 1928–1929 in Marburg in der deutschnationalen »Deutschen Burse«, 1932 Leiter des Grenzlandamtes der deutschen Studentenschaft, Juni 1933 Antrag um Aufnahme in die NSDAP, 1933–1934 mehrmals in Wien verhaftet, zeitweise Schriftleiter der »Wiener Neuesten Nachrichten«, Verbindungsmann zwischen österreichischen und deutschen Nazis, 1934 Flucht aus Österreich, 1934–1944 Wiener Korrespondent in Budapest u. a. Kriegsberichterstatter an der deutschen Botschaft in Budapest, März 1938 Rückkehr nach Wien, als Reichskommissär im Herold-Verlag für die »Reichspost« eingesetzt, Rückkehr nach Budapest, 1946–1971 Kulturredakteur der deutschsprachigen Tageszeitung »Dolomiten«, 1947 in Tirol im Entnazifizierungsverfahren als »minderbelastet« eingestuft, zahlreiche Publikationen. Riedl, Rich ar d 8. Dezember 1865 Wien – 9. März 1944 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1890 in den Dienst der Handels- und Gewerbekammer in Wien, ab 1909 im Handelsministerium als Sektionschef mit der Leitung der Sektion für Handelspolitische Angelegenheiten betraut, November 1918 bis März 1919 Unterstaatssekretär für Gewerbe, Industrie und Handel und für Kriegs- und Übergangswirtschaft, April 1921 bis Juni 1925 ao. Gesandter und bev. Minister in Berlin (wegen nationaler Betätigung abberufen), 1925 Versetzung in den dauernden Ruhestand, 1926–1934 Vertreter der Österreichischen Handelskammer bei der Internationalen Handelskammer, 1937 Mitglied der NSDAP, Mitglied der SS, ab 16. März 1938 Leitung der handelspolitischen Agenden im Bundesministerium für Handel und Verkehr, insbesondere mit den durch den »Anschluss« notwendig gewordenen handelspolitischen Maßnahmen, Kommissarischer Leiter der Wiener Handelskammer und der Landeshandelskammer für Niederdonau und Burgenland, Berufung in den Beirat der Reichswirtschaftskammer, Sommer 1938 Ausarbeitung eines Planes zur finanztechnischen Abwicklung der »Arisierung« jüdischen Vermögens, im Aufsichtsrat mehrerer Wirtschaftsunternehmen. Riefenstahl, Leni 22. August 1902 Berlin – 8. September 2003 Pöcking/Bayern deutsche Tänzerin, Regisseurin, Schauspielerin, Fotografin stellte ihr Werk in den Dienst der NS-Propaganda, 1933 und 1934 künstlerische Leiterin der NSDAP Parteitagsfilme, zahlreiche Propagandafilme, 1936 Produktion

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des Olympia-Films, filmte den Überfall auf Polen, 1948 von der Spruchkammer Villingen als »nicht betroffen« eingestuft, nach 1945 weiterhin als Fotografin und Filmemacherin tätig. Riehl, Dr. jur. Walter 8. November 1881 Wiener Neustadt/NÖ – 6. September 1955 Wien Rechtsanwalt und Politiker Jus-Studium an der Universität Wien, 1908 Promotion zum Dr. jur., 1905–1910 im Staatsdienst in Reichenberg und Karlsbad, ursprünglich Sozialdemokrat, 1910–1912 Rechtsanwalt in Bozen, Meran, Klagenfurt und Wien, 1914–1917 Kriegsdienst, ab 1918 Rechtsanwalt in Wien (Verteidiger rechtsextremer Attentäter), 1919–1923 Vorsitz in der »Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei« (1930 Auflösung der Partei), 1930 Mitglied der NSDAP, 1932 Mitglied des Wiener Gemeinderats und Landtags, nach dem Verbot der NSDAP Ausschluss aus der Partei, nach dem »Anschluss« 1938 kurz in Gestapo-Haft, nach Freilassung Ansuchen um Aufnahme in die NSDAP (abgewiesen), April 1945 vorübergehend von sowjetischen Truppen inhaftiert, 1947 Mitglied der ÖVP, 1953 Mitglied des »Österreichischen Akademikerbundes« und Vorsitzender des »Sozialpolitischen Fachreferats«. Ries, Teresa Feodorowna 30. Jänner 1874 Moskau – 16. Juli 1956 Lugano/Schweiz österreichische Bildhauerin und Malerin russischer Herkunft Studium an der Moskauer Kunstakademie, 1895 Umzug nach Wien, stellte ihre Werke in der Wiener Secession, bei den Weltausstellungen in Paris 1900 und 1911 in Turin aus, zahlreiche Plastiken aus Stein, Marmor, Gips und Bronze, Mitbegründerin der Gemeinschaft »Acht Künstlerinnen«, 1938 wurde ihr Studio im Zuge der »Arisierung« enteignet, der Großteil ihrer Werke als »entartete Kunst« zerstört, bis 1942 in Wien, Flucht in die Schweiz. Rieth, Dr. rer. nat. Kurt 28. März 1881 Antwerpen – 4. Februar 1969 Frankfurt am Main deutscher Diplomat nach dem Studium kaufmännische Tätigkeit in der Firma des Vaters in Antwerpen, ein Jahr in den USA bei der Standard Oil Corporation, 1914–1915 bei der deutschen Zivilverwaltung in Belgien, Februar 1915–1918 in der politischen Abteilung beim Generalgouverneur in Belgien, Dezember 1918 im Auswärtigen Amt, 1919–1921 Geschäftsträger, ab 1920 bevollmächtigter Vertreter der Reichsregierung in Darmstadt, bis 1924 an der Botschaft in Rom, 1924–1931 Botschaftsrat in Paris, April 1931 bis August 1934 Gesandter in Wien, am 25. Juli 1934 beim Juliputsch verhandelte er über den Abzug aus dem Bundeskanzleramt, 1935–1941 in den einstweiligen Ruhe-

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stand versetzt, Mai 1941 führte er Verhandlungen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Standard Oil Company in New York, Juni 1941 interniert und abgeschoben, März 1942 bis Oktober 1943 kommissarischer Leiter des Generalkonsulats in Tanger, März 1944 im Auswärtigen Amt Sonderauftrag zur Bearbeitung von »Aufgaben im Einvernehmen mit dem Leiter der Handelspolitischen Abteilung«, 1953/1954 Wiedergutmachungsbescheid (Amtsbezeichnung Botschafter a. D.). Rintelen, Dr. jur. A nton 15. November 1876 Graz – 28. Jänner 1946 Graz Universitätsprofessor und Politiker (ChP) Jus-Studium an den Universitäten Graz und Wien, 1898 Promotion zum Dr. jur., 1902 Privatdozent für österreichisches zivilgerichtliches Verfahren an der Universität Graz, 1903 Berufung nach Prag, 1906 o. Professor für Zivilprozessrecht in Prag, 1911 o. Professor für zivilgerichtliches Verfahren an der Universität Graz, November 1918 bis Mai 1919 stellvertretender Landeshauptmann der Steiermark, 1919 bis Juni 1926 und April 1928 bis November 1933 Landeshauptmann, hielt Kontakte zur Heimwehrbewegung und zu den Nationalsozialisten, November 1920 bis November 1923 Mitglied des Bundesrats, Juni bis Oktober 1926 und Mai 1932 bis Mai 1933 Bundesminister für Unterricht, Mai 1927 bis Mai 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1934 Kontakte zu den Juliputschisten, 1935 Verurteilung zu lebenslänglichem Kerker wegen Beteiligung am Juliputsch 1934, Februar 1938 Amnestie, 1938 als Mitglied des deutschen Reichstags nominiert. Risch anek, Dr. jur. Heinrich 6. Jänner 1891 Brünn – 5. Jänner 1971 Wien Jurist Rat des Bundesgerichtshofes, November 1937 in den zeitlichen Ruhestand versetzt, Konsulent der Österreichischen Casino-AG Wien (mit Mai 1938 beendet), Teilhaber der Rechtsschule Dr. Alfred Diwald, März 1939 Kürzung seines Ruhegenusses auf die Hälfte, ab Mai 1945 voller Ruhegenuss, ab Oktober 1952 Lehraufträge an der Hochschule für Bodenkultur. Rit ter, Dr. jur. K arl 5. Juni 1883 Dörflas/Bayern – 31. Juli 1968 Murnau/Bayern deutscher Diplomat 1901–1905 Jus-Studium, 1905 Promotion zum Dr. jur., 1905–1907 Mitarbeiter der »Kölnischen Zeitung«, ab November 1907 im bayerischen Verwaltungsdienst, 1911 im Reichskolonialamt, 1912–1914 beim Gouvernement in Kamerun, 1914/1915 Kriegsdienst, ab Oktober 1915 im Reichsamt des Innern, Dezember 1917 Reichskolonialamt, ab März 1918 im Reichswirtschaftsamt, November 1919 im Reichs-

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finanzministerium, 1922 ins Auswärtige Amt, 1924 Ministerialdirektor und Leiter der Wirtschaftsabteilung (ab 1936 Handelspolitische Abteilung), 1937 Botschafter in Rio de Janeiro, 1938 musste er Brasilien verlassen, Oktober 1938 bis Februar 1939 in der Internationalen Kommission für die Abtretung sudetendeutscher Gebiete, Mai 1939 Botschafter zur besonderen Verwendung im Auswärtigen Amt (Münchner Abkommen), Oktober 1939 Leiter aller mit dem Wirtschaftskrieg zusammenhängenden Aufgaben (Ribbentrop direkt unterstellt), Generalsekretär des Ständigen Rats der Dreierpaktmächte, 1940 Verbindungsmann des Auswärtigen Amtes zum Oberkommando der Wehrmacht, 1945 in Haft, 1949 im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Rizzi, Dr. jur. Joh ann 3. Jänner 1880 Villach/Kärnten – 16. November 1968 Wien Beamter Jus-Studium, 1904 Promotion zum Dr. jur., 1904 Eintritt in den Staatsdienst bei der Statistischen Zentralkommission Wien, ab Dezember 1918 im Volksernährungsamt, 1919–1941 Tätigkeit im Finanzministerium, 1923–1940 Vorstand des Departements für Staatskredit, Staatsschuld und Währung, 1928–1937 Mitglied des Kuratoriums der Österreichischen Postsparkasse Wien, 1931–1938 Staatskommissär der Oesterreichischen Nationalbank, 1935–1938 Verwaltungsrat der Österreichischen Industriekredit AG, 1936 Sektionschef, 1940 zur Liquidierung der österreichischen Staatsschuld benötigt, März 1941 Versetzung in den dauernden Ruhestand, 4. Mai 1945 Wiedereintritt in den Staatsdienst als Leiter der Kreditsektion im Finanzministerium, 26. Juli 1945 Pensionierung, Mai bis Dezember 1945 parteiloser Unterstaatssekretär für Finanzen, Juli 1945 bis März 1952 Präsident der Oesterreichischen Nationalbank. Roessler, M argarete 22. März 1892 – 2. Jänner 1978 Pressbaum geborene Skutezky Ehefrau von Rudolf Roessler (1912), aus jüdischer Familie. Roessler, Dr. jur. Rudolf 8. Mai 1887 Wien – 4. Februar 1942 Wien Beamter 1909 Eintritt in den Staatsdienst bei der Forst- und Domänendirektion, 1912 in das Ackerbauministerium (Handelspolitische Abteilung), 1914–1918 Kriegsdienst, Juli 1920 Stellvertreter in der Kommission für die Angelegenheiten der österreichischen Sektion der Reparationskommission, ab Oktober 1921 stellvertretender Leiter und ab Juli 1922 provisorischer Leiter der Abteilung 12 im Bundesministerium für Land-

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und Forstwirtschaft, 1924 Stellvertreter im Beirat für Handelsstatistik und Ministerialrat, Dezember 1933 Ernennung zum Staatskommissär bei der Österreichischen Holzausfuhrorganisation, ab Jänner 1934 Mitglied des Brennstoffbeirats, Dezember 1939 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Roh an, Dr. A lain 26. Juli 1893 Sichrow/Böhmen – 2. September 1976 Wien Jurist 1914 nach dem Tod seines Vaters Familienoberhaupt, Dezember 1938 Mitglied der NSDAP im »Gau Sudentenland«. Roh an, Joh anna 16. Juli 1890 Sichrow/Böhmen – 15. März 1961 Wien Ehefrau von Rudolf Colloredo-Mannsfeld, Schwester von Alain und Karl Anton Rohan. Röhm, Ernst 28. November 1887 München – 1. Juli 1934 München-Stadelheim (ermordet) deutscher Offizier und Politiker nach dem Ersten Weltkrieg über nationale Wehrverbände zur NSDAP, 1923 als Hauptmann aus der Reichswehr ausgeschieden, Teilnehmer am Münchner HitlerPutsch 1923, 1925 Trennung von Hitler, nach Bolivien, 1928–1931 Instrukteur der bolivianischen Armee, 1931 Rückkehr und Stabschef der SA, 1933 Staatssekretär beim Reichsstatthalter in Bayern und Minister ohne Geschäftsbereich, auf Befehl Adolf Hitlers im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches ermordet. Rommel, Erwin 15. November 1891 Heidenheim/Württemberg – 14. Oktober 1944 Herrlingen/ Ulm (Suizid) deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, 1929–1933 Taktiklehrer an der Infanterieschule Dresden, 1933–1935 Bataillons-Kommandeur in Goslar, 1935–1937 Lehrgruppen-Kommandeur an der Infanterieschule Potsdam, 1937/1938 Verbindungsoffizier der Reichsjugendführung im Reichswehrministerium, 1938/1939 Kommando Führerhauptquartier, 1940 Führer der Panzerdivision beim Einmarsch in Frankreich, Februar 1941 Oberbefehlshaber des Deutschen Afrika-Korps, Generalfeldmarschall (1942), Mai 1943 Chef des Sonderstabs Rommel (Planung des Einmarsches in Italien), November 1943 Inspekteur der Küstenbefestigungen in Nordfrankreich, nach der Landung der Alliierten und wegen Verbindung zu den Juli-Attentätern 1944 von Hitler zum Selbstmord gezwungen, vor der Öffentlichkeit Staatsbegräbnis.

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Ronge, M a ximilian 9. Jänner 1874 Wien – 10. September 1953 Wien Offizier Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolviert, 1899–1901 Kriegsschule Wien, 1907 in das Evidenzbüro (Nachrichtenabteilung des Generalstabs), 1914 in der Spionagebekämpfung (Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung), 1917 Oberst und Chef der Nachrichtenabteilung, 1918 stellvertretender Leiter des Kriegsgefangenen- und Zivilinternierten-Amtes, Mitglied einer Geheimgesellschaft mit Ziel der Abschaffung der Demokratie, 1932 pensioniert, 1933 reaktiviert als Leiter des staatspolizeilichen Sonderbüros, 1938 inhaftiert, 1. April 1938 ins KZ Dachau, August 1938 freigelassen, 1945 nahm er Kontakt zur US-Besatzungsmacht auf, um sie beim Aufbau eines neuen Geheimdienstes zu beraten, noch vor der Gründung eines neuen Heeres-Nachrichtenamtes verstorben. Roosevelt, Fr anklin Delano 30. Jänner 1882 Hyde Park/New York – 12. April 1945 Warm Springs/Virginia US-Politiker Rechtsanwalt, 1910 demokratischer Senator, 1913–1921 Unterstaatssekretär im Marineministerium, 1921 Erkrankung, 1928–1932 Gouverneur von New York, 1932 bis 12. April 1945 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, 1945 an der Gründung der Vereinten Nationen beteiligt. Rosenberg, A lfred 12. Jänner 1893 Reval (Tallinn) – 16. Oktober 1946 Nürnberg (hingerichtet) deutscher Politiker und Publizist 1917 Diplomabschluss des Studiums der Ingenieurwissenschaften und Architektur, 1919 Mitglied des Geheimbundes »Thule-Gesellschaft«, 1920 Mitglied der NSDAP, 1923 Hauptschriftleiter des »Völkischen Beobachters«, 1923 Teilnahme am HitlerPutsch, 1929 Gründer des »Kampfbundes für deutsche Kultur«, 1930–1945 Mitglied des Reichstags, Profilierung mit seinem Hauptwerk »Der Mythus des 20. Jahrhunderts«, 1933–1945 Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, 1934–1945 Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP, 1941–1945 Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) zum Tode verurteilt. Rosenkr anz, Dr. med. Lutz 27. Dezember 1903 Hagen – 1943 Stalingrad (gefallen) Arzt

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Sohn eines Berliner Industriellen, praktischer Arzt, Ankauf der Mehrheitsanteile des »Gleichenberger und Johannisbrunnen Aktienvereins«, leitete die Kuranstalt bis zur Einberufung zur Deutschen Wehrmacht, 1943, Arzt (Frau und Tochter). Rossee-Blaschko, Dr. A lfons 14. Juni 1905 Slowenien –   ? Beamter Jus-Studium, 1928 Promotion zum Dr. jur., Eintritt in die Bundespolizeidirektion Wien, 1928–1934 bei verschiedenen Bezirkspolizeikommissariaten, 1934–1938 im Pressereferat der Wiener Polizei, April 1938 bis April 1942 Leiter der pressepolizeilichen Agenden in der Gestapoleitstelle Wien, Mai 1942 bis Dezember 1943 Leitervertreter der Gestapoleitstelle Litzmannstadt, danach bis Ende 1944 Gestapostelle Klagenfurt, danach Richter beim SS- und Polizeigericht in Wien, alliierte Gefangenschaft (?), 1948 Strafverfahren in Wien eingeleitet, 1949 ein weiteres in Klagenfurt, 1950 Beamter in Klagenfurt. Rothe, Dr. phil. Hilde 30. April 1893 Wien – 18. Februar 1967 Wien Bibliothekarin Studium der Germanistik und Anglistik, 1917 Promotion und Lehramtsprüfung Englisch, 1920–1957 in der Bibliothek des Nationalrats tätig, zeitweise auch für die Bibliothek im Staatsarchiv zuständig, 1945 rettete sie die Parlamentsbibliothek. Rothschild, Familie Rothschild, Dr. jur. A lphonse M ayer von 15. Februar 1878 Wien – 1. September 1942 New York Philanthrop, Mäzen und Sammler Jus-Studium an der Universität Wien, 1903 Promotion zum Dr. jur., 1911–1938 Präsident der »Nathaniel Freiherr von Rothschild’schen Stiftung für Nervenkranke«, im Ersten Weltkrieg war er in Galizien und in Italien im Einsatz, seine Briefmarkensammlung war weltberühmt, gestaltete die Gärten auf der Hohen Warte in Wien aus, 1938 emigriert er mit seiner Familie über London nach Amerika, seine Sammlung wurde von der Gestapo beschlagnahmt. Rothschild, Nath aniel M ayer, Freiherr von 26. Oktober 1836 Wien – 13. Juni 1905 Wien Mäzen, Sammler, Reiseschriftsteller und Gartenliebhaber In den 1860er-Jahren in Wien auf der Hohen Warte Anlage eines botanischen Gartens mit einer großen Orchideenzucht (Rothschildgärten), 1872–1884 Errichtung

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des Palais Rothschild im 4. Wiener Gemeindebezirk (Theresianumgasse), wo seine Kunstsammlung untergebracht war, ab 1888 Beschäftigung mit Fotografie, Förderer des ersten Fußballvereins in Österreich. Rot t, H ans 27. August 1886 Sangerberg/Böhmen – 30. Dezember 1962 Wien Politiker (ChP) 1906 Eintritt in den Postdienst, Mai 1919 bis November 1920 Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag, 1919 Gründer der Gewerkschaft der christlichen Postangestellten, ab 1923 Obmann dieser Gewerkschaft, Mai 1925 in der Zentralkommission der christlichen Gewerkschaft, Oktober 1929 bis Mai 1934 Mitglied des Bundesrats, 1934–1938 Mitglied des Bundeswirtschaftsrats, November 1936 bis Februar 1938 Staatssekretär für die Angelegenheiten des gesetzlichen Schutzes der Arbeiter und Angestellten, 16. Februar bis 11. März 1938 Bundesminister ohne Portefeuille im Bundeskanzleramt, ab 14. März 1938 fünf Monate inhaftiert, Jänner 1939 Emigration nach Frankreich, im Exil politisch aktiv, Flucht über Spanien und Portugal nach Toronto, 1941 in die USA, 1945 im österreichischen Generalkonsulat in New York tätig, 1960 Rückkehr nach Österreich. Ruber, Dr. jur. Ignaz 14. Oktober 1876 Brünn – 25. Februar 1943 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1901 Promotion zum Dr. jur., 1901 Eintritt in den Staatsdienst bei der Landesregierung in Laibach, 1907 ins Innenministerium, 1914–1916 Kriegsdienst, Jänner 1917 bis 1918 Leiter der Abteilung für politische Zensur im Kriegsüberwachungsamt, ab November 1918 im Präsidialbüro des Innenministeriums, selbständiger Referent im Bundeskanzleramt, Sektion II, Abteilung 6 (Bevölkerungswesen und Nationalratswahlen), 1932 Sektionschef, 1933–1938 Leiter der Sektion für Bevölkerungswesen und Nationalratswahlen, 31. Juli 1938 in den Ruhestand versetzt, Oktober 1940 Verhaftung wegen Verdachts der Teilnahme an der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, 12. August 1942 Entlassung (krankheitshalber). Ruber, Igo 20. April 1912  –   ? Sohn von Ignaz Ruber. Rudolf, Dr. theol. K arl 22. November 1886 Wien – 21. August 1964 Wien Priester

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1908 Eintritt in das Wiener Priesterseminar, 1908–1912 Studium der Theologie an der Universität Wien, 1912 Priesterweihe, 1913 Leitung des Sekretariats für soziale Studentenarbeit im »Katholischen Volksbund«, 1914 Studienpräfekt des Wiener Priesterseminars, im Ersten Weltkrieg Feldkurat der Reservisten, 1915 Seelsorger im Kriegsspital in Wien-Simmering, 1918 Promotion zum Dr. theol., 1918 Mitbegründer des »Christlich-deutschen Studentenbundes«, 1919 erster Akademikerund Studentenseelsorger der Erzdiözese Wien, 1921 Mitbegründer des »Bundes Neuland«, 1922 Domkurat (1941 Domkapitular) von St. Stephan, 1931 Kanzleileiter des neu errichteten Seelsorgeinstituts (ab 1938 Seelsorgeamt), Beichtvater von Engelbert Dollfuß, 1941 Berufung zum Domherrn, 1943–1944 »Gaugebot« (durfte Wien nicht verlassen), Sommer 1945 schwere Erkrankung, Genesungsaufenthalt in der Schweiz, blieb Leiter des erzbischöflichen Seelsorgeamtes (Pastoralamt) und des Seelsorgeinstituts (Pastoralinstitut), das als überdiözesane Einrichtung wieder geschaffen wurde, 1947/1948 Gründer der Katholischen Filmkommission, 1954 Päpstlicher Hausprälat. Ruk avina, Jur aj (Juco) 4. Februar 1889 Perušić/Kroatien – Juni 1945 Zagreb (erschossen) kroatischer Offizier absolvierte Militärschulen in Österreich-Ungarn, mit Bildung des Staates der Serben, Kroaten und Slowenen Hauptmann der Gendarmerie, Ende der 1920er-Jahre in den Ruhestand, 1932 Beitritt zur Ustascha-Bewegung, Anführer des »Lika-Aufstands« (»Velebit-Aufstand«), 1933 verhaftet und zum Tode verurteilt, in zwölf Jahre Gefängnis umgewandelt, 1939 begnadigt und entlassen, 1940 bis April 1941 wieder interniert, 16. April 1941 Kommandeur der Ustascha-Armee, Juni 1941 Oberst, bei Kriegsende in Bleiburg von britischen Truppen verhaftet und am 17. Mai 1945 an Jugoslawien übergeben, von einem Militärgericht zum Tode verurteilt. Runciman, Walter (1. Viscount Runciman of Doxfor d 1937) 19. November 1870 South Shields – 14. November 1949 Chathill britischer liberaler Politiker ab 1899 mit Unterbrechungen Mitglied des Unterhauses, April 1908 bis Oktober 1911 Unterrichtsminister, 1911 Agrarminister, 1915–1916 und 1931–1937 Handelsminister, 3. August bis 5. September 1938 in Sondermission in der Tschechoslowakei, um in der Sudetenkrise zu vermitteln (Runcimen-Mission), Oktober 1938 bis März 1939 Vorsitzender des Geheimen Rats. Rundstedt, Dr. rer. pol. Edith a (»Dith a«) von 21. Oktober 1901 Neiße/Schlesien – April 1982 deutsche Diplom-Volkswirtin

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geborene von Oppen, Ehefrau von Hans-Gerd von Rundstedt (September 1935), Schwiegertochter von General Gerd von Rundstedt. Rundstedt, Ger d von 12. Dezember 1875 Aschersleben/Sachsen – 24. Februar 1953 Hannover deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst (Generalstabsoffizier), Übernahme in die Reichswehr, 1932–1938 Befehlshaber des Gruppenkommandos I in Berlin, führte Heeresgruppen in den Feldzügen gegen Polen, Frankreich und die Sowjetunion, Generalfeldmarschall (1940), Dezember 1941 abgesetzt, März 1942 bis 7. März 1945 (kurze Unterbrechung Juli bis September 1944) Oberbefehlshaber West, abgesetzt, 1944 Leiter des »Ehrenhofes« zur Ausstoßung von Offizieren, die einer Verbindung zum Hitler-Attentat im Juli 1944 verdächtigt wurden, um diese vor den Volksgerichtshof zu bringen, bei Kriegsende zur Kur in Bad Tölz, Gefangennahme durch US-Truppen, ab Juli 1945 in britischer Kriegsgefangenschaft, aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes keine Verurteilung, Mai 1949 aus Gefangenschaft entlassen. Rupprecht von Bayern ( Wit telsbach) 18. Mai 1869 München – 2. August 1955 Schloss Leutstetten bei Starnberg bayerischer Kronprinz 1914 Oberbefehlshaber der 6. Armee in Lothringen und Nordfrankreich, 1916 Generalfeldmarschall und Heerführer an der Westfront, verzichtete 1918 nicht auf den bayerischen Thron, aktiv in der monarchistischen Bewegung in Bayern, 1939 nach Italien ins Exil, 1944 wurde seine Familie verhaftet. Rust, Bernh ar d 30. September 1883 Hannover – 8. Mai 1945 Berne/Oldenburg (Suizid) deutscher Lehrer und Politiker 1909–1930 Oberlehrer in Hannover, 1914–1918 Kriegsdienst, 1925 Mitglied der NSDAP, 1925–1940 Gauleiter in Hannover-Braunschweig (1940 SA-Gruppenführer), 1930 Mitglied des Reichsrats, Februar bis Juni 1933 preußischer Kultusminister, Mai 1934 bis April 1945 Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Rydz-Śmigły, Edwar d 11. März 1886 Brzeżany/Galizien – 2. Dezember 1941 Warschau polnischer Offizier und Politiker Studium der Malerei, Philosophie und Kunstgeschichte, 1910–1911 Offiziersausbildung, im Ersten Weltkrieg Offizier in der Polnischen Legion, 1917 Führer einer geheimen Militärorganisation, 1918 kurz Kriegsminister, 1919 an der Organisation

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der Armee beteiligt, 1919–1920 Teilnahme am Polnisch-Sowjetischen Krieg, danach Kommandeur eines Armeekorps, militärischer Mitarbeiter Piłsudskis, März bis Oktober 1935 Generalstabschef und »Staatsführer«, November 1936 Marschall von Polen, 1939 Oberbefehlshaber der Streitkräfte, 17. September 1939 Flucht samt polnischer Regierung nach Rumänien, interniert, kehrte nach Polen zurück, schloss sich dem Widerstand an, starb an einem Herzinfarkt. Sagoroff, Dr. rer. pol. Slawtscho (Zagorov, Slavčo Dimitrov) 25. November 1898 Sofia – 17. Dezember 1970 Wien bulgarischer Wirtschaftsfachmann, Politiker und Diplomat Studium der Nationalökonomie, 1922 Promotion zum Dr. rer. pol., 1922–1924 Sekretär des Obersten Wirtschaftsrats, 1924–1929 Assistent, 1929–1934 Dozent, 1934–1942 ao. Professor für Statistik an der Universität Sofia, 1933–1934 Studien in Havard, 1935–1937 an der London School of Economics, 1934–1942 Generaldirektor des bulgarischen Statistischen Amtes, 1939–1941 Minister für Handel, Industrie und Arbeit, 1942 Direktor des Statistischen Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität Sofia, 1942–1944 Gesandter in Berlin, 1944–1945 interniert, 1950 o. Professor für Statistik an der Philosophisch-theologischen Hochschule in Regensburg, 1950–1954 Professor an der Universität Stanford, 1955 o. Professor für Statistik an der Universität Wien, zahlreiche Funktionen in Forschungsinstituten. Sailer, Joh ann Mich ael (ab 1826 von) 17. November 1751 Aresing/Oberbayern – 20. Mai 1832 Regensburg katholischer Theologe ab 1829 Bischof von Regensburg. Salata, Fr ancesco 17. September 1876 Ossero/Istrien – 10. März 1944 Rom italienischer Journalist, Historiker und Politiker Jus-Studium in Wien und Graz, bis 1909 Chefredakteur der Triester Zeitung »Il Piccolo«, ab 1909 Abgeordneter zum Istrianischen Landtag, 1915 Zuteilung zum Generalsekretariat für zivile Angelegenheiten beim italienischen Oberkommando, 1919 Mitglied der italienischen Delegation bei den Friedensvertragsverhandlungen in Paris, ab 1919 Tätigkeit bei der Zentralstelle für die neuen italienischen Provinzen, 1920 Berufung in den italienischen Senat, Beauftragter Mussolinis bei den Verhandlungen über das im Februar 1935 unterzeichnete österreichisch-italienische Kulturabkommen, 1925–1935 Präsident der »Società Istriana d’Archeologia e Storia Patria«, März bis August 1936 Präsident des italienischen Kulturinstituts in Wien, August 1936 Gesandter in Wien, Oktober 1937 nach Rom zurückberufen, wissenschaftliche Tätigkeit.

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Sar acoğlu, Mehmet Şükrü 1. Januar 1887 Ödemiş – 27. Dezember 1953 Istanbul türkischer Politiker 1914 Stipendium in Belgien, 1915–1918 Studium in Genf, ab 1925 u. a. Bildungsminister, Finanzminister, Justizminister und Außenminister, 1942–1946 Ministerpräsident und Vorsitzender der »Republikanischen Volkspartei«, pro-deutsche Außenpolitik, nationalistische Innenpolitik, bis Februar 1945 blieb die Türkei neutral. Sar andos, Dimitri 1906 Piräus (nach griechischem Pass, Dimitros Sarandopoulos) –   ? 1915 Istanbul (nach türkischem Pass) –   ? Berufsboxer Inhaber zweier Pässe, hielt sich seit 16. Oktober 1940 (wenige Tage nach Eintreffen der deutschen Heeresmission) in Bukarest auf, erschoss am 19. Jänner 1941 in Bukarest den Major im Generalstabsdienst, Döring, ob er ein politisches Motiv hatte, ist ungeklärt. Sargent, Sir Orme Garton 31. Oktober 1884 London – 23. Oktober 1962 Bath britischer Diplomat ab 1906 im Auswärtigen Dienst, 1917–1919 an der Gesandtschaft in Bern, Mitglied der Delegation auf der Pariser Friedenskonferenz, bis 1925 in Paris, 1926 Leiter der Zentralabteilung des Auswärtigen Amtes u. a. für Österreich zuständig, 1933 stellvertretender Staatssekretär, während des Krieges Leiter des Auswärtigen Amtes, 1946–1949 ständiger Unterstaatssekretär. Sarkotić, Stefan (Freiherr Sarkotić von Lovćen) 4. Oktober 1858 Sinac/Kroatien – 16. Oktober 1939 Wien Offizier bis 1879 Theresianische Militärakademie, 1882–1984 Wiener Kriegsschule, Generaloberst, 1914 einer der Hauptbefehlshaber der k. u. k. Truppen, 1915–1918 Militär-Gouverneur in Bosnien-Herzegowina, Gegner der Schaffung eines vereinigten südslawischen Staates außerhalb der Donaumonarchie, ab 1919 im Wiener Exil, Organisation des Widerstands gegen das Königreich Jugoslawien. Sauerwein, Jules 20. Jänner 1880 Marseille – 30. Juni 1967 St. Cloud französischer Journalist 1905–1908 Botschaftssekretär in Wien, danach Journalist, 1914–1931 außenpolitischer Leiter des »Matin«, dann von »Le Soir«.

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Savoia, M aria Fr ancesca di 26. Dezember 1914 Rom – 7. Dezember 2001 Mandelieu/Frankreich jüngste Tochter von Viktor Emanuel III. Scavenius, Erik 13. Juli 1877 Klintholm/Møn – 29. November 1962 Kopenhagen dänischer Diplomat und Politiker Studium der Politikwissenschaften, 1901 in den Auswärtigen Dienst, 1912–1913 Gesandter in Wien und Rom, Mitglied von »Det Radikalen Venstre« (deutsch »Die radikale Linke«, eine sozial-liberale Partei), Juni 1913 bis März 1920 Außenminister, Juli 1940 bis August 1943 Außenminister, 9. November 1942 bis 29. August 1943 (de iure bis 5. Mai 1945) parteiloser Ministerpräsident von Dänemark (seit August 1943 außer Funktion). Sch acht, Dr. phil. Hjalmar 22. Jänner 1877 Tingleff/Nordschleswig – 3. Juni 1970 München deutscher Politiker und Bankfachmann vielfältige Studien u. a. Volkswirtschaftslehre, ab 1903 in der Dresdner Bank, 1908– 1915 deren stellvertretender Direktor, 1909 Promotion zum Dr. phil., 1915–1922 Vorstandsmitglied der Nationalbank für Deutschland, 1918 Mitbegründer der »Deutschen Demokratischen Partei« (1926 Austritt), 1923 als Reichskommissär Stabilisierung der Währung, 1923–1930 Reichsbankpräsident (zurückgetreten), bewirtschaftete drei Jahre seinen Hof in der Mark Brandenburg, März 1933 bis 1939 Reichsbankpräsident, ab August 1934 bis November 1937 auch Reichswirtschaftsminister, Mai 1935 bis November 1937 gleichzeitig Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft, 1937 durch Verleihung des Goldenen Parteiabzeichens auch Mitglied der NSDAP, November 1937 Rücktritt als Reichswirtschaftsminister und Generalbevollmächtigter, Jänner 1939 Entlassung als Reichsbankpräsident, bis 1943 Reichsminister ohne Geschäftsbereich, 29. Juli 1944 Verhaftung wegen seiner Kontakte zur Widerstandsbewegung, bis April 1945 Internierung in den Konzentrationslagern Ravensbrück und Flossenbürg, im April 1945 in das KZ Dachau, von dort von der SS nach Niederdorf (Südtirol) gebracht, Oktober 1946 Freispruch im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher), 1947 von einer Spruchkammer als »Hauptschuldiger« eingestuft und zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt, nach der Aufhebung des Urteils durch eine Berufungskammer Entlassung im September 1948, danach Bankier sowie Wirtschafts- und Finanzberater. Sch acht, Luise 2. November 1874 – 25. Mai 1940 Berlin geborene Sowa

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Ehefrau von Hjalmar Schacht (1903), 1938 Trennung, überzeugte Nationalsozialistin. Sch acht, M anci 18. August 1907 Ungarn – 25. September 1999 München geborene Vogler Kunsthistorikerin 1941–1970 Ehefrau von Hjalmar Schacht. Sch äffer, Rich ar d 24. Oktober 1882 Wilkischen/Böhmen – 1943 Zagreb deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst (bei diversen Generalstäben), Ende 1917 Generalstabschef, im Zweiten Weltkrieg diverse Stabsstellungen. Sch arizer, K arl 30. Juli 1901 Freistadt/OÖ – 9. Juli 1956 Wien NS-Funktionär und Politiker Studium der Chemie an der Technischen Hochschule in Graz (ohne Abschluss), 1925–1926 Gaugeschäftsführer der Hitler-Jugend in Graz, 1927–1932 bei der Alpine-Montan-Gesellschaft in Donawitz, 1932 Gauleiter von Salzburg, Dezember 1932 bis September 1933 Mitglied des Bundesrats (NSDAP), 1933 Flucht nach Deutschland, Aberkennung der Staatsbürgerschaft, 1934–1935 ohne Beschäftigung, 1935–1936 für die NSDAP in München tätig, 1936–1938 Leiter des Amtes für Vermittlung und Betreuung im Rahmen des »Österreichischen Hilfswerkes« in Berlin, 1937 Mitglied der SS (Brigadeführer 1943), nach dem »Anschluss« 1938–1945 stellvertretender Gauleiter von Wien und Mitglied des Reichstags, Lagerhaft in der Sowjetunion, 1949 vom Volksgericht Wien in Abwesenheit zum Vermögensverfall verurteilt, das Verfahren wurde 1955 eingestellt. Scheel, Dr. med. Gustav A dolf 22. November 1907 Rosenberg/Baden-Württemberg – 25. März 1979 Hamburg deutscher Arzt und Politiker 1930 Mitglied des Nationalsozialistischen Studentenbundes, 1931/1932 Studentenführer in Heidelberg, 1934 von Baden, 1934 Mitglied der SS (SS-Gruppenführer 1937), 1936–1945 Reichsstudentenführer, 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 1940– 1941 Befehlshaber der Sicherheitspolizei im Elsass, Mai 1941 Polizeiführer beim Reichsstatthalter in Salzburg, Oktober 1941 Generalmajor der Polizei, November 1941 bis Mai 1945 Gauleiter und Reichsstatthalter von Salzburg, September 1944 Führer des Volkssturms von Salzburg, Mai 1945 von US-Truppen verhaftet und inter-

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niert, Dezember 1948 Prozess in Heidelberg, zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt, nach mehreren Verfahren und kurzen Haftperioden als Arzt bis 1977 in Hamburg tätig, in den 1950er-Jahren zentraler Verbindungsmann zu ehemaligen NS-Größen. Schelih a, Rudolf von 31. Mai 1897 Zessel/Oels/Schlesien – 22. Dezember 1942 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Diplomat 1915–1918 Kriegsdienst, 1918–1921 Jus-Studium, 1922 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1925 bis September 1926 an der Gesandtschaft in Prag, danach bis 1928 in Konstantinopel bzw. Ankara, 1929–1932 in Kattowitz, danach bis 1939 in Warschau, ab November 1939 im Auswärtigen Amt in der Informationsabteilung, Leitung des Referats XI/Bekämpfung der feindlichen Greuelpropaganda, 1941 Legationsrat I. Klasse, 29. Oktober 1942 Verhaftung, 14. Dezember 1942 Verurteilung zum Tod wegen Landesverrats (sammelte u. a. Beweise für die Massenmorde in Polen, um diese an die polnische Exilregierung und die Alliierten weiterzuleiten). Scheptyzk yj, Dr. jur. Dr. theol. A ndrej A lex ander 29. Juli 1865 Prylbytschi/Galizien – 1. November 1944 Lemberg Priester 1892 Priesterweihe (griechisch-katholisch), 1894 Promotion zum Dr. theol., 1898 Ernennung zum Bischof in der Ukraine, 1901–1944 Erzbischof von Lemberg und Metropolit der Griechisch-Katholischen Kirche in der Ukraine, trat gegen den Nationalsozialismus und die Judenmorde auf, unterstützte die deutschen Streitkräfte als Befreier von der sowjetischen Herrschaft. Schier, Dr. jur. Benjamin 28. Mai 1872 Wien – 8. März 1952 Wien Diplomat 1892 in den Staatsdienst im Rechnungsdepartement des Außenministeriums, in verschiedenen Dienststellen in der Monarchie verwendet, nach dem Ersten Weltkrieg Beamter im Pressedienst, 1930 in die Diplomatenliste aufgenommen, Juli 1933 Betrauung mit Agenden des Presseattachés an der Gesandtschaft in Berlin, 1935 Presseattaché, Oktober 1937 nach Budapest versetzt, er suchte im März 1938 unter Hinweis auf seine jüdische Abstammung und ein ärztliches Attest um Pensionierung und um Ausreise zu seinem Bruder nach Amsterdam an, Oktober 1938 wegen Verdachts der Amtsveruntreuung verhaftet, Ruhegenussbezüge November 1938 eingestellt, 1940 und 1942 wegen Verbrechens der Amtsveruntreuung zu fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt, ab 1. Mai 1945 wieder Pension erhalten, 1948 Freispruch nach Wiederaufnahme des Verfahrens.

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Schiffner, Dr. jur. Erh ar d 8. Jänner 1887 Pola/Istrien – 30. Juli 1964 Wien Diplomat 1904–1912 Jus- und Philosophie-Studium an der Universität Wien, 1913 Promotion zum Dr. jur., 1913 Eintritt in den Staatsdienst bei der Justizverwaltung, 1914–1920 im Militärjustizdienst, ab August 1920 Richter in Wien, 1928 in den Auswärtigen Dienst, Oktober bis Dezember 1930 an der Gesandtschaft in Paris, November bis Dezember 1933 Leiter der Gesandtschaftskanzlei und Konsularrichter in Kairo, im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten im Referat für Konsularrecht, 1938 Übernahme in den deutschen Auswärtigen Dienst, 1940 Mitglied der NSDAP, Oktober 1944 zum Volkssturm, 25. November 1944 in den einstweiligen Ruhestand, August 1947 als »Minderbelasteter« in den Ruhestand versetzt. Schilder, M a ximilian 28. Juli 1882 Bilin/Böhmen – 21. Juni 1941 Beamter Jus-Studium an der Universität Prag, 1909 Eintritt in den Staatsdienst bei der Statthalterei Prag, 1914–1918 Kriegsdienst, Jänner 1918 im Amt für Volksernährung, ab November 1918 im Staatsamt für Volksernährung, dem Wiener Kriegswucheramt zugeteilt, ab 1922 im Handelsministerium, 1929 Ministerialrat, 1937–1938 im Finanzministerium, Jänner 1939 in den Ruhestand versetzt. Schilling, Fr anz 11. Dezember 1910 Strebersdorf/NÖ – 3. Juni 1990 Wien Fußballer Stürmer in den 1920er-Jahren für den Wiener Sportklub, Anfang der 1930er-Jahre für den SK Rapid Wien, den WAC und den Fußballklub Austria Wien, 1936–1947 beim SK Admira Wien, mit seiner Mannschaft wurde er 1936 ÖFB-Cupsieger und 1937 Österreichischer Meister, nach dem »Anschluss« spielte er in der »Gauliga Ostmark«, der einheitlich höchsten Spielklasse im Deutschen Reich. Schir ach, Baldur von 9. Mai 1907 Berlin – 8. August 1974 Kröv/Rheinland-Pfalz deutscher Politiker Studium der Germanistik und Kunstgeschichte (ohne Abschluss), 1925 Mitglied der NSDAP, 1928–1930 Führer des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes, Oktober 1931 Reichsjugendführer der NSDAP, 1933 Jugendführer des Deutschen Reiches, 1936 Staatssekretär (Bemühen, die Kontrolle über die gesamte Jugenderziehung zu erlangen), 1939 freiwillig in die Wehrmacht, 1940 Teilnahme am Westfeldzug, August 1940 bis 1945 Gauleiter und Reichsstatthalter von Wien,

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Flucht, Juni 1945 stellte er sich, 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, Oktober 1966 entlassen. Schir ach, Henriet te (»Henny«) von 3. Februar 1913 München – 27. Jänner 1992 München geborene Hoffmann Tochter von Hitlers »Leibfotografen« Heinrich Hoffmann, Ehefrau von Baldur von Schirach (1932–1950), deutsche Schriftstellerin. Schit tenhelm, Rudolf 10. Oktober 1897 Wildgrub/Schlesien – 12. Mai 1945 Aussig (Suizid) Architekt und NS-Funktionär November 1938 Mitglied der NSDAP, Dezember 1938–1945 Kreisleiter der NSDAP im Landkreis Aussig im Reichsgau Sudetenland, November 1943 SA-Obersturmbannführer, 1944–1945 Mitglied des Reichstags, forderte in einer Ansprache an Studentinnen, sie mögen sich den Fliegern zur Verfügung stellen. Schleicher, Kurt von 7. April 1882 Brandenburg a. d. Havel – 30. Juni 1934 Potsdam (ermordet) deutscher Offizier und Politiker ab 1900 in der Preußischen Armee, 1910 zur Kriegsakademie, 1913 Hauptmann im Großen Generalstab, 1914–1918 Kriegsdienst (Generalquartiermeister der Obersten Heeresleitung), 1919 Übernahme in die Reichswehr, 1922 im Truppenamt Leiter der politischen Abteilung, 1926 Leiter der neugebildeten Wehrmachtsabteilung im Reichswehrministerium, 1929 Chef des Ministeramtes, Juni 1932 Reichswehrminister, Dezember 1932 bis 28. Jänner 1933 Reichskanzler, im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches ermordet. Schleinitz-Prokesch, Nikolaus 25. Februar 1895 Innsbruck – 5. August 1955 Bern Diplomat 1915–1917 Kriegsdienst, 1919 Konsularakademie absolviert, 1919 in den Auswärtigen Dienst, 1919–1921 in Stuttgart, Februar bis September 1921 am Generalkonsulat in München, September/November 1921 an der Gesandtschaft in Berlin, November 1921 bis November 1931 in München, 1931 bis Juli 1934 in der wirtschaftspolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes/Auswärtige Angelegenheiten, Juli bis August 1934 an der Gesandtschaft in Rom, April 1935 bis August 1939 in Prag, ab 14. März 1938 mit deren Liquidierung betraut, 1939 Übernahme in den Auswärtigen Dienst des Deutschen Reiches, ab April 1939 als Gesandtschaftsrat 1. Klasse beim Reichsprotektorat Böhmen und Mähren in Prag, August 1939 bis

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April 1941 an der deutschen Gesandtschaft in Reval (Tallinn), Juli 1940 Mitglied der NSDAP, Mai bis August 1941 im Auswärtigen Amt in Berlin, Dezember 1941 der deutschen Waffenstillstandsdelegation für Wirtschaft in Paris zugeteilt, Jänner bis März 1942 in der Abteilung Protokoll im Auswärtigen Amt in Berlin, März 1942 bis Mai 1945 als Generalkonsul Leiter der Konsularabteilung der deutschen Botschaft in Madrid, 1945 nicht zum Dienst gemeldet, Mai 1945 bis November 1947 ohne Verwendung, 1946 vorübergehend interniert im Lager Wolfsberg in Kärnten, 1947–1949 bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten, ab Jänner 1950 neuerlich im Auswärtigen Dienst in der Rechtsabteilung des Außenamtes, 1953–1955 ao. Gesandter und bev. Minister in Bern. Schlieben, K arl-Wilhelm von 30. Oktober 1894 Eisenach (Eifel) – 18. Juni 1964 Gießen deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, bis 1939 als Adjutant Mitglied des Stabs diverser Regimenter, 1940 Kommandeur eines Schützen-Regiments, 1943 Generalmajor und stellvertretender Führer einer Infanterie-Division, Einsatz im Osten, 1. Mai 1944 Generalleutnant, 23. Juni 1944 Kommandeur der Festung Cherbourg, 26. Juni 1944 Kapitulation, Juni 1944 in US-Gefangenschaft, in ein britisches Lager überstellt, 1947 aus Kriegsgefangenschaft entlassen. Schlosser, K arl 23. Dezember 1878 Zbraslav/Prag – 13. April 1957 Wien Beamter 1925–1938 Ministerialrat im Bundesministerium für Handel und Verkehr, Juli 1938 in den Ruhestand versetzt, 1945 rehabilitiert. Schlosser, K arl 13. April 1916 Wien –   ? Diplomkaufmann Mitglied der konservativ-katholischen Widerstandsgruppe »Österreichische Freiheitsbewegung« des Augustiner-Chorherrn Roman Karl Scholz, am 2. Dezember 1943 zu vier Jahren Zuchthaus und vier Jahren Ehrverlust verurteilt. Schmid, A lfred 12. Dezember 1892 Wien – 20. Februar 1975 Diplomat 1910–1916 Konsularakademie absolviert, August 1914 bis Februar 1916 Kriegsdienst, 1916 Konsularattaché in Hamburg, 1917 im Generalkonsulat Köln, in den Bundesdienst übernommen, ab 1921 an der Gesandtschaft in Rom, 1925–1929 im

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Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, 1930–1932 im Bundespressedienst, Mitglied der Vaterländischen Front, Februar 1938 Mitglied der SS, Übernahme in den deutschen Auswärtigen Dienst, nach Berlin in die Personal- und Verwaltungsabteilung, November 1939 Generalkonsul in Genua. Schmid, Heinrich (Heinz) 17. März 1888 Wien – 27. November 1968 Wien Diplomat 1906–1911 Konsularakademie, 1911 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1912–1913 beim Generalkonsulat in Skutari, 1913 in Üsküb, 1913/1914 in Valona, 1914–1916 in Bukarest, 1916–1917 in Bagdad 1917–1918 im Außenministerium, Mai bis November 1918 in Bukarest, 1919–1922 im Außenamt, 1922–1933 an der Gesandtschaft in Paris, 1933–1935 ao. Gesandter und bev. Minister in Bern, 1935–1937 in Belgrad, 1937–1938 in Warschau, Mai bis Oktober 1939 Tätigkeit bei der Preisbildungsstelle in Wien, 1940 Vorlesungstätigkeit an der Konsularakademie Wien, März 1941 Versetzung in den Wartestand, im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums Vortragsreise für die Fliegertruppen im besetzten Frankreich, ab Juli 1945 ständiger Vertreter des Amtes für die Auswärtigen Angelegenheiten bei der sowjetischen Delegation der Alliierten Kommission in Wien, Februar 1946 bis Jänner 1950 politischer Vertreter bzw. ab September 1947 ao. Gesandter und bev. Minister in London, Februar 1950 bis Juni 1953 Gesandter bzw. ab Dezember 1951 ao. und bev. Botschafter in Paris, Juli 1953 bis Februar 1954 ao. und bev. Botschafter in Bonn, ab 1939 Aufsichtsrat und Vorstandsmitglied einer Chemiefabrik und einiger Papierfabriken. Schmid, Leopold 1886 Straning/NÖ –   ? Priester 1912 Priesterweihe, während des Ersten Weltkrieges Kooperator in Kirchberg am Wagram und in Perchtoldsdorf, Prüfung für die Befähigung als Religionslehrer abgelegt, nach dem Krieg Pfarrer in der Rochuskirche, ab März 1919 Redner in Volksversammlungen (u. a. über »christlichen Kommunismus«, antisemitische und antimonarchistische Aussagen), 1924 Pfarrer in Pottendorf, 1934 Übernahme der Pfarre St. Rochus in Wien, Kurat, bis Juli 1938 Inspektor für Religionsunterricht, Distanzierung zum »Ständestaat«, Hinwendung zum Nationalsozialismus, erhielt Redeverbot, 1938 gemeinsam mit seinem Bruder Josef Schmid Unterzeichner des sogenannten »Schmerzensfreitagsbriefes«, Frühjahr 1939 spektakuläre Predigten und Vorträge, distanzierte sich auch vom Zölibat, 1. September 1944 in den Ruhestand versetzt, heiratete danach standesamtlich, lebte ab Oktober 1944 in Perchtoldsdorf, suspendiert und exkommuniziert (1954 aufgehoben).

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Schmidt, A rthur 25. Oktober 1895 Hamburg – 5. November 1987 Hamburg deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in die Reichswehr, 1937 Oberstleutnant, 1939 erster Generalstabsoffizier einer Armee, 1940 Oberst und Chef des Generalstabs des V. Armeekorps, 1942 Chef des Generalstabs der von Friedrich Paulus befehligten 6. Armee, 1943 Generalleutnant, in der Endphase der Schlacht weitgehende Übernahme der von Paulus geführten Armee, führte die Übergabeverhandlungen, unterzeichnete die Kapitulation der 6. Armee, ab 31. Jänner 1943 in sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1955 entlassen. Schmidt, Dr. jur. Guido 15. Jänner 1901 Bludenz/Vorarlberg – 5. Dezember 1957 Wien Diplomat und Politiker Jus-Studium, 1924 Promotion zum Dr. jur., 1925 Eintritt in den diplomatischen Dienst, 1925–1927 an der Gesandtschaft in Paris, ab 1928 Kabinettssekretär von Bundespräsident Wilhelm Miklas, 1933 Ernennung zum Kabinettsvizedirektor, 11. Juli 1936 bis 11. März 1938 Staatssekretär des Äußeren, 16. Februar 1938 in den Rang eines Ministers erhoben, ab 1. Juli 1938 Direktor der Hermann-Göring-Werke in Linz, Jänner 1940 als Beamter in den Ruhestand, 1945 inhaftiert, 1947 vom Volksgericht Wien vom Vorwurf des Hochverrats freigesprochen, bis 1957 Generaldirektor der »Semperit« Österreichisch-Amerikanischen Gummiwerke AG. Schmidt, Dr. H ans (Joh ann) 7. Dezember 1884 Bruck an der Mur –   ? Beamter 1925–1935 Ministerialrat im Bundesministerium für Handel und Verkehr, nach dem »Anschluss« Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammerabteilung in der Wirtschaftskammer Wien, Mitglied der Verwaltungskommission der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, Aufsichtsrat der Hypotheken- und Creditinstitut AG Wien. Schmidt, Dr. jur. Herbert 27. April 1887 Wien – 8. Juli 1959 Reichenau an der Rax/NÖ Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1911 Promotion zum Dr. jur., 1914 bis Juni 1918 Kriegsdienst, Juli 1918 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, November 1926 bis August 1930 an der Gesandtschaft in Sofia, September 1930 bis Oktober 1932 in Berlin, danach bis Oktober 1933 in Moskau, November 1933 bis August 1935 in Belgrad, danach bis Oktober 1936 in Bukarest, November 1936 bis Mai 1938

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Generalkonsul in Laibach, Juni 1938 bis April 1939 ohne Verwendung, April 1939 Versetzung gemäß Paragraf 5 der BBV, bis März 1940 Konzeptsbeamter der Reichsstatthalterei Wien, Mai 1940 bis März 1941 Haushaltsreferent der österreichischen Landesregierung (Abwicklung), 31. März 1941 Versetzung in den Wartestand, ab Juni 1945 im Präsidium der Staatskanzlei, November 1945 bis 1947 in der Abteilung 7 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, Oktober 1947 bis Jänner 1951 an der Gesandtschaft in Bukarest, Juli 1951 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Schmidt, M aria 14. Juni 1905 Triest/Italien – 29. September 1965 St. Anton am Arlberg/Tirol geborene Chiari Ehefrau von Guido Schmidt (1931). Schmidt, Dr. phil. Paul-Ot to 23. Juni 1899 Berlin – 21. April 1970 Gmund/Oberbayern deutscher Dolmetscher Studium neuerer Sprachen in Berlin, 1923 Promotion zum Dr. phil., im Fremdsprachenamt der Reichsregierung tätig, 1924–1945 Chefdolmetscher im Auswärtigen Amt, 1937 Mitglied der SS (Standartenführer 1940), 1938 Gesandter, 1940 Ministerialdirigent, Leiter des Ministerbüros, 1942 Mitglied der NSDAP, Mai 1945 von US-Truppen verhaftet, 1948 entlassen, 1950 von der Spruchkammer Miesbach als »Entlasteter« eingestuft, danach als Übersetzer tätig, 1952 Leiter eines Dolmetschund Sprachinstituts, 1965 Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens »wegen Mordes«, das nach seinem Tod endete. Schmit t, Dr. oec. publ. Walther 29. März 1907 München – gestorben nach 1961 deutscher Volkswirt und Journalist 1928 Mitglied der NSDAP und der SS (SS-Obersturmbannführer 1937), 1930 Promotion zum Dr. oec. publ., 1930 Redakteur des »Völkischen Beobachters« in München, Vertrauter von Alfred Rosenberg, ab 1933 in Berlin tätig, 1936 Dozent an der privaten Deutschen Hochschule für Politik in Berlin, März 1938 bis Februar 1941 stellvertretender Hauptschriftleiter des »Völkischen Beobachters« in Wien und Reichshauptstellenleiter beim SS-Hauptamt in Wien, ab 1941 Hauptbannführer und Chef des Grenz- und Auslandsamtes der Reichsjugendführung der Hitlerjugend, Jänner 1945 bei der Waffen-SS, nach 1945 publizierte er in renommierten deutschen Zeitschriften und Verlagen.

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Schmitz, Dr. jur. Bruno 13. Juni 1912 Wien – 25. September 1975 Linz Bankbeamter Sohn von Richard Schmitz, 1934 Präsenzdiener im Militärassistenzkorps des österreichischen Bundesheeres, 1937 Promotion zum Dr. jur., Bankbeamter, 1938 Einberufung in die Deutsche Wehrmacht, Einsätze in der Tschechoslowakei (Oktober 1938), in Polen, in der Sowjetunion, aus politischen Gründen als Offiziersanwärter nicht zugelassen, 1. Jänner 1942 Oberwachtmeister, Jänner bis August 1942 in verschiedenen Lazaretten, ab 15. Oktober 1942 (nach persönlicher Entscheidung des Stadtkommandanten von Wien, General Heinrich Stümpfl) Streifenführer im Erhebungsdienst bei der Heeresstreife Groß-Wien, ab 1. Jänner 1943 im Fahndungsdienst der Heeresstreife, 14. November 1944 Festnahme (wegen Hoch- und Landesverrats, Feindbegünstigung, Zersetzung der Wehrkraft, Vorschubleistung zur Fahnenflucht), Gestapohaft in Wien, 21. November 1944 Deportation in das KZ Mauthausen, 9. Dezember 1944 bis 15. Februar 1945 neuerliche Gestapohaft in Wien, 16. Februar 1945 bis 19. Mai 1945 KZ Mauthausen, bei der Befreiung des KZ Mauthausen am 7. Mai 1945 »Blockältester« der Österreicher, Rückkehr nach Wien, Öffentlicher Verwalter und Generalsekretär der Meisterkrankenkasse in Wien, Mai 1949 Verurteilung durch ein Wiener Schöffengericht wegen Unterschlagung zu zwei Jahren schweren Kerkers, danach bis Dezember 1951 im Stift St. Florian, ab Dezember 1951 bis zu seinem Tod in Psychiatrischen Krankenhäusern. Schmitz, Elisabeth M aria 26. November 1923 Wien – 12. Februar 1984 Innsbruck Tochter von Richard Schmitz, 1941 Matura an der Staatlichen Oberrealschule für Mädchen im 3. Wiener Gemeindebezirk, Boerhaavegasse 15, Studium an der Kunstgewerbeschule, 1947 Diplom der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien. Schmitz, Dipl.-Chem. Ernst 5. November 1918 Wien – 6. Jänner 1985 Mistelbach/NÖ Chemiker und Kunststofftechniker Sohn von Richard Schmitz, Studium der Chemie an der Universität Wien, Oktober 1940 Abschluss des Studiums als Dipl.-Chem., 1940–1945 bei der Deutschen Wehrmacht (Russland und Serbien), ab 1. Dezember 1942 Unteroffizier, 1945 Wiederaufbau des »Technologischen Gewerbemuseums« (TGM) in Wien, 1953 Leiter der Staatlichen Technisch-Chemischen Versuchsanstalt für Materialprüfung und Materialschutz, 1957 Gründung des Laboratoriums für Kunststofftechnik am TGM, 1963 erster Fachvorstand der Höheren Lehranstalt für Kunststofftechnik, 1983 Pensionierung, wissenschaftlicher Konsulent der Gesellschaft zur Förderung

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der Kunststofftechnik, 1986 Errichtung eines »Ernst-Schmitz-Preises« für junge Kunststofftechniker und Kunststofftechnikerinnen zur Erinnerung an den Pionier der Ausbildung in dieser Fachrichtung. Schmitz, Dr. jur. H ans 25. Februar 1897 Wien – 20. März 1970 Wien Kammerfunktionär und Universitätsprofessor Bruder von Richard Schmitz, 1922 Promotion zum Dr. jur. an der Universität Wien, 1918–1934 Referent für Sozialpolitik beim Volksbund der Katholiken Österreichs, ab April 1934 Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes und der Wiener Arbeiterkammer, Dezember 1935 Bestellung zum Generalsekretär der Pensionsversicherungsanstalt der Privatangestellten, 1938 Entlassung, Beschäftigung bei einer Steuerberatungskanzlei, 1940 zur Luftwaffe eingezogen (1940–1941 in Finnland und Norwegen, 1942 in Münster, Juni 1942 Felixdorf, 1943–1945 in Wien), 1945 mit dem Wiederaufbau der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten betraut, 1948 Habilitation für Sozialrecht an der Universität Wien, 1963 Ordinarius für Arbeitsund Sozialrecht an der Universität Wien. Schmitz, M arth a 13. März 1926 Wien – 17. Oktober 1989 Wien Tochter von Richard Schmitz, Schülerin an der Staatlichen Oberrealschule für Mädchen im 3. Wiener Gemeindebezirk, Boerhaavegasse 15. Schmitz, Rich ar d 14. Dezember 1885 Müglitz/Mähren – 27. April 1954 Wien Politiker (ChP) Jus-Studium an den Universitäten Wien und Innsbruck, Redakteur der »Christlichsozialen Arbeiterzeitung«, 1908 Chefredakteur des »Allgemeinen Tiroler Anzeigers«, 1910 Redakteur der »Reichspost«, 1911 Direktor der wissenschaftlichen Zentralstelle des Katholischen Volksbundes, 1914–1918 Kriegsdienst, Dezember 1918 bis 1923 Mitglied des Wiener Gemeinderats, 1920–1934 Abgeordneter zum Nationalrat, Mai 1922 bis November 1924 Bundesminister für soziale Verwaltung, Oktober 1926 bis Mai 1929 Bundesminister für Unterricht, September bis Dezember 1930 Vizekanzler und mit der Leitung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung betraut, September 1933 bis Februar 1934 Bundesminister für soziale Verwaltung, Landesführer der Vaterländischen Front in Wien, Februar 1934 Bestellung zum Regierungskommissär für Wien, 16. Februar bis 10. Juli 1934 Bundesminister ohne Portefeuille, 1934–1938 Bürgermeister von Wien, 1934–1938 Mitglied des Länderrats und des Bundestags, 12. März 1938 Verhaftung, Verschleppung in die KZ Dachau, Flossenbürg und in das Lager Reichenau/Innsbruck, von dort im April

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1945 als SS-Geisel nach Niederdorf (Südtirol) gebracht, 4. Mai 1945 von US-Truppen befreit, bis Jänner 1946 auf der Insel Capri bzw. in Rom, März 1946 Generaldirektor des Herold Druck- und Verlagshauses. Schneeberger, A nna 1903 Lahnsattel/St. Ägyd am Neuwalde/NÖ – 27. Mai 1985 Wien Ehefrau von Pius Schneeberger (1923). Schneeberger, K arl 12. September 1899 Wien – 31. Dezember 1971 Wien Angestellter und Politiker 1915–1935 Betriebsleiter der Firma Rauscher & Co, 1927 Mitglied der NSDAP, wegen illegaler Tätigkeit für die NSDAP Oktober 1935 verhaftet, zu achtzehn Monaten Arrest verurteilt, amnestiert, arbeitslos, Mai 1939 bis März 1945 Ratsherr der Stadt Wien, Gauamtsleiter der Deutschen Arbeitsfront, 1942–1945 Beirat in wirtschaftlichen Unternehmungen, ab August 1945 in Weyer/Oberösterreich, März 1946 bis November 1947 in Haft, 1947 in Linz zu einem Jahr schwerem Kerker und Vermögensverfall verurteilt, in Wien 1947 ein Verfahren eingestellt, lebte ab 1948 in Obertraun, ab 1950 in Wien. Schneeberger, Pius 10. Juli 1892 Neuwald/St. Ägyd am Neuwalde/NÖ – 15. Februar 1969 Wien Gewerkschafter und Politiker (SdP) ab 1906 Forstarbeiter, 1924–1934 Obmann des Land- und Forstarbeiterverbandes, Vorsitzender der Gewerkschaft der Land- und Forstarbeiter, ab 1931 Mitglied des Bundesvorstandes des Bundes Freier Gewerkschaften Österreichs, 1923–1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1934 und 1944 in politischer Haft, mehrfache Anhaltungen, ab 1936 Holzarbeiter in einem Forstbetrieb der Familie Hoyos, Dezember 1945 bis Dezember 1962 Abgeordneter zum Nationalrat, 1945–1948 Obmann des Land- und Forstarbeiterverbandes. Schneider, A lbert 19. Oktober 1872 Nicolsburg/Mähren –   ? Inhaber der Firma Schneider & Wolkenberg. Schneider, (Dr.   ? ) , Siegbert ?  –   ? 1940/1941 Oberbürgermeister von Eger.

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Schober, Joh annes 14. November 1874 Perg/OÖ – 9. August 1932 Baden/NÖ Politiker 1894 Beginn eines Jus-Studiums, 1898 Eintritt in den Polizeidienst, 1914 Betrauung mit der Leitung der Staatspolizei, ab Juni 1918 Leiter der Bundespolizeidirektion Wien, 1918 Ernennung zum Hofrat, ab November 1918 Polizeipräsident von Wien, Juni 1921 bis Mai 1922 Bundeskanzler, Juni 1921 bis Jänner 1922 gleichzeitig Außenminister, Jänner 1922 kurz Bundesminister für Inneres und Unterricht, Mai 1922 kurz Finanzminister, September 1929 bis September 1930 Bundeskanzler, September bis Oktober 1929 Unterrichts- und Finanzminister, Juni 1930 Handelsminister, Dezember 1930 bis Jänner 1932 Vizekanzler und Außenminister, Mai bis Juni 1931 Justizminister, Dezember 1930 bis August 1932 Abgeordneter zum Nationalrat (Nationaler Wirtschaftsblock) Schödl, Leo (Leopold) 25. Oktober 1899 Wien – 16. Februar 1967 Wien Journalist Chauffeur, kaufmännische Kurse, bei verschiedenen nationalsozialistischen Zeitschriften tätig, 1932 Mitglied der NSDAP, beim Juli-Putsch 1934 als »ehrenamtlicher« Taxifahrer Putschisten chauffiert, zwei Jahre inhaftiert, Schriftleiter der »Volks-Zeitung«, ab 16. Juni 1938 Schriftleiter (Lokalreporter) der Wiener Ausgabe des »Völkischen Beobachters«, Beisitzer des Bezirksgerichts der Presse Wien, 1943 Anklage wegen Plagiats (des jüdischen Schriftstellers Alfred Polgar), Jänner 1944 Verurteilung, Dienst in der Wehrmacht, Februar 1945 krank gemeldet, bei Kriegsende in britische Gefangenschaft, lebte in England, 1955 Rückkehr nach Österreich. Schoeller, Dr. mont. h. c. Philipp A lois 4. Jänner 1892 Czakowitz/Böhmen – 8. Juni 1977 Salzburg Bankier und Industrieller 1914–1918 Kriegsdienst, Studien an der technischen Hochschule Prag und Berlin (Eisenhüttenwesen), Gesellschafter und Leiter des Bankhauses Schoeller & Co, Vorsitzender des Verbandes der Hüttenwerke Österreichs, wurde 1933 von seinem Onkel Richard Schoeller zum Universalerben des Familienimperiums erwählt, 1. Mai 1938 Mitglied der NSDAP, Beirat im Gauwirtschaftsamt, 1939 Wehrwirtschaftsführer, Mai 1939 bis März 1945 Ratsherr der Stadt Wien, zahlreiche Wirtschaftsfunktionen, u. a. auch Aufsichtsrat der Brauerei Schwechat, Mai 1945 bis Juni 1947 Haft, Schoeller & Co unter öffentlicher Verwaltung, März 1948 durch Volksgericht Wien zu zwei Jahren schwerem Kerker und Vermögensverlust verurteilt, 1951 Wiederaufnahme und Einstellung des Verfahrens, 1958 erneut Gesellschafter und Leiter von Schoeller & Co.

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Schoeller, Rich ar d 13. August 1871 Czakowitz/Böhmen – 22. Juni 1950 Wien Bankier und Industrieller Studium der Agrarwissenschaften an der Universität Halle, ab 1900 Gesellschafter des Bankhauses Schoeller & Co, 1920 Universalerbe des gesamten Firmenimperiums, zahlreiche Wirtschaftsfunktionen, u. a. 1938 Stellvertreter des Vorstands des Aufsichtsrats der Brauerei Schwechat, Unterstützer der NSDAP. Schön von Platen keine Information. Schönaich, Fr anz X aver von 27. Februar 1844 Wien – 26. Jänner 1916 Wien Offizier 1858 Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, 1865–1867 Kriegsschule Wien, 1868 in den Generalstab, 1887–1895 Erzherzog Albrecht zur persönlichen Dienstleistung zugeteilt, 1895 Feldmarschallleutnant und Divisionskommandant, ab 1899 Sektionschef und Stellvertreter des Ministers im Reichskriegsministerium, 1905 k. k. Minister für Landesverteidigung, 1906–1911 k. u. k. Kriegsminister, September 1911 in den Ruhestand versetzt, nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges sozial tätig, u. a. 1914 Gründung des Militär-Witwen- und Waisenfonds. Schönburg keine Information 80 Tage in Schutzhaft. Schönburg-H artenstein, Ernestine (M aria Sophia Joh anna) 12. Juli 1900 Rothen-Lhotta/Böhmen – 14. Oktober 1990 Wien Tochter von Johann Schönburg-Hartenstein, Ehefrau von Ludwig Marenzi (1930). Schönburg-H artenstein, Joh ann 12. September 1864 Enzersfeld/NÖ – 30. März 1937 Wien Diplomat 1882–1886 Jus-Studium an der Universität Wien, 1887 in den Auswärtigen Dienst, 1887–1888 an der Botschaft in St. Petersburg, 1888–1892 in Paris, 1893–1895 in St. Petersburg, 1895 Geschäftsträger in Stockholm, 1895–1898 an der Botschaft in Konstantinopel, 1898–1903 an der Gesandtschaft in Bukarest, 1904–1906 Botschafter in London, 1906–1911 Gesandter in Bukarest, März 1911 bis Mai 1915 Botschafter beim Heiligen Stuhl, danach bis November 1918 im Exil in der Schweiz.

Biografien

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Schöner, Dr. rer. pol. Dr. jur. Josef 18. Februar 1904 Wien – 9. März 1978 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1929 und 1932 Promotionen, im Justizdienst, 1933 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, Februar bis August 1934 in den USA, Jänner 1935 bis März 1938 in der politischen Abteilung des Bundeskanzleramtes/Auswärtige Angelegenheiten, Sekretär des Politischen Direktors Theodor Hornbostel, März 1938 bis März 1939 im deutschen Auswärtigen Dienst, März 1939 Versetzung in den Ruhestand, 1939–1941 Tätigkeit im elterlichen Gaststättenbetrieb, Oktober 1941 bis August 1943 in der Wehrmacht, 1943–1945 bei der Heeresstandortverwaltung in Wien, 30. April 1945 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, 1945–1947 Verwendung in der politischen Abteilung, ab September 1947 Legationsrat bei der politischen Vertretung in London, Mai 1948 bis März 1950 in Washington, März 1950 bis Juni 1953 Generalkonsul in Düsseldorf, Februar 1952 ao. Gesandter und bev. Minister, Juli 1953 bis 1955 Leiter der politischen Abteilung im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, Berater und Mitarbeiter von Außenminister Karl Gruber und dessen Nachfolger Leopold Figl, September 1955 Bestellung zum Generalsekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten, April 1958 bis Februar 1966 ao. und bev. Botschafter in Bonn, Februar 1966 bis März 1970 ao. und bev. Botschafter in London, 31. März 1970 Versetzung in den dauernden Ruhestand, ab 1971 Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und internationale Beziehungen, ab 1973 Generalsekretär des Österreichischen Komitees bei der UNICEF. Schönerer, Georg Rit ter von 17. Juli 1842 Wien – 14. August 1921 Schloss Rosenau/NÖ Gutsbesitzer und Politiker 1873–1888 Reichsratsabgeordneter, 1878–1883 Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag, 1879 verließ er den »Deutschen Fortschrittsclub«, ab 1879 Führer der deutschnationalen Bewegung in Österreich, 1880 Gründungsmitglied des Deutschen Schulvereins, 1882 an der Abfassung des deutschnationalen Linzer Programms beteiligt, 1888 Aberkennung des Adelstitels (bis 1917) und Haft, 1897 bis 1907 erneut Reichsratsabgeordneter. Schöningh, A lmut 18. Jänner 1904 Aurich/Niedersachsen – 28. November 1991 Wien deutsche Opernsängerin aus der Paderborner Verleger-Familie Schöningh, heiratete standesamtlich am 7. September 1941 Johannes Hollnsteiner.

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Scholz, Roman 16. Jänner 1912 Mährisch-Schönberg – 10. Mai 1944 Wien (hingerichtet) Priester und Widerstandskämpfer Mitglied des sudetendeutschen katholischen Jugendbundes, Nähe zum Nationalsozialismus, 1930 Eintritt in das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg, 1936 Priesterweihe, in der Jugendseelsorge tätig, schriftstellerisch tätig, 1936 nach Besuch des Reichsparteitags Abkehr vom Nationalsozialismus, Herbst 1938 Gründung der ersten Widerstandsgruppe in Österreich unter dem Namen »Deutsche Freiheitsbewegung«, 1939 umbenannt in »Österreichische Freiheitsbewegung« mit dem Ziel der Aufklärung der Bevölkerung und dem Sturz des Regimes, Austritt aus dem Deutschen Reich und Wiedererrichtung eines Staates Österreich, nach Verrat im Juli 1940 verhaftet, am 23. Februar 1944 zum Tode verurteilt. Schröder, H ans 20. Oktober 1899 Brüel/Mecklenburg – 8. Jänner 1965 Konstanz deutscher Diplomat Kaufmann, 1925 in den mittleren Auswärtigen Dienst, Dezember 1928 Konsulatssekretär bei der Gesandtschaft in Kairo, März 1933 Mitglied der NSDAP, Ortsgruppenleiter von Alexandrien, 1934 Landesgruppenleiter von Ägypten, Jänner 1937 stellvertretender Personalchef (zuständig für den mittleren Dienst), 1938 Personaldezernent (für die Höheren Beamten zuständig), April 1939 stellvertretender Leiter der Personal- und Verwaltungsabteilung, Februar 1941 Ministerialdirektor und Leiter der Personal- und Verwaltungsabteilung, nach Kriegsende interniert, im Nürnberger Prozess Zeuge, danach in der Wirtschaft tätig, in den 1950er-Jahren Personalchef des Bundesnachrichtendienstes. Schubert, A lbrecht 23. Juni 1886 Marienwerder/Westpreußen – 26. November 1966 Bielefeld deutscher Offizier 1904 Eintritt in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in die Reichswehr, April 1938 bis September 1939 Kommandeur einer Infanterie-Division, Oktober 1939 bis Juli 1942 Kommandierender General des XXIII. Armee-Korps, Februar bis August 1943 Befehlshaber im Wehrkreis XI (Hannover), August 1943 bis April 1945 Befehlshaber im Wehrkreis XVII (Wien), April bis Mai 1945 in der »Führerreserve«. Schulenburg, Gr af Friedrich Werner von der 20. November 1875 Kemberg – 10. November 1944 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Diplomat

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Jus-Studium, 1897–1900 im Gerichtsdienst, 1901 in den Auswärtigen Dienst (konsularischer Dienst), 1903–1906 Konsulatstätigkeit in Barcelona, Lemberg, Prag und Neapel, 1907 Vizekonsul in Warschau, 1911 Konsul in Tiflis, 1914 Kriegsdienst, Mitte 1915 Konsul im Nahen Osten, 1918 bei der deutschen Delegation im Kaukasus, 1919 in der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, 1922 Gesandter in Teheran, 1931–1934 in Bukarest, 1934 Mitglied der NSDAP, 1934–1941 Botschafter in Moskau, Juli 1941 Leiter des Russland-Referats in der Politischen Abteilung, Mitglied des Russland-Gremiums im Auswärtigen Amt, seit 1942 Annäherung an militärische und zivile Kreise des Widerstands, aktiv bei der Vorbereitung des Juli-Attentats auf Adolf Hitler, August 1944 verhaftet, im Oktober 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet. Schüller, Dr. Rich ar d 27. Mai 1870 Brünn/Mähren – 14. Mai 1972 Georgetown/Washington Nationalökonom und Diplomat Jus-Studium und Nationalökonomie an den Universitäten Wien, Paris und London, 1896–1898 stellvertretender Sekretär des Niederösterreichischen Gewerbevereins, 1898 in den Staatsdienst im Handelsministerium, 1910 Ernennung zum ao. Professor für Nationalökonomie an der Universität Wien, 1918 Übernahme in das Staatsamt für Äußeres und Bestellung zum Leiter der Handelspolitischen Sektion, Jänner 1919 Sektionschef, 1919 Mitglied der österreichischen Delegation bei den Friedensverhandlungen in St. Germain, ab 1926 zeitweise Präsident des ökonomischen Komitees des Völkerbundes, 1930 Professor an der Universität Wien, 1932 Sondervertreter beim Völkerbund, 1933–1938 ao. Gesandter und bev. Minister beim Generalsekretariat des Völkerbundes, 14. März 1938 vom Dienst beurlaubt, 1. September 1938 Versetzung in den dauernden Ruhestand, Juli 1938 Flucht nach Italien, 1940 in die USA, aktiv für »Free Austrian Movement« und weitere Widerstandsgruppen, bis 1952 Professor für Nationalökonomie an der New School for Social Research in New York. Schünemann, Ot to 6. Oktober 1891 Bad Doberan/Mecklenburg – 29. Juni 1944 bei Pagost/Beresina/ Weißrussland deutscher Offizier ab 1910 im Garde-Korps in Berlin, 1914–1918 Kriegsdienst, März 1920 aus der Reichswehr verabschiedet, Übertritt zur Polizei in Berlin, 1930 beim Kommando der Schutzpolizei, 1933 Personal-Referent im Stab des Befehlshabers der Landespolizei, 1935 Kommandeur der Landespolizei-Abteilung in Düsseldorf, März 1936 Übernahme in die Wehrmacht, Kommandeur von Infanterie-Regimentern, September 1942 in die »Führerreserve« versetzt, Oktober 1942 Kommandeur der 337. Infan-

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terie-Division, die bei der russischen Sommeroffensive 1944 vernichtet wurde (Mai 1943 Generalleutnant), am 28. Juni 1944 als Nachfolger des gefallenen Generals Robert Martinek mit der Führung des XXXIX. Panzerkorps beauftragt, bei Luftangriffen von sowjetischen Fliegern getötet. Schumacher, Dr. jur. Josef 14. November 1894 Wien – 11. Juni 1971 Innsbruck Politiker 1912 Jus-Studium, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919/1920 in der Invalidenentschädigungskommission, 1920 Promotion zum Dr. jur., 1920 in den Tiroler Landesdienst, November 1933 Bezirkshauptmann von Landeck, Mitglied der Tiroler Heimwehr, lose Verbindung zur Christlichsozialen Partei, März 1935 bis März 1938 Landeshauptmann von Tirol, April 1935 bis März 1938 Mitglied des Länderrats und des Bundestags, März 1938 abgesetzt, bis Juli 1938 inhaftiert, Ende März 1939 pensioniert, August bis Oktober 1944 erneut inhaftiert, zum Volkssturm eingezogen, bei Kriegsende von italienischen Partisanen gefangen genommen, März 1947 Wiedereintritt in den Tiroler Landesdienst, Jänner 1956 Landesamtsdirektorstellvertreter, Jänner 1958 bis Dezember 1959 Landesamtsdirektor. Schuschnigg, Dr. phil A rtur Hermann 21. Juni 1904 Wien – 3. September 1990 Natters/Tirol Kunsthistoriker und Rundfunkmitarbeiter Studium der Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck, 1928 Promotion zum Dr. phil., 1929 wissenschaftliche Hilfskraft am Tiroler Landesmuseum »Ferdinandeum«, 1931 zum Tyrolia Verlag, 1933–1938 Programmleiter der Schallplattenabteilung der Radio Verkehrs AG, 1938 entlassen, 1939 Kustos am Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin, 1945 Programmleiter von Radio Tirol in Innsbruck, ab 1955 Leiter der Musikabteilung des Österreichischen Rundfunks, Bruder von Kurt Schuschnigg. Schuschnigg, Dr. jur. Kurt 14. Dezember 1897 Riva del Garda/Trento – 18. November 1977 Mutters/Tirol Politiker (ChP) 1915–1918 Kriegsdienst, Jus-Studium an der Universität Innsbruck, ab 1927 Rechtsanwalt in Innsbruck, Tätigkeit im Katholischen Volksverein für Tirol, 1927 bis 2. Mai 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1930 Gründer der Ostmärkischen Sturmscharen, Jänner 1932 bis September 1933 Bundesminister für Justiz, Mai bis September 1933 betraut mit der vorläufigen Fortführung der Geschäfte des Bundesministeriums für Unterricht, September 1933 bis 29. Juli 1934 Bundesminister für Unterricht, September 1933 bis 10. Juli 1934 betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Justiz, 29. Juli 1934 bis 11. März 1938 Bundeskanzler, 29. Juli 1934 bis 14. Mai

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1936 betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Unterricht sowie des Bundesministeriums für Heereswesen, 14. Mai 1936 bis 11. März 1938 betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Landesverteidigung, 1938–1945 Internierung in verschiedenen Konzentrationslagern, 3. Mai 1945 Befreiung durch US-Truppen, lebte zunächst in Rom, ab 1947 in den USA, 1948 Professor an der Katholischen Universität St. Louis/USA, Dezember 1967 Rückkehr nach Österreich. Schuschnigg, M arianne 24. Oktober 1911 Stolberg/Rheinland – 14. März 1994 Wien geborene Urlichs Ehefrau von Artur Schuschnigg (1977). Schuschnigg, Ver a 4. Juni 1904 München – 18. September 1959 Kirkwood/Missouri/USA geborene Czernin von und zu Chudenitz 1924–1936 mit Leopold Fugger von Babenhausen verheiratet (1936 staatliche Scheidung, 1937 kirchliche Annullierung), Ehefrau von Kurt Schuschnigg (1938). Schuster keine Information Kaufmann in der Stadiongasse. Schuster, Dipl.-Ing. H ans 2. März 1893 Rattimau/Mähren –   ? Industrieller Vorsitzender des Verwaltungsrats der Simmering-Graz-Pauker AG für Maschinen, Kessel- und Waggonbau, Wien. Schuster, Leopold 26. Mai 1906 Bezirk Hollabrunn/NÖ –   ? NS-Funktionär illegales Mitglied der NSDAP, SA-Sturmbannführer, 1938–1945 Kreisleiter von Hollabrunn, nach 1945 Volksgerichtsverfahren (Prozesse wegen »Arisierung«, Denunziation und Endphasen-Verbrechen), im November 1948 zu 15 Jahren schweren Kerkers verurteilt. Schüt telt ?  –   ? 1940 Ministerialdirektor im Reichsinnenministerium.

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Schuwalow, Pëtr A ndreevič (Šu valov) 27. Juni 1827 St. Petersburg – 22. März 1889 St. Petersburg russischer Politiker und Diplomat. Schwagula, Dr. jur. K arl 6. Februar 1886 Graz – 4. Februar 1968 Rankweil/Vorarlberg Diplomat 1904–1909 Konsularakademie, Jus-Studium an der Universität Wien, 1909 Promotion zum Dr. jur., 1909 in den Auswärtigen Dienst, 1909–1912 am Generalkonsulat in Beirut, 1912–1914 in Alexandrien, 1914–1918 in der Rechtsektion des Außenministeriums, 1921–1923 in der Abteilung für Rechtsschutz, 1925 Bestellung zum Leiter der Rechtsschutzabteilung im Bundekanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, ab 22. März 1938 als Vortragender Legationsrat in den deutschen Dienst übernommen, in der Rechtsschutzabteilung im Auswärtigen Amt in Berlin, 1941 Mitglied der NSDAP, März 1943 Sonderbeauftragter bei der »Deutsch-italienischen Sonderkommission für Siebenbürgen«, 21. September 1944 der Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Wien zugeteilt, 1945 nicht zum Dienst gemeldet wegen »Zugehörigkeit zur NSDAP«, 1947 in den dauernden Ruhestand. Schwanke, Dr. phil. Dr. jur. Robert 1. September 1910 Wien – 7. Jänner 1994 Wien Archivar Studium der Rechtswissenschaften und Geschichte an der Universität Wien, 1933 Promotion zum Dr. phil. und 1939 zum Dr. jur., 1938–1945 Beamter im Haus-, Hofund Staatsarchiv (Beteiligung an der Plünderung jugoslawischer Archive), nach 1945 am Österreichischen Ost- und Südosteuropainstitut. Schwarzenberg, Familie Schwarzenberg, Dr. jur. A dolph 18. August 1890 Frauenberg/Böhmen – 27. Februar 1950 Bordighera/Italien Großgrundbesitzer Jus-Studium und Welthandel an der Universität Prag, 1914 Promotion zum Dr. jur., 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1921 Verwaltung des Familienbesitzes, ab 1938 Oberhaupt des fürstlichen Hauses Schwarzenberg, Gegner des NS-Regimes 1939 Emigration nach Italien, 1941 in die USA, sein gesamtes Vermögen im Reichsgebiet (Deutschland, Österreich und Protektorat Böhmen und Mähren) 1940 auf persönlichen Befehl Heinrich Himmlers durch die Gestapo enteignet, 1945–1947 Rückstellung des Eigentums, 1947 durch Lex Schwarzenberg wird der Besitz in der Tsche-

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choslowakei Staatseigentum, auch der Besitz in Österreich blieb unzugänglich, da im sowjetisch besetzten Teil Österreichs, lebte in Italien. Schwerin von K rosigk, Joh ann Ludwig 22. August 1887 Rathmannsdorf/Anhalt – 4. März 1977 Essen deutscher Finanzpolitiker Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1920 im Reichsfinanzministerium tätig, 1929 Ministerialdirektor und Leiter der Etats-Abteilung, Juni 1932 bis April 1945 Reichsfinanzminister, 1937 durch Annahme einer Parteiehrung Mitglied der NSDAP, ab 2. Mai 1945 Außenminister, 1945 von den Alliierten verhaftet, 1949 im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) zu zehn Jahren Haft verurteilt, 1951 entlassen, danach als Publizist tätig. Schwinner, A lfred 19. Februar 1891 Wien – 5. Februar 1970 Bodensdorf/Kärnten Diplomat 1914–1916 Kriegsdienst, 1917 Konsularakademie absolviert, 1917 Eintritt in den diplomatischen Dienst, 1917–1920 Vizekonsul am Generalkonsulat in München, 1920 Dienst in Wien und für die Tiroler Zeitung »Alpenland« tätig, 1921–1924 Leiter der Pass-Stelle in Krakau, 1924–1926 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, 1927–1930 an der Gesandtschaft in Warschau, 1930–1931 in Sofia, 1932 Mitglied der NSDAP, 1932–1933 im Außenamt, 1933–1938 an der Gesandtschaft in Moskau, 1938–1941 an der deutschen Botschaft in Moskau, 1939 Übernahme in den Auswärtigen Dienst, 1941–1942 Leiter des Konsulats in San Remo, 1942 Leiter des Konsulats in Lausanne, 1942–1945 im Auswärtigen Amt in Berlin, 1944 Krankenurlaub in Lausanne, im März 1945 aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden (wegen dauernden Aufenthalts außerhalb des Deutschen Reiches ohne Zustimmung der Behörde), 1945 Rückkehr nach Österreich. Schdanow, A ndrei A lex androwitsch (Ždanov, A ndrej A leksandrovič) 26. Februar 1896 Mariupol – 31. August 1948 Moskau sowjetischer Politiker ab 1916 Kriegsdienst, 1918 Kreislandwirtschaftssekretär, 1918–1920 Politagitator in der Roten Armee, Redakteur der Zeitung »Twerskaja Prawda«, 1930 Mitglied des ZK, ab 1939 Mitglied des Politbüros, 1934–1944 Gebiets- und Stadtsekretär der Parteiorganisation Leningrads, galt als »Säuberer«, Juni 1940 in Estland, um eine sowjetfreundliche Regierung zu installieren, während der Leningrader Blockade durch die Deutsche Wehrmacht Generaloberst im Kriegssowjet der Stadt, 1944– 1947 Vorsitzender der Alliierten Kontrollkommission für Finnland, nach 1945 Vertreter einer repressiven Kulturpolitik (»Schdanowschtschina«).

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Sebekovsk y, Dr. jur. Wilhelm 24. Juni 1906 Jechnitz/Böhmen – 12. März 1981 Essen sudetendeutscher Politiker 1933 Mitbegründer der Sudetendeutschen Heimatfront, 1935 in »Sudetendeutsche Partei« umbenannt, ab 1933 Leiter des Presseamtes der Partei in Prag, 1935–1938 Mitglied des Abgeordnetenhauses der tschechoslowakischen Nationalversammlung, ab 1935 Mitglied der Hauptleitung und des Führungsrats der Partei, Herbst 1938 Mitglied der NSDAP, Ende 1938 bis 1940 Regierungspräsident des Regierungsbezirkes Eger mit Sitz in Karlsbad (offiziell bis 1945 im Amt, doch entmachtet) zur Wehrmacht eingezogen, nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst unter falschem Namen, dann Rechtsanwalt in Essen, Mitbegründer des rechtsextremen, sudetendeutschen »Witikobundes«. Seemann, Rudolf 16. März 1889 Wiener Neustadt – 19. April 1958 Wien Diplomat 1914 Konsularakademie absolviert, 1914 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, auf zahlreichen diplomatischen Posten tätig u. a. in Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, Budapest, Prag, Oktober 1933 bis Dezember 1938 Stellvertreter des Gesandten Stefan Tauschitz und politischer Referent in der Gesandtschaft Berlin, 31. Dezember 1938 Versetzung in den dauernden Ruhestand, 1942–1945 in der Wirtschaft tätig, stellvertretender Direktor der Szolyva AG für Holzverkohlung und der Clothilde AG für chemische Industrie in Prag und Budapest, 30. April 1945 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, Juli 1945 Betrauung mit der Leitung des Wirtschaftspolitischen Referats, Oktober bis Dezember 1945 Mitglied der Kommission für Rückführungs- und Flüchtlingsangelegenheiten im Staatsamt für Inneres, Jänner 1946 bis März 1947 an der Gesandtschaft in Budapest, März 1947 bis September 1948 ao. Gesandter und bev. Minister in Bern, Dezember 1948 bis August 1950 in Prag, September 1950 bis Februar 1954 in Den Haag, Februar 1954 bis Februar 1955 in Lissabon, Dezember 1955 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Seidler, Friedrich Joh ann 22. Mai 1875 Wien – 1. August 1936 Wien Diplomat 1898–1900 Statthalterei Innsbruck, 1903 Eintritt in Auswärtigen Dienst, auf zahlreichen diplomatischen Posten tätig u. a. in Madrid, Rio de Janeiro, Santiago, Stuttgart, Bern, 1922 Leiter des Generalkonsulats Hamburg. Seidler, M aria 16. Juli 1881 Paris –   ?

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geborene Maria del Carmen Merry López de la Torre Ehefrau von Friedrich Johann Seidler (1911). Seipel, Dr. theol. Ignaz 19. Juli 1876 Wien – 2. August 1932 Pernitz/NÖ Priester und Politiker (ChP) ab 1895 Studium der Katholischen Theologie an der Universität Wien, 1899 Priesterweihe, 1903 Promotion zum Dr. theol., 1908 Habilitation an der Universität Wien, 1909–1917 Professor für Moraltheologie an der Universität Salzburg, ab 1917 Professor an der Universität Wien, 27. Oktober bis 11. November 1918 Minister für soziale Fürsorge, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, November 1920 bis 1. August 1932 Abgeordneter zum Nationalrat, 1921–1930 Obmann der Christlichsozialen Partei, Mai 1922 bis November 1924 und Oktober 1926 bis Mai 1929 Bundeskanzler, 1924 durch ein Attentat schwer verletzt, September bis Dezember 1930 Bundesminister für Äußeres. Seitz, K arl 4. September 1869 Wien – 3. Februar 1950 Wien Politiker (SdP/SPÖ) Lehrer, 1897 Obmann des Zentralvereins der Wiener Lehrerschaft, 1897 aus dem Schuldienst entlassen, 1901 Reichsratsabgeordneter, 1902 Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag, Oktober 1918 bis Februar 1919 Mitglied und Präsident der Provisorischen Nationalversammlung, 10. Oktober 1918 bis 9. Dezember 1919 Präsident des Staatsdirektoriums (Staatsoberhaupt), März 1919 bis November 1920 Mitglied und seit 5. März 1919 Präsident der Konstituierenden Nationalversammlung, November 1920 bis 17. Februar 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1920–1934 Obmann der Sozialdemokratischen Partei, November 1923 bis 12. Februar 1934 Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, Februar 1934 Inhaftierung, 20. Juli 1944 Verhaftung durch die Gestapo, 1944–1945 Internierung im KZ Ravensbrück, Dezember 1945 bis 3. Februar 1950 Abgeordneter zum Nationalrat, 1945–1946 Mitglied des Bundesparteivorstands. Seldte, Fr anz 29. Juni 1882 Magdeburg – 1. April 1947 Fürth deutscher Unternehmer und Politiker 1908 Leiter der Seldte & Co Essenzfabrik in Magdeburg-Sudenburg, 1914–1916 Kriegsdienst (schwer verwundet), 1917 in der militärischen Abteilung des Auswärtigen Amtes tätig, Frontberichterstatter, Juni bis November 1918 Leiter der Auslandsstelle des Bild- und Filmamtes, 1919 Gründer und Bundesführer des rechtsgerichteten Wehrverbands »Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten« (1933 Auflösung),

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1924 Gründung des Stahlhelm-Verlags (ab 1926 Frundsberg-Verlag), veröffentlichte 1929–1931 eine Kriegstrilogie, Jänner 1933 bis Mai 1945 Reichsarbeitsminister, März 1933 bis Juli 1934 zugleich Reichskommissar für den Freiwilligen Arbeitsdienst, 1933–1945 Mitglied des Reichstags, April 1933 Mitglied der NSDAP, Juli 1933 Mitglied der SA (Obergruppenführer August 1933), 1941 SS-Brigadeführer, ab 1942 Entzug zentraler Kompetenzen, bei Kriegsende inhaftiert, starb noch vor Anklageerhebung im Nürnberger Prozess. Serr ano Súñer, R amón 12. September 1901 Cartagena – 1. September 2003 Madrid spanischer Rechtsanwalt und Politiker Schwager Francos, 1933 Jugendführer eines Rechtsverbandes, 1936 verhaftet, 1937 aus dem Gefängnis geflohen, 1938–1941 Innenminister, 1939 Generalsekretär der Falange, Propagandaminister, Oktober 1940 bis September 1942 Außenminister, 1944 aus der Politik geschieden. Seton-Watson, Robert William (Pseudonym  : Scotus Viator) 20. August 1879 London – 25. Juli 1951 Skye britischer Historiker Studium an der Universität Oxford, Abschluss in Neuerer Geschichte, Studienreisen nach Berlin, Paris, Italien und Wien, wo er unter dem Pseudonym »Scotus Viator« für das britische Nachrichtenmagazin »The Spectator« schrieb, zahlreiche Publikationen zum politischen System Österreich-Ungarns (Minderheitenprobleme, für Auflösung der Monarchie), mit Tomáš Garrigue Masaryk befreundet, während des Ersten Weltkrieges im Department of Propaganda in Enemy Countries, ab 1915 lehrte er an Universität London Osteuropäische Geschichte, 1922–1945 Professor für Mitteleuropäische Geschichte (finanziert von der tschechoslowakischen Regierung), 1945–1949 Professor für Tschechoslowakei-Studien an der Universität Oxford. Seut ter-Lötzen (Seut ter-Loetzen) , Joh ann A dam 10. Juli 1897 – 27. Juli 1934 bei Millstatt/Kärnten (erschossen) Gutsbesitzer erster Ehemann von Jertha Georgine Pawlowski, geborene Rainer zu Harbach, Gutsbesitzer aus Seebach bei Spittal, Mitbesitzer der 1932 geschlossenen Seutterschen Pappenfabrik, Mitglied des Heimatschutzes, 27. Juli 1934 im Zuge des Juli-Putsches tödlich verwundet bei Kämpfen in Millstatt gegen Nationalsozialisten. Seydlitz (-Kurzbach) , Walther von 22. August 1888 Hamburg – 28. April 1976 Bremen deutscher Offizier

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1908 Eintritt in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, Übernahme in die Reichswehr, 1925 Chef einer Ausbildungs-Batterie in Schwerin, ab 1929 Adjutant des Chefs des Heeres-Waffenamtes im Reichswehrministerium, ab 1933 bis September 1939 bei einem Artillerie-Regiment in Verden, danach Artilleriekommandeur in Potsdam, ab Mai 1940 bis 1941 im Westfeldzug Kommandeur der 12. Infanterie-Division, Juni 1941 bis März 1942 mit seiner Division beim Angriff auf die Sowjetunion, März 1942 Führer der Gruppe Seydlitz, General der Artillerie (Juni 1942), 25. Jänner 1943 Befehl zur Kapitulation des von ihm befehligten Armeekorps bei Stalingrad, ab 31. Jänner 1943 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, setzte sich vergeblich für die Aufstellung eines Korps aus gefangenen deutschen Soldaten ein, das auf Seiten der Anti-Hitler-Koalition kämpfen sollte, an der Gründung des »Bundes Deutscher Offiziere« am 11./12. September 1943 im Gefangenenlager Lunjowo bei Moskau beteiligt, dessen Präsident, der Bund schloss sich dem bereits im Juli 1943 gegründeten »Nationalkomitee Freies Deutschland« (ein Zusammenschluss kriegsgefangener deutscher Soldaten und Offiziere mit exilierten deutschen Kommunisten) an, 1950 zum Tode verurteilt, dann zu fünfundzwanzig Jahren Zwangsarbeit, 1955 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Seyß-Inquart, Dr. jur. A rthur 22. Juli 1892 Stannern/Iglau/Mähren – 16. Oktober 1946 Nürnberg (hingerichtet) Rechtsanwalt und Politiker Jus-Studium an den Universitäten Innsbruck und Wien, 1914–1918 Kriegsdienst, 1917 Promotion zum Dr. jur., ab 1918 Rechtsanwalt in Wien, 1921–1938 eigene Kanzlei, aktiv im nationalen Flügel der Heimwehr, seit 1931 Kontakte zu den Nationalsozialisten, aktiv in NS-Vorfeldorganisationen, auch Kontakte zu katholischen und großdeutschen Gruppen, 1933/1934 Mitglied der SS, Juni 1937 bis 22. Februar 1938 Mitglied des Staatsrats, mit der »Befriedung« der nationalen Kreise beauftragt, nach dem Berchtesgadener Abkommen 16. Februar bis 11. März 1938 Bundesminister mit der sachlichen Leitung der Angelegenheiten der inneren Verwaltung und des Sicherheitswesens betraut, 11. bis 15. März 1938 Bundeskanzler und Minister für Landesverteidigung, nach dem Rücktritt von Bundespräsident Wilhelm Miklas am 13. März 1938 Übernahme dessen Agenden, danach bis Mai 1938 Vorsitzender der noch bestehenden österreichischen Landesregierung, 12. März 1938 Aufnahme in die SS als Gruppenführer auf Vorschlag Heinrich Himmlers (Obergruppenführer 1941), 13. März 1938 Mitglied der NSDAP, 24. Mai 1938 bis 30. April 1939 Reichsstatthalter der »Ostmark«, Mai 1939 bis Oktober 1939 Minister ohne Geschäftsbereich, 12. Oktober 1939 Stellvertreter des Generalgouverneurs für Polen, 18. Mai 1940 bis Mai 1945 Reichskommissar der Niederlande, 4. Mai 1945 Festnahme in Hamburg, 1946 im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) verurteilt und hingerichtet, 1948 in einem Verfahren vor dem Volksgericht wurde sein Vermögen für verfallen erklärt.

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Seyß-Inquart, Gertrud 23. November 1894 Wien –   ? geborene Maschka Ehefrau von Arthur Seyß-Inquart (1916). Shir atori, Toshio 8. Juni 1887 Präfektur Chiba/Japan – 3. Juni 1949 Tokyo (im Gefängnis) japanischer Diplomat 1929–1933 im Außenministerium, 1933–1936 Gesandter in Stockholm, 1938–1940 in Rom, dann Berater im Auswärtigen Amt, 1946 von einem Internationalen Militärgerichtshof wegen Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Sikitsch keine Information. Sikorski, Wła dysław Eugeniusz (La dislaus) 20. Mai 1881 Tuszów Narodowy/Mielec/Galizien – 4. Juli 1943 bei Gibraltar (Flugzeugabsturz) polnischer Offizier und Politiker im Ersten Weltkrieg aktiv in der Polnischen Legion, 1919 Generalquartiermeister einer Heeresgruppe, im Polnisch-Sowjetischen Krieg verschiedene Kommandoposten, 1921 Generalstabschef, Dezember 1922 bis Mai 1923 polnischer Ministerpräsident und Innenminister, 1923–1924 Generalinspekteur der Infanterie, Februar 1924 bis November 1925 Heeresminister, 1925 Befehlshaber des VI. Korps/Wehrbereich Lemberg, Differenzen mit Piłsudski, 1928 Abberufung, nach Paris, bis 1939 Offizier ohne Aufgaben, September 1939 bis Juli 1943 Ministerpräsident einer Exilregierung (in Paris, dann in London), 7. November 1939 Oberster Befehlshaber und Generalinspekteur der polnischen Streitkräfte, bei einem Flugzeugabsturz getötet. Sima, Horia 3. Juli 1906 Mândra/Siebenbürgen – 25. Mai 1993 Madrid rumänischer Politiker Lehrer für Logik und Philosophie, ab 1938 Führer der faschistischen und antisemitischen »Eisernen Garde«, Frühjahr 1939 Flucht nach Deutschland, Mai 1940 kurz an der Grenze zu Rumänien verhaftet, Juli bis September 1940 Minister für Kultur und Kulte, nach der erzwungenen Abdankung von König Carol II. gemeinsam mit Ion Antonescu die Diktatur des sogenannten »Nationallegionären Staates« errichtet, September 1940 bis Jänner Vizepremier, nach dem Jänner-Aufstand 1941 (Zerschlagung der »Eisernen Garde«) ins Exil nach Deutschland, bis August 1944 »Ehrenhäftling« im »Fichtenhain« im KZ Buchenwald, Dezember 1944 bis Mai 1945 Mi-

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nisterpräsident einer pronazistischen rumänischen Nationalregierung in Wien bzw. Altaussee, nach 1945 Flucht unter dem Namen »Josef Weber«, lebte weitgehend unbehelligt in Italien, Frankreich und Spanien. Simon, John A llsebrook ( Viscount) 28. Februar 1873 Manchester – 11. Jänner 1954 London britischer Politiker ab 1906 liberaler Abgeordneter, 1915/1916 Innenminister, 1927–1930 Vorsitzender der Kommission für die indische Verfassungsreform, 1931–1940 Gründer und Führer der »National-Liberalen Partei«, 1931–1935 Außenminister, 1935–1937 Innenminister, 1937–1940 Schatzkanzler, 1940–1945 Lordkanzler. Simović, Dušan T. 28. Oktober 1882 Belgrad – 26. August 1962 Belgrad jugoslawischer Offizier und Politiker 1914 Kommandeur des serbischen Fliegerkorps, dann Befehlshaber einer Armee, ab 1919 Generalstabschef in verschiedenen Militärbezirken, 1936 Befehlshaber der jugoslawischen Luftstreitkräfte, zuletzt Armeegeneral und Generalstabschef der Armee, März 1941 durch Staatsstreich Ministerpräsident, im April 1941 nach der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen Flucht mit seiner Regierung nach Großbritannien, bis Jänner 1942 Premierminister der Exilregierung, 1946 Rückkehr nach Jugoslawien, im Ruhestand. Sinzinger, A dolf 29. Jänner 1891 Suben/OÖ – 15. Juni 1974 Wels/OÖ Offizier Militärlaufbahn, 1914–1918 Kriegsdienst, Übernahme in das Bundesheer, 1925 Mitglied der NSDAP (und Austritt), 1932 neuerlich Mitglied der NSDAP, Mitglied einer illegalen SA-Brigade, aktiv beim Juli-Putsch 1934, 1936 Mitbegründer des »Nationalsozialistischen Soldatenrings«, dort 1937 Gauleiter der westlichen und nördlichen Divisionsbereiche, nach dem »Anschluss« 1938 in die Deutsche Wehrmacht übernommen, Jänner bis Februar 1942 Kampfkommandant in der russischen Stadt Welisch, Februar bis November 1942 Kommandant einer Infanterie-Division, 1943 Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP, 15. März 1944 Stadtkommandant von Wien, leistete am 20. Juli 1944 den telegrafierten Befehlen der Verschwörer um Stauffenberg Folge, ließ die obersten Parteifunktionäre verhaften, nach dem Scheitern des Putsches am 29. Juli 1944 als Stadtkommandant abgesetzt und in Haft, bei Kriegsende von US-Truppen befreit, auf einer Liste von Kriegsverbrechern, über eine Anklage oder Verurteilung gibt es keine Informationen.

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Sizzo-Noris, Gustav Heinrich M aria 14. Februar 1873 Trient – 1. Februar 1943 Wien Diplomat 1897 Eintritt in den Staatsdienst, 1899 Konsularattachéprüfung, 1899 am Konsulat in Bukarest, 1903 in Berlin, Oktober bis November 1904 interimistischer Gerent in Amsterdam, ab 1904 in London, 1907–1914 in London, August bis September 1914 im Außenministerium, September 1914 als Vertreter des Außenministeriums dem Roten Kreuz zugeteilt, 1917–1919 Ordentliches Mitglied der Österreichischen Politischen Gesellschaft, 1919 in den Stand der Verfügbarkeit versetzt, Ende Juli 1921 Pension eingestellt, italienischer Staatsbürger, 1925 in Rom Adelsanerkennung als »Conte del Sacro Romano Impero«, 1933–1943 Statthalter für Österreich des Ordens der Ritter vom Heiligen Grab. Skła dkowski, Felicjan Sławoj 9. Juli 1885 Gabin/Polen – 31. August 1962 London polnischer Arzt und Politiker bis 1911 Studium der Medizin an der Universität Krakau, Arzt in Sosnowiec, ab 1914 in der Polnischen Legion, als »Kaisereidverweigerer« 1917 verhaftet, 1919–1920 im Polnisch-Sowjetischen Krieg für die medizinische Versorgung des polnischen Heeres zuständig, 1924 Leiter des militärischen Gesundheitsdienstes, als Vertrauter Józef Piłsudskis ab Mai 1926 mehrfach Innenminister, ab 1930 Abgeordneter des Sejm, ab 1931 stellvertretender Verteidigungsminister, Mai 1936 bis September 1939 Ministerpräsident und Innenminister. Skorzeny, Dipl.-Ing. Ot to 12. Juni 1908 Wien – 5. Juli 1975 Madrid Offizier 1926–1931 Studium an der Technischen Hochschule Wien (Maschinenbau), Mai 1932 Mitglied der NSDAP, 1934 Mitglied der SS, 1937 Gründung einer Firma, 1939 Mitglied der Waffen-SS, zuletzt im Rang eines SS-Obersturmbannführers der Reserve, Februar 1940 zur SS-Leibstandarte Adolf Hitler (Elitetruppe der Waffen-SS) einberufen, 1941 Teilnahme am Balkan- und Russlandfeldzug, 1943 mit dem Aufbau einer Agentenschule für Sondereinsätze beauftragt, befreite mit Angehörigen der Waffen-SS und des Fallschirmjäger-Lehrbataillons am 12. September 1943 Mussolini, Oktober 1944 in Ungarn verwendet, Dezember 1944 als Kommandeur bei der Ardennenoffensive, ab Februar 1945 Divisionsführer an der Oderfront, ab 31. März 1945 Aufbau der »Alpenfestung« in Österreich, ab 15. Mai 1945 Kriegsgefangenschaft, Juli 1948 Flucht nach Spanien.

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Skubl, Dr. jur. Mich ael 27. September 1877 Bleiburg/Kärnten – 24. Februar 1964 Wien Polizeibeamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1906 in den Polizeidienst der Stadt Wien, 1913–1918 Stellvertreter des Polizeidirektors in Laibach, danach Einberufung nach Wien, Februar 1919 bis September 1929 Kommandant der berittenen Wachabteilung, 1929–1933 Zentralinspektor der Wiener Sicherheitswache, März 1933 bis September 1934 Polizeivizepräsident, Juli 1934 Generalinspizierender der Bundespolizeibehörde Österreichs, 30. Juli 1934 Betrauung mit der provisorischen Leitung der Bundespolizeidirektion Wien und mit der Führung der Agenden des Sicherheitsdirektors für Wien, September 1934 bis 12. März 1938 Polizeipräsident, März 1937 bis 13. März 1938 Staatssekretär im Bundeskanzleramt für das Sicherheitswesen, 13. März 1938 Ablösung durch Ernst Kaltenbrunner, von SS und Polizei unter Hausarrest gestellt, 24. Mai 1938 Deportation nach Kassel, bis 1944 Aufenthalt in Kassel, 1944 Übersiedlung nach Frankfurt am Main, 1946 Rückkehr nach Österreich, 1947 Zeuge im Hochverratsprozess vor dem Wiener Volksgericht gegen Guido Schmidt. Slameczk a, Dr. Hellmuth 25. April 1901 Wien – 6. Juli 1988 Wien Beamter 1938 Ministerialsekretär in der Budgetabteilung des Bundeskanzleramtes, Juli 1947 Ministerialrat, 1955 Präsident der Finanzprokuratur, September 1966 in den Ruhestand. Smolle, Dr. jur. Kurt 24. November 1885 Brünn – 27. Jänner 1960 Wien Beamter ab 1910 im Staatsdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, 1932 Mitglied der NSDAP, nach dem »Anschluss« Ministerialrat im Präsidium des Amtes des Reichsstatthalters in Wien, Oktober 1947 als »Minderbelasteter« in den dauernden Ruhestand versetzt. Smuts, Jan Christia an 24. Mai 1870 Bovenplaats/Riebeek West/Kapkolonie – 11. September 1950 Irene/ Pretoria südafrikanischer Offizier und Politiker 1898–1900 Generalstaatsanwalt der Burenrepublik Transvaal, 1900–1902 General im Burenkrieg, ab 1910 Innenminister der Südafrikanischen Union, im Ersten Weltkrieg Befehlshaber der südafrikanischen Streitkräfte gegen die deutschen Kolonialschutztruppen, 1917 Mitglied des britischen Kriegskabinetts, 1919 Vertreter der Südafrikanischen Union bei den Friedensverhandlungen in Paris, 1919–1924

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Ministerpräsident, 1933–1939 Justizminister, 1939–1948 Ministerpräsident der Südafrikanischen Union, während des Zweiten Weltkrieges enge Zusammenarbeit mit Churchill, 1945 Mitbegründer der Vereinten Nationen. Soddu, Ubaldo 23. Juli 1883 Salerno – 25. Juli 1949 Rom italienischer Offizier 1927–1930 Chef-Instruktor an der Kriegsschule, 1933–1934 Kommandeur der Zentralen Infanterieschule, 1934–1936 Kabinettschef im Kriegsministerium, 1936–1937 Kommandierender Generaloffizier der 21. Infanteriedivision, Dezember 1937 bis November 1940 stellvertretender Chef des Generalstabs des Heeres, 1939 Generalleutnant, November 1939 bis November 1940 Unterstaatssekretär für Krieg, Juni bis November 1940 stellvertretender Chef des Obersten Generalstabs, November bis 30. Dezember 1940 Oberbefehlshaber des Generalstabs Albaniens, am 9. November 1940 als neuer Oberbefehlshaber im Italienisch-Griechischen Krieg, danach bis Mai 1941 dem Kriegsministerium unterstellt, 1. Mai 1941 Versetzung in den Ruhestand. Sommaruga, Dr. jur. Heinrich 28. April 1884 Wien – 8. August 1949 Kirchberg am Walde/NÖ Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1908 Promotion zum Dr. jur., 1908 in den Staatsdienst bei der Niederösterreichischen Statthalterei, 1909 Übernahme in den Auswärtigen Dienst, 1911–1914 in Athen, 1914–1915 Rom, 1915–1917 Stockholm, Februar/April 1917 Washington, 1917–1919 Stockholm, 31. Oktober 1919 Versetzung in den zeitlichen Ruhestand, 1. März 1920 reaktiviert, in verschiedenen Abteilungen des Außenamtes, September 1933 bis Mai 1938 ao. Gesandter und bev. Minister in Stockholm, 31. Oktober 1938 Versetzung in den dauernden Ruhestand mit Kürzung des Ruhegenusses, 30. Dezember 1946 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst als Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, September 1947 ao. Gesandter und bev. Minister. Sonnleithner, Dr. jur. Dr. rer. pol. Fr anz 1. Juni 1905 Salzburg – 18. April 1981 Ingelheim am Rhein/Rheinland-Pfalz Beamter Jus-Studium an den Universitäten Wien und Innsbruck, 1928 Promotion zum Dr. jur. und Dr. rer. pol., ab 1929 im Dienst der Polizeidirektion Wien, 1932 in Salzburg, danach im Bundeskanzleramt, 1932 Mitglied der NSDAP, 1934 Versetzung in das Bundeskanzleramt (Chiffredepartement), im September 1934 in Wien verhaftet, 1936 wegen Hochverrats und Missbrauchs der Amtsgewalt verurteilt, am 12. Februar 1938 amnestiert (als Folge des Berchtesgadener Abkommens), März 1938 Polizeikommis-

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sar beim Reichsstatthalter in Wien, Oktober 1938 Legationssekretär im Auswärtigen Amt, 1939 Legationsrat im Ministerbüro, April 1941 im Rang eines Vortragenden Legationsrats, März 1943 Gesandter 1. Klasse als Ministerialdirigent, ab März 1943 Teilnahme als Vertreter des Reichsaußenministers an den Lagebesprechungen im Führerhauptquartier, blieb beim Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 unverletzt, April 1945 bis 1948 in verschiedenen US-Internierungslagern, danach in der Privatindustrie in Ingelheim. Sosnkowski, K azimierz 19. November 1885 Warschau – 11. Oktober 1969 Arundel/Québec/Kanada polnischer Offizier und Politiker 1904 Eintritt in die Kampforganisation der »Polnischen Sozialistischen Partei« (»Polska Partia Socjalistyczna«), August 1906 an den Kämpfen des sogenannten »Blutigen Mittwochs« beteiligt, Verfolgung durch russische Behörden, 1907 Auslandsreisen, Abschluss eines technischen Studiums in Lemberg, aktiv in Kampforganisationen für ein unabhängiges Polen, 1914–1916 Kriegsdienst als Stabschef der Polnischen Legion, danach bis Juli 1917 Leiter des Kriegsdepartements bei der provisorischen polnischen Regierung, Juli 1917 bis November 1918 in Deutschland interniert, März 1919 bis Mai 1920 Vizeminister im Kriegsministerium, nach dem Sieg über die Rote Armee im Sommer 1920 Kriegsminister und Mitglied des Verteidigungsrats, 1925 ständiger Vertreter Polens beim Völkerbund auf der Internationalen Waffenhandelskonferenz in Genf, setzte sich für Verbot von biologischen Waffen ein, nach dem Staatsstreich Piłsudskis im Mai 1926 distanziertes Verhältnis zu diesen, März 1927 bis September 1939 Armeeinspekteur in Warschau, nach dem Überfall auf Polen im Oktober 1939 in Paris, bis Juli 1941 Oberbefehlshaber der polnischen Untergrundstreitkräfte, ab Juli 1943 Oberbefehlshaber der polnischen Armee, im Herbst 1944 Reise zu seinem Sohn nach Kanada, wo er blieb. Speer, A lbert 19. März 1905 Mannheim – 1. September 1981 London Architekt und Politiker 1928 Diplomprüfung, Universitätsassistent, 1931 Mitglied der NSDAP und der SA, selbständiger Architekt in Mannheim, ab 1932 Bauaufträge der NSDAP, 1936 Professorentitel, 1937 Generalbauinspektor für Berlin, 1938 Berufung in den Preußischen Staatsrat, 1941–1945 Mitglied des Reichstags, Februar 1942 bis September 1943 Reichsminister für Bewaffnung und Munition, September 1943 bis 30. April 1945 Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher) zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt, die er in BerlinSpandau absaß, Ende September 1966 entlassen, 1969 Erinnerungen veröffentlicht, 1975 seine Aufzeichnungen aus der Haft.

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Spellman, Fr ancis 4. Mai 1889 Whitman/Plymouth County/Massachusetts – 2. Dezember 1967 New York US-Priester Studium der Katholischen Theologie in Rom, 1916 Priesterweihe, im Erzbistum Boston tätig, 1925 Attaché des Vatikanischen Staatssekretariats, 1932 Weihbischof in Boston, 1939 Erzbischof von New York, Dezember 1939 Militärerzbischof der USA, 1946 Kardinal. Sperrle, Hugo 7. Februar 1885 Ludwigsburg – 2. April 1953 Landsberg/Lech deutscher Offizier 1904 in den Militärdienst, 1914–1918 Kriegsdienst (Fliegeroffizier), 1919 im »Freikorps Lüttwitz«, dann Übernahme in die Reichswehr, ab 1925 u. a. Tätigkeit im Reichswehrministerium, 1935 Befehlshaber im Luftgau V (München), 1936/1937 Kommandeur der Legion »Condor« (ließ Guernica bombardieren), ab 1. Juli 1938 Oberbefehlshaber der Luftflotte 3 im Westen, Generalfeldmarschall (1940), 1944 Leitung der Luftoperationen zur Abwehr der alliierten Invasion, 23. August 1944 Entlassung, 1948 im Nürnberger Prozess (Oberkommando der Wehrmacht-Prozesse) und in einem anschließenden Entnazifizierungsverfahren freigesprochen. Spitzl, Bruno (Rudolf Engelbert) 12. April 1887 Tepl/Böhmen – 7. Februar 1962 Maria Plain/Salzburg Priester 1905 Eintritt in den Benediktinerorden in Salzburg, Studium der Theologie in Salzburg, 1909 Priesterweihe, 1910–1914 Kooperator in Abtenau, 1914–1918 Feldkurat, 1918–1930 Stiftskämmerer seines Klosters, 1930 Pfarrer in Rußbach am Pass Gschütt, 1931–1954 Pfarrvikar in Wien-Dornbach, 1954 Wallfahrt-Priester im Benediktinerprioriat Maria Plain bei Bergheim, hatte bis 1938 Kontakte zu Seyß-Inquart und 1945/1946 zu Glaise-Horstenau. Spitzy, Dr. med. H ans 21. Dezember 1872 St. Leonhard/Steiermark – 22. Juli 1956 Wien Arzt Medizin-Studium an der Universität Graz, 1896 Promotion zum Dr. med., bis 1906 Assistent an der Grazer Universitäts-Kinderklinik, Studien in Würzburg und USA, 1906 Leiter der von ihm gegründeten chirurgisch-orthopädischen Abteilung an der Grazer Kinderklinik, 1914 Übersiedlung nach Wien, 1914–1918 Oberstabsarzt, 1923 Ordinarius an der Universität Wien und Direktor des Orthopädischen Spitals.

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Spitzy, Dr. med. Dr. phil. K arl Hermann 10. November 1915 in Wien – 26. Mai 2013 in Baden bei Wien Arzt 1933–1939 Medizin- und Philosophie-Studium an der Universität Wien, parallel Ausbildung zum technischen Werkmeister, bereits »illegales« Mitglied der NSDAP und der Waffen-SS (Hauptsturmführer 1943), 1945 Chefarzt für Innere Medizin im Krankenhaus Peine/Hannover, 1946 an die I. Medizinische Universitäts-Klinik in Wien, erfolgreich bei Penicillin-Forschungen, 1955 Gründung einer Forschungsstelle für Antibiotika, 1962 Dozent, 1970 ao. Professor, 1973–1987 ordentlicher Professor an der Universität Wien, 1982–1991 Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien, 1994 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Wien, zahlreiche Funktionen in medizinischen Gesellschaften, umfangreiche Publikationstätigkeit. Spitzy, Reinh ar d 11. Februar 1912 Graz – 2. November 2010 Maria Alm am Steinernen Meer/Salzburg NS-Funktionär 1928–1930 Mitglied des Steirischen Heimatschutzes (Nationale), 1931 Mitglied der NSDAP und SA, 1932 Mitglied der SS, Juli bis Ende 1933 an der Aeromathematischen Anstalt Lindenberg/Mark, nahm 1934 an der Vorbereitung zum Juliputsch teil, 1936–1938 Sekretär des deutschen Botschafters in London (Joachim von Ribbentrop), mit dem er 1938 ins Auswärtige Amt zurückkehrte, 1939 Attaché, Adjutant und persönlicher Referent von Außenminister Ribbentrop in Wien, März 1939 Entlassung aus dem Reichsdienst, Mai bis September 1939 Vertretung von US-Unternehmen in Deutschland, bis Sommer 1941 Sonderführer des Amtes Ausland/Abwehr des OKW (Wilhelm Canaris), August 1942 Exportreferent der deutschen Waffenmission in Spanien, offizieller Vertreter von Škoda, nachrichtendienstliche Tätigkeit, ab 1943 im Reichssicherheitshauptamt, 1945 in spanischen Klöstern versteckt, 1948 Flucht nach Argentinien, ab Jänner 1958 wieder in Österreich. Spoleto, A imone Herzog von Aosta und Spoleto 9. März 1900 Turin – 29. Jänner 1948 Buenos Aires/Argentinien Titularkönig des Unabhängigen Staates Kroatien Angehöriger des italienischen Herrscherhauses Savoyen (ein Cousin Viktor Emanuels III.), 1941–1943 als Tomislav II. designierter Titularkönig des Unabhängigen Staates Kroatien, trat diese Funktion jedoch nicht an. Srbik, Dr. phil. Heinrich 10. November 1878 Wien – 16. Februar 1951 Ehrwald/Tirol Historiker

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Studium an der Universität Wien, 1901 Promotion zum Dr. phil., 1904 Eintritt in den Dienst der Universitätsbibliothek Wien, 1904–1912 Mitglied der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, 1907–1912 Privatdozent für Geschichte an der Universität Wien, seit 1912 ao. Professor für Geschichte an der Universität Graz, 1917 Ernennung zum o. Professor, 1922–1945 o. Professor für Geschichte an der Universität Wien, Mitglied der antisemitischen Professorenclique »Bärenhöhle«, Oktober 1929 bis September 1930 Bundesminister für Unterricht, 1. Mai 1938 als Mitglied der NSDAP geführt (damit als »Illegaler« anerkannt), 1938–1945 Mitglied des Reichstags, 1938–1945 Präsident der Akademie der Wissenschaften, 1942–1945 Präsident der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1945 kurz in französische Haft, verlor seinen Lehrstuhl, 1951 Kandidat des »Verbandes der Unabhängigen« für die Wahl zum Bundespräsidenten. Stalin, Josef (eigentlich Iosif Vissarionovič Džugašvili) 18. Dezember 1878 oder 21. Dezember 1879 Gori/Georgien – 5. März 1953 Moskau sowjetischer Politiker ab 1899 Agitator in der kaukasischen Untergrundbewegung, 1917–1923 Volkskommissar für Nationalitätenfragen und für Staatskontrolle, 1917–1953 Mitglied des Zentralkomitees des Politbüros der Kommunistischen Partei, 1919–1922 Volkskommissar der Arbeiter- und Bauerninspektion im Bürgerkrieg, April 1922 bis 1953 Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, ab 1941 Oberbefehlshaber der Roten Armee, ab Mai 1941 Vorsitzender des Rats der Volkskommissare der UdSSR, ab 30. Juni 1941 Vorsitzender des Staatlichen Verteidigungskomitees, März 1943 Ernennung zum Marschall, Juni 1945 Ernennung zum Generalissimus, ab 1946 Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR. Stamenov, Ivan 1893 Sofia – 1976 Sofia bulgarischer Diplomat Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg, Abschluss des Studiums in Sofia, Eintritt in das Außenministerium, in den Botschaften in Rumänien und Italien tätig, während seines Aufenthalts in Rom soll er vom sowjetischen Geheimdienst rekrutiert worden sein, 1940–1941 Geschäftsträger bzw. bis 1944 Botschafter in Moskau, im Sommer 1944 erwog die Regierung seine Abberufung, stieß jedoch auf diplomatischen Widerstand von sowjetischer Seite. Star ace, Achille 18. August 1889 Sannicola – 29. April 1945 Mailand (erschossen) italienischer Politiker

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Ausbildung als Buchhalter, 1909 in die Armee, im Ersten Weltkrieg Bersaglieri-Offizier, ab 1919 Mitbegründer faschistischer Gruppen in Südtirol, 1920 Mitglied der faschistischen Partei, ab 1924 Abgeordneter der Faschistischen Partei, 1922 Teilnahme am Marsch auf Rom, 1922 Parteisekretär von Sizilien, 1928 in Mailand, 1931–1939 Generalsekretär der Partei, 1935 Teilnahme am Abessinien-Krieg, November 1939 bis Mai 1941 Generalstabschef der Miliz, 1943 von der Regierung Badoglio festgenommen, dann freigelassen, April 1945 in Mailand von Antifaschisten verhaftet und erschossen. Starhemberg, Ernst Rüdiger 10. Mai 1899 Eferding/OÖ – 15. März 1956 Schruns/Vorarlberg Heimwehrführer und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, dann Mitglied des Freikorps »Oberland« in Oberschlesien, 1923 Teilnahme am Hitler-Putsch, 1927 Eintritt in die Heimwehr, 1929 Führer des Mühlviertler Kreises, ab 1. September 1930 mit Unterbrechung Bundesführer des Heimatschutzes, September bis Dezember 1930 Bundesminister für die sachliche Leitung der inneren Angelegenheiten, Dezember 1930 bis 30. Jänner 1931 Abgeordneter zum Nationalrat (Heimatblock), Mai 1934 bis Mai 1936 Vizekanzler mit der sachlichen Leitung der Angelegenheiten der körperlichen Ertüchtigung betraut, 26. bis 29. Juli 1934 mit der Leitung des Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft und des Bundesministeriums für Heereswesen betraut, 30. Juli 1934 bis 17. Oktober 1935 mit den Angelegenheiten des Sicherheitswesens betraut, 1934– 1936 Bundesführer der Vaterländischen Front, 17. bis 29. Oktober 1935 Vizekanzler, ab Dezember 1937 Aufenthalt im Ausland, 1937–1955 im Exil in der Schweiz, in Frankreich und in Südamerika. Starhemberg, Ernst Rüdiger (senior) 30. November 1861 Schloss Bergheim/Feldkirch/OÖ – 16. November 1927 Schloss Auhof bei Urfahr/OÖ Vater von Ernst Rüdiger Starhemberg seit 1900 Besitzer der Fideikommisse Eferding, ab 1901 Mitglied des Herrenhauses, seit Gründung 1922 Präsident der »Heimischer Holzverband für Oberösterreich und Salzburg AG« in Linz, Präsident des Wiener Trabrennvereins. Starhemberg, Fr anzisk a 24. Oktober 1875 Wien – 27. April 1943 Bad Darkau/Mährisch-Schlesien geborene Larisch-Mönnich Politikerin (ChP)

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Ehefrau (1898) von Ernst Rüdiger Starhemberg (1861–1927), Mutter von Ernst Rüdiger Starhemberg (1899–1956), 1920–1931 Mitglied des Bundesrats, aktiv in der katholischen Frauenbewegung. Stauffenberg, Gr af Claus Schenk von 15. November 1907 Schloss Jettingen bei Günzburg – 20. Juli 1944 Berlin (hingerichtet) deutscher Offizier 1926 Eintritt in die Armee, 1936 Lehrer an der Kriegsakademie in Berlin, 1938 Berufung in den Stab einer Panzerdivision, 1939 Teilnahme am Polenfeldzug, Juni 1940 Versetzung in das Oberkommando des Heeres, Teilnahme am Russlandfeldzug, Verbindung zu verschiedenen Widerstandsgruppen, Februar 1943 Versetzung nach Tunesien, Oktober 1943 Chef des Allgemeinen Heeresamtes, am 20. Juli 1944 legte er die Bombe persönlich in unmittelbare Nähe von Hitler, 20. Juli 1944 standrechtlich erschossen. Steengr acht von Moyland, Dr. jur. Gustav A dolf 15. November 1902 Schloss Moyland/Kreis Kleve – 7. Juli 1969 Kranenburg/Nordrhein-Westfalen deutscher Diplomat und Politiker Jus-Studium, 1929 Promotion zum Dr. jur., 1925 (1928) Mitglied des »Stahlhelms«, 1933 Mitglied der NSDAP und der SA (Brigadeführer), Kreisbauernführer von Kleve, 1936–1938 an der Deutschen Botschaft in London für die Dienststelle Ribbentrop tätig, Oktober 1938 im Auswärtigen Amt in der Protokollabteilung, 1940–1943 im Persönlichen Stab des Reichsaußenministers, ab 1941 als stellvertretender Chefadjutant, ab 31. März 1943 bis 1945 Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Mai 1946 verhaftet, im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) 1949 zu sieben Jahren Haft verurteilt, Februar 1950 entlassen, lebte auf Schloss Moyland. Steidle, Dr. jur. Rich ar d 20. September 1881 Untermais/Meran – 30. August 1940 KZ Buchenwald (ermordet) Rechtsanwalt, Politiker (ChP) und Heimwehrführer Jus-Studium an der Universität Innsbruck, 1908 Promotion zum Dr. jur., 1918 Eröffnung einer Rechtsanwaltskanzlei, 1919–1934 Abgeordneter des Tiroler Landtags, 1918–1921 und März 1933 bis März 1934 Landesrat, 1922–1931 Mitglied des Bundesrats, (1930 Ausschluss aus der Christlichsozialen Partei), 1920 Gründer der Tiroler Heimwehr und bis 1934 Landesführer, 1923–1930 Bundesführer der Heimwehr, Juli bis Dezember 1933 Sicherheitsdirektor von Tirol, ab 4. November 1933 Bundeskommissär für Propaganda, Juli 1934 bis März 1938 Generalkonsul in Triest,

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1934 Verwaltungspräsident der Österreichischen Radio-Verkehrs AG, 1. April 1938 Entlassung, Verhaftung, im KZ Buchenwald »auf der Flucht erschossen«. Stein zu Nor d- und Ostheim, Ot to Freiherr 23. September 1886 München – 10. Dezember 1984 Würzburg deutscher Diplomat Jus-Studium, 1910 in den Verwaltungsdienst, 1914–1918 im bayerischen Auswärtigen Dienst, 1914–1918 Kriegsdienst, verschiedene Verwaltungstätigkeiten, November 1917 bis Dezember 1918 Leitung der Polizei- und Spionageabwehrabteilung beim Generalquartiermeister West, 1918 in der Waffenstillstandskommission, ab September 1919 bei der Reichsrücklieferungskommission, ab Oktober 1923 im Reichskommissariat für Reparationslieferungen, 1926 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, 1927 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, bis September 1929 im Generalkonsulat Amsterdam, Oktober 1929 bis November 1932 in Bukarest, danach im Auswärtigen Amt Mitarbeiter der Referatsgruppe Wirtschaft, 1934–1936 Botschaftsrat bzw. Geschäftsträger in Prag, 1935 Mitglied der NSDAP, ab August 1936 Geschäftsträger in Wien (parallel zu Papen), 1938–1941 Leiter der Nebenstelle Wien des Auswärtigen Amtes u. a. auch Sonderauftrag zur Abwickelung mehrerer tschechoslowakischer Konsularbehörden, Mai 1941 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, 1941 Parteiausschluss. Steinh ausen, Wilhelm 2. Februar 1846 Sorau/Brandenburg – 5. Jänner 1924 Frankfurt am Main deutscher Maler und Lithograf stattete Kirchen, Villen und Privathäuser mit monumentalen religiösen Bildern aus, schuf 1895–1996 die Wandmalereien im Faniteum in Wien. Steinh äusl, Ot to 10. März 1879 Budweis/Böhmen – 20. Juni 1940 Wien Polizeibeamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1906/1907 Gerichtsjahr, Konzeptspraktikant bei der Polizeidirektion Wien im Sicherheitsbüro, ab Oktober 1910 bei verschiedenen Polizeikommissariaten, 1913 wieder im Wiener Sicherheitsbüro, 1915 Versetzung zur Staatspolizei, während des Ersten Weltkrieges Tätigkeit in der SpionageabwehrAbteilung der Polizeidirektion Wien und im Evidenzbüro des Generalstabskorps, nach 1918 wieder in der Wiener Polizeidirektion, Juli 1922 Leiter der neuerrichteten Polizeidirektion Salzburg, April 1932 Vorstand des Sicherheitsbüros der Wiener Polizeidirektion, Jänner 1933 Leiter der kriminalpolizeilichen Approbationsgruppe, Juli 1934 Inhaftierung (von den Juli-Putschisten als Polizeipräsident vorgesehen), 1935 Verurteilung zu sieben Jahren schweren Kerkers wegen Mitschuld am Verbre-

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chen des Hochverrats, 1936 Amnestierung nach dem Juliabkommen, 12. März 1938 Mitglied der SS, 13. März 1938 Betrauung mit der kommissarischen Leitung der Polizeidirektion Wien, 25. Juli 1938 SS-Oberführer, seit 20. August 1938 Tätigkeit im SD-Hauptamt, Jänner 1940 Bestellung zum Polizeipräsidenten von Wien. Steinwender, Dr. theol. A ngelus (Eduar d) 14. März 1895 Maria Lankowitz/Steiermark – 15. April 1945 Krems (NÖ) (ermordet) Priester 1913 Eintritt in den Orden der Franziskaner, 1920 Priesterweihe, Studium der Theologie an der Universität Graz, 1924 Promotion zum Dr. theol., 1928 Leitung des Franziskanerklosters in Graz, es folgten die Klöster in Sankt Pölten und Wien, 1939 Provinzial der Wiener Franziskanerprovinz, Mitglied der Vaterländischen Front, der Ostmärkischen Sturmscharen, Bewunderer der Politik von Bundeskanzlers Dollfuß, Kontakte mit der konservativen Widerstandsgruppe »Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreich«, verfasste Flugblätter und trat öffentlich gegen das NS-Regime auf, 6. Juli 1943 von der Gestapo im Wiener Franziskanerkloster verhaftet, August 1944 zum Tod verurteilt, 4./5. April 1945 auf einen Todesmarsch über Stockerau und Maissau nach Krems geschickt, im Gefängnis Stein an der Donau am 15. April 1945 von der SS im Zuge einer Massenhinrichtung erschossen. Stepan, Dr. jur. K arl M aria 24. Juni 1894 Wien – 11. September 1972 Graz Politiker Jus-Studium an der Universität Wien, 1914 Kriegsdienst, 1915 in russische Gefangenschaft, Juli 1920 Rückkehr und Fortsetzung des Studiums an der Universität Graz, 1924 Promotion zum Dr. jur., in einer Rechtsanwaltskanzlei, ab September 1924 Generalsekretär der Christlichsozialen Landesparteileitung der Steiermark, ab 1928 Direktor bzw. 1929–1935 Generaldirektor der »Anstalten des Katholischen Preßvereins in der Diözese Graz-Seckau« (später Verlagshaus Styria), 1932 Austritt aus der Christlichsozialen Partei, doch intensiver Kontakt zu Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, Februar 1934 Bundesleiter der Vaterländischen Front, wegen Differenzen mit Bundeskanzler Kurt Schuschnigg Oktober 1934 das Amt abgegeben, November 1934 bis 3. März 1938 Landeshauptmann der Steiermark, 1934–1938 Mitglied des Länderrats und des Bundestags, 4. bis 12. März 1938 Mitglied des Staatsrats, 12. März 1938 Verhaftung, Internierung im Landesgericht Graz, ab April 1939 in den KZ Dachau, Mauthausen und Gusen, 2. Oktober 1940 Freilassung, arbeitete als Magazineur, Juli 1944 erneute Verhaftung, bis 29. April 1945 Internierung in den KZ Flossenbürg und Dachau, 1. Oktober 1945 öffentlicher Verwalter der Anstalten des Katholischen Preßvereins, Jänner 1946 bis 1968 Generaldirektor der »Styria«,

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September 1954 Zentralsekretär der katholischen Jungschar, aktiv im Orden der Ritter vom Heiligen Grab (bis 1960 Kanzler der österreichischen Statthalterei). Stet tinius, Edwar d Reilly Jr. 22. Oktober 1900 Chicago – 31. Oktober 1949 Greenwich/Connecticut US-Diplomat und Politiker führende Stellung in der Auto- und Stahlindustrie, 1941–1943 Leiter der Verwaltung des Lend-Lease-Programms, 1943–1944 Vize-Außenminister, (Demokratische Partei), November 1944 bis April 1945 Außenminister, 1945–1946 Chefdelegierter bei den Vereinten Nationen. Stevens, Rich ar d Henry 9. April 1893 – 12. Februar 1967 britischer Offizier bis 1939 Nachrichtenoffizier in Indien, ab 1939 Leiter des Passport Control Office des britischen Secret Intelligence Service in den Niederlanden, im November 1939 (»Venlo-Zwischenfall«) wurde er nach Kontakten mit vermeintlichen Wehrmachtsoffizieren, die vorgaben, Hitler beseitigen zu wollen, gemeinsam mit Sigismund Payne Best nach Deutschland entführt (in Deutschland als Hintermänner des »Bürgerbräuattentats« beschuldigt), bis April 1945 als Sonderhäftling in den KZ Sachsenhausen und Dachau, Ende April 1945 mit mehr als 130 Sonderhäftlingen nach Niederdorf (Südtirol) verlegt, wo die SS-Geiseln befreit wurden, nach 1945 Tätigkeit als Übersetzer, u. a. 1951 und 1952 bei der NATO in Paris und London. Steysk al, Julius 26. Februar 1876 Triest – 22. Mai 1953 Wien Beamter Jus-Studium, 1901 Eintritt in den Staatsdienst bei der Post- und Telegraphenverwaltung in Triest, 1907 in das Handelsministerium (Generaldirektion für die Postund Telegraphenverwaltung), während des Ersten Weltkrieges Verbindungsbeamter zwischen der Feldpost und dem Heeresministerium, 1924 Vorstand der Abteilung für das Postbeförderungswesen, Juli 1933 Präsident der Postdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Dezember 1933 Sektionschef und Generaldirektor für die Post- und Telegraphenverwaltung, 1937 in den Ruhestand versetzt, 1935–1937 Verwaltungsrat der RAVAG in Wien, 14. April bis 13. September 1938 Haft, Oktober 1938 Aberkennung bzw. Reduzierung des Ruhegenusses, 1938–1945 zeitweise Tätigkeit als Versicherungsagent. Stiasny Dr. keine Information.

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Stimson, Henry Lewis 21. September 1867 New York – 20. Oktober 1950 Huntington/New York US-Politiker Rechtsanwalt, 1911–1913 Staatssekretär (Minister) für das Kriegswesen (Republikanische Partei), 1927–1929 Gouverneur der Philippinen, 1929–1933 Staatssekretär für Äußeres, 1940–1945 Staatssekretär für das Kriegswesen. Stockert, Fritz Loth ar 14. Juli 1893 Klosterneuburg/NÖ – 28. September 1973 St. Ägyd am Neuwalde/NÖ Diplomat 1919 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, Attaché bzw. Legationssekretär bei den Gesandtschaften in Berlin und Warschau, 1922 Referent in der Handelspolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes/Auswärtige Angelegenheiten, März 1924 Verleihung des Titels »Konsul«, ab 19. April 1938 Sachbearbeiter in der Preisbildungsstelle Wien, 1. Oktober 1945 gegen Wartegeld beurlaubt, 30. Juni 1947 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Stockinger, Friedrich 22. September 1894 Wien – 20. August 1968 Toronto/Kanada Unternehmer und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1923 Alleininhaber einer Lebensmittelgroßhandlung, Präsident des Verbandes der Lebensmittelgroßhändler und des Verbandes der Zuckergroßhändler, 1927 Mitglied im Beirat für Handelsstatistik, Aufsichtsratsmitglied des MIAG-Konzerns (Milchindustrie Aktiengesellschaft) und der Mercurbank, Juli 1931 bis Mai 1933 Mitglied der Verwaltungskommission der ÖBB, persönlicher Freund von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, Mai 1933 bis November 1936 Bundesminister für Handel und Verkehr, 1936–1938 Präsident der Verwaltungskommission der ÖBB, 1938 Emigration nach Paris, nach 1940 in Kanada, Tätigkeit als nicht offizieller Vertreter österreichischer Interessen in Kanada, seit 1945 Handelsdelegierter in Kanada, 1955–1966 österreichischer Handelsdelegierter und Vertreter der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in Toronto. Stohrer, Dr. jur. Dr. rer. pol. Eberh ar d von 5. Februar 1883 Stuttgart – 7. März 1953 Konstanz deutscher Diplomat 1902–1907 Jus-Studium, 1907 in den Verwaltungsdienst, 1908 Urlaub und Studium in Straßburg und Paris, 1908 Promotion zum Dr. rer. pol. und 1909 Dr. jur., 1909 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1909 Konsulatstätigkeit in Sofia, 1910 an der Botschaft London, 1911 an der Gesandtschaft Brüssel, 1912 im Auswärtigen Amt, Juni 1913 bis Jänner 1919 Legationssekretär an der Botschaft Madrid, 1923

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Dirigent der Presseabteilung der Reichsregierung, 1924 Leiter der Abteilung I (Personal und Verwaltung), Ministerialdirektor, 1926–1935 Gesandter in Kairo, 1935 in Bukarest, 1936 Mitglied der NSDAP, 1937–1943 Botschafter in Spanien (in Salamanca, ab September 1939 in Madrid), 1943 Versetzung in den Ruhestand. Stoja dinović, Dr. jur. Milan (Stoja dinowitsch) 23. Juli 1888 Čačak/Serbien – 24. Oktober 1961 Buenos Aires/Argentinien serbischer Politiker Studium in Belgrad (Abschluss 1910), danach in Deutschland, England und Frankreich, 1914 Eintritt in das serbische Finanzministerium, 1919 Professor an der Universität Belgrad, 1922–1924 und 1926 Finanzminister Jugoslawiens, dann Senatsmitglied, 1934/1935 Finanzminister, Juni 1935 bis Februar 1939 Ministerpräsident und Außenminister, 1940 Verhaftung, März 1941 ins Exil, 1949 nach Argentinien, Herausgeber eines Wirtschaftsmagazins. Stolberg, Gr af keine Information verhaftet, November 1939. Str achwitz, Sigismund 2. Juni 1904 Zdonki/Mähren – 22. Dezember 1980 Wien Priester Jus-Studium, 1930 Eintritt in den Franziskanerorden, 1931–1935 Theologiestudent, 1935 Priesterweihe, Guardian und Provinzial, Generalökonom in Rom, Volksmissionär, während des Krieges Ökonom des Wiener Klosters, 1945–1951 Provinzial und Generalvisitator, 1961–1967 Generaldefinitor, 1967–1974 Generalökonom in Rom. Str afella, Dr. jur. Fr anz Georg 3. März 1891 Pettau/Slowenien – 26. Februar 1968 Graz Unternehmer und Politiker (ChP) Jus-Studium an der Universität Graz, 1914 Promotion zum Dr. jur., Bewirtschaftung der elterlichen Güter und Verwaltungsratsmitglied mehrerer Privatbahnen, Funktionen in zahlreichen Wirtschaftsverbänden, u. a. Ausschussmitglied des Hauptverbandes der Industrie, April 1929 Mitglied des Grazer Gemeinderats, Oktober 1929 bis November 1930 Vizebürgermeister von Graz, Juli 1930 Berufung in die Verwaltungskommission der ÖBB, Oktober 1930 bis Juni 1931 Generaldirektor der ÖBB, Verurteilung wegen Korruption, danach Tätigkeit in der Fremdenverkehrswerbung, Ernennung zum Präsidenten des Landesverbandes für Fremdenverkehr in der Steiermark, Oktober 1932 Vorsitzender des Verkehrsbundes der österreichischen Alpenländer, Oktober 1933 Präsident des österreichischen Verkehrsbüros, Dezember 1933

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Präsident des österreichischen Handelsmuseums, März 1934 Präsident der österreichischen Verkehrswerbung, 1934 Präsident des Hauptverbandes der Verkehrsunternehmungen Österreichs, 1934–1936 Mitglied des Bundeswirtschaftsrats und des Bundestags, Mai 1936 im Zuge des »Phönix-Skandals« abberufen, März 1938 Enthebung aller Funktionen, Juli 1939 Verurteilung zu fünf Jahren schweren Kerkers wegen Veruntreuung und Betrug, auch nach 1945 in Graz wegen Schiebereien verurteilt, 1946 (trotz Protesten) öffentlicher Verwalter der Ziegelwerke Kobald bei Voitsberg, 1959–1968 Aufsichtsrat der Österreichisch-Alpine Montangesellschaft, 1960–1968 Aufsichtsrat der Austria Tabakwerke AG. Str asser, Gregor 31. Mai 1892 Geisenfeld/Bayern – 30. Juni 1934 Berlin (ermordet) deutscher NS-Funktionär und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, Studium der Pharmazie, 1919 Abschluss mit pharmazeutischer Staatsprüfung, bis 1927 als Apotheker tätig, 1921 Mitglied der NSDAP, Teilnahme am Hitler-Putsch 1923, 1924 in Haft, 1924 Mitglied des Landtags (Bayern), Geschäftsführer der »Nationalsozialistischen Freiheitspartei«, 1925–1929 Gauleiter in Niederbayern, 1926 mit seinem Bruder Leitung des Berliner »Kampfverlages«, 1924–1933 Reichstagsabgeordneter, September 1926 bis Jänner 1928 Reichspropagandaleiter der NSDAP, 1928–1932 Reichsorganisationsleiter, 1931 schwerer Skiunfall, Dezember 1932 Rücktritt von allen Parteiämtern, 1934 im Verlauf des sogenannten Röhm-Putsches von der Gestapo ermordet. Str aubinger, Dipl.-Ing. Dr. jur. K arl 30. Jänner 1885 Bad Gastein/Salzburg – 28. November 1964 Klosterneuburg/NÖ Beamter Studium der Forstwirtschaft an der Hochschule für Bodenkultur und Jus-Studium, 1910 Promotion zum Dr. jur., 1909 Eintritt in den Staatsdienst, 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1918 im Landwirtschaftsministerium, 1923 in der HandelspolitischenWirtschaftspolitischen Sektion, 1934 Sektionschef, 1934–1938 Leiter der wirtschaftspolitischen Sektion, 1938 als Ministerialdirigent nach Berlin, September 1939 bis Oktober 1943 Unterabteilungsleiter der handelspolitischen Sektion im Reichswirtschaftsministerium, Oktober 1943 bis Mai 1944 Sachbearbeiter in der Berglandabteilung, danach bis 1945 mit Sonderwirtschaftsfragen betraut, 1945 vorübergehend bei der Landwirtschaftskammer in Salzburg, ab 1. Februar 1946 bis Dezember 1950 Leiter der Sektion für öffentliche Verwaltung (österreichisches Vermögen im Ausland u. a.) im Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, 1955–1963 Aufsichtsrat bzw. Aufsichtsratsvorsitzender der Creditanstalt-Bankverein.

Biografien

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Str autz, Felix 14. Mai 1884 Jerusalem – 18. August 1967 Reichenau an der Rax/NÖ Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1910 Konsularakademie absolviert, 1910 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1910–1912 am Konsulat in Skutari, 1912–1913 in Üsküb, 1913–1921 im Außenamt, 1921–1923 am Generalkonsulat in Zürich, Jänner bis März 1924 an der Gesandtschaft in Bern, 1924–1927 Generalkonsul in Laibach, April 1927 bis Dezember 1928 an der Gesandtschaft in Bukarest, Jänner 1929 bis Oktober 1932 in Paris, November 1932 bis September 1935 in Berlin, September 1935 bis Juni 1937 in Warschau, Juli 1937 bis 1938 in Rom, März 1938 im deutschen Auswärtigen Dienst als liquidierender Beamter der ehemaligen österreichischen Gesandtschaft in Rom, 1939 Überleitung in den Reichsdienst als Botschaftsrat, Juli 1940 Mitglied der NSDAP (5. April 1945 Parteiausschluss), ab Oktober 1940 Krankenstand, November 1941 Pensionierung wegen »Dienstunfähigkeit«, November 1945 zum Dienst gemeldet, wegen Zugehörigkeit zur NSDAP nicht reaktiviert, Juli 1947 in den dauernder Ruhestand versetzt. Streccius, A lfred 3. Juni 1874 Mühlhausen an der Elbe – 26. Oktober 1944 Hannover (bei Luftangriff) deutscher General 1893 Eintritt in die Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, 1931 als Generalleutnant verabschiedet, Militärberater in China, 1939 reaktiviert, 1940 Charakter eines Generals der Infanterie verliehen, 1940 Kommandeur der Truppen in den Niederlanden, Juni bis Oktober 1940 Chef der Militärverwaltung in Frankreich, ab 25. Oktober 1940 bis 1943 Befehlshaber des Wehrkreises XVII (Wien), 1941 General der Infanterie, Dezember 1943 aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Strecker, K arl 20. September 1884 Radmannsdorf/Westpreußen – 10. April 1973 Riezlern/Vorarlberg deutscher General 1914–1918 Kriegsdienst (Hauptmann), 1919 ausgeschieden, danach Hauptmann der Sicherheitspolizei, 1927 Leiter der Berliner Polizeiinspektion, 1934 Generalmajor der Polizei, 1935 reaktiviert, ab 1937 Kommandeur von Infanterie-Einheiten, 1942 General der Infanterie, Februar 1943 bei Stalingrad in russische Gefangenschaft, Unterzeichner des »Aufrufs der 50 Generäle« vom 8. Dezember 1944 zur Beendigung des Krieges, schloss sich Ende 1944 dem »Nationalkomitee Freies Deutschland« an, Oktober 1955 entlassen.

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Streeruwitz, Dr. jur. Ernst 23. September 1874 Mies/Böhmen – 19. Oktober 1952 Wien Politiker (ChP) Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolviert, quittierte aus gesundheitlichen Gründen den Militärdienst, Jus-Studium an der Universität Wien und Maschinenbau an der Technischen Hochschule Wien, Tätigkeiten in der Privatwirtschaft, 1914–1918 im Kriegsministerium, 1918 Direktor der Neunkirchner-Druckfabriks AG (1925 Generaldirektor), Funktionen im Hauptverband der Industrie, im Umfeld der Landeshypothekenanstalten tätig, 1923–1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1929 Vizepräsident der Wiener Handelskammer, 4. Mai bis 26. September 1929 Bundeskanzler, ab Oktober 1929 Oberkurator der Landeshypothekenanstalt für Niederösterreich, 1930–1935 Präsident der Wiener Handelskammer, nach dem »Anschluss« 1938 wurde sein Angebot zur Mitarbeit nicht angenommen, nahm sein Studium wieder auf, Promotion zum Dr. jur. 1939, Juli 1944 kurz inhaftiert. Streeruwitz, Dipl.-Volkswirt Dr. rer. pol. M argarete (Grete) 8. November 1904 – 22. März 2003 Wien geborene Winter zweite Ehefrau von Ernst Streeruwitz (1938). Stricker keine Information Sozialdemokrat. Strobl, Dr. jur. K arl H ans (Pseudonym  : M athias Rongstock) 18. Jänner 1877 Iglau/Mähren – 10. März 1946 Perchtoldsdorf bei Wien Schriftsteller Jus-Studium an der Universität Prag, 1909 Promotion zum Dr. jur., 1909–1913 im Verwaltungsdienst, aktiv in der deutschnationalen Bewegung, 1913 Herausgeber des »Turmhahn« in Leipzig, 1915–1918 Kriegsberichtserstatter, danach freier Schriftsteller in Iglau und in Perchtoldsdorf, 1933 Mitglied der NSDAP, 1934 wegen »staatsgefährlicher Betätigung« aus der Tschechoslowakei ausgewiesen, ab 1938 Landesleiter der Reichsschrifttumskammer Wien, 1945 von Sowjets verhaftet, zu Straßenbauarbeiten gezwungen, starb nach mehreren Schlaganfällen. Strobl, Dipl.-Ing. Dr. nat. techn. Ludwig 22. Jänner 1900 Siebenhirten/NÖ – 9. Juli 1974 Türnitz/Lilienfeld/NÖ Beamter, Funktionär und Politiker ab 1919 Studium der Landwirtschaft an der Hochschule für Bodenkultur, 1923 Dipl.Ing., 1929 Dr. nat. techn., 1924–1934 Sekretär der Niederösterreichischen Landes-

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landwirtschaftskammer in Wien (enger Mitarbeiter von Engelbert Dollfuß), nach dem Februar 1934 Vorsitzender der Verwaltungsausschüsse und ab Jänner 1936 bis Februar 1939 geschäftsführender Präsident der »GÖC« (Großeinkaufsgesellschaft österreichischer Konsumvereine), 1934–1938 Mitglied des Rats der Stadt Wien, Oktober 1935 bis Mai 1936 Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, April 1938 zwei Tage in Haft, Juli bis Oktober 1939 bei der Wehrmacht, Ende Oktober 1939 Mitglied der Geschäftsführung der Münchner Handelsgesellschaft für Lebensmittel und Haushaltsbedarf GmbH, 1937–1969 Funktionär im Internationalen Genossenschaftsbund, 1940 bis Februar 1945 in der Leitung der Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine in Hamburg, Kontakte mit Gegnern des NS-Regimes, 1945–1949 wieder Leiter der »GÖC« und der Co-op Industriegesellschaft für Lebensmittel und chemische Produkte GmbH, November 1949 bis Dezember 1967 Generaldirektor des Verbandes der ländlichen Genossenschaften Niederösterreichs, Oktober 1953 bis 1962 Mitglied des Generalrats der Oesterreichischen Nationalbank, 1963–1968 deren Zweiter Vizepräsident, 1967–1970 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Genossenschaftlichen Zentralbank AG. Strzygowski, Dr. phil. Josef 7. März 1862 Biała/Galizien – 2. Jänner 1941 Wien polnisch-österreichischer Kunsthistoriker Studium der Klassischen Archäologie und Kunstgeschichte an den Universitäten Wien und Berlin, 1885 Promotion zum Dr. phil. an der Universität München, 1887 Habilitation, ab 1892 Professor für Kunstgeschichte an der Universität Graz, 1909– 1933 Leiter des »1. Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien«, vertrat rassistische Ideen, Teile seiner Werke wurden nach 1945 ausgesondert. Stuck art, Dr. jur. Wilhelm 16. November 1902 Wiesbaden – 15. November 1953 Egestorf/Niedersachsen (Verkehrsunfall) deutscher Beamter und Politiker Jus-Studium an den Universitäten München und Frankfurt am Main, 1928 Promotion zum Dr. jur., 1922 Mitglied der NSDAP, ab 1930 Amtsrichter, 1932 Mitglied der SA, 1932–1933 Anwalt und Rechtsreferent der SA in Pommern, Mai 1933 als Ministerialdirektor, ab Juni 1934 als Staatssekretär im preußischen Kultusministerium, Juli 1934 Reichsstaatssekretär im neu gebildeten Reichserziehungsministerium, ab März 1935 Staatssekretär und Leiter der Verfassungsabteilung im Reichsinnenministerium, 1936 Mitglied der SS (Obergruppenführer 1944), 3. Mai 1945 Reichsinnenminister, 23. Mai 1945 interniert, im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) verurteilt und freigelassen, Geschäftsführer des Instituts zur Förderung der niedersächsischen

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Wirtschaft, aktiv im »Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten«, Mitglied der 1952 verbotenen neonazistischen »Sozialistischen Reichspartei«. Student, Kurt A rthur Benno 12. Mai 1890 Birkholz/Brandenburg – 1. Juli 1978 Lemgo/Nordrhein-Westfalen deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst (Kampfflieger), Übernahme in die Reichswehr, mit Planung des Aufbaus einer neuen Luftstreitkraft betraut (trotz Verbot durch Friedensvertrag), 1922–1928 im Heereswaffenamt, 1933 in die Luftwaffe übernommen, in verschiedenen Flieger-Ausbildungsstellen, April 1938 Kommandeur der 3. Flieger-Division und Generalmajor, Juli 1938 mit Aufstellung der 7. Flieger-Division betraut sowie mit dem Aufbau einer Fallschirmtruppe der Luftwaffe, ab Februar 1939 gleichzeitig Inspekteur der Fallschirm- und Luftlandetruppe im Reichsluftfahrtministerium, Jänner 1940 Generalleutnant, bei Besetzung Belgiens und der Niederlande verwendet, Mai 1940 General der Flieger, Mai 1941 Einsatz in Kreta, verantwortlich für Massaker, weitere Einsätze u. a. in Afrika, September 1943 bei der Befreiung Mussolinis, bis April 1944 mit der Aufstellung einer Fallschirmarmee betraut, bis November 1944 Oberbefehlshaber der 1. Fallschirm-Armee, anschließend der Heeresgruppe H im Westen, Ende Jänner 1945 wieder bei der 1. Fallschirm-Armee, 28. April 1945 Oberbefehl über die Heeresgruppe Weichsel an der Ostfront, 28. Mai 1945 Verhaftung, durch ein Militärgericht zu fünf Jahren Haft verurteilt, Herbst 1947 beantragte Griechenland seine Auslieferung, 1948 entlassen, 1952–1954 Präsident des Traditionsverbandes »Bund Deutscher Fallschirmjäger«. Stülpnagel, Carl-Heinrich von 2. Jänner 1886 Berlin – 30. August 1944 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Offizier 1911–1914 an Kriegsakademie Berlin, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in die Reichswehr, 1920 Beteiligung am Kapp-Putsch, bis 1924 verschiedene Stabs- und Truppenkommandos, 1924–1926 Chef des Infanterieregiments 3 in Deutsch-Eylau, 1926–1927 im Reichswehrministerium, 1927–1931 verschiedene Truppen- und Stabskommanden, 1932–1933 Lehrgruppen-Kommandeur an der Infanterie-Schule in Dresden, 1933–1936 Chef der Abteilung »Fremde Heere« im Generalstab des Heeres in Berlin, 1935 Generalmajor, 1936–1938 Kommandeur der 30. Infanteriedivision in Lübeck, 1938–1940 Oberquartiermeister im Generalstab des Heeres, 1938/1939 Kontakte zu Ludwig Beck und Franz Halder, 1939 General der Infanterie, 1940 Einsatz im Westfeldzug, Juni bis Dezember 1940 Vorsitzender der deutschfranzösischen Waffenstillstandskommission in Wiesbaden, 1941 Einsatz im Osten, 1942–1944 Militärbefehlshaber im besetzten Frankreich, Kontakte zum militärischen Widerstand, an der Planung des Attentats auf Adolf Hitler im Juli 1944 be-

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teiligt, nach Scheitern des Putsches auf Fahrt nach Berlin Suizid-Versuch, verhaftet, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Stülpnagel, Joachim Fritz Constantin von 5. März 1880 Glogau/Niederschlesien – 17. Mai 1968 Oberaudorf/Bayern deutscher Offizier ab 1892 in der Armee, 1914–1918 Kriegsdienst (Generalstabsoffizier), 1919 in die Reichswehr übernommen, 1920 Personalbeauftragter der Generalstabsoffiziere und Offiziere des Reichswehrministeriums im Amt des Chefs der Heeresleitung Berlin, 1926 Kommandeur des Infanterie-Regiments 17 in Braunschweig, Chef des Heerespersonalamtes in Berlin, 1929 Kommandeur der 3. Infanterie-Division und Befehlshaber des Wehrkreises III in Berlin, Dezember 1931 wegen politischer Meinungsverschiedenheiten mit den Generälen Groener und Schleicher verabschiedet, Jänner 1932 in den Verlag der »Berliner Börsen-Zeitung«, Oktober 1936 Gründung des Verlags »Die Wehrmacht«, 1939 Einberufung, Befehlshaber des Ersatzheeres der Wehrmacht, nach wenigen Tagen wegen Kritik an der Kriegspolitik Hitlers entlassen, 1943 Enteignung der »Berliner Börsen-Zeitung« und des Verlags »Die Wehrmacht«, 16. August 1944 Verhaftung im Zusammenhang mit dem Juli-Putsch, 5. November 1944 Entlassung. Stülpnagel, Ot to Edwin von 16. Juni 1878 Berlin – 6. Februar 1948 Paris (Suizid in Haft) deutscher Offizier ab 1897 in der preußischen Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, 1921 Leiter der Völkerrechtsabteilung der Friedenskommission, publizistisch tätig, 1926 Vertreter des Reichsheeres der Vorbereitenden Abrüstungskonferenz des Völkerbundes in Genf, davor und danach im Stab eines InfanterieRegiments, 1929 in den Stab des Gruppenkommandos 1 nach Berlin, Inspekteur der Verkehrstruppen im Reichswehrministerium, März 1931 aus dem Dienst verabschiedet, ab 1934 mit dem Aufbau einer Luftkriegsschule betraut, 1935 Kommandeur der Luftkriegsakademie, 1936 aktiver General der Flieger, März 1939 aus aktivem Dienst, 1939 bei Mobilmachung Kommandierender General des stellvertretenden Generalkommandos XVII und Befehlshaber im Wehrkreis XVII (Wien), Oktober 1940 bis Februar 1942 Militärbefehlshaber Frankreichs (Vorgänger von Carl-Heinrich Stülpnagel), verantwortlich für Deportationen und Geiselerschießungen, August 1942 aus dem Dienst geschieden, 1945 verhaftet, 1946 an Frankreich ausgeliefert. Stümpfl, Heinrich 18. Dezember 1884 Cilli/Slowenien – 20. März 1972 Wien Offizier

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ab 1902 in der Armee, Generalstabslaufbahn, 1919/1920 Generalstabsoffizier beim Grenzschutzkommando Süd in der Steiermark, 1928–1933 Stabschef, ab Juni 1933 im Bundesministerium für Landesverteidigung, 1934–1938 Generalmajor, Brigadebzw. Divisionskommandant im Burgenland, Übernahme in die Deutsche Wehrmacht, 1. August 1938 bis 15. März 1944 und 29. Juli 1944 bis 23. September 1944 Stadtkommandant von Wien, 1940 Generalleutnant, Juni 1944 bis 8. Mai 1945 Kommandeur des Kriegsgefangenenwesens im Wehrkreis VII, Mai 1945 bis September 1946 Kriegsgefangenschaft. Stürgkh, K arl Georg 19. März 1899 Graz – 12. Jänner 1979 1917–1918 Kriegsdienst, 1918–1921 Bankangestellter in Graz, 1921–1927 Börsen- und Versicherungsvertreter in Hamburg, danach in Wien, 1929–1933 Sekretär eines Hotelierverbandes, ab 1933 im Österreichischen Verkehrsbüro, aktiv in der Heimwehrbewegung und der Vaterländischen Front, Februar 1938 Leiter der Mondial-Film AG, September 1938 nach Paris, gab im Oktober 1938 seinen deutschen Reisepass zurück, ließ sich als »ex-autrichien« registrieren, enge Zusammenarbeit mit legitimistischen und konservativ-bürgerlichen Emigranten in Paris, Verbindungen zu Otto Habsburg, Ernst Rüdiger Starhemberg und Friedrich Stockinger, nach Kriegsausbruch nicht interniert, hatte sich um die Aufstellung von »Stoßtrupps für Terrorhandlungen in Wien« bemüht, Oktober 1940 vorläufige Festnahme, Juli 1941 endgültiger Haftbefehl, Haft in Wien, Juni 1942 vom Volksgerichtshof wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt, keine weiteren Angaben dazu, lebte in den 1970er-Jahren in Wien. Sucher, Dr. A rnold 10. März 1898 Klagenfurt – 30. April 1983 Wien Beamter und Politiker 1916–1918 Kriegsdienst, 1918/1919 Teilnahme an den Kärntner Grenzkämpfen, Jus-Studium, 1921 Promotion zum Dr. jur., 1921 Eintritt in den Justizdienst beim Landesgericht Klagenfurt, Tätigkeit bei verschiedenen Bezirksgerichten, November 1933 Landesleiter der Vaterländischen Front, November 1934 bis Februar 1936 Landesstatthalter für Kärnten, 1935 Beförderung zum Landesgerichtsrat, November 1936 bis 11. März 1938 Landeshauptmann von Kärnten, 1936–1938 Mitglied des Länderrats und des Bundestags, 24. März 1938 Enthebung von allen Funktionen, Mai bis September 1938 inhaftiert, ab 1945 Tätigkeit am Landesgericht für Strafsachen Wien, November 1947 bis Jänner 1951 dem Bundesministerium für Justiz zugeteilt, danach am Oberlandesgericht Wien tätig, 1963 Vizepräsident des Oberlandesgerichts Wien, 1966 Präsident, 1946 im Rahmen des ÖVP-Wirtschaftsbundes an der Gründung des »Verbandes der geistig Schaffenden Österreichs« beteiligt.

Biografien

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Sueton, Gaius Tr anquillus um 70 Hippo – nach 122 römischer Schriftsteller und Verwaltungsbeamter. Swoboda, Dr. jur. Ernst 18. Juni 1879 Tachau/Böhmen – 24. April 1950 Wien Hochschullehrer Jus-Studium (Abschluss 1902), 1912 Promotion zum Dr. jur., 1919 Habilitation, Privatdozent, 1933 Lehrstuhl für bürgerliches Recht an der Universität Prag, 1935 Eintritt in die »Sudetendeutsche Partei«, gehörte auf dem Höhepunkt der Sudetenkrise im September 1938 dem politischen Stab des Kommandeurs des Sudetendeutschen Freikorps, Konrad Henlein an, nach dem Münchner Abkommen ab Oktober 1938 Vorsitzender der »Arbeitsgemeinschaft für die Rechtsangleichung der sudetendeutschen Gebiete«, November 1938 Mitglied der NSDAP, 1939 Sturmbannführer der SA, September 1939 ordentliche Professur für Zivilgerichtliche Verfahren und bürgerliches Recht an der Universität Wien, stand dem Institut für Rechtsvereinheitlichung vor, 1941–1943 stellvertretender Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät, dann bis 1944 Dekan, 1945 aus dem Hochschuldienst entlassen. Syrov ý, Jan Bohumír 24. Jänner 1888 Třebíč/Mähren – 17. Oktober 1970 Prag tschechoslowakischer Offizier und Politiker Studium in Russland, 1914 Mitorganisator einer tschechischen Freiwilligentruppe, Legionär an der russischen Ostfront, zuletzt als Generalmajor und Oberbefehlshaber des gesamten tschechoslowakischen Armeekorps, 1920 militärischer Befehlshaber für Böhmen, 1922 Divisionsgeneral, 1924 stellvertretender Chef des Generalstabs, 1926 Generalstabschef und Verteidigungsminister (März bis Oktober 1926), 1926 Armeegeneral, Dezember 1933 Generalinspekteur der Streitkräfte, 22. September 1938 bis 1. Dezember 1938 Ministerpräsident, Dezember 1938 bis März 1939 Verteidigungsminister, aus dem aktiven Dienst ausgeschieden, danach im Unterrichtsministerium tätig, während des Prager Aufstandes im Mai 1945 Kontakte zu den Widerstandsgruppen, nach Kriegsende am 14. Mai 1945 verhaftet, als Kollaborateur und Verräter bezeichnet, April 1947 vom Nationalgericht zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt und degradiert, 1960 im Rahmen einer Amnestie entlassen, arbeitete als Nachtwächter. Szálasi, Ferenc (Fr anz) 6. Jänner 1897 Kaschau/Slowakei – 12. März 1946 Budapest (hingerichtet) ungarischer Offizier und Politiker

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Major im Generalstab, 1935 aus Militärdienst ausgeschieden, 1935 gründete er die Hungaristenbewegung »Pfeilkreuzler«, bis 1945 Parteiführer der »Pfeilkreuzler« bzw. »Szálasi-Bewegung«, 1938 zu Zuchthaus verurteilt, 1940 entlassen, 16. Oktober 1944 bis 28. März 1945 unter der Bezeichnung »Führer der Nation« Staatsoberhaupt unter deutscher Protektion, Begründer eines totalitären faschistischen Regimes, 1945 in Österreich verhaftet, an Ungarn ausgeliefert, 1946 zum Tode verurteilt. Sztójay, Döme (geboren als Dimitri Stojakovic, Dominik) 5. Jänner 1883 Versec/Vojvodina – 22. August 1946 Budapest (hingerichtet) ungarischer Offizier, Diplomat und Politiker 1902 Eintritt in die Armee, Kriegsschule Wien absolviert, 1910 dem Generalstab zugeteilt, 1914–1918 Kriegsdienst, 1925–1933 Generalmajor und Militärattaché in Berlin, Dezember 1935 bis zum 22. März 1944 Botschafter in Berlin, Feldmarschallleutnant, 22. März 1944 bis 29. August 1944 Ministerpräsident und Außenminister, mit der Wehrmacht Flucht nach Deutschland, 1945 von US-Truppen verhaftet, Oktober 1945 an Ungarn ausgeliefert, 1946 vom ungarischen Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Tabouis, Geneviève (richtig Geneviève Lequesne) 3. September 1892 Paris – 22. September 1985 Paris französische Historikerin und Journalistin Nichte von Jules und Pierre Paul Cambon, 1930–1940 u. a. Redakteurin und Kommentatorin der Tageszeitung »L’Oeuvre«, erlangte durch ihre glühende Gegnerschaft zum Nationalsozialismus internationale Bekanntheit, 1940 Emigration nach London und später nach New York, dort Mitbegründerin der französischsprachigen Zeitschrift »Pour la victoire«, schrieb für den New Yorker »Daily Mirror« und den Londoner »Sunday Dispatch«, 1945–1949 für »La France Libre«, 1949–1956 Leiterin der Außenpolitik-Redaktion der Tageszeitung »L’Information«, ab 1959 Redakteurin und Kommentatorin bei der Tageszeitung »Paris-Jour«, 1957–1981 Redakteurin bzw. Kommentatorin bei Radio Luxemburg, schrieb u. a. populäre Bücher über Tutanchamun (1928), Nebukadnezar (1931), Salomon (1934) und über das Leben von Jules Cambon (1938). Tacitus, Cornelius 55 – 116 römischer Geschichtsschreiber ab 88 Prätor, 97 Konsul, später Statthalter der Provinz Asien, Schriftsteller, Verfasser der römischen Kaisergeschichte und der wichtigsten Darstellungen über Germanien.

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Tamaro, Dr. phil. At tilio 13. Juli 1884 Triest – 20. Februar 1956 Rom italienischer Diplomat und Schriftsteller Studium an den Universitäten Wien, Innsbruck, Rom und Graz, 1906 Promotion zum Dr. phil., Bibliothekar in Istrien, 1907–1914 in Triest journalistisch tätig, 1915 italienischer Staatsbürger und freiwillig zur italienischen Armee, Chefredakteur der Zeitung »L’Idea nazionale«, 1922 Mitglied der faschistischen Partei, 1927–1929 Generalkonsul in Hamburg, 1929–1935 Botschafter in Helsinki, Oktober 1935 bis Mai 1943 Botschafter in Bern (übereifriger Vertreter der Interessen des faschistischen Italiens), nach 1945 journalistisch tätig und Verfasser historischer Werke. Tar dieu, A ndré 22. September 1876 Paris – 15. September 1945 Menton französischer Politiker 1902–1914 außenpolitischer Redakteur der »Temps«, Professor für Geschichte der Diplomatie, ab 1914 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, nach Verwundung 1916 in den USA (Propaganda für Frankreich), 1917 wieder als Hochkommissar Frankreichs in den USA, 1914–1924 und 1926–1936 Abgeordneter, 1919 Mitarbeiter George Clemenceaus bei der Pariser Friedenskonferenz, 1919–1920 Minister für die befreiten Gebiete (Elsass-Lothringen), 1921 sein Buch »La Paix« (»Die Wahrheit über den Vertrag«) erschienen, 1926–1928 Minister für öffentliche Angelegenheiten, November 1928 bis Februar 1930 Innenminister, November 1929 bis Dezember 1930 Ministerpräsident, Führer der rechten Mitte, Jänner 1931 bis Jänner 1932 Landwirtschaftsminister, Jänner bis Februar 1932 Kriegsminister, Februar bis Mai 1932 Ministerpräsident und Außenminister, Februar bis November 1934 Minister ohne Geschäftsbereich. Tauschitz, Dipl.-Ing. Steph an 9. Juli 1889 Hörtendorf/Kärnten – 29. März 1970 Hörtendorf/Kärnten Gutsbesitzer, Diplomat und Politiker (Landbund) Studium an der Technische Hochschule in Wien, 1914–1919 Kriegsdienst und anschließende Kriegsgefangenschaft, ab 1922 im Ziegelwerk seines Bruders tätig, danach Landwirt in Hörtendorf, 1927–1930 Abgeordneter zum Kärntner Landtag, Mai 1927 bis Mai 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, Oktober 1931 bis Oktober 1932 Dritter Präsident des Nationalrats, 1933 Mitbegründung des »Nationalen Wirtschaftsblocks und Landbundes«, 1. März 1933 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, März 1933 bis 28. Februar 1939 ao. Gesandter und bev. Minister Österreichs in Berlin, 10. Juli bis 3. August 1934 Staatssekretär für Äußeres, Februar 1939 Versetzung in den dauernden Ruhestand, September 1945 bis September 1946 Internierung im Lager Wolfsberg, November 1946 bis 1949 Zensor der Oesterreichischen National-

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bank, Zweigstelle Klagenfurt, seit Juli 1947 Direktionsmitglied der Kärntner Sparkasse, Jänner 1950 Wiederaufnahme in den diplomatischen Dienst, Mai 1950 bis Februar 1954 ao. Gesandter und bev. Minister in Buenos Aires (ab Februar 1953 Botschafter), März 1954 bis März 1955 ao. Gesandter und bev. Minister in Athen, Dezember 1954 Versetzung in den dauernden Ruhestand und Weiterverwendung als Ruhestandsbeamter, 1961–1969 Aufsichtsrat der Creditanstalt-Wiener Bankverein, Aufsichtsrat der Lapp-Finze Eisenwarenfabriken AG Kalsdorf bei Graz sowie Aufsichtsrat der Mürztaler Holzstoff- und Papier-Fabriks-AG Bruck an der Mur. Tavs, Dipl.-Ing. Dr. Leopold 30. Juli 1898 Budweis – 29. Dezember 1985 Wien NS-Funktionär Gauleiter der illegalen NSDAP und Stellvertreter von Josef Leopold, 1937 Proponent des sogenannten »Siebener-Komitees« zur Gründung des Deutschsozialen Volksbundes, 1937 Gauleiter von Wien, 1938 in der Wiener Gemeindeverwaltung Beigeordneter (Stadtrat) für die Verwaltung der Hauptabteilungen G, H, M, I/1 (Bauwesen, Wohnungs- und Siedlungswesen) und Beigeordneter für die Verwaltung des Landbezirkes, 1938–1939 Leiter des Reichs- und Gaupropagandaamtes in Wien, 1938–1940 Kreisleiter des Kreises V in Wien, SA-Obersturmbannführer, 1945 verhaftet, 1948 in einem Volksgerichtsverfahren zu 15 Jahren schweren Kerkers verurteilt. Teleki von Szék, Dr. phil. Pál (Paul) Gr af 1. November 1879 Budapest – 3. April 1941 Budapest (Suizid) ungarischer Großgrundbesitzer und Politiker Studium der Geografie, ab 1911 Abgeordneter zum Reichstag (»Verfassungspartei«), im Ersten Weltkrieg Leiter des Kriegsfürsorgeamtes in Budapest, 3. Mai 1919 bis 12. August 1919 Ministerpräsident der Gegenregierung in Szeged, März bis Juni 1920 Außenminister, Juli 1920 bis April 1921 Ministerpräsident, Präsident des Flüchtlingsamtes, Mai 1938 bis Februar 1939 Unterrichtsminister, Februar 1939 bis 2./3. April 1941 Ministerpräsident, beging Suizid (weil er die britische Kriegserklärung an Ungarn nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien nicht abwenden konnte). Temple, William 15. Oktober 1881 Exeter – 26. Oktober 1944 Kent Priester der anglikanischen Kirche 1904–1910 Dozent für Philosophie in Oxford, 1909 Priesterweihe, 1921–1929 Bischof von Manchester, 1929–1942 Erzbischof von York, 1942–1944 Erzbischof von

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Canterbury, führender Vertreter der ökumenischen Bewegung, Mitglied der Labour Party. Terboven, Josef 23. Mai 1898 Essen – 8. Mai 1945 Skaugum bei Oslo (Suizid) deutscher Politiker 1915–1918 Kriegsdienst, 1919–1922 Studien der Rechts- und Staatswissenschaften, 1923 Bankangestellter, 1923 Mitglied der NSDAP, Juni 1925 Gründung eines NSZeitungs- und Buchbetriebes, 1928 Gauleiter von Essen, 1930–1945 Mitglied des Reichstags, 1933 Preußischer Staatsrat, 1935 Oberpräsident der Rheinprovinz, Herausgeber der »Essener Nationalzeitung«, September 1939 Reichsverteidigungskommissar Wehrkreis VI, April 1940 bis Mai 1945 Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete. Teschemacher, M argarete 3. März 1903 Köln – 19. Mai 1959 Bad Wiessee/Bayern deutsche Opernsängerin Sopranistin, ab 1934 internationale Karriere, trat u. a. an der Mailänder Scala, in Barcelona, Chicago, Dresden, Berlin, München und Wien auf, nach 1945 Gastspielvertrag mit der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. Thier ack, Dr. jur. Ot to Georg 19. April 1889 Wurzen/Sachsen – 26. Oktober 1946 Internierungslager Eselheide/ Nordrhein-Westfalen (Suizid) deutscher Beamter und Politiker ab 1910 Jus-Studium, 1914 Promotion zum Dr. jur., 1914–1918 Kriegsdienst, ab 1920 im Gerichtsdienst, Staatsanwalt in Leipzig (1921) und in Dresden (1926), 1932 Mitglied der NSDAP (Oberbefehlsleiter 1942), 1933 kommissarischer ab Mai 1933 bis März 1935 Justizminister Sachsens, 1934 Mitglied der SA (SA-Gruppenführer 1942), 1935 Vizepräsident des Reichsgerichts, Mai 1936 Präsident des Volksgerichtshofs, Leiter des NS-Rechtswahrerbundes, August 1939 bis April 1940 und April 1941 Wehrdienst, August 1942 bis 30. April 1945 Reichsjustizminister, in britischer Gefangenschaft, Selbstmord vor Verfahrenseröffnung im Nürnberger Prozess. Thomsen, Dr. jur. H ans 14. September 1891 Hamburg – 31. Oktober 1968 Hamburg deutscher Diplomat Jus-Studium, 1913 Promotion zum Dr. jur., 1914–1915 Kriegsdienst, September 1915 in den hamburgischen Justizdienst, Mai 1916 bis Juni 1917 Militärdienst beim Nachrichtenoffizier des Generalstabs des Feldheeres in Hamburg, Juli 1917 beim

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Militärattaché an der Gesandtschaft in Kristiana, 1919 im Auswärtigen Amt, 1921– 1923 Vizekonsul in Mailand und Neapel, ab 1928 im Auswärtigen Amt Sachbearbeiter für Österreich, Jugoslawien und Tschechoslowakei, 1932 in die Reichskanzlei berufen, 1933 Ministerialrat, 1933–1936 außenpolitischer Referent in der Reichskanzlei, 1936 Botschaftsrat in Washington, 1938 Mitglied der NSDAP, November 1938 bis Dezember 1941 Geschäftsträger in Washington, kehrte nach dem Kriegseintritt der USA nach Deutschland zurück, 1942 im Auswärtigen Amt, Jänner 1943 bis 1945 Botschafter in Stockholm, im Nürnberger Prozess Zeuge, in den 1950erJahren Vorsitzender des Roten Kreuzes in Hamburg. Thun und Hohenstein, Gr af Oswald 14. Dezember 1849 Prag – 21. Oktober 1913 Wien Großgrundbesitzer, Industrieller und Politiker Jus-Studium an den Universitäten Wien, Prag und Leipzig, ab 1876 Verwaltung der Güter in Böhmen, Besitzer der Porzellanfabrik Thun in Klösterle, 1880–1913 (mit Unterbrechungen) Abgeordneter des Böhmischen Landtags, ab 1883 erbliches Mitglied des Herrenhauses und des Reichsrats. Thurn-Valsassina, Georg 13. April 1900 Wien – 4. März 1967 Taormina/Sizilien Großgrundbesitzer Jus-Studium begonnen, Studium an der landwirtschaftlichen Fakultät der Deutschen Technischen Hochschule in Prag, 1922 Diplomprüfung, bis 1923 Verwaltung der elterlichen Güter in Waltsch, ab 1928 auf Schloss Hagenegg in Eisenkappel, 1929 Mitglied des Heimatschutzes, Schwager von Ernst Rüdiger Starhemberg (verheiratet mit Sophie Marie Starhemberg 1902–1970), ab 1934 aktiv in der Vaterländischen Front, 1934–1938 Mitglied des Staatsrats, nach dem »Anschluss« 1938 mehrfach inhaftiert, u. a. vom 23. April bis 28. August 1938, 1944 in das KZ Dachau deportiert, 1945–1954 Landesjägermeister von Kärnten, 1965–1967 Vorsitzender des Naturschutzbundes. Timoschenko, Konstantinowitsch (Timošenko, Semjon Konstantinovič) 18. Februar 1895 Furmanowka/Ukraine – 31. März 1970 Moskau sowjetischer Offizier 1915 Eintritt in die Armee, kämpfte im Bürgerkrieg auf Seiten der Bolschewiki, 1919 Regimentskommandeur, nach Ausbildung Kommandeur des Kiewer Militärdistrikts, 1939 Mitglied des Zentralkomitees, 1939 Führer der Truppen in Polen, 1940 Oberbefehlshaber im Krieg gegen Finnland, Mai 1940 bis Juni 1941 Volkskommissar für Verteidigung, Juni 1941 Stellvertreter Stalins, 1941 Oberbefehlshaber der Südwest-

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front, bei der Schlacht von Charkow im Mai 1942 schwere Niederlage, Juli 1942 Oberbefehlshaber der Stalingrader Front sowie der Nordwestfront (Oktober 1942 bis März 1943), bis Kriegsende Koordination von Heeresgruppen, 1946–1948 in China, dann Oberbefehlshaber des Wehrkreises Weißrussland. Tiso, Dr. theol. Jozef Gašpar 13. Oktober 1887 Nagybicse/Slowakei – 18. April 1947 Pressburg (hingerichtet) Priester und slowakischer Politiker Studium der Theologie an der Universität Wien, 1910 Priesterweihe, 1911 Promotion zum Dr. theol., 1914/1915 Kriegseinsatz (Militärkaplan), 1915 Theologieprofessor am Priesterseminar in Nitra, Sekretär des Bischofs von Nitra, 1924 Leiter des Priesterseminars in Bánovce, 1925 Abgeordneter im Prager Parlament (»Slowakische Volkspartei«), Jänner 1927 bis Oktober 1929 Minister für öffentliche Gesundheit und Leibeserziehung, 1938 Parteiobmann, Oktober 1938 bis März 1939 an der Spitze der slowakischen Landesregierung, 14. März 1939 bis 26. Oktober 1939 Ministerpräsident, ab Oktober 1939 Staatspräsident der unabhängigen »Slowakischen Republik«, April 1945 Flucht nach Altötting in Bayern, von den Alliierten an die Tschechoslowakei ausgeliefert, in Pressburg von einem Volksgericht zum Tode verurteilt. Tito, Josip (eigentlich Josip Broz) 25. Mai 1892 Kumrovec/Kroatien – 4. Mai 1980 Laibach jugoslawischer Politiker Mechaniker, ab 1910 Sozialdemokrat, 1914 Kriegsdienst, 1915 in russischer Kriegsgefangenschaft, 1920 Mitarbeit am Aufbau der Kommunistischen Partei Jugoslawiens, 1927 Sekretär der kroatischen Metallarbeiterunion, 1928–1934 in Haft, 1936–1938 Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der republikanischen Volksarmee, ab 1941 Organisation des Partisanenkampfes gegen die deutschen und italienischen Besatzer sowie gegen die Tschetniki von General Mihailović, ab 1943 Marschall und Präsident des Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung, 1944 militärische Befreiung, ab 1945 Ministerpräsident und Verteidigungsminister der Volksrepublik Jugoslawien, 1948 Bruch mit der Kominform (1947–1956 überstaatliches Bündnis verschiedener kommunistischer Parteien), ab Jänner 1953 Staatspräsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Todt, Dr.-Ing. Fritz 4. September 1891 Pforzheim/Baden-Würtemberg – 8. Februar 1942 bei Rastenburg/Ostpreußen (Flugzeugabsturz) deutscher Bauingenieur und Politiker

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ab 1911 Studium des Bauingenieurwesens an der Technischen Hochschule München, 1914–1918 Kriegsdienst, 1920 Abschluss des Studiums an der Technischen Hochschule Karlsruhe, 1922 Mitglied der NSDAP, Tätigkeit in einem Straßenbauunternehmen, 1931 Promotion zum Dr.-Ing., 1931 Fachberater im Amt für Wirtschaftstechnik und Arbeitsbeschaffung der NSDAP, 1933 Generalinspektor für das Straßenwesen (Autobahnbau), Dezember 1938 Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft (Errichtung des Westwalls), 1939 Generalmajor der Luftwaffe, ab März 1940 Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Juli 1941 Generalinspekteur für Wasser und Energie, nach ihm war die 1938 gegründete und militärisch organisierte Bautruppe »Organisation Todt« benannt. Toggenburg, Heinrich 16. Oktober 1871 Bozen – 8. Februar 1947 Wien Beamter Jus-Studium an der Universität Innsbruck, 1895 in den Dienst der Statthalterei in Innsbruck, 1896–1904 bei verschiedenen Bezirkshauptmannschaften, September 1905–1911 Ministerium des Innern in Wien, September 1919 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Tomanek, Gertrude (Beyerfels-Mondsee) 13. April 1902 Brünn – 15. Februar 1997 Salzburg Ehefrau von Joseph Ferdinand Habsburg (Österreich-Toskana). Heirat am 27. Jänner 1929. Toussaint, Rudolf 2. Mai 1891 Egglkofen/Oberbayern – 1. Juli 1968 München deutscher Offizier 1911 Eintritt in die Bayerische Armee, 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, ab 1932 im Reichswehrministerium in der Abteilung »Fremde Heere«, ab November 1938 Militärattaché an der Botschaft in Prag, Anfang April 1939 bis Oktober 1941 Militärattaché an der Botschaft in Belgrad, danach zur besonderen Verwendung beim Oberkommando des Heeres, ab November 1941 Wehrmachtbefehlshaber beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, September 1943 General der Infanterie, Militärbefehlshaber in Italien, Juli 1944 wiederum Bevollmächtigter der Wehrmacht und Befehlshaber im Wehrkreis Böhmen und Mähren in Prag, 1945 zusätzlich deutscher Stadtkommandeur von Prag, Mai 1945 in US-Gefangenschaft, 1946 an tschechoslowakische Behörden ausgeliefert, 1948 zu lebenslanger Haft verurteilt, 1961 Freilassung im Austausch gegen tschechoslowakische Agenten.

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Tr autmann, Dr. jur. Osk ar Paul 7. Mai 1877 Stradow/Brandenburg – 10. Dezember 1950 Berlin deutscher Diplomat und Publizist Jus-Studium, 1899 in den preußischen Justizdienst, 1924 Promotion zum Dr. jur. und Einberufung in den Auswärtigen Dienst, 1905–1906 in St. Petersburg, Juni 1906 bis Oktober 1907 Mitglied der Delegation bei der Haager Friedenskonferenz, 1908 in St. Petersburg, Mai 1908 bis März 1909 bei der Seerechtskonferenz in London, bis Oktober 1911 in St. Petersburg, danach im Auswärtigen Amt, Oktober 1912 kommissarischer Leiter des Generalkonsulats in Zürich, Dezember 1912 im Auswärtigen Amt, während des Ersten Weltkrieges in der Zensurstelle, im Bereich der Presseangelegenheiten und im Referat für Skandinavien und Russland, bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Spa, September 1920 Leiter des Referats I (Innere Politik und Innere Presse), März 1922 bis Jänner 1923 Generalkonsul in Kobe, danach an der Botschaft in Tokio, Juni 1925 im Auswärtigen Amt, Dezember 1928 Ministerialdirigent, Oktober 1931 Gesandter in Peking, ab Mai 1935 Botschafter, musste im Juni 1938 nach dem Scheitern einer Vermittlung im Massaker von Nanking China verlassen, Dezember 1939 einstweiliger Ruhestand, Mitte 1942 dauernder Ruhestand. Tr aut tmansdorff-Weinsberg, M a ximilian K arl 13. September 1900 Kalksburg bei Wien/NÖ – 25. Juni 1965 Innsbruck Jus-Studium und Nationalökonomie an der Universität München, für das Arbeitsministerium tätig, Generalsekretär einer »Europäischen Akademie«, die Grundlagen für eine Vereinigung der Völker Europas auf föderativer Basis schaffen wollte. Troll, Dr. jur. Wolfgang 21. April 1885 Wien – 22. Jänner 1982 Wien Beamter 1909 Eintritt in den Staatsdienst, 1913–1938 Schriftleiter des Österreichischen Amtskalenders, Dezember 1918 Einberufung in die Staatskanzlei, Jänner 1923 Schriftführer im Ministerrat und Personalreferent im Präsidium des Bundeskanzleramtes, 1929 Ministerialrat, 1. April 1940 bis 19. Mai 1945 Direktor des administrativen Dienstes des Reichsarchivs Wien, ab 28. Juli 1945 Liquidator der Einrichtungen des Deutschen Reiches in der Republik Österreich, Dezember 1950 Versetzung in den dauernden Ruhestand unter Ernennung zum Sektionschef. Troll-Obergfell, Herbert 15. September 1891 Krumbach/NÖ – 4. Juni 1978 Wien Diplomat

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1910–1916 Konsularakademie, 1914–1915 Kriegsdienst, 1916 in den Auswärtigen Dienst, 1916 am Generalkonsulat in München, 1919–1920 in Karlsruhe (Liquidation des Konsulats), Mai 1920 in das Auswärtige Amt in die Kanzleidirektion, 1922–1925 interimistische Vertretung im Konsulat Laibach, 1926–1929 im Bundeskanzleramt/ Auswärtige Angelegenheiten, Mai 1929 bis 1936 an der Gesandtschaft in Belgrad, Dezember 1936 bis 1938 Generalkonsul und Leiter des Konsulats Pressburg, 1938 liquidierte er das österreichische Konsulat, im Juni 1938 nach Wien, Übernahme in den deutschen Auswärtigen Dienst, 1938–1939 beim Amt des Reichsstatthalters in Wien, 1939–1940 im Auswärtigen Amt in Berlin, 1940–1941 Leiter des Konsulates Skopje, 1941–1943 an der Gesandtschaft in Agram, Gesandtschaftsrat I. Klasse, 1943 Vorsitzender der deutschen Zentralgrenzkommission, 1943–1944 im Ausweichquartier des deutschen Auswärtigen Amtes in Krummhübel im Riesengebirge, 1944 in Disponibilität versetzt, 1945 nicht in den österreichischen Auswärtigen Dienst übernommen, 1947 pensioniert. Tschurtschenth aler, Dr. jur. Dipl.-Volksw. Ignaz Josef ( Igo) 1. Februar 1890 Kötschach-Mauthen/Kärnten – 16. Dezember 1954 Klagenfurt Rechtsanwalt und Politiker (ChP/ÖVP) Jus-Studium an der Universität Graz, Promotion zum Dr. jur., Rechtsanwalt in Graz und Wien, 1925 eigene Anwaltskanzlei, aktiv in der Christlichsozialen Partei, 1926– 1934 Mitglied des Gemeinderats von Klagenfurt, 7. März bis 2. Mai 1934 Mitglied des Bundesrats, 1934–1938 Abgeordneter zum Kärntner Landtag, während des Juliputsches 1934 Attentat auf ihn verübt, 1934–1938 Mitglied des Staatsrats und des Bundestags, 1934–1937 Landesführer der Ostmärkischen Sturmscharen, 12. März 1938 verhaftet, 24. Mai 1938 in das KZ Dachau deportiert, 27. September 1939 ins KZ Flossenbürg, im Frühjahr 1940 freigelassen, Gau- und Berufsverbot, Ausbildung zum Steuerberater und Realitätenvermittler, im Oktober 1942 als Helfer in Steuerangelegenheiten zugelassen, absolvierte zusätzlich an der Hochschule für Welthandel in Wien eine Ausbildung zum Diplom-Volkswirt (Abschluss 1944), März 1945 Rückkehr nach Kärnten, wieder Rechtsanwalt, Mitbegründer der ÖVP Kärnten, Dezember 1945 bis November 1949 Abgeordneter zum Nationalrat, 1950 Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofs. Tsouderos, Emmanouil Ioannou (Tsuderos /Zuderos, Emmanuel) 19. Juli 1882 Rethymno/Kreta – 10. Februar 1956 Nervi bei Genua griechischer Politiker April 1941 bis April 1944 Ministerpräsident im Exil, zunächst in Kreta, dann in London, ab März 1943 in Kairo, während seiner Amtszeit April bis Juni 1941 zugleich Außenminister, Finanzminister (April 1941 bis September 1941 und Juni 1943 bis April 1944) sowie Innenminister (Mai 1942 bis April 1944).

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Tuch atschewski, Mich ail Nikolajewitsch (Tuch ačevskij, Mich ail Nikolaevič) 16. Februar 1893 Alexandrowskoje bei Safonowo/Smolensk – 12. Juni 1937 Moskau sowjetischer Offizier zaristischer Offizier, im Ersten Weltkrieg in deutsche Gefangenschaft (1915–1917), 1918 den Bolschewiki angeschlossen, Kommandeur an der Wolga und in Sibirien gegen die weißen Armeen, 1920 Kommandeur im Sowjetisch-Polnischen Krieg, schlug 1921 die Revolte in Kronstadt und die Bauernaufstände nieder, 1924 stellvertretender Generalstabschef und Leiter der Militärakademie in Moskau, 1931 stellvertretender Volkskommissar für militärische Angelegenheiten, führte die Motorisierung in der Roten Armee durch, stellte Fallschirmtruppen auf, 1935 Marschall, 1937 abgesetzt und wegen »Konspiration mit dem Feinde« hingerichtet, 1958 rehabilitiert. Turner, Rich ar d ?  –   ? britischer Diplomat 1932–1934 Handelssekretär in Italien, 1934–1938 Legationssekretär in Österreich. Turnwald, Got tfried 1. August 1922 Reichenberg/Böhmen – 15. April 2014 Ebersberg/Bayern Neffe von Heinrich Wildner Beamter Jus-Studium in Prag (erstes Staatsexamen), 1942 zur Deutschen Wehrmacht einberufen, wegen Krankheit ausgemustert, danach Forschungen zur Siedlungsgeschichte am südöstlichen Rand des deutschen Sprachraums im Klagenfurter Archiv, Februar 1945 neuerliche Einberufung, nach acht Wochen Dienst in Bayreuth und Ansbach achtzehn Monate in US-Gefangenschaft, 1946 Entlassung, nach der Vertreibung aus der Tschechoslowakei zunächst Aufenthalt in Immenstadt im Allgäu, 1950 2. Staatsexamen, danach Staatsanwalt in Regensburg und Nürnberg, anschließend Richter am Landgericht in München, 1982 Ruhestand, bekannter Eisenbahn-Fotograf. Turnwald, Dr. Rudolf Ehemann von Claire (Klara, geborene Wildner), Schwager von Heinrich Wildner. Twar dowski-Skrzypna, Dr. jur. Dr. rer. pol. Juliusz von 23. Jänner 1874 Wien – 6. Juni 1945 Krakau österreichisch-polnischer Diplomat, Politiker und Fachschriftsteller Jus-Studium an der Universität Lemberg, 1897 Promotion zum Dr. jur. an der Universität Lemberg und 1900 an der Universität Wien, 1900 Eintritt in den Staatsdienst in der Finanzverwaltung Niederösterreichs und im Präsidialbüro der Öster-

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reichischen Handelskammer, danach im Ministerium für öffentliche Arbeit, 1911 Sektionschef im Ministerium für Galizien, Juni 1917 bis Juli 1918 Staatsminister für Galizien, 1919–1920 Bevollmächtigter für Liquidierungsangelegenheiten in Wien, Option für Polen, 1920 an der Gesandtschaft Polens in Wien tätig, 1921–1938 Präsident der Österreichisch-Polnischen Handelskammer sowie 1923–1930 Präsident der Austropolnischen Bank, aktiv im polnischen Vereinswesen, 1925–1929 und 1936–1938 Vorsitzender der österreichischen Sektion der Vereinigung polnischer Verbände, Vertreter der »Polnischen Akademie der Gelehrsamkeit«, Mitglied des Kuratoriums des »Polnischen Hauses« in Wien, 1928–1929 Vorsitzender der polnischen Delegation bei den Wirtschaftsverhandlungen mit dem Deutschen Reich, publizistisch tätig. Udet, Ernst 26. April 1896 Frankfurt am Main – 17. November 1941 Berlin (Suizid) deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst (Jagdflieger), danach Kunstflieger, verschiedene Firmengründungen, wirkte bei Spielfilmen mit, 1933 Mitglied der NSDAP, Juni 1935 Eintritt in die neugegründete Luftwaffe im Rang eines Oberst, September 1935 Inspekteur der Jagd- und Sturzkampfflieger, 1936 Chef des Technischen Amtes im Luftfahrtministerium, November 1938 Generalleutnant, Februar 1939 Generalluftzeugmeister, Juli 1940 Generaloberst, Selbstmord wegen Misserfolgen bei der Luftwaffe in England und Russland. Ugron, Gábor 15. April 1847 Szombatfalva – 23. Jänner 1911 Budapest ungarischer Politiker Jus-Studium in Wien und Pest, 1870 Eintritt in die Legion Garibaldis, während der Pariser Kommune Aufenthalt in Paris, 1872 mit dem Programm der Tisza-Partei Wahl zum Reichstagsabgeordneten, ab 1874 mit einer Fraktion der MittelinksPartei, Mitbegründer der Unabhängigkeitspartei, 1896–1899 ruhte die Funktion im Reichstag, betrieb Oppositionspolitik, insbesondere Angriffe auf die Außenpolitik der Monarchie und des Dreibunds, politisch in Richtung Frankreich orientiert. Uiberreither, Dr. jur. Siegfried 29. März 1908 Salzburg – 29. Dezember 1984 Sindelfingen/Baden-Württenberg Politiker Jus-Studium an der Universität Graz, 1933 Promotion zum Dr. jur., ab 1930 Angestellter der Landwirtschaftskrankenkasse in Graz, Mitglied der Heimwehr, 1931 Mitglied der SA, 1934 Führer der illegalen SA in der Steiermark, ab 12. März 1938 Führer der SA-Brigade 5 (Mittelsteiermark) und für einige Tage kommissarischer

Biografien

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Polizeipräsident von Graz, 24. Mai 1938 bis 1945 Gauleiter der Steiermark, Juni 1938 bis März 1940 Landeshauptmann der Steiermark, 1939 bis April 1940 in der Wehrmacht (an der Besetzung Norwegens teilgenommen), ab März 1940 Reichsstatthalter, ab April 1941 Chef der Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten der Untersteiermark, ab November 1942 Reichsverteidigungskommissar für die Steiermark, November 1943 SA-Obergruppenführer, 1944 Führer des Volkssturms in der Steiermark, 8. Mai 1945 Übergabe der Amtsgeschäfte an Gauhauptmann Dadieu, zwei Wochen später von den Briten in Murau verhaftet, Zeuge im Nürnberger Prozess (Kriegsverbrecherprozess), mehrere Verfahren vor dem Volksgericht Graz eingeleitet, während seiner Überstellung nach Jugoslawien 1947 geflüchtet, vor­ übergehender Aufenthalt in Südamerika, lebte danach unter falschem Namen in Deutschland. Umberto II. (Umberto Nicola Tommaso Giovanni von Savoyen) 15. September 1904 Schloss Racconigi/Piemont – 18. März 1983 Genf Kronprinz von Italien Militärische Ausbildung, Kommando über Heeres-Einheiten (doch ohne Entscheidungsgewalt), 1929 Ziel eines Attentats, 1942 militärischer Rang eines »Marschall von Italien«, nach Ende des Faschismus Titel »Luogotenente Generale del Regno«, 9. Mai bis 18. Juni 1946 letzter König Italiens. Undén, Ulf Torsten 15. April 1877 Vetlanda – 5. Juni 1962 Stockholm schwedischer Diplomat 1928–1938 Gesandter in Österreich, auch in Ungarn und Jugoslawien akkreditiert. Urbas, Emanuel (Pseudonym  : Ernest U. Cormons) 27. September 1878 Triest – 10. September 1958 Kitzbühel/Tirol Diplomat und Publizist 1897–1902 Konsularakademie, 1902 österreichisches Handelsmuseum, 1903 Außenministerium, 1906–1907 am Konsulat in Mailand, danach im Außenministerium, Jänner bis Mai 1909 interimistische Leitung des Generalkonsulats in Barcelona, wieder in das Außenministerium (Presseabteilung), dazwischen Dienstleistungen am Generalkonsulat in Berlin und in Tiflis, Juli 1915 Vertreter des Außenministeriums im Kriegsüberwachungsamt, August bis Dezember 1915 interimistischer Gerent in Basel, April bis Dezember 1916 Kriegsdienst (ohne Absprache mit Amt), 1916–1918 an der Botschaft in Berlin, 1919 zwangspensioniert, 1919 österreichische Staatsbürgerschaft, publizistisch tätig, schrieb fallweise Leitartikel für das »Neue Wiener Tagblatt«, in den 1930er-Jahren außenpolitische Beiträge für die »Reichspost« (u. a.

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1936 Demarche des deutschen Außenamtes wegen gehässigen Schreibens gegen das Deutsche Reich). Urbšys, Juozas (Joseph) 29. Februar 1896 Šeteniai – 30. April 1991 Kaunas litauischer Diplomat und Politiker 1916–1922 in der Armee, danach Eintritt in das Außenministerium, 1922–1927 in Berlin, danach in Paris, 1933–1934 Gesandter in Riga, 1934 Leiter der politischen Abteilung im Außenministerium, ab 1936 Generalsekretär des Außenministeriums, Dezember 1938 bis Juni 1940 Außenminister, Juli 1940 in die Sowjetunion deportiert, 1954 freigelassen, 1956 Rückkehr nach Litauen. Valer a, Éamon de 14. Oktober 1882 New York – 29. August 1975 Dublin irischer Politiker 1926–1959 Vorsitzender der Partei »Fianna Fáil«, 1937 durch neue Verfassung Premierminister (bis 1948) und 1951–1954, 1957–1959, 1959–1973 Staatspräsident, vertrat im Zweiten Weltkrieg Neutralität, doch Zusammenarbeit der Armee und des Geheimdienstes mit den Alliierten, protestierte 1946 gegen die in den Nürnberger Prozessen über die Hauptkriegsverbrecher verhängten Todesstrafen. Van der Elst, Dr. jur. Joseph 9. September 1896 Brüssel – 20. Februar 1971 Oisquercq belgischer Diplomat 1914–1918 Kriegsdienst, Jus-Studium an der Katholischen Universität Löwen, 1920 Promotion zum Dr. jur., Rechtsanwalt, 1922 in den Auswärtigen Dienst, 1923–1925 belgischer Hochkommissar bei der von belgischen und französischen Truppen durchgeführten Rheinlandbesetzung in Koblenz, 1925–1927 Botschaftssekretär in Washington, 1927 in Athen, 1928–1936 als Botschaftssekretär Geschäftsträger in Wien, 1936–1938 Geschäftsträger in Prag, ab dem »Anschluss« Österreichs 1938– 1940 Generalkonsul in Wien, nach dem deutschen Überfall auf Belgien, die Niederlande und Luxemburg über die Sowjetunion in die USA, 1941 Generalkonsul in New York, 1942 Botschaftsrat für Wirtschaft in Washington, nahm 1945 an der Gründung der UNO teil. Van der Str aten-Ponthoz, A lex ander Joh ann M aria 29. August 1882 Weinern/NÖ – 23. Februar 1949 Wien Diplomat ab 1930 ao. Gesandter und bev. Minister des Souveränen Malteser Ritterordens in Wien.

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Van der Venne, A rnold ?  –   ? ungarischer Diplomat (Konsul) bis Mai 1943 in Wien. Van H aersma de With, Hendrik M aurits 15. Juni 1884 – 10. September 1945 Putten niederländischer Diplomat 1938 bis 14. Mai 1940 Botschafter in Berlin. Van Weede, M arc Willem 2. Februar 1904 Den Haag – 30. Juni 1994 Morges/Vaud niederländischer Diplomat 1944–1956 Gesandter beim Heiligen Stuhl. Vaugoin, Carl 8. Juli 1873 Wien – 10. Juni 1949 Krems/NÖ Beamter und Politiker (ChP) 1898 Eintritt in den niederösterreichischen Landesdienst, 1912–1914 Mitglied des Wiener Gemeinderats, 1918–1920 Stadtrat, November 1920 bis September 1933 Abgeordneter zum Nationalrat, April bis Oktober 1921, Mai 1922 bis September 1929 und Dezember 1930 bis September 1933 Bundesminister für Heereswesen, September 1929 bis September 1930 Vizekanzler mit der Leitung des Bundesministeriums für Heereswesen betraut, September bis Dezember 1930 Bundeskanzler mit der Leitung des Bundesministeriums für Heereswesen betraut, Mai 1930 bis Jänner 1934 Obmann der Christlichsozialen Partei, April 1933 Ernennung zum General der Infanterie, September 1933 bis Mai 1936 Präsident der Verwaltungskommission der ÖBB, November 1934 bis Mai 1936 Mitglied des Staatsrats und des Bundestags, Mai 1936 Niederlegung aller politischen Funktionen, 28. März 1938 bis 9. August 1939 Inhaftierung, 1940–1943 Zwangsaufenthalt in Deutschland. Veesenmayer, Dr. oec. publ. Edmund 12. November 1904 Bad Kissingen/Bayern – 24. Dezember 1977 Darmstadt deutscher Diplomat Studium der Staatswissenschaften in München, 1928 Promotion zum Dr. oec. publ., Dozent an der Technischen Hochschule München und der Wirtschaftshochschule in Berlin, 1932 Mitglied der NSDAP, 1934 Mitglied der SS (Brigadeführer), März bis Juni 1938 Referent beim Beauftragten Hitlers für Wirtschaftsfragen, Staatssekretär Keppler (Reichsbeauftragter für Österreich), Gesellschafter mit Sitz in den Gremien der Donauchemie AG in Wien und der Länderbank AG in Wien, ins Auswärtige

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Amt überstellt (als Gesandter), November 1938 bis März 1939 mehrmals in Pressburg, August 1939 in Danzig, März 1940 bis Anfang 1944 Planung von Geheimunternehmungen (u. a. Agitation, um Iren zu einem Aufstand gegen Großbritannien zu bewegen), 1941 und 1942 mehrmals in Kroatien und Serbien, 1943 mehrmals in Ungarn, März 1944 bis Februar 1945 Reichsbevollmächtigter für Ungarn, Mai 1945 bei Salzburg von US-Truppen verhaftet, im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, 1951 begnadigt, 1953 Kontakte zum rechtsextremen »Naumann-Kreis«, der die FDP nationalsozialistisch unterwandern wollte, für eine französische Firma in Deutschland tätig, 1961 Zeuge im EichmannProzess. Veitschberger, A ndreas ?  –   ? Geschäftsmann und Schriftsteller aus der Familie der Magnesitbesitzer, große Güter in Niederösterreich und im Burgenland arisiert, enge Beziehungen zu NS-Funktionären, u. a. öffentlicher Verwalter der Güter der Familie Seilern in Wasserburg bei Sankt Pölten, 1945 verhaftet, beim Volksgericht Wien Voruntersuchungen nach dem Kriegsverbrechergesetz sowie wegen des Verbrechens der Veruntreuung. Ver droß-Droßberg, Dr. jur. A lfred 22. Februar 1890 Innsbruck – 27. April 1980 Innsbruck Universitätsprofessor und Völkerrechtsexperte Jus-Studium an der Universität Wien, 1913 Rechtspraktikant am Oberlandesgericht Wien, 1913 Promotion zum Dr. jur., 1916–1918 Militärdienst am Obersten Militärgerichtshof in Wien, Jänner 1918 im Außenministerium (staats- und völkerrechtliche Abteilung), Dezember 1918 bis Dezember 1920 Legationssekretär in Berlin, Rückkehr in das Außenamt, 1921 Habilitation, ab 1923 nebenamtlicher Professor an der Konsularakademie, ab 1925 Professor an der Universität Wien, Juni 1938 Beurlaubung, gute Kontakte zu NS-Eliten, durch Einflussnahme Alfred Jodls ab 1939 wieder Lehrtätigkeit, 1942 Einberufung zur Wehrmacht wird in Ersatz-Militärdienst umgewandelt, ab 1945 weiter Lehrtätigkeit, 1950 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, zahlreiche Funktionen und Ehrungen, u. a. 1958–1977 Richter beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Vermeer, Jan getauft 31. Oktober 1632/Delft – 15. Dezember 1675/Delft niederländischer Maler des Barock.

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Versbach-H a damar, Dorothea 19. Jänner 1887 Wien – 31. Dezember 1961 Wien geborene Todesco Ehefrau von Edwin Versbach-Hadamar (1909), Gegnerin des NS-Regimes, am 3. März 1944 wegen »judenfreundlichen Verhaltens« verhaftet. Versbach-H a damar, Dr. jur. Edwin 17. Oktober 1883 Brünn – 19. Dezember 1972 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1907 Promotion zum Dr. jur., 1907 Eintritt in den Staatsdienst, 1910 in den Auswärtigen Dienst, 1914–1916 Kriegsdienst, März 1921 bis Oktober 1925 Leiter des Generalkonsulats Triest, Oktober 1925 bis März 1931 Referent für Finanzrecht und Liquidierungsangelegenheiten im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, April 1931 bis Mai 1933 ao. Gesandter und bev. Minister in Kairo, Jänner bis Mai 1933 in Ankara, 24. Mai 1933 gegen Wartegeld beurlaubt. 31. Mai 1938 Versetzung in den Ruhestand, November 1942 bis August 1943 Vertragsangestellter des Sprachendienstes des Auswärtigen Amtes in Berlin, Jänner 1947 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, Dezember 1949 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Versbach-H a damar, Lydia 16. August 1900 Hinterbrühl/NÖ – 14. April 1986 Pressbaum/NÖ geborene Schick zweite Ehefrau von Edwin Versbach-Hadamar (1934). Veverk a, Fr au keine Information. Viator siehe Seton-Watson. Victoria (von H annover) 24. Mai 1819 Kensington Palace/London – 22. Jänner 1901 Osborne House/Isle of Wight Königin von Großbritannien geborene Princess Alexandrina Victoria of Kent, 1837 bis 1901 Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland, ab dem 1. Mai 1876 trug sie als erste britische Monarchin zusätzlich den Titel »Kaiserin von Indien« (»Empress of India«).

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Vieli, Dr. jur. Peter 17. März 1890 Chur/Schweiz – 11. Mai 1972 Châteauneuf-Grasse/Frankreich Schweizer Jurist und Diplomat 1916 Promotion zum Dr. jur., Tätigkeit in einer Anwaltspraxis, danach in der Genfer Sparkasse Comptoir d’escompte, 1918 Eintritt in das Eidgenössische Politische Departement, 1924–1931 1. Sekretär der Schweizer Gesandtschaft in Rom, danach in der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements, Dezember 1937 Generaldirektor der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), 1939–1942 und 1944–1952 im Vorstand der Schweizerischen Bankiervereinigung (1939–1942 präsidierte er das Komitee Deutschland), 1942 bis September 1943 Gesandter in Rom, danach zurück nach Bern, Demission im Februar 1944, danach bis 1952 Rückkehr in die Generaldirektion der SKA, 1952–1956 in deren Verwaltungsrat, nach 1945 Funktionen in zahlreichen Wirtschaftsverbänden, trug zur Normalisierung der Finanzbeziehungen mit Deutschland bei. Viest, Rudolf Mich al 24. September 1890 Nagyrőce/Slowakei – 1945 KZ Flossenbürg (hingerichtet) slowakischer Offizier 1914 Kriegsdienst in der österreichisch-ungarischen Armee, 1915 in russischer Gefangenschaft, kämpfte auf russischer Seite in einem tschechoslowakischen Legionsregiment, 1920 Rückkehr, Militärattaché in Warschau und Budapest, Brigade-, dann Divisionskommandeur, 1939 Generalinspekteur des neuen slowakischen Heeres, August 1939 in Paris Mitglied im tschechoslowakischen Nationalausschuss, Juni 1940 nach England, Mitglied der provisorischen tschechoslowakischen Regierung, 1941 Staatsminister, März 1942 in Abwesenheit zum Tod verurteilt, 1944 Befehlshaber der slowakischen Untergrundarmee, 1944 in deutsche Gefangenschaft, über Berlin ins KZ Flossenbürg, gefoltert und hingerichtet. Viktor Emanuel ( Vit torio Emanuele) III. Di Savoia 11. November 1869 Neapel – 28. Dezember 1947 Alexandrien/Ägypten König von Italien seit 1900 König, überträgt 1944 die Regierungsgeschäfte seinem Sohn Kronprinz Umberto, 1936–1941 Kaiser von Abessinien, 1939–1943 König von Albanien. Villáni von Castello Pillonico, Ludwig Freiherr 22. April 1891 Tápió-Sáp/Sülysáp – 4. Juli 1948 Budapest ungarischer Diplomat 1908–1913 Konsularakademie, 1913 in den Auswärtigen Dienst, 1913–1914 am Generalkonsulat in Shkoder, 1914–1915 an der Gesandtschaft in Durres, 1916–1918 in Izmir, 1919 in den ungarischen Dienst übernommen, 1920 in Zürich, 1920–1923

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Konsul in Triest, 1923–1926 in Mailand, 1926–1928 an der Gesandtschaft in Istanbul, 1928–1931 in Belgrad, 1932–1939 Leiter der Kultusabteilung im Außenministerium, 1939–1940 Gesandter in Finnland, danach Universitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Budapest, Schriftsteller. Vir ág, Ferenc 22. August 1869 Bonyhád – 2. März 1958 Pécs ungarischer katholischer Priester und Politiker 1892 Priesterweihe, Kaplan, 1896 Religionslehrer, 1897 Kaplan an der Kathedrale in Pécs, 1901 Lehrer, ab 1912 Pfarrer in verschiedenen Gemeinden, 1926–1958 Bischof von Fünfkirchen/Pécs, 1927–1944 Mitglied des Oberhauses. Vojta, Hugo 11. April 1885 Tábor/Böhmen – 28. September 1941 Prag (hingerichtet) tschechoslowakischer Offizier (Divisionsgeneral) führendes Mitglied der tschechoslowakischen Widerstandsbewegung »Obrana národa« (deutsch »Verteidigung der Nation«), von den Deutschen gemeinsam mit Josef Bílý und František Horáček verhaftet und hingerichtet. Völckers, Paul 15. März 1891 Kiel – 23. Jänner 1946 Sowjetunion deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Übernahme in die Reichswehr, Kommandeur und Generalstabsoffizier verschiedener Einheiten, Februar 1937 bis Oktober 1940 Chef des Infanterie-Regiments 115 (Darmstadt) der 33. Infanterie-Division, Einsatz beim Westfeldzug, April 1941 bis Jänner 1942 Befehlshaber der Heeresmission in Bulgarien, Funktionen bei der königlich-bulgarischen Heeresleitung und Militärattaché in Sofia, Jänner 1942 bis April 1943 Kommandeur der 78. Infanterie-Division an der Ostfront vor Moskau, Juni 1943 Kommandierender General des XXVII. Armeekorps, September 1943 zum General der Infanterie befördert, Juni 1944 von den Sowjets gefangen genommen, während der Gefangenschaft im »Bund deutscher Offiziere« und im »Nationalkomitee Freies Deutschland« aktiv, in dieser Funktion Mitunterzeichner des »Aufrufs der 17 Generale« vom 27. Juli 1944 und des Aufrufs von 50 kriegsgefangenen Generälen »An Volk und Wehrmacht« vom 8. Dezember 1944. Vollgruber, A lois 17. August 1890 Josefstadt/Prag – 29. November 1976 Wien Diplomat

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1913 Konsularakademie absolviert, 1914–1917 Kriegsdienst, 1915 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, Jänner 1918 bis Jänner 1919 am Konsulat Breslau, 1919 in Dortmund, Oktober 1919 bis 1920 an der Gesandtschaft in Prag, 1920–1927 in Bukarest, 1927 bis Mai 1928 in Warschau, 1928–1933 an der Gesandtschaft in Rom, Juli 1933 bis Oktober 1934 ao. Gesandter und bev. Minister in Bukarest, Oktober 1934 bis Juni 1936 in Rom, Juni 1936 bis März 1938 in Paris, März bis September 1938 Gestapohaft, Dezember 1938 Entlassung, 1945 Wiederaufnahme in den diplomatischen Dienst, bis 1947 österreichischer Bevollmächtigter und später politischer Vertreter der Bundesregierung in Prag, 1947–1950 und 1953 bis März 1958 Gesandter in Paris, 1950–1953 Generalsekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten, Dezember 1955 Versetzung in den dauernden Ruhestand, bis März 1958 weiterverwendet. Voss ( Voß) , Dr. phil. Wilhelm 1. Juli 1896 Rostock – 1978 deutscher Wehrwirtschaftsführer ab 1934 SS-Standartenführer, 1937 Mitbegründer der Reichswerke »Hermann Göring«, Juli 1938 Generaldirektor der DDSG, 1938–1945 Präsident des Verwaltungsrats der Škoda-Werke, 1939–1941 Generaldirektor der »Hermann Göring Werke«, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Simmering-Graz-Pauker AG Wien, der SteyrDaimler-Puch AG sowie Funktionen in zahlreichen weiteren Unternehmungen in Prag, Pressburg, Wien und Berlin, 1946 Entlassung aus tschechischer Internierung, 1951–1956 Chefberater (Leiter der inoffiziellen deutschen Militär-Mission) des ägyptischen Verteidigungsministeriums, Wohnsitz nach Rückkehr nach Deutschland nicht bekannt. Wabinger ?  –   ? Journalist. Wächter, Dr. jur. Ot to Gustav 8. Juli 1901 Wien – 14. Juli 1949 Rom Politiker Jus-Studium an der Universität Wien, 1924 Promotion zum Dr. jur., am Oberlandesgericht Wien tätig, 1923 Mitglied der NSDAP und der Wiener SA, 1930 erneut Mitglied der NSDAP, 1932–1934 Rechtsanwalt, »Parteianwalt«, Hauptschulungsleiter in der Landesleitung der NSDAP, Beteiligung am NS-Putsch vom 25. Juli 1934 in Wien, Flucht nach Deutschland, 1935 Mitglied der SS (Gruppenführer 1944), Mai 1938 bis April 1939 Staatskommissär und Leiter der Inneren Verwaltung, November 1939 Gouverneur des Distrikts Krakau, 1942 des Distrikts Galizien, Führer des SS-

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Oberabschnittes Ost, September 1944 Militärverwaltungschef in Italien, versteckte sich 1945 auf Almhütten, Bischof Alois Hudal verhalf ihm zur Flucht. Waggerl, K arl Heinrich 10. Dezember 1897 Bad Gastein – 4. November 1973 Schwarzach im Pongau Schriftsteller 1916–1918 Kriegsdienst, bis 1923 Dorfschullehrer, 1936 Mitglied des »Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs«, der sich 1934 vom PEN-Club abgespaltet hatte, da einige Schriftsteller eine Protestnote gegen die Verfolgung deutscher Schriftstellerkollegen im Zuge der Bücherverbrennungen im März 1933 im Deutschen Reich verfasst hatten, 1938 Mitglied der NSDAP, 1939 Landesobmann der Reichsschrifttumskammer im Gau Salzburg, Herbst 1945 bis Februar 1946 Führung einer kunstgewerblichen Werkstätte mit Walter Rafelsberger. Wagner, A dolf 1. Oktober 1890 Algringen/Lothringen – 12. April 1944 Bad Reichenhall deutscher Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, 1919–1929 Direktor verschiedener Bergwerksgesellschaften in Bayern und Österreich, dann Verleger, 1922 Mitglied der NSDAP, 1924 Mitglied des Landtags (Bayern), 1929 Gauleiter von München, dann von MünchenOberbayern, 1933–1944 Mitglied des Reichstags, 1933 Staatskommissar, ab April 1934 Staatsminister des Innern und stellvertretender Ministerpräsident von Bayern, Dezember 1936 bayerischer Kultusminister, bei Kriegsbeginn als Gauleiter Reichsverteidigungskommissar in den Wehrkreisen München und Nürnberg, Juni 1942 Schlaganfall. Wagner, Dr. jur. can. Josef 26. Oktober 1874 Haag/NÖ – 19. November 1938 St. Pölten Priester, Schriftsteller und Politiker (ChP) 1894 Priesterseminar St. Pölten, 1898 Priesterweihe, 1900–1902 Doktoratsstudium in Kirchenrecht und Kunstgeschichte in Rom, 1902 Promotion zum Dr. jur. can., 1902 Kaplanstätigkeit, 1903 Sekretär und Zeremoniär von Bischof Johannes Baptist Rößler, aktiv im katholischen Vereinswesen und in der Christlichsozialen Partei, 1910 Professor für Kirchliche Kunst an der Philosophisch-Theologischen Hochschule, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, 1920–1923 Abgeordneter zum Nationalrat, Mitglied des Gemeinderats von St. Pölten, 1937 Titel »Päpstlicher Hausprälat«, seit seiner Jugend schriftstellerisch tätig.

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Wagner, Rich ar d 22. Mai 1813 Leipzig – 13. Februar 1883 Venedig deutscher Komponist, Dramatiker und Dirigent. Waihs, Dr. jur. Erwin ( Vinzi) 3. August 1880 Wien – 5. Juli 1959 Aich am Attersee/OÖ Politiker (ChP) Jus-Studium, 1905 Promotion zum Dr. jur., ab 1918 Bezirksrichter in Wien, November 1918 bis Juni 1920 Unterstaatssekretär für Heerwesen, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, November 1920 bis Mai 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, ab 1929 Senatsvorsitzender beim Oberlandesgericht Wien, 1938–1945 außer Dienst gestellt und politisch verfolgt, 1944 drei Wochen in Untersuchungshaft, Präsident des Österreichischen Schwarzen Kreuzes und der Gesellschaft für internationale Freundschaftsbeziehungen. Waihs, Erwin 6. Februar 1927  –   ? Angestellter Sohn von Erwin Waihs, November 1944 Diplomprüfung an der Hochschule für Welthandel, November 1944 Anstellung bei den Gaswerken. Waitz, Dr. theol. Sigismund 29. Mai 1864 Brixen – 30. Oktober 1941 Salzburg Priester 1886 Priesterweihe, 1890 Promotion zum Dr. theol., 1891–1897 Chefredakteur der »Brixner Chronik«, 1899–1913 Lehrer für Moraltheologie am Brixener Priesterseminar, ab 1913 Weihbischof und Generalvikar von Vorarlberg, 1914–1918 Kriegsprediger und Kriegstheologe (»Krieg Strafe Gottes«), nach Kriegsende Apostolischer Administrator für den österreichischen Teil des Bistums Brixen, 1921–1938 Apostolischer Administrator von Innsbruck-Feldkirch, aktiv in sozialen Fragen und für das Konkordat, 1934 Fürsterzbischof von Salzburg. Wallenberg-Pach aly, Dr. jur. Edzar d von 22. April 1904 Bonn – 3. Dezember 1973 Norden deutscher Diplomat 1923–1929 Studium der Rechtswissenschaften und Geschichte in Bonn und Königsberg (Preußen), 1930 in den preußischen Justizdienst, 1931 Promotion zum Dr. jur., Juni 1934 bis Juni 1935 bei der Entschuldungsstelle der schlesischen Landwirtschaften, Oktober 1935 in den Auswärtigen Dienst, u. a. Referent für Österreich und die Tschechoslowakei, Februar 1938 Mitglied der NSDAP, Mai 1936 bis Jänner 1939 an

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der Gesandtschaft in Wien (Schließung der Dienststelle), Dezember 1938 bis Dezember 1941 an der Gesandtschaft in Mexiko (bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen, bis Mai 1942 in US-Internierung, ab Juni 1942 im Auswärtigen Amt, Abteilung Protokoll, ab Februar 1945 Mitarbeit im elterlichen Betrieb auf Norderney, Juni 1955 Einberufung in den Auswärtigen Dienst, im gemischten Ausschuss zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen (»Überleitungsvertrag« vom 26. Mai 1952), September 1956 bis April 1957 ohne Verwendung. Walter, Paul 20. Oktober 1899 St. Petersburg –   ? deutscher NS-Funktionär im Zuge der Oktoberrevolution nach Deutschland emigriert, Bankenlehre, bis 1933 bei der Deutschen Bank, 1926 Mitglied der NSDAP, 1930 Mitglied der SA, 1930 Abteilungsleiter der NS Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisation (NS-Hago), ab 1934 stellvertretender Leiter, ab 1937 Leiter der DAF-Reichsbetriebsgemeinschaft Handwerk, März 1939 DAF-Verbindungsmann zum Generalrat der deutschen Wirtschaft beim Vierjahresplan, 1936 Mitglied der SS (Ehrenrang eines Standartenführers 1937), August 1939 Beauftragter für Leistungssteigerung im Bergbau (Einsatz von polnischen Zwangsarbeitern), April 1940 Reichskohlenkommissar, Jänner 1941 fordert er die Unterstellung der Kohlensyndikate unter das Reichskohlenkommissariat (führte zum offenen Eklat mit dem Kohlensyndikat), März 1941 abgesetzt. Wassermann keine Information stellvertretender Verwalter der Kuranstalt Bad Gleichenberg. Watzek, Josef 25. Februar 1896 Plojesti/Rumänien –   ? Handelsangestellter und Vertragsbediensteter kaufmännische Fortbildungsschule in Bielitz, 1912 bis März 1915 Handelsangestellter in Bielitz, April 1915 bis 1918 Kriegsdienst, danach Kino-Operateur und im Gemischtwarenhandel tätig, heimatberechtigt in Admont, November 1933 Mitglied des Wehrverbandes des Heimatschutzes (Land Steiermark), Kommandant der Sturmscharen in Mureck, Juli 1934 Verdienste beim Wehrsturm-Kommando des Wiener Heimatschutzes, ab Jänner 1935 Vertragsbediensteter beim Generalkonsulat in Köln. Weber, Joh ann ?  –   ? Bürgermeister

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Dezember 1943 bis Dezember 1944 bestellter Bürgermeister-Stellvertreter von Herzogenburg/NÖ. Weidlinger keine Information Inhaber des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP. Weidt, Lucie 11. Mai 1876 Troppau/Schlesien – 31. Juli 1940 Wien Opernsängerin (Sopran) nach Studium in Wien 1900 Debüt in Leipzig, 1902–1928 Mitglied der Hof- bzw. Staatsoper, danach Gesangspädagogin, in erster Ehe verheiratet mit Generalkonsul von Ürményi de Ürményi (gestorben 1925), in zweiter Ehe ab 1927 mit Johann Andreas Eichhoff, es gibt Hinweise auf einen möglichen weiteren Ehemann namens Klingenstein. Weinbacher, Dr. theol. Dr. jur. can. Jakob 20. Dezember 1901 Wien – 15. Juni 1985 Wien Priester Studium der Theologie an der Universität Wien (1924 abs. theol., 1930 Promotion zum Dr. theol.), 1924 Priesterweihe, 1926–1930 Zeremoniär des Erzbischofs von Wien, 1930–1932 Studium des kanonischen Rechts in Rom (1932 Dr. jur. can.), 1932 Direktor des Allgemeinen Kirchenbauvereins, ab 1933 Sekretär von Erzbischof Innitzer, 1934 Domprediger, 9. September bis 8. Dezember 1939 Gestapohaft, Mai 1940 nach Mecklenburg gauverwiesen, 4. Februar 1943 neuerlich verhaftet, bis 11. November 1944 in Stettin inhaftiert, zur Jahreswende 1944/1945 zurück nach Wien, 1. April 1945 Direktor der Caritas (bis November 1950), Oktober 1945 bis Oktober 1952 Vorsitzender der Caritaszentrale Österreichs, September 1945 Berufung zum Domkapitel, September 1945 bis April 1953 Generalvikar für Wien, Juli 1952 Rektor der deutschen Nationalstiftung Santa Maria dell’Anima in Rom, 1961– 1969 wieder Generalvikar für Wien, 1962 zum Bischof geweiht, 1961–1977 Sekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, ab 1962 Weihbischof, 1969–1977 Vikar für die Orden der Erzdiözese Wien, Präsident der Katholischen Akademie. Weinczierl, Dr. jur. Joh ann 19. Juni 1877 Wien – 23. Oktober 1948 Haus/Steiermark Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1901 Promotion zum Dr. jur., 1901 in den Staatsdienst bei der Finanzprokuratur in Wien, 1904–1934 im Handelsministerium,

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ab 1925 Sektionschef und Leiter der Handels- und Industriepolitischen Sektion, 1935–1939 Verwaltungsrat in zahlreichen Wirtschaftsunternehmen. Weinheber, Josef 9. März 1892 Wien – 8. April 1945 Kirchstetten/NÖ (Suizid) Schriftsteller 1931 Mitglied der NSDAP, nach dem Verbot der Partei 1933 Annäherung an den Ständestaat, 1936 Mitglied im Bund deutscher Schriftsteller, der sich 1934 vom PEN-Club abgespaltet hatte, da einige Schriftsteller eine Protestnote gegen die Verfolgung deutscher Schriftstellerkollegen im Zuge der Bücherverbrennungen im März 1933 im Deutschen Reich verfasst hatten, 1944 erneut Mitglied der NSDAP. Weiss, Familie Inhaberfamilie des ungarischen Manfréd-Weiss-Konzerns. Weizsäcker, Ernst Freiherr von 25. Mai 1882 Stuttgart – 4. August 1951 Lindau deutscher Diplomat 1914–1918 Kriegsdienst (Seeoffizier), 1920 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1921 Konsul in Basel, 1924 an der Gesandtschaft in Kopenhagen, ab 1927 in Genf beim Abrüstungsreferat, 1931 Gesandter in Oslo, 1933 für zwei Monate in der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes, September 1933–1936 Geschäftsträger in Bern, ab 1937 Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Ministerialdirektor, 1938 Mitglied der NSDAP, SS-Brigadeführer (1942, ohne Befehlsgewalt), 1938–1943 Staatssekretär, Juni 1943 bis 1945 Botschafter beim Heiligen Stuhl, bis August 1946 im Vatikan verblieben, Juli 1947 in Nürnberg von den US-Amerikanern verhaftet, 1949 im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) zu sieben Jahren Haft verurteilt, 1950 entlassen. Welles, Benjamin Sumner 14. Oktober 1892 New York – 24. September 1961 Bernardsville/New Jersey US-Diplomat und Schriftsteller ab 1915 im diplomatischen Dienst in Japan und Südamerika, 1937–1943 Unterstaatssekretär im Außenministerium, persönlicher Berater Roosevelts. Werthmann, Georg 8. Dezember 1898 Kulmbach – 25. Mai 1980 Bamberg deutscher katholischer Priester 1916 freiwilliger Kriegsteilnehmer, 1924 Priesterweihe, 1924–1927 Kaplan in Nürnberg, ab 1928 Kaplan und Jugendseelsorger in Bamberg, 1935 hauptamtlicher mili-

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tärischer Vertragspfarrer in Berlin, 1936 Feldgeneralvikar des Apostolischen Administrators, 1940 Wehrmachtsdekan, 1. Februar 1945 kommissarischer Katholischer Feldbischof der Wehrmacht, April bis Juli 1945 Internierung im Benediktinerkloster Niederalteich, September 1945 Leiter der Kriegsgefangenen-Seelsorge in Bamberg, August 1946 Stadtpfarrer bzw. Dekan in Kronach, 1951–1955 Seelsorger im Labor Service, Dezember 1955 bis 1962 der erste Militärgeneralvikar in der Katholischen Militärseelsorge der Deutschen Bundeswehr. Wessel, Horst 9. Oktober 1907 Bielefeld – 23. Februar 1930 Berlin (ermordet) deutscher SA-Führer 1922–1925 Mitglied der rechtskonservativen Bismarckjugend, 1924 Ausbildungskurs der Schwarzen Reichswehr (1926 verboten), Mitglied paramilitärischer Organisationen, ab 1926 vier Semester Jus-Studium (abgebrochen), Taxifahrer und Arbeiter beim U-Bahnbau, 1926 Mitglied der NSDAP und SA, Führer in der SA, aktiv in einem Schlägertrupp, von Joseph Goebbels gefördert, veröffentlichte 1929 in der nationalsozialistischen Zeitschrift »Der Angriff« sein Gedicht »Die Fahne hoch, die Reihen dicht  !«, das mit der Abänderung »die Reihen fest geschlossen« zum »HorstWessel-Lied« wurde. Wessenberg deutsche Adelsfamilie. Weygand, M a xime 21. Jänner 1867 Brüssel – 28. Jänner 1965 Paris französischer General im Ersten Weltkrieg Generalstabschef von Marschall Foch, 1920 Militärberater der polnischen Regierung, 1931–1935 Generalinspekteur des Heeres und Vizepräsident des Obersten Kriegsrats, 1939 Kommandeur der Levante-Einheiten, Mai 1940 Oberbefehlshaber der Armee, Juni 1940 Verteidigungsminister der Vichy-Regierung, dann Generaldelegierter für Nordafrika, 1942 von der Waffen-SS verhaftet, bis 1945 in Deutschland interniert, 1945 als Kollaborateur verhaftet, 1946 freigelassen, 1948 wurde die Anklage vom Obergericht eingestellt. Widmann-M athes, Dipl.-Ing. Walter 25. Dezember 1885 Steyr/OÖ – 17. September 1971 Bad Wimsbach-Neydharting/ OÖ Beamter

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1926–1938 im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, in der Abteilung für Wasserwirtschaft, 1931 Ministerialrat, 1938–1945 in Ruhestand, 1. Mai 1948 in den dauernden Ruhestand versetzt. Wiedemann, Fritz 16. August 1891 Augsburg – 17. Jänner 1970 Fuchsgrub deutscher Offizier und Diplomat ab 1910 in den bayerischen Militärdienst, 1918 Ordonanzoffizier beim Divisionsstab, 1918/1919 Studien an der Handelshochschule München, 1919 als Hauptmann entlassen, Mai bis Juni 1919 Kompanieführer im Freikorps Schwaben, Landwirt in Niederbayern, Februar bis Dezember 1934 Adjutant von Rudolf Heß, März 1934 Mitglied der NSDAP, Jänner 1935 bis Anfang 1939 Adjutant von Adolf Hitler, 1938– 1945 Mitglied des Reichstags, Februar 1939 in den diplomatischen Dienst, Generalkonsul in San Francisco, Juni 1941 Rückkehr nach Deutschland, Oktober 1941 Generalkonsul in Tientsin, 1945 von US-Amerikanern verhaftet, Zeuge im Nürnberger Prozess, 1948 aus Haft entlassen, Landwirt in Süddeutschland. Wiegand, K arl Henry von 11. September 1874 Hesse/Elsass-Lothringen – 7. Jänner 1961 Zürich US-Journalist und Kriegsberichterstatter Chef der »Hearst-Presse« in Deutschland (am 11. Juni 1940 interviewte er Adolf Hitler). Wiehl, Dr. jur. Emil 22. Februar 1886 Waldürn/Baden-Württemberg – 9. November 1960 Lissabon deutscher Diplomat 1913 Eintritt in den Staatsdienst im badischen Justizministerium, 1914–1918 Kriegsdienst, 1920 in den Auswärtigen Dienst, 1933 Generalkonsul in Pretoria, 1934 Gesandter, 1937–1944 Ministerialdirektor und Leiter der Handelspolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt. Wieshofer, Fritz 24. Dezember 1914 Wien – Februar 1963 (?) Adjutant Mai 1932 Mitglied der SA, 1938 Parteianwärter, Juni/Juli 1939 Mitglied der SS (Obersturmführer 1944), Juni 1940 Mitglied der Waffen-SS, Angestellter der Gauleitung Kärnten, Mai bis Oktober 1940 im Auswärtigen Amt, ab Oktober 1940 Adjutant bei Baldur von Schirach in Wien, mit der Organisation der Deportation der Wiener Juden befasst, Dienst bei der Deuschen Wehrmacht, November 1943 bis

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Kriegsende Dienst bei Schirach, verließ am 13. April 1945 mit Schirach Wien, Zeuge im Nürnberger Prozess. Wiesner, Dr. jur. Friedrich 27. Oktober 1871 Maria Brunn/NÖ – 5. November 1951 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1896 Promotion zum Dr. jur., Richter in Baden bei Wien und Wien, ab 1911 Ministerialsekretär im Ministerium des Äußern, August 1914–1917 Vertreter des Ministeriums beim Armeeoberkommando, Februar 1917 Pressechef des Ministeriums des Äußern, Mai 1917 Hofrat und Ministerialrat, 1918 ao. Gesandter und bev. Minister, aktiv im legitimistischen »Reichsbund der Österreicher«, 1928 ständige Kontakte zur Kaiserfamilie im Exil, 1932 führend an der Gründung des legitimistischen Dachverbandes »Eiserner Ring« beteiligt, übernahm den geschäftsführenden Vorsitz, publizistisch tätig, 1938 von der Gestapo verhaftet, in das KZ Buchenwald deportiert, 21. Jänner 1939 entlassen, auf polizeiliche Anordnung Aufenthalt in Würzburg, Ende 1939 Rückkehr nach Wien. Wildenauer, Dr. phil. A lois 29. April 1877 Wien – 24. Juli 1967 Wien Priester, Bergsteiger, Höhlenforscher und Sachbuchautor 1900 Priesterweihe, Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, 1906 Promotion zum Dr. phil., 1901–1902 Kooperator, 1902–1906 am Wiener Priesterseminar tätig, 1906–1908 Kooperator, 1908–1909 Seelsorger der Barmherzigen Schwestern, 1909–1911 am Knabenseminar in Hollabrunn tätig, 1911–1921 Seelsorger in der Pfarre Grünbach am Schneeberg, 1921–1929 Pfarrer in Wiener Neustadt, 1921–1935 Erzdechant des Dekanats diesseits der Donau, 1929 als Pfarrer an der Votivkirche, 1929 Domkapitular, 1936 Dechant des Stadtdekanats 1, 1936 Präsident des Pauluswerkes, Oktober 1938 bis Juni 1958 Erzdechant der Wiener Stadtdekanate, 1946 als Erzdechant nach St. Stephan. Wildgans, Friedrich 5. Juni 1913 Wien – 7. November 1965 Mödling/NÖ österreichischer Komponist und Klarinettist Sohn des Lyrikers und Dramatikers Anton Wildgans. 1934–1935 Lehrer am Mozarteum in Salzburg, 1936–1940 Solo-Klarinettist im Bühnenorchester der Wiener Staatstheater, unterstützte die konservativ-katholische Widerstandsgruppe »Österreichischen Freiheitsbewegung« des Augustiner-Chorherrn Roman Karl Scholz, am 25. Oktober 1940 von der Gestapo verhaftet, bis 24. Februar 1942 in Untersuchungshaft, 7. Dezember 1943 vom Volksgerichtshof zu 15 Monaten Haft verurteilt, bis Kriegsende als Musiker keine Anstellung, zeitweilig Hilfs-

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buchhalter, 1945 kurz Lehrer an der Musikakademie, 1945–1950 Mitglied der KPÖ, 1945–1948 Musikkritiker, 1946–1950 Musikreferent im Kulturamt der Stadt Wien, erst ab 1955 wieder Lehrtätigkeit an der Wiener Musikakademie, zuletzt als Bibliothekar tätig, 1957 Verleihung des Titels »Professor«. Wildmann, K arl 3. November 1898 Hollenburg/NÖ – 31. März 1956 Den Haag/Niederlande Diplomat Februar 1917 bis November 1918 Kriegsdienst (Marine), 1922 Konsularakademie absolviert, 1922 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, Dezember 1922 bis November 1933 an der Gesandtschaft in Prag, 1934–1938 Chef des Büros des Bundeskommissärs für Heimatdienst Walter Adam, 1938 Entlassung, Oktober 1938 umgewandelt in Versetzung in den Ruhestand mit der Hälfte des Ruhegenusses, August 1939 bis August 1940 bei der Wehrmacht, 1941–1945 Beamter der »Assicurazioni Generali« in Wien, 1945 rehabilitiert, 30. April 1945 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, April 1945 bis November 1946 Leiter des Kabinetts von Außenminister Karl Gruber, 1946–1948 Leiter der Personalabteilung, 1948–1953 ao. Gesandter und bev. Minister in Bern, Juni 1953 bis September 1955 Generalsekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten, September 1955 bis März 1956 ao. Gesandter und bev. Minister in Den Haag. Wildner, A dele (A di) ? – 27. Jänner 1965 (Bestattungsdatum) Kunsthistorikerin Schwester von Heinrich Wildner. künstlerisch tätig, schuf Kunstwerke mit religiösem Inhalt. Wildner, A delheid 18. September 1859 Pardubitz/Böhmen – 1919 Reichenberg/Böhmen geborene Zampach Mutter von Heinrich Wildner. Wildner, A lfred (Fred) ? – 6. November 1961 (Bestattungsdatum) Bruder von Heinrich Wildner. 1940/1941 Schulungskommandant bei einer ostpreußischen Division, zeitweise Frontdienst. Wildner, Claire (K lar a) ? –   ? Immenstadt

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Schwester von Heinrich Wildner. verheiratete Turnwald (1911). Wildner, Clarissa (K larissa Susanna) 6. August 1927 – 27. Juli 2012 Wien Nichte von Heinrich Wildner. Tochter von Clemens Wildner. Wildner, Clemens Josef 25. Dezember 1892 Reichenberg/Böhmen – 20. Februar 1965 Wien Diplomat Bruder von Heinrich Wildner. 1914/1915 Kriegsdienst, 1915 Konsularakademie, 1915 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1915–1917 im Konsulat in Breslau, Mai 1917 bis August 1918 in Konstantinopel, August 1918 bis April 1920 in Hamburg, 1920 bis Jänner 1921 provisorischer Gerent und Vizekonsul in Dortmund, März 1921 bis November 1922 an der Gesandtschaft in Warschau, November 1922 bis Dezember 1923 Leiter des Konsulats Lemberg, Jänner 1924 bis April 1925 an der Gesandtschaft in Berlin, Mai 1925 bis Oktober 1935 Leiter des Konsulats Köln, Oktober 1935 bis Mai 1937 im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, Juni 1937 bis 13. März 1938 an der Gesandtschaft in Budapest, 13. März 1938 bis März 1941 ohne Verwendung, 1941 Versetzung in den Wartestand, 1944–1945 Sachbearbeiter bzw. stellvertretender Geschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie in Wien, 30. April 1945 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, Dezember 1945 Legationsrat I. Klasse, April 1946 bis Jänner 1952 ao. Gesandter und bev. Minister in Ankara, Jänner 1952 bis Juni 1953 Leiter der Abteilung 5 Pol im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, Juli 1953 bis Februar 1955 ao. Gesandter und bev. Minister in Kairo, März 1955 bis März 1956 ao. und bev. Botschafter in Rio de Janeiro, März 1956 bis Dezember 1957 ao. und bev. Botschafter in Madrid, Dezember 1957 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Wildner, Elisabeth (Else) 1894 – 27. April 1973 (Bestattungsdatum) Schwägerin von Heinrich Wildner Ehefrau von Hans Wildner, Mutter von Hans (Hansi Wildner). Wildner, H ans (Joh ann) 1886 – 30. April 1941 Wien Korvettenkapitän

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Bruder von Heinrich Wildner, Vater von Hans (Hansi Wildner), Ehemann von Elisabeth (Else) Wildner. Wildner, Dr. H ans (H ansi) 16. Jänner 1921 – 24. August 1995 (Bestattungsdatum) Rechtsanwalt Neffe von Heinrich Wildner. Sohn von Hans und Elisabeth Wildner. Wildner, Hedwig (Hedi) 18. November 1923 – 21. November 2001 Wien Nichte von Heinrich Wildner. Tochter von Clemens Wildner. Wildner, Heinrich 3. Jänner 1846 Reichenberg/Böhmen –   ? Vater von Heinrich Wildner. Wildner, K arl 22. März 1888 Reichenberg/Böhmen – 27. August 1965 Wien Offizier Bruder von Heinrich Wildner. 1908 Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt absolviert, 1909 bis August 1924 im militärischen Dienst, 1912–1914 Kriegsschule Wien, 1914–1918 Kriegsdienst (Generalstabsoffizier), 1918 zunächst Option für Deutschösterreich, danach Wohnsitz (heimatberechtigt) in Reichenberg, Militärpensionist (Pension von Militärischer Pensionsliquidatur in Prag bzw. dem Ministerium für nationale Verteidigung), ab Jänner 1934 in Wien wohnhaft, während des Zweiten Wetkrieges für eine nachrichtendienstlichen Stelle im Amt Ausland/Abwehr in Wien tätig, das Amt wurde zwischen März und Mai 1944 dem Wehrmachtsführungsstab unterstellt. Wilhelm II. (Preußen, Friedrich Wilhelm Viktor A lbert von) 27. Januar 1859 Berlin – 4. Juni 1941 Doorn/Niederlande deutscher Kaiser und König von Preußen aus dem Haus Hohenzollern, Abdankung am 9. November 1918. Wilhelm (Preußen, Wilhelm Friedrich Fr anz Joseph Christian Olaf von) 4. Juli 1906 Potsdam – 26. Mai 1940 Nivelles/Belgien Prinz von Preußen

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ältester Sohn des deutschen Kronprinzen Wilhelm Friedrich. Gutsbesitzer, Landwirt, 1933 Verzicht auf sein Erstgeburtsrecht, 1940 im Frankreichfeldzug gefallen. Wilhelm (Preußen, Friedrich Wilhelm Victor August Ernst) 6. Mai 1882 Potsdam – 20. Juli 1951 Hechingen Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen 1888–1918 deutscher und preußischer Kronprinz, dankte am 1. Dezember 1918 ab, ab 1919 Wilhelm Prinz von Preußen, folgte Wilhelm II. 1941 als Chef des Hauses Hohenzollern. Wilhelm-Heininger, Dr. jur. Paul 19. März 1902 Graz – 9. August 1990 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1924 Promotion zum Dr. jur., 1922 bis Jänner 1924 und Jänner 1925 bis Mai 1926 Fremdsprachenkorrespondent bei der Alpine Montangesellschaft, Mai 1926 bis Oktober 1936 im Dienst der Niederösterreichischen Landesregierung, Dezember 1933 dem Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten zugeteilt, 1934 bei der Gesandtschaft in Prag, 1935 in der Abteilung Personal, 1. November 1936 Ausscheiden aus dem Landesdienst und Übernahme in den Bundesdienst, Legationssekretär im Auswärtigen Amt, 1938 in den Deutschen Dienst übernommen, wenige Tage in der Zweigstelle des Auswärtigen Amtes (Liquidierende deutsche Gesandtschaft), 18. Mai bis 3. August 1938 in Gestapo-Haft, März 1939 Versetzung in den dauernden Ruhestand, als Offizier in der Deutschen Wehrmacht abgelehnt, 1944 eingerückt, Mai 1945 bis März 1946 Assistent der Vermögenskontrolloffiziere der US-Militärregierung in Oberösterreich, März 1946 Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst, 1947–1951 Politischer Vertreter in Budapest, April 1951 bis März 1956 im Auswärtigen Amt, 1956 bis März 1958 ao. Gesandter und bev. Minister in Prag, 1958–1962 Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt, August 1962 bis Dezember 1965 Generalkonsul in Mailand, 1966–1967 Leiter des Völkerrechtsbüros im Außenministerium. Wilhelmina, Prinzessin von Or anien-Nassau 31. August 1880 Den Haag – 28. November 1962 Apeldoorn Königin der Niederlande 1890–1948 Mai 1940 Flucht nach England, 1945 Rückkehr in die Niederlande. Willfort, Felix 22. Dezember 1884 Wien – 10. Oktober 1970 Bad Aussee/Steiermark Beamter

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Jus-Studium, 1908 Eintritt in den Staatsdienst bei der Statthalterei Wien, 1914– 1916 Kriegsdienst, Mai 1916 in das Handelsministerium, 1924 Ministerialrat, Jänner 1938 Mitglied der NSDAP, im Juni 1939 in den Ruhestand versetzt mit drei Viertel des Ruhegenusses, Dezember 1939 auf einen anderen Dienstposten versetzt, ab Juli 1947 Wiederverwendung im Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, Dezember 1949 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Wilson, Sir Hor ace, John 23. August 1882 Bournemouth – 19. Mai 1972 Bournemouth britischer Beamter ab 1900 im Staatsdienst, 1919–1921 Sekretär im Arbeitsministerium, 1921–1930 Ständiger Sekretär im Arbeitsministerium, 1930–1939 Berater der Regierung in Industriefragen, ab 1935 im Schatzamt, Hauptberater Chamberlains bei der Appeasement-Politik, 1939–1942 im Innenministerium. Wimmer, Dr. phil. Dr. jur. Friedrich 9. Juli 1897 Salzburg – 2. August 1965 Regensburg Beamter und Politiker 1915–1918 Kriegsdienst, 1922 Promotion zum Dr. phil., 1923–1926 wissenschaftliche Hilfskraft am kunsthistorischen Institut der Universität Wien, 1927 Eintritt in den niederösterreichischen Landesdienst, 1930 Promotion zum Dr. jur., 1934 Mitglied der NSDAP, 1935 Einberufung zur provisorischen Dienstleistung in das Bundeskanzleramt, ab 1936 Tätigkeit im Präsidium des Bundeskanzleramtes, 1938 Mitglied der SS (Brigadeführer 1942), ab 13. März 1938 Staatssekretär im Bundeskanzleramt, ab 22. März 1938 Mitglied der Österreichischen Landesregierung, Mai 1938 bis April 1939 Staatssekretär für Rechtsangleichung im Stab des Reichsstatthalters, danach Regierungspräsident in Regensburg, Mai 1940 bis 1945 Generalkommissar für Verwaltung und Justiz in den Niederlanden, Mai 1945 bis August 1947 in britischer Kriegsgefangenschaft, danach bis März 1949 im Internierungskrankenhaus Garmisch-Partenkirchen, im Juni 1946 Zeuge im Nürnberger Prozess (Hauptkriegsverbrecher), 1949–1953 Leiter der Rechtsabteilung in der Mannheimer Lebensversicherung, 1957 Einstellung des Verfahrens in Österreich. Wimmer, Dr. jur. Loth ar 19. April 1889 Wien – 16. Dezember 1966 Purkersdorf/NÖ Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1912 Promotion zum Dr. jur., 1913 Eintritt in den Staatsdienst bei der Finanzprokuratur in Wien, 1914–1916 Kriegsdienst, 1916– 1917 in der Militärverwaltung in Rumänien, November 1917 im Ministerratspräsidium, ab 1918 im Bundeskanzleramt in der Abteilung für Wirtschaftspolitik, 1929

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in den Auswärtigen Dienst, 1930–1933 an der Gesandtschaft in London, 1934–1937 ao. Gesandter und bev. Minister in Athen, April 1937 bis April 1938 in Belgrad, 1938 Versetzung in den Wartestand, 1939 Flucht über Ungarn, Jugoslawien, Italien in die Schweiz, Jänner 1946 neuerlicher Dienstantritt im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, 1946–1950 ao. Gesandter und bev. Minister in Brüssel, 1950–1955 (ab 1952 Botschafter) in London. Wimmer, M aria 12. Mai 1890 Ebreichsdorf/NÖ – 1. November 1976 Purkersdorf/NÖ geborene Hild Ehefrau von Lothar Wimmer (1918). Windisch-Gr aetz keine Information Prinzessin. Windisch-Gr aetz, Fr anz-Josef 22. März 1904 Prag – 1. Jänner 1981 Nairobi/Kenia Vertreter des fürstlichen Hauses Windisch-Grätz. Winkler, Dr. Wilhelm 29. Juni 1884 Prag – 3. September 1984 Wien Universitätsprofessor, Statistiker und Demograf 1909–1914 Tätigkeit im landesstatistischen Amt Böhmens, 1914–1918 Kriegsdienst, 1918 Eintritt in das Staatsamt für Heereswesen, 1919 statistischer Sachverständiger der Delegation bei den Friedensverhandlungen in St. Germain, 1920–1938 Tätigkeit im Bundesamt für Statistik, ab 1923 Regierungsrat und Leiter der Volkszählungsabteilung sowie Privatdozent für Statistik an der Universität Wien, 1929–1938 Extraordinarius, 1938 Versetzung in den Ruhestand, Dezember 1946 Ernennung zum o. Professor der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien, ab 1947 Ordinarius. Winschuh, Dr. rer. pol. Josef 3. April 1897 Gelsenkirchen – 23. September 1970 Neustadt an der Weinstraße deutscher Journalist, Unternehmer und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, 1919–1920 Volontär beim Rheinisch-Westfälischen Zementsyndikat in Bochum, 1921–1924 Studium der Nationalökonomie und Geschichte, 1924 Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Marburg, danach als Wirtschaftsjournalist tätig u. a. für die »Deutsche Allgemeine Zeitung«, 1925–1929 Redakteur der »Kölnischen Zeitung«, Mitinhaber einer Textilfabrik in der Pfalz,

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November 1930 bis Juli 1932 Reichstagsabgeordneter (»Deutsche Demokratische Partei«), danach weiter Wirtschaftsjournalist, publizierte zu Wirtschaftsthemen, 1934–1945 Chef der Wirtschaftsredaktion der »Deutschen Allgemeinen Zeitung«, Mitglied in zahlreichen Wirtschaftsverbänden und Aufsichtsräten, nach 1945 Vorsitzender des Verbandes der Pfälzischen Industrie, 1967–1969 im Beirat der »Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit«. Winter, Dr. theol. Eduar d 16. September 1896 Grottau/Böhmen – 3. März 1982 Ost-Berlin Priester, Historiker und Hochschullehrer 1915–1919 Studium der Theologie an der Universität Innsbruck, 1919 Priesterweihe, aktiv in der katholischen Jugendbewegung, weitere Studien an der Universität Prag, 1921 Promotion zum Dr. theol., 1922 Habilitation in Theologie, 1926 in Philosophie, 1926–1927 Aufenthalt in Rom, 1929 ao. Professor für Christliche Philosophie (neugeschaffen), 1934 Ordinarius für Kirchengeschichte und Patristik an der Theologischen Fakultät der Universität Prag, Annäherung an sudetendeutsche Positionen, April 1939 Mitglied der NSDAP, 1941 Ehe mit seiner Mitarbeiterin und Geburt eines gemeinsamen Kindes, suchte um Entpflichtung an, Skandal und Exkommunikation, Herbst 1941 Übertragung seines Lehrstuhls auf die Philosophische Fakultät und Umwandlung in eine Forschungsprofessur für Europäische Geistesgeschichte, Leiter des Instituts für osteuropäische Geistesgeschichte der »ReinhardHeydrich-Stiftung« in Prag, Mitglied der SS, 1945 im Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, Ende Juli 1945 Ausreise aus der Tschechoslowakei, zunächst zu seiner Familie nach Wien, 1946 wurde seine Professur in Wien verhindert, 1947 Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Oktober 1948–1951 Rektor, 1951–1966 an der Humboldt-Universität Berlin, Leiter des Instituts für Geschichte der Völker der UdSSR, ab 1955 ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1955–1959 Leiter der Historischen Abteilung des Instituts für Slawistik, 1956–1959 Leiter der Arbeitsgruppe Geschichte der slawischen Völker am Institut für Geschichte, 1961–1965 Leiter der Arbeitsstelle für deutsch-slawische Wissenschafts-Beziehungen, 1965 in den Ruhestand versetzt, 1963 korrespondierendes und 1967 ordentliches Mitglied der »Académie internationale d’histoire des sciences« in Paris, behielt seine 1946 erworbene österreichische Staatsbürgerschaft, lebte aber in Berlin. Winter, Dr. jur. Ernst K arl 1. September 1895 Wien – 4. Februar 1959 Wien Sozialphilosoph und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, Jus-Studium an der Universität Wien, 1922 Promotion zum Dr. jur., Schriftsteller und Privatgelehrter, 1927 aktiv bei der Gründung der »Öster-

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reichischen Aktion«, ab 1930 Leiter des »Gsur-Verlages« (aktiv gegen den Nationalsozialismus), April 1934 bis Oktober 1936 Vizebürgermeister von Wien, 1934–1935 Leiter der »Aktion Winter«, ein Versuch, die sozialdemokratische Arbeiterschaft in eine gemeinsame Front gegen den Nationalsozialismus einzubinden, 1938 Flucht über die Schweiz und Frankreich nach England, Oktober 1938 Emigration in die Vereinigten Staaten, dort Universitätsprofessor für Soziologie und Sozialphilosophie, 1955 Rückkehr nach Österreich, Dozent an der Universität Wien. Winter, H anns ( NSDA P-A lias  : Hengauf, Walter) 18. Juli 1897 Adrianopel/Edirne/Türkei – 22. September 1961 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, 1915–1917 Kriegsdienst, 1921 Konsularakademie absolviert, 1921 Eintritt in den Auswärtigen Dienst, 1921–1922 an der Gesandtschaft Bern und Sekretär der österreichischen Völkerbunddelegation in Genf, Oktober 1922 bis März 1924 an der Gesandtschaft in Paris, 1924–1926 in Konstantinopel, 1926–1927 im Auswärtigen Amt, April 1927 bis Oktober 1932 in Moskau, 1932 Mitglied der NSDAP, 1932 bis September 1933 in Paris, September 1933 bis 12. März 1938 Leiter der Gesandtschaftsabteilung in Istanbul, Zellenleiter bei der Ortsgruppe der NSDAP in Istanbul, November 1938 bis Juni 1939 Leiter der Konsularabteilung der deutschen Gesandtschaft in Prag, August 1939 bis Dezember 1941 Geschäftsträger der deutschen Gesandtschaft in Panama, Dezember 1941 bis Mai 1942 in den USA interniert, Mai 1942 bis März 1943 Stellvertreter des Gesandten Krämer (Sonderreferat Org 05), März 1943 bis April 1944 Leiter der Gruppe I im Protokoll des Auswärtigen Amtes in Berlin, April 1944 Stellvertreter des Leiters der Informationsstelle XIV im Auswärtigen Amt, Jänner 1948 Versetzung in den dauernden Ruhestand, danach als Übersetzer und schriftstellerisch tätig. Winterstein, Dr. jur. Paul 13. Mai 1887 Wien – 18. Oktober 1973 Wien Diplomat Jus-Studium an der Universität Wien, Promotion zum Dr. jur., 1911 Eintritt in den Staatsdienst, 1913 in den Auswärtigen Dienst, 1914–1918 Kriegsdienst, 1936 Leiter der Personalabteilung im Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten, 31. Oktober 1938 Entlassung, November 1938 Umwandlung in eine Versetzung in den Ruhestand mit drei Viertel des Ruhegenusses, 1945 Rehabilitierung, Leitung der Personalabteilung in der Staatskanzlei/Auswärtige Angelegenheiten, 1947–1951 ao. Gesandter und bev. Minister in Stockholm, 1951 bis Dezember 1952 ao. Gesandter und bev. Minister in Athen, Dezember 1952 Versetzung in den dauernden Ruhestand.

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Winterstein, Dr. jur. Robert 26. Juni 1874 Jicin/Böhmen – 13. April 1940 KZ Buchenwald Beamter Jus-Studium an der Universität Wien, 1896 Eintritt in den Staatsdienst, 1919–1927 Erster Staatsanwalt, 1921 Hofrat, 1927–1932 Generalanwalt bei der Generalprokuratur, 1932 bis März 1938 Generalprokurator, 1934–1935 und Mai 1936 bis März 1938 Mitglied des Staatsrats und des Bundesrats, Oktober 1935 bis Mai 1936 Bundesminister für Justiz, 15. März 1938 Verhaftung, September 1938 Entlassung, 10. November 1938 in das KZ Buchenwald deportiert, bei einem angeblichen Fluchtversuch erschossen. Witzleben, Erwin von 4. Dezember 1881 Breslau/Schlesien – 8. August 1944 Berlin-Plötzensee (hingerichtet) deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst als Generalstabsoffizier, 1919 Übernahme in die Reichswehr, bis 1931 Tätigkeiten bei verschiedenen Truppen und Stabskommandos, 1931 in Frankfurt an der Oder verwendet, 1933 in Hannover, 1934 in Potsdam, dann Berlin, ab September 1935 Kommandierender General des III. Armeekorps in Berlin, 1936 General, 1939 bis Oktober 1940 führte er die 1. Armee, Generalfeldmarschall (1940), Oktober 1940 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe D, Mai 1941 Oberbefehlshaber West, März 1942 Versetzung in die »Führerreserve«, seit 1938 für Sturz Hitlers, von den Juli-Attentätern als Oberbefehlshaber der Wehrmacht vorgesehen, am 21. Juli 1944 verhaftet, am 8. August zum Tode verurteilt. Wlassow, A ndrei A ndrejewitsch 14. September 1901 Gaginski rajon – 1. August 1946 Moskau (hingerichtet) sowjetischer Offizier 1919 in die Rote Armee, ab 1922 Kommandeurs- und Stabsfunktionen, 1929 Militärakademie für Infanterie beendet, 1935 an der Frunse-Militärakademie, 1937–1938 Mitglied des Militärgerichtshofes im Leningrader und Kiewer Militärbezirk (»Große Säuberung«), Herbst 1938 Militärberater in China, Mai bis November 1939 beim Obersten Militärrat, vielfältige Einsätze während des Krieges, Juli 1942 von deutschen Truppen gefangen genommen, initiierte unter den Kriegsgefangenen ein gegen Stalin gerichtetes Komitee, verbündete sich mit der Deutschen Wehrmacht und baute mit ihrer Hilfe die »Russische Befreiungsarmee«, auch »Wlassow-Armee« genannt, auf, unmittelbar vor der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald beschoss die Wlassow-Armee noch das Lager, von den Sowjets verhaftet, wurde er am 30. Juli 1946 in einem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit zum Tode verurteilt.

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Woermann, Dr. jur. Ernst 30. März 1888 Dresden – 5. Juli 1979 Heidelberg deutscher Diplomat Jus-Studium, 1911 in den hamburgischen Justizdienst, 1913 Promotion zum Dr. jur., 1914–1918 Kriegsdienst, im Hamburgischen Justizdienst, ab März 1919 im Auswärtigen Dienst, 1920 Mitglied der Delegation bei den Friedensverhandlungen in Paris, 1925–1928 Gesandter in Wien, 1929 Leiter der Europagruppe der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, 1936 Gesandter in London, 1937 Mitglied der NSDAP, 1. April 1938 Ministerialdirektor, in der Stellung eines Unterstaatssekretärs Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, SS-Standartenführer, 1943–1945 Botschafter in Nanking, im Nürnberger Prozess (Wilhelmstraßen-Prozess) zu fünf Jahren Haft verurteilt, Jänner 1950 freigelassen. Wohlth at, Dr. jur. Helmuth 4. Oktober 1893 Wismar – 1982 deutscher Wirtschaftsfachmann und Politiker 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 Studium der Staatswissenschaften und Volkswirtschaft, 1920–1929 Geschäftsführer einer Außenhandelsfirma, 1929–1933 in New York, 1933– 1934 Vorstandsmitglied der Reichsstelle für Milcherzeugnisse, 1934 in das Reichs- und Preußische Wirtschaftsministerium, ab Dezember 1934 als Ministerialdirektor Leiter der Abteilung Devisenbewirtschaftung, 1938 Staatssekretär für den »Vierjahresplan« im Preußischen Staatsministerium, 1939 Verhandlungen mit den USA zur Regelung der Auswanderung von Juden, 1941 Chef einer Wirtschaftsmission in Mandschukuo und Japan, 1947–1973 Industrieberater in Düsseldorf bei der Firma Henkel. Woinovich, Peter 17. Oktober 1898 Wien – 9. Jänner 1955 Wien Diplomat 1918–1922 Konsularakademie, 1922–1924 Vertragsbediensteter der Gesandtschaft in Berlin, Mai 1925 bis Dezember 1926 Honorarattaché in Königsberg, 1927–1930 in Breslau, 1930–1933 am Konsulat in Krakau, Dezember 1933 bis März 1938 an der Gesandtschaft in Ankara, 1938 in den deutschen Auswärtigen Dienst übernommen, 1938–1940 im Auswärtigen Amt in Berlin, 1940 Mitglied der NSDAP, 1940–1944 Leiter des Konsulats in Presov (Ost-Slowakei), danach bis 1945 an der Gesandtschaft in Pressburg, Jänner 1945 Konsul 1. Klasse, zuständig für die Evakuierung von deutschsprachigen Slowaken, nach der Räumung der Gesandtschaft in Salzburg tätig, im August und Dezember 1945 Bewerbung um Wiedereinstellung in den Dienst der Staatskanzlei bzw. des Außenamtes, nicht mehr in den Dienst übernommen und mit 31. Jänner 1948 in den dauernden Ruhestand versetzt.

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Wolf, Dr. phil. Wilhelm 17. Jänner 1897 Bludenz/Vorarlberg – 27. Juli 1939 Kapelln bei St. Pölten (Verkehrsunfall) Beamter und Politiker Studium der Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Graz, 1920 Promotion zum Dr. phil. und Eintritt in den Archivdienst des Landes Vorarlberg, 1926 Übernahme in das Bundesministerium für Unterricht, Juni 1930 bis Jänner 1931 karenziert und mit der Leitung der wissenschaftlichen Abteilung der RAVAG betraut, 1932 aktiv bei der Gründung des »Volksdeutschen Arbeitskreises österreichischer Katholiken«, intensive Kontakte zu Vertretern des Deutschen Reiches und der NSDAP, 1936–1938 Mitglied des ständigen Ausschusses für kulturelle Fragen zwischen Österreich und dem Deutschen Reich, Jänner 1937 in das Bundeskanzleramt/Bundespressedienst übernommen, Jänner 1938 Mitglied der NSDAP, Jänner 1938 Ernennung zum Ministerialrat, 11. bis 13. März 1938 Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten, 1. September 1938 in den Ruhestand versetzt, lebte ab Juni 1939 in Loosdorf bei Melk, verunglückte auf dem Weg zu einer Besprechung mit Gauleiter Josef Bürckel in einem Dienstwagen. Wolff, Paula 21. Jänner 1896 Hafeld/OÖ – 1. Juni 1960 Berchtesgaden/Deutschland geborene Hitler Schwester von Adolf Hitler, 1936–1956 Paula Wolff. 1920–1930 Kanzleikraft bei der Bundesländer-Versicherung in Wien, nach dem Krieg in Gewahrsam genommen, nach der Freilassung in Wien in einer Kunsthandlung tätig, 1952 Übersiedlung nach Berchtesgaden. Wolfr am, Dr. phil. Aurel 16. Oktober 1896 Wien – 12. August 1948 Krems Journalist, Schriftsteller und Kulturphilosoph Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität Wien, Promotion zum Dr. phil. 1924, freier Schriftsteller und Journalist, 1938–1940 Leiter der Kulturabteilung im Reichspropagandaamt Wien, bis 1945 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Theaterabteilung der Wiener Stadtbibliothek, 1947 Gründer der Wiener Kulturvereinigung »Kreis des geistigen Lebens«. Woloschyn, Awgustyn 17. März 1874 Kelecsény/Komitat Bereg – 19. Juli 1945 Moskau karpatenukrainischer Politiker, Lehrer und Schriftsteller studierte an der Ungvárer Theologieschule und der Universität Budapest, 1900– 1917 Mathematikprofessor, 1925–1929 Abgeordneter im tschechoslowakischen Par-

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lament (»Ruthenisch-Nationale Christliche Partei«), 11. Oktober 1938 Autonomie der Karpatenukraine innerhalb der Tschecho-Slowakei, als Führer der Ukrainophilen löste er am 26. Oktober 1938 die Russophilen ab und wurde Premierminister, März 1939 kurz Präsident der unabhängigen Karpato-Ukraine, die am 16. März 1939 von Ungarn besetzt und annektiert wurde, Woloschyn floh nach Prag, Mai 1945 Verhaftung durch Sowjets, starb im Gefängnis in Moskau. Wolsegger, Fer dinand 11. Oktober 1880 Gottschee/Slowenien – 1. Februar 1959 Innsbruck Beamter Jus-Studium an den Universitäten Wien und Graz, 1904 Eintritt in den Kärntner Landesdienst, dann im Innenministerium, 1914–1918 Kriegsdienst, nach Kriegsende bei der Zivilverwaltung in Triest, 1923 im österreichischen Innenministerium, Ministerialrat, Jänner 1935 in den Ruhestand versetzt, 1938 Mitglied der NSDAP, Oktober 1939 bis Juni 1942 Amtschef in Krakau, Leiter der Regierungskanzlei im Generalgouvernement, August 1942 Regierungspräsident in Klagenfurt und stellvertretender Reichsstatthalter, September 1943 bis Jänner 1945 Regierungspräsident in der Operationszone Adriatisches Küstenland, Stellvertreter des Obersten Kommissars Friedrich Rainer, bei Kriegsende verhaftet und entlassen, 1947 als »Minderbelasteter« eingestuft, in den dauernden Ruhestand versetzt. Wunder, Dr. jur. Ernest M aria 25. März 1886 Skotschau/Schlesien – 5. Juni 1972 Wien Beamter ab 1905 Jus-Studium an der Universität Wien, 1910 Promotion zum Dr. jur., 1912 am Straflandesgericht Wien, 1913 bis Februar 1917 Finanzprokuratur in Prag, 1917 Einberufung in das Staatsamt für Volksernährung, 1922 Übernahme in das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Tätigkeit in der Handelspolitischen Sektion, 1932 Hofrat, 1934 Ministerialrat, 1939 ins Reichernährungsministerium, ab Mai 1940 beim Beauftragten für Wirtschaftsfragen beim Reichsbevollmächtigten für Dänemark und Deutschen Gesandten in Kopenhagen, 1946 aus Zivilinternierungslager entlassen, ab 1947 Leiter der Abteilung 8 (handels- und zollpolitische Angelegenheiten, Warenverkehrsbüro u. a.) im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Dezember 1951 Versetzung in den Ruhestand, bis 30. Juni 1952 weiterverwendet. Wurzian, Dr. jur. Eugen 16. Jänner 1879 Peterswald/Schlesien – 18. Juli 1943 Wien Diplomat

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Jus-Studium an der Universität Wien, 1903 Promotion zum Dr. jur., 1905 Eintritt in den Justizdienst, 1906 in den Auswärtigen Dienst, 1906–1907 am Konsulat in Skutari, 1907–1908 in Jassy, 1908–1911 Vizekonsul in Köln, April 1911 in das Ministerium des Äußern, Dezember 1918 bis November 1921 an der Gesandtschaft in Prag, November 1921 bis Jänner 1922 in Berlin, Februar bis November 1922 Generalkonsul in Lemberg, ab 1922 im Auswärtigen Amt, Jänner 1929 bis Oktober 1932 ao. Gesandter und bev. Minister in Sofia, Oktober 1932 gegen Wartegeld beurlaubt 1937 Versetzung in den dauernden Ruhestand, Mai 1938 Mitglied der NSDAP, 1941–1942 Aufsichtsrat der Wienerberger Ziegelfabrik in Wien. Wurzian, M argarethe geborene Bienert Ehefrau von Eugen Wurzian (1929). Zacherl-Familie Zankov, A lex ander (Cankov, A leksandăr, Zankov, Zankoff) 29. Juni 1879 Orjachowo/Bulgarien – 27. Juli 1959 Buenos Aires bulgarischer Nationalökonom und Politiker bis 1904 Jus-Studium an der Universität Sofia, 1904–1907 Studien in Deutschland mit Spezialisierung auf Staatsrecht und Wirtschaftswissenschaften, danach Bankangestellter in Bulgarien, 1908–1911 Inspektor im Ministerium für Landwirtschaft und Handel, ab 1911 Dozent, ab 1916 Professor für politische Ökonomie, 1919/1920 Rektor der Universität Sofia, 1922 Führer der rechtskonservativen Sammelbewegung »Volkseintracht«, nach dem Bündnis mit anderen Parteien und dem Sturz der Regierung im Juni 1923 bis Dezember 1925 Ministerpräsident und Volksbildungsminister, 1926–1930 Präsident der Nationalversammlung, 1930–1931 Minister für Nationale Erziehung, 1932 Begründung einer »National-Sozialen Bewegung«, die sich an der NSDAP orientierte, trotz der Wahlsiege dieser Partei kam es im Mai 1934 zu einem Staatsstreich und einem Militärkabinett, 1935 entging er durch Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften einer Internierung, 1936 zerfiel seine »Bewegung« nach einem missglücktem Putsch, ab 9. September 1944 bis April 1945 Ministerpräsident einer sogenannten »Nationalen Exil-Regierung« in Wien, in Bulgarien in Abwesenheit zum Tode verurteilt, ergab sich den US-Truppen, Internierung in Kitzbühel, ab 1948 lebte er in Argentinien. Zehner, Wilhelm 2. September 1883 Bistritz/Siebenbürgen – 11. April 1938 Wien (ermordet oder Suizid) Offizier und Politiker

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1914–1918 Kriegsdienst, 1918/1919 Teilnahme an den Kärntner Grenzkämpfen, ab 1920 im Bundesheer, 1924 Einberufung in das Bundesministerium für Heereswesen, 1925 Ernennung zum Kommandanten des 2. Bataillons des oberösterreichischen Alpenjägerregimentes Nr. 8, 1931 zugeteilter Offizier beim 4. Brigadekommando, 1933 Ernennung zum Generalmajor und Kommandanten der 4. Brigade, 10. Juli 1934 bis 11. März 1938 Staatssekretär für Heereswesen bzw. Landesverteidigung, 15. März 1938 Versetzung in den dauernden Ruhestand. Zeileis, Dr. med. Friedrich G. (Fritz) 15. September 1898 Nürnberg – 27. Juli 1978 Gallspach/OÖ Arzt Studium der Medizin in Wien, München, Erlangen und Frankfurt am Main (1923 Abschluss des Medizinstudiums, 1924 Approbation als Arzt), langjähriger Leiter des Institut Zeileis, baute das von seinem Vater, Valentin Zeileis 1920 gegründete Ambulatorium für elektrophysikalische Therapie »Institut Zeileis« in Gallspach aus, 1945 vorübergehend Umwandlung des Instituts in ein Lazarett, dessen Chefarzt er wurde, 1950 Anerkennung des Instituts als private Krankenanstalt für physikalische Therapie. Zeitzler, Kurt 9. Juni 1895 Großmar/Luckau/Brandenburg – 25. September 1963 Hohenaschau/ Oberbayern deutscher Offizier 1914–1918 Kriegsdienst, 1919 in die Reichswehr übernommen, April 1942 im besetzten Frankreich Generalstabschef der Heeresgruppe D, September 1942 bis Juli 1944 Generalstabschef des Heeres, in der Stalingradkrise Konflikt mit Hitler, nach dem Attentat auf Adolf Hitler im Juli 1944 abgesetzt, August 1944 in »Führerreserve«, Jänner 1945 entlassen, bis Februar 1947 in britischer Gefangenschaft, im Nürnberger Prozess Zeuge, stellte sich der Operational History (German) Section der Historical Division der US-Armee zur Verfügung. Zelburg, Fr anz 3. Juli 1883 Laibach/Slowenien – 22. November 1950 Graz Offizier 1902 aus der Infanterie-Kadettenschule Liebenau ausgemustert, 1909 Übernahme in die Gendarmerie beim Landesgendarmeriekommando für Steiermark, 1919 Adjutant des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark, 1933–1937 Landesgendarmeriekommandant für Steiermark, Jänner 1934 bis Ende 1935 Sicherheitsdirektor der Steiermark, Jänner 1934 Ernennung zum Gendarmerieoberst, 15. Dezember 1937 dem Bundeskanzleramt zugeteilt, ab 3. Jänner 1938 Gendarmeriegeneral und Generalinspektor der österreichischen Bundesgendarmerie, 13. März 1938 Verhaf-

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tung, 1. April 1938 in das KZ Dachau deportiert, Juli 1939 in das Landesgericht Graz überstellt, vom Landesgericht Graz zu acht Jahren schweren Kerkers verurteilt, 1940 auf drei Jahre herabgesetzt, bis 24. Mai 1941 Haft in Graz-Karlau, dann Rücküberstellung an Gestapo Graz, 20. Juni 1941 krankheitshalber (Schlaganfall) aus der Haft entlassen. Zer dik, Ing. Joh ann 7. April 1878 Wien – 1. Juni 1961 Wien Politiker (ChP) Landesbaurat, ab 1911 Mitglied des Gemeinderats von Amstetten, 1912–1915 Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag, 30. Oktober 1918 bis 15. März 1919 Staatssekretär für öffentliche Arbeiten, März 1919 bis November 1920 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, 15. März 1919 bis 24. Juni 1920 Staatssekretär für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten. Zernat to, Guido 21. Juni 1903 Treffen/Kärnten – 8. Februar 1943 New York Schriftsteller und Politiker 1918/1919 Teilnahme an den Kärntner Grenzkämpfen, 1925 Gründer und Herausgeber der Kulturzeitschrift »Kärntner Monatshefte«, ab 1926 Aufenthalt in Wien, literarische Tätigkeit, Chefredakteur und Herausgeber der »Österreichischen Monatshefte«, 1928 Mitglied des Steirischen Heimatschutzes in Wien, 1929 Sekretär der Bundesführung, 1930–1931 Sekretär der Zentralstelle des Heimatblocks, vielfältige Tätigkeit in kulturellen Vereinigungen, u. a. Vizepräsident des Bundesverlags und Präsident des Verbandes katholisch-deutscher Schriftsteller, 1932–1936 Anteilseigentümer und Geschäftsführer der Braumüller Universitätsbuchhandlung, 1934–1938 Mitglied des Bundeskulturrats, 1936 bis 16. Februar 1938 Staatssekretär für Angelegenheiten des Bundeskanzleramtes, Mai 1936 Ernennung zum Generalsekretär der Vaterländischen Front, 1937 Gründer und Geschäftsführer des Werkes »Neues Leben« der Vaterländischen Front und Schriftleiter einer gleichnamigen Monatszeitschrift, 16. Februar bis 11. März 1938 Bundesminister ohne Geschäftsbereich und stellvertretender Bundesführer der Vaterländischen Front, sollte in dieser Funktion die für 13. März 1938 angesetzte Volksabstimmung vorbereiten und durchführen, 11. März 1938 Flucht über Pressburg nach Paris, 1940 Emigration in die USA, 1941 Assistant Research Professor für Politische Wissenschaften an der Fordham University in New York. Zernat to, Riccar da 8. Februar 1907 Prag – 26. Mai 2002 New York geborene Weidenhaus

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Ehefrau von Guido Zernatto. 1936 bis Februar 1938 Anteilseigentümerin der Braumüller Universitätsbuchhandlung. Zogu, A hmet (geboren als A hmet Muhtar Bej Zogolli) 8. Oktober 1895 Burgajet/Kreis Mat/Albanien – 9. April 1961 Suresnes/Frankreich König von Albanien 1925–1928 Präsident Albaniens, 1928–1939 als Zogu I. König von Albanien, April 1939 Flucht vor italienischer Besetzung, Aufenthalte in Paris und London, in den 1950er-Jahren in Ägypten, danach in Spanien und Südafrika. Zogu, Ger aldine 6. August 1915 Budapest – 22. Oktober 2002 Tirana/Albanien geborene Apponyi Königin von Albanien Schwester von Julius Apponyi, seit April 1938 Ehefrau von König Zogu I. von Albanien, April 1939 Flucht vor italienischer Besetzung, Aufenthalte in Paris und London, in den 1950er-Jahren in Ägypten, danach in Spanien und Südafrika, im Juni 2002 Rückkehr nach Albanien.

Verwandtenliste1

Hochzeitsfoto Turnwald-Wildner, 1911  : Christine Palme (Privatbesitz).

Heinrich Wildner 27. Mai 1879 Reichenberg – 4. Dezember 1957 Wien Eltern A delheid Wildner 18. September 1859 Pardubitz/Böhmen – 1919 Reichenberg/Böhmen geborene Zampach 1 Die kursiv gesetzten Namen kommen nicht im Text der Jahre 1938 bis 1944 vor, doch dienen sie zur Orientierung.

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Heinrich Wildner 3. Jänner 1846 Reichenberg/Böhmen –   ? Geschwister A dele (A di) Wildner ? – 27. Jänner 1965 (Bestattungsdatum) Wien A lfred (Fred) Wildner ? – 6. November 1961 (Bestattungsdatum) Wien Claire (K lar a) Wildner verheiratete Turnwald (1911) ? –   ? Immenstadt (Bayern) H ans (Joh ann) Wildner 1886 – 30. April 1941 Wien K arl Wildner 22. März 1888 Reichenberg – 27. August 1965 Wien Clemens (K lemens) Wildner 25. Dezember 1892 Reichenberg – 20. Februar 1965 Wien Familie H ans (Joh ann) Wildner 1886 – 30. April 1941 Wien Ehefrau  : Elisabeth (Else) Wildner 1894 – 27. April 1973 (Bestattungsdatum) Wien Sohn  : Dr. H ans (H ansi) Wildner 16. Jänner 1921 – 24. August 1995 (Bestattungsdatum) Wien Familie Clemens (K lemens) Wildner 25. Dezember 1892 Reichenberg – 20. Februar 1965 Wien Ehefrau  : Ida M aria Wildner 15. Februar 1898 – 23. Jänner 1990 Wien Tochter  : Hedwig Wildner

Verwandtenliste

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18. November 1923 – 21. November 2001 Wien Tochter  : Clarissa Wildner 6. August 1927 – 27. Juli 2012 Wien) Got tfried Turnwald 1. August 1922 Reichenberg – 15. April 2014 Ebersberg/Bayern Neffe von Heinrich Wildner Sohn von Claire (Klara) geborene Wildner und Rudolf Turnwald. Dr. Rudolf Turnwald Ehemann von Claire (Klara) Wildner (Hochzeit 1911) und Vater von Gottfried Turnwald  ; gestorben in Wien. Familie von Claire und Rudolf Turnwald Kinder  : Rudolf Dr. Klara Edeltraud Dr. Adelheid (verehelichte Palme) Klotilde Dr. Elisabeth (verehelichte Zechiel) Gottfried Turnwald

verstorben in  : Kempten (Bayern) Hammelburg (Bayern) Regensburg (Bayern) Krems/Spitz a. d. Donau Kempten (Bayern) Ebersberg (Bayern)

Geografisches Register Das geografische Register umfasst geografische Angaben, wie sie in den Tagebüchern vorkommen. Daneben werden die aktuellen Bezeichnungen, fallweise mehrsprachig, angegeben. Veraltete Schreibweisen wie etwa Jugoslavien, Slovakei, Karpathen, Rußland wurde im Quellen-Text belassen. Im Geografischen Register sind sie in aktueller Schreibweise angegeben. Erfasst sind  : Kontinente, Meere und Seen, Flüsse, Gebirge, (historische) Länder bzw. Landesteile, Provinzen, Städte und Gemeinden. Die aktuelle Länderzugehörigkeit wird in Klammer angegeben. Die Kürzel der Länderbezeichnungen entsprechen der ISO 3166 ALPHA 2, dem Standard für die Kodierung von geografischen Einheiten, die von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) herausgegeben wurden. Codes gibt es auch für frühere, nicht mehr existierende Staaten. Geografische Angaben, die sich auf Österreich beziehen, stehen in Kursivschrift. Deutschland mit allen Varianten (»Altreich«, Reich, Deutsches Reich, Drittes Reich, Großdeutsches Reich, Hitler-Deutschland, Germany) wurde nicht in das Register aufgenommen. AL Albanien AR Argentinien AU Australien AZ Aserbaidschan BA Bosnien-Herzegowina BE Belgien BG Bulgarien BR Brasilien BY Belarus CA Kanada CD Kongo CH Schweiz CN China CU Kuba CY Zypern CZ Tschechien DE Deutschland DK Dänemark DZ Algerien EE Estland EG Ägypten

ES Spanien ET Äthiopien FI Finnland FR Frankreich GB Großbritannien GR Griechenland HR Kroatien HU Ungarn IE Irland IN Indien IQ Irak IR Iran IS Island IT Italien JP Japan LI Liechtenstein LR Liberia LT Litauen LU Luxemburg LV Lettland LY Libyen

Geografisches Register

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MA Marokko ME Montenegro MG Madagaskar MK Nordmazedonien MT Malta MX Mexiko MY Malaysia NL Niederlande NO Norwegen NZ Neuseeland PA Panama PL Polen PT Portugal RO Rumänien RS Serbien

RU Russland SE Schweden SG Singapur SI Slowenien SK Slowakei SN Senegal SY Syrien TN Tunesien TR Türkei UA Ukraine US Vereinigte Staaten von Amerika VA Vatikan YU Jugoslawien ZA Südafrika

Aachen (DE) 145, 472–474, 478, 487 Abbeville (FR) 225 Abessinien/Äthiopien (ET) 70, 83, 269, 287, 412 Addis Abeba (ET) 129 Adria 38, 279, 471 Adrianopel/Edirne (TR) 264, 363 Afrika 13, 26, 145, 164, 256, 262, 267–269, 303, 307, 309, 325, 351, 355, 357, 359–360, 370, 374, 382, 389–390 Ägäis 491 Agram/Zagreb (HR) 236, 271, 283, 298–299, 303, 364, 400, 403, 406, 413, 418, 432, 493 Ägypten (EG) 72, 78, 236, 271, 339, 353, 390, 403, 422 Albanien (AL) 143, 147–149, 165, 251–252, 256, 268, 270–272, 332, 412, 457, 490 Albanische Berge (IT) 450 Alexandrette/İskenderun (TR) 383, 391 Alexandria (Alexandrien)/al-Iskandariyya (EG) 157 Algier/Madīnat al-Dschazā’ir (DZ) 355–356, 370 Alpen 192, 331, 480 Altbunzlau/Stará Boleslav (CZ) 312 Amerika 48, 84, 110, 113, 132–133, 140–141, 150, 155, 185, 208, 222, 226–227, 247, 276, 280, 306, 322, 377, 383, 396, 398, 419, 426, 439, 443, 477, 487 Amoy/Xiamen (CN) 157 Amstetten 353, 404, 436, 492 Åndalsnes (NO) 221 Ankara (TR) 78 Annaberg/Chałupki (PL) 176

Argentinien (AR) 92, 177, 432 Arlberg 43, 79, 352, 384 Arnheim/Arnhem (NL) 476 Arras (FR) 304 Asch/Aš (CZ) 242 Asien 13 Asow/Azov (RU) 373 Asowsches Meer 407, 415 Aspern 439 Astrachan/Astrachan’ (RU) 370 Athen (GR) 79, 116, 249–250, 256, 318, 336, 490 Atlantik(küste) 374, 490 Aufkirchen (DE) 371 Auschwitz/Oświęcim (PL) 9, 353 Aussig/Ústí nad Labem (CZ) 291, 294 Australien (AU) 155, 183, 259 Azoren/Ilhas dos Açores (PT) 414 Bachmatsch/Bachmač (UA) 410 Baden bei Wien 66, 149, 169, 247, 314, 341–342, 441 Baden (DE) 427 Bad Gastein 91, 240, 371, 433 Bad Gleichenberg 279 Bad Godesberg (DE) 100–102, 104, 107 Bagdad/Baghdad (IQ) 81 Baku/Bakı (AZ) 303 Balkan 14, 21, 26, 32, 68, 134, 197, 214, 222, 231, 235, 250, 266, 298, 349, 375, 391, 422, 432, 468, 490, 492 Baltikum 191, 227–228, 248, 370, 375, 429

938

Anhang

Bamberg (DE) 383 Banja-Luka (BA) 298 Baranowitschi/Baranavičy (BY) 457–458 Bardia/al-Bardīya (LY) 306–307 Basel (CH) 200 Bayern (DE) 52, 70, 80, 143, 150, 195, 289, 296, 301, 314, 329, 369, 371, 470, 486 Belgien (BE) 99, 143, 163, 180, 198–199, 200, 202, 204, 222–224, 226, 340, 368, 447, 485 Belgorod/Bjelgorod (RU) 401 Belgrad/Beograd (RS) 20, 68, 76, 79, 222, 251, 265, 269–272, 298, 345, 400, 413, 478 Bengasi/Banġāzī (LY) 309 Beraun/Beroun (CZ) 200 Berchtesgaden (DE) 50–51, 53–54, 67, 77, 117, 246 Berlin (DE) passim Bern (CH) 144, 383, 408 Berndorf 448 Bernhardsthal 75 Bessarabien 33, 195, 228, 239, 253, 346, 375 Bialystok/Białystok (PL) 374, 464 Bielitz/Biala/Bielsko-Biała (PL) 465 Birmastraße 247 Birmingham (GB) 139, 214 Bisamberg 238, 348 Bizerte/Biserta/Binzart (TN) 357, 389 Bjachti 415 Bled/Veldes (SI) 113 Bleiburg/Pliberk 439 Blumau 276 Bobruisk/Babrujsk (BY) 456, 463 Bochum (DE) 397 Böhmen/Čechy (CZ) 19, 91, 138–140, 142–143, 159, 166, 204, 252, 255, 297, 305, 335, 346, 445, 461, 469, 490 Bologna (IT) 188 Bosnien/Bosna (BA) 20–21, 146, 332, 345, 349, 377, 388, 400, 422 Boulogne (-sur-Mer) (FR) 296 Bozen/Bolzano (IT) 208, 408 Brasilien (BR) 72, 108, 138, 155, 238 Breitenfurt 158 Bremen (DE) 231, 236, 385 Brenner/Brennero 145, 158, 216 Breslau/Wrocław (PL) 210, 233, 243 Brest (FR) 227, 466

Brest-Litowsk (BY) 21 Bretagne (FR) 466 Brjansk (RU) 411, 425 Bruck an der Leitha 489 Bruck an der Mur 175, 230, 436 Brünn/Brno (CZ) 139, 142, 238, 345, 469 Brüssel/Bruxelles/Brussel (BE) 87, 145, 362, 485 Buchenwald (DE) 359 Budapest (HU) 73, 102, 117, 126, 128, 175, 245, 352, 375, 439, 443, 464, 487, 491 Budweis/České Budějovice (CZ) 241 Bug 419, 425, 432 Bukarest/București (RO) 140, 213, 261, 266, 303, 443, 476 Bukowina 195, 228, 441 Bulgarien (BG) 228, 246, 255, 259, 263, 281, 366, 374, 433, 471, 477, 480, 482 Burgenland 77, 107, 234, 330, 439, 441, 476 Caen (FR) 458 Carinhall (DE) 233 Casablanca/ad-Dār al-bayḍāʾ (MA) 369, 384 Cassibile (Syrakus) (IT) 409 Catania (IT) 401 Charkow/Charkiw (UA) 31–32, 306, 309, 313, 319, 333, 374, 377–378, 402, 405 Cherbourg (FR) 455, 458 China (CN) 175, 180, 247, 386 Comer See/Comosee/Lago di Como (IT) 173 Cottbus (DE) 378 Coventry (GB) 246 Csepel (HU) 464 Cuxhaven (DE) 394 Cypern/Zypern (CY) 107 Czernowitz/Tscherniwzi (UA) 237, 442 Dachau (DE) 24, 65, 82, 93, 131, 250, 278 Dakar (SN) 368 Dalmatien/Dalmacija (HR) 235, 291 Dänemark (DK) 147, 149, 151, 219, 365 Danzig/Gdańsk (PL) 126, 142, 145, 165, 168–169, 171, 176, 178, 183, 185–186, 195, 406 Dardanellen 155, 281, 324, 375, 392, 437, 491 Derna/Darna (LY) 271, 307, 357 Deutschböhmen 75, 77, 104, 109, 445, 475 Deutschlandsberg 486 Dieppe (FR) 345, 348

Geografisches Register Dnipropetrowsk/Dnipro (UA) 314 Dnjepr/Dnepr 314, 412–413, 415, 422, 434 Dnjestr/Dnister 288, 442 Dominien (des britischen Empire) 140, 222 Domschale/Domžale (SI) 336 Don (Donbogen) 360au–362, 372 Donau 243, 392, 448, 453, 469, 485, 487, 489–490 Donaubecken 197 Donauländer 48, 197 Donauraum 119, 146 Donawitz 404 Donez/Siwerskyj Donez 366, 373, 376 Donezbassin/Donezkyj bassejn (Donbas) 302, 374, 409–410 Dortmund (DE) 372 Dresden (DE) 100 Dünaburg/Daugavpils (LV) 464 Düsseldorf (DE) 286, 369, 394, 396 Dunkelsteinerwald 475 Ebenfurth 250, 416 Edlach an der Südbahn 427 Eger/Cheb (CZ) 99, 132, 242, 303, 335, 342 Eisenkappel-Vellach/Železna Kapla-Bela 454 Eisernes Tor (Hoher Lindkogel) 167, 241 El-Alamein/al-ʿAlamain (EG) 390 Elbetal (Elberaum) 111, 469 Elsaß/Elsass (FR) 67, 114, 227, 486–487 England passim Enzesfeld 226, 442 Epirus (GR) 272, 491–492 Essen (DE) 382, 392 Estland (EE) 189–192, 247–248, 317 Eupatoria/Jewpatorija (UA/RU) 311 Eupen (BE) 145 Europa 13, 26, 30, 84, 120, 140, 142, 150, 155, 157, 164, 180, 182, 242, 261–262, 273, 306, 322, 358, 374–375, 425, 437, 445, 455–456, 477 Exeter (GB) 326 Falaise (FR) 467 Feldkirch (DE) 265 Feodossija/Feodosia/Feodosiya (RU) 310 Finnland (FI) 15, 35, 191–192, 201–202, 209, 206–207, 215, 217, 248, 280–281, 370, 411, 424, 436–437, 477 Fischamend 77, 413, 444–445

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Fiume/Rijeka (HR) 400, 425, 432 Flandrische Küste 319 Florenz/Firenze (IT) 256, 464 Frankfurt am Main (DE) 178 Frankreich (FR) 38–39, 43, 46–47, 51, 54, 67, 69–70, 75, 77, 79–80, 95–103, 105, 107, 111, 115–116, 118–121, 125–126, 129, 132–133, 136– 138, 140, 143, 146, 150, 156–157, 173, 177–179, 181, 184–186, 189–193, 196–197, 200, 207, 218–219, 221–231, 256, 281, 286, 307–308, 311, 315, 325–327, 331–333, 340, 345, 347, 351, 354, 356–357, 362, 364, 366, 368–369, 371, 373–374, 384, 392, 401, 405, 407, 409, 425–426, 446, 458, 462, 467–468, 481 Französisch-Afrika 309, 357 Französisch-Marokko 356–357 Französisch-Nordafrika 357 Französische Riviera 467 Freiburg im Breisgau (DE) 265 Friedeck-Mistek/Frýdek-Místek (CZ) 139 Frohsdorf 104 Fünfkirchen/Pécs (HU) 80 Fuschl 277 Gablonz/Jablonec nad Nisou (CZ) 113, 205 Galizien 237, 387, 419, 422 Gänserndorf 479 Gastein siehe Bad Gastein Genf/Ginevra/Genève (CH) 47, 79, 126, 395, 452 Gießhübel 474 Gleiwitz/Gliwice (PL) 181 Gmunden 80, 168, 210 Godesberg siehe Bad Godesberg Goisern 323 Görlitz (DE) 184, 297 Görz/Gorizia/Gorica (IT) 117 Gösing an der Mariazellerbahn 333 Gottschee/Kočevsko (SI) 334, 367 Göttweig siehe Stift Göttweig Gran/Esztergom (HU) 491 Graz 149, 156, 232, 278, 359, 404, 486 Griechenland (GR) 107, 116, 148–149, 222, 227, 235, 243, 246, 250–252, 255–256, 259, 261–262, 266, 270, 272, 287, 392, 413, 455, 462–463, 477, 479, 490–492 Grosny (RU) 303 Großbritannien siehe England

940

Anhang

Grub 158 Gscheid (Kernhofer Gescheid) 285 Guntramsdorf 489 Gurkfeld-Rann/Krško-Samobor (SI) 367 Gutenstein 455

374–375, 380–381, 384, 387, 397, 399–400, 408–412, 414–415, 422, 425, 427–428, 430, 437, 446, 449, 452, 455–456, 464, 477 Italienisch-Afrika 145 Iwangorod (RU) 161

Halle an der Saale (DE) 242 Hamburg (DE) 175, 195, 224, 231, 236, 267, 283, 339, 398, 401–402, 413, 418 Hannover (DE) 95, 156, 224 Haslau 439 Heiligenkreuz siehe Stift Heiligenkreuz Helgoland (DE) 96 Herzogenburg 449 Hessen (DE) 134, 364 Himberg 464 Hindenburg (DE) 90 Hirtenberg 442 Hochschwab 175, 230 Hof (DE) 233 Hoher Berg bei Reichenberg (CZ) 295 Hollabrunn 449 Holland siehe Niederlande Homel/Gomel (BY) 423 Homs (al-Chums)/al-Ḫums (LY) 367 Hongkong (CN) 107, 180 Horn 92, 97 Horschowitz/Hořovice (CZ) 200

Jablunkapaß/Jablůnka (CZ) 183 Jajce (BA) 345, 388 Janina/Ioannina (GR) 272 Japan (JP) 90, 92, 107, 121, 160, 173, 178–180, 247, 268–269, 298, 306, 310, 316, 319, 322, 326–327, 329, 338, 380–381, 422, 427, 456 Jaroslau/Jarosław (PL) 464 Jena (DE) 438 Jeschken/Ještěd (CZ) 295 Judenburg 424 Jugoslawien 31, 45, 47–48, 73, 113, 148–149, 170, 183, 207, 216, 221, 228, 234, 236, 267–271, 312, 315, 392–393, 402, 471, 480 Jüterbog (DE) 338

Kairo (EG) 392, 455 Kalkutta (IN) 81 Kaltenleutgeben 330 Kamptal 78, 97 Kanada (CA) 154, 182–183, 222, 225, 411 Kanalküste, Ärmelkanal 280 Kanaltal/Val Canale (IT) 367 Kapfenberg 290, 424 Iglau/Jihlava (CZ) 109 Kaprun 74 Ilmensee (RU) 311, 319, 323, 329, 376 Karelische Landenge (RU) 453 Indien (IN) 147, 174, 189, 266, 381 Karlsbad/Karlovy Vary (CZ) 97, 242, 342, 405 Innsbruck 44, 57, 178, 203, 221, 424, 427, 438, 453 Kärnten/Koroška 33, 77, 92, 132, 234, 263, 317, 367, Irak (IQ) 266, 268, 278, 282, 392 385, 401, 439, 468 Iran (IR) 282–283, 340 Karpaten (Karpatengebiet, Karpatenland) 108, Irland (IE) 133, 229 110–111, 141, 387, 440, 443, 465–466, 477, 493 Island (IS) 275, 301 Karpatenrussland (Karpatorussland) 109, 117, Istanbul siehe Konstantinopel 137–138, 142, 144 Italien (IT) 32, 39, 43, 45–49, 53, 64, 69, 73–74, Kassel (DE) 124, 231, 323 81, 83–84, 87, 97–98, 103, 111, 114, 116–121, Kattegat(t) 219 123, 126, 128–129, 132–133, 135–136, 143–144, Kattowitz/Katowice (PL) 135, 357 147–150, 153, 156, 165, 167, 170, 174, 177–182, Katyn (RU) 388 188–190, 194, 197, 201–202, 206, 208, 214–217, Kaukasus 212, 305, 322, 340, 345, 365–367, 370, 219, 222, 224–225, 227, 235–236, 239–240, 243– 372–374 245, 250–252, 255–256, 259–261, 263–264, 268, Kaunas (LT) 464 270–272, 275, 281, 286–287, 291, 299, 305–307, Kertsch/Kerč (UA/RU) 310, 331, 372–373 309, 319, 324, 337, 351, 355–357, 363–365, Kiel (DE) 272, 326, 429

Geografisches Register Kieneck 285 Kiew/Kyjiw (UA) 286, 288, 302, 409–410, 414, 418–419 Kirchstetten 286 Kitzbühel 164 Kladno (CZ) 161, 200, 335 Klagenfurt/Celovec 131, 285, 395, 401–402, 431, 436, 454, 479 Klosterneuburg 33, 75, 77, 93, 157–158, 239, 273, 303 Koblenz (DE) 481 Kolin/Kolín (CZ) 461, 470 Köln (DE) 150, 157, 159, 231, 334, 357, 372, 397, 400, 473 Kolomea/Kolomyja (UA) 442 Kongo (CD) 228 Königsberg/Kaliningrad (RU) 468 Konotop (UA) 409 Konstantinopel/Istanbul (TR) 264 Kopenhagen/København (DK) 213, 224, 364, 429–430 Korneuburg 77, 458, 469 Korsika (FR) 118–119, 132, 356, 410 Kowel (UA) 457–458 Krain/Kranjska (SI) 228, 395 Krakau/Kraków (PL) 135, 208, 211, 236, 272, 464, 466, 469 Krementschuk/Kremenčuk (UA) 415 Krems 71–72, 187, 436, 463, 469 Kreta/Kriti (GR) 266, 275, 290, 477 Kreuznach (DE) 335 Krieglach 110 Krim (RU) 300, 310, 314, 416, 419, 444 Kriwoi Rog/Krywyj Rih (UA) 416 Kroatien/Hrvatska (HR) 221, 235, 271, 275, 280, 282–283, 291, 349–350, 354, 359, 373, 377, 387, 392, 400, 425, 432, 461, 491, 493 Kursk (RU) 373, 398 Kutno (PL) 186 Laa/Thaya 322 Laab im Walde 77, 100 Laibach/Ljubljana (SI) 271 Lambach 80 Lampedusa (IT) 394 Landsberg (DE) 276 Larissa/Larisa (GR) 272

941

La Spezia (IT) 410 Laxenburg 464 Lech 382 Leipzig (DE) 67, 265, 425 Leitmeritz/Litoměřice (CZ) 291, 399 Lemberg/Lwiw (UA) 9, 187–188, 319, 420, 434– 435, 437, 457, 460, 464, 479 Leoben 230 Lettland (LV) 190–192 Leuna (DE) 233, 464 Liberia (LR) 353 Libyen (LY) 47, 133, 145, 252, 356 Lichtenwerder bei Jüterbog (DE) 338 Lida (BY) 458 Lidice (CZ) 335, 347 Liechtenstein (LI) 145, 493 Lille (FR) 296 Linz 57, 59, 73, 172, 318, 322, 340, 350, 353, 373, 378, 403, 406, 421, 450, 463, 471 Lippe (DE) 318 Litauen (LT) 109, 120, 142, 144, 191, 489 Lodz/Łódź (PL) 188, 319, 433 London (GB) 88, 99, 105, 107, 121, 127, 138–139, 146, 151, 168, 174, 179, 181, 189, 218, 223, 237, 265, 283, 285, 392, 396, 412, 443, 450 Lothringen (FR) 67, 227 Lublin (PL) 184, 247, 435 Lungau 77, 392 Luxemburg/Luxembourg (LU) 185, 236, 373 Luzk (UA) 434 Madagaskar (MG) 329 Madrid (ES) 150, 380, 384 Magdeburg (DE) 194 Mähren/Morava (CZ) 138–139, 142–143, 159, 166, 204, 251, 297, 387, 394, 461, 487 Mährisch-Ostrau/Ostrava (CZ) 139, 345 Mailand/Milano (IT) 287 Maikop (RU) 343 Makó (HU) 476 Malakkahalbinsel (MY) 312 Mallorca (ES) 83 Malta (MT) 111, 226, 337, 450 Mandschurei 90, 92 March/Morava 76 Maria Enzersdorf 273 Maria-Schein/Bohosudov (CZ) 291

942

Anhang

Mariazell 224, 238, 285, 333 Mariupol (UA) 407 Marseille (FR) 110 Mauterndorf 229 Mauthausen 9, 31–32, 262, 305 Mayerling 167 Mazedonien/Makedonija 474, 491–492 Melitopol (UA) 415 Memel/Klaipėda (LT) 120, 126, 139, 142, 145 Meran/Merano (IT) 178, 208 Merseburg (DE) 465 Mersin (TR) 383 Mesopotamien 304 Metz (FR) 67, 226 Mexiko (MX) 81, 177 Minsk (BY) 457, 459, 463 Mistelbach 230 Misurata (Misrata)/Miṣurāta (LY) 367 Mitau/Jelgava (LV) 464 Mitrowitza/Sremska Mitrovica (RS) 487 Mitteleuropa 95, 101, 136, 284, 327, 363, 369 Mittelmeer 111, 121, 150, 155, 180, 221, 275, 291, 299 Mödling 77, 108, 176, 273, 304, 316, 435, 439, 464, 470, 489 Mogilew/Mahiljou (BY) 456 Molodetschno/Maladsečna (BY) 457 Mönichkirchen 272, 401 Montenegro/Crna Gora (ME) 74, 134, 275, 492 Moosbierbaum 457 Moosbrunn 166 Moschaisk/Možajsk (RU) 311 Moskau/Moskwa (RU) 77, 89, 110, 167, 177–178, 188, 191, 197, 260–261, 263, 265, 296, 300, 303, 305, 308, 329, 384, 417–418, 423–424, 426, 432, 437, 443, 460, 488 München (DE) 71–72, 76, 103, 111, 118, 137–140, 165, 176–177, 185, 197, 200, 203, 225, 229, 246, 277, 347, 350, 371, 378, 382, 418, 443, 448 Münchendorf 489 Münchengrätz/Mnichovo Hradiště (CZ) 253 Munkács/Mukačewo (UA) 482 Münster (DE) 287, 291 Murmansk (RU) 322–323, 370 Mürztal 290, 404 Nachod/Náchod (CZ) 162

Nancy (FR) 67, 231, 458 Nanking/Nanjing (CN) 384 Narvik (NO) 219–221, 224, 299, 388 Neapel/Napoli (IT) 410, 413, 445 Neisse (Landkreis) (PL) 90 Nettuno (IT) 434 Neuilly sur Seine (FR) 228 Neulengbach 269 Neumarkt/Nowy Targ (PL) 476 Neunkirchen 416, 463 Neu Sandez/Nowy Sącz (PL) 388 Neusatz/Novi Sad (RS) 113 Neuseeland (NZ) 182 Neusiedlersee (AT/HU) 486 Neusohl/Banská Bystrica (SK) 477 Neuwald 285 Newa 432 New York (US) 84, 136, 380, 416 Niederlande (NL) 28, 99, 143, 163, 180, 189, 195, 198–202, 204, 206, 222–224, 250, 263, 266, 327–328, 374, 397, 416, 430, 468, 473–474 Niederösterreich 32, 77, 86, 160, 193, 199, 234, 236, 392, 449, 462, 478 Nikolajew/Mykolajiw (UA) 442 Nikolsburg/Mikulov (CZ) 323 Nikopol (UA) 434 Nimburg/Nymburk (CZ) 470 Nisch/Niš (RS) 271 Nivelles (BE) 224 Nizza/Nice (FR) 111, 119, 132 Nordafrika 271–274, 306, 357 Normandie (FR) 456, 464, 469 Norwegen (NO) 212, 217, 219–221, 266, 280, 287, 307, 311, 325, 331, 339, 365, 392, 424, 428, 430 Nowgorod/Welikij Nowgorod (RU) 432 Noworossijsk (RU) 372, 410–411 Nürnberg (DE) 298, 347, 350, 383 Oberkrain/Gorenjska (SI) 367, 377 Oberösterreich 234, 361, 385, 413, 419, 443, 458, 490 Obersalzberg (DE) 49, 52, 64, 70, 96, 103–104, 107, 313, 317, 441 Oberschlesien 176, 185, 211, 280, 302, 311, 487, 491–492 Oderberg/Bohumín (CZ) 102, 129, 176

Geografisches Register Odessa/Odesa (UA) 300, 437, 489 Olmütz/Olomouc (CZ) 241 Oppeln/Opole (PL) 181, 311 Opponitz 493 Oran/Wahrān (DZ) 355 Orel/Orjol (RU) 32, 340, 342, 401, 414 Orvieto (IT) 218 Oslo (NO) 213, 219 Ostafrika 164, 236 Ostasien 157, 173 Österreich passim Ostgalizien 419, 422, 443 Ostia (IT) 400 Ostmark 27, 127, 149, 152–153, 188, 193, 195, 210–211, 225, 236, 244–245, 248, 251, 267, 279, 299, 318, 320–321, 329, 334, 351, 415 Ostpreußen 325, 458, 464–465, 481–482, 489 Ostrau/Ostrava (CZ) siehe Mährisch-Ostrau Osttirol 77 Ötscher 475 Palästina 114 Panama (PA) 477 Pantelleria (IT) 394 Pardubitz/Pardubice (CZ) 353, 461 Parga (GR) 215 Paris (FR) 43, 67, 70, 76, 83, 85, 90, 96, 111–112, 119, 131, 138, 140, 181, 184, 187–188, 217, 226, 257, 267, 320, 338, 356, 421, 441, 450, 466, 468, 481 Pernitz 416 Persien siehe Iran Persischer Golf 189 Pest (siehe auch Budapest) (HU) 43–45, 64–65, 79, 116, 141, 144, 172, 175, 184, 313, 417, 441, 448, 452, 476, 482–483, 492–493 Pianore (IT) 446 Pichl-Auhof 278 Pilsen/Plzeň (CZ) 142, 151, 241, 328, 359, 385 Plattensee/Balaton (HU) 487 Ploesti/Ploiești (RO) 266 Poebene (IT) 400 Podiebrad/Poděbrady (CZ) 347 Pola/Pula (HR) 400 Polen (PL) 14, 26, 31–32, 72, 97, 102, 111, 116, 118–119, 125, 128, 133–134, 138–139, 143–146, 148–150, 152–154, 160–161, 165, 167, 169–170,

943

175–192, 195–196, 202, 206, 208, 211, 214–215, 218, 223–224, 228, 233, 236, 272, 288, 302, 304, 311, 322, 354, 369, 388, 392, 401, 413, 419–420, 423, 435, 428, 458–459, 464, 467, 479 Polnisch-Schlesien 468 Pommern (DE, PL) 234 Pompeji (IT) 46 Pongau 475 Pontinische Sümpfe (IT) 450 Portugal (PT) 370–371, 414 Posen/Poznań (PL) 145, 185 Potsdam (DE) 472 Pottenstein 416 Prag/Praha (CZ) 33, 44–45, 48, 55, 88, 97, 99, 113, 124, 137–139, 141, 146, 148, 159, 195, 200, 203–205, 214, 217, 245, 253, 273, 283, 294, 297, 301, 333, 337, 346, 350, 359, 384, 428, 446, 472, 482, 484 Prangins (CH) 336 Přemysl/Przemyśl (PL) 464 Pressburg/Bratislava/Pozsony (SK) 44, 77, 92, 102, 109–110, 136–137, 266, 275, 283, 457, 461, 471–472, 474–475, 477 Preußen 90, 127, 151, 172, 184, 208, 210, 224, 245, 280, 304, 311, 378, 386, 447, 460–461, 465, 472 Prypjat-Sümpfe 413 Pyrenäen 129 Raab/Győr (HU) 491 Raspenau/Raspenava (CZ) 295 Rathenow (DE) 149 Ratibor/Racibórz (PL) 196 Ravenna (IT) 487 Regensburg (DE) 291, 383, 405, 492 Reichenberg/Liberec (CZ) 19, 25, 32, 38, 91, 99, 113, 118, 123–124, 204–205, 252–255, 291, 303, 337, 347, 399, 411, 429, 470 Reifträgerbaude/Schronisko na Szrenicy (PL) 296 Rekawinkel 338 Reschitza/Reșița (RO) 423 Rhein 180, 243, 397, 400, 473–474 Rheinland (DE) 284, 372–373, 390 Rheinprovinz 320, 472, 478 Rhodos (GR) 392 Riesengebirge 296 Riga (LV) 228

944

Anhang

Rodaun 104, 459 Rom/Roma (IT) 43, 47, 50, 63–64, 67, 70, 83–84, 86, 93, 107, 117, 119, 126, 129, 135, 143–144, 174, 176, 187, 222–223, 235, 268, 275, 316, 333, 380, 394, 400, 406, 414, 431–432, 434, 446, 450–451, 454, 456, 468, 478 Rosenthal/Rožmitál (CZ) 124 Rostock (DE) 326 Rostow (am Don)/Rostow-na-Donu (RU) 305– 306, 310, 340, 367, 373–374 Rouen (FR) 374 Rowno/Riwne (UA) 434 Rschew/Ržew (RU) 316, 346, 348, 376 Ruhrgebiet (DE) 320, 401–402 Rumänien (RO) 45, 49, 108, 113, 119, 140–143, 154, 170, 179–180, 186–187, 210, 228, 233–235, 240, 250, 255, 259, 261, 264, 266, 275, 281–282, 300, 321, 326, 328, 350–351, 359, 365–366, 370, 374, 392–393, 412, 428, 437, 441, 444, 462, 466, 469–470, 477, 480, 484, 492–493 „Rusiusko“ siehe Karpatenrussland Russland (RU) passim Saarbrücken (DE) 487 Saargemünd/Sarreguemines (FR) 182 Saaz/Žatec (CZ) 255, 346 Sachsen (DE) 76, 90, 100, 254, 346, 481 Sachsenhausen (DE) 226 Salerno (IT) 410–411 Saloniki/Thessaloniki (GR) 271, 388, 410 Salzburg (Stadt und Land) 51, 54, 77, 79, 82, 84, 202, 234, 251, 278, 292, 330, 343–345, 353, 384, 401, 413, 451, 475, 480, 484 Salzkammergut 84, 392, 395, 480 Sandschak/Sandžak 332, 474 St. Florian 278, 291 St. Germain (FR) 100 St. Helena (GB) 295 St. Petersburg/Leningrad (RU) 20, 209, 247, 286, 296, 300, 370, 431–432, 434 St. Pölten 77, 233, 317, 348, 436, 450 St. Valentin 340, 468 San Remo (IT) 137 San Rossore (IT) 446 Sarajewo/Sarajevo (BA) 151, 345, 377 Save 487 Savoyen/Savoia (IT) 111, 275, 322, 446

Schaulen/Šiauliai (LT) 464 Schitomir/Schytómyr (UA) 422–423, 429 Schlesien (PL) 90, 96, 145, 175–176, 185, 204, 211, 280, 302, 311, 369, 458, 468, 480, 487, 491–492 Schlüsselburg/Schlisselburg (RU) 366 Schottische Küste (GB) 96 Schwanenstadt 443 Schwarzes Meer 155, 324, 335, 363 Schwechat 134, 220, 439, 445, 453 Schweden (SE) 27, 35, 72, 80, 92, 151, 165, 215, 280, 311, 377, 424–425, 430 Schweiz (CH) 99, 114, 122, 125, 131, 145, 162, 188, 200, 214, 233, 235, 259–260, 305, 322, 375, 377, 381, 386, 425, 461, 470, 482, 486 Seine (FR) 468 Selztal 492 Semmering 183, 262, 264, 272, 401–402, 413, 491 Senigallia (IT) 464 Senj/Zengg (HR) 432 Serbien/Srbija (RS) 20–21, 199, 221, 252, 270– 271, 273, 275, 281, 284, 299, 303, 319, 336, 349, 351, 373–374, 387, 415, 423, 462–463 Sewastopol/Sevastopol’ (UA/RU) 310–311, 335, 339, 370 Shanghai (CN) 85, 247 Sibirien (RU) 247, 310 Sichrow/Sychrov (CZ) 428 Siebenbürgen/Transilvania/Ardeal (RO) 119, 315, 321 Siegerland (DE) 110 Sillein/Žilina (SK) 141, 471 Simferopol (UA/RU) 314 Singapur (SG) 316 Sizilien (IT) 305, 357, 397–398, 404–405, 415, 445 Skandinavien 425, 430 Skutari/Shkodra/Shkodër (AL) 392 Slowakei (SK) 80, 92, 102, 104, 107, 115, 136–139, 142, 146–147, 153–154, 162, 170, 231, 235, 251, 289, 323, 335, 350, 387, 392, 461, 471–472, 475–478, 482, 485, 487, 490–492 Slowenien/Slovenija (SI) 275, 334, 367, 486 Smolensk (RU) 288, 296, 311, 329, 402, 407, 409, 413 Sofia/Sofija (BG) 68, 222, 370, 476 Sollum/As Sallum (EG) 271, 275, 306–307 Sowjetrussland/Sowjetunion 14, 26, 35–36, 141,

Geografisches Register

945

153, 157–158, 180, 197, 205, 268, 345–346, 360, 372, 387–388, 443, 461, 480, 484 Spalato/Split (HR) 306 Spanien (ES) 43–44, 83, 111, 126, 133, 150, 171, 202, 246, 256, 263, 275, 279, 362, 370–371, 380, 384, 432, 468 Spoleto (IT) 322 Stalingrad/Wolgograd (RU) 29, 340, 346, 349, 354, 360–362, 364–372, 375, 412, 424–425, 427, 481, 490 „Stalinlinie“ 286 Stalino/Donezk (UA) 409 Stams in Tirol 173 Steenokkerzeel (BE) 44, 229 Steiermark 55, 74, 77, 199, 228, 234, 274, 279, 454, 478 Steinamanger/Szombathely (HU) 441 Sternberg/Šternberk (CZ) 345 Sterzing/Vipiteno (IT) 421 Stettin/Szczecin (PL) 387 Steyr 342, 413, 436, 443–444, 450 Stift Göttweig 153, 187 Stift Heiligenkreuz 158 Stift Herzogenburg 449 Stockholm (SE) 191, 327, 370 Stolberg (DE) 473 Straßburg/Straßbourg (FR) 62, 67, 114, 182, 227, 231, 406, 486 Stuttgart (DE) 283, 421 Südafrika (ZA) 120, 141 Sudeten(gau)/Sudetenland (CZ) 33, 75, 88, 99– 100, 104, 107–108, 135, 137, 140, 142, 176, 204, 206, 230, 254, 285, 295–297, 303, 328, 334, 346, 387, 404, 406, 412 Südmähren (CZ) 172, 234 Südtirol (IT) 47, 75, 130, 158, 166–167, 171, 177, 192, 208, 221, 304, 381 Suezkanal (EG) 370 Sylt (DE) 216–217 Syrien (SY) 156, 207, 278, 340, 370 Szegedin (HU) 476

Teschen/Cieszyn/Těšín (CZ/PL) 145 Thrakien 264 Tirana/Tiranë (AL) 147, 165 Tirol 120, 167, 173, 203, 234, 263, 285, 299, 453, 492 Tobruk/Tobruq (LY) 259–260, 271, 287, 299, 306, 337, 356–357 Tokio (JP) 180 Toledo (ES) 171 Topschidere (RS) 269 Toul (FR) 67, 469 Toulon (FR) 356, 360 Traisental 475 Trient (IT) 408 Trier (DE) 472 Triest/Trieste/Trst (IT) 31, 47, 159, 223, 397, 400, 455 Triesting 455 Trikala (GR) 272 Tripolis/Ṭarābulus (LY) 362, 366–367, 374 Trondheim (NO) 221 Troppau/Opava (CZ) 175 Tschechien/Tschechoslowakei (Tschechei) (CZ) 45, 66, 68, 74–77, 79–82, 87–89, 91, 94–103, 107, 109–113, 115, 117, 124–125, 128, 137–142, 145–146, 149, 151, 160–162, 170, 178, 186, 191, 195, 200, 203, 205–206, 211, 214–215, 253, 259, 273, 298, 303–305, 312, 318, 329, 334, 337, 346–347, 359, 384, 392, 412, 444, 461, 464, 470, 477–478, 485, 489, 491–492 Tscherkassy (UA) 435–436 Tulln 489 Tullnerfeld 457 Tunesien (TN) 367, 382 Tunis/Tūnis (TN) 111, 118–121, 132–133, 148, 190, 256, 362, 367, 383, 385, 389–390 Turin/Torino (IT) 98 Türkei (TR) 132, 143, 148, 151, 155, 157, 186, 190–191, 193, 215, 246, 250, 255, 262, 264–265, 268–269, 277–278, 313, 363, 370, 375, 382–383, 391–392, 418, 428, 466, 468

Taganrog (RU) 314, 407 Tanzenberg 385 Tarnopol/Ternopil (UA) 437, 444 Taus/Domažlice (CZ) 217 Temesvár/Timișoara (RO) 474

Udine (IT) 260 Ukraine (UA) 21, 117, 119, 125–126, 128, 135, 138, 141–143, 191, 215, 217, 258, 272, 282, 288, 323, 343, 398, 419–420, 437, 440–441, 455, 488, 491

946

Anhang

Uman (UA) 437 Ungarn (HU) 20–21, 32, 43, 45, 48, 64, 72–75, 79–80, 98, 102, 107, 109–111, 113, 115, 117– 119, 125–126, 134–135, 137–139, 141–144, 147, 154, 159, 170, 174–176, 179, 183, 186, 206, 210, 212, 214, 228–229, 231, 233–235, 246, 252, 255, 270–271, 283–284, 299, 313, 315, 320–321, 339, 349, 351, 362, 369, 376, 383, 387, 393, 401, 412, 422–423, 425, 428, 439–443, 446, 449, 462- 463, 466, 468–469, 471–472, 474, 476, 480, 487–488, 491–492 Untersteiermark/Spodnja Štajerska (SI) 336 Unter-Tullnerbach 328 Ural (RU) 283, 398 USA (Vereinigte Staaten von Amerika) siehe Amerika Užice (RS) 306 Vardar 271 Vatikan (VA) 9, 62–64, 70, 75, 93, 126, 147, 153, 187, 277, 384, 406, 410, 454, 478 Velden 395, 402 Venedig/Venezia (IT) 119, 403 Verdun (FR) 67, 226, 469 Verona (IT) 408, 430 Viareggio (IT) 446 Vorarlberg 29, 225, 234, 358, 382, 470 Vöslau 445 Všetaty Přívory (CZ) 346 Waagtal (SK) 471, 477 Wachau 462 Walachisch-Meseritsch/Valašské Meziříčí (CZ) 436 Waldviertel 89 Warschau/Warszawa (PL) 128, 135, 145, 185, 188–189, 237, 317, 347, 363, 382, 388, 457, 464 Warthegau (PL) 10, 416 Washington (US) 140, 222

Weichsel/Wisła 183 Weidling a. Bach 460 Weidlingau 333 Weimar (DE) 232 Welikije Luki (RU) 364, 366, 414 Wels 475 Westerland (DE) 174 Westfalen (DE) 297, 403 Wien passim Wiener Neudorf (Wr. Neudorf) 413, 464 Wiener Neustadt (Wr. Neustadt) 77, 104, 221, 233– 234, 253, 290, 300, 322, 341, 377, 403–404, 413, 417, 445, 447–448, 450, 463 Wildenau (DE) 254 Wilhelmshaven (DE) 147, 369, 394 Wilhering 172 Wilna/Vilnius (LT) 457–458 Witebsk/Wizebsk (BY) 455 Witkowitz/Vítkovice (CZ) 433 Wjasma/Vjaz’ma (RU) 323, 377, 405 Wöllersdorf 444 Wörgl 397 Wörthersee 95 Wolga 155, 192, 282, 302, 340, 343, 361, 370, 428 Woronesch/Voronež (RU) 369–370 Woroschilowgrad/Luhansk (UA) 374 York (GB) 191 Zagreb siehe Agram Zara/Zadar (HR) 333 Zarskoje Selo/Puschkin (RU) 366 Zell am See 180 Zeller Steig (Lahnsattel) 285 Zeltweg 230 Zittau (DE) 399 Znaim/Znojmo (CZ) 156, 392

Personenregister

Abel, Heinrich Josef Maria 222, 535, 603 Abetz, Otto 257, 421, 603 Abetz, Suzanne 421, 604 Adam, Walter 52, 108, 243, 604 Adam, Wilhelm 372, 604 Adamović, Franz 60, 605 Adamovich, Ludwig 65, 605 Adele (Adi) siehe Wildner, Adele Aehrenthal von Lexa, Alois 76, 332, 362, 445–446, 474, 605 Aehrenthal, Pauline 445, 606 Agstner, Rudolf 10, 20, 23, 606 Aigner, Artur 226, 606 Akers-Douglas, Aretas 493, 606 Albrecht, Erich 386, 606 Alexander, Albert 230, 607 Alexich, Georg 123, 607 Alfieri, Dino 224, 607 Alfred siehe Wildner, Alfred Allmer, Anton 512, 608 Altenburg, Günther 100–101, 108, 172, 477, 608 André, Friedrich Maximilian 323, 373, 608 Andre, Michael 286, 609 Andresen, Erich 247, 317, 609 Andrić, Ivo 73, 609 Androszowski, Franz 121, 609 Anger, Mediziner 280, 609 Antonescu, Ion 235, 240, 250, 259, 261, 264, 282, 284, 321, 462, 540, 543, 545–546, 570, 593, 609–610 Antonescu, Maria 282, 610 Antonescu, Mihai 350, 570, 610 Apold, Anton 278, 552, 610 Apor, Gábor 48, 610–611 Apponyi, Geraldine siehe Zogu Apponyi, Gyula (Julius) Graf von 143, 611 Arıkan, Saffet 383, 611 Aschmann, Gottfried 120, 611 Attems, Othmar 217, 612

Attolico, Bernardo 179, 612 Auersperg, Familie 334, 612 Auffenberg, Moritz 436, 612 Augustinus 242, 612 Baar-Baarenfels, Eduard 75, 351, 452, 612–613 Badoglio, Pietro 251, 256–257, 364, 399, 400, 402, 409, 416, 536, 544, 579, 581, 613 Baldass, Ludwig 87, 421, 613 Ballacs, Josef 129–130, 614 Balser, Ewald 127, 614 Barandon, Paul 364, 614 Bardolff, Carl 125, 252, 614–615 Bartha, Károly 351, 615 Batista, Fulgencio 362, 572, 615 Bauer, Max Hermann 335, 615 Bauer, Otto 336, 368, 615–616 Baumann, Johannes 114, 616 Beck, Józef 519, 616 Beck, Ludwig 461, 464, 467, 616–617 Beckerle, Adolf 283, 617 Békessy, Hans 476, 617 Bemmer 478, 618 Beneš, Edvard 66, 89, 100–101, 104, 113, 124, 137, 141, 190–192, 197, 201, 259, 392–393, 411, 509, 569, 618 Benies, Max 236, 618 Beran, Rudolf 137, 139, 141, 509, 618 Berger, Gottlob 324, 618–619 Berger-Waldenegg, Egon 63, 191, 357, 454, 588, 619 Berger-Waldenegg, Oskar 191, 619 Berndt, Alfred-Ingemar 180, 620 Best, Sigismund Payne 200, 530, 620 Best, Werner 364–365, 429, 573, 620–621 Bethlen, István Graf 117, 621 Bethmann Hollweg, Theobald von 304, 621 Bichlmaier, Georg 199, 621 Bielka-Karltreu, Erich 93, 621–622

948

Anhang

Bílý, Josef 297, 622 Birkmeyer, Anton 244, 622 Birkmeyer, Jolanthe 622 Birkmeyer, Susanne 244, 622 Bischoff, Norbert 123, 163, 333, 367, 371, 376– 377, 381–382, 391, 394, 407, 426, 428, 436, 442, 455–456, 473, 475, 623 Bismarck, Otto von 207, 224, 422, 623 Bismarck-Schönhausen, Gottfried Graf von 472, 623 Bismarck-Schönhausen, Melanie von 472, 623– 624 Bismarck-Schönhausen, Otto Graf von 89, 101, 624 Bittner, Ludwig 101, 163, 336, 407, 473, 624 Blaas, Ludwig 52, 54, 65, 78–79, 439, 624 Blaha, Vinzenz 373, 625 Blaschke, Hanns 325, 439, 494, 625 Blaschko, Alfred siehe Rossee-Blaschko Blazowski, General 288, 625 Blomberg, Luise 47, 317, 626 Blomberg, Werner von 46–47, 56,317, 329, 498, 503, 561, 626 Blücher, Wassili K. (Bljucher) 302, 626 Blum, León 511, 626 Bock, Fedor von 309–310, 323, 353, 458, 627 Boeckmann, Walther von 331, 401, 627 Bohle, Ernst Wilhelm 134, 170, 300, 627–628 Böhme, Franz 55, 498, 628 Bonaparte, Napoleon I., Kaiser der Franzosen 108, 151, 295, 544, 628 Bonaparte, Napoleon II., Herzog von Reichstadt 257, 628 Boris III., Zar von Bulgarien 246, 370, 382, 407, 550, 575, 629 Bornemisza, Geza 48, 126, 629 Borodajkewycz, Taras 280–281, 552, 629 Boromejský, Karel (Kašpar) 205, 629–630 Boschilow, Dobri 433, 630 Bothmer, Karl Graf 383, 630 Bourbon-Parma, Felix von 215, 630 Bourguignon, Edwin 172, 201, 207, 344, 630–631 Bowes-Lyon, Elizabeth 154, 631 Brandl, Franz 73, 122, 380, 631 Brantner, Theodor 363, 631 Brauchitsch, Walther von 204, 308–309, 360, 394, 458, 468–469, 631

Bräuer, Curt 213, 632 Braum, Harald 328, 632 Braun von Stumm, Gustaf 61, 632 Brehm, Bruno 127, 632–633 Breza, Robert 208, 633 Brüning, Heinrich 476, 633 Brusatti, Alois 66, 633 Brusselle-Schaubeck, Alfred 279–280, 633–634 Buchberger, Karl 78, 80, 123, 165, 634 Bullitt, William 215, 634 Bülow-Schwante, Vicco von 81, 87, 101, 634–635 Bürckel, Josef 68–69, 72, 75–77, 83–84, 86, 90, 106, 115, 119, 130, 136, 145, 152, 155, 157–158, 162, 191, 194, 210, 220, 228, 232, 234, 316, 327, 406, 421, 501, 503–504, 510, 520, 531, 635 Burgsdorff, Curt Ludwig von Ehrenreich 89, 145, 217, 635 Butler, Richard 171, 635 Buzzi, Richard 368, 636 Călinescu, Armand 187, 636 Cambon, Jules-Martin 415, 636 Cambon, Marie-Virginie 381, 636 Cambon, Paul 381, 636–637 Carol II., König von Rumänien 235, 539, 637 Čatloš, Ferdinand 471–472, 477, 637 Cavallero, Ugo Graf 416, 637 Ceschi, Wolfgang 195, 638 Chamberlain, Arthur Neville 48, 77, 85, 95, 99, 101–105, 107, 111, 114–115, 120–122, 126, 139– 142, 145–146, 148, 150, 154–155, 161, 166, 171, 173, 181–182, 188, 190, 192–193, 195, 209–210, 214, 218, 222, 508, 514, 517–519, 533, 535, 638 Chamberlain, Joseph Austen 426, 638 Chardin, Jean Siméon 311, 638 Chavanne, Eugen 52, 57, 72, 199, 241, 638 Chilhaud-Dumaine, Alfred 72, 639 Chorin, Familie 591, 639 Christandl, Otto 230, 639 Christian X., König von Dänemark 365, 429, 573, 584, 639 Churchill, Winston 114, 147–148, 189, 192–194, 198, 218, 227, 230, 239, 261, 265, 267, 276, 281, 326, 339, 361, 369, 383, 404, 412, 419, 436–437, 442, 476, 535, 541, 545, 552, 555, 568, 574, 579, 583, 585, 639–640 Chvalkovský, František 117, 128, 137, 143, 640

Personenregister Cianetti, Tullio 430, 640 Ciano, Costanzo Graf 268, 640 Ciano, Edda Gräfin 268, 408, 547, 640 Ciano, Galeazzo Graf 53, 64, 111, 121, 133, 184, 190, 202, 206, 215, 217, 222–223, 246, 256–257, 261, 268, 313, 400, 408, 430, 433, 526, 530–532, 538, 547, 550, 560, 584, 641 Cincar-Marković, Aleksandar 269, 641 Clary-Aldringen, Familie 91, 641 Clemens siehe Wildner, Clemens Clodius, Carl August 48, 50, 53, 59, 102, 198, 215, 303, 328, 439, 449, 462, 475–476, 492, 641 Cnobloch, Johann 196, 642 Colloredo-Mannsfeld, Ferdinand (Fertsch) 33, 124, 136, 201, 204, 227, 229, 245, 319, 322, 334–335, 362–363, 369, 381, 394, 404, 410, 423, 425, 428, 434, 439, 444–446, 468, 478, 486, 642 Colloredo-Mannsfeld, Franz Ferdinand 439, 445, 642 Colloredo-Mannsfeld, Maria 423, 642 Colloredo-Mannsfeld, Rudolf 30, 32, 93, 124, 116, 142, 204, 210, 376, 642 Conrad-Eybesfeld, Heinrich 74, 642 Cooper, Alfred Duff 139, 141, 643 Coulondre, Robert 120, 138, 179, 182, 531, 643 Craig, Malin 155, 643 Cristea, Miron 49, 643 Csáky, István Graf 74, 107, 118, 176, 206, 531, 644 Cvetković, Dragiša 268–269, 548, 644 Czernin, Eugen 99, 303, 558, 644 Czernin, Ferdinand 164, 644 Czernin, Jaromir 45, 644 Czernin, Ottokar 164, 240, 541, 644–645 Czernin, Peter 164, 645 Czoernig-Czernhausen, Walter 198, 645 Czyhlarz, Ernst 161, 198, 645 Daladier, Édouard 97, 101, 105, 107, 111, 119, 139, 146, 154–155, 166, 179, 188, 192, 200, 210, 218, 525, 645–646 Danckelmann, Heinrich 299, 646 Danner, Clemens 91, 646 D’Annunzio, Gabriele 425, 646 Darányi, Kálmán 48, 107, 117, 646–647 Darlan, François 230, 362, 647 Darré, Walther 239, 332, 345, 647

949

Daskalov, Teodosi 326, 647 Davies, Joseph E. 390, 647–648 Davignon, Jacques 200, 648 De Bono, Emilio 408, 430–431, 648 De Bourgoing, Jean 132, 648–649 De Gaulle, Charles 369, 450, 568, 649 Degenfeld-Schonburg, Ferdinand 369, 649 Dekanosow, Wladimir G. 283, 649–650 Dellbrügge, Hans 228, 250–251, 650 Demmer, Arno 150, 312, 650 Deutsch, Viktor Stefan 168, 650 Dieckhoff, Hans Heinrich 384, 650–651 Diesenreiter, Hans 75, 651 Dietl, Eduard 323, 336, 456, 458–459, 651 Dietrich, Joseph (Sepp) 308, 325, 651–652 Dietrich, Kapitän 267, 652 Dietrich, Otto 104, 272, 329, 652 Dirksen, Herbert von 56, 141, 317, 652 Dittmar, Kurt 436, 456–457, 459, 463, 652–653 Dobernig, Josef Wolfgang 474, 653 Dobner-Dobenau, Helene 350, 653 Dobretsberger, Josef 455, 653 Dollfuß, Engelbert 72, 78, 89, 91, 121, 198–199, 226, 278, 292, 349–350, 354, 372, 393, 399, 499, 653–654 Donnevert, Richard 294, 654 Döring, Helmut 259, 654 Dörnberg zu Hausen, Alexander von 234, 654–655 Dorpmüller, Julius 245, 655 Dorr, Karl Raphael 276, 655 Draxler, Ludwig 159, 438, 655–656 Drummond, Eric 121, 656 Drünkler, Karl Heinz 194, 656 Dubsky, Adolf 232, 402, 656 Duda, Aladár 86, 146, 183–184, 189, 190–191, 194, 217, 225, 229, 244, 259, 261, 278, 285, 290, 300–301, 360, 385, 394, 475, 656–657 Dumba, Konstantin 76, 109, 111, 362, 657 Eckert, Curt 324, 657 Eckhardt, Josef 83, 202, 216, 248, 264, 300–301, 328–329, 344, 370, 379, 395, 454, 657 Eden, Anthony 48, 125, 142, 173, 380, 426, 443, 454, 467, 657–658 Eden, Sybil Frances 426, 658 Edward VII., König von Großbritannien 251, 658 Ehrhart-Erhartstein, Robert 344, 658

950

Anhang

Eichhoff, Johann 382, 658 Eigenberger, Robert 421, 659 Eigruber, August 234, 659 Eilhirsch 169, 659 Einem, Gerta-Luise von 362, 659–660 Eisenlohr, Ernst 75, 660 Elena von Montenegro, Königin von Italien 74, 134, 660 Eliáš, Alois 162, 297, 660 Else siehe Wildner, Elisabeth Elser, Georg 200, 660–661 Ender, Otto 29, 65, 292, 358, 404, 475, 502, 661 Epenstein-Mauternburg, Elisabeth 229, 333, 565, 661 Erbach-Schönberg, Victor Prinz zu 349, 661 Erdmannsdorff, Irmgard 175, 661 Erdmannsdorff, Otto von 175, 352, 662 Ernst, Richard 257, 420–421, 431, 662 Esser, Pater 199, 662 Esterházy, Paul V. 445, 662 Etter, Philipp 144, 662–663 Ettingshausen, Georg 122, 663 Fabricius, Wilhelm 266, 663 Fabricius, Amtsdirektor 203, 663 Falser, Meinrad 83, 177, 201, 272, 663–664 Farinacci, Roberto 198, 408, 664 Fehringer, Anton 338, 567, 664 Feistner, Wilhelm 205, 293, 411, 664–665 Ferdinand I., Zar von Bulgarien 381, 482, 665 Ferdinand II., Kaiser 96, 356, 665 Fey, Emil 59, 227, 665 Fey, Herbert 227, 665 Fey, Malvine 227, 665 Fillunger, Hans 70, 75, 666 Finck, August von 135, 666 Fischböck, Hans 51–52, 54, 56, 91, 129, 250, 306, 332, 666–667 Fischer-Ledenice, Gerhard 433, 667 Fischerauer, Friedrich 206, 667 Fischmeister, Viktor 355, 668 Fitzthum, Josef 257, 668 Flandin, Pierre Étienne 107, 668–669 Fleisch, Arbogast 225, 669 Flor, Fritz 171, 669 Flotow, Ludwig 81, 160, 669 Fontane, Theodor 363, 572, 670

Forster, Albert 178, 670 Fouché, Joseph 397, 670 Franckenstein, Georg 30, 65, 243, 279, 344, 456, 483, 670 Franco, Francisco 43–44, 126, 133, 171, 256, 362, 497–498, 519, 545, 670–671 Frank, Anna 254, 671 Frank, Gerhard 254, 671 Frank, Hans 208, 232, 236, 327, 346, 671 Frank, Harald 254, 671 Frank, Josip 387, 671 Frank, Karl Hermann 160, 162, 203, 254, 273, 359, 672 Frank, Karola 254, 672 Franz Ferdinand, Erzherzog-Thronfolger 445– 446, 672 Franz Joseph I., Kaiser 422, 445, 447, 474, 531, 672 Frashëri, Mehdi Bej 165, 672–673 Frauendienst, Werner 61, 673 Frauenfeld, Alfred 300, 673 Fredborg, Arvid 27, 674 Frederik IX., König von Dänemark 365, 573, 674 Freisler, Roland 346, 674 Frère, Maurice 226, 674 Freud, Sigmund 98, 674 Freudenthal, Karl 259, 674–675 Frick, Wilhelm 175, 675 Friderici, Erich 294, 298, 675 Frieberger, Kurt 214, 676 Fried, Jakob 291, 676 Friedmann, Sektionschef 48, 676 Friedrich III., Kaiser 182, 676–677 Friedrich II., König von Preußen 311, 373, 575, 677 Frigessi, Arnoldo 223, 677 Fritsch, Werner von 47, 56, 98, 188, 317, 329, 498, 503, 561, 677 Fritzsche, Hans 203, 258, 361, 677–678 Frković, Mate 477, 493, 678 Fröhlichsthal, Viktor 108, 111, 678 Frölicher, Hans 383, 678–679 Fromm, Friedrich 467, 679 Fuchs, Martin 29, 83, 143, 369, 679 Fugger, Leopold Graf von Babenhausen 85, 502, 679 Führer, Erich 274, 679–680

Personenregister Funder, Friedrich 78, 680 Funk, Walther 266, 284, 680 Fürstenberg, Karl Emil 50, 210, 680–681 Furtwängler, Wilhelm 243, 681

951

231, 240, 264–265, 270, 272, 277, 301, 304, 308, 315, 317, 326–328, 333, 340, 351, 362, 370–371, 389, 402, 421–422, 424, 433, 447, 457, 461, 465, 476, 504, 523–524, 539, 543, 546, 550, 555, 563, 565, 567, 570, 582, 585, 687 Gabčík, Jozef 337, 681 Goetz, Diego 276, 291, 688 Gaeta, Josef 249, 318, 336, 681 Goga, Octavian 49, 688 Galen, Clemens August Graf 291, 296, 298, 301, Golian, Ján 477, 688 682 Gortschakow, Alexander Michailowitsch Fürst Gamelin, Maurice Gustave 193, 222, 229, 682 128, 422–423, 688 Garski, Eugen 235, 682 Gottardi, Luciano 430, 688–689 Gaus, Friedrich 386, 682 Gottfried siehe Turnwald, Gottfried Gautsch-Frankenthurn, Oskar 109, 124, 682–683 Gotzmann, Leo 242, 257, 361, 464, 466, 485, 689 Gawroński, Jan 128, 683 Grandi, Dino 400, 456, 689 Gayda, Virginio 70, 88, 150, 197, 400, 513, 683 Graziani, Rodolfo 208, 239, 269, 689–690 Geer, Dirk Jan de 223, 683 Grazzi, Emanuele 249–250, 690 Georg VI. Albert, König von Großbritannien 65, Greiser, Arthur Karl 416, 690 154, 200, 683 Griesinger, Ilona von 265, 690–691 Georg II., König von Griechenland 116, 392, Griessler, Johann 338, 691 683–684 Grillparzer, Franz 259, 545, 691 Gessner, Johann siehe Mars Grimschitz, Bruno 421, 691 Giraud, Henri 334, 369, 684 Groß, Lothar 425, 451, 691 Glaise-Horstenau, Edmund 50, 53, 55–56, 65–66, Groß, Viktor 211, 691–692 76, 79, 124, 153, 158, 200, 208, 225–226, 229, Gruber, Erich 193, 692 252, 281, 283, 298, 318, 329, 354–355, 364, 370, Gruber, Helga 11, 692 389, 432, 477, 499–500, 567, 684 Gruber, Karl 11, 23, 692 Gleißner, Heinrich 199, 685 Gruhn, Luise siehe Blomberg, Luise Glesinger, Siegmund 565, 685 Grynszpan, Herschel 114, 511, 693 Globocnik, Odilo 89, 106, 112, 130, 134, 155, 504, Guarneri, Felice 208, 693 516, 685–686 Guderian, Heinz 463, 693 Goebbels, Joseph 61, 68, 81, 110, 112, 114, 119, Gullett, Henry (Harry) Somer 155, 693–694 125, 127, 131, 133, 136–137, 157, 172, 174, 194, Günther, Otto 110–111, 116, 125, 129, 145, 184, 203, 242, 245, 251, 266, 270, 284, 307–309, 318, 694 333, 351, 353, 361, 363, 370–371, 373, 375, 378, Günther, Bruder von Otto 129, 694 390–391, 396, 408, 436, 443, 445, 463–464, 466, 502, 512, 547, 559, 572, 574–575, 591–592, 594, Haakon VII., König von Norwegen 219, 266, 536, 686 694 Goebbels, Magda 125, 686 Habel, Ferdinand 262, 694 Gómez-Jordana, Francisco 171, 686 Habel, Ferdinand jun. 262, 694–695 Göring, Albert 328, 686–687 Habicht, Theo 136, 202, 695 Göring, Carin 539, 687 Habsburg, Familie 146, 275, 285, 318, 404, 537, Göring, Edda 333, 347, 687 695 Göring, Emmy 110, 175, 240, 248, 297, 347, 687 Habsburg, Albrecht 322, 695 Göring, Hermann 43, 47, 68, 70, 72–73, 79, 89, Habsburg, Eugen 391, 479, 695–696 90–91, 99, 102, 110, 115, 122, 131, 134, 137, Habsburg, Joseph Ferdinand 345, 696 141, 144, 152–154, 156, 164, 166, 171–172, Habsburg, Otto 143–144, 201, 212–213, 215, 285, 174–175, 177, 181, 184–185, 195, 197, 223, 229, 336, 411, 446–447, 498, 567, 696

952

Anhang

Habsburg, Zita 446, 498, 696 Hácha, Emil 137, 139–140, 188, 509, 517, 569, 696–697 Hagn, Theoderich 504, 697 Haibach, Franz 296–297, 697 Haile Selassie I. 287, 697 Hainisch, Michael 65, 697 Halder, Franz 308, 353, 355, 360, 458, 469, 698 Halifax, Edward 88, 138, 141, 161, 165, 380, 514, 517, 698 Haller, Gustav 184, 698 Hammer-Purgstall, Arthur 210, 361, 395, 404, 698–699 Hammerschmid, Franz 171, 699 Hammerstein-Equord, Hans 159, 699 Hammerstein-Equord, Kurt von 195, 699 Hampel, Ernst 475, 700 Hanak, Anton 302, 700 Hanneken, Hermann 365, 429, 573, 700 Hans/Hansi siehe Wildner, Hans Hansen, Georg Alexander 466, 701 Harriman, William Averell 568, 701 Hartlieb, Wladimir 174, 701 Hassell, Ulrich von 317, 471, 702 Hasslacher, Franz 82, 702 Hauenschield-Bauer, Eugen 77, 97, 126, 131, 152, 191, 702–703 Hecht, Robert 372, 703 Hefter, Adam 385, 703 Heigl, Paul 336, 444, 566, 703 Hein, Gerhard 416, 704 Heinl, Eduard 109, 354, 454, 704 Heinrich I., ostfränkisch-deutscher König 383, 705 Heinrichsbauer, August 284, 553, 705 Helldorff, Wolf-Heinrich Graf 465, 705 Heller, Erich 91, 705–706 Hely, Pfarrer 377, 706 Hencke, Andor 384, 706 Henderson, Nevile 114, 120, 138–139, 171, 179, 181–182, 195, 531, 706 Henlein, Konrad 68, 95–97, 99, 138, 204–205, 253–255, 294, 346, 412, 501–502, 507, 569, 707 Hennecke, Walter 458, 707 Hennet, Leopold 342, 366, 414, 416, 441, 482, 707–708 Herdegen, Rechtsanwalt 264, 708

Herdegen, Ehefrau 264, 708 Herrmann, Hans-Joachim 442, 708 Herz, Frau 433, 708 Herzfeld, Emmerich 123, 174, 708–709 Heß, Rudolf 77, 118, 184, 273–274, 276, 332, 550, 709 Hessen, Philipp Prinz von 134, 709 Heuritsch, Josef 236, 709–710 Hewel, Walther 216, 710 Heydrich, Reinhard 297, 333–335, 337, 531, 555, 557, 560, 564–565, 710 Hilbert, Egon 301, 711 Hilgenreiner, Karl 45–46, 711 Himmelreich, Josef 406, 711 Himmler, Heinrich 177, 184, 202, 205, 289, 291, 298, 308, 317, 323–324, 327, 332, 334–335, 340, 364–365, 405, 407, 433, 451, 468, 487, 490, 539, 567, 593, 712 Hindenburg, Oskar von 318, 712 Hindenburg, Paul von 132, 210, 318, 409, 712 Hintze, Paul von 409, 713 Hiranuma, Kiichirō 180, 525, 713 Hitler, Adolf passim, 713 Hlavac, Friedrich 242, 713–714 Hlavac, Wolfgang 242, 714 Hlinka, Andrej 137, 517, 596, 714 Hoare, Samuel 154, 714 Hodža, Milan 96, 101, 507, 509, 714–715 Hoepner, Erich 332, 464, 715 Hofer, Franz 178, 234, 715 Hoffinger, Maximilian 51, 58, 60, 71, 83, 98, 103, 107, 111, 122, 146, 154, 359, 715–716 Hoffmann, Josef 264, 335, 716 Hohenberg, Familie 227, 716 Hohenberg, Ernst 45, 229, 716 Hohenberg, Maximilian 67, 203, 229, 487, 716–717 Hohenlohe-Schillingsfürst, Alfred 428, 717 Hohenlohe-Schillingsfürst, Philipp 350, 717 Hohenlohe-Waldenburg, Stéphanie 261, 717 Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst-Kaunitz, Vera 67, 717 Hold-Ferneck, Alexander 221, 323, 337, 493, 717–718 Holenia, Rudolf 251, 718 Hollnsteiner, Johannes 163, 278, 291, 718 Hoover, Herbert Clark 56, 719

Personenregister Horáček, František 297, 719 Horaz 156, 719 Horcher, Otto 264, 719 Hore-Belisha, Leslie 209, 719–720 Horicky, Alexander 130, 720 Horicky, Alfred 130, 720 Horicky, Ernst 109, 130, 225, 238, 720 Horicky, Hertha 225, 720 Hornbostel, Fritz 71, 720 Hornbostel, Theodor 24, 29, 43–44, 46, 49–53, 57–60, 65, 67, 71, 85, 93, 134, 154, 163, 243, 260, 359, 395, 413, 416, 438, 452, 720–721 Hornung, Konrad 165, 721 Horthy, István 322, 483, 721 Horthy, Magdolna 284, 483, 721–722 Horthy, Miklós 140–141, 144, 284, 322, 439, 441, 462, 480–483, 550, 586, 591, 594, 596, 722 Horthy, Miklós jun. 481, 483, 722 Houdek, Alois 383, 722 Houdek (Houdková), Marianne 383, 722 Huber, Franz Josef 273, 722–723 Huber, Otto 199, 352, 723 Hudeczek, Carl 28–29, 63, 69, 74, 78, 81, 86–87, 98, 102, 124–125, 134, 148, 169, 235, 265, 282, 303, 339, 344, 386, 392–393, 404, 462, 468, 477–478, 492–493, 723–724 Hudeczek, Margarete 170, 724 Hudl, Paul 90, 724 Hueber, Paula 134, 724 Hull, Cordell 423, 724 Hurban, Vladimír 140, 724 Hurter, Friedrich Emanuel von 356, 725 Illing, Paul 293, 725 Imrédy, Béla 73–74, 79–80, 107–108, 116–118, 126, 321, 462, 725 Inama-Sternegg, Hans 44, 726 Inama-Sternegg, Johann 44, 120, 203, 263, 315, 382, 726 Inama-Sternegg, Marie Henriette 315, 726 In der Maur, Gilbert von 476, 726 Innitzer, Theodor 60, 62–63, 75, 81, 105–106, 109, 117, 166, 278, 317, 327, 406, 434, 454, 473, 500–502, 504, 509–510, 561, 563, 580, 726–727 İnönü, İsmet 418, 727 Inskip, Thomas Walker 138, 727

953

Jäckl, Hugo 72, 199, 728 Jäger, Frau 43, 728 Jagow, Dietrich von 417–418, 728 Jakoncig, Guido 354, 729 Jakoncig, Ehefrau 354, 729 Jansa, Alfred 46, 49, 52, 54–55, 498, 729 Jansa, Rudolf 384, 729–730 Jasser, Manfred 232, 538, 730 Jauner-Schrofenegg, Johann 62, 93, 406, 730 Jireček, Konstantin 403, 730 Jodl, Alfred 419, 730–731 Johst, Hanns 467, 731 Jorda, Ivo 78, 731 Jovanović, Slobodan 392, 732 Jung, Philipp Wilhelm 252, 353, 732 Jünger, Ernst 382, 576, 732 Jungwirth, Margarethe 11, 732 Jury, Hugo 228, 234, 251, 338, 447, 449, 478, 567, 732–733 Juvenal 156, 733 Kaganovič, Lazar M. 207, 733 Kállay, Miklós 320–321, 393, 439, 562, 733–734 Kaltenbrunner, Ernst 228, 277, 331, 734 Kaltenbrunner, Rosa Kandie 345, 734 Kánya, Kálmán 56, 64, 74, 93, 107, 117, 734 Karl siehe Wildner, Karl Karl I., Kaiser 447, 531, 734–735 Karmasin, Franz 136, 735 Károlyi, Gyula Graf 348, 735 Karwinsky, Carl 439, 735–736 Kasche, Siegfried 283, 303, 354, 387, 418, 425, 477, 736 Kassner, Rudolf 172, 736 Kästner, Erich 10, 32, 35–36, 736 Kaufmann, Else 195, 736 Kaufmann, Günter 242–243, 737 Kaufmann, Karl Otto 195, 737 Keitel, Wilhelm 50, 52, 275, 308, 313, 317–318, 354, 360, 410, 737–738 Keller, Alfred 398, 738 Kenworthy, Joseph 163, 738 Keppler, Wilhelm 55, 58, 67, 71, 125, 130, 328– 329, 738 Keresztes-Fischer, Lajos 110, 117, 739 Kerrl, Hanns 291, 307, 739 Keyserling, Arnold Graf 224, 739

954

Anhang

Kienböck, Viktor 36, 45, 48, 53, 56, 185, 200, 208–209, 211, 213, 225–226, 238, 277–278, 305, 321, 355, 358, 364, 368, 388, 408, 739–740 Killinger, Manfred von 266, 303, 462, 740 Kingsbury-Smith, Joseph 391, 740 Kink, Martin 29, 358, 740–741 Kirchholtes, Hans 127–128, 741 Kirigin-Mardegani, Cyrill 444, 447, 456, 741 Kirk, Alexander Comstock 240, 741 Kiss de Ittebe, Anton 143, 741–742 Klastersky, Wilhelm 114–115, 311, 352, 395, 512–513, 742 Klausner, Hubert 132, 171, 742 Kleinwächter, Ludwig 70, 154, 164, 224, 227, 231, 237, 258, 275, 324–325, 379–380, 390, 398, 401, 405, 434, 454, 474, 481, 482, 742–743 Kleist, Ewald von 305, 351, 743 Klemperer, Victor 9, 743 Kless, Anton 385, 389, 744 Klezl-Norberg, Eduard 94, 97, 108, 134, 158, 344, 434, 744 Klimann, Thomas 131, 744 Klinger, Ferdinand Karl 220, 744 Klop, Dirk 201, 530, 744–745 Kluge, Hans-Günther von 469, 745 Knaffl-Lenz, Alfons 92, 213, 745 Knaffl-Lenz, Yolanda 92, 745 Kniest, Wilhelm 161, 522, 745–746 Knips, Anton 111, 746 Knoll, Kurt 359, 746 Koenig, Helene 302, 746 Kohlruss, Rudolf 147, 277–278, 313, 380, 410, 746–747 Kolischer, Clemens Khan 301, 557, 747 Kollmann, Josef 66, 747 Koltschak, Alexander W. 427, 747 Körber, Diplomkaufmann 95, 748 Körner, Theodor 344, 354–355, 748 Köstring, Ernst-August 329, 748 Korwik, Otto 90, 749 Kothgasser, Anton 250, 749 Kozich, Thomas 315, 749 Kral, August 347, 490, 749–750 Kramer, Hans Georg 213, 750 Krasser, Robert 406, 750 Krausenecker, Adele 75, 750 Krauß, Alfred 479, 751

Krawarik, Johannes 106, 510, 751 Krawtschenko, Wiktor A. 443, 751 Krejčí, Ludvík 167, 751–752 Kriegk, Otto Hermann 360, 752 Kronholz, Robert 47, 752 Kubiš, Jan 337, 752 Küchler, Georg von 458, 752–753 Kuntze, Walter 299, 753 Kutschera, Franz 367, 753 Kvaternik, Eugen („Dido“) 387, 754 Kvaternik, Marija 282, 754 Kvaternik, Olga 387, 754 Kvaternik, Slavko 271, 282, 284, 298, 351, 354, 387, 548, 570, 754 La Guardia, Fiorello 136, 754–755 Lakatos, Géza von 480, 594, 755 Lamberg, Karl Othmar 350, 353, 755 Lamberg, Wilhelmine 350, 353, 755 Lammers, Hans Heinrich 109, 755–756 Lancken-Wakenitz, Oskar von 81, 756 Lanckoroński, Franziska Xaveria 497, 756 Lanckoroński, Karl 44, 497, 756 Lanckoroński, Margarethe 43, 756 Landfried, Friedrich Walter 244, 542, 756–757 Langenhan, Philipp 233, 757 Langer, Theodor 168, 757 Langoth, Franz 71, 73, 503, 757–758 Lanske, Eugen 180, 264, 758 Lasch, Karl 420, 758 Laube, Heinrich 352, 758–759 Laval, Pierre 242, 325–326, 333, 407, 542, 574, 580, 759 Lazar, Josef Hans 275, 759 Lebrun, Albert 451, 760 Ledebur-Wicheln, Familie 91, 760 Lederer, August 565, 760 Lederer, Serena 565, 760 Leeb, Wilhelm von 309–310, 458, 760 Leeper, Alexander Wigram Allen 493, 760–761 Leeper, Janet Christina 493, 761 Lehmann, Fritz 244, 761 Leitgen, Alfred 273, 761 Leitmaier, Markus 60, 761–762 Leitner, Karl 86, 762 Leludas, Paulos 116, 762 Lennkh, Albin 67, 762

Personenregister Leopold III., Fürst von Anhalt-Dessau 311, 763 Leopold III., König von Belgien 181, 198–199, 529, 763 Leopold, Josef 63, 71–72, 77, 79, 90, 96, 301, 763 Leschanofsky, Hannibal 69, 256, 483, 763 Levidel siehe Leludas Ley, Inga 170, 764 Ley, Robert 170, 188, 262, 308, 315, 324, 764 Liechtenstein, Johannes 245, 764 Liechtenstein, Maria Gabriella (Marizza) 245, 764 Lindgren, Astrid 35, 764–765 Lippe, Osterheldis 126, 765 Lippe, Viktor 126, 135, 152, 162, 765 Lipski, Józef 182, 765 List, Wilhelm 162, 259, 765–766 Litwinow, Maxim M. 89, 153, 766 Lloyd George, David 183, 766 Löhr, Alexander 228, 234, 340, 364, 766 Lorenz, Max 484, 766–767 Lovrenčević, Ivana 284, 767 Löw-Beer, August 238, 767 Löwenthal-Chlumecky, Max 121, 165, 187, 439, 767 Ludendorff, Erich 336, 409, 414, 767–768 Ludin, Hanns 266, 387, 477, 768 Ludwig II., König von Bayern 70, 768 Ludwig, Eduard 49, 59, 159, 180, 213, 240, 243, 405, 438, 475, 513, 541, 768–769 Ludwig, Marianne 213, 769 Ludwigstorff, Maria 435, 769 Lueger, Karl 279, 769 Lukov, Hristo 374, 769 Luther, Martin 266, 379, 386, 769–770 Lutze, Viktor 268, 770 Macchio, Karl 305, 424, 770 Maček, Vladko 269, 283, 387, 770–771 Maginot, André 196, 217, 226, 528, 771 Malinov, Aleksandăr P. 474, 771 Mandl, Josef 343, 345, 568, 771 Manoilescu, Mihail 234, 771–772 Manstein, Erich von 429, 772 Marek, Ferdinand 55, 65, 134, 232–233, 772 Marek, Hedwig 55, 233, 773 Marenzi, Ernestine 261, 773 Marenzi, Ludwig 67, 261, 773 Margarétha, Eugen 375, 773

955

Maria Annunziata von Neapel-Sizilien, Erzherzogin 445, 773 Maria Theresia, Königin von Ungarn und Böhmen 425, 774 Marin, Louis 67, 774 Marinelli, Giovanni 430, 774 Maronja, Offizier 466, 774 Mars, John 285, 554, 774–775 Martinek, Robert 457, 775 Marx, Wilhelm 372, 775 März, Josef 184, 775 Masaryk, Tomáš Garrigue 113, 124, 776 Massigli, René 229, 776 Mastný, Vojtěch 103, 776 Matsuoka, Yōsuke 268–269, 776 Matteotti, Giacomo 456, 777 Mauck, Paul 150, 777 Mauer, Otto 323, 777 Maurois, André 152, 197, 777 Mautner-Markhof, Familie 220, 777 Mautner-Markhof, Georg Heinrich 220, 778 Mautner-Markhof, Manfred 220, 778 Medinger, Wilhelm 382, 778–779 Meissner, Otto 134, 318, 779 Mell, Albert 147, 779 Menghin, Oswald 69, 76, 79, 779–780 Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein, Albert 72–73, 109, 130, 251, 379–380, 426, 437, 780 Merezkow, Kirill A. 209, 780 Messner, Franz Josef 435, 441, 781 Metaxas, Ioannis 250, 781 Metternich, Clemens 60, 152, 781 Metz-Randa, Otto 565, 781 Mihai I. (Michael), König von Rumänien 469, 782 Mihailović, Dragoljub 334, 455, 782 Miklas, Franz 384, 782 Miklas, Fritz 384, 782 Miklas, Leopoldine 71, 782 Miklas, Wilhelm 43, 59, 65, 199, 238, 281, 383– 384, 404, 500, 782–783 Miklas, Wilhelm jun. 384, 783 Milch, Erhard 260, 379, 783 Mitis, Oskar 213, 783 Model, Walter 469, 784 Mokry, Leodegar 82, 131, 784 Mölders, Annemarie 311, 784 Mölders, Werner 311, 784

956

Anhang

Molotow, Wjatscheslaw 177, 196, 217, 246, 273, 281–282, 543, 553, 784–785 Moltke, Hans Adolf Graf 382, 785 Mohn, Gottlob Samuel 250, 785 Monroe, James 227, 536, 785 Montel, Heinrich 249, 305, 785 Moravec, Emanuel 384, 785–786 Moravec, Emanuel Pavel 384, 786 Moravec, Igor 384, 786 Moravec, Jolana (Moravcová) 384, 786 Moravec, Jurij 384, 786 Morgan, Familie 398, 787 Morsey, Andreas 93, 191, 415, 787 Mörth, Karl 198, 787 Mortz, Charles (Karl) 598, 787 Mosing, Ernst 425, 787–788 Moszkowicz, Ludwig 277, 788 Much-Benndorf, Cornelie 276–277, 330, 788 Muff, Wolfgang 59, 73, 95, 788–789 Mühlmann, Kajetan 95, 371, 420–421, 789 Müller, Josef 132, 156, 267, 279, 310, 315, 317, 321, 330, 338, 343, 353, 360, 405, 426, 440, 467, 789 Müller, Ehefrau 310, 315, 789 Müller, Josef jun. 156, 790 Müller, Karl 342, 790 Müller, László 493, 790 Müller-Martini, Otto 245, 790 Multscher, Hans 421, 582, 790–791 Munk, Kaj 429, 791 Mussolini, Benito 69, 73–74, 96, 103, 111, 114, 118, 121, 126, 128, 130, 134, 144, 146, 148–149, 156–157, 166, 169, 174, 176, 182, 184, 187–188, 190–191, 197–198, 208, 216, 218, 221–222, 225, 229, 249, 256–257, 260, 268, 286, 303, 374, 393, 399–400, 410–412, 414, 416, 421–422, 430–431, 446–447, 460, 497, 514, 525, 532, 536–537, 541–542, 544–545, 547, 551, 553, 555, 563, 579–582, 584, 587, 591, 791 Müthel, Lothar 270, 791 Nagy, Vilmos 351, 791–792 Napoleon siehe Bonaparte Nebe, Arthur 465, 792 Nedić, Milan 432, 792 Neef, Hermann 63, 793

Neubacher, Hermann 72, 77, 105, 125, 153, 213, 252, 303, 398, 463, 476, 793 Neumayer, Rudolf 76, 212, 793–794 Neurath, Konstantin von 46, 48, 55–56, 140, 148, 165, 168–170, 175, 214, 297, 317, 517, 794 Nickl, Alfréd 245, 794 Nietzsche, Friedrich 296, 794–795 Nölle, Fritz 150, 795 Nygaardsvold, Johan 219, 795 Olbricht, Friedrich 464, 795 Oppenheimer, Felix 30, 114, 795 Orazi, Vezio 333, 796 Ornstein 238, 796 Orsenigo, Cesare 106, 531, 796 Orsini-Rosenberg, Felix 67, 72, 263, 796 Oser, Familie 27, 248, 796 Ōshima, Hiroshi 173, 338, 796–797 Osuský, Štefan 140, 797 Oettingen-Spielberg, Sophie 43, 797 Paasikivi, Juho Kusti 191, 797 Pacelli, Eugenio siehe Pius XII. Pacher-Theinburg, Heinrich 60, 78, 125–126, 797–798 Pacher-Theinburg, Margaretha 78, 798 Palairet, Michael 75, 798 Papen, Franz von 43, 49, 52, 56, 60, 94, 121, 151, 156, 167, 187–188, 191, 193, 281, 301, 317, 406, 426, 461, 467, 498, 550, 798–799 Papen, Martha von 43, 799 Pareschi, Carlo 430, 799 Parmentier, André 67, 799–800 Parsch, Pius 93, 507, 800 Paul (Pavle), Prinzregent von Jugoslawien 269, 548, 800 Paul-Boncour, Joseph 129, 800 Paulitsch, Michael 131, 800–801 Paulus, Friedrich 364, 371–372, 573–574, 801 Pavelić, Ante 235, 271, 275, 283–284, 298, 350, 432, 462, 477, 553, 570, 801 Pavelić, Maria 284, 801 Pavolini, Alessandro 225, 802 Pawel-Rammingen, Manfred 198, 802 Pawlikowski, Ferdinand 512, 802 Pawlowski, Jertha Georgine 92, 802 Pawlowski, Wladimir 92, 234, 802–803

Personenregister Pejacevic 334, 803 Pernter, Hans 43, 56, 199, 434, 439, 484, 803 Pernter, Isabella 199, 484, 803 Pétain, Philippe 226, 256, 325, 370, 535–537, 542, 544, 580, 804 Peter II., König von Jugoslawien 267, 269, 392, 548, 804 Peter, Cornelia 165, 804 Peter, Franz Josef 66, 78, 86, 109, 132, 142, 158, 160, 165, 196, 210, 219, 242, 274, 302, 316, 335–336, 342, 384, 414, 452, 475–476, 493, 804–805 Peter, Ludwig 133, 160, 210, 805 Peter, Mercedes 210, 274, 805 Peter, Wilhelm 86, 133, 160, 274, 342, 805 Peter-Pirkham, Albert 395, 805 Peter-Pirkham, Otto 49, 64, 68, 76–77, 82, 89, 93–95, 104, 163, 805–806 Petschek, Hans 124, 514, 806 Petschek, Paul 124, 514, 806 Pfaundler, Richard 152–153, 806–807 Pfeifer, Walter 223, 807 Pfeiffer, Georg 457, 807 Pfliegler, Michael 248, 580, 807–808 Pflügl, Egon 79, 220, 534, 808 Phillips, William 240, 808 Phipps, Eric 136, 809 Pierlot, Hubert 485, 809 Piffl, Gustav 373, 809 Pilet-Golaz, Marcel 214, 809 Pilja, Milivoj 47, 810 Pintsch, Karlheinz 273, 810 Pirow, Oswald 120, 810 Pitreich, Maximilian 271, 549, 810 Pittman, Key 128, 810–811 Pius XI., Papst 93, 114, 132–133, 163, 277, 446, 811 Pius XII., Papst 9, 135, 147, 208, 215, 377, 394, 408, 428, 446–447, 468, 473, 517, 562, 580, 811 Planck, Max 242, 811 Planetta, Otto 50, 591, 811 Platzer, Wilfried 61, 301, 361, 811–812 Pleiger, Paul 328, 812 Ploennies, Hermann 221, 812 Pogatscher, Rudolf 72, 168, 188, 235, 259, 268, 284, 305, 415, 489, 812–813 Polja, Beamter 461, 813

957

Polja, jun. 461, 813 Polzer-Hoditz, Artur 229, 304, 314, 338, 373, 567, 813 Popitz, Johannes 472, 813 Porsche, Josef 205, 293, 814 Portschy, Tobias 234, 814 Pospischil, Friedrich 90, 169, 814 Possanner, Hans 90, 814 Potuschak, Familie 259, 814 Prochnik, Edgar 158, 815 Prochnik, Gretchen 80, 815 Proksch, Alfred 183, 194, 239, 815 Prüfer, Anneliese 66, 815 Prüfer, Curt 66, 92, 195, 816 Puaux, Gabriel 51, 816 Pückler-Burghauss, Carl-Erdmann Graf 437, 816 Puhl, Emil 368, 816–817 Pultar, Josef 130, 516, 817 Queipo, Gonzalo 171, 817 Querner, Rudolf 465, 817–818 Queuille, Henri 450, 818 Raab, Julius 52, 54, 818 Raczkiewicz, Władysław 392, 818–819 Radecki 44, 819 Rafelsberger, Walter 90, 819 Rainalter, Erwin Herbert 184, 819–820 Rainer, Friedrich 234, 367, 375, 820 Rappaport, Alfred 332, 457, 820 Rarkowski, Franz Justus 113, 512, 820–821 Rath, Ernst vom 112–113, 511, 821 Rath, Gebhard 10, 821 Ratti, Achille siehe Pius XI. Rátz, Jenő 79, 117, 821–822 Redlich, Josef 447, 822 Rehrl, Franz 292, 822 Reichenau, Walter von 52, 269, 309, 313–314, 323, 427, 458, 822 Reiner, Josef 132, 516, 822–823 Reinhard, Wilhelm 389, 823 Reinhold, Major 151, 823 Reinthaller, Anton 344, 823 Reisenleitner, Geschäftsinhaber 168, 824 Reither, Josef 96, 464, 824 Rendulic, Lothar 458, 824 Renner, Karl 23, 314, 501, 824–825

958

Anhang

Renthe-Fink, Cécil von 365, 825 Rentmeister, Walther 155, 825–826 Resch, Josef 278, 385, 826 Reynaud, Paul 226, 533, 535, 826 Ribbentrop, Joachim von 47–48, 52, 60, 65, 81, 107, 111–112, 118, 121, 128, 134–135, 141–142, 153, 170, 172, 177–178, 181–182, 188, 195–196, 200, 202, 215–217, 224–225, 231, 246, 261, 263, 268–269, 275, 277, 283–284, 300, 308, 313, 324, 329, 386–387, 430, 441, 447, 527, 529–530, 532, 543, 547, 551–553, 560, 826–827 Ribbentrop, Rudolf von 324, 827 Richert, Arvid 430, 827 Richter, Franz 62, 71, 828 Richter, Großindustrieller 254, 827 Richter, Rechtsanwalt 293, 827 Richthofen, Oswald von 81, 828 Richthofen, Wolfram von 340, 828 Riedl, Franz 418, 828–829 Riedl, Richard 22, 90, 99, 251, 439, 829 Riefenstahl, Leni 300, 829–830 Riehl, Walter 156, 830 Ries, Teresa Feodorowna 155, 521, 830 Rieth, Kurt 303, 475–476, 830–831 Rintelen, Anton 78, 91, 214, 831 Rischanek, Heinrich 199, 831 Ritter, Karl 108, 125, 170, 266, 430, 449, 831–832 Rizzi, Johann 228, 832 Roessler, Margarete 168, 832 Roessler, Rudolf 70, 168, 198–199, 220, 832–833 Rohan, Alain 428, 833 Rohan, Johanna 428, 833 Röhm, Ernst 332, 485, 511, 539, 564, 833 Rommel, Erwin 303, 309, 359, 370, 383, 389–390, 577, 833 Ronge, Maximilian 121, 834, Roosevelt, Franklin D. 150, 152, 215, 287, 369, 374, 390, 395–396, 555, 574, 578–579, 583, 834 Rosenberg, Alfred 104, 136, 174, 266, 276, 278, 283, 304, 317, 547, 550, 552, 555, 834 Rosenkranz, Lutz 279, 834–835 Rossee-Blaschko, Alfons 325, 563, 835 Rothe, Hilde 289, 835 Rothschild, Familie 267, 421, 566, 582, 835 Rothschild, Alphonse 335, 835 Rothschild, Nathaniel von 566, 835–836 Rott, Hans 190, 836

Ruber, Ignaz 129, 162, 172, 199, 208, 211, 214, 216, 221, 223, 225, 234, 239, 244, 251, 286, 291, 345, 349, 352, 376, 836 Ruber, Igo 221, 836 Rudolf, Karl 291–292, 406–407, 471, 478, 580, 836–837 Rukavina, Juraj 432, 837 Runciman, Walter 88, 91, 837 Rundstedt, Editha von 323, 837–838 Rundstedt, Gerd von 308–310, 319, 323, 325, 458, 481, 491, 838 Rupprecht von Bayern, Kronprinz 195, 838 Rust, Bernhard 245, 838 Rydz-Śmigły, Edward 187, 838–839 Sagoroff, Slawtscho 326, 839 Sailer, Johann Michael von 248, 839 Salata, Francesco 63, 261, 425, 839 Saracoğlu, Mehmet 392, 840 Sarandos, Dimitri 259, 840 Sargent, Orme 168, 840 Sarkotić, Stefan von 479, 840 Sauerwein, Jules 79, 840 Savoia, Maria Francesca di, Prinzessin 446, 841 Scavenius, Erik 365, 430, 573, 584, 841 Schacht, Hjalmar 121, 125, 127, 147, 170, 266, 472, 841 Schacht, Luise 127, 841–842 Schacht, Manci 127, 170, 842 Schäffer, Richard 99, 842 Scharizer, Karl 315, 320, 353, 464, 466, 842 Schdanow, Andrei Aleksandrovič 209, 861 Scheel, Gustav Adolf 344, 842–843 Scheliha, Rudolf von 382, 386, 576, 843 Scheptyzkyj, Andrej A. 479, 843 Schier, Benjamin 108, 114–115, 512, 843 Schiffner, Erhard 61, 98, 202, 844 Schilder, Maximilian 82, 844 Schilling, Franz 27, 249, 844 Schirach, Baldur von 26, 232, 234–235, 238–241, 243, 246–247, 251, 258, 263, 267, 284, 299, 301, 303, 316–317, 326, 331, 335, 344–345, 349, 353, 378, 380, 386, 388–389, 393, 421, 435, 459, 463, 472, 478, 487–488, 491, 538, 540–541, 543, 553, 558, 561, 563, 569, 577, 598, 844–845 Schirach, Henriette von 440, 845 Schittenhelm, Rudolf 294, 845

Personenregister Schleicher, Kurt von 233, 318, 539, 561, 845 Schleinitz-Prokesch, Nikolaus 339, 845–846 Schlieben, Karl-Wilhelm von 456, 458, 846 Schlosser, Karl 432, 846 Schlosser, Karl jun. 432, 846 Schmid, Alfred 66, 69, 88, 846–847 Schmid, Heinrich 81, 94, 135, 232, 244, 847 Schmid, Leopold 71, 77, 84, 94, 104–105, 194, 468, 847 Schmidt, Arthur 372, 848 Schmidt, Guido 43–46, 49–56, 59, 67–71, 74, 79, 114, 121, 123, 126, 131–132, 134, 154, 164–165, 168, 171, 199, 201, 232, 248, 264, 281, 317, 328, 352, 359, 367, 370–371, 407, 416, 433–435, 438–439, 452, 492, 499, 848 Schmidt, Hans 90, 848 Schmidt, Herbert 173, 848–849 Schmidt, Maria 164, 849 Schmidt, Paul-Otto 301, 849 Schmitt, Walther 115, 849 Schmitz, Bruno 291, 555, 850 Schmitz, Elisabeth Maria 203, 850 Schmitz, Ernst 291, 555, 850–851 Schmitz, Hans 14–15, 291, 555, 851 Schmitz, Martha 203, 851 Schmitz, Richard 14–15, 43, 51, 63, 65, 96, 291– 292, 385, 476, 555–556, 851–852 Schneeberger, Anna 285, 852 Schneeberger, Karl 209, 852 Schneeberger, Pius 285, 852 Schneider, Albert 89, 852 Schneider, Siegbert 242, 303, 852 Schober, Johannes 278, 380, 475, 853 Schödl, Leo 286, 853 Schoeller, Philipp Alois 220, 292, 312, 515, 853 Schoeller, Richard 220, 292, 854 Schön von Platen 386, 854 Schönaich, Franz Xaver 301, 557, 854 Schönburg 86, 854 Schönburg-Hartenstein, Ernestine 261, 854 Schönburg-Hartenstein, Johann 261, 854 Schöner, Josef 96, 855 Schönerer, Georg Ritter von 279, 380, 855 Schöningh, Almut 278, 855 Scholz, Roman 667, 761, 846, 856 Schröder, Hans 150, 856 Schubert, Albrecht 459, 856

959

Schulenburg, Friedrich Werner Graf von 329, 426, 856–857 Schüller, Richard 22, 29, 45–48, 61, 74, 87, 97, 123, 857 Schünemann, Otto 457, 857–858 Schumacher, Josef 203, 858 Schuschnigg, Artur Hermann 45, 858 Schuschnigg, Kurt 34, 43, 45–47, 49–54, 56, 59, 62–67, 71–72, 74, 78, 85, 91, 96, 111, 123, 136, 143, 163, 192, 198–199, 226, 238, 261, 281, 292, 301, 305, 313, 316–317, 328, 337, 352, 438, 448, 452, 497–500, 502, 552, 556, 858–859 Schuschnigg, Marianne 45, 859 Schuschnigg, Vera 54, 67, 78, 85, 292, 502, 556, 859 Schuster, Kaufmann 288, 859 Schuster, Leopold 449, 859 Schüttelt, Ministerialdirektor 211, 859 Schuwalow, Pëtr Andreevič 423, 860 Schwagula, Karl 60–61, 860 Schwanke, Robert 482, 860 Schwarzenberg, Familie 32, 232, 236, 540, 860 Schwarzenberg, Adolph 540, 860–861 Schwerin von Krosigk, Johann Ludwig 125, 266, 861 Schwinner, Alfred 89, 861 Sebekovsky, Wilhelm 100, 862 Seemann, Rudolf 47, 111, 134, 482, 862 Seidler, Friedrich Johann 225, 862 Seidler, Maria 225, 862–863 Seipel, Ignaz 25, 47, 58, 78, 198, 213, 278, 372, 475, 863 Seitz, Karl 344, 464, 475, 863 Seldte, Franz 239, 476, 595, 863–864 Serrano Súñer, Ramón 171, 246, 864 Seton-Watson, Robert William 70, 285, 554, 864 Seutter-Lötzen, Johann Adam 92, 864 Seydlitz (-Kurzbach), Walther von 424, 475, 864–865 Seyß-Inquart, Arthur 50, 53, 57, 59, 63, 65–66, 68, 70, 76, 86, 90–91, 94, 109, 123, 125–127, 130, 132, 155, 171, 188, 199, 208, 224, 250, 263, 281, 301, 318, 337, 378, 430, 499–500, 865 Seyß-Inquart, Gertrud 94, 130, 866 Shiratori, Toshio 173, 866 Sikitsch 427, 866 Sikorski, Władysław Eugeniusz 133, 398, 401, 866

Sima, Horia 261, 266, 545, 866–867 Simon, John Allsebrook 95, 133, 867 Simović, Dušan T. 269, 548–549, 867 Sinzinger, Adolf 436, 466, 867 Sizzo-Noris, Gustav 164, 193, 197, 208, 212, 222, 236, 239, 256, 261, 264, 267, 286–287, 289–291, 309, 315, 326, 337, 347, 350–351, 353, 363, 365–366, 373, 868 Składkowski, Felicjan Sławoj 144, 868 Skorzeny, Otto 415, 596, 868 Skubl, Michael 46, 869 Slameczka, Hellmuth 89, 869 Smolle, Kurt 341, 349, 869 Smuts, Jan Christiaan 425, 869–870 Soddu, Ubaldo 246, 870 Sommaruga, Heinrich 111, 280, 870 Sonnleithner, Franz 384, 870–871 Sosnkowski, Kazimierz 160, 871 Speer, Albert 440, 871 Spellman, Francis Joseph 380, 872 Sperrle, Hugo 308, 872 Spitzl, Bruno 130, 872 Spitzy, Hans 60, 872 Spitzy, Karl Hermann 60, 873 Spitzy, Reinhard 60, 202, 873 Spoleto, Aimone Herzog von Aosta und Spoleto 322, 873 Srbik, Heinrich 390, 577, 873–874 Stalin, Josef 35, 165, 167, 177, 273, 277, 282, 284, 286, 288, 374, 379, 424, 491, 524, 568, 574, 583, 874 Stamenov, Ivan 265, 874 Starace, Achille 116, 198, 287, 874–875 Starhemberg, Ernst Rüdiger 47, 122, 201, 213, 875 Starhemberg, Ernst Rüdiger sen. 47, 875 Starhemberg, Franziska 47, 875–876 Stauffenberg, Claus Schenk Graf von 461, 590, 876 Steengracht von Moyland, Gustav Adolf 384, 386, 430, 876 Steidle, Richard 47, 75, 238, 876–877 Stein zu Nord- und Ostheim, Otto von 60–61, 63, 66, 75, 81–82, 85–87, 92, 95–96, 100, 102, 112, 127, 216, 234, 300–301, 328–329, 877 Steinhausen, Wilhelm 44, 877 Steinhäusl, Otto 82, 87, 877–878

Steinwender, Angelus 406, 878 Stepan, Karl Maria 38, 56, 878–879 Stettinius, Edward Reilly Jr. 443, 879 Stevens, Richard Henry 200, 530, 879 Steyskal, Julius 190, 879 Stiasny 75, 879 Stimson, Henry Lewis 129, 880 Stockert, Fritz Lothar 72, 880 Stockinger, Friedrich 63, 69, 190, 880 Stohrer, Eberhard von 275, 880–881 Stojadinović, Milan 73, 113, 498, 881 Stolberg, Graf 201, 881 Strachwitz, Sigismund 373, 881 Strafella, Franz Georg 404, 881–882 Strasser, Gregor 200, 318, 882 Straubinger, Karl 339, 882 Strautz, Felix 268, 883 Streccius, Alfred 309, 883 Strecker, Karl 372, 883 Streeruwitz, Ernst 200, 440, 884 Streeruwitz, Margarete 440, 884 Stricker 344, 884 Strobl, Karl Hans 109, 215, 884 Strobl, Ludwig 438, 884–885 Strzygowski, Josef 393, 885 Stuckart, Wilhelm 407, 885–886 Stülpnagel, Carl-Heinrich von 481, 563, 886–887 Stülpnagel, Joachim Fritz Constantin von 195, 887 Stülpnagel, Otto Edwin von 234, 563, 887 Stümpfl, Heinrich 344, 436, 544, 887–888 Stürgkh, Karl Georg 338, 567, 888 Sucher, Arnold 131, 888 Sueton, Gaius Tranquillus 324, 889 Swoboda, Ernst 457, 889 Syrový, Jan Bohumír 101, 141, 509, 889 Szálasi, Ferenc (Franz) 144, 480, 482, 490, 504, 596, 889–890 Sztójay, Döme 462, 586, 594, 890 Tabouis, Geneviève 152, 415, 890 Tacitus, Cornelius 324, 890 Tamaro, Attilio 408, 891 Tardieu, André 154, 409, 891 Tauschitz, Stephan 55–56, 123, 317–318, 367, 370, 372, 375, 379, 891–892 Tavs, Leopold 126, 132, 155, 892

Personenregister Teleki, Pál Graf 135, 141, 270, 518, 548, 892 Temple, William 191, 892–893 Terboven, Josef 365, 893 Teschemacher, Margarete 484, 893 Thierack, Otto Georg 346, 569, 893 Thomsen, Hans 365, 893–894 Thun und Hohenstein, Oswald Graf 445, 894 Thurn-Valsassina, Georg 201, 894 Timoschenko, Konstantinowitsch 364, 491, 894–895 Tiso, Jozef Gašpar 142, 266, 387, 517, 596, 895 Tito, Josip 432, 573, 577, 895 Todt, Fritz 222, 245, 895–896 Toggenburg, Heinrich 289, 896 Tomanek, Gertrude 345, 896 Toussaint, Rudolf 394, 896 Trautmann, Oskar Paul 247–248, 897 Trauttmansdorff, Maximilian Karl 369, 897 Troll, Wolfgang 193, 456, 897 Troll-Obergfell, Herbert 77, 92, 274, 897–898 Tschurtschenthaler, Ignaz 131, 898 Tsouderos, Emmanouil 392, 898 Tuchatschewski, Michail 205, 899 Turner, Richard 53, 85, 899 Turnwald, Gottfried 38, 402, 899 Turnwald, Rudolf 124, 294, 899 Twardowski-Skrzypna, Juliusz von 160, 236, 899–900 Udet, Ernst 304, 316, 561, 900 Ugron, Gábor 474, 900 Uiberreither, Siegfried 234, 900–901 Umberto II., Kronprinz von Italien 198, 417, 901 Undén, Ulf Torsten 65, 72, 901 Urbas, Emanuel 63–64, 74, 93, 98, 143–144, 149, 159, 165, 187–188, 191, 193, 217, 232, 241, 245, 324, 402, 433, 484, 901–902 Urbšys, Juozas 142, 902 Valera, Éamon de 133, 902 Van der Elst, Joseph 204, 902 Van der Straten-Ponthoz, Alexander 79, 902 Van der Venne, Arnold 383, 903 Van Haersma de With, Hendrik Maurits 200, 903 Van Weede, Marc Willem 468, 903 Vaugoin, Carl 65, 165, 903

961

Veesenmayer, Edmund 283, 316, 449, 462–463, 903–904 Veitschberger, Andreas 214, 904 Verdross-Drossberg, Alfred 336–337, 371, 904 Vermeer, Jan 99, 303, 305, 421, 508, 558, 582, 904 Versbach-Hadamar, Dorothea 78, 905 Versbach-Hadamar, Edwin 78, 905 Versbach-Hadamar, Lydia 78, 905 Veverka, Frau 116, 905 Viator siehe Seton-Watson, R. W. Victoria, Königin von Großbritannien 251, 905 Vieli, Peter 381, 906 Viest, Rudolf 477, 906 Viktor Emanuel III., König von Italien 114, 134, 208, 222, 225, 287, 374, 399–400, 412, 417, 446, 532, 906 Villáni, Ludwig von 134–135, 906–907 Virág, Ferenc 80, 907 Vojta, Hugo 297, 907 Völckers, Paul 457, 907 Vollgruber, Alois 43, 65, 74, 88, 93, 100, 131, 134, 328, 907–908 Voss (Voß), Wilhelm 90, 328, 908 Wabinger 214, 908 Wächter, Otto 88–91, 95, 98, 118, 145, 178, 194, 236, 420, 908–909 Waggerl, Karl Heinrich 450, 587, 909 Wagner, Adolf 296, 347, 909 Wagner, Josef 66, 909 Wagner, Richard 446, 910 Waihs, Erwin (Vinzi) 238, 257, 344, 910 Waihs, Erwin jun. 257, 910 Waitz, Sigismund 63, 292, 910 Wallenberg-Pachaly, Edzard von 61, 81, 910–911 Walter, Paul 264, 911 Wassermann, Verwalter 279, 911 Watzek, Josef 357, 911 Weber, Johann 449, 911–912 Weidlinger 417–418, 912 Weidt, Lucie 382, 912 Weinbacher, Jakob 199, 291, 912 Weinczierl, Johann 456, 912–913 Weinheber, Josef 286, 913 Weiss, Familie 462, 591, 913 Weizsäcker, Ernst von 60, 100, 134, 170, 206, 384, 386, 531, 913

962

Anhang

Welles, Benjamin Sumner 129, 216, 533, 913 Werthmann, Georg 113, 512, 913–914 Wessel, Horst 151, 289, 520, 914 Wessenberg, Familie 265, 914 Weygand, Maxime 223, 914 Widmann-Mathes, Walter 435, 914–915 Wiedemann, Fritz 88, 289, 298, 915 Wiegand, Karl Henry von 227, 915 Wiehl, Emil 266, 915 Wieshofer, Fritz 317, 915–916 Wiesner, Friedrich 124, 144, 229, 363, 537, 916 Wildenauer, Alois 199, 916 Wildgans, Friedrich 244, 916–917 Wildmann, Karl 108, 164, 917 Wildner, Adele (Adi) 19, 38, 104, 159, 917 Wildner, Adelheid 19, 917 Wildner, Alfred (Fred) 19, 37, 85, 92, 259, 273, 294–295, 316, 359, 412–413, 415, 423, 425, 441, 443, 481, 917 Wildner, Claire (Klara) 19, 292–293, 917 Wildner, Clarissa (Klarissa Susanna) 276, 356, 918 Wildner, Clemens Josef 10–11, 19, 37, 117, 159– 160, 173–174, 176, 195, 207, 231, 233, 237, 253, 276, 313, 325, 330, 356, 361, 365, 372, 379, 393, 405, 413, 417, 435, 465, 918 Wildner, Elisabeth (Else) 324, 918 Wildner, Hans (Johann) 19, 38, 61, 69, 73, 79–80, 93, 104, 106, 112, 114, 119, 122, 126, 150, 152, 156–157, 167–168, 174, 187, 189, 194, 206, 210, 241, 249, 918–919 Wildner, Hans (Hansi) 38, 82, 85, 129, 212, 255, 300, 302, 332, 338, 348, 351, 382, 427, 451, 457, 461, 493, 919 Wildner, Hedwig 207, 237, 919 Wildner, Heinrich sen. 19, 919 Wildner, Karl 14, 19, 61–62, 84–85, 113, 151, 155, 157, 172, 174, 189, 194–195, 203, 218, 223, 262–263, 281, 284, 286, 305–306, 308–309, 312–314, 320–321, 330, 332–333, 340–341, 349, 352, 356, 358, 360, 363, 365, 369, 373, 376, 394, 399–400, 419–421, 426, 434, 440, 449, 451, 460–461, 471, 488, 490, 919 Wilhelm II., deutscher Kaiser 224, 381, 535, 919 Wilhelm, Prinz von Preußen 224, 919–920 Wilhelm, Kronprinz von Preußen 224, 920 Wilhelm-Heininger, Paul 74, 920

Wilhelmina, Königin der Niederlande 181, 198, 200, 468, 529, 535, 920 Willfort, Felix 86, 90, 112, 920–921 Wilson, Horace 102, 921 Wimmer, Friedrich 88, 199, 921 Wimmer, Lothar 47, 73, 81, 83, 116, 168–169, 921–922 Wimmer, Maria 116, 922 Windisch-Graetz, Prinzessin 264, 922 Windisch-Graetz, Franz-Josef 47, 922 Winkler, Wilhelm 101, 509, 922 Winschuh, Josef 397, 922–923 Winter, Eduard 291, 923 Winter, Ernst Karl 344, 923–924 Winter, Hanns 78, 477, 924 Winterstein, Paul 55, 108, 114, 176, 209, 238, 924 Winterstein, Robert 220, 227, 925 Witzleben, Erwin von 307, 559, 925 Wlassow, Andrei A. 597, 925 Woermann, Ernst 202, 328, 384, 386, 926 Wohlthat, Helmuth 140, 142, 144, 171, 926 Woinovich, Peter 78, 926 Wolf, Wilhelm 51, 59–60, 62–64, 66–76, 79, 82, 86, 91, 125, 153, 163, 171, 406–407, 927 Wolff, Paula 89, 927 Wolfram, Aurel 244, 927 Woloschyn, Awgustyn 138, 518, 927–928 Wolsegger, Ferdinand 145, 184, 211, 928 Wunder, Ernest 364–365, 429–430, 928 Wurzian, Eugen 72–73, 79, 95, 108, 140, 151, 153, 162, 187, 193, 198, 206, 210, 220, 233, 245, 247, 256, 261, 312, 315–316, 337, 346–348, 353, 360, 371, 374, 395, 928–929 Wurzian, Margarethe 315, 337, 360, 371, 395, 929 Zacherl, Familie 459, 590, 929 Zankov, Alexander 477, 929 Zehner, Wilhelm 55, 58, 64, 227, 929–930 Zeileis, Friedrich G. 274, 930 Zeitzler, Kurt 465, 930 Zelburg, Franz 169, 930–931 Zerdik, Johann 231, 931 Zernatto, Guido 56, 75, 143, 190, 352, 518, 931 Zernatto, Riccarda 190, 931–932 Zogu, Ahmet, König von Albanien 143, 520, 932 Zogu, Geraldine 143, 932

Abkürzungsverzeichnis AA Auswärtiges Amt Abs. Absolvent Abt. Abteilung a. D. außer Dienst AEG Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft AG Aktiengesellschaft ao. außerordentlich Art. Artikel AVA Allgemeines Verwaltungsarchiv BBV Berufsbeamtenverordnung Bearb. Bearbeitung bev. bevollmächtigt BG Bezirksgericht BKA Bundeskanzleramt bzw. beziehungsweise ca. circa CA Creditanstalt CDU Christlich Demokratische Union (Deutschland) ChP Christlichsoziale Partei CIC Counter Intelligence Corps (US-Spionageabwehrkorps) Co Compagnon csl. christlichsozial CV Cartellverband DAF Deutsche Arbeitsfront DAP Deutsche Arbeiterpartei (Vorläuferorganisation der NSDAP) DDP Deutsche Demokratische Partei DDR Deutsche Demokratische Republik DDSG Donaudampfschifffahrtsgesellschaft d. h. das heißt Dipl.-Brau-Ing. Diplom-Brauingenieur Dipl.-Chem. Diplom-Chemiker Dipl.-Ing. Diplomingenieur Dipl.-Ing. agrar. Diplom-Agraringenieur Dipl.-Kfm. Diplomkaufmann Dipl.-Volksw. Diplom-Volkswirt

964

Anhang

d. J. diesen Jahres dkg Dekagramm d. M. des Monats DnP Deutschnationale Partei do. dortige DÖW Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands Dr. h. c. Doctor honoris causa Dr.-Ing. Doktoringenieur Dr. jur. (Dr. iur.) Doctor iuris Dr. jur. can. Doctor juris canonici Dr. med. Doctor medicinae Dr. med. dent Doctor medicinae dentariae Dr. mont. Doctor rerum montanarum Dr. nat. techn. Doctor rerum naturalium technicarum Dr. oec. publ. Doctor oeconomiae publicae Dr. phil. Doctor philosophiae Dr. rer. nat. Doctor rerum naturalium Dr. rer. oec. Doctor rerum oeconomicarum Dr. rer. pol. Doctor rerum politicarum Dr. techn. Doctor technicae Dr. theol. Doctor theologiae EAM Ethnikó Apelevtherotikó Métopo (Nationale Befreiungsfront Griechenlands) ehem. ehemalig E. K. I. Eisernes Kreuz I. Klasse E. K. II. Eisernes Kreuz II. Klasse ELAS Ellinikós bzw. Ethnikós Laikós Apelevtherotikós Stratós (Griechische Volksbefreiungsarmee) ERP European Recovery Program f. folgend Fa. Firma FDP Freie Demokratische Partei (Deutschland) finn. finnisch Flak Flugabwehrkanone FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs Frs. Francs g Gramm GD Generaldirektion GdP Großdeutsche Partei GdVP Großdeutsche Volkspartei

Abkürzungsverzeichnis

965

geb. geboren(e) Ges. Gesandter GESIBA Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft Gestapa Geheimes Staatspolizeiamt Gestapo Geheime Staatspolizei GK Generalkonsul GmbH, GesmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GÖC Großeinkaufsgesellschaft österreichischer Consumvereine GPU (OGPU) Objedinjonnoje gossudarstwennoje polititscheskoje uprawlenije (Vereinigte staatliche politische Verwaltung) HJ Hitlerjugend Hptm. Hauptmann HR Hofrat Hrsg. Herausgeber HSSPF Höherer SS- und Polizeiführer i. im IG, I. G. Interessensgemeinschaft i. k. W. in kurzem Wege Ing. Ingenieur i. R. im Ruhestand Jr., jun. Junior K Kronen Kč Tschechische Krone KdF, K.D.F. Kraft durch Freude Kl. Klasse km Kilometer Komintern Kommunistische Internationale, III. Internationale Koop. Kooperator KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KPÖ Kommunistische Partei Österreichs k. u. k. (k. k.) kaiserlich und königlich (kaiserlich-königlich) KZ Konzentrationslager Leg. Rat Legationsrat Leg. Sekr. Legationssekretär Lkw Lastkraftwagen l. M. laufenden Monats L. R., LR Legationsrat m Meter M Mark Mag. pharm. Magister pharmaciae

966 MÁVAG

Anhang

Magyar Királyi Állami Vas-, Acél- és Gépgyárak, kurz MÁVAG (Königlich Ungarische Staatliche Eisen-, Stahl- und Maschinenfabriken) MI6 Military Intelligence, Section 6 Min. Dir. Ministerialdirektor Min. Dirigent Ministerialdirigent MR, Min. Rat Ministerialrat MR Major NATO North Atlantic Treaty Organization NÖ Niederösterreich Nr. Nummer NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt o. ordentlicher ÖBB Österreichische Bundesbahnen OBE Order of the British Empire OEEC Organisation for European Economic Co-Operation Okt. Oktober OKW Oberkommando der Wehrmacht OÖ Oberösterreich OSB Ordo Sancti Benedicti (Orden des heiligen Benedikt) ÖStA Österreichisches Staatsarchiv österr. österreichisch ÖVP Österreichische Volkspartei PEN Autorenverband (Poets, Essayists, Novellists) Pf. Pfennig Pg. Parteigenosse (Mitglied der NSDAP) PÖM Partei der österreichischen Monarchisten Prof. Professor RAK Rechtsanwaltskammer Ravag Radio-Verkehrs-Aktiengesellschaft Reg. Rat Regierungsrat RM Reichsmark Rpf. Reichspfennig R. R. Regierungsrat RSHA Reichssicherheitshauptamt S Schilling S. Seite SA Sturmabteilung SD Sicherheitsdienst (der SS)

Abkürzungsverzeichnis

SdP, SPÖ

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Sozialdemokratische Arbeiterpartei bzw. Sozialistische Partei Österreichs Sekt. Chef Sektionschef Sen. Senior Sept. September SOE Special Operations Executive (britische Spezialeinsatztruppe) SS Schutzstaffel St. Sankt STUAG Straßenbau-Unternehmung AG Stuka Sturzkampfflugzeug stv. stellvertretend t Tonne TGM Technologisches Gewerbemuseum TNT Trinitrotoluol (Sprengstoff) u. a. unter anderem UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Sowjetunion UNICEF United Nations International Children’s Emergency Fund Uni/Univ. Universität Univ.-Doz. Universitätsdozent Univ.-Prof. Universitätsprofessor UNO United Nations Organization UNRRA United Nations Relief and Rehabilitation Administration US United States USA United States of America usw. und so weiter v. von V 1, V 2 Vergeltungswaffe  1 bzw. 2 V. B. Völkischer Beobachter VF Vaterländische Front vgl. vergleiche v. J. vorigen Jahres v. M. vergangenen Monats Wpol Wirtschaftspolitische Abteilung Wr. Wiener z. B. zum Beispiel ZK Zentralkomitee Zl. Zahl