Heil den Gerechten - Unheil den Sündern!: Ein Beitrag zur Theologie der Prophetenbücher [Reprint 2011 ed.] 3110143763, 9783110143768

In der Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (BZAW) erscheinen Arbeiten zu sämtlichen Ge

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Heil den Gerechten - Unheil den Sündern!: Ein Beitrag zur Theologie der Prophetenbücher [Reprint 2011 ed.]
 3110143763, 9783110143768

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
1. Hauptteil. Textuntersuchungen
1. Heil für die Gerechten nach der eschatologischen Vernichtung der Sünder
1.1. Im Kontext von Unheilsankündigungen
1.2. Im Kontext von Heilsankündigungen
1.3. Im Kontext von Unheils- und Heilsankündigungen
2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen
2.1. Die Applikation der Lehre vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder auf eine konkrete historische Situation
2.2. Die Loslösung eines Prophetenwortes von seiner ursprünglichen historischen Situation durch die Lehre vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder
2. Hauptteil. Ergebnis
1. Die Verwendung des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten bei den Propheten
1.1. Zusammenfassende Darstellung der Texte
1.2. Die argumentative Absicht der Propheten
1.3. Die Propheten als theologische Denker
1.4. Zur Geschichte der Prophetie
2. Die Verwendung des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten bei den Redaktoren der Prophetenbücher
2.1. Heil für die Gerechten nach der eschatologischen Vernichtung der Sünder
2.2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen
3. Zur Theologie der Prophetenbücher
3.1. Die Intention der Redaktoren
3.2. Der Stellenwert der redaktionellen Zusätze
3.3. Die Redaktoren als kreative Interpreten
3.4. Zur Bedeutung der Redaktoren für den Prozeß der Kanonentstehung
3.5. Mögliche Situationen früher Applikation der redaktionell überarbeiteten Texte
3.6. Zu den Wurzeln der Apokalyptik
Zusammenfassung
Zur Darstellung der Schichten in den Übersetzungen
Zu Umschrift, Zitierweise und Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Register

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Klaus Koenen Heil den Gerechten — Unheil den Sündern!

W DE G

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Otto Kaiser

Band 229

Walter de Gruyter · Berlin · New York

1994

Klaus Koenen

Heil den Gerechten — Unheil den Sündern! Ein Beitrag zur Theologie der Prophetenbücher

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1994

© G e d r u c k t auf säurefreiem Papier, das die U S - A N S I - N o r m über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — ClΡ

-Einheitsaufnahme

[Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft / Beihefte] Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. — Berlin ; N e w York : de Gruyter. Früher Schriftenreihe Fortlaufende Beil. zu: Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft NE: H S T Bd. 229. Koenen, Klaus: Heil den Gerechten — Unheil den Sündern! - 1994

Koenen, Klaus: Heil den Gerechten — Unheil den Sündern! : Ein Beitrag zur T h e o l o g i e der Prophetenbücher / K l a u s Koenen. — Berlin ; N e w York : de Gruyter, 1994 (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft ; Bd. 229) Z u g l . : Bonn, Univ., Habil.-Schr., 1994 ISBN 3-11-014376-3

I S S N 0934-2575 ©

C o p y r i g h t 1994 by Walter de G r u y t e r & Co., D-10785 Berlin.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. J e d e Verwertung a u ß e r h a l b der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für V e r v i e l f ä l t i g u n g e n , Übersetzungen, M i k r o v e r f i l m u n g e n und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in G e r m a n y D r u c k : Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: L ü d e r i t z & B a u e r - G m b H , Berlin

Meinem Lehrer Hans-Jürgen Hermisson als Zeichen des Dankes

Vorwort Die vorliegende Untersuchung entstand in den Jahren 1988-1992 und wurde von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn im Wintersemester 1993/94 als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck wurde sie leicht überarbeitet. Mein Dank gilt zunächst den Herrn Professoren Dr. H. Seebass und Dr. W. H. Schmidt. Sie haben meine Arbeit in regelmäßigen Gesprächen durch Kritik und Anregungen begleitet sowie die Gutachten erstellt. Für mancherlei Gespräche, Hinweise, fruchtbare Diskussionen, Hilfe bei den Korrekturen etc. bin ich einer Reihe von Freunden, Kollegen sowie (ehemaligen) Bewohnerinnen und Bewohnern des Hans-Iwand-Hauses dankbar: Stefan Beyerle, Annette Böckler, Alexander Ernst, Christian Frevel, Dr. Axel Graupner, Christian Hohl, Christof Jochem, Gudrun Liedtke, Vera Lohrmann, Albrecht Martins, Prof. Dr. M. Oeming und insbesondere Dr. Klaus Grünwaldt. Schließlich gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. O. Kaiser, der die Untersuchung in die BZAW-Reihe aufgenommen hat. Widmen möchte ich die Arbeit meinem Lehrer, Herrn Prof. Dr. H.-J. Hermisson. Ihm verdanke ich viel! Zunächst das, was man seinem Lehrer üblicherweise verdankt. Viel wichtiger, weil keineswegs selbstverständlich, ist mir jedoch etwas anderes: Herr Hermisson hat mir in seinem Umgang mit Student(inn)en und Mitarbeiter(inne)n gezeigt, daß eine universitäre Existenz auch frei von akkademischen Eitelkeiten möglich ist. Seine selbstverständliche Bescheidenheit, die den anderen - auch den durchgefallenen Hebraicumskandidaten - als Menschen ernst nimmt, sowie seine Offenheit und Toleranz, die, ohne in Beliebigkeit zu verflachen, von dem Bewußtsein getragen sind, daß wir alle nicht im "Schauen" leben, waren für meine Entscheidung, über das Examen hinaus an der Universität zu bleiben, von großer Bedeutung. Bonn, im Februar 1994

Klaus Koenen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Einleitung

VII l 1. Hauptteil Textuntersuchungen

1. Heil für die Gerechten nach der eschatologischen Vernichtung der Sünder

9

1.1. Im Kontext von Unheilsankündigungen

9

Am 9,7-10

9

Jes 29,17-21

18

Zeph 2,1-3.4-7.8-11; 3,11-13

22

Ez 20,32-38

42

Mal 3,13-21

52

1.2. Im Kontext von Heilsankündigungen

67

Ez 34,17-22

67

Jer 30,23-24

76

Jes 56-66

79

1.3. Im Kontext von Unheils- und Heilsankündigungen

. . . .

89

Jes 1,27-28

89

Jes 25,1-5; 26,1-6; 26,7-12

93

Jes 33,7-16

117

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

124

2.1. Die Applikation der Lehre vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder auf eine konkrete historische Situation

124

χ

Inhaltsverzeichnis

Das Buch Habakuk

124

1. Die Schichtung des Buches 1.1. Zu Hab 1 1.2. Zu Hab 2 1.3. Zu Hab 3 2. Der Aufbau des Buches 2.1. Die Grundschicht 2.2. Das Habakukbuch nach der exilischen Überarbeitung. 3. Das Motiv vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten . 3.1. Die Grundschicht 3.2.

Das Habakukbuch nach der exilischen Überarbeitung.

.

131 132 139 141 146 146 . 156 . 157 157 . 163

Nah 1,2-8 165 Ez 14,12-23; 9,1-11 169 Ez 18; 33,10-20 175 2.2. Die Loslösung eines Prophetenwortes von seiner ursprünglichen historischen Situation durch die Lehre vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder 184 2.2.1. Im Kontext von Unheilsankündigungen 184 Jes 3,10-11 184 Jer 17,5-8 189 2.2.2. Im Kontext von Heilsankündigungen 200 Jes 48,22 200 Jes 50,10-11 205 Nah 1,2-8 213 2.2.3. Im Kontext von Unheils- und Heilsankündigungen . . . .215 Hos 14,10 215

2. Hauptteil Ergebnis 1. Die Verwendung des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten bei den Propheten 1.1. Zusammenfassende Darstellung der Texte 1.2. Die argumentative Absicht der Propheten 1.3. Die Propheten als theologische Denker 1.4. Zur Geschichte der Prophetie

223 223 227 228 229

Inhaltsverzeichnis

XI

2. Die Verwendung des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten bei den Redaktoren der Prophetenbücher . . . .232 2.1.

H e i l für die G e r e c h t e n nach der eschatologischen Vernichtung der Sünder

2.1.1. Zusammenfassende Darstellung der Texte 2.1.2. Zur Arbeitsweise der Redaktoren 2.1.3. Die Schilderung des Läuterungsgerichts 2.1.4. Der Situationsbezug der Redaktoren 2.1.5. Zur Datierung der Redaktoren 2.2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen 2.2.1. Zusammenfassende Darstellung der Texte 2.2.2. Zur Arbeitsweise der Redaktoren 2.2.3. Das Ergehen von Gerechten und Sündern 2.2.4. Der Situationsbezug der Redaktoren 2.2.5. Zur Datierung der Redaktoren

233

233 237 237 240 242 243 243 245 246 247 249

3. Zur Theologie der Prophetenbücher 3.1. Die Intention der Redaktoren 3.1.1. Das theologische Anliegen 3.1.2. Das argumentative Anliegen 3.1.3. Das hermeneutische Anliegen 3.2. Der Stellenwert der redaktionellen Zusätze 3.3. Die Redaktoren als kreative Interpreten 3.4. Zur Bedeutung der Redaktoren für den Prozeß der Kanonentstehung 3.5. Mögliche Situationen früher Applikation der redaktionell überarbeiteten Texte 3.6. Zu den Wurzeln der Apokalyptik

253 255 255 258 259 263 265

268 269

Zusammenfassung Zur Darstellung der Schichten in den Übersetzungen Zu Umschrift, Zitierweise und Abkürzungen Literaturverzeichnis Register

271 275 275 276 290

267

Wenn du Angefochtene und Bedrängte siehst, denen predige Christus, predige die Gnade, soviel du kannst, aber nicht den Sicheren, den Faulen, den Buhlen, den Ehebrechern und Gotteslästerern. Wenn du dies nicht machst, wirst du an ihrer Schandtat schuld sein. Es gibt auf der Welt zwei Arten von Menschen: Arme, Unsichere, Fromme oder die, die es verfehlen, fromm zu sein, und die Reichen oder die Vernunftler, das sind die gottlosen und sicheren Taugenichtse.... Nicht sollst du alle alles ohne Unterscheidung lehren. Luther1

Einleitung

"Das Ende ist gekommen für mein Volk Israel" (Am 8,2) - 'Tröstet, tröstet mein Volk" (Jes 40,1). Inhaltlich spannt sich ein weiter Bogen von dem Wort des Gerichtspropheten Arnos zu dem des Heilspropheten Deuterojesaja. Gemeinsam ist beiden jedoch, daß ihre Zukunftsankündigung dem ganzen Volk gilt.2 Die klassischen Propheten Israels sehen das Volk als Einheit. Die Gerichtsprophetie kündet dem Volk Jahwes mit aller ihr zur Verfügung stehenden Sprachgewalt den Untergang an. Selbst wenn in den Anklagereden nur das Verhalten einzelner Exponenten oder Gruppen des Volkes, besonders der Oberschicht, angeprangert wird, gilt die Unheilsankündigung doch letztlich dem ganzen Volk. Es ist keine Rede davon, daß die Unterdrückten, die unter den Machenschaften der angeklagten Oberschicht zu leiden haben, vom angekündigten Unheil ausgenommen werden. Auf der anderen Seite gelten auch die Heilsankündigungen - man denke an Hosea wie an Deuterojesaja - dem ganzen 1

Dritte Disputation gegen die Antinomer (WA 39 I, 574,8-15): Si videris afflictos et contritos, his praedica Christum, praedica gratiam, quantum potes, sed non securis, otiosis, scortatoribus, adulteris et blasphemis. Hoc si non feceris, reus flagitii eorum eris. Duplices sunt homines in mundo, pauperes, infirmi, pii vel qui desiderant pii esse, et divites seu sani, hoc est, impii et securi nebulones. ... Non doceas sine discrimine omnia omnes.

2

Zur Diskussion um die hier vertretene Auffassung vgl.u.S. 17 Anm. 21.

2

Einleitung

Volk. Den Propheten geht es nicht um ein individuelles, den jeweiligen Taten entsprechendes Ergehen, sondern um die Zukunft, die das Volk als Ganzes trifft. Eine Ausnahme ist - darauf sei schon jetzt hingewiesen der Prophet Habakuk. In anderen Lebensbereichen und Traditionen hat die für die Schriftpropheten so zentrale Volksperspektive keine besondere Bedeutung. Im Rechtsleben, im Kult und in der Weisheit tritt der einzelne in den Vordergrund. Vor Gericht steht in aller Regel eine Einzelperson, und die Richter müssen klären, ob sie die ihr angelastete Tat begangen hat und wie mit ihr zu verfahren ist.3 Auch in weiten, keineswegs jedoch allen Teilen des Kultlebens treten Menschen als Individuen auf. In Tor-Liturgien, die man aus Texten wie Ps 15 rekonstruieren kann, erklärt der Priester, daß nur der Gerechte, nicht jedoch der Frevler den Bereich des Heiligtums betreten darf.4 Im Tempel bringt der einzelne Opfer dar, und der Priester entscheidet in einem liturgischen Zeremoniell, ob dieses Opfer des einzelnen angenommen wird.5 Auch die Spruchweisheit schließlich hat es in aller Regel mit dem einzelnen zu tun. Sie stellt das Tun und Er-

3

Vgl. B. Lindars, Ezekiel and Individual Responsibility, VT xv (1965), 452-467, 453-456; Levin, Verheißung 40-46; P. M. Joyce, Divine Initiative and Human Response in Ezekiel (JSOT Suppl. 51), Sheffield 1989, 81-83.

4

Vgl. Ps 24; 118,19f. Zum kultischen Sitz vgl. Dtn 26,12-15 sowie die in Ägypten und Mesopotamien belegten Einlaßbedingungen für Tempel (s. H.-J. Kraus, Psalmen [BK XV/1], Neukirchen-Vluyn 51978, 254; /. T. Willis, Ethics in a Cultic Setting, in: FS J. Th. Hyatt, New York 1974, 147-169, 148f; R. Grieshammer, Zum "Sitz im Leben" des negativen Sündenbekenntnisses, ZDMG Suppl. 2 [1974], 19-25; H. Wildberger, Jesaja [BK X/3], Neukirchen-Vluyn 1982, 1306f; J. Assmann, Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München 1990, 140-149); vgl. K. Koch, Tempeleinlaßliturgien und Dekaloge, in: R. Rendtorff - K. Koch, Studien zur Theologie der alttestamentlichen Überlieferung, Neukirchen-Vluyn 1961, 45-60, 56f; auch in: K. Koch, Spuren hebräischen Denkens, Neukirchen-Vluyn 1991, 169-183; Willis, a.a.O. 147-163; Wildberger, a.a.O. 1302-1308; S. Ö. Steingrimsson, Tor der Gerechtigkeit (ATS 22), St. Ottilien 1984, 62f.l32f; W. Beyerlin, Weisheitlich-kultische Heilsordnung (BThSt 9), Neukirchen-Vluyn 1985, 46-80; E. Otto, Kultus und Ethos in Jerusalemer Theologie, ZAW 98 (1986), 161-179; F.-L. Hossfeld, Nachlese zu neueren Studien der Einzugsliturgie von Ps 15, in: FS H. Reinelt, Stuttgart 1990,135-156,153f; H.-J. Kraus, Tore der Gerechtigkeit, in: FS Κ Koch, Neukirchen-Vluyn 1991, 265-272. H. Spieckermann (Heilsgegenwart. Eine Theologie der Psalmen [FRLANT 148], Göttingen 1989, 201203) bestreitet die Existenz von Torliturgien; vgl. Weinfeld, Instructions 231ff.

5

Vgl.u.S. 158 und 181f.

Einleitung

3

gehen von Gerechten und Frevlern in einem scharfen Gegensatz dar und verfolgt dabei auch dort, wo sie Gesetzmäßigkeiten des Lebens entfaltet, letztlich das Ziel, den als Individuum gesehenen Menschen zum rechten Verhalten anzuleiten.6 Es gibt im Alten Testament also Traditionen, die nicht das Volk als Ganzes, sondern den einzelnen im Blick haben. In ihnen findet sich das Motiv7, daß den Schuldigen bzw. Frevlern Unheil angekündigt wird, den Unschuldigen bzw. Gerechten dagegen Heil. Blickt man nun in die Prophetenbücher, so stellt man fest, daß dieses Motiv auch dort an einigen Stellen erscheint. Es gibt Texte, die nicht vom Heil oder Unheil des ganzen Volkes sprechen, sondern im Blick auf die Zukunft zwischen Gerechten und Sündern - wie immer diese im einzelnen beschrieben sein mögen - unterscheiden. Den Gerechten wird es gut gehen, den Sündern dagegen schlecht. Neben Texten, in denen sich diese Gegenüberstellung explizit findet, gibt es solche mit einer implizi-

Zur paränetischen Intention von Aussagesätzen vgl. U. Skladny, Die ältesten Spruchsammlungen in Israel, Göttingen 1962, 88-91; H.-J. Hermisson, Studien zur israelitischen Spruchweisheit (WMANT 28), Neukirchen-Vluyn 1968, 74.170;H. v. Lips, Weisheitliche Traditionen im Neuen Testament (WMANT 64), Neukirchen-Vluyn 1990, 22f.97.143f; H. Delkurt, Ethische Einsichten in der alttestamentlichen Spruchweisheit (BThSt 21), Neukirchen-Vluyn 1993,144f. Nach Η. H. Schmid (Wesen und Geschichte der Weisheit [BZAW 101], Berlin 1966, 164) geht es dagegen zumindest den Sammlern der Sprüche um die Darstellung des Lehrsystems und nicht um Anleitung zum rechten Verhalten. Der Begriff 'Motiv' bedarf der Definition. Es handelt sich um einen geprägten Aussagegehalt, der sich in verschiedenen, voneinander unabhängigen Einzeltexten in vergleichbarer Begrifflichkeit findet. Er wird durch Abstraktion von den Besonderheiten der konkreten Einzeltexte gewonnen und kann dann schematisiert beschrieben werden; z.B.: "der Mann zwischen zwei Frauen"; "die Unfruchtbarkeit der Eltern vor der Geburt des Helden". Den geprägten Aussagegehalt, daß den Gerechten Heil, den Sündern dagegen Unheil zuteil wird, kann man, sofern er theoretisch formuliert wird, eine Lehre nennen. Sofern er jedoch in anderer Form, z.B. in einem gesetzlichen Text oder in einer Zukunftsankündigung zum Ausdruck kommt, handelt es sich um ein Motiv, das für den jeweiligen Einzeltext von konstitutiver oder auch nur von untergeordneter Bedeutung sein kann. Vgl. W. Richter, Exegese als Literaturwissenschaft, Göttingen 1971, 75f Anm. 11.153f. 182f; E. Frenzel, Stoff- und Motivgeschichte, Berlin 2 1974, 7-24; G. Theißen, Urchristliche Wundergeschichten (StNT 8), Gütersloh 1974, 16f; Κ Koch, Was ist Formgeschichte?, Neukirchen-Vluyn ^1974, 70f; G. Fohrer - H. W. Hoffmann - F. Huber - L. Markert - G. Wanke, Exegese des Alten Testaments (UTB 267), Heidelberg 31979, 102-107; Ο. H. Steck, Exegese des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn 121989, 139f; Η. P. Nasuti, Tradition History and the Psalms of Asaph (SBL.DS 88), Atlanta 1988, 1-23.195-197.

4

Einleitung

ten Gegenüberstellung, d.h. Texte, in denen Heil bzw. Unheil ausschließlich auf eine ethisch positiv bzw. negativ qualifizierte Gruppe bezogen werden, und zwar so, daß ein gegenteiliges Ergehen für die andere Gruppe impliziert ist. Die vorliegende Arbeit möchte die bislang nicht behandelte Frage untersuchen, wo und vor allem mit welcher Intention in den Prophetenbüchern explizit oder implizit davon die Rede ist, daß Gerechte Heil, Sünder dagegen Unheil erfahren werden. Im einzelnen stellen sich dabei folgende Fragen: 1. Welche Vorstellungen sind im Rahmen der Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten inhaltlich zu unterscheiden? Werden Unheil und Heil als zwei einander folgende Phasen der Geschichte beschrieben oder als Sünder und Gerechte je und je treffende Ergehensweisen? Diese Frage wird die Grobgliederung des Kapitels 'Textuntersuchungen' bestimmen. 2. In bezug auf die Geschichte der Verwendung des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten ist zu fragen: Wo begegnet das Motiv in Prophetenworten? Mit welcher Intention wird es dort aufgenommen? Inwiefern soll zwei Gruppen des Volkes ein unterschiedliches Ergehen angekündigt werden? Seit wann gibt es eine derartige Ankündigung in der Prophetie? Welche Bedeutung hat die Verwendung des Motivs für unser Verständnis der betreffenden Propheten? Bei redaktionellen Texten ist zu fragen: Mit welcher Intention führen die Redaktoren die Unterscheidung von Gerechten und Sündern in den jeweiligen Kontext ein? Was sagt die Einfügung über das Prophetenverständnis der Redaktoren aus? Bei prophetischen wie redaktionellen Texten stellt sich die Frage: Welchen traditionsgeschichtlichen Hintergrund hat das Motiv vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten jeweils? Aus welcher Zeit stammen die Texte? Inwiefern steht bei der Verwendung der Gegen-

Einleitung

5

Überstellung von Gerechten und Sündern ein aktueller Konflikt im Hintergrund? 3. Welche grundsätzlichen Einsichten ergeben sich aus der Beantwortung der gestellten Fragen für die Geschichte der Prophetie und der frühen Prophetenrezeption sowie für die Theologie der Prophetenbücher und die Theologie bestimmter Epochen? Das Profil der Fragestellung soll durch einige Abgrenzungen geschärft werden: 1. Die Vorstellung vom Rest gehört nicht zum Thema, da die Aussagen von der Rettung des - wie immer im einzelnen zu verstehenden - Restes in der Regel darauf zielen, die Souveränität Jahwes hervorzuheben, und nicht darauf, dem rechten Verhalten einen für den Rest konstitutiven Stellenwert zu geben. 8 2. Die für die dtr. Theologie wichtigen sog. Alternativpredigten 9 werden nicht behandelt, da sie nicht zwei Gruppen einander gegenüberstellen, sondern dem Volk als Ganzem die Alternative aufzeigen, in der Sünde zu verharren und unterzugehen oder Jahwe allein gehorsam zu dienen und heilvoll zu leben. Die in den entsprechenden Texten bereits vorausgesetzte Zerstörung Jerusalems von 587 v. Chr. soll damit erklärt werden, daß das Volk den falschen Weg gewählt hat und die Zerstörung deswegen als die notwendige Folge seines Verhaltens verstanden werden muß. 3. Unerörtert bleiben auch Texte wie Jer 21,8f10, an denen nicht die grundsätzliche Einstellung der Menschen, sondern beispielsweise eine bestimmte Einzelentscheidung im hic et nunc das Kriterium für Heil oder Unheil darstellen. 4. Schließlich bleiben auch Texte unberücksichtigt, in denen es nicht um zwei Gruppen geht, sondern ein einzelner aus besonderen Gründen von einem allgemeinen Gericht verschont wird. Zu denken ist beispielsweise an Baruch. Ihm wird in Jer 45 angekündigt, das Gericht zu überleben, jedoch wird er nicht angesichts seiner gerechten Werke gerettet, sondern er soll sein Leben unverdient als Beute erhalten. 11

8

Vgl. Hausmann, Rest 206f. Anders Zeph 2,7.9b; 3,11-13; vgl.u.S. 40f.

9

W. Thiel, Die deuteronomistische Redaktion von Jeremia 1-25 (WMANT 41), Neukirchen-Vluyn 1973, 290-295.

10

Zur Stelle vgl. W. McKane, The Construction of Jeremiah Chapter xxi, VT xxxii (1982), 59-73, 69; H.-J. Hermisson, Die "Königsspruch"-Sammlung im Jeremiabuch von der Anfangs- zur Endgestalt, in: FS R. Rendtorff, Neukirchen-Vluyn 1990, 277-299, 291-295.

11

Vgl. S. Böhmer, Heimkehr und neuer Bund. Studien zu Jeremia 30-31 (GTA 5), Göttingen 1976, 119; A. Graupner, Jeremia 45 als "Schlußwort" des Jeremiabuches, in: FS Α. H. J. Gunneweg, Stuttgart u. a. 1987, 287-308, 300-306; ders., Auftrag und Geschick des Propheten Jeremia (BThSt 15), Neukirchen-Vluyn 1991, 173-180; N. Kilpp, Niederreißen und aufbauen (BThSt 13), Neukirchen-Vluyn 1990, 86-88. In Jer 39,18 wird eine Verheißung an Ebedmelech sekundär (vgl. W. Thiel, Die deuteronomistische Redaktion von Jeremia 26-45 [WMANT 52], Neukirchen-Vluyn 1981, 57) damit begründet, daß dieser auf Jahwe vertraute. Jedoch wird auch ihm nur angekündigt, daß er sein Leben als Beute erhalten wird.

1. Hauptteil Textuntersuchungen

1. Heil für die Gerechten nach der eschatologischen Vernichtung der Sünder

Im folgenden sollen zunächst die Texte untersucht werden, in denen sich die Vorstellung von einem eschatologischen Läuterungsgericht findet, d.h. von einem Gericht, in welchem Israel endgültig von allen Sündern gereinigt wird, damit für die Gerechten eine eschatologische Heilszeit beginnen kann. Die Ansage eines Läuterungsgerichts und die mit ihr verbundene Differenzierung zwischen Gerechten und Sündern ist im Kontext von Unheilsankündigungen, von Heilsankündigungen und dem von beiden belegt. Da die Ansage je nach Kontext eine andere Aussageabsicht verfolgt (s.u.S. 255-258), ist es sinnvoll, die Texte im folgenden nach den Ankündigungen des Kontexts zusammenzustellen.

1.1. Im Kontext von Unheilsankündigungen

Arnos 9,7-10 7 Seid ihr nicht wie die Söhne der Kuschiter, ihr mir, ihr Söhne Israels? - Spruch Jahwes. Habe ich nicht Israel aus dem Lande Ägypten heraufgeführt, und die Philister aus Kaphtor und Aram aus Kir? 8 Siehe'meine'./o/iw«,

des Herrn,1

Augen sind gegen das sündige Königreich.

10

I. Textuntersuchungen

Und ich werde es vom Antlitz des Erdbodens vertilgen. Allerdings werde ich das Haus Jakob nicht völlig2 vertilgen. - Spruch Jahwes. 9 Ja, siehe, ich gebiete, und ich werde das Haus Israel unter wie man in einem Sieb schüttelt, und kein Stein fällt zur Erde.

alle Nationen

schütteln,

10 Durch das Schwert werden alle Sünder meines Volkes sterben, die da sagen: Du läßt das Unheil nicht nahen und an uns herantreten. Arnos 9 unterteilt sich in fünf Einheiten (1-4.5-6.7-10.11-12.13-15), die abgesehen von vllf durch das Motiv vom Wanken bzw. Schütteln miteinander verbunden sind.3 Für das Verständnis von v7-10 können die Doxologie v5f und die Heilsankündigungen vll-15 zunächst außer acht gelassen werden, da es sich bei ihnen wohl um spätere Zusätze handelt.4

Da Jahwe in v7-10 durchweg in der 1. Pers. erscheint, dürfte in v8 mit den meisten Kommentaren Ί 5 11 Ϊ zu lesen sein. Bei Π1ΓΡ 113 I S handelt es sich dann um einen frühen Zusatz, der der Gerichtsankündigung vielleicht an Gewicht verleihen soll. Vgl. dagegen Wolff, BK 31985; Weimar, Schluß 73. 2

In v8b stellt sich die Frage, ob nur die Verstärkung verneint ('ich werde nicht völlig vernichten') oder den ganzen Verbalbegriff ('ich werde bestimmt nicht vernichten'); vgl. GKa § 113n.v. Gese (Problem 37f; vgl. Mays, OTL 1969) entscheidet sich für die zweite Möglichkeit, da bei der Wortstellung fcÖ + inf. + verbum finitum, die sich sonst nur in Gen 3,4 und Ps 49,8 findet, die Negation dem ganzen Verbalbegriff gilt ('bestimmt nicht'). Untersucht man jedoch auch die Stellen mit der häufiger belegten Wortstellung inf. + + verbum finitum, so zeigt sich, daß die Verneinung hier teils auf die Verstärkung ('nicht völlig·, Jos 17,13 = Jdc 1,28; Jer 30,11), teils auf den ganzen Verbalbegriff ('bestimmt nicht'; Ex 5,23; Lev 19,20; Num 14,18; 23,25; Jdc 15,13; Jer 13,12; Ez 18,13 [cj.;?]; 20,32) bezogen ist. Das bedeutet, daß man aus der Wortstellung inf. + S1^ + verbum finitum nicht auf die Bedeutung schließen kann. Daß dies bei der zuerst genannten Wortstellung fcÖ + inf. + verbum finitum anders sein soll, wird man angesichts der geringen Zahl der Belege kaum behaupten können. Die Einschränkung 'nicht völlig' widerspricht in v8b zudem keineswegs dem aus dem Bannrecht stammenden und damit völlige Vernichtung ausdrückenden 1QE7 hiph 'vertilgen' (so Gese). Das Verb wird aus v8a aufgenommen, und in der Einschränkung der völligen Vernichtung liegt gerade die Spitze von v8b. Dafür, daß v8b im Sinne von 'nicht völlig' zu verstehen ist, spricht das Siebbild von v9, das Gese (Problem 35.38) einer späteren Schicht zuschreiben muß.

3

tf » Ί q a l 'beben' vi; i IQqal 'wanken' v5; 1>1 ] hiph 'schütteln' v9; 11 öhitpal 'ins Wanken geraten' vl3. Die drei ersten Einheiten sind zusätzlich durch Stichwortverbindungen miteinander verknüpft: 'hinaufsteigen' bzw. 'hinaufführen' v2.5.7; • J Π 'das Meer' v3.6, vgl. das Exodusmotiv in v7.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

11

In Arnos 9,1-4 findet sich die letzte Vision des Arnos.5 Sie wird in v4b durch eine Zusammenfassung abgeschlossen: "Und ich werde meine Augen gegen sie zum Unheil richten und nicht zum Heil". Mit v7 beginnt eine neue Einheit, die nicht mehr den Propheten, sondern die Israeliten anspricht, von denen zuvor in der 3. Pers. die Rede war. Diese neue Einheit wurde wohl aufgrund der Rede von den Augen Jahwes, die im Amosbuch nur in 9,3.4.8 begegnet, hinter vl-4 gestellt.6 Arnos 9,7-10 besteht aus zwei Teilen. V7-8a bilden eine geschlossene Einheit, die Israel Unheil ankündigt. Der Text beginnt mit zwei rhetorischen Fragen. Die erste, v7a, will verkünden, daß Israel keine Sonderstellung hat, da es für Jahwe zwischen Israel und Kusch keinen Unterschied gibt. Die zweite Frage, v7b, begründet diese Auffassung mit einem Rekurs auf die Geschichte: Die Heraufführung aus Ägypten ist nichts Besonderes, da Jahwe auch andere Völker aus anderen Gegenden heraufgeführt hat. Der traditionellen Erwählungslehre wird damit der Boden entzogen. Exodus und Landgabe, die in der Rede von der Heraufführung zusammengeschlossen werden, können Israels Erwählung nicht belegen. Mit dieser Argumentation wird v8a vorbereitet. Anders als ein Scheltwort begründet v7 nicht, warum das Unheil kommen wird, sondern warum es kommen kann. Es geht nicht um Israels Schuld, sondern darum, daß Jahwe Israel keine Sonderstellung eingeräumt hat. In v8a folgt dann die Ankündigung, auf die alles zielt. Jahwe wird das Volk, das er einst aus Ägypten () 73) ins Land heraufgeführt hat (v7), nun, nachdem es sich als sündiges Königreich7 erwiesen hat, von diesem Land C13 0

4

Vgl. Wolff, BK 31985; W. A. G. Nel, Arnos 9:11-15 - An Unconditional Prophecy of Salvation during the Period of Exile, OTEs 2 (1984), 81-97; anders Rudolph, ΚΑΤ 1971; Hasel, Amos 118-120.

5

Die Frage nach der Schichtung von vl-4 kann hier offengelassen werden. Weimar (Schluß 64-67) findet eine Grundschicht in vlaa r b.4b, eine erste Redaktion in v2 und eine zweite in vlaa-ß.3-4a. Die Rückbezüge von v8b-10 auf vl-4 (s.u.) erstrecken sich im wesentlichen aur die von Weimar angenommene Grundschicht, jedoch setzen Π IX 'gebieten' (v9) und 3TQ 'Schwert' (vlO) mindestens schon die Präsenz von v4a voraus.

6

Vgl. -Iin|)31 'Säulenkapitell' in 9,1 und TIFIS? II 'Kaphtor' in 9,7.

7

Selbst wenn der Artikel von ΠΚΜΓΙΠ ΓΟ^ΰΏΠ 'das sündige Königreich' nicht demonstrativisch zu verstehen ist, sondern generalisierend jedes Königreich meint {Budde,

12

I. Textuntersuchungen

ΠΟΤΝΓΙ) vertilgen (v8a). Die Heraufführung soll rückgängig gemacht werden. In der Ankündigung, das sündige Königreich zu vertilgen, klingt, wie Jes 13,9 zeigt,8 die Tradition vom Tag Jahwes an. Arnos 9,7-8a paßt damit gut zu den übrigen Gerichtsankündigungen des Amosbuchs und mag wie diese vom Propheten selber stammen.9 Arnos 9,8b-10 beginnt mit einem Prosasatz, der nach den vorangehenden poetischen Zeilen einen Einschnitt markiert. Eingeleitet wird der Abschnitt mit 113 03N, einer Konjunktion, die einen Gegensatz bzw. eine Einschränkung ausdrückt und am besten mit 'allerdings' wiedergegeben wird.10 Der Vernichtungsankündigung von v8a, die im Amosbuch wie ein letzter Paukenschlag wirkt, wird in v8b überschriftartig entgegengehalten, daß Jahwe das Haus Jakob nicht völlig vernichten wird.11 In v9 folgt das Bild vom Sieb.12 Man muß hier vermutlich an ein grobes Text 110f; Sellin, ΚΑΤ 31929; Mays, OTL 1969; Paul, Hermeneia 1991), so ist doch im Kontext nur das angeredete Israel im Blick. Vgl.u.S. 16 Anm. 19. 8

Nur an dieser den Tag Jahwes beschreibenden Stelle begegnet "töttf hiph 'vertilgen' mit obj. Ntpn 'sündig, Sünder'. Zudem wird die Wendung dort durch Π3ΏΟ (sc. f ΊΚΓΙ0) 'aus ihm (sc. dem Land)' fortgesetzt. Jes 13,9 entspricht damit der Ankündigung von Am 9,8a, das sündige Königreich aus dem Land zu vertilgen.

9

Vgl. dagegen Wolff (BK 31985; s.u.S. 14f Anm. 17), Gese (Problem 33-38), Fleischer (Menschenverkäufer 248.263) und Nogalski (Precursors 101f). Nach Gese geht es in v7f nur "um den scharfen Abweis einer natürlichen und geschichtlichen Sonderstellung Israels, nicht aber um einen Abweis oder auch nur eine Relativierung des durch die Offenbarung gesetzten Verhältnisses Gottes zu Israel" (37). Da sich diese Relativierung auch im Dtn finde, stamme Am 9,7f von einem dtr. Redaktor (vgl. Weimar, Schluß 88f; s.u.S. 14f Anm. 17). Geses Unterscheidung zwischen Israel als historischer und Israel als theologischer Größe ist jedoch schwierig (s.u.S. 16 Anm. 19). Da v7f zudem keine Spuren dtr. Sprache aufweisen, wird man sie kaum einem dtr. Redaktor zuweisen können. Nach Nogalski (Precursors 78-82.99.121) entspricht v7-8a inhaltlich zwar dem voranstehenden Amosbuch, aus strukturellen Gründen sei die Einheit jedoch als sekundär anzusehen. Eine ältere Form des Amosbuches, die eine dtr. Erklärung der Zerstörung Jerusalems geboten habe, finde in der redaktionellen Komposition 9,1-6 ihr Ende. Dafür sprächen die Inklusionen, die eine Verbindung zum Anfang des Buches herstellen. Bei den 9,6 folgenden Versen handele es sich um Zusätze, und zwar bei v7-8a um eine erste Fortschreibung von 9,1-6 (S. lOlf) und bei v8b-10 um eine zweite, die in spätexilische / frühnachexilische Zeit zu datieren sei.

10

">3 OSS 'allerdings' dient nur hier im AT zur Einschränkung einer Unheilsankündigung.

11

Zum Bruch zwischen v8a und v8b vgl. Weimar, Schluß 73f (s.u.S. 14f Anm. 17). Das metrisch störende und nicht zum Siebbild passende C P i a n - 1 ? ^ 'unter alle Nationen' wird zu Recht meist als sekundär betrachtet (anders Andersen - Freedman,

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

13

Sieb denken, welches Getreidekörner oder feinen Sand zur Erde fallen läßt, Steine und Dreckklumpen jedoch zurückbehält (vgl. Sir 27,4).13 Durch das Sieb wird das Schlechte vom Guten getrennt. Das Schlechte wird im Sieb festgehalten, während das Gute entkommt.14 VlOa kehrt zur Aussage von v8b zurück. Der positiven Aussage, daß Jahwe sein Volk nicht völlig vernichten wird (v8b), folgt in antithetischer Entsprechung in vlO die Ankündigung, daß Jahwe nur die Sünder seines Volkes töten

AncB 1989; Paul, Hermeneia 1991). Der Zusatz gibt dem Motiv vom Beben erneut einen anderen Sinn. Sein Verfasser könnte durch v7 angeregt auf Num 32,13 verweisen wollen, wo J? 1 3 hiph 'schütteln' mit göttlichem Subj. + 3 begegnet (sonst nur Ps 59,12, wo die 3-Angabe jedoch einen anderen Charakter hat). Wie Jahwe Israel seinerzeit 40 Jahre in der Wüste geschüttelt hat, d.h. umherirren ließ, so wird er es nach Ansicht des Glossators unter den Völkern umherirren lassen. S1 3 bezieht sich dann nicht mehr auf eine Aussonderung, sondern wie das Ε75Π 'beben' von vi auf eine Gerichtsankündigung, die jedoch anders als vi nicht auf eine umfassende Tötung, sondern auf das Exil zielt. Der (nach)exilische Zusatz macht also aus dem Schütteln beim Sieben das Zerstreuen in die Diaspora. Durch sie wird die Heraufführung Israels ("ΡΝΊΕΡ v7.9) rückgängig gemacht. 13

Vgl. Wetzstein, Über die Siebe in Syrien, ZDPV 14 (1891), 1-7; Volz, Arnos 105-109; O. Hvidberg-Hansen, Die Vernichtung des goldenen Kalbes und der ugaritische Ernteritus, AcOr 33 (1971), 5-46, 41f.44; H. Weippert, Arnos. Seine Bilder und ihr Milieu, in: H. Weippert, K. Seybold, M. Weippert, Beiträge zur prophetischen Bildsprache in Israel und Assyrien (OBO 64), Freiburg (Schweiz) - Göttingen 1985, 1-29, 22; O. Borowski, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake 1987, 66f. Da f l X ^ ] 'zur Erde fallen' normalerweise einen Zerstörungsvorgang bezeichnet (vgl. Am 3,14) bleibt freilich merkwürdig, daß das Gute zu Boden fällt. Jedoch sollte man die Beobachtung nicht zu stark gewichten, weil Bilder oft Züge enthalten, die nicht recht passen. Ehrlich (Randglossen V 255) denkt nicht an ein Grobsieb, sondern an eine löcherlose Schütteltrommel, mit der man zusammenklebende Klümpchen (= Israel) auseinanderrüttelt (= unter die Völker zerstreut). V9bß gibt jedoch einen anderen Vergleichspunkt an. Der Versteil müßte nach Ehrlich überflüssig sein, weil selbstverständliche Voraussetzung. Andersen - Freedman (AncB 1989, 879) kehren zu der von Volz widerlegten Ansicht zurück, daß es sich um ein Feinsieb handelt, durch das feiner Dreck, aber kein Korn (!) zur Erde fällt.

14

Nach Volz (Arnos 110) zielt das Bild vom Sieb darauf, daß nichts zu Boden fällt, d.h. auf die Unmöglichkeit des Entrinnens und die Totalität des Gerichts. So auch WilliPlein (Vorformen 55f), die v9 Arnos zuschreibt und erst auf der redaktionellen Ebene (v8.10) eine Umdeutung des Siebbildes im Sinne eines Restgedankens findet. Vgl. Cramer, Amos 42; Fey, Amos 51f; Weimar, Schluß 86. Gegen diese Deutung spricht jedoch, daß ein Sieb, also ein Gerät, das einzig der Scheidung dient, ein denkbar ungeeigneter Vergleichsspender ist, wenn man ausdrücken will, daß das Gericht allen ohne Ausnahme gilt, es also gerade keinerlei Scheidung geben wird. Hätte der Verfasser von v9 die Totalität des Gerichts ausdrücken wollen, hätte er sich viel plastischerer Bilder bedienen können; vgl. z.B. 3,12; 5,19.

14

I. Textuntersuchungen

wird.15 V8b und 10 legen somit eine Klammer um das Siebbild von v9. Ins Zentrum rückt dadurch der Vorgang des Siebens, der über die Vernichtung entscheidet. Die dem ganzen Volk geltende Gerichtsankündigung von v7-8a wird in v8b-10 also auf die Sünder eingeschränkt.16 Schon diese inhaltliche Differenz zwischen v7-8a und v8b-10 macht deutlich, daß wir es mit unterschiedlichen Verfassern zu tun haben. Bei v8b-10 dürfte es sich um eine redaktionelle Fortschreibung handeln.17

15

Vgl. Hvidberg-Hansen, a.a.O. (Anm. 13) 42. Torrey (Notes 154) versteht "'ΚΒΠ 11 a ? 'alle Sünder meines Volkes' im Sinne von 'mein ganzes sündiges Volk'. Diese Übersetzung ist nicht möglich, da sie nom.reg. und nom.rec. vertauscht; vgl. GKa § 128f. 131r.

16

Arnos 9,7-10 wird häufig anders gegliedert bzw. in separate Einheiten unterteilt: 1) v78; v9-10 Mays, OTL 1969. 2) v7; v8; v9-10 Weiser, ATD 1949; Maag, Wortschatz 5860. 3) v7; v8a; v8b-10 Robinson, HAT 1938. 4) v7; v8-10 Fosbroke, IntB 1956; Rudolph, ΚΑΤ 1975. Gegen einen Einschnitt zwischen v7 und v8 spricht, daß v7 dann als selbständiger Text (Rudolph, ΚΑΤ 1975) bzw. versprengtes Fragment (Nowack, HK 2 1903; Robinson, HAT 1938; Weiser, ATD 1949) oder als ursprüngliche Fortsetzung bzw. Anhang von vl-4 (Marti, KHAT 1904; Willi-Plein, Vorformen 55) betrachtet werden muß. Ersteres ist eine Notlösung, letzteres wird dem Personenwechsel zwischen vl-4 und v7 nicht gerecht. Gegen eine Verbindung von v8a mit dem Folgenden spricht der inhaltliche Bruch zwischen v8a und v8b. Gegen einen Einschnitt zwischen v8b und v9f sprechen die genannten Verbindungen.

17

Daß v7-8a von Arnos stammen, v8b-10 hingegen redaktionell sind, vertreten auch Harper (ICC 1905), Mowinckel (Psalmenstudien II, Kristiania 1922, 266f) und Robinson (HAT 1938); vgl. Koch, Amos II 61f; Nogalski, Precursors 102 (s.o.S 12 Anm. 9). Für die redaktionelle Herkunft von vlO führt Hoffmann (Echtheitsfrage 121f) an, daß Arnos DJ> 'Volk' + auf Jahwe bezogenes Suffix immer mit dem Zusatz ^NHEP versehe, dieser Zusatz hier jedoch fehle. Dieses Argument ist sehr schwach. Die Wendung DS> 'Volk' + auf Jahwe bezogenes Suffix begegnet im AT 52mal mit dem Zusatz ^tjHEP. Der Zusatz ist also keine Besonderheit des Arnos. Im Amosbuch erscheint 'Volk' + auf Jahwe bezogenes Suffix + ^ΝΊΪΖΡ nur 4mal. Aus einer solch geringen Anzahl von Belegstellen kann man nicht schließen, daß Arnos die Wendung immer mit dem Zusatz versehen habe. Dies gilt um so mehr, wenn man bedenkt, daß von den 4 Stellen des Amosbuchs 7,15 und 9,14 wohl nicht auf Arnos zurückgehen. V8a wird oft mit v8b-10 zur Redaktion gezählt, wenn man 'Königreich' in einem eingeschränkten Sinne versteht (s.u.S. 16 Anm. 19). Auch Kellermann (Amosschluß 171f) läßt die Redaktion mit v8a beginnen. Er betrachtet diese Vershälfte als Aufnahme eines Amoswortes, das ab v8b korrigiert werde; vgl. Fosbroke, IntB 1956. Wenn es sich bei v8a jedoch um ein Amoswort handelt, wie will man dann zeigen, daß es erst von der Redaktion niedergeschrieben wurde und nicht von vornherein zu v7 gehörte? Weimar (Schluß 84-94) betrachtet v8a.9*-10 als einen die Gerichtsankündigung des Arnos einschränkenden judäischen Kommentar zur letzten Vision des Arnos (vl4*; s.o.S. 11 Anm. 5). V7 hält er für einen späteren, dtr. Einschub, v2.5aa.2.ß.6a.b*.ll.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

15

Darauf deutet die Fülle der Stichwortaufnahmen, durch die der Verfasser von v8b-10 an vl-4 18 und v7-8a, die er wohl schon in ihrer Zusammenstellung ohne v5f vorfand, anknüpft. Zunächst nimmt v8b 1/3 B? hiph Vertilgen' aus v8a auf. Während v8a jedoch die Vernichtung des sündigen Königreichs ankündigt, verheißt v8b, daß Jahwe das Haus Jakob nicht völlig vernichten wird. Beide Vershälften machen damit gegensätzliche Aussagen über Israel. V8a kündigt, nachdem jeder mit der Exodustradition verbundene Erwählungsglaube in v7 nivelliert worden ist, den Untergang an. Der Verfasser von v8b will hingegen an der Erwählung Israels festhalten und spielt deswegen mit der Bezeichnung 'Haus Jakob' auf die Vätertradition an. Da die Exodustradition die Sonderstellung Israels nach v7 nicht begründen kann, wird auf die Vätertradition zurückgegriffen. Das nach Jakob, dem erwählten Ahnvater, benannte Haus kann nicht völlig vernichtet werden. V9aa greift Am 6,11 auf: rnsα ΓΠΓΡ Π3Π

11

3 + Ί-pf. 'ja, siehe,

Jahwe gebietet und er wird ...'. Die Wendung bezieht sich zugleich auf den näheren Kontext. Sie nimmt nämlich das Π 3 Π 'siehe' aus v8a auf, um die dort gemachte Ankündigung zu modifizieren. njlSQ 'gebietend' bezieht sich auf das doppelte Π12 'gebieten' mit göttlichem Subj. von v3.4. 14f schreibt er einer frühnachexilischen und vlaa 2 .ß.3-4a.5aa 1 .b.6b*.8b.9aß*. 12f einer spätnachexilischen Redaktion zu. Wolff (BK 31985) hält v7-10 als Ganzes für sekundär. Da er sowohl Übereinstimmungen mit als auch Differenzen gegenüber Arnos findet, schreibt er den Text der Amosschule zu. Die von Wolff festgestellten Übereinstimmungen erstrecken sich auf v7-8a, die Differenzen auf v8b-10. Dieser Befund ist m.E. literarkritisch auszuwerten. Häufig hält man v7-8a.9*-10 für echt und nur v8b für sekundär (BHS; Sellin, ΚΑΤ 3 1929; Mays, OTL 1969; Maag, Wortschatz 58-60). Für die Echtheit von v9f führt man an, daß Arnos das Gericht auch an anderen Stellen nur bestimmten Gruppen im Volk ankündigt (3,llf; 4,2f; 5,llf; 6,7) und daß Gericht und Gnade eng zusammengehören (Budde, Text 112f; Sellin, ΚΑΤ *1929; Mays, OTL 1969; Rudolph, ΚΑΤ 1975; Andersen - Freedman, AncB 1989, 875-879; vgl. dagegen Marken, Struktur 207). Die redaktionelle Herkunft von v8b begründet man mit dem prosaischen Stil und der Spannung gegenüber v8a. Diese Argumente sprechen jedoch nicht gegen eine Verbindung von v8b mit v9f. Für die Echtheit auch von v8b sprechen sich Cramer (Amos 46f), Andersen - Freedman (AncB 1989) und Paul (Hermeneia 1991) aus. Cramer kann v8b für echt halten, weil er ihn als rhetorische Frage versteht, die uneingeschränktes Unheil ankündigt: "Doch nicht soll ich vertilgen ganz und gar das Haus Jakob?" 18

Vgl. Wolff, BK 31985, 397.

16

I. Textuntersuchungen

Anders als in v4 befiehlt Jahwe in v9f jedoch nicht gleich das mordende Schwert (3ΊΠ) herbei, sondern zunächst ein Sieb und dann erst das Schwert (3ΊΠ), durch das alle Sünder sterben sollen. Jahwe will das Haus Israel zuerst wie in einem Sieb schütteln. Mit dem zweimal gebrauchten Verb 5? 13 qal 'taumeln', hiph 'schütteln' bezieht sich v9 auf vi. Dort findet sich das Verbum Itfsn qal 'beben', das, wie Jes 24,18.20 zeigt, mit ϊ 13 inhaltlich verwandt ist. In v9 erhält das Motiv vom Beben jedoch einen neuen Sinn. Es beschreibt nicht mehr eine Vernichtung, sondern eine Aussonderung. In ähnlicher Weise wird das

'nicht' aus vi aufgenom-

men. Während es dort darum geht, daß sich keiner retten kann, besagt v9, daß kein Stein zur Erde fällt, d.h. daß sich zwar kein Sünder retten kann, die Guten aber sehr wohl entkommen. Werden nach vi alle C?3) ohne Ausnahme getötet, so müssen nach vlO nur alle (*?3) Sünder sterben. Das Gericht trifft nicht, wie v8a ankündigt, das sündige (Ntan) Königreich, sondern nur die Sünder (ΝΙΟΠ) des Volkes Jahwes, die zuvor ausgesiebt wurden.19 Sie werden in vlOb als solche charakterisiert, die 19

Die Spannung zwischen v8a und v8b-10 wird eingeebnet, wenn man 'sündiges Königreich* (v8a) nicht auf Israel bezieht, sondern in einem eingeschränkten Sinne versteht. 1. Nach Wellhausen (Propheten 95; vgl. Nowack, HK 1903; Marti, KHAT 1904) ist nur das Nordreich Israel, nicht aber das Südreich Juda, das Haus Jakob, gemeint (vgl. Polley [Arnos 66-74], nach dem Arnos die Sünde des Nordreichs im Abfall vom Davidischen Königtum sieht). Bei v8b würde es sich dann um eine vllf entsprechende, antithetische Explikation von v8a handeln: Israel wird vernichtet, die Hütte Davids aber neu erstehen. Dagegen spricht jedoch, daß man den so verstandenen v8 von v7 abtrennen muß, da die dortige Aufnahme der Exodustradition von einer Spaltung innerhalb von Israel/Juda nichts erkennen läßt. V7 muß dann als Fragment betrachtet (Nowack, HK 1903) oder zu vl-4 gezogen (Marti, KHAT 1904) werden; vgl. dagegen o.S. 14 Anm. 16. 2. Wolff (BK 31985) meint, HD^QÜ sei das Königshaus im Gegensatz zum Volk, dem Haus Jakob. Er beruft sich dabei auf den Gebrauch von Π ^ η ΰ in Am 7,13. Da dort mit ΓΡ3 jedoch keine Privatkapelle des Königshauses, sondern ein dem König unterstellter, aber durchaus öffentlicher Tempel gemeint ist (so auch Wolff), ist Wolffs Begründung nicht stichhaltig. Rudolph (ΚΑΤ 1975; vgl. Deissler, NEB 21985; Andersen - Freedman, AncB 1989, 881f) unterscheidet zwischen Staatswesen bzw. den politischen Führern einerseits und der Bevölkerung andererseits. Nach Gese (Problem 37f) will Jahwe zwar "die geschichtliche Erscheinung des sündigen Nordreichs" vernichten (v7-8a), nicht jedoch "das Haus Jakob als die positive Größe der Offenbarungsgeschichte". V7f ziele auf die Heilszusage, daß Jahwe das Haus Jakob bestimmt nicht vertilgen werde. Geses Verständnis von Am 9,7f hängt an seiner Auffassung, daß das N1^ in v8b den ganzen Verbalbegriff verneint; vgl. dagegen o.S. 10 Anm. 2.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

17

sich ihres Heils gewiß sind. Damit wird v7 aufgenommen, denn auch die dortige Argumentation setzt sich mit Menschen auseinander, die sich in der Gewißheit ihrer Erwählung kein Unheil vorstellen können. Mit Π P I 'Unheil' greift vlO auf v4 zurück. In vlOb will sich der Verfasser von denen distanzieren, die die Unheilsankündigung des Arnos (v4) für falsch halten. Er drückt damit aus, daß er sich mit Arnos auf einer Linie weiß. Dem möglichen Vorwurf, eine andere Botschaft als Arnos zu verkünden, will er in vlOb möglicherweise prophylaktisch entgegentreten, indem er all denen Unheil ansagt, die die Richtigkeit der Gerichtsankündigung bestreiten. Der Redaktor schließt sich also den Gerichtsankündigungen des Arnos an, interpretiert sie jedoch so, daß sie einen neuen Sinn erhalten. 20 Der Prophet des 8.Jh.s kündigt den Untergang des ganzen Volkes an. Nicht einmal die Gerechten, die in 2,6 und 5,12 als Opfer der angeprangerten Unterdrücker erscheinen, werden ausgenommen. 21 Der Redaktor hält an der Gerichtsankündigung des Arnos fest. Am Kommen des Gerichts kann kein Zweifel bestehen! Jedoch - und hier kommt die tröstende Stimme eines Seelsorgers zu Wort - wird dieses Gericht nur die Sünder treffen. Damit erscheint die Botschaft des Arnos in einem neuen Licht, denn auch die Gerichtsankündigung des Propheten gilt jetzt nur noch den Sündern. Sie wird zu einer Gerichtsankündigung, die Heil nicht mehr ausschließt. Dieses wird denen zuteil, die keine Sünder sind. Von daher ist es nur konsequent, daß man später vi 1-15 anfügte, um die in v8b-10 implizierte Heilsmöglichkeit zu explizieren.22 Für vi 1-15 hat v8b10 dabei die Funktion eines Vorzeichens. Nach v8b-10 können die Heilsschilderungen von vi 1-15 nur denen gelten, die keine Sünder sind. Der

20

Vgl. Nogalski, Precursors 102-104.

21

Vgl. Fendler, Sozialkritik 52; Schmidt, Rechtfertigung 159-161. Anders K. Koch, Die Profeten I. Assyrische Zeit (UTB 280), Stuttgart u.a. 1978, 55; Zenger, Botschaft 399406; Fleischer, Menschenverkäufer 416; nach ihnen kündigt Arnos nicht dem ganzen Volk Unheil an, sondern nur den Adressaten seiner Anklagen, also den Unterdrückern; vgl. dagegen die berechtigte Kritik von W. Groß, Prophet gegen Institution im alten Israel?, ThQ 171 (1991), 15-30, 20 Anm. 15; W. Thiels Rezension zu Fleischer, Menschenverkäufer, BZ 36 (1992), 131-135, 134f.

22

Vgl. Kellermann, Amosschluß 171ff.

18

I. Textuntersuchungen

Schluß des Amosbuches kündigt also in v8b-15 eine Trennung von Sündern und Nicht-Sündern an. Die Sünder des Volkes Jahwes fallen dem von Arnos angekündigten Schwert zum Opfer, die Gerechten sehen dagegen einer Heilszeit entgegen. So hat auch das Buch des Propheten, der sich am vehementesten gegen jede Heilserwartung wendet (5,18-20), einen heilvollen Ausblick erhalten. Dabei wurde an der Gerichtsbotschaft des Arnos grundsätzlich festgehalten, die Grundsätzlichkeit dieser Gerichtsbotschaft jedoch aufgegeben. Zusammenfassung: Der redaktionelle Text Arnos 9,8b-10 bezieht die Gerichtsbotschaft des Arnos auf die Gruppe der Sünder, um den Gerechten Heil ansagen zu können. Israel wird gesiebt werden. Die Sünder werden dann durch das von Arnos angekündigte Schwert getötet. Die Gerechten bleiben dagegen - das ist impliziert - verschont.

Jesaja 29,17-21 17 Ist es nicht nur noch eine kleine Weile? Dann wird der Libanon zur Plantage verwandelt und der Karmel als Wald betrachtet. 18 Und an diesem Tag werden die Tauben die Worte des Buches hören und die Augen der Blinden frei von Dunkelheit und Finsternis sehen. 19 Und die Elenden werden vielfältige Freude an Jahwe haben und die Armen von den Menschen über den Heiligen Israels jubeln. 20 Denn der Gewaltherrscher ist am Ende und Schluß ist mit dem Spötter und ausgerottet werden alle, die auf Schlechtes lauern, 21 die von den Menschen, die durch eine Sache zur Sünde verführen und die dem Schlichter im Tor nachstellen und die den Gerechten für Nichtiges beugen.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

19

Mit der Frage, was in Bälde geschehen soll, leitet vl7aa eine neue Einheit ein.1 V17aß-21 bieten eine Antwort, die sich in zwei Teile gliedert. Der Zukunftsschilderung vl7aß-19 folgt in v20-21 eine durch

Ί

3

'denn' eingeleitete Begründung. Die verdorrte Natur wird in neuer Üppigkeit aufblühen (vl7). 2 Taube werden hören und Blinde sehen, was angesichts des hier aufgenommenen Kontexts v9-12 (vgl. v24) bedeutet, daß die Zeit der Verstockung zu Ende ist (vl8). 3 In der damit beschriebenen Heilszeit werden die Elenden und Armen unter den Menschen über Jahwe jubeln (vl9). Der 1 3-Satz v20f erklärt, daß das Aufleben der verdorrten Vegetation und der leidenden Menschen möglich ist, weil alle Sünder vernichtet sind. Ihr Ende geht der in vl7aß-19 beschriebenen Heilszeit voraus. V22-24 knüpfen mit f ? ^ 'deswegen' an vi7-21 an. Einer einleitenden Botenformel folgt eine Jahwe-Rede, aus der allerdings v23b(.24?) herausfällt. Dem Haus Jakob wird eine Heilszeit verheißen. Sie werden den Heiligen Jakobs heiligen und, nachdem der irdische Gewaltherrscher (Ρ"'~ΙΪ) vergangen ist (v20), den Gott Israels als Herrscher anerkennen (yWhiph). Die Verse, die in sich keineswegs einheitlich sein müssen (v22-23a*.24 + v23b oder v22-23a* + v23b-24), sind in ihrem Grundbestand wohl als eine Fortschreibung von vl721 anzusehen,4 welche die Naherwartung dieser Verse durch doppeltes HFIÖ 'jetzt' steigert. Dabei ist von der für vl7-21 zentralen Gegenüberstellung 'Elende - Sünder' nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil, das Volk ist, indem viermal von Jakob/Israel gesprochen wird, betont als Einheit gesehen. Dem Heilswort für die Gerechten folgt also ein Heilswort für das Haus Jakob. Neben dieser Differenz spricht für die redaktionelle Herkunft der Verse, daß, wenn v22-24(*) vom selben Verfasser wie vl7-21 stammen, nicht einzusehen ist, warum dieser den Text erst ab v22 als Gottesrede formuliert hat.

1

Procksch (ΚΑΤ 1930), Watts (WBC 1985), Oswalt (NICOT 1986) und Beuken (Perversion 43) sehen den Anfang der Einheit in vl5. Vgl. dagegen Vermeylen, Prophöte 406.

2

Nach Fohrer (ZBK 1962; vgl. Duhm, HK 41922) wird der Karmel zu unfruchtbarem Bergland (vl7b), nach Oswalt (NICOT 1986) der Libanon zu einem Acker (vl7aß) degradiert werden. In beiden Fällen wird vl7 antithetisch verstanden. V18-21 entsprechend sei von Erhöhung und Erniedrigung die Rede. Ausweislich der zitierten Stelle Jes 32,15 ist jedoch kaum zu erwarten, daß in vl7 eine Verschlechterung angekündigt wird; vgl. Wildberger, BK 1982.

3

Vgl. Beuken, Perversion 56-59. Clements (NCeB 1980) versteht 'Taube' und 'Blinde' nicht metaphorisch. Es gehe in vl8 weniger um das Ende der Verstockung, sondern vor allem um die Heilung von Behinderten. Nach Kaiser (ATD 21973) und Wildberger (BK 1982) handelt es sich bei den Tauben und Blinden um eine von den Armen wie von den Gewalttätern zu unterscheidende dritte Gruppe.

4

Vgl. Wildberger, BK 1982.

20

I. Textuntersuchungen

Jes 29,19-21 beschreibt das unterschiedliche Ergehen zweier Gruppen. Auf der einen Seite stehen die Armen, auf der anderen die Gewalttäter. Diese Gegenüberstellung wird durch die beiden parallelen partitiven Wendungen DTK 'O'PIK 'die Armen unter den Menschen' (vi9) ι und DTK "ιΚ" ΒΠη 'die zur Sünde Verführenden unter den Menschen' T T ·· ' -

(v21) prägnant hervorgehoben.5 Wer ist mit diesen Bezeichnungen gemeint? Der Text dürfte sich einerseits auf einen aktuellen, historisch für uns jedoch nicht mehr greifbaren sozialen Konflikt beziehen. Indem die gegenübergestellten Personen nämlich als brutale, das Recht beugende Gewaltherrscher bzw. als Elende und Arme charakterisiert werden, erscheinen sie als Angehörige von Ober- und Unterschicht.6 Zugleich weist der Text andererseits über jede spezielle Situation hinaus, indem er die Gegner gerade nicht als historisch einmalige Personen beschreibt oder namentlich benennt, sondern als Gerechte und Sünder darstellt. Mit der Wendung f l »

'alle, die auf Schlechtes lauern' zeigt v20b

nämlich, daß es nicht nur um die Vernichtung einer brutalen Oberschicht geht, sondern um das Ende aller Sünder.7 Auch bei den Elenden und Armen handelt es sich dann nicht einfach um die Angehörigen einer so5

Meist betrachtet man die Constructus-Verbindung in v21 als gen. obj.: 'die, welche Menschen zur Sünde verleiten'. Angesichts der Wiederholung von DTK- 'des Menschen' aus vl9 wird man die Constructus-Verbindung in v21 jedoch eher wie in vl9 partitiv verstehen müssen. Umgekehrt sollte man der Verbindung in vl9 angesichts von v21 keine superlativische Bedeutung 'die ärmsten Menschen' geben (so allerdings GKa § 133h). Nur ein partitives Verständnis der Constructus-Verbindung wird der Parallelität der Formulierung in beiden Versen gerecht.

6

Nach Albertz (Religionsgeschichte 553) stammt der Text "eindeutig aus einem prophetisch orientierten Unterschichtszirkel", der beanspruchte, das wahre Israel zu sein, und den unsolidarischen Teil der Oberschicht (vgl.u.S. 250f) nicht zum Gottesvolk zählte. Procksch (ΚΑΤ 1930), der v20 Jesaja zuschreibt, bezieht y~lV 'Gewalttäter' auf die Assyrer.

7

Schon f^? 'Spötter' mag wie in Ps 1 den Typos des Frevlers bezeichnen. Möglicherweise ist auch v21aa ähnlich wie v20b zu verstehen. Weil sich die beiden folgenden Stichen auf juristische Mißstände beziehen, postuliert man für ΝΏΠ hiph in Jes 29,21 unter Verweis auf SEH hiph 'für schuldig erklären' oft die ansonsten nicht belegte deklarative Bedeutung 'zum Sünder erklären'. Μ. E. ist die Annahme einer juristischen Sonderbedeutung nicht nötig. Die übliche Übersetzung 'zur Sünde verleiten' ist auch in v21 sinnvoll. V20f gliedert sich dann in 3 Zeilen: 1. Gewaltherrscher und Spötter v20aa 11 v20aß; 2. Sünder und Verführer v20b 11 v21aot; 3. juristische Mißstände v21aß 11 v21b.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

21

zialen Schicht. Die beiden Begriffe sind vielmehr auch im Sinne der Psalmensprache zu verstehen und auf die Frommen zu beziehen. V19-21 stellen also den Typos des leidenden Frommen und den des Unterdrückers einander gegenüber, und die Verse mögen dabei eine innergemeindliche Konfliktsituation im Blick haben. Ob der Verfasser, wenn er von Menschen (DIN) spricht, nur an Israel denkt oder einen weltweiten Horizont vor Augen hat, läßt sich kaum sagen. Jes 29,17-21 wird zu Recht meist als Zusatz betrachtet.8 Vl-16 bilden eine von zwei Wehe-Rufen (vl,15f) gerahmte Komposition, die Jerusalem Unheil ansagt. Dabei ist die ganze Stadt und ihre ganze Bevölkerung im Blick. V17-21 heben sich davon mit ihrer Unterscheidung von Frommen und Sündern deutlich ab. Das Unheil trifft hier nur die Sünder, den leidenden Frommen wird dagegen Heil angesagt. Es dürfte sich bei vl7-21 nicht um einen ursprünglich selbständigen Text, sondern um eine im Blick auf den Kontext verfaßte Fortschreibung handeln. Dafür sprechen die vielfältigen Bezugnahmen auf den engeren und weiteren Kontext.9 Die Einleitungsfrage v77aa zitiert mit "ISTD ÜPÖ "TiS 'noch eine kleine Weile' Jes 10,25 und nimmt dabei inhaltlich die Naherwartungsaussage von 29,5bß auf. Des weiteren zitiert vl7 Jes 32,15: ΠΕ?ΓΡ Ί ϊ banBHI ... '... zum Karmel, und der Karmel wird als Wald betrachtet werden'. Die Zitierung dieser Stelle mag auf dem Einfluß von vl6 beruhen. Da sich die Form 2$ΓΡ 'er wird betrachtet werden' im Jesajabuch nur in 29,16.17; 32,15 findet, könnte vl6 dem Verfasser von vl7 mit 2Ε7ΓΡ ein Stichwort gegeben haben, das diesen zur Zitierung von 32,15 inspirierte. Er nahm die Stelle auf, um die kosmische Dimension der Heilszeit hervorzuheben. V18 greift mit 'Dunkelheit' und ΠΝ~Ι 'sehen' Worte aus vl5 auf, bezieht sich inhaltlich jedoch eher auf v9-12. Dort erklärt der Prophet, daß Jahwe die Augen des Volkes verschlossen hat und es deswegen die Worte des Buches (Ί20ΓΙ v l l ) nicht versteht. Dieser Zustand wird in der angekündigten Heilszeit aufgehoben. Man wird sehen und die Worte des Buches ("ISO "H2T vl8) begreifen. V19 nimmt mit 'fortsetzen' ein Stichwort aus vi.14 auf. V20 gebraucht wie v5

8

Vgl. Duhm, HK 41922; Fohrer, ZBK 1962; Kaiser, ATD 21973; Clements, NCeB 1980; Wildberger, BK 1982; dagegen Oswalt, NICOT 1986. Vermeylen (Prophete 407f.726. 738) unterscheidet zwei Schichten. V17-18.22-24 stamme aus der zweiten Hälfte des 5. Jh.s, und vl9-21 sei ein um 400 v.Chr. entstandener Zusatz. Procksch (ΚΑΤ 1930) schreibt vl5f.19-20.22-23a.24 Jesaja zu, Beuken (Perversion 63) vl5-24 einem Redaktor.

9

Vgl. Fohrer, ZBK 1962; Vermeylen, Prophfete 407; Wildberger, BK 1982; Beuken, Perversion 53-55.

10

Diese Constructus-Verbindung begegnet im Jesajabuch nur in 29,11.18.

22

I. Textuntersuchungen

das Nomen f n » 'Gewalttäter'. Dabei entspricht das parallele yb 'Spötter' (vgl. 28,14.22) dem Begriff "TT 'Vermessener' in v5, falls der Text dort entsprechend zu ändern ist.11 Ein Unterschied zwischen den Versen besteht allerdings darin, daß v5 der Jerusalemer Oberschicht im Kontext einer die ganze Stadt betreffenden Gerichtsansage den Untergang ankündigt, v20f sich jedoch nur gegen die ids Teilgruppe verstandenen Sünder wendet. V21 bezieht sich mit Κ tan 'sündigen' vielleicht auf 30,1, also auf den Vers, der dem Verfasser von 29,17-21 möglicherweise als unmittelbare Fortsetzung vorlag.

Welche Intention verfolgt der Zusatz Jes 29,17-21? Die Verse geben der voranstehenden Gerichtsankündigung einen neuen Bezug. Das Gericht wird nicht alle treffen, sondern nur die Sünder. Damit will der Verfasser die Elenden und Frommen trösten. Das richtende Handeln Jahwes wendet sich nicht gegen sie, sondern dient letztlich dazu, eine Heilszeit heraufzuführen, in der sie nicht mehr von irgendwelchen Übeltätern bedrängt werden.12 Zusammenfassung: In Jes 29,17-21 findet sich eine Fortschreibung der Gerichtsankündigung von vl-16. Der Redaktor interpretiert diese Gerichtsankündigung als Ankündigung eines Läuterungsgerichts, bei dem die Sünder vernichtet werden. Für die Frommen wird dagegen eine eschatologische Heilszeit beginnen.

Zephanja 2,1-3.4-7.8-11; 3,11-13 Es kann an dieser Stelle nicht darum gehen, ein Gesamtbild der literarischen Schichtung des Zephanjabuchs zu entwerfen. Die vorliegende Untersuchung will nur zeigen, daß es im Zephanjabuch mit 2,3. 7.9b und 3,11-13 eine Schicht gibt, die den Gerechten Heil, den Sündern dagegen Unheil ansagt. Die Frage, ob die dieser Redaktionsschicht vorliegende Grundschicht des Zephanjabuchs bereits in sich mehrschichtig ist, kann ebenso offen bleiben wie die Frage nach späteren Überarbeitungen. 11

Zur Lesart s.u.S. 99-101.

11 Beuken (Perversion 43-64) versteht vl5-24 als einen einheitlichen Zusatz, der dem ganzen Haus Jakob (v22) Heil ansagt. 'Libanon' sei als Metapher für die Stolzen von vl5f zu verstehen (S. 52). Sie würden wieder in ein fruchtbares Feld verwandelt werden. Perversion reverted! Die Heilsankündigung gelte folglich Unterdrückten und Unterdrückern.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

Zeph 2 1 Sammelt euch Stoppeln und sammelt Stoppeln, Volk, das sich kein Silber bricht, 2 bevor der Beschluß geboren wird - wie Spreu vergeht ein Tag -, bevor die Glut des Zornes Jahwes über euch kommt, bevor der Tag des Zornes Jahwes über euch kommt! 3 Sucht Jahwe, all ihr Demütigen des Landes, die sein Recht tun! Sucht Gerechtigkeit, sucht Demut! Vielleicht werdet ihr verborgen am Tag des Zornes Jahwes. 4 Denn Gaza wird eine Vergessene sein und Askalon zu einer Verlassenen werden und Aschdod, am Mittag vertreibt man sie, und Ekron wird geeggt werden. 5 Wehe, ihr Bewohner des Landstrichs des Meeres, Volk der Kreter, das Wort Jahwes ergeht über euch: "Kanaan, Land der Philister, und ich werde dich ausrotten, daß es keinen Bewohner gibt. 6

Und du, Landstrich des Meeres, wirst sein Weiden,

Auen der Hirten und Koppeln des Viehs."

7 Und der Landstrich wird dem Rest des Hauses Juda gehören, auf ihnen werden sie weiden, in den Häusern Askalons werden sie lagern am Abend, denn Jahwe, ihr Gott, wird sich um sie kümmern und ihr Geschick wenden. 8

"Ich habe das Schmähen Moabs gehört und die Lästerworte der Ammoniter, die mein Volk verschmähten und gegen sein Gebiet großtaten."

9 Deswegen, so wahr ich lebe, Spruch Jahwe Zebaoths, des Gottes "Ja, Moab wird wie Sodom werden und die Ammoniter wie Gomorra,

Israe

24

I. Textuntersuchungen ein Ort der Distel und eine Grube des Salzes und eine Einöde für immer.

Der Rest meines Volkes wird sie plündern, und das Überbleibsel meiner Nation wird sie besitzen." Zeph 3 11

An diesem Tag: Nicht wirst du zuschanden wegen all deiner Untaten, mit denen du gegen mich gesündigt hast. Ja, dann werde ich aus deiner Mitte entfernen deine überheblichen Prahler. Und du wirst nicht fortfahren, weiter hochmütig zu sein auf meinem heiligen Berg.

12

Und ich werde als Rest in deiner Mitte ein Volk lassen, demütig und gering. Und beim Namen Jahwes wird Zuflucht suchen

13

der Rest Israels. Er wird kein Unrecht tun, und keine Lüge reden, und in seinem Mund wird nicht gefunden eine Zunge des Trugs. Ja, er wird weiden und sich lagern, und da ist niemand, der aufschreckt.

1. Zeph 3,11-13 Der mit Ν^ΠΠ Di

'an diesem Tag' eingeleitete1 Text hebt sich

durch die Anrede an eine 2. Pers. fem. Sing, vom unmittelbar Voranste-

1

Elliger ( A T D 41959; vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 213; Ihromi, cAmm 106) hält Di "3 Ν^ΠΓΙ aus metrischen Gründen für einen Zusatz. Da die Einleitungsformel jedoch auch außerhalb des Metrums stehen kann (vgl. vl6; Jes 12,1), muß sie nicht sekundär sein. Aber selbst wenn man einen metrischen Überhang nicht für ursprünglich halten will, kann man statt ΝίΠΠ Di "3 mit gleichem Recht auch den Relativsatz von vlla als sekundär betrachten.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

25

henden ab.2 Er endet mit vl3, da in vl4 eine Reihe von Imperativen einen Neueinsatz markiert. Der Text wird in v l l a von einer überschriftartig vorangestellten Heilszusage eröffnet. Das angeredete Jerusalem soll trotz all seiner Sünden nicht zuschanden werden. Vllb-13 expliziert diese Zusage. Gesündigt hat nicht, wie man nach der Formulierung von v l l a zunächst meinen könnte, die Stadt als Ganze, sondern nur eine Gruppe in ihr. Vllb-13 gliedert sich in zwei Teile. V l l b erläutert das vernichtende, vl2-13 das rettende Handeln Jahwes. Die beiden einander antithetisch gegenüberstehenden Abschnitte werden jeweils von einem Satz eröffnet, in dem Jahwe Subjekt ist (viIba; 12a), ehe dann die Konsequenzen des göttlichen Eingriffs geschildert werden. Jahwe wird die überheblichen Prahler aus der Mitte Jerusalems beseitigen, so daß es auf dem Zion keinen falschen Stolz mehr geben wird. Umgekehrt heißt das, daß Jahwe die Demütigen in der Mitte Jerusalems als Rest übriglassen wird, so daß sie dann in Gerechtigkeit und Frieden leben werden. Dieser klare Gedankengang weist Zephanja 3,11-13 als in sich einheitlichen Text aus.3 Als Ganzes hebt sich der Text jedoch von der 2

Vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 35; Irsigler, Gottesgericht 149-151.156f. Nach Elliger (ATD 41959; vgl. Horst, HAT 1938) beginnt der Text mit v9. Diese Auffassung beruht jedoch auf einer unnötigen Textänderung in v9a; vgl. Steck, Zef 3,9-10, 90-95.

3

Man mag erwägen, ob es sich bei vl2b-13aa um einen Zusatz handelt, weil hier von Jahwe in der 3. Pers. die Rede ist, während vll-12a als Jahwe-Rede formuliert sind (vgl. Ihromi, Amm 102-115). Da die Zeile ansonsten jedoch gut in den Kontext paßt, wird man sie für ursprünglich halten können (vgl. Elliger, ATD 41959; Irsigler, Gottesgericht 145f.l56f; Edler, Kerygma 219f). In vi3a hält Edler (Kerygma 90f.l09f) "PtnEP ΓΤΠΝψ 'der Rest Israels' für eine nachexilische Glosse, die den in vl2 erwähnten Rest mit den als 'Rest Israels' bezeichneten Exilierten identifizieren wolle. Erstens spreche Zephanja nie von 'Israel' (2,9; 3,14.15 sind sekundär), sondern nur von Juda oder Jerusalem und zweitens finde sich der Begriff 'Rest Israels' erst in exilisch-nachexilischer Zeit. Das statistische Argument Edlers überzeugt nicht, da von Juda oder Jerusalem nur in 1,4.12 die Rede ist und damit die für ein statistisches Argument notwendige breite Basis an Belegstellen fehlt. Das zweite Argument hat nur Gewicht, wenn man mit Edler davon ausgeht, daß der Grundbestand von vll-13 von Zephanja und damit aus vorexilischer Zeit stammt. Diese Voraussetzung ist m.E. nicht zutreffend. VI3b hält Edler (Kerygma 97f; vgl. Horst, HAT 1938; Deissler, NEB 1988) für sekundär, weil das Bild vom Weiden und Lagern in 2,7 und 2,14 anders gebraucht werde und weil vl3a mit dem Thema 'rechter Lebenswandel' eine andere Tradition aufnehme als vl3b, wo es um die friedvolle Existenz gehe. V l l - 1 3 sind zwar auch ohne

26

I. Textuntersuchungen

Grundschicht des Zephanjabuchs ab.4 Mit Ν^ΠΓΙ Di

verweist v l l auf

den Tag, von dem zuletzt in 3,8, vor allem aber in 1,7-2,3 die Rede war. Was an diesem Tag, dem Tag Jahwes, geschieht, wird dort ganz anders beschrieben als in 3,11-13. Dort ist es ein Tag des Zorns, der Not und der Bedrängnis, kurz, ein Tag des uneingeschränkten Gerichts, an dem Jahwe sich gegen ganz Juda und alle seine Bewohner wenden wird (1,4.18; 3,8). In 3,11-13 wird dieses Gericht eingeschränkt. Hier wird zwischen Stolzen und Demütigen unterschieden. Ein Tag der Vernichtung ist der Tag Jahwes nur für die Stolzen. Für die Demütigen, die Jahwe übrig läßt, beginnt mit diesem Tag dagegen die Heilszeit. Zeph 3,11-13 enthält also eine ganz andere Vorstellung vom Tag Jahwes als das übrige Zephanjabuch.5 Daß es sich bei dem Text nicht um eine ursprünglich selbständige Einheit, sondern um eine Fortschreibung des Voranstehenden handelt,

vl3b sinnvoll, die sekundäre Herkunft von vl3b läßt sich jedoch kaum wahrscheinlich machen. Eine Differenz gegenüber 2,7 ergibt sich allenfalls, wenn man dort nur die 2. Zeile (nach Druckbild BHS) zur Grundschicht zählt (dagegen s.u.S. 33 Anm. 31) und folglich 'Rest des Hauses Juda' nicht für das ursprüngliche Subjekt der Verben des Weidens hält. Gegenüber 2,14 besteht sicherlich eine Differenz: Subjekt Tiere - Subjekt Menschen; Verlassenheit - Friedenszeit. Fraglich ist jedoch, ob es sich bei dieser Differenz um eine literarkritisch auszuwertende Spannung handelt. Selbst wenn man dies annimmt, zeigt diese Spannung nicht, daß vl3b gegenüber vll-13a sekundär ist, sondern allenfalls, daß vl3b von einer anderen Hand stammt als 2,14. Auch die unterschiedlichen Aspekte von vl3a und vl3b müssen sich m.E. keineswegs widersprechen, sondern ergänzen sich bestens (vgl. Irsigler, Gottesgericht 153). Nach Ihromi (Amm 102-115.133-139.144-152) gehören nur vi Iba. 12a zum Grundbestand. Der als Gerichtswort anzusprechende Text stamme von Zephanja. Er sei zunächst um vllaß.bß und dann um vl2b-13 erweitert worden. Vllaot sei der redaktionellen Überarbeitung des Zephanjabuchs zuzuschreiben. 4

Vgl. Loretz, Zephanja 226; Langohr, Livre 23f; Hausmann, Rest 190-192; Seybold, ZBK 1991; ders., Prophetie 17.95f; Nogalski, Precursors 202f; dagegen Budde, Bücher 396f; Renaud, Livre 20.

5

Edler (Kerygma 219-228) erklärt die von ihm keineswegs geleugnete "Spannung" (221) gegenüber der im Zephanjabuch ansonsten geäußerten Jahwe-Tag-Vorstellung mit einer Änderung der Situation. Die Gerichtsbotschaft sei "bei einigen Zuhörern auf fruchtbaren Boden gefallen" (221). Diesen zur Umkehr gelangten Menschen verheiße Zephanja nun Schonung. Scharbert (Zephanja 246f) begründet den Umschwung in der Verkündigung Zephanjas mit der Josianischen Reform: "Nachdem er (sc. Zephanja) längere Zeit hindurch nur das Gottesgericht ... angekündigt hat ..., merkt er auf einmal, daß doch nicht alles für den Jahweglauben verloren ist."

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

27

zeigen das auf v8 verweisende Demonstrativum in der Wendung 'an diesem Tag' (vll) sowie einige Stichwortaufnahmen. V l l bezieht sich mit 'alle deine Untaten' auf v7.6 von Während der Verweis auf die Untaten dort jedoch, wie das ] zeigt, der Begründung der Gerichtsankündigung dient, wird dem in v l l angeredeten Jerusalem gesagt, daß es trotz all seiner Untaten nicht zuschanden werde. Mit Τ "^S? 'Prahler' greift v l l auf 2,15 zurück. Während sich der Begriff dort auf Ninive bezieht, gilt er hier einer Gruppe in Jerusalem. V l l b und 12a nehmen mit DTp 'Mitte' auf v3 Bezug.7 Dabei erhält die Rede von der Mitte in vllf eine neue Funktion. Wenn v3 nämlich davon spricht, daß die Fürsten in der Mitte Jerusalems brüllende Löwen sind, so soll damit im Kontext ausgedrückt werden, daß die Schlechtigkeit Jerusalems im Zentrum der Stadt sitzt. Der Text will damit unterstreichen, wie verdorben das Ganze ist. Anders vllf! Die Schlechtigkeit des Zentrums zeigt hier keineswegs, daß das Ganze verdorben ist. Jahwe wird vielmehr das Verdorbene aus der Mitte entfernen und vernichten.8 Übrig bleiben dann in der Mitte die Demütigen und Geringen, für die jetzt eine Heilszeit beginnen wird. 2. Zeph 2,1-3 Die beiden ersten Zeilen von Zeph 2,1-3 bieten eine Reihe von philologischen Problemen: 1) Was bedeutet töttfp in den nur hier belegten Stämmen qal und hitpl Meint das Verb in Zeph 2,1 ein innerliches Sich-Sammeln, das Sich-Versammeln einer Gruppe,9 oder bedeutet es 'für sich Stroh sammeln'? Wieviel an der Beantwortung dieser Frage für das Gesamtverständnis des Propheten Zephanja liegt, wird bei Edler deutlich.10 Er versteht Btip im spiritualisierten Sinne von 'sich sammeln', 'in sich gehen'. Die Aufforderung von 2,1 wäre demnach ein Umkehrruf: 'Geht in euch!', und Zephanja erscheint dann nicht mehr als radikaler Ankündiger eines unausweichlichen Gerichts, sondern als Umkehrprediger.

6 7

1 n"?·» τ ·?»-: + "73 findet sich sonst nur noch in Ez 21,29. ' Eine Bezugnahme auf v5.15.17 liegt nicht vor, da diese Verse wohl erst später zugefügt wurden.

8

Zu - η 0 hipIi + i n g n vgl. Ex 23,25; Jos 7,13; Jdc 10,16.

9

So Roberts, OTL 1991.

10

Edler, Kerygma 205-218.252-254; vgl. Ben Zvi, Book 138f.295f.

28

I. Textuntersuchungen

2) Was heißt niphl Ist es von t]D31 'abbrechen' oder von C]DD II 'nach etwas verlangen' abzuleiten? Ohne die Fülle der vorgeschlagenen Interpretationen und Emendationen 11 im einzelnen zu diskutieren, sollen zu beiden Fragen folgende Überlegungen angestellt werden: 1) Das von E)|? 'Stroh' abzuleitende Verb ttflöp meint, wie die pol-Belege zeigen, ein ganz spezielles Sammeln, nämlich das Sammeln von Stroh und Kleinholz. Daß ausgerechnet dieses Wort hier gewählt worden sein soll, um allgemein '(sich) versammeln' auszudrücken, ist angesichts der dafür im Hebräischen zur Verfügung stehenden geläufigen Wörter unwahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich ist, daß das von seiner Wurzel her äußerst konkrete Verbum BE?p im hitp die spiritualisierte Bedeutung 'sich sammeln', 'in sich gehen' haben soll.12 Es liegt viel näher, ϋϋρ auch in Zeph 2,1 in dem konkreten Sinn 'Stoppeln sammeln' zu verstehen. Im hitp hieße es dann 'für sich Stoppeln sammeln' (vgl. GKa § 54f). Die Verbindung von imp. hitp und imp. qal dient der Intensivierung (vgl. Jes 29,9; Hab 1,5). 2) f|D3 II qal/niph 'nach etwas verlangen' steht immer mit einem durch eingeleiteten Objekt (Ps 17,12; Hi 14,15; Gen 31,30; Ps 84,3). Das Fehlen eines solchen Objekts in Zeph 2,1 spricht gegen eine Ableitung der dortigen Verbform von η03 II. 13 Für eine Verbindung mit fjOD I 'abbrechen' spricht hingegen folgende Überlegung: Dieses Verb ist etymologisch mit dem Nomen C|03 'Silber' verwandt. In Zeph 2,1 finden sich also mit E]D3 I und tÖtÖp zwei seltene Verben, die jedoch beide mit geläufigen Nomen der Alltagssprache zusammenhängen, nämlich mit 'Stroh' und t|03 'Silber'. Das erste Nomen bezeichnet einen völlig wertlosen, das zweite hingegen einen sehr wertvollen Gegenstand. Damit ergibt sich für Zeph 2,1 eine antithetische Entsprechung: Stroh - kein Silber. Auf die Verben bezogen lautet die Entsprechung: 'sich Stroh sammeln' - 'sich kein Silber abhacken'. Beide Verbformen bezeichnen die Armen, die Stroh sammeln müssen und über kein Silber verfügen.15 Wenn man die Verben von den genannten Nomen her versteht, ergibt sich also ein sinnvoller Text. Zum einen beleuchten sich die Verben in ihrer antithetischen Entsprechung gegenseitig und zum anderen paßt die Rede von den Armen sehr gut in den Kontext, nachdem zuvor unter Verwendung des Nomens ^03 von den Reichen die Rede war (1.11.18).16

Die Prophetenrede Zeph 2,1-3 hebt sich vom Voranstehenden wie vom Folgenden durch die Anrede an eine 2. Pers. PI. ab. Inhaltlich ist der Text eher zum Voranstehenden zu ziehen, da es hier wie dort um Israeli-

11

Vgl. die Überblicke bei Irsigler, Gottesgericht 59-62; Roberts, OTL 1991; Ben Zvi, Book 137-143.

12

Vgl. Rudolph, ΚΑΤ 1975.

13

Vgl. dagegen Ben Zvi, Book 139f.l42f.

14

G. R. Driver, Babylonian and Hebrew Notes, WO 2 (1954-1959), 19-26, 25f; W. Eilers, Akkad. kaspum "Silber, Geld" und Sinnverwandtes, WO 2 (1954-1959), 322-337. Vgl. dagegen Κ. Η. Singer, Die Metalle Gold, Silber, Bronze, Kupfer und Eisen im Alten Testament und ihre Symbolik (fzb 43), Würzburg 1980,41-43.

15

Vgl. Seybold, Text 50-53; Albertz, Religionsgeschichte 304.

16

Vgl. Seybold, ZBK 1991; ders. Prophetie 36f.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

29

ten geht, ab v4 jedoch um Fremdvölker.17 Nachdem in 1,11 von dem reichen, Silber (η03) wiegenden Volk ( • ? ) der Händler die Rede war, wird jetzt das arme Volk C1 i 1) angesprochen, das über kein Silber verfügt (t]D3). Zu Kap. 2 wird vl-3 wegen des ^ 3 'denn' gezogen, das v4 einleitet und mit vl-3 verknüpft.18 Als Fortsetzung von vl-3 soll v4ff vielleicht die an Israel gerichtete Verheißung von v3 durch einen Verweis auf den Untergang der Nachbarvölker explizieren. Die Frommen werden aufleben (v3), da die Fremdvölker untergehen (v4ff).19 Zeph 2,1-3 gliedert sich in zwei Teile. Vif beginnt mit einer ironisch

20

zu verstehenden Aufforderung, der drei mit DTC02. 'bevor' einge-

leitete Nebensätze folgen. Die Armen sollen sich ihren Lebensunterhalt zusammenstoppeln und damit das tun, was sie eh immer tun, bis Jahwe seinen Beschluß in Bälde21 verwirklichen und sein Zorn auch über sie kommen wird.22 Die Armen werden also aufgefordert zur Tagesordnung überzugehen, da sie das bevorstehende Gericht nicht abwenden können. Dieses Gericht kommt über Reiche und Arme gleichermaßen. Den Reichen wird ihr Silber (^03) nichts nützen (1,11.18), und die, die kein Silber haben, können weiter Stoppeln sammeln, denn auch sie können nichts ändern. 17

Vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 192f.225f; Seybold, Prophetie 15f.87.

18

Nach Renaud (Livre 3) wird das Zephanjabuch durch die universalistischen Aussagen in 1,18 und 3,8 in drei Teile gegliedert: 1,2-18; 2,1-3,8; 3,9-20.

19

Vgl. u. S. 34f. Ball (Shape 155; Study 128f) betrachtet vl-7 als eine von einer Inklusio gerahmte Einheit (Figura etymologica in vl.7).

20

So auch Seybold, Prophetie 35-38. Vgl. Nötscher (EB 1948), Sabottka (Zephanja 61) und Ball (Study 117), die den Text allerdings jeweils in einem anderen Sinne verstehen.

21

Außer in l,15f, wo der Bezug auf den Tag Jahwes durch den Kontext gesichert wird, ist Di im Zephanjabuch immer (13mal) determiniert. Gemeint ist der Tag Jahwes. Da D i 1 in v2aß nicht determiniert ist, bezieht es sich nicht auf den Tag Jahwes. 'Wie Spreu vergeht ein Tag' soll wohl das schnelle Vergehen der Zeit bis zum Tag Jahwes ausdrücken; zu "Ol» mit Subj. Π ί 1 vgl. Gen 50,4; Ps 90,4; Hi 17,11; Est 9,28. Der Vergleich von v2aß drückt die Nähe des Jahwe-Tages aus und entspricht damit 1,7.14.

22

Gerleman (Zephanja 27f) trennt v2b-3 als selbständiges Mahnwort vom Kontext ab. Ehe der Zorn Jahwes kommt, solle man Jahwe suchen. Problematisch ist jedoch, daß die Reihe der D^IÜ2-Sätze auseinandergerissen wird und daß vl-2a, wie auch Gerleman zugesteht, nur ein "Fragment" (23) darstellt.

30

I. Textuntersuchungen

Selbst wenn diese Deutung von vi nicht zutreffen sollte, geht es in vif um die Unausweichlichkeit des Gerichts. Die von DT CD 3 'bevor' eingeleiteten Sätze erlauben weder Zweifel daran, daß das Gericht bevorsteht, noch daran, daß es über die Angeredeten ( Ü D ^ y ) kommt. Unabhängig von der Frage, zu was diese in vi aufgefordert werden, gilt demnach, daß sie, selbst wenn sie den Aufforderungen nachkommen, dem Gericht anheimfallen werden. Vif kündigt also die Unausweichlichkeit des Gerichts an.23 V3 bietet mit dem an den Anfang gestellten Imperativ und der Nennung der Angeredeten einen Neueinsatz, der vi im Aufbau entspricht. Die Demütigen,24 die Recht tun, werden dreimal aufgefordert, etwas zu suchen. Der überschriftartig vorangestellte Imperativ, Jahwe zu suchen, wird dabei in v3boc durch die Aufforderung, Gerechtigkeit und Demut 25 zu suchen, expliziert. Die als Demütige und Gerechte Angeredeten sollen weiterhin nach Demut und Gerechtigkeit streben.26 In v3bß folgt die Verheißung, daß sie dann vielleicht gerettet werden. V3 wird durch eine Inklusio zusammengehalten. Der Aufforderung, Jahwe zu 23

Vgl. dagegen Seybold (Text 53), nach dem das D^ÜS folgende N1? einen Hoffnungsschimmer ausdrückt. Nach GKa § 152y; HALAT handelt es sich jedoch um eine pleonastische Ausdrucksweise.

24

Zur spirituellen Bedeutung von Π 1 1J S in Zeph 2,3 vgl. L. Delekat, Zum hebräischen Wörterbuch, VT xiv (1964), 7-66, 44; Irsigler, Gottesgericht 67-70; und dagegen: Sabottka, Zephanja 65f; Lohfink, Zefanja 106-108; Deissler, NEB 1988. Nach Gorgulho (Zephanja 83) sind mit D"11 ganz konkret unterdrückte Landarbeiter gemeint. Zephanja, dessen Buch "eine Art Handbuch der Hoffnung der Armen" (92) darstelle, setze sich für diese Armen ein, indem er alle Machtstrukturen verwerfe, um zur egalitären Sozialstruktur der Stämmezeit zurückzukehren (85). In 2,3 spricht die Aufforderung, Demut zu suchen, für ein spirituelles Verständnis, da eine Aufforderung, materielle Armut zu suchen, unwahrscheinlich ist. Im Licht der Anprangerung von Hochmut in 3,11-13 und angesichts der Verwendung von ^ 3S in Parallele zu (vgl. Jes 10,2; 26,6; Ps 72,13; 82,3; Hi 34,28; Prov 22,22) wird man einen materiellen Akzent jedoch nicht ausschließen können. Zu m 3 J> 'Demut' vgl. S. B. Dawes, änäwä in Translation and Tradition, VT xli (1991)T, 38-48, 41f.

26

Daß die Demütigen aufgefordert werden, demütig zu sein, wird zuweilen als Problem angesehen. Rudolph (ΚΑΤ 1975; vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 257; Edler, Kerygma 18) löst es, indem er in v3 vor _l ?3 'alle' ein durch Haplographie ausgefallenes 3 einfügt: Die Angeredeten sollen so demütig werden, wie es alle Demütigen des Landes bereits sind. Vgl. dagegen Ben Zvi, Book 146.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

31

suchen, entspricht die Verheißung, am Tag des Zornes Jahwes vielleicht verschont zu werden. Bei v3 dürfte es sich um einen Zusatz handeln. 27 Erstens werden nicht mehr wie in vif die Besitzlosen, sondern die Demütigen angeredet. Mit der Wurzel Π3Ρ, die sowohl materielle Armut als auch eine demütige Haltung bezeichnen kann, nimmt v3 die Anrede von vi, die sich an die materiell Armen richtet, auf, deutet sie aber, wie die Aufforderung 'sucht Demut' zeigt, in einem spirituellen Sinne um. Angeredet sind jetzt nicht mehr die Armen, sondern die Demütigen. Zweitens hat das, was die Angeredeten von v3 tun sollen, mit dem, wozu vif auffordert, nichts zu tun. Die Aufforderung, etwas zu suchen, wird spiritualisiert. Nicht Stroh, sondern Jahwe soll man suchen. Drittens wird die in vif vorausgesetzte Unausweichlichkeit des Gerichts in v3 aufgehoben. Die Rede vom Tag des Zornes Jahwes wird in v3 aus v2 aufgenommen. Während nach v2 jedoch feststeht, daß der Zorn Jahwes über die Angeredeten kommt, vermittelt v3 den Angeredeten die Hoffnung, vielleicht doch verschont zu werden. Damit setzt v3 deutlich einen neuen Akzent. Die demütigen und frommen Verehrer Jahwes werden keineswegs unbedingt vernichtet werden. Für sie gibt es Hoffnung. Die Einschränkung der Gerichtsankündigung erinnert an 3,11-13.28 Auch dort wird die vorangegangene Gerichtsverkündigung begrifflich aufgenommen, aber um ihre Radikalität gebracht. In 3,11-13 wird dem demütigen und geringen Volk

^} ϊ DJ?) verheißen, daß es das

27

So auch Wellhausen, Propheten 153; Nowack, HAT 1897; Marti, KHAT 1904; Smith, ICC 31948; L. Delekat, Zum hebräischen Wörterbuch, VT xiv (1964), 7-66, 47 Anm. 5; Ihromi, Amm 139f; vgl. dagegen Renaud, Livre 11-14. Nach Seybotd (Prophetie 15f.37f.87; Text 49f.53f; Bildmotive 47) ist 2,1-3 sukzessive entstanden. An das Prophetenwort 2,l-2a seien zunächst v2b.3b und später v3a gehängt worden. V3a (Elliger, ATD 41959; Irsigler, Gottesgericht 113-117; Scharbert, Zephanja 242f; Seybold, Prophetie 16.98) bzw. v3aß (Deissler; NEB 1988) hält man zuweilen für sekundär, weil die an Demütige und Gerechte gerichtete Anrede nicht zu der Aufforderung passe, Demut und Gerechtigkeit zu üben (vgl.o.S. 30 Anm. 26). Sofern man nur v3aß als Zusatz betrachtet, wird die Spannung zwischen Anrede und Aufforderung, sofern sie v3aa betrifft, dadurch gelöst, daß man die Anrede sozial ('ihr Gedemütigten'), den Imperativ hingegen spirituell ('sucht Demut') versteht.

28

Vgl. Sellin, ΚΑΤ 1922, 387f.391; Krinetzki, Zefanjastudien 157.231; Scharbert, Zephanja 243f; Edler, Kerygma 90.228; Seybold, Prophetie 98; ders., Text 54.

32

I. Textuntersuchungen

kommende Gericht überstehen und in einer friedvollen Heilszeit leben wird.29 Außer in 3,12 findet sich die Wurzel Π 3 5? 'demütig' im Zephanjabuch nur zweimal in 2,3. Auch hier wird den Demütigen eine Heilsperspektive eröffnet. Ebenso wie in 3,11-13 wird betont, daß es sich bei den Geretteten um Menschen handelt, die fromm und gerecht sind. Sie werden in 3,12 als diejenigen charakterisiert, die sich zu Jahwe flüchten und kein Unrecht tun. Nach 2,3 werden allenfalls die verschont, die Jahwe suchen und Gerechtigkeit erstreben. Diese Verbindungen zwischen 3,11-13 und 2,3 lassen vermuten, daß beide Fortschreibungen zu ein und derselben Schicht gehören. 3. Zeph 2,4-7 Zeph 2,4-7 hebt sich als Fremdvölkerspruch gegen die Philister vom Kontext ab. Der überschriftartig vorangestellte v4 kündigt in vier kurzen, jeweils auf eine Philisterstadt bezogenen Stichen an, daß diese veröden werden. V5-6 beschreiben, wie diese Öde aussehen wird. Die Bewohner der reichen Städte werden verschwinden, und das Land wird nur noch von ärmlichen Hirten und ihren Kleinviehherden bevölkert werden. V5a setzt dabei mit einem Weheruf, der die Bewohner des Küstenstreifens, also die Philister, anredet, neu ein. Der Wehe-Ruf geht in die Ankündigung einer Jahwe-Rede über, welche in v5ba2.ß.6 zitiert wird. In dieser Rede sind nicht mehr die Bewohner der Gebiete, sondern die Gebiete selber angesprochen. Jahwe will dem Land der Philister die Bewohner nehmen (v5ba2.ß), und der Küstenstreifen soll zu einer Viehkoppel werden (v6; vgl. vl4; Jes 27,10). Der nicht mehr zur Jahwe-Rede gehörende v7 expliziert v6. Der Küstenstreifen soll nicht verwildern, sondern dem Rest des Hauses Judas übergeben werden, damit dieser Rest dort von Jahwe behütet friedvoll wohnen wird.30

Zum spirituellen Verständnis von "Oi* DV vgl.o.S. 30 Anm. 24. Ihromi (Amm 116-163) versteht die Wendung in einem materiellen Sinn und betont die Differenz gegenüber 2,3 (139f). 30

•ΓΡ'ΡΪ 'auf ihnen' bezieht sich auf Ο"1»1! ΓΠ3 'Auen der Hirten'; vgl. Gerleman, Zephanja 34; Ben Zvi, Book 160f. Zur Genus-Inkongruenz vgl. GKa § 135o. Die Änderung zu CPn -1 ?» 'am Meer' (Wellhausen, Propheten 153; Rudolph, ΚΑΤ 1975) oder DrP^S 'ihre Jungen' (Kselman, Note 581; Sabottka, Zephanja 80f) ist nicht nötig.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

33

Bei v7 dürfte es sich um einen Zusatz handeln.31 Das den großen philistäischen Stadtkulturen geltende Unheilswort, das diesen ankündigt, in ihren Gebieten würden nur noch Herden hausen, findet in v6 seinen Abschluß. V7 entwickelt gegenüber v4-6 eine völlig neue Thematik. Aus dem Unheilswort, das sich gegen die Philister richtet, wird ein Heilswort für den Rest des Hauses Juda. Durch die Aufnahme von Π">ΠΙ 'und sein τ τ : wird' + "?1Π 'Landstrich' knüpft v7 direkt an v6 an. Den Küstenstreifen stellt sich v7 jedoch anders als v4-6 nicht mehr als eine nur noch von Tieren bewohnte Einöde vor, sondern als ein neues Weideterrain für den Rest Judas. Das fruchtbare Philistergebiet soll ein blühendes Land bleiben, das jetzt allerdings dem Rest Judas gehört. V4-6 zielen also auf die Zerstörung des Küstenstreifens, v7 hingegen auf die Übereignung des Gebiets an Judäer. Von der Grundschicht des Zephanjabuchs, die den Tag Jahwes als umfassenden Gerichtstag ankündigt, unterscheidet sich 2,7 im Gebrauch des Verbs Ί ρ 3. Nur hier wird das Verb positiv im Sinne von 'sich kümmern um' gebraucht, in 1,8.9.12 hat es dagegen die negative Bedeutung 'heimsuchen'. V7 dürfte zu der Redaktionsschicht zu rechnen sein, zu der auch 2,3 und 3,11-13 gehören.32 2,7 ist wie 3,11-13 von Jesaja beeinflußt. Für 3,1113 zeigt sich das in der Vorstellung vom Rest sowie in der Polemik gegen 31

Vgl. Wellhausen, Propheten 153; Elliger, ATD 41959; Loretz, Textologie 224; Krinetzki, Zefanjastudien 107f.l95f; Irsigler, Gottesgericht 118-121; Deissler, NEB 1988; Seybold, ZBK 1991. Vgl. dagegen Gerleman, Zephanja 35f; Roberts, OTL 1991. Häufig hält man nur die 1. und 3. Zeile (nach Druckbild BHS) für sekundär (vgl. Nowack, HAT 1897; Marti, KHAT 1904; Duhm, Anmerkungen 96; Sellin, ΚΑΤ 1922; Horst, HAT 1938; Nötscher, EB 1948; Smith, ICC 31948; Rudolph, ΚΑΤ 1975; Langohr, Livre 14; Edler, Kerygma 84-86; Seybold, Prophetie 45-48; Renaud, Livre 14f; Hausmann, Rest 188; vgl. dagegen Roberts, OTL 1991). Dies mag zwar zutreffen, setzt aber einen unnötig komplizierten Redaktionsprozeß voraus; vgl. Elliger, ATD 4 1959; Irsigler, Gottesgericht 121.

32

Vgl. Irsigler, Gottesgericht 120; Seybold, Prophetie 98. Anders Ben Zvi (Book 237f. 307-309.321), der auf jede Suche nach echten Zephanjaworten verzichtet und die Abfassung des Prophetenbuchs einem exilischen Tradentenkreis zuschreibt, auf den auch 3,11-13 zurückgehe. Bei 2,5-7 handele es sich dagegen um eine etwas ältere, den Tradenten bereits vorliegende Einheit, welche mit 'Rest' vielleicht die Judäische Gemeinde kurz nach der Ermordung Gedaljas meine und aus dieser frühexilischen Zeit stamme.

34

I. Textuntersuchungen

die Stolzen. Auffällig ist die Wendung ^ΓΗΝΙ lichen Prahler' in 3,11. Sie nimmt Jes 13,3 auf.

'deine überheb-

33

bindet mit Jes 14,30 die ansonsten nur dreimal

34

Zeph 2,7 und 3,13 verbelegte parallele Ver-

wendung von p a i qal 'sich lagern' und Π Ϊ Ί qal 'weiden'. Auffällig ist, daß es dabei in Zeph 2,7 wie in Jes 14,30 um das Land der Philister geht. An beiden Zephanja-Stellen dienen die Verben dazu, die künftige Heilszeit auszumalen. Heilsempfänger ist in 2,7 wie in 3,12f der Rest Israels bzw. Judas. Um welche Personen es sich bei dem Rest des Hauses Juda handelt, wird in 2,7 nicht gesagt. Auf Grund von 3,12 wird man aber annehmen können, daß eine ethisch qualifizierte Gruppe gemeint ist, nämlich die Demütigen und Geringen, die bei Jahwe Zuflucht suchen.35 2,7 wandelt demnach die dem Philistergebiet geltende Unheilsansage von 2,4-6 zu einem Heilswort für die frommen Judäer um. Anders als in der Grundschicht des Zephanjabuchs vernichtet Jahwe die Judäer nicht völlig, sondern er nimmt die Frommen vom Unheil aus und überläßt ihnen als dem Rest seines Volkes das fruchtbare Gebiet der Philister. Redaktionell ist wohl auch das v4 einleitende wenn man es nicht deiktisch versteht,

36

3 'denn'. Es stellt,

eine Verbindung zu v3 her. Das

dort den frommen Israeliten in Aussicht gestellte Heil erfährt im Untergang der Nachbarvölker seine Konkretion. Die angeredeten Israeliten dürfen hoffen, weil O ? ) die feindlichen Nachbarvölker untergehen werden. 37 Der 2,7 beherrschende Gedanke, daß sich das Heil des Restes

Die genannte Constructus-Verbindung findet sich im AT nur an diesen beiden Stellen. 34

Jes 11,7; 27,10; Ez 34,14.

•3C

Nach Sweeney (Reassessment 404; vgl.u.S. 41 Anm. 58) sind mit dem Rest die Nachfahren der Überlebenden des Untergangs des Nordreichs 722 v. Chr. gemeint. Ihnen werde im Kontext der Josianischen Expansionspolitik Landbesitz angekündigt. 36

Vgl. ζ. B. Ben Zvi, Book 150.

37

Sellin (ΚΑΤ 1922; vgl. Sweeney, Reassessment 397) hält v4ff für eine Begründung der Mahnung: "Bessert euch ..., sonst wird es euch gehen wie den Völkern". Aber v4ff schließt nicht an vi oder v3a, sondern an v3b an, und Zumindestens v4-6 macht nicht deutlich, daß die Philister ein negatives Beispiel sind. Davon, daß sie untergehen, weil sie Gottes Mahnungen mißachtet hätten, ist nicht die Rede. Ball (Shape 160) vermittelt zwischen Sellins und der hier vertretenen Auffassung. V4 habe eine Achsenfunktion. Er sei einerseits eine Warnung, die vl-3 unterstützt, andererseits eine Vorbereitung für die Heilsankündigung von v5-7.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

35

Judas im Besitz fremder Gebiete konkretisiert, drückt sich also auch in der Verbindung zwischen vl-3 und v4-7 aus. Diese Verbindung oder zumindest das sie herstellende "'S dürfte deswegen von dem Redaktor stammen, der 2,7 verfaßt hat. Für vl-2 bzw. vl-3 bedeutet dies, daß die Verse aus inhaltlichen Gründen auf der Ebene des Grundtextes zu Kap. 1 gehören, daß sie aber auf der redaktionellen Ebene zu Kap. 2 zu ziehen sind.38 4. Zeph 2,8-11 Nach dem Fremdvölkerspruch gegen die im Westen wohnenden Philister, 2,4-7, wendet sich 2,8-11 gegen die im Osten siedelnden Moabiter und Ammoniter. V8-9 enthalten ein von Jahwe gesprochenes Gerichtswort. V8 nennt die Vergehen der östlichen Nachbarvölker. Sie haben das Volk Jahwes geschändet. In v9 folgt eine durch ] eingeleitete und als Jahwe-Schwur formulierte Gerichtsankündigung. Moab und Ammon werden zu einer Einöde verkommen. Der Rest des Volkes Jahwes wird sie plündern und in Besitz nehmen. Bei dem nicht mehr als Jahwe-Rede formulierten, prosaischen vlOf handelt es sich um einen zweiten Durchgang. V10 unterstreicht v8 wiederholend, worin das Vergehen Moabs und Ammons besteht, und v l l preist Jahwe, der gegen diese Völker furchtbar vorgehen wird und den am Ende alle Völker kniefällig verehren werden. VlOf sind vermutlich sukzessive an v8f angehängt worden.39 Da die Verse jedoch für die Untersuchung des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten nichts austragen, können sie hier unberücksichtigt bleiben.

Roberts (OTL 1991) betont den Einschnitt nach v3. V4 versetzt er hinter v5, so daß die neue Einheit mit einem Wehe-Ruf beginnt. "IQ

Zur Zugehörigkeit zu Kap. 2 vgl. M. O'Connor, Hebrew Verse Structure, Winona Lake 1980, 511f; Renaud, Livre 3; Sweeney, Reassessment 392f.397-399. Schunck (Juda 174f) setzt 2,1-3* von Kap. 1 ab, weil hier Juda, dort hingegen Gruppen in Jerusalem angesprochen seien. 39

Vgl. Elliger, ATD 41959; Gerleman, Zephanja 40; Rudolph, ΚΑΤ 1975; Irsigler, Gottesgericht 121-123.132f; Renaud, Livre 15f; Deissler, NEB 1988.

36

I. Textuntersuchungen

Innerhalb von v8f ist v9b wohl sekundär.40 Erstens ist hier anders als in v8 nicht mehr vom Volk Jahwes die Rede, sondern vom Rest des Volkes Jahwes. "ΊΒΪ 'mein Volk' wird aus v8 aufgenommen, aber auf "'QP ΓΡ ΊΝΕ) 'Rest meines Volkes' eingeschränkt. Zweitens hat v9b eine andere Zielrichtung als v9a. Die erste Hälfte von v9 kündigt an, daß Moab und Ammon ewige, nur Sodom und Gomorra vergleichbare Einöden werden. V9b erwartet demgegenüber nicht eine Verödung des Gebiets, sondern eine Übereignung an den Rest Israels. Dies sind zwei verschiedene Vorstellungen. Sie ließen sich allenfalls dadurch zur Deckung bringen, daß man annimmt, die Gebiete würden zuerst veröden und dann dem Rest Israels übergeben. Aber die Vorstellung, daß der Rest Israels, der hier betont Rest des Volkes Jahwes genannt wird, nur eine verdorrte Salzwüste als Erbland erhalten soll (®ΡΠ 3), ist so makaber, daß sie kaum die Absicht des Verfassers treffen wird. Wahrscheinlicher ist, daß es sich bei v9b um einen Zusatz handelt, der dem Rest Israels eine Heilsperspektive eröffnet, wie sie die Grundschicht des Zephanjabuchs nicht kennt.41 V9b gehört vermutlich zu der Schicht, die sich bereits in 2,3.7 und 3,11-13 fand.42 Wie an den ersten Fremdvölkerspruch so hängt sich auch an den zweiten ein heilvolles Wort. Das Fremdland, das nach dem ursprünglichen Bestand beider Völkersprüche veröden soll, wird in v9b wie in v7 dem Rest Judas übereignet, für den damit eine neue Heilszeit beginnt. Daß das Heil in v9b wie in v7 dem Rest gilt, verbindet beide Stellen mit 3,11-13. Angesichts dieses Textes wird man den Rest in v9b 40

Vgl. Nötscher, EB 1948; Rudolph, ΚΑΤ 1975; Seybold, Prophetie 48-50; Renaud, Livre 15; Hausmann, Rest 188-190; Deissier, NEB 1988; vgl. dagegen Roberts, OTL 1991. Anders auch Irsigler (Gottesgericht 122f) und Edler (Kerygma 55), die v8f als Ganzes einem späteren Bearbeiter zusprechen.

41

Vgl. dagegen Robertson (NICOT 1990), der die Spannung mit einem Wechsel des Bildes erklärt.

42

Vgl. Seybold, Prophetie 98f; Hausmann, Rest 189-191. Krinetzki (Zefanjastudien 108. 196.234) zählt 2,7 und 2,9b zu einer Redaktionsschicht aus ptolemäischer Zeit. Nach Irsigler (Gottesgericht 133f) reichen die Verbindungen zwischen v7 und v9b nicht aus, um die Verse ein und demselben Verfasser zuzuschreiben. V9b sei vielmehr ein konstitutiver Bestandteil von v8-9, und dieser Text sei noch später anzusetzen als der sekundäre v7.

37

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

ebenso wie in v7 als eine ethisch qualifizierte Größe betrachten dürfen. Gemeint sind die Demütigen und Geringen, die sich zu Jahwe flüchten. Ihnen verheißt der Redaktor des Zephanjabuchs Heil. Von dem ganz Juda am Tag Jahwes treffenden Gericht, das die Grundschicht des Zephanjabuchs ankündigt, werden somit auf der redaktionellen Ebene die Frommen ausgenommen. Sie werden das Gericht überleben und als Rest des Volkes Jahwes neuen Reichtum erhalten. 5. Zeph 1,2-6 2 'Ich' werde hinwegraffen, hinwegraffen alles vom Antlitz des Erdbo3 'Ich' werde hinwegraffen Mensch und Vieh,

dens!

" Spruch Jahwes,

'ich' werde hinwegraffen die Vögel des Himmels und die Fische des Mpprpc nämlich die, die die Frevler zu Fall 'bringen'.

'

Und ich werde den Menschen vom Antlitz des Erdbodens vertilgen! 4 Und ich werde meine Hand gegen Juda ausstrecken " Spruch Jahwes, und gegen alle Bewohner Jerusalems. Und ich werde von diesem Ort den Rest des Baal vertilgen, den Namen der Götzendiener mit den Priestern 5 und die, die sich auf den Dächern niederwerfen zum Himmelsheer, und die, die sich niederwerfen, die schwören zu Jahwe und die schwören bei 'Milkom' 6 und die abfallen von Jahwe, und die, die Jahwe nicht suchen und ihn nicht befragen. Nach der Buchüberschrift (1,1) beginnt in Zeph 1,2 eine Jahwe-Rede, die die erste Einheit des Zephanjabuchs darstellt. Sie endet mit 1,6. In 1,7 wird die Jahwe-Rede verlassen und der Zyklus vom Tag Jahwes mit einer Aufforderung zur Ruhe eröffnet. 4 3 Zeph 1,2-6 wird in v2 von der Überschrift eröffnet, daß Jahwe alles vom Antlitz des Erdbodens dahinraffen wird. V3 expliziert, wie umfassend die Aussage von v2 gemeint ist. Jahwe wird sowohl alle Tiere als auch die ganze Menschheit vertilgen. V4a kündigt dann an, daß Jahwe sich speziell gegen Juda und Jerusalem wenden wird. V4b-6 drücken schließlich in einer langen, sich auf "'ΓΙ'ΊρΠΙ 'und ich werde vertilgen' beziehenden Reihe von Akkusativobjekten aus, daß Jahwe alle Götzendiener Jerusalems vernichten wird. Für die Frage nach der Gegenüberstellung vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder sind in 1,2-6 sowohl v3aß als auch v4b-6 interessant.

43

Vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 27; und dagegen Rudolph, NICOT 1990.

ΚΑΤ 1975;

Robertson,

38

I. Textuntersuchungen

1) In dem fast einhellig als Zusatz betrachteten 44 v3aß liest man statt des überlieferten hebräischen Textes häufig D"1 ΙΪΕΠΓΓΓΙΝ "'Π'ρΕρΠ} 'und ich werde die Frevler zu Fall bringen' 4 5 Geht man von dieser Lesart aus, so kann der Versteil angesichts der Spannung gegenüber v3b und seines Fehlens in LXX als Zusatz betrachtet werden. Er ist den Vernichtungsaussagen, die nicht mehr Tiere (v3aa), sondern Menschen betreffen, vorangestellt, um diese Aussagen einzuschränken. Jahwe wird nicht, wie v3b ausdrückt, die Menschheit als Ganze vernichten, sondern nur die Frevler. 46 Die Vernichtungsankündigung des Zephanjabuchs gilt also v3aß zufolge nicht den Gerechten 4 7 Problematisch ist an dieser Deutung jedoch, daß die vorausgesetzte Änderung des Textes kaum überzeugend begründet werden kann. Die masoretische Fassung von v3aß muß man nach Jes 3,6, wo sich der einzige weitere Beleg von Π f i n d e t , übersetzen: 'das zu Fall Gekommene mit den Frevlern'. Da dies jedoch keinen Sinn ergibt, versteht Robertson (NICOT 1990) im Gefolge antiker Übersetzungen als Synonym von i EDÜ: "the stumbling blocks with the wicked" (vgl. Math 13,41). Gott werde das Universum, das als Stein des Anstoßes den Menschen zur Sünde verführt habe, mitsamt dem sündigen Menschen vernichten. Da Π in der damit postulierten Bedeutung jedoch nicht belegt ist, ist auch dieses Verständnis problematisch. Am ehesten wird man dem Vokalisierungsvorschlag Rudolphs (ΚΑΤ 1975) folgen und ein Ptz. hiph Γΐί^ΕΠΏΠΙ mit folgender nota acc. lesen. Bei v3aß würde es sich dann um einen durch waw-explicativum eingeleiteten, erläuternden Zusatz handeln. Dieser ist nicht auf das Folgende, sondern mit der masoretischen Akzentsetzung auf das Voranstehende zu beziehen. Jahwe will die Tiere vernichten, 'nämlich die Dinge 48 , die die Frevler zu Fall bringen'. Die Tiere werden bei dieser Interpretation von v3aß als tiergestaltige Götzenbilder verstanden, die die Menschen zum Götzendienst verführen und sie so als Frevler zu Fall bringen (vgl. Jer 18,15) 4 9 Der Zusatz, der von v4b-6 inspiriert sein mag, erklärt, warum Jahwe die Tiere vernichten will. Sie müssen untergehen, weil sie verführerische Götzen sind. Die universale Unheilsansage von v2f wird nicht eingeschränkt, 50 sondern erläutert, sofern sie die Tiere betrifft. Eine Unterscheidung von Gerechten und Frevlern ist in v3aß demnach nicht impliziert. 2) Auch bei v4b-6 dürfte es sich um einen Zusatz handeln. 51 Mit ~ f ö "'Fl'lpni Π-ΤΠ • i p ö n 'und ich werde vertilgen von diesem Ort' nimmt v4b aus v3b ... - r n ä n i 44

Zur Begründung s. Ben Zvi, Book 58; vgl. Barthelemy, Critique Bd. 3, 881f.

45

BHK; BHS; HALAT; Marti, KHAT 1904; Sellin, ΚΑΤ 1922; Horst, HAT 1938; Nötscher, EB 1948; Smith, ICC 31948; Elliger, ATD 41959; vgl. Sabottka, Zephanja 810.

46

Vgl. Marti, KHAT 1904.

47

Vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 47.

48

Das Femininum ist, wenn man es nicht mit Rudolph (ΚΑΤ 1975) auf ΠΏΠ3 beziehen will, neutrisch zu verstehen; vgl. Irsigler, Gottesgericht 12 Anm. 33; Ben Zvi, Book 59f.

49

Vgl. van der Woude, Wereldgericht 10-15; Krinetzki, Zefanjastudien 47f.l82; Irsigler, Gottesgericht 11-14; Edler, Kerygma 14.100f; Deissler, NEB 1988; Roberts, OTL 1991. Gerleman (Zephanja 3-5) kommt unter Beibehaltung von MT zum gleichen Ergebnis. Er betrachtet Π^ΕΟΰ als ma^iiZ-Bildung mit kausativem Sinn: 'die Zu-Fall-Bringer'.

50

Vgl. dagegen Irsigler, Gottesgericht 14.

51

Vgl. Seybold, Prophetie 14.75-81.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

39

ΠΏΙΝΓΙ "OS 'und ich werde vertilgen ... vom Antlitz des Erdbodens' auf, verändert dabei aber das Objekt und damit die ganze Aussage. Nicht mehr die Menschheit wird vom Erdboden vertilgt, sondern die Götzendiener aus Jerusalem. 52 Diese Stoßrichtung gegen den Götzendienst ist im Zephanjabuch singular. Für die sekundäre Herkunft von v4b-6 spricht auch, daß hier die Jahwe-Rede verlassen wird. V4b beginnt als Jahwe-Rede, um v2-4a aufzunehmen, v5f spricht dann aber von Gott in der 3. Pers., obwohl die von Jahwe in v4b gesprochene Ankündigung 'ich werde schneiden' weiterhin das Verb bildet. Fraglich ist, welche Funktion v4b-6 haben. Zum einen kann man die Verse als eine Erläuterung von v4a verstehen, die erklären will, warum sich Jahwe gegen alle Bewohner Jerusalems richtet. Er will sie vernichten, weil sie, und zwar sie alle, Götzendiener sind. Von einem Rest, der die Götzen nicht verehrt hätte und der deswegen auch nicht vernichtet würde, wäre auch nicht implizit die Rede. Möglich ist aber auch, daß es sich bei v4b-6 nicht um einen begründenden, sondern um einen einschränkenden Zusatz handelt. 53 Jahwe wird nur die Götzendiener vernichten. Das würde implizieren, daß fromme Jahwe-Verehrer von dem Gericht ausgenommen wären. Es träfe also nach v4b-6 nicht alle Jerusalemer, sondern nur die, die sich von Jahwe abgewandt haben. Die Richtigkeit der zuletzt genannten einschränkenden Deutung kann man nur dadurch zeigen, daß man Verbindungen zu der Redaktionsschicht, welche sich in 2,3.7.9b; 3,11-13 findet, aufweist. Da sich die Verbindung zu dieser Schicht jedoch auf die verbreitete Wendung pi + obj. 'Jahwe' beschränkt 54 und da das Thema 'Götzendienst' in der genannten Schicht nicht begegnet, läßt sich die Zugehörigkeit von l,4b-6 zu dieser Schicht nicht belegen 5 5 Für die zuerst genannte begründende Deutung kann hingegen der dtr. Charakter der Verse angeführt werden. Er zeigt sich in dem Vorwurf der Verehrung fremder Götter

52

Zuweilen hält man l,2f für eine sekundäre universalistische Ausweitung (Wellhausen, Propheten 150f; Elliger, ATD 41959; Gerleman, Zephanja 5; Irsigler, Gottesgericht lOOf.414-416; Edler, Kerygma 74-78; Renaud, Livre 6-8; Nogalski, Precursors 188f.l93200). Van der Woude (Wereldgericht 1-16) hält v2f für ursprünglich, weil die Verse ebensowenig wie 1,18 oder 3,8 auf ein Weltgericht zu beziehen seien (vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 45-47.183). Seybold (ZBK 1991; Prophetie 13f.21-23.99f) betrachtet nur v3 als universalistische Ausweitung des Prophetenspruchs v2 (vgl. Ihromi, "Amm 57-59). Angesichts der völkerübergreifenden Perspektive von 3,6-8 (vgl. 1,18) muß es sich bei der traditionellen Motivik von l,2f jedoch keineswegs um einen Zusatz zu 1,4 handeln (vgl. Hos 4,3; Jer 12,4; de Roche, Zephaniah I 2-3, 104-109; Kapelrud, Message 15f.19f.75f; Rudolph, ΚΑΤ 1975; Langohr, Livre 4f; Roberts, OTL 1991). Aber auch wenn v2f sekundär sind, könnte v4a die Überschrift einer Grundschicht des Zephanjabuchs gewesen sein, zu der dann zunächst v2f und später v4b-6 gefügt wurden.

53

Vgl. Seybold, ZBK 1991.

54

In 1,4b ist zwar auch vom Rest die Rede (vgl. dagegen Sabottka, Zephanja 15-18; Irsigler, Gottesgericht 16-18), aber ganz anders als in 2,7.9b; 3,11-13. Zum einen ist in 1,4b nicht ein Rest Israels gemeint, und zum anderen steht dort "INK? und nicht wie an den anderen genannten Stellen Π ^ "ISE).

55

Vgl. Seybold, Prophetie 95.

40

I. Textuntersuchungen

und in der Verwendung dtr. geprägter Formulierungen.56 Sieht man die Verse im Rahmen dtr. Theologie, so wird deutlich, daß sie das Gericht nicht auf einzelne einschränken möchten, sondern erklären wollen, warum Jahwe Jerusalem im Jahre 587 v.Chr. völlig vernichtet hat. 57 Jerusalem mußte untergehen, weil man von Jahwe abgefallen war und fremde Götter verehrte. Eine Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern dürfte in l,4b-6 also ebensowenig wie in v3aß im Blick sein.

6. Mit 2,3.7.9b; 3,11-13 findet sich im Zephanjabuch eine Schicht, die die umfassende, gegen ganz Juda gerichtete Unheilsankündigung des ihr vorliegenden Zephanjabuchs einschränkt. Nach den Gerichtsankündigungen von Kap. 1 verkündet diese Schicht in 2,3 zunächst, daß diejenigen, die Jahwe suchen, vielleicht doch verschont werden. 2,7 und 2,9b erklären dann, was mit dem verschonten Rest geschehen wird. Dieser Rest wird das Gebiet der Nachbarvölker, denen die Grundschicht des Zephanjabuchs den Untergang angekündigt hatte, als Besitz erhalten und damit einer materiell gesicherten Zukunft entgegensehen. In 3,11-13 findet sich schließlich in einem selbständigen Text, was bisher nur in Zusätzen stand. Da die allgemein als sekundär anerkannte Heilsverkündigung von 3,14-20 wohl zu einer späteren Schicht gehört, dürfte 3,11-13 ursprünglich das Ende des redaktionell überarbeiteten Zephanjabuchs gebildet haben. Man kann diesen Text somit als ein programmatisches Schlußwort betrachten, in welchem die in den Zusätzen 2,3.7.9b angelegten Gedanken zusammengeführt werden. Die Frommen, die wie in 2,3 als Demütige und Jahwe Suchende beschrieben werden, sollen als Rest (2,7.9b; 3,12. 13) fremde Länder besitzen (2,7.9b) und in Frieden weiden dürfen (2,7; 3,13). Das redaktionell überarbeitete Zephanjabuch kündigt den Untergang somit nicht mehr dem ganzen Volk Jahwes an, sondern nur noch den Stolzen (3,11). Aus dem uneingeschränkten Gericht wird ein Läute-

56

ΠΠΕ7 hitp + 0?atfn NIX1? findet sich nur noch in Dtn 4,19; 17,3; II Reg 17,16; 21,3; Jer 8,2; II Chr 33,3. erscheint in Verbindung mit ΓΐίΐΙΓΓ^Ρ nur noch in Jer 19,13. ("ι)ΊΠΚΰ + Gottesbegriff ist vor allem in dtr. Kontext belegt: Dtn 7,4; Jos 22,16.18.23; I Sam 12,20; 15,11; I Reg 9,6; II Reg 18,6 (vgl. M. Weinfeld, Deuteronomy and the Deuteronomic School, Oxford 1972, 339). Vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 49f; Irsigler, Gottesgericht 258f; Edler, Kerygma 113-123.

57

Vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 52f; Seybold, Prophetie 75-81.85.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

41

rungsgericht.58 Die Demütigen können gerettet werden. Mit dieser Botschaft eröffnet der Redaktor dem Leser des Zephanjabuchs eine neue Perspektive. Er darf wieder hoffen. Diese Heilsperspektive des Redaktors wurde später durch die lange Heilsschilderung 3,14-20 verstärkt und ausgeweitet. Liest man 3,14-20 von 3,11-13 her, so gilt sie nicht ganz Israel, sondern nur dem aus Frommen bestehenden Rest. Für das Zephanjabuch in der uns vorliegenden Endgestalt bedeutet das, daß die Gerichtsankündigung des Buches auf einer redaktionellen Ebene nur den Gottlosen gilt, die Heilsankündigung hingegen nur den Frommen. Der Tag Jahwes meint jetzt etwas anderes als bei Zephanja. Dieser Tag wird nicht mehr als der Tag des alles vernichtenden eschatologischen Gerichts verstanden, sondern als der Tag, mit dem eine eschatologische Heilzeit anhebt. Voraussetzung des Beginns der Heilszeit ist jedoch ein großes Läuterungsgericht.59 Die Gottlosen müssen aus der Mitte Jerusalems entfernt werden (3,11), damit sich der Rest mit Jahwe, dem König Israels, in der Mitte der Stadt (3,12.15.17) zu einem eschatologischen Freudenfest versammeln kann.60 Zusammenfassung·. In Zeph 2,3.7.9b; 3,11-13 findet sich eine Redaktionsschicht, die sich von der radikalen Gerichtsankündigung des PropheSR Zur Theologie des redaktionell überarbeiteten Zephanjabuchs vgl. Renaud, Livre 2630. Wenn man die hier für redaktionell gehaltenen Verse Zephanja zuschreibt, wird man den Propheten nicht für einen radikalen Gerichtspropheten halten; vgl. Roberts, OTL 1991. Nach Sweeney (Reassessment 388-408) zielt das im Kontext der Josianischen Reform (vgl. Christensen, Zephaniah 2:4-15, 678-681; vgl. dagegen Ben Zvi, Book 298-306) verfaßte Zephanjabuch darauf, das Volk zur Umkehr zu rufen. Das Buch sei nicht in drei Teile zu gliedern (Gericht für Juda - Gericht für die Völker Heil für Juda), sondern in zwei. Der erste Teil (1,2-18) bereite mit seiner Androhung des Tag Jahwes den entscheidenden zweiten Teil (2,1-3,20) vor, der dazu aufrufe, Jahwe zu suchen und Josias Politik zu unterstützen, um am künftigen Heil zu partizipieren. Die Fremdvölkersprüche seien ebenso wie die Heilsankündigungen nicht eschatologisch zu verstehen, sondern im Rahmen der Josianischen Expansionspolitik. 59

Vgl. Krinetzki, Zefanjastudien 232; Ball, Shape 165.

60

Vgl. House, Zephaniah (z.B. 66-68). Er versteht das Zephanjabuch in seiner literaturwissenschaftlichen Untersuchung als prophetisches Drama. Eine Spannung entstehe durch die Gegenüberstellung von Unheilsankündigungen auf der einen und Heilsankündigungen (2,3.7.9.11) auf der anderen Seite. Die Spannung werde in 3,8-13 dadurch gelöst, daß die Sünder vernichtet würden und daraufhin für den Rest die Heilszeit anfange. Mit 3,14-20 gipfele das Buch in einem Happy End. Zur Kritik an House s. Roberts, OTL 1991,161f.

42

I. Textuntersuchungen

ten Zephanja abhebt. Sie sagt das Gericht nicht mehr ganz Jerusalem an, sondern nur den Stolzen in Jerusalem. Den Demütigen verkündet sie dagegen Heil. Dieses konkretisiert sich im Besitz neuer Ländereien und in einem unrechtslosen Friedensreich. Vergleicht man das Zephanjabuch mit dem Amosbuch, so lassen sich eine Reihe von Gemeinsamkeiten benennen. Beide Bücher enthalten eine äußerst scharfe Gerichtsankündigung. Am Ende steht jedoch jeweils ein kurzer Abschnitt mit Heilsankündigungen. An der Nahtstelle zwischen diesen beiden umfangmäßig sehr ungleichen Teilen findet sich jeweils ein Text, der ein Läuterungsgericht ansagt (Am 9,8b-10; Zeph 3,11-13). Er bezieht die Unheilsankündigung auf die Sünder, die Heilsankündigung hingegen mindestens implizit auf die Gerechten.

Ezechiel 20,32-38 32 Und was euch in den Sinn kommt, wird gewiß nicht eintreffen, ihr, die ihr sagt: "Wir sind wie die Nationen, wie die Sippen der Länder, daß wir Baum und Stein dienen." 33 So wahr ich lebe - Spruch Jahwes, des Herrn mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm und mit ausgegossenem werde ich über euch als König herrschen.

Zorn

34 Und ich werde euch aus den Völkern herausführen und euch aus den Ländern sammeln, in die ihr zerstreut wurdet, mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm und mit ausgegossenem 35 Und ich werde euch zur Wüste der Völker bringen

Zorn,

und dort mit euch von Angesicht zu Angesicht rechten. 36 Wie ich mit euren Vätern in der Wüste des Landes Ägypten gerechtet habe, so werde ich mit euch rechten - Spruch Jahwes, des Herrn. 37 Und ich werde euch unter dem Stab hindurchführen und euch in die 'Wanne der Reinigung' bringen. 38 Und ich werde die Aufständischen von euch herausreinigen und die, die gegen mich Verbrechen begehen.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

43

Ich werde sie herausflihren aus dem Land ihrer Fremdlingschaft, aber zum Gebiet Israel werden sie nicht kommen. Und ihr werdet erkennen, daß ich Jahwe bin. Innerhalb von Ez 20 bilden v32-38 einen eigenen Abschnitt.1 V30f schließt vl-31 ab, indem auf die Einleitung dieses Abschnitts Bezug genommen und die dort gestellte Frage in einem Jahwe-Schwur endgültig beantwortet wird. Danach bietet v32, obwohl er von einem an das Vorhergehende anknüpfenden 'und' eingeleitet wird, inhaltlich einen Neueinsatz.2 Abgeschlossen wird der Text von der Erkenntnisformel in v38b, ehe die mit der Botenformel verbundene Anrede an das Haus Israel in v39 einen neuen Abschnitt eröffnet, der nicht mehr von der Exodus-, sondern von der Zionstradition geprägt ist.3 Zwei Fragen, die für das Verständnis von v32-38 von grundlegender Bedeutung sind, müssen zunächst erörtert werden. 1. Wie ist 0? 1 J 3 ΓΡΠ3 in v32 zu verstehen? 2. Wie lautet der ursprüngliche Text von v37b? Zur ersten Frage: 1) Zimmerli (BK 2 1979) 4 übersetzt CP i-l? ΓΡΠ3 'Wir werden sein wie die Völker...' und versteht den Satz als eine von tiefer Niedergeschlagenheit geprägte Klage, die man verdeutlichend im Sinne von 'Wir müssen wie die Völker sein ...' wiedergeben kann. Nach der Gerichtsankündigung von v23 und der Ablehnung Jahwes, sich befragen zu lassen (vl-31), kann von einer Sonderstellung Israels keine Rede mehr sein. Israel ist wie die

1

Zur Abgrenzung vgl. Baltzer, Ezechiel 2; Allen, WBC 1990.

2

Vgl. Zimmerli, BK 21979, 438; Liwak, Probleme 148; Graffy, Prophet 65; Ohnesorge, Jahwe 89; Allen, Structuring 457f. Fohrer (HAT 1955; vgl. Cooke, ICC 1936) zieht v32 noch zum voranstehenden Text. Ezechiel wende sich in vl-32 mit einem Verweis auf die Geschichte des Abfalls Israels gegen den Plan der Deportierten, ein Gottesbild aus Holz und Stein aufzustellen. Hemtrich (Ezechielprobleme 104) betrachtet v32 als isolierten Einzelvers.

3

Zur Abtrennung von v39-44 vgl. Liwak, Probleme 149; Hossfeld, Untersuchungen 333; Pons, Vocabulaire 231; Ohnesorge, Jahwe 96-99; Sedlmeier, Studien 106f.l22-126.383391.400. Letzterer zieht allerdings v39a* zu v32-38, da sich in der Ez 20 ursprünglich abschließenden Forderung von v39a* zeige, worauf der Grundbestand des Kapitels gezielt habe: man solle sich hic et nunc von allen Bindungen lösen. Zimmerli (BK 21979) zieht v39-42 zu v32-38 und betrachtet die Verse als "positive Ausführung zu der negativen Antwort auf das im Zitat 32 Gesagte" (452; vgl. ders., Exodus 194; Beuken, Vormgeving 52-56; Graffy, Prophet 65-72; Krüger, Geschichtskonzepte 212f.270-272).

4

Vgl. Baltzer, Ezechiel 3-5; Beuken, Vormgeving 49-52; Garscha, Studien 118f; Lust, Gathering 138; Graffy, Prophet 66f·, Allen, WBC 1990, 7£

44

I. Textuntersuchungen

Völker geworden. Es mußte soweit sinken, daß es Bäumen und Steinen dient. Versteht man v32 als Klage, so handelt es sich bei v32-38 um ein Disputationswort, 5 welches die Klage aufnimmt, um ihr ein tröstendes Heilswort entgegenzustellen: Jahwe wird als König über Israel herrschen. 2) Meistens übersetzt man D? Ϊ 1 3 ΓΡΠ3 kohortativ: 'Wir wollen wie die Völker sein....'. Das Zitat hätte dann den Zweck, die vorsätzliche Apostasie des Volkes zu veranschaulichen, und entspräche damit den Zitaten, die in Scheltworten häufig das Unrecht der Angeredeten mit deren eigenen Worten ausdrücken. Wenn das Zitat von v32 nicht im Rahmen einer Klage, sondern einer Anklage zu verstehen ist, handelt es sich bei v32ff nicht um ein Disputationswort. Dann steht nicht die Heils-, sondern die Unheilsankündigung im Vordergrund des Textes. 7 Für die zweite These werden folgende Argumente angeführt: a) Die Wendung Π Π "?» Π1?» ' in den Sinn kommen' (v32) meine, wie Ez 11,5 (vgl. ^ s / 1 ? ? n ^ s in Ez 14,3.4.7; 38,10) zeige, das Aufkommen verwerflicher Pläne. Da man angesichts der geringen Zahl der Belege jedoch kaum sagen kann, daß sich die Wendung nur auf das Aufkommen solcher Pläne beziehen könne, wird man dem Argument kein großes Gewicht beimessen dürfen. b) In Ez 20,32-38 würden sowohl der Vergleich Israel - Völker (0? 'wie die Völker sein') als auch die Verwendung der Wurzeln ^ B 'König sein' und ÖSE? 'richten', besonders in ihrer Verbindung (BSE? 'richten' als Tätigkeit des Königs) auf I Sam 8 anspielen, und, da Israel in I Sam 8,5.20 wie die Völker werden will, sei auch Ez 20,32 als Wunsch Israels zu verstehen. M.E. sind die Verbindungen zu I Sam 8 nicht so eng, daß sie die voluntative Deutung von Ez 20,32 stützen können. Die Wurzeln ^ B und ÜBE? erscheinen dort nicht in Bezug auf Jahwe, sondern den irdischen König, und ÜSE? als Tätigkeit eines Königs ist keineswegs spezifisch für I Sam 8 und Ez 20. Im übrigen erscheint (9912? in I Sam 8 im qal, in Ez 20,35f aber im niph,8 was kaum auf I Sam 12,7 zurückzuführen sein dürfte. Das Verb wird in Ez 20 also in einem ganz anderen Sinne gebraucht. Eher als I Sam 8 bietet sich für den Vergleich Israel - Völker eine Parallele innerhalb des Ezechielbuchs an, nämlich Ez 25,8. Dort spottet Moab angesichts der Zerstörung Jerusalems, daß Juda wie alle Völker geworden sei. Von dieser Stelle her legt es sich nahe, das Zitat von Ez 20,32 als eine Klage zu verstehen, die im Grunde dasselbe aussagt wie der Spott der Moabiter. Gegen die voluntative Deutung von v32 spricht vor allem die Ankündigung eines Läuterungsgerichts in den folgenden Versen. Wenn alle Angeredeten Götzenverehrer werden wollen, so müssen sie auch alle dem Gericht anheimfallen. V37f spricht aber von einer Sichtung, bei der die Sünder aus der Gruppe der Angeredeten ausgesondert werden. Die Sünder sollen am Heil nicht partizipieren. Diese Aussonderung wäre, wenn alle 5

Vgl. Graffy, Prophet 65-72.

6

So z.B. Kraetzschmar, HAT 1900; Herrmann, ΚΑΤ 1924; Fohrer, HAT 1955 (vgl.o.S. 43 Anm. 2); Greenberg, AncB 1983; Pons, Vocabulaire 226f; Sedlmeier, Studien 312319.339f; Ohnesorge, Jahwe 154f; vgl. Uffenheimer, Theodicy 218f.

7

8

Krüger (Geschichtskonzepte) bestimmt v32-38 einerseits als Disputationswort (204), andererseits wegen BSE? niph und der Wendung 'mit ausgegossenem Zorn' als Gerichtsankündigung (267). Wie verhalten sich diese beiden Aussagen zueinander? Zur ÖSE? niph in der forensischen Bedeutung 'rechten' vgl. H. Niehr, Herrschen und Richten. Die Wurzel ipt im Alten Orient und im Alten Testament (fzb 54), Würzburg 1986,175f.l78; anders Hossfeld, Untersuchungen 455: "ein vernichtendes Gericht halten".

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

45

Angeredeten Götzendiener wären, nicht verständlich. Folglich kann das Zitat von v32 nicht als Aufruf zum Götzendienst betrachtet werden.9 Versteht man das Zitat als Klage, so bereitet die in v33-38 folgende eingeschränkte Heilsankündigung keine Probleme. Für dieses Verständnis des Zitats sprechen folgende Beobachtungen: 1) Die Aufnahme von Klagen findet sich im Ezechielbuch auch in 18,2 (vgl.u.S. 176-178); 33,10 und 37,11. 2) Der Vergleich mit den Völkern ist nicht nur in 25,8, sondern auch in Dtn 8,20 im Kontext 'Untergang Israels' belegt. 3) Als Klage paßt das Zitat sehr gut in den Kontext: Der Zerstreuung Israels unter die Völker (v23) entspricht die Klage, wie die Völker zu werden, und auf diese Klage bildet die Ankündigung, Israel aus den Völkern herauszuführen, eine passende Antwort. Zur zweiten Frage: Wie lautet der ursprüngliche Text von v37b? 1) Unter Berufung auf LXX (είοάξω ύμίς έν άριθμ,ω) streicht man Π",Ί3Π häufig als Dittographie des folgenden "ιΠί~Π;Ι und liest "13002 statt ΓΠ002: "Ich werde euch bringen in Zahl (d.h. genau abgezählt)".10 V37b wäre dann eine Explikation von v37a. Gegen diese Deutung sprechen jedoch gewichtige Gründe. Erstens kann sich die Lesart "IS003 'in Zahl' nicht auf LXX berufen. LXX dürfte in ihrer Vorlage vielmehr ΠΊ002 gelesen haben. Dafür spricht, daß LXX die Wurzel "100 auch in Num 31,5 mit der Wurzel αριθμ.- wiedergibt. Zweitens gehört rp-QH zum ursprünglichen Textbestand. Dafür spricht der ungewöhnliche Gebrauch von qal 'herausreinigen' in v38. Das Verb, das sonst das Aussondern von etwas Positivem bezeichnet, wird nur hier in einem pejorativen Sinne verwendet. Die Wahl des Verbums läßt sich, da sie sich inhaltlich nicht nahelegt, nur mit der Absicht erklären, ein Wortspiel mit dem unmittelbar voranstehenden Nomen ΓΙΉ2 schaffen zu wollen. Der Gebrauch von setzt also ΓΡ13 voraus. Deswegen dürfte ΓΡ"Ι2 ursprünglich sein. 2) Sind die Konsonanten ΓΡΊ2Π ΓΠ00 ursprünglich, so stellt sich die Frage, wie man sie vokalisieren soll und wie der Text dann zu verstehen ist. a) Geht man von Π"1 "Ί2ΓΙ 'der Bund' aus, so stehen für das Nomen ΓΙΊΟΟ folgende Ableitungen zur Diskussion: - von Ί0Ν 'binden', was als positive Ankündigung heißt "Ich werde euch in das Band des Bundes bringen" oder als negative "Ich werde euch in die Fessel des Bundes bringen".11

Die hier angesprochene Spannung zwischen v32 und v37f wird von Ohnesorge (Jahwe 199 Anm. 446) durchaus gesehen, nicht jedoch, daß sie nur auf der auch von ihm vertretenen voluntativen Deutung von v32 beruht. 10

So z.B. HALAT (sub voce ΠΊΟΟ); Fohrer, HAT 1955; Eichrodt, ATD 1966; Zimmerli, BK 21979; Liwak, Probleme 188; Ohnesorge, Jahwe 90. Vgl. dagegen Greenberg, MSRT 41; Sedlmeier, Studien 54-56.

11

So Aquila (έν δεσμ,οϊς της διαθήκης); Sym. (διά κλοιοϋ της συνθήκης); Vulg. (in vinculis foederis); Luther ("in die Hand des Bundes zwingen"; anders die rev. Lutherbibel von 1956); Kraetzschmar, HAT 1900. Nach Greenberg (AncB 1983; ders., MSRT 39-44; vgl. Krüger, Geschichtskonzepte 268; Allen, WBC 1990) sind 'die Verpflichtungen des Bundes' gemeint, womit nach den Exodus- und Wüstenwanderungs-Bezügen von v34-36 auf den Sinai-Bund angespielt werde. Zur Wortbildung ΓΠΟΗ vgl. CT HÖH (< Π"ηΐΟΝΠ) 'Fesseln' (Koh 4,14) und nV3Q ( < n^bSQ) 'Speise', wo der Ausfall des Ν jedoch nicht durch Dehnung des voranstehenden Vokals (rnbQ < ΓΠ0Ν0), sondern durch Verdoppelung des folgenden Konsonanten ausgeglichen wird; vgl. GKa § 23f.

I. Textuntersuchungen

46

- von aram. Ί Ο ΰ 'überliefern': "Ich werde euch in die Überlieferung des Bundes bringen."12 - von TD"1 'züchtigen' (ΓΠΟΏ = ΓΗΟίΰ): "Ich werde euch in die Züchtigung des Bundes bringen."13 - von ΠΙΟ = mitf = "l"liS 'herrschen': "Ich werde euch in die Herrschaft des Bundes bringen." Unter diesen Varianten verdient die zuletzt genannte den Vorzug, ΠΊΟΗ '(Königs-) Herrschaft' (vgl. Jes 9,5f 14 ) paßt gut zur politischen Begrifflichkeit des Kontexts. Jahwe führt als König (v33) die ihm Ergebenen in die Herrschaft des Bundes, die Aufständischen ( Τ Ί Ώ v38) sondert er dagegen aus. Inhaltlich ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Ableitungen nicht sehr groß. V37b enthält in allen Fällen eine Ankündigung, die entweder positiv auf Bundesverheißungen oder negativ auf Bundesstrafen bezogen werden kann. Jahwe sagt den Angeredeten den Schutz oder die Strafen des Bundes an. Geht es um den Schutz, so folgt der Ankündigung einer Sichtung (v37a) in v37b eine Heilsankündigung, die zu der Unheilsankündigung von v38 in einem antithetischen Verhältnis steht. Dieses Verständnis des Textes bereitet in all seinen Varianten jedoch Schwierigkeiten. Erstens: Gegen v37b als positive Zusage spricht, daß eine solche erst nach der Aussonderung der Sünder und damit erst nach v38 zu erwarten ist.15 Zweitens: Bei v37b als Heilsoder Unheilsankündigung ergibt sich eine Spannung zu v38. Während das Unheil dort nur einige von den Angeredeten (03Q 'von euch') treffen soll, würde das in 37b Angekündigte alle treffen. Als Heils- oder Unheilsankündigung müßte v37b jedoch in jedem Fall wie die Unheilsankündigung von v38a partitiv formuliert sein. b) Vokalisiert man, wie in der älteren Forschung durchaus schon geschehen, ΓΠΟΰ ΓΡΊ3Π, so erhält man in v37b eine v37a entsprechende Ankündigung: "Ich werde euch in die Wanne der Reinigung bringen".17 Beide Vershälften von v37 veranschaulichen einen Aussonderungsprozeß. 8 Dabei bezieht sich v37a zunächst auf die individuelle Sichtung,

12

So Theodotion (έν παφαδόσει. της διαθήκης); häufig in der jüdischen Tradition (Belege s. Greenberg, MSRT 38.40).

13

So G. R. Driver, Studies in the Vocabulary of the Old Testament. VIII, JThS 36 (1935), 293-301, 297; K. Elliger, Leviticus, H A T 1966, 376 Anm. 45. Anspielungen auf die Wurzel ΊΟ"1 finden sich auch in der jüdischen Tradition (Belege s. Greenberg, M S R T 38). Vgl. Syr. mrdwt'ddjtjqj 'Widerstand des Bundes', wobei die Wurzel tnrd aus v38 aufgenommen wird.

14

Zur Vokalisierung dort vgl. Wildberger, B K 21980.

15

Vgl. Greenberg, MSRT 42.

16

So F. Hitzig, E H A T 1847; ders., Die prophetischen Bücher des Alten Testaments, Leipzig 1854; Herrmann, Κ Α Τ 1924. Zu ΓΠ00 = ΓΠψΟ vgl. -PD 'Wanne', Γ Π ^ Ώ 'Maß (für Flüssigkeit)'.

17

Unter Beibehaltung von M T kommt Sedlmeier (Studien 56) zu einem inhaltlich vergleichbaren Ergebnis. Im Anschluß an P. Weimar - E. Zenger (Exodus. Geschichten und Geschichte der Befreiung Israels [SBS 75], Stuttgart 1975, 1520 versteht er ΓΡ-ΙΠ von dem unmittelbar folgenden Verbum "l~ll 'aussondern' her und übersetzt: "Ich bringe euch hinein in das Gehege der Scheidung (Kursive K.K.), ich scheide von euch IQ

Da die Reihe der Konsekutivtempora als Abfolge verstanden werden müsse, kann das Bild von v37a nach Krüger (Geschichtskonzepte 269; vgl. Sedlmeier, Studien 367) nicht

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

47

und v37b erklärt daran anschließend, daß es eine Läuterung geben wird, bei der aller Dreck abgetrennt wird. V38 setzt den Gedanken mit der Ankündigung fort, daß die Sünder ausgesondert werden. Bei dieser Deutung von v37b ergibt sich also ein sinnvoller Gedankengang. Zudem paßt die Reinigungsvorstellung gut in den Kontext, da es in vl-31 immer wieder um Israels Unreinheit (HDD v7.18.26.30.31) geht und vor allem da v38 von T D 'reinigen' spricht. Liest man ΓΡΊΗΠ, so erhält man mit ΓΡΊΒΠ die Folge zweier wurzelverwandter Wörter. Daß die Masoreten ΓΡ~ΰΠ ΓΗΟΰ im Sinne von 'die Masora des Bundes' vokalisierten, darf nicht verwundern (zur Geschichte der jüdischen Auslegung vgl. Barthilemy, Critique Bd. 3,157). Eine Schwierigkeit besteht bei der hier vertretenen Deutung allenfalls darin, daß der Text zwar eine explizite Unheilsankündigung für die Sünder enthält, jedoch keine entsprechende Ankündigung für die Sündlosen. Da ihr Heil in v38 jedoch impliziert ist, ist eine explizite Heilsankündigung nicht unbedingt erforderlich. Angesichts der Bezüge auf die Exodus- und Wüstentradition in v34-36 mag es durchaus sein, daß bei ΓΤΗ3ΓΙ 'Reinigung' auch ΓΡ"Ί3ΓΙ 'Bund' mitschwingt und damit auf die Sinaitradition angespielt wird. So würde vielleicht auf das Gesetz als der bei der Reinigung bzw. Scheidung maßgeblichen Norm verwiesen.

Nach diesen Ausführungen ergibt sich für Ez 20,32-38 folgendes Bild: Es handelt sich bei dem Text um ein Disputationswort. In v32b wird die Klage des erwählten Volkes zitiert, das befürchtet, wie die Völker zu werden, d.h. sich den heidnischen Gastländern zu assimilieren und damit seine Identität preiszugeben. Der Verweis auf den Götzendienst ist im Kontext der Klage als ein Motiv zu verstehen, das Jahwe zum Eingreifen bewegen soll. Wenn Jahwe Israel unter die Völker zerstreut und Israel dadurch wie die Völker wird, dann wird es Götzen dienen und kann Jahwe nicht mehr loben - genausowenig wie ein Toter in der Grube (Ps 6,6). Die Antwort Jahwes auf die Klage des Volkes wird in v32a zusammenfassend vorweggenommen. Israels Klagen sind unbegründet. V33-38 explizieren diese Antwort in einer Jahwe-Rede, die in v33a als Schwur eröffnet wird und in der v33b die Funktion einer Überschrift hat (impf.), welche in v34-38 eine Konkretion erfährt (Reihe von pf. consec.). Die Überschrift kündigt Jahwes Herrschaft als König an. Die Königsherrschaft bedeutet für Israel einerseits Rettung, wie die Aufnahme der Exodustradition in der Wendung 'mit starker Hand und ausgestrecktem

bereits die Aussonderung meinen, von der v38a spricht. Es könne sich vielmehr nur auf das genaue Abzählen der Israeliten beziehen. Dagegen spricht jedoch, daß das genaue Abzählen vor dem Rechten erfolgen, v37a also vor v35b stehen müßte. Nach der Einführung des Gerichtsgedankens in v35b-36 kann sich das Bild von v37 deswegen nur auf ein Aussondern beziehen. Vgl. Greenberg, MSRT 42.

48

I. Textuntersuchungen

Arm' zeigt, andererseits aber auch Vernichtung, wie durch die Zufügung 'mit ausgegossenem Zorn' deutlich wird.19 V34-38 erläutern, wie sich Rettung und Vernichtung konkret vollziehen. Jahwe wird Israel wie einst aus Ägypten so jetzt aus den Ländern herausführen, unter die er es zerstreut hat (v34).20 Damit wird Israels Klage, wie die Völker zu werden, gegenstandslos. 21 Jahwe wird sein Volk in die Wüste bringen, um dort wie einst mit der Wüstengeneration des Ägyptenauszugs Gericht zu halten (v35f). Die Sünder dürfen damals wie heute nicht ins Land. 22 Anders als damals wird jetzt jedoch nicht eine ganze Generation umkommen, sondern individuelle Sünder sollen aus dem Volk herausgefiltert werden. 23 Es wird eine Sichtung der einzelnen Israeliten geben, wie die aus der Hirtensprache stammende Wendung 'unter dem Stab hindurchführen' 24 in v37a deutlich macht. Jahwe will Israel gleichsam in ein Reinigungsbad stecken (v37b), das allen Dreck beseitigt. Was v37 in Bildern ausdrückt, sagt v38 in klaren Worten. Jahwe sondert diejenigen aus, die gegen ihn rebellieren und einen Aufstand machen, d.h. diejenigen, die seine Königsherrschaft nicht anerkennen. Ihnen wird Jahwe den Zutritt zum Land verwehren (v38). Das heißt positiv formuliert: Jahwe wird nur die Frommen ins Land führen. Der Eintritt ist also an Einlaßbedingungen geknüpft. So wird hier das, was Einzugsliturgien wie Ps 15 und 24 im Blick auf den Zutritt des einzelnen zum Tempel formulieren, auf den Zutritt des Volkes zu dem Land übertragen, 25 in dessen Zentrum der

19

Vgl. Greenberg, AncB 1983; Sedlmeier, Studien 343-345.354.

20

Nach Lust (Gathering 126f.l42) gehört das Motiv 'Sammlung und Rückkehr der Zerstreuten' in den Kontext der Königstradition (v33).

21

Sofern die Klage hier bereits eine positive Antwort erhält, kann man den Exodus als Heilssetzung betrachten. Sofern dieser Exodus jedoch in die Wüste zu einem dort stattfindenden Läuterungsgericht führt und sofern erst der Eisodus das eigentliche Heilsereignis darstellt, kann man Sedlmeier (Studien 350.361) zustimmen, daß es sich bei dem neuen Exodus nicht um ein Heilsereignis, sondern um eine Vorbereitung zum Gericht handelt.

22

Vgl. Baltzer, Ezechiel 9.

23

Vgl. Krüger, Geschichtskonzepte 269; Sedlmeier, Studien 370f.

24

Vgl. Lev 27,32; Jer 33,13.

25

Zur Übertragung von kultischen Einlaßbedingungen vgl.u.S. 122.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

49

heilige Berg und der Tempel stehen, wo die Heiligen dem heiligen Namen Jahwes dienen werden (20,39-44; 40-48).26 Der Komplex Exodus-, Wüsten- und Landgabe-Tradition wird damit in Ez 20,32-38 in den Kontext kultischer Gedanken gestellt.27 Bei Ez 20,32-38 dürfte es sich um eine sekundäre, in sich einheitliche28 Fortschreibung von vl-31 handeln 29 Dafür sprechen folgende Beobachtungen: 26

Vgl. Baltzer, Ezechiel 9-11.

27

Vgl. Zimmerli, Exodus 197.

28

Ohnesorge (Jahwe 90.183) hält v34b und v36 für sekundär. V34b sei als Wiederholung von v33b überflüssig. V36 schöpfe aus v35, und die Jahwe-Spruch-Formel (m.E. nicht nur diese) unterbreche die pf.consec.-Reihe in v34-38.- Eichrodt (ATD 1966) betrachtet v32bß vielleicht zu Recht als Zusatz.

29

Vgl. Kraetzschmar, HAT 1900; Herrmann, ΚΑΤ 1924; Fohrer, Hauptprobleme 33f.48.83f; Rohland, Bedeutung 83; Zimmerli, BK 21979; Lust, Gathering 138; Allen, WBC 1990, 8; Ohnesorge, Jahwe 95. Häufig wird der Zusatz auf Ezechiel selber zurückgeführt; vgl. dazu kritisch Hossfeld, Untersuchungen 310 Anm. 19. Nach Liwak (Probleme 149.192f) sind v32-38 eine Fortschreibung des schon in seinem Grundbestand von einem dtr. Redaktor verfaßten Kap. 20. Lang (Ezechiel 27; vgl. Beuken, Vormgeving 39-56) betrachtet v32-38 als "ein selbständiges ezechielisches Jahwe-Wort", das der Redaktor im Nachlaß Ezechiels fand und hier einfügte. Nach Garscha (Studien 115-121) bieten v32-44 die ursprüngliche Fortsetzung von v526. Der Text entfalte, daß Jahwe um seiner selbst willen handelt, und zwar immer, sowohl in der Vergangenheit als auch jetzt beim zweiten Exodus. Erst durch die sekundäre Rahmung v3*.27-31 erhalte vl-31 den Charakter eines Scheltwortes. Sedlmeier (Studien 90-98.106f.310f) hält die von Zimmerli für die sekundäre Herkunft von v32-38 angeführten Argumente nicht für überzeugend und spricht sich deswegen für die ursprüngliche Zugehörigkeit von v32-38 zu vl-31 aus. Dabei habe v32 für die beiden Teile des Kapitels eine Scharnierfunktion. Greenberg (AncB 1983, 376ff; vgl. Uffenheimer, Theodicy 215-217), der sich für eine "holistic interpretation" ausspricht (18ff), betrachtet Ez 20 aufgrund der im Text enthaltenen Querverweise als einheitliche Komposition. Auch Krüger (Geschichtskonzepte 207-214) hält Ez 20 für einheitlich. Der Geschichtsrückblick v5-29 begründe nicht nur die Ablehnung der Befragung Jahwes von v30f, sondern auch die Gerichtsankündigung von v32-38 und vor allem die Restitutionsprognose von v39-44 (206.226f). Der Geschichtsrückblick solle die Heilserwartung der angeredeten Gegner zunichte machen. Er wende sich aber nur gegen eine Heilserwartung, welche die Umkehr zu Jahwe voraussetze, nicht jedoch gegen eine solche, die das Heil als souveräne göttliche Tat erwarte, die von allem menschlichen Handeln unabhängig sei und von Jahwe einzig um seines Namens willen durchgeführt werde (227.252-260; vgl. Bartelmus, Mißerfolg 45f)- Der Geschichtsrückblick stelle also "die Sorge Jahwes um seinen 'Namen vor den Augen der Völker' (als) den letzten entscheidenden Motor des Geschichtsprozesses" (273) dar und, da dies das Ziel der Geschichtsrückblicks sei, könne Kap. 20, das von Kap. 16 und Kap. 23 streng

50

I. Textuntersuchungen

1. Ez 20,1-31 weist durch einen Rückblick auf die Geschichte Israels in mehreren Durchgängen nach, daß Israel immer nur gesündigt hat. Alles zielt dabei auf das in v30f konstatierte Ergebnis. Das gegenwärtige Israel ist wegen seines Götzendienstes durch und durch unrein. Deswegen wird Jahwe sich von ihm nicht befragen lassen. Nach einer solchen Antwort ist eine Heilszusage, und sei es auch nur eine eingeschränkte, nicht zu erwarten. Eine weitere Spannung besteht darin, daß vl-31 ganz Israel als sündhaft betrachten, v32-38 aber nur einen Teil Israels. Der Blick zurück in die Geschichte in vl-31 kann nicht die Schuld bestimmter Einzelpersonen nachweisen, sondern nur Israels grundsätzliche Sündhaftigkeit. Die in v32-38 geäußerte Vorstellung von der Aussonderung der Sünder paßt deswegen nicht zu dem Grundanliegen von vl-31. V32-38 dürfte also sekundär sein. 2. Dafür, daß v32-38 nicht ursprünglich selbständig existierten, sondern als Fortsetzung von vl-31(*) verfaßt wurden, spricht, daß eine Reihe von Begriffen aus vl-31 aufgenommen werden. 30 Dabei werden diese Begriffe zum Teil anders gebraucht. a) V32 und v34 beziehen sich mit D? 11 'Völker', Π Ί Ϊ Ί Ν 'Länder' und f 12 'zerstreuen' auf v23. Dadurch ergibt sich im jetzigen Text folgender Zusammenhang. Das unter Völker und Länder zerstreute Volk (v23) beklagt, wie die Völker und Sippen der Länder zu werden (v32), und Jahwe verheißt ihm daraufhin, es aus den Ländern herauszuführen (v34). Auffällig ist, daß v32 wie v23 von den ί 3. spricht, während v34 und 35 den Begriff • "'ΏΡ gebrauchen, der in vl-31 fehlt. b) V33 übernimmt aus v31 die mit einer Jahwe-Spruch-Formel versehene Schwurformel ... ΠΝ Π1ΓΡ 3'TK DK3 "'II NT i n ' S o wahr ich lebe - Spruch Jahwes, des Herrn -, gewiß ...'. Was Jahwe schwört, ist in v33 jedoch etwas ganz anderes als in v31. Dem Schwur, sich vom Haus Israel nicht befragen zu lassen, folgt der Schwur, über Israel als König zu herrschen. c) Im Zusammenhang des Schwurgestus ist in vl-31 mehrfach von der Hand Jahwes die Rede. Auch v33b.34b sprechen von der Hand Jahwes, allerdings in der aus der Exodustradition bekannten Wendung 'mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm'. d) Die genannte Wendung ist in v33 und in v34 jeweils um ein drittes Glied erweitert, nämlich um 'und mit ausgegossenem Zorn'. Mit dieser Formulierung beziehen sich die Verse auf v8.13.21, wo ebenfalls vom Ausgießen des göttlichen Zorns die Rede ist. zu unterscheiden sei, über die Gerichtsankündigung hinaus eine Zukunftsperspektive entwickeln und deswegen als Restitutionsprophezeiung bezeichnet werden (207). 30

Vgl. Bettenzoli, Geist 199; Beuken, Vormgeving 56-62, der v32-44 jedoch nicht als Fortschreibung, sondern als ursprünglich selbständige Einheit betrachtet; Greenberg, AncB 1983, 376ff, der durch die Begriffsaufnahmen allerdings die Einheitlichkeit der Komposition zeigen möchte.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

51

e) Nach vl3.21 ist der Ort, an dem Jahwe seinen Zorn ausgießt, die Wüste. Dem entspricht v34f mit der Ankündigung, daß Jahwe Israel in die Wüste führen wird, um dort mit ihm zu rechten. Die Wüste ist jetzt allerdings nicht die Wüste Ägyptens, sondern die Wüste der Völker. f) Bezüglich der Führungsterminologie ist zu sagen, daß sich N2P hiph 'herausführen' in v6.9.10.14.22 ebenso wie in v34.38 (vgl. v41) findet. In vl-31 geht es dabei immer um die Herausführung aus Ägypten, während in v32-38 immer die Herausführung aus den Völkern gemeint ist. S i l hiph 'hineinführen' bezieht sich in v35 auf die Hineinführung in die Wüste und greift damit vlO auf. S i l qal meint in v38 das Hineingehen ins Land und bezieht sich damit auf vl5 (vgl. v28[sek.].42), wo S i l hiph die Hineinführung ins Land bezeichnet. Der Unterschied ist jedoch der, daß es in vl5 um den ersten Eisodus geht, an welchem nach dem Tod der Wüstengeneration ganz Israel partizipierte, in v38 dagegen um den zweiten Eisodus, an welchem nach der Aussonderung der Sünder nur die Gerechten teilhaben. g) V36 bezieht sich mit seinem Verweis auf die Zeit 'der Väter der Wüste des Landes Ägypten' auf ein Thema, von dem in vl-31 immer wieder die Rede ist.

Ez 20,32-38 knüpft also direkt an vl-31 an. Die Verse verfolgen dabei die Absicht, die Aussage von vl-31 zu modifizieren. 31 Vl-31 zielen darauf, das abweisende Handeln Jahwes mit einem Rekurs auf die Geschichte zu begründen, welcher Israels fundamentale Sündhaftigkeit zeigen soll. Eine Heilsankündigung ist nach den Ausführungen von vl-31 nicht zu erwarten. V32-38 versuchen demgegenüber, die Tür zur Heilsankündigung einen Spalt weit zu öffnen. Dies geschieht, indem sie die Vorstellung von einem Läuterungsgericht in der Wüste einführen. Aus dem von Ezechiel angekündigten Gericht an Israel wird auf der redaktionellen Ebene ein Gericht an den Gottlosen. Jahwe wird ganz Israel in der Wüste versammeln, um die einzelnen Israeliten zu sichten. Diejenigen, die gegen ihn rebellieren, wird er aussondern, denn sie sollen nicht ins Land Israel gelangen. Diese Sünder werden in der Wüste bleiben, während die Gerechten - das ist allerdings nur impliziert - im Land wohnen werden. Heil ist also möglich! Der Zorn Jahwes trifft nicht alle, sondern nur die Gottlosen. Indem das Unheil auf sie beschränkt wird, wird indirekt die Gegenüberstellung von Sündern und Frommen eingeführt. Hinter der Einführung dieser Gegenüberstellung steckt ein seelsorgerliches Anliegen. Die sich in der Grundschicht ausdrückende negative Haltung Jahwes gegenüber Israel soll auf die Sünder eingeschränkt werden, um den Frommen Heil ansagen zu können. Jahwes Königtum erweist sich so

31

Vgl. Ohnesorge, Jahwe 198-200.

52

I. Textuntersuchungen

in Gericht und Rettung. Das Gericht wird durch die Wüstentradition veranschaulicht,32 die Rettung durch die Landgabetradition. 33 Beide Traditionen erfahren dabei eine individualistische Deutung. In der Wüste kommen nur die Gottlosen zu Tode, ins Land dürfen nur die Gerechten einziehen. Nicht ganz Israel, sondern nur das von Sündern gereinigte, heilige Volk darf ins Land, um dort, wie später v39ff entfalten, Jahwe auf seinem heiligen Berg zu dienen. Die Geschichte gipfelt jetzt nicht im Gericht, sondern im Heil der Gerechten. 34 Zusammenfassung: Bei dem Disputationswort Ez 20,32-38 handelt es sich um eine redaktionelle Fortschreibung von vl-31. Während Ezechiel die Abwendung Jahwes und das Unheil des Volkes mit einem Rekurs auf die Geschichte erklären will, kündigt der Zusatz den Exulanten den rettenden Exodus an, der allerdings erst nach einem Läuterungsgericht, in welchem die Sünder vernichtet werden, für die Gerechten am Zion endet.

Maleachi 3,13-21 Mal 3,13-21 ist nur verständlich, wenn man die Bezüge auf 2,17-3,5 beachtet. Deswegen muß auch dieser Text ausgelegt werden. 17 Ihr ermüdet Jahwe mit euren Reden! * Aber ihr fragt: "Wodurch ermüden wir (ihn)?" Indem ihr sagt: "Jeder, der Böses tut, ist gut in den Augen Jahwes, und an ihm hat er Gefallen." oder: "Wo ist der Gott des Gerichts?" 32

Man beachte allerdings, daß im Pentateuch nie von ÜSK? im Kontext eines Strafgerichts an Israel die Rede ist.

33

Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund von v32-38 vgl. Baltzer, Ezechiel 5-11; Krüger, Geschichtskonzepte 267f.

34

Vgl. Pohlmann, Ezechielstudien 76.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

3,1

"Siehe, ich schicke meinen Boten, und er wird einen Weg vor mir bahnen. Und plötzlich wird der Herr, den ihr sucht, zu seinem Tempel kommen, und der Bote des Bundes, an dem ihr Gefallen habt, siehe, er wird kommen, spricht Jahwe Zebaot.

2 Und wer kann den Tag seines Kommens erfassen, und wer kann bei seinem Erscheinen bestehen? Ja, er ist wie das Feuer des Schmelzers und wie die Seife der Wäscher. 3 Und der Schmelzer und der Reiniger von Silber wird sich setzen, und er wird die Söhne Levis reinigen, und er wird sie wie Gold und Silber läutern. Und sie werden Jahwe Opfer darbringen in Gerechtigkeit, 4 und das Opfer Judas und Jerusalems wird Jahwe angenehm sein wie in den Tagen der Vorzeit und wie in früheren Jahren.

5

Und ich werde zu euch herantreten zum Gericht, und ich werde ein schneller Ankläger sein gegen Zauberer und Ehebrecher und Meineidige und gegen die, die den Lohn des Tagelöhners drücken 'und' Fremdling, Witwe und Waise bedrängen und mich nicht fürchten."

Spricht Jahwe Zebaot.

13

"Ein starkes Stück sind eure Reden gegen mich! - spricht Jahwe. Und ihr fragt: 'Was haben wir gegen dich besprochen?'

14

Ihr sagt: 'Es ist sinnlos, Gott zu dienen!' und: 'Was ist der Gewinn, wenn wir seine Ordnung beachten und wenn wir im Trauerkleid vor Jahwe Zebaot wandeln?

15

Aber jetzt! Wir preisen die Übermütigen. Die, die Frevel tun, werden aufgebaut, zudem versuchen sie Gott und kommen davon'."

16 Damals besprachen sich die Jahwefürchtigen miteinander.

53

54

I. Textuntersuchungen

Und Jahwe erhörte es aufmerksam, und vor ihm wurde ein Buch des Gedenkens für die geschrieben, die Jahwe fürchten und seinen Namen achten: 17 'Und sie werden mir - spricht Jahwe Zebaot für den Tag, den ich mache, ein Eigentum sein. Und ich werde sie verschonen, wie jemand seinen Sohn verschont, der ihm dient.' 18

"Und ihr werdet wieder zwischen dem Gerechten und dem Frevler unterscheiden können, zwischen dem Diener Gottes und dem, der ihm nicht dient.

19

Ja, siehe, der Tag kommt brennend wie ein Ofen. Und alle Übermütigen und alle, die Frevel tuen, werden Stroh sein, und der kommende Tag wird sie verzehren, - spricht Jahwe Zebaot der ihnen nicht übrig läßt Wurzel und Zweig.

20

Aber euch, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufleuchten, und in ihren Flügeln ist Heilung. Und ihr werdet herausgehen, und wie die Mastkälber hüpfen.

21

Und ihr werdet die Frevler zertreten. Ja, sie werden an dem Tag, den ich mache, Staub unter euren Fußsohlen sein."

Spricht Jahwe Zebaot. 1. In Mal 2,17-3,5 dürfte 3,lb-4 sekundär sein.1 Die Verse unterbrechen bis auf vlbß die Jahwerede und sprechen von Gott in der 3. Person. 1

Vgl. Deissler, NEB 1988; Renker, Tora 75-79; van der Woude, Engel 290-293; Lescow, Strukturen 202-204; ders., Maleachi 115.118-122. Elliger (ATD *1959) und Rudolph (ΚΑΤ 1976) halten nur vlbß.3-4 für sekundäre Einfügungen, wobei Rudolph an der Echtheit von v3f festhält. Vlba.2 zählen sie zur Grundschicht. In vlba sagt Jahwe nach Rudolph 'der Herr' statt 'ich', um seiner Rede größere Feierlichkeit zu verleihen. In v2 werde das Gericht von v5 vorbereitet. Feuer und Seife sollten das Schlechte heraustreiben, d.h. eine Scheidung von Gerechten und Frevlern bewirken, ehe das Gericht komme. Nach Krieg (Mutmaßungen 267-270) liegt dem Maleachibuch eine in der zweiten Hälfte des 3. Jh.s verfaßte Schrift aus sieben Worten zu Grunde, die im frühen 2. Jh. (zu den Datierungen s.S. 193-227) im Rahmen einer das Zwölfprophetenbuch abschließenden Redaktion zu dem uns vorliegenden Maleachibuch ausgearbeitet worden sei (S. 229-242). Im Zentrum dieses das Dodekapropheton abschließenden

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

55

Zudem sprengen sie die enge Verbindung zwischen 2,17-3,la und 3,5. V5 stellt mit der Ankündigung des Gerichts (DStfa) nämlich eine direkte Antwort auf die Frage nach dem Gericht (üSttfi?) in 2,17 dar und knüpft mit 3 Ί ρ 'nähern', 'herantreten' zugleich an die Ankündigung der Wegbereitung von 3, l a an. Vlb-4 sind in sich mehrschichtig. 2 Der schwierige v l b kann hier bis auf einen kurzen Exkurs - außer acht bleiben, da er sich nicht auf die Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern bezieht. Vlb ist in sich chiastisch aufgebaut (NID / ~I0N-Sätze) und weist darüberhinaus zu via eine chiastische Struktur auf. Vlba nimmt nämlich das Thema 'Kommen' aus vlaß auf und vlbß das Thema 'Bote' aus vlaa. Trotz dieses systematischen Aufbaus gehören die beiden Teile von vlb kaum ursprünglich zusammen. Dafür spricht die unterschiedliche Aussageabsicht. Bei vlbß dürfte es sich um eine Nachahmung von vlba handeln. 3 In vlba. widerspricht die betonte Plötzlichkeit des Kommens Jahwes der in via angekündigten Vorbereitung dieses Kommens durch einen Boten. Vlba paßt auch schlecht zu v2-4, da ein plötzliches Kommen immer Unheil bedeutet (vgl. ΟΝΠ2 + Ν Ί 3 Jos 10,9; 11,7; Jes 30,13; 47,11; Jer 6,26; Prov 6,15), das in v2-4 erwartete Kommen aber eine Heilsperspektive eröffnet. Vlba erwartet also wie die Grundschicht ein Vernichtungsgericht, betont ihr gegenüber aber die Plötzlichkeit des Kommens Jahwes, um so Zweifel zu zerstreuen, die angesichts des Ausbleibens des Gerichts gekommen sein mögen. Der Zusatz spitzt also die Ankündigung der Grundschicht zu. Er steht ihr damit

Buches stünden vier Predigten. Die Grundschicht des hier zur Diskussion stehenden Textes findet Krieg in 2,15a.l7; 3,l-2.5b. Die Redaktion habe diesen Text zu der Predigt 2,14-3,6 erweitert (S. 32-35.72f.ll6-120). Reventlow (ATD 1993) betrachtet 2,173,5 als einheitlichen Text. Die Spannungen innerhalb dieses Textes erklärt er damit, daß Maleachi in 3,lb-2* und 3,la.5* zwei Quellen aufgenommen und in 3,3f im Sinne seines kultischen Anliegens (s.S. 132) kommentiert habe. 2

Renker (Tora 75-79) hält vlb«.2 für eine erste und vlbß.3-4 für eine zweite Erweiterung. Meinhold (Vorsprüche 201; vgl. Lescow, Maleachi 115) betrachtet vlb-2 und v3f als separate Einschübe. Nach van der Woude (Engel 290-300) sind vlb-4 in sich einheitlich. Die Spannungen zwischen vlbß und dem Kontext gleicht er aus, indem er den ganzen Zusatz auf das Kommen des Boten bezieht. Die Übereinstimmung der Relativsätze von vlba und vlbß zeige, daß mit | ί "INΠ 'Herr' in vlba nicht Jahwe, sondern der Bote gemeint sei (vgl. Wallis, Wesen 231;'Renker, Tora 91; Deissler, NEB 1988; Bosshard - Kratz, Maleachi 42; Steck, Abschluß 51; Lescow, Maleachi 119f). Der Zusatz spiritualisiere die Wegbereitung, indem er sie auf eine dem Kommen Jahwes vorausgehende Läuterung der Leviten durch den Boten deute (zum Boten als Subjekt der Reinigung vgl. Wallis, Wesen 237; McKenzie - Wallace, Covenant 554; Renker, Tora 78f; Malchow, Messenger 254). Gegen die Identifizierung von ] ί "ΙΚΓΙ mit dem Boten spricht aber sowohl die Wendung 'sein Tempel' als auch die sprachlich geprägte Gegenüberstellung 'Herr - Bote' (vgl. I Reg 6,32; Jer 27,3f); vgl. auch Mal 1,6.

3

Vgl. Elliger, ATD 41959.

56

I. Textuntersuchungen

inhaltlich nahe und dürfte deswegen relativ alt sein. Dafür spricht auch, daß die Suffixe von v2 vlba bereits voraussetzen. Vlbß4 hebt sich als Jahwe-Rede von vlba ebenso wie von v2 ab. Die Zeile unterscheidet sich von diesen auch dadurch, daß hier nicht der Herr, sondern der Bote Subjekt des Kommens ist. Damit aber klappt vlbß, nachdem in vlba schon vom Kommen des Herrn die Rede war, nach. Der Versteil unterbricht zudem die Verbindung zwischen v2 und vlba. Die Suffixe der 3. Person von v2 beziehen sich nämlich nicht auf den Boten von vlbß, sondern auf den Herrn von vlba. Für die redaktionelle Herkunft von vlbß spricht auch, daß fast alle Wörter aus dem näheren Kontext aufgenommen sind. Der Gedankengang wird nur dadurch weitergeführt, daß der Bote von via jetzt als 'Bote des Bundes' S bezeichnet wird. Welchen Zweck verfolgt vlbß mit der Einführung dieses Begriffs? Die Intention der Benennung wird verständlich, wenn vlbß erst nach v2-4 zugefügt worden ist. Das Stichwort 'Bund' knüpft nämlich eine Verbindung zwischen den folgenden Versen v24, die von der Reinigung ( Γ Ρ Ί 2 'Seife') der Leviten handeln, und den voranstehenden Texten 2,4-9 und 2,10, die vom Bund (ΓΡΊ?) mit den Leviten bzw. mit den Vätern sprechen. 6 Die Doppeldeutigkeit von ΓΡΠ3 stellt eine Achse her. Sie vermittelt dabei zugleich zwischen der Gerichtsankündigung und der Heilsankündigung innerhalb von Mal 2,17-3,5. Der von Jahwe geschickte Bote ist ein Bote des Bundes, d.h. er kommt gemäß dem Bund mit den Vätern (2,10), um das Gericht vorzubereiten. Der Bund zielt aber nicht nur auf das Gericht, sondern wie die Anspielung auf ΓΙ"1 "12 'Seife' zeigt, auch auf Reinigung und damit auf Heil. Der singuläre Ausdruck ΓΡΊ2Π ^IN^Ü läßt sich also nur als literarische Bildung vom Kontext her begreifen.

V2-4 sind ein in sich geschlossener Zusatz. Die Verse verlassen den Stil der Anrede und heben sich dadurch auch von vlb ab. Obgleich die Suffixe und das Κ Τ 3 von v2a an den bereits vorgefundenen vlba anknüpfen, bietet die Wer-Frage einen guten Neueinsatz. Sie leitet eine neue Fragestellung und damit ein neues Thema ein. Es geht jetzt nicht mehr darum, ob Jahwe zum Gericht erscheint oder nicht (2,17bß), sondern um die Frage, wer bei Jahwes Erscheinen bestehen wird. Diese Frage, die in I Sam 6,20; Nah 1,6; Ps 76,8; 130,3 als rhetorische Frage mit der erwarteten Antwort 'Niemand' formuliert wird,7 ist hier, wie die Antwort zeigt,

4

Auch Marli (KHAT 1904), Sellin (ΚΑΤ 1922), Horst (HAT 1938) und Rudolph (ΚΑΤ 1976) halten vlbß für einen selbständigen Zusatz. In einer dogmatischen Korrektur werde der transzendente Gott durch eine himmlische Mittlergestalt ersetzt. Mit dem Bundesboten sei also im Grunde Jahwe gemeint (vgl. Wellhausen, Propheten 209; Verhoef, NICOT 1987). Die klare Differenzierung zwischen Bote und Jahwe in via macht es jedoch unwahrscheinlich, daß die beiden in vlbß zu identifizieren sind.

5

Malchow (Messenger 252-255) datiert vlbß in die Zeit nach 165 v. Chr. und hält 'Bundesbote' für die Bezeichnung des auch von Sacharja erwarteten priesterlichen Messias. Zur priesterlichen Identität des Boten vgl. Krieg, Mutmaßungen 180f.226f.

6

Hitzig (KEH 41881) und Ehrlich (Randglossen V 360) vokalisieren ΓΡΊ^ΓΙ 'Bote der Reinigung'.

7

Zu v2aa vgl. Joel 2,11.

η^ΰ

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

57

nicht als rhetorische Frage zu verstehen.8 Sie zielt vielmehr darauf, eine neue Problemstellung zu formulieren: Wie wird das Gericht aussehen? In v2b-4 folgt eine mit ^ 3 'ja' eingeleitete Antwort.9 V2b charakterisiert den Tag des göttlichen Kommens als Reinigungstag.10 V3a expliziert, wie die Reinigung vonstatten geht. Auffällig und ohne jeden Zusammenhang ist, daß dabei nur von der Reinigung der Leviten gesprochen wird. Sie ist wie in Num 8 eine Voraussetzung für ihren Dienst, den v3b-4 beschreiben. Die Leviten werden Jahwe Opfer darbringen, an denen er Gefallen haben wird. Mal 3,2-4 erklärt also, daß die geläuterten Leviten beim Erscheinen Jahwes bestehen werden. Sie werden gereinigt, um den Opferdienst versehen zu können. Diese Ankündigung paßt nicht zu Mal 2,17-3,la.5. V2 spricht bereits vom Erscheinen und der Präsenz Jahwes, während in v5 noch vom Herannahen Gottes die Rede ist. Die Gerichtsvorstellung ist in beiden Versen zudem eine andere. V2 greift die Vorstellung vom Jahwetag auf, v5 bezieht sich dagegen auf eine juristische Vorstellung, denn hier wird Jahwe als Ankläger betrachtet.11 Die entscheidende Differenz ist jedoch, daß v2-4 anders als v5 Sündern nicht das Gericht ankündigen, sondern eine Reinigung und damit letztlich Heil. Mit dieser Ankündigung können aber die in 2,17 zitierten Zweifel der Gegner an einer Bestrafung der Sünder nur bekräftigt, keinesfalls jedoch widerlegt werden. Der Bruch ist zwischen v4 und v5 besonders deutlich. V2-4 laufen auf die Heilsschilde-

8

/ . Jeremias (Theophanie [WMANT 10], Neukirchen-Vluyn 21977, 62) versteht v2a als rhetorische Frage, auf die mit 'Niemand' zu antworten sei. Die dadurch entstehende Spannung zu der Vorstellung vom Läuterungsgericht, das Überlebende voraussetzt, glättet Jeremias, indem er den Gedanken des Rühmens einführt: "niemand kann sich rühmen, an jenem Tage bestehen zu können". Dieser Gedanke ist dem Text allerdings fremd.

9

Vgl. Ex 18,15; Hos 14,10.

10

fcnn 'er' bezieht sich kaum auf Jahwe (so Elliger, ATD 4 1959) oder den Boten (so Sceb0, Art. cpx, ThWAT VI 1136), weil diese kaum mit Seife verglichen würden (in Jes 1,25 ist zu übersetzen: 'Ich will deine Bleiglätte wie mit Pottasche brennen'). Da der Tag Gegenstand der einleitenden Frage ist, dürfte sich auch das Κ1Π der Antwort auf ihn beziehen; vgl. Mal 3,19. Vgl. van der Woude, Engel 292.

11

Zur Funktion des TS vgl. A. Schenker, Zeuge, Bürge, Garant des Rechts, BZ 34 (1990), 87-90.

58

I. Textuntersuchungen

rung von v3b-4 zu, in der das Heil der gereinigten Leviten beschrieben wird. Die Gerichtsankündigung von v5 folgt darauf nur sehr unvermittelt. Während nach 2,17-3,la.5 alle angeredeten Sünder umkommen, werden die sündigen Leviten nach v2-4 von ihren Sünden gereinigt, um wieder kultfähig zu sein. 2. Die Grundschicht von Mal 2,17-3,5 umfaßt demnach 2,17-3,la.5. In 2,17 wirft der Prophet seinen Hörern vor, daß sie Jahwe mit ihren Reden lästig werden. Was sie sagen, wird mit zwei Zitaten expliziert. Wichtig für das Gesamtverständnis des Textes ist, wie man die Frage: "Wo ist der Gott des Gerichts?" versteht. Ist es eine Frage, die das Kommen dieses Gottes herbeisehnt, 12 oder eine, die seine Existenz bzw. Wirksamkeit in spöttischem Ton bestreiten will? 13 Im ersten Fall wären die Sprecher die Gerechten, die Jahwe mit ihren ungeduldigen Zweifeln ermüdeten. 14 Die folgende Jahwe-Rede wäre als ein Trostwort zu verstehen, das den Angeredeten das Gericht über die Frevler verheißt. Der Text würde also auf die Rettung der Gerechten und die Vernichtung der Frevler zielen. Will die in 2,17 zitierte Frage nach dem Gott des Gerichts hingegen die Wirksamkeit dieses Gottes bestreiten, so wären die Sprecher Übeltäter, die sich in Sicherheit wähnten. V17ba wäre ein diesen Gegnern in den Mund gelegtes, freilich entstelltes Zitat (vgl. Jes 28,15) und nicht nur Ausdruck des Zweifels der Gerechten. 15 Die folgende Jahwe-Rede wäre nicht an die Gerechten gerichtet, sondern an Übeltäter und würde ihnen das Gericht ankündigen. In diesem Fall wäre von Gerechten im Text nichts zu hören. Für die erste Auffassung kann man auf 3,13-15 und 3,1b verweisen. In 3,13-15 werden die dort Angeredeten mit ähnlichen Worten zitiert wie die Angeredeten von 2,17 und dann in vl6 als Gerechte vorgestellt (s.u.). Auch 3,1b hält die in 2,17 Angesprochenen für Gerechte. Die beiden Relativsätze dieses Versteils verstehen die Wo-Frage von 2,17 nämlich als Bitte um Jahwes Kommen. Eine solche Bitte ist nur von den Gerechten zu erwarten. Da beide Stellen jedoch von späteren Händen stammen, können sie zwar das hohe Alter, nicht jedoch die Ursprünglichkeit dieses Textverständnisses belegen. Wahrscheinlich will 2,17 seiner ursprünglichen Intention nach nicht die klagende Stimme der Gerechten, sondern die lästernde Rede der angeklagten Übeltäter wiedergeben. Dafür spricht der Kontext. In der voranstehenden Einheit 2,10-16 wird Juda als Ganzes angeklagt (vll). Auch der folgende Text spricht alle Söhne Jakobs (3,6) an und wirft ihnen ihre Sünden vor. Von den Gerechten als einer Gruppe in Israel ist hier keine Rede. Sollten sie gemeint gewesen sein, hätte dies wie in 3,16 expressis verbis gesagt werden

12

Vgl. Jer 2,6.8; Hi 35,10.

13

Vgl. Dtn 32,37; II Reg 18,34 (= Jes 36,19); Jer 2,28; Mich 7,10; Ps 42,4.11; 79,10; 115,2.

14

So die meisten Kommentare; vgl. bes. Sellin, ΚΑΤ 1922; jüngst: Meinhold, Vorsprüche 203; Reventlow, ATD 1993.

15

Vgl. Hanson, Volk 278.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

59

müssen. Da das jedoch nicht geschieht, wird man davon ausgehen müssen, daß in vl7 wie im Kontext ganz Israel angesprochen und angeklagt wird.16

Mal 2,17 spricht also nicht die Gruppe der Gerechten an, sondern richtet sich wie 3,5 an die Sünder, und damit sind nach dem Kontext alle Söhne Jakobs gemeint. Sie fallen Jahwe mit ihren gotteslästerlichen Reden zur Last. Nach Ansicht des Verfassers behaupten sie nämlich zum einen, daß Jahwe an ihren bösen Werken Gefallen habe (vl7ba), und zum anderen, daß es einen strafenden Gott nicht gebe (vl7bß). In 3,la.5 erwidert Jahwe diesen Gegnern, daß er einen Vorboten schicken und dann selber kommen werde, um mit ihnen als Zeuge der Anklage kurzen Prozeß zu machen. Sie sollen also nicht meinen, daß der Gott des Gerichts nicht komme. V5 umreißt die Vergehen der Gegner in einer von traditioneller Sprache geprägten, exemplarischen Liste. Jahwes Vernichtungsgericht wird diese Sünder treffen. Von Menschen, die verschont werden, oder gar von einer an die Frommen gerichteten Verheißung ist hier ebensowenig die Rede wie in der klassischen Prophetie. 3. Das ändert sich in Mal 3,13-21. Dieses sechste Diskussionswort des Maleachibuchs ist als Fortschreibung von Mal 2,17-3,la.5 anzusehen. Es wird von einer Jahwe-Rede (vl3-15) eröffnet, die in einem langen Zitat auf die Klage der Angeredeten zurückblickt. Ihre Klage ist von Zweifeln an der Gerechtigkeit Gottes bestimmt. Sie halten es für nichtig und sinnlos, Gott zu dienen, da Frömmigkeit nicht belohnt und Frevel nicht bestraft wird. V16f bietet einen Kommentar des Verfassers. Dieser erklärt, daß es sich bei den Zweiflern um die Frommen handelt17 und 16

Vgl. Verhoef, NICOT 1987, 283f. Auch Bosshard - Kratz (Maleachi 37) gehen vom Kontext aus. Da sie jedoch annehmen, daß 2,17-3,5 ursprünglich 1,6-2,9 (2,13-16 ?) folgte (29), beziehen sie die Anrede von 2,17-3,5 auf die Priester; vgl.u.S. 63 Anm. 28.

17

Nach Marti (KHAT 1904; vgl. Ehrlich, Randglossen V 362; Bosshard - Kratz, Maleachi 37; Steck, Abschluß 53) spricht 3,13 die Zweifler an, die von Gerechten und Frevlern zu unterscheiden seien. In v20 gehe die Anrede auf die Gerechten Uber. Gegen die Annahme einer eigenständigen Gruppe von Zweiflern spricht, daß der Text nur das Ergehen von Gerechten und Frevlern schildert. Über das Ergehen von Zweiflern verliert er kein Wort. Andere beziehen die in vl6 erwähnten Gespräche nicht auf die in vl4f zitierten Worte. Dann (TN), nämlich nach den in vl4f zitierten Reden der Frevler, hätten sich die Frommen besprochen. Deren Rede würde entweder fehlen (Verhoef, NICOT 1987) oder in vl6b zu finden sein (so Luthers Übersetzung). Die Aufnahme von Ί Π niph aus vl3 macht jedoch deutlich, daß vl6 die zuvor zitierten Reden meint

60

I. Textuntersuchungen

daß Jahwe ihre Klage erhört hat und für sie ein Buch des Gedenkens geschrieben wurde, dessen Inhalt vl7 zusammenfassend zitiert.18 Jahwe wird sie beim Gericht verschonen, wie ein Vater seinen treuen Sohn verschont. In vl8-21 folgt eine zweite Jahwe-Rede, die die Frommen jetzt allerdings direkt anredet. Ihnen wird zugesagt, daß es beim Gericht einen Unterschied zwischen Gerechten und Frevlern geben wird (vl8). Die Frevler werden nämlich vernichtet werden (vl9), während über den angeredeten Frommen die Sonne der Gerechtigkeit aufleuchtet (v20). Dann werden die Frommen die Frevler mit eigenen Füßen zu Staub zertreten (v21). Mal 3,13-21 ist bis auf den vermutlich sekundären v2119 in sich wohl einheitlich.20 Der Text gehört jedoch kaum zum ursprüglichen Maleachibuch.21 Dafür sprechen folgende Beobachtungen: (vgl. Reventlow, ATD 1993). Eine auf die LXX zurückgehende Änderung von TN zu Π Τ (vgl. Wellhausen, Propheten 210; Nowack, HAT 1897; Smith, ICC 1912), Π Τ oder riK'T (Sellin, ΚΑΤ 1922,· Horst, HAT 1938; Krieg, Mutmaßungen 37) ist nicht nötig (vgl. Rudolph, ΚΑΤ 1976). Vgl. Bulmerincq, Prophet 489f. 18

Vgl. Bulmerincq, Prophet 499.512.

19

V21 kehrt unnötig zum Ergehen der Frevler zurück und beschreibt dieses Ergehen in einem anderen Bild als vl9. Sie werden nicht verbrannt, sondern zertreten. Die Verbindung der Bilder mutet künstlich an. Durch sie ergäbe sich eine merkwürdige Form von Leichenschändung: Die Frommen würden auf der Asche der verbrannten Frevler herumtrampeln (vgl. z.B. Verhoef, N1COT 1987). Eher dürfte gemeint sein, daß die Frommen die Frevler zu Staub zertreten (zu ODS vgl. D^DS 'Traubensaft'), um das Böse auszurotten. Das Bild vom freudigen Springen der Gerechten aus v20 wird in v21 zu einem Bild vom brutalen Stampfen der Gerechten, das aus allen Frevlern Staub macht. Bei dieser Ausmalung dürfte es sich um einen apokalyptischen Zusatz handeln (vgl. Deissler, NEB 1988).

20

Vgl. Reventlow, ATD 1993. Lescow (Strukturen 202; ders., Maleachi 138-143) findet in vl4b.15b.19.21ba Zusätze, die den Grundtext zu einer Predigt ausgearbeitet hätten. Diese Predigt habe in vl6f.20aß.b eine Glossierung erfahren. McKenzie - Wallace (Covenant 265) halten vl3-15 für ein versprengtes Maleachi-Fragment, vl6-21 hingegen für redaktionell, da das Bild der Frommen von vl6-21 nicht zu den Reden von vl3-15 passe. Nach Nogalski (Processes 206-212) handelt es sich bei vl6-18 um einen Zusatz. Die Verse gehörten mit 1,2-5; 3,10f zu der Redaktion, die das Maleachibuch in den Kontext des entstehenden Zwölfprophetenbuchs gestellt habe. Mit 'Buch der Erinnerung' sei in 3,16 vermutlich das Zwölfprophetenbuch gemeint.

21

Vgl. McKenzie - Wallace, Covenant 560-563; Renker, Tora 81-83. Renker führt für die sekundäre Herkunft von 3,13-21 an, daß Vergleiche hier öfter durch 3 'wie' eingeleitet würden als im ursprünglichen Maleachibuch. Für ein derartiges statistisches Argument ist die Textbasis jedoch viel zu klein.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

61

a) Mal 3,13-21* spricht nur die Frommen an und hebt sich dadurch vom Vorhergehenden ab.22 Das erste Diskussionswort des Maleachibuchs (1,2-5) spricht Israel als Ganzes an, das zweite (1,6-2,9) wendet sich gegen die gesamte Priesterschaft, ohne zwischen den einzelnen Priestern zu differenzieren.23 Das dritte Wort (2,10-16) richtet sich gegen Juda als Ganzes (vll). Auch im vierten ist von einer Differenzierung innerhalb des Volkes nichts zu spüren. Mal 3,6-7a spricht die Söhne Jakobs als eine Einheit an und in gleicher Weise richtet sich der folgende Umkehrruf (3,7b-12) an das ganze Volk (v9). Eine Differenzierung von Gerechten und Frevlern findet sich erst in Mal 3,13-21*. Den fünf voranstehenden Abschnitten des Maleachibuchs ist sie fremd. b) Die Komposition des Maleachibuches erreicht mit dem fünften Diskussionswort ihren Abschluß. Das erste Wort (1,2-5) stellt die Erwählung Israels prologartig an den Anfang: "Groß ist Jahwe über dem Gebiet Israels!" (v5). Das zweite Diskussionswort bildet den ersten Hauptteil (1,6-2,9). Die Söhne haben den Vater bzw. die Leviten haben Jahwe nicht geehrt und damit den Levibund gebrochen. Der zweite Hauptteil umfaßt die beiden folgenden Worte (2,10-16; 2,17-3,5) sowie die Verse 3,6-7a, die diesen Hauptteil zusammenfassen und sich mit dem Stichwort Π inN 'Väter' auf 2,10 zurückbeziehen. Durch die Inklusio erT ' gibt sich eine Klammer, die 2,10-3,7a umspannt und das Thema umreißt: Die Söhne Jakobs sind, obwohl sie den gleichen Vater haben, treulos gegeneinander und haben damit den Väterbund gebrochen (2,10; 3,7a). Das ursprüngliche Maleachibuch schloß nach den Themen 'Erwählung Israels', 'Bruch des Levibundes' und 'Bruch des Väterbundes' im fünften Diskussionswort mit einem Umkehrruf, der in der Komposition des Buches die Funktion eines Epilogs hatte. Der Schlußvers dieses letzten Wortes kehrt mit der Verheißung: "Ihr werdet ein Land des Wohlgefal22

Nach Bulmerincq (Prophet 465f.469) und Elliger (ATD 4 1959) richtet sich 3,13-21 wie das übrige Maleachibuch an die ganze judäische Tempelgemeinde. Zu dieser Auffassung kommen sie, weil sie die Frevler mit den außerhalb der Gemeinde stehenden Samaritanern identifizieren. Diese Identifizierung ist von der Forschung jedoch zu Recht aufgegeben worden.

23

Die Schichtung der einzelnen Diskussionsworte des Maleachibuchs kann im Rahmen der hier anstehenden Fragen unerörtert bleiben.

62

I. Textuntersuchungen

lens sein!" (3,12) zu dem am Anfang des Buches stehenden Ausruf "Groß ist Jahwe über dem Gebiet Israels!" (1,5) zurück. Nach diesem Abschluß wirkt Mal 3,13-21* wie ein Anhang, der im Anschluß an den Umkehrruf fragt, was man davon hat, Gott zu dienen. - 1,2-5

Erwählung Israels v5: Jahwe ist groß über Israel

[

1,6-2,9

Priester brechen den Levibund

2,10-3,7a Söhne Jakobs brechen den Väterbund (2,10-16; 2,17-3,5) - 3,7b-12 Umkehrruf vl2: Ihr werdet ein Land des Wohlgefallens sein 3,13-24 Vernichtung der Frevler - Heil der Gerechten.24

c) Mal 3,13-21* knüpft inhaltlich und formal an 2,17-3,5 an. Daß der Text nicht unmittelbar hinter diesem, sondern erst hinter dem folgenden Diskussionswort 3,7b-12 steht, ist nur mit der Annahme erklärbar, daß vl3-21* an eine bis vl2 reichende feste Komposition angefügt wurde.25 d) Bei Mal 3,13-21* handelt es sich nicht um ein ursprünglich selbständiges Stück, sondern um eine Fortschreibung des vorliegenden Kontexts. Dafür spricht, daß der Text sowohl Differenzen gegenüber als auch Übereinstimmungen mit dem Voranstehenden aufweist. 1) In vl2 und vl5 findet sich das in den Prophetenbüchern sonst nie belegte Verbum "IÖK 'selig preisen'. Diese Übereinstimmung spricht nicht für gleiche Verfasserschaft, da das Verb in den beiden Versen, was Subjekt und Objekt angeht, anders verwendet wird. Die Seltenheit des Verbs macht es auch unwahrscheinlich, daß zwei ursprünglich selbständige Texte wegen einer Stichwortübereinstimmung hintereinander gestellt wurden. Bei dem Ί0Ν 'selig preisen' von vl5 dürfte es sich vielmehr um eine bewußte Stichwortaufnahme handeln. V13-21* soll dadurch an den vorliegenden Kontext angebunden werden. 2) In vlO und vl5 begegnet das im Zwölfprophetenbuch sonst nur noch einmal belegte Verb ]Π2 'versuchen'. Die Übereinstimmung spricht auch hier nicht für gleiche Verfasserschaft, da das Verb unterschiedlich, nämlich in vlO positiv, in vl5 hingegen

24

Vgl. demgegenüber die Gliederung von Krieg, Mutmaßungen 135.

25

Sellin (ΚΑΤ 1922) versetzt 3,6-12 hinter 1,2-5, so daß 3,13-21 unmittelbar hinter 2,173,5 zu stehen kommt. Nach Krieg (Mutmaßungen 72-75.80f.103) stand 3,13-21 in der Grundschicht des Maleachibuches vor 3,6-12.

26

Vgl. Sellin, ΚΑΤ 1922.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

63

negativ, verwendet wird. Wir haben es hier vielmehr wie bei "ΊΕ7Ν 'selig preisen' mit einer bewußten Stichwortaufnahme zu tun. 27 3) 3,17 bezieht sich auf die Einleitungen der beiden Hauptteile des Maleachibuchs. Nach 1,6 hat der Sohn den Vater bzw. die Priesterschaft Jahwe nicht verehrt, und nach 2,10 handeln die Israeliten treulos gegeneinander, obwohl sie Söhne eines einzigen Vaters sind. Dies nimmt 3,17 auf. Jahwe verschont die Frommen, wie man einen treuen Sohn verschont. TQ 4) Mal 3,13-21* ist vor allem eine Fortschreibung von 2,17-3,5. Beide Texte setzen damit ein, daß den Angesprochenen ihre Reden vorgeworfen werden. Es folgt jeweils eine HD-Frage, die eine Erläuterung des Vorwurfs fordert. Zur Erläuterung werden den Angeredeten dann ihre eigenen Reden zitiert. Sie bestreiten oder bezweifeln, daß Jahwe den Menschen nach ihren Werken vergilt. Darauf antwortet Jahwe in beiden Fällen mit der Versicherung, daß er sehr wohl nach den Werken vergelten wird. Mal 3,1321* weist also sowohl Übereinstimmungen mit als auch Differenzen gegenüber dem Voranstehenden auf. Dies macht es wahrscheinlich, daß es sich bei dem Text um eine FortSchreibung handelt.

Mal 2,17-3,la.5 hat also mit 3,2-4 und 3,13-21* zwei verschiedene Fortschreibungen erfahren.30 Welche der beiden die ältere ist, läßt sich kaum sagen. Man wird sie jedoch in 3,13-21* vermuten dürfen. In der Grundschicht von 2,17-3,5 erscheint Jahwe als Ankläger, also in einer juristischen Funktion. Der Übergang von dieser Vorstellung zu der die Fortschreibung v2-4 bestimmenden Vorstellung vom Tag Jahwes ist sehr abrupt, zumal da der Tag Jahwes auf ein Reinigungsereignis umgedeutet 27

Zu den Kontextaufnahmen vgl. Bosshard - Kratz, Maleachi 40.

28

Zu den Verbindungen beider Texte vgl. Bosshard - Kratz, Maleachi 37-39. Sie sehen in 2,17-3,5 die Priester (vgl.o.S. 59 Anm. 16), in 3,13-21 dagegen das Volk angeredet. Beide Texte zählen sie zu einer ins 3. Jh. zu datierenden Redaktionsschicht des 'Maleachibuchs', das allerdings nie für sich existiert habe, sondern bereits als Fortschreibung der voranstehenden Prophetenbücher Hos-Sach* zu betrachten sei. Steck (Abschluß 42-60.99-105) rechnet die Arbeit von Bosshard - Kratz aufnehmend mit einer Sach 14; Mal 2,17-3,5; 3,13-21 umfassenden und um 240-220 v. Chr. anzusetzenden Redaktionsschicht des damaligen Mehrprophetenbuchs. Den Unterschied zwischen 2,17-3,5 und 3,13-21 sieht Steck jedoch im Gegensatz zu Bosshard - Kratz nicht in der unterschiedlichen Anrede (S. 50f.54), sondern darin, daß unterschiedliche Phasen des endzeitlichen Tag-Jahwe-Geschehens im Blick seien. Die besagte Redaktionsschicht kündige nämlich eine in drei Phasen verlaufende Endzeit an (A: erstes Gericht mit Rest - B: Aufspaltung des Restes in Fromme und Gottlose - C: endgültiges Gericht zur Vernichtung der Gottlosen), und zwar sowohl den Völkern (A: Sach 14,3-15*; B: Sach 14,16-21; C: Sach 14,17-19) als auch Israel (A: Sach 14,If; B: Mal 2,17-3,5; 3,1318; C: Mal 3,19-21; mit Analogie in Jes 63-66). Am eschatologischen Heil würden nach dieser Redaktionsschicht nur die Gerechten, und zwar die Gerechten aller Völker partizipieren.

29

Weitere Kontextaufnahmen: V17 13 -1,6 und 2,10 (jeweils 2X); m t ö - 3,7.

30

Vgl. dagegen Bosshard - Kratz, Maleachi 38f; Steck, Abschluß 50-52.

64

I. Textuntersuchungen

wird. Die Vorstellung vom Tag Jahwes legte sich für den Verfasser von v2-4 also weder von 2,17-3,la.5 noch von seiner Aussageabsicht 'Reinigung der Leviten' her nahe. In die Fortschreibung 3,13-21* fügt sich die Vorstellung vom Tag Jahwes hingegen sehr gut ein, da die für diesen Text zentrale Vorstellung von der Vernichtung der Frevler gut zur Motivik des Jahwetags mit seiner Erwartung der Vernichtung der Feinde Jahwes paßt. Der Verfasser von 3,2-4 will das Kommen Jahwes, von dem die bereits um ν Iba. erweiterte Grundschicht 2,17-3,la.5 spricht, explizieren. Dies geschieht, indem er aus 3,13-21* (bes. vl9) die Rede vom Jahwetag (0 i > · v2.4 und vl7.19bis) sowie das in diesem Zusammenhang häufig begegnende Feuer-Motiv aufnimmt, dabei den dort angekündigten Vernichtungstag jedoch zu einem Reinigungstag umdeutet. 4. Welche Absicht verfolgen die beiden Fortschreibungen von Mal 2,17-3,la.5? Die hinter 3,13-21* stehende Intention wird deutlich, wenn man auf die Differenzen gegenüber Mal 2,17-3,la.5 achtet. In 2,17-3,la.5 sind nach dem Kontext alle Israeliten angeredet. Sie wähnen sich bei ihren Verbrechen in Sicherheit, weil sie nicht an ein vernichtendes Eingreifen Jahwes glauben. Ihnen gegenüber kündigt Mal 3,5 Jahwes Einschreiten zum Gericht an. Von Gerechten ist hier keine Rede. Anders in 3,13-21*! Dort werden nur die Frommen angesprochen (vl6). Sie bestreiten die göttliche Vergeltung nicht, sondern beklagen ihr Ausbleiben. Sie spotten nicht, wo denn der Gott des Gerichts bleibt, sondern fragen verzweifelt, wie es um ihren Gewinn und die Bestrafung der Frevler steht. Dieser Frage entsprechend fällt die Antwort zweiseitig aus. Jahwe kündigt den Angeredeten nicht an, daß das Gericht gewiß kommt, sondern daß es den Gerechten am Tag Jahwes gut gehen wird, die Frevler hingegen vernichtet werden. Die Fortschreibung 3,13-21* hat Konsequenzen für das Verständnis von Mal 2,17-3,la.5, ja für das des ganzen Maleachibuchs. Durch sie wird nämlich die ganz Israel geltende Gerichtsankündigung von 2,17-3,la.5 auf die Gruppe der Frevler bezogen. Die Fortschreibung nimmt jenen Text auf, um die Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern an ihn sowie - ausweislich der exponierten Stellung am Ende des Maleachi-

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

65

buchs - an das ganze Buch heranzutragen. Auf das ursprünglich mit einem Umkehrruf endende Buch fällt durch die Zufügung von 3,13-21* ein neues Licht. Heil und Unheil werden nicht mehr Israel angekündigt und davon abhängig gemacht, ob es umkehrt oder nicht, sondern auf zwei Gruppen verteilt, nämlich auf Gerechte und Frevler. In dem neu bearbeiteten Buch gilt der Umkehrruf nicht mehr dem Volk, sondern einzelnen. Umkehrende und nicht-umkehrende Menschen, solche, die Jahwe dienen, und solche, die dies nicht tun, werden voneinander geschieden. So wird aus dem ganz Israel geltenden Gericht ein Läuterungsgericht. Das Maleachibuch verkündet nicht mehr, daß Jahwe gewiß kommt, um mit den Söhnen Jakobs kurzen Prozeß zu machen, sondern daß die Frevler am Tag Jahwes in einem Läuterungsgericht verbrannt werden. Übrig bleiben allein die Frommen, die die frohe Botschaft erhalten, daß über ihnen die Sonne der Gerechtigkeit heilvoll aufleuchten wird.31 Mal 3,13-21* unterscheidet sich von den in der vorliegenden Untersuchung bislang besprochenen Texten dadurch, daß die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten unter Aufnahme weisheitlicher Tradition formuliert wird. Wie in der Weisheit werden nämlich der p"1^^ (Gerechter) und der »Eh (Frevler) in Aussagen einander gegenübergestellt, die allgemeine Gültigkeit beanspruchen. Dadurch weist der Abschnitt, der sich nach der Anrede an bestimmte Personen in einer bestimmten Situation richtet, über seine Ursprungssituation hinaus. Für das Maleachibuch, das in einem konkreten historischen Kontext - welcher immer es gewesen sein mag - geschrieben worden ist, bedeutet dies, daß es sich im Licht von 3,13-20 nicht mehr nur auf diese vergangene Situation bezieht. Es enthält jetzt vielmehr auch eine zeitlos gültige Lehre: Die Frevler werden am Tag Jahwes getötet, und die Gerechten werden danach ein heilvolles Leben führen. Die weisheitliche Lehre vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten wird in Mal 3,13-21* mit der Tradition vom Tag Jahwes verbunden und so eschatologisiert. Gerechte und Frevler erfahren das ihrem Handeln entsprechende Ergehen nicht - wie von der Spruchweisheit 31

Vgl. Hanson, Volk 285.

66

I. Textuntersuchungen

gelehrt - im hic et nunc, sondern am eschatologischen Tag Jahwes. Die Theodizeefrage wird so durch einen Verweis auf das Eschaton beantwortet. In der zweiten Fortschreibung Mal 3,2-4 erhält das Kommen Jahwes erneut eine andere Zielsetzung. Jahwe kommt nicht zur Vernichtung der Sünder, sondern zur Läuterung der Leviten. Die Grundschicht erwartet das vernichtende Gericht Jahwes. Der Verfasser von v2-4 nimmt den Gerichtsgedanken auf. Mit der Frage: 'Wer wird bei Jahwes Erscheinen bestehen?' spielt er nämlich auf die Gerichtstradition an, da diese Frage zunächst die Antwort 'Niemand' erwarten läßt. Auch die Begriffe 'Tag seines Kommens' und 'Feuer' 32 , deren Gebrauch von 3,13-21* beeinflußt ist, gehören in den Kontext von Gerichtsvorstellungen. Die damit umrissenen Aufnahmen zielen jedoch auf eine Umdeutung der Gerichtstradition. Das Feuer ist nämlich kein vernichtendes Feuer, sondern ein Feuer des Schmelzers, das im Parallelismus neben der Seife der Wäscher erscheinen kann. Es ist ein reinigendes, läuterndes Feuer. 33 So wird aus dem alle Sünder treffenden Vernichtungsgericht auf einer späteren redaktionellen Ebene jedenfalls für bestimmte Sünder ein Läuterungsgericht, und zwar eines, das ganz anderer Art ist als das, welches 3,13-21 und die übrigen hier behandelten Texte ankündigen. Es reinigt nicht von Sündern, sondern von Sünden. Die Leviten werden nicht vernichtet, sondern ihnen werden ihre Sünden abgewaschen.34 Als Gereinigte werden sie dann am Heil partizipieren. Zusammenfassung:

Die Grundschicht Mal 2,17-3,la.5

kündigt

Jahwes Vernichtungsgericht an, ohne daß von der Rettung irgendwelcher Gerechter die Rede wäre. In 3,13-20 (Zusatz: v21) hat dieser Text eine Fortschreibung erfahren, die zwischen Gerechten und Frevlern unterscheidet. Eine weitere Fortschreibung der Grundschicht findet sich - außer in den Zusätzen 3, Iba und 3,lbß - in 3,2-4. Die drei genannten 32

Vgl. Dtn 32,22; Jes 30,27.30; 66,15f; Jer 4,4; 15,14 (= 17,4); 21,12; Ez 21,36f; 22,21.31; 38,19; Nah 1,6; Ps 89,47; Thr 2,4.

33

Vgl. Botterweck, Sonne 258f.

34

Mit göttlichem Subjekt meint "IHCD immer die Reinigung von Sünden; vgl. Jer 33,8; Ez 24,13; 36,25.33; 37,23; Ps 51,4.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

67

Schichten haben unterschiedliche Vorstellungen vom Gericht. Die Grundschicht meint mit Gericht die Vernichtung des sündigen Volkes, die erste Fortschreibung Mal 3,13-21* denkt an die Vernichtung der Frevler, die eine Läuterung Israels bedeutet, und die zweite Fortschreibung an die Läuterung der Leviten. Aus der uneingeschränkten Gerichtsankündigung der Grundschicht wird in der ersten Fortschreibung also die Ankündigung eines Läuterungsgerichts. Geläutert wird Israel. Dies geschieht, indem die Sünder beseitigt werden, während die Gerechten übrig bleiben. Auch die zweite Fortschreibung Mal 3,2-4 erwartet ein Läuterungsgericht. Gegenstand der Läuterung ist jedoch nicht Israel als Volk, sondern sind jetzt die Leviten als Individuen l^ - " 1 Nicht Sünder werden beseitigt, um die Reinheit der Gruppe zu erreichen, sondern Sünden, um die Reinheit der einzelnen Leviten zu erzielen. Weil die Läuterung nicht einer Gruppe gilt, meint sie nicht eine Scheidung in Gerechte und Frevler, sondern die Reinwaschung des Sünders von seinen Sünden. Das Gericht gilt in beiden Fortschreibungen Sündern, am Heil partizipieren in Mal 3,2-4 anders als in 3,13-21* jedoch nicht nur die Gerechten, sondern auch gereinigte Sünder, und insofern haben wir es hier gewissermaßen mit der Rechtfertigung der Gottlosen zu tun.

1.2. Im Kontext von Heilsankündigungen

Ezechiel 34,17-22 17

Aber ihr, meine Herde, So spricht Jahwe, der Herr: Siehe, ich werde zwischen Schaf und Schaf richten. 18 Oh Widder und Böcke,1 ist es euch zu wenig? D'H'IFli^l D"1'?·'»:^ 'den Widdern und den Böcken' bereitet Schwierigkeiten. Zieht man die Nomen zu vl7 'ich werde richten zwischen Schaf und Schaf, Widdern und Böcken', so gibt es drei Verständnismöglichkeiten:

68

I. Textuntersuchungen

Ihr beweidet die beste Weide, aber ihr zerstampft den Rest eurer Weide mit euren Füßen, und ihr trinkt klares Wasser, aber ihr trübt das restliche mit euren Füßen. 19

Und meine Herde, das Zerstampfte eurer Füße muß sie beweiden, und das Getrübte eurer Füße muß sie trinken.

20 Deswegen, so spricht Jahwe, der Herr, zu ihnen: Siehe, ich selber werde zwischen dem fetten Schaf und dem mageren 21

Weil ihr mit Hüfte und Schulter wegstoßt

Schaf richten,

und mit euren Hörnern alle Erkrankten niederstreckt, bis ihr sie nach draußen zerstreut habt, 22

werde ich meine Herde befreien, und sie wird nicht mehr zur Beute werden. Und ich werde zwischen Schaf und Schaf richten.

1. In der Wendung 'Widder und Böcke' bezieht sich je eine der beiden Tierarten auf eine der beiden verfeindeten Schafgruppen, so daß sich die Gegenüberstellung 'Schafe/Widder < > Schafe/Böcke' ergibt. In diesem Fall wäre jedoch nicht ...'? ...b, sondern wie zuvor ...'? ... f 1 } zu erwarten (vgl. Lev 11,47; Num 30,17; Dtn 17,8; Mal 3,18). 2. Genauso wie zwischen den Schafen gerichtet wird, soll jeweils zwischen Widdern und Böcken gerichtet werden. Dann erhalten wir die Konstellation 'Schafe < > Schafe; Widder < > Widder; Böcke < > Böcke'. Dafür spricht II Chr 19,10, die engste syntaktische Parallele: D^ÜStpO^I Π^Π 1 ? rm/? 1 ? Π Τ ί Π " ] ^ Dl"? Es geht dort um Streit zwischen Blut und Blut sowie zwischen jeweiligen Gesetzen, Geboten, Satzungen und Rechten. 3. 'Widder und Böcke' bezieht sich auf ein und dieselbe Schafgruppe, so daß sich die Gegenüberstellung 'Schafe < > Schafe/Widder/Böcke' ergibt (vgl. Willmes, Hirtenallegorie 510). Dafür spricht der inhaltliche Grund, daß Widder ebenso wie Böcke gut als Repräsentanten der starken Schafe fungieren können. In jedem Fall handelt es sich bei der asyndetisch angehängten Wendung um eine Explikation des Voranstehenden, die gegenüber den gleichlautenden Formulierungen von v20.22 einen Überhang bildet. Deswegen wird sie zuweilen als sekundär betrachtet (Eichrodt, ATD 1966; Hossfeld, Untersuchungen 245f.267). Dies ist jedoch schlecht möglich, weil dann für das Folgende ein plurales, maskulines Bezugswort fehlt (vgl. Willmes, Hirtenallegorie 52). Da die Nomen deswegen ursprünglich sein müssen, scheint es mir am sinnvollsten zu sein, die Wendung mit Allen (WBC 1990) zu vl8 zu ziehen und das als emphatisches *? zu verstehen, das einen casus pendens einleitet (vgl. Koh 9,4; zu doppeltem emphatischen b in Parallelgliedern vgl. Ps 89,19; vgl. GKa § 143e; F. Nötscher, Zum emphatischen Lamed, VT iii [1953], 372-380, 379f). Betrachtet man 'Widder und Böcke' als Anrede, bietet auch der Wechsel von der 2. Pers. fem. PI. in vl7 zur 2. Pers. mask. PI. in vl8ff kein Problem mehr.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

69

Die Verse heben sich vom Voranstehenden dadurch ab, daß die Herde Jahwes, von der vl-16 in der 3. Person sprechen, einleitend direkt angeredet wird. Auch die Botenformel von vl7 markiert den Neueinsatz. Abgeschlossen wird der Text in v22 von einer Ankündigung, die den Eingangsvers (vl7) aufnimmt und so eine Klammer um den Text legt. Mit der David-Verheißung von v23 beginnt ein neues Thema.2 Der als Jahwe-Rede gestaltete Text wird von einer Überschrift eröffnet und gliedert sich dann in zwei Teile.3 Die Überschrift (vl7) wendet sich an die aus vl-16 bekannte Herde. Jahwe kündigt - und darauf zielt der Text - seiner Herde an, daß er zwischen den Schafen richten wird. Der Überschrift folgt in vl8-22 eine als Gerichtswort formulierte Rede, die sich nicht mehr wie vl7 an die in der 2. Pers. fem. PI. angesprochene ganze Herde richtet, sondern an eine in der 2. Pers. mask. PI. angeredete Teilgruppe dieser Herde, nämlich an die Widder und Böcke. Das Scheltwort vl8f wirft ihnen vor, daß sie sich, obwohl sie über beste Weiden und gutes Wasser verfügen, dem Rest der Herde gegenüber brutal verhalten. Sie zerstampfen deren Weideland und verunreinigen deren Wasser mit ihren Füßen (viermal D3*1 Der Scheltrede folgt in v20-22 ein Drohwort. Es beginnt mit der aus der Überschrift bekannten Ankündigung, daß Jahwe zwischen den Schafen richten wird. Die Schafe werden jetzt in Aufnahme des in der Scheltrede angesprochenen Konflikts als fette und magere Schafe charakterisiert. V21 kehrt - wodurch die eigentliche Ankündigung verzögert wird zur begründenden Scheltrede zurück. Der mit f S ] 'weil' eingeleitete Satz bringt einen neuen Vorwurf. Die angeredeten Tiere entziehen den anderen nicht nur die Lebensgrundlage (vl8f), sondern attackieren ihre Artgenossen auch direkt, indem sie sie niederstrecken und verjagen. Hier 2

Hossfeld (Untersuchungen 233f.244.247) zieht v23f* zu vl7-22; vgl. dagegen die berechtigte Kritik von Willmes (Hirtenallegorie 208-212) und Ohnesorge (Jahwe 370). Bei v23f dürfte es sich um einen Zusatz zu vl7-22 handeln, da hier nicht mehr Jahwe, sondern sein Stellvertreter David als Hirte erscheint; vgl. Fohrer, HAT 1955; Zimmerli, BK 21979; U. Kellermann, Messias und Gesetz (BSt 61), Neukirchen-Vluyn 1971, 84f; Garscha, Studien 203; Willmes, Hirtenallegorie 227; Ohnesorge, Jahwe 370f. Hossfeld (Untersuchungen 248-253.271-273) hält nur v23aß.24aß für sekundär.

3

Zum Aufbau vgl. Hossfeld, Untersuchungen 247f.

70

I. Textuntersuchungen

greift - so die eigentliche Ankündigung in v22 - der Hirte ein. Er rettet die schwächeren Tiere, indem er sie dem Zugriff der kräftigeren entzieht. Auffällig ist, daß die Ankündigung den angeredeten Widdern und Böcken kein Unheil ansagt, wie es nach der Scheltrede vl8f.21 zu erwarten wäre. Kein Wort von der Vernichtung der Übeltäter! Jahwe teilt diesen lediglich mit, daß er die Schwachen in Zukunft ihrem Zugriff entziehen wird. Wie ist dieses für ein Gerichtswort auffällige Fehlen einer Unheilsankündigung zu erklären? 4 Es liegt am Bild! Ez 34,17-22 schildert das Verhalten von Tieren und die Maßnahmen, die der Hirte ergreift. Die ganze Rede bleibt in Anklage und Ankündigung auf der Bildebene. Man muß allerdings beachten, daß das geschilderte Verhalten der Tiere als Verhalten von Tieren normal ist - jedenfalls nach Darwins Lehre vom 'survival of the fittest'

und auch im alten Israel nicht als anstößig betrachtet worden sein

dürfte. Ethisch anstößig erscheint das Verhalten erst, wenn man es als Bild für das Verhalten von Menschen versteht. Erst dann hat die Schilderung des Verhaltens der Tiere den Charakter eines Scheltwortes. Ohne daß die Vorwürfe im einzelnen allegorisch übertragen werden können, wird ausgesagt: Die einen bedrücken die anderen. 5 Auch die Ankündigung bleibt im Bild. Der Hirte, Jahwe, rettet, wie es sich für einen guten Hirten gehört, die schwachen Tiere vor den Attacken der starken. Aber welcher gute Hirte würde die starken Tiere seiner Herde wegen ihrer At-

4

Willmes (Hirtenallegorie 258-268) spricht nicht von einem Gerichtswort, sondern führt die Bezeichnung "differenzierende Prophezeiung" ein. Gemeint sind damit "solche Weissagungen, bei denen einer Gruppe oder Person das Gericht Jahwes und damit wohl Bestrafung angesagt wird, einer anderen Gruppe aber Heil durch Jahwe" (259). Neben Ez 34,17-22 und den beiden von ihm aus 34,1-16 rekonstruierten Texten (s.u.S. 74 Anm. 11) zählt Willmes zu dieser Gattung Jes 1,21-26; Am 9,8-10; Zeph 3,11-13, aber auch Texte, die Fremdvölkern Unheil, Israel dagegen Heil ansagen: Zeph 2,8-10; Ob 1-18.19-21; Jes 45,14-17. Krüger (Geschichtskonzepte 449-464) nimmt die Gattungsbezeichnung positiv auf. Nach ihm zeigt sich in den "differenzierten Prophezeiungen" Ezechiels Konzept der Neukonstituierung Israels. Gegen Willmes (Prophezeiungen 250) würden diese Prophezeiungen jedoch nicht aus dem Gerichtswort und einem von der Kollektiv- zur Individualschuld gewandelten Schuldverständnis erwachsen, sondern aus den Restitutionsprophezeiungen des Propheten.

5

In der Darstellung der fetten und der mageren Schafe dürften sich soziale Spannungen ausdrücken.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

71

tacken umbringen? Das Bild stößt hier auf seine Grenzen. Die im Gerichtswort zu erwartende Unheilsankündigung muß in der Bildrede fehlen. Ein Hirte würde seine kräftigsten Tiere nicht töten, um die schwachen zu schützen.6 Will man das, was die Bildrede ausdrückt, ohne Bild sagen, so wird man, wie dies in der handschriftlichen Überlieferung von v l 6 zum Teil geschehen ist,7 die Gerichtsankündigung, die im Bild fehlen muß, durchaus hinzufügen können. Da der Text nämlich als Gerichtsrede gestaltet ist, impliziert er eine Unheilsankündigung für die Angeklagten. Das gleiche impliziert auch der Gebrauch des Begriffs 'meine Herde'. Spricht Jahwe in ν 17 nämlich noch die ganze Herde als 'meine Herde' an, so sind mit eben dieser Wendung in v l 9 und v22 nur noch die schwachen Schafe gemeint. Die starken gehören nicht mehr zur Herde Jahwes. Diejenigen, die die Schwachen nach draußen vertreiben wollten (v21), sind selber draußen. Ihr Ausschluß und damit ihre Vernichtung werden vorausgesetzt. Deswegen drückt die dreimal gebrauchte und den Abschnitt strukturierende Wendung ... " p i 1 !

... ρ 3 ÖSE? bzw. ... b ... f n

taatü 'rich-

ten zwischen' aus, daß Jahwe zwischen zwei einander gegenüberstehenden Gruppen richtet, indem er jeder das ihrem Handeln entsprechende

6

Zu Ez 34,16 vgl. die folgende Anmerkung.

7

In vl6 wird die Vernichtung der starken Schafe in der von den meisten hebräischen Handschriften bezeugten Lesart "POEWt angekündigt: 'Ich werde das Kräftige und Starke ausrotten'. Gegen diese Lesart spricht jedoch, daß Jahwe dann genau das tun würde, was er den Hirten in v4 vorwirft. Ursprünglich und im Kontext von vi-16 einzig sinnvoll dürfte an dieser Stelle "PötöK gestanden haben: 'Ich werde das Kräftige und Starke behüten'; so 2 MSS, L X X (φυλάξω), Vulg. (custodiam), Syr. ('fr < ntr 'bewahren'); vgl. die meisten Kommentare. Erst unter dem Einfluß von vl7-22 entstand die Lesart Τ ^ Q W 'ich werde ausrotten'. Anders liegen die Dinge, wenn man vl6 nicht zum ursprünglichen Bestand von vl-16 zählt. Sollte es sich bei dem Vers nämlich um eine redaktionelle Verbindung zwischen vi-15 und V17-22 handeln (vgl. Zimmerli, BK 21979; Willmes, Hirtenallegorie 475) oder der Vers vom selben Redaktor wie vl7-22 stammen (vgl. Hossfeld, Untersuchungen 244.265f.282f; Garscha, Studien 201f), so kann Τ10E7N 'ich werde ausrotten' ursprünglich sein (vgl. Willmes, Hirtenallegorie 51f). In jedem Fall belegt "PQIÖN, daß man die implizite Gerichtsankündigung von vl7-22 schon früh explizit gemacht hat.

72

I. Textuntersuchungen

Ergehen zukommen läßt, also die einen vernichtet, die anderen aber rettet. 8 Ez 34,17-22 dürfte gegenüber vl-16 sekundär sein. Dafür sprechen folgende Beobachtungen: 1. In vl-16 werden die Hirten, in vl7-22 dagegen die Schafe bzw. nur die fetten Schafe angeredet. 2. Vl-16 sehen die Herde als Einheit, vl7-22 unterscheiden dagegen scharf zwischen fetten und mageren Schafen. Während in vl-16 den Hirten Vergehen an der Herde vorgeworfen werden, klagen vl7-22 die fetten Schafe an, sich an den mageren vergangen zu haben. So wird in vl722 aus der Gegenüberstellung von Hirten und Herde das Gegenüber von fetten und mageren Schafen. 3. Der veränderten Zielrichtung der Anklage entspricht eine neue Zielrichtung der Ankündigung. Jahwes Eingriff ist ein anderer. Während Jahwe seiner Herde in vl-16 zusagt, daß er sich um sie kümmern werde, kündigt er in vl7-22 an, daß er zwischen den Schafen richten (taötÖ) wird. Ist Ez 34,17-22 damit als sekundär ausgewiesen, so stellt sich die Frage, ob es sich um einen ursprünglich selbständigen Text oder um eine Fortschreibung von vl-16 handelt. Für die zweite Möglichkeit lassen sich folgende Argumente anführen:

8

Vgl. Allen, WBC 1990. Die Wendung ... - p i l ... f 1 ? BSE) 'richten zwischen ...' impliziert für eine der streitenden Parteien die Vernichtung, wenn sie nämlich selbst Ursache des Streites ist; so G. Liedke (Gestalt und Bezeichnung alttestamentlicher Rechtssätze [WMANT 39], Neukirchen-Vluyn 1971, 65f) unter Bezug auf Num 35,24; I Sam 24,13; Jdc 11,27. Für Ez 34,17-22 nimmt Liedke (a.a.O. 65; vgl. Willmes, Hirtenallegorie 152f) allerdings an, daß Jahwe, da vom Ausscheiden der bösen Tiere keine Rede sei, das gestörte Verhältnis zwischen den Tieren in Ordnung bringt. Aber davon, daß alle Tiere nach Jahwes Eingriff friedlich zusammenleben werden, ist keine Rede. Nach H. Niehr (Herrschen und Richten. Die Wurzel Spt im Alten Orient und im Alten Testament [fzb 54], Würzburg 1986, U l f ) legt sich für C33Ö in Ez 34,17-22 die Bedeutung 'trennen', 'unterscheiden' nahe. Zimmerli (BK 21979) übersetzt 'einem Tier Recht schaffen gegen das andere'.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

73

1. V17-22 entsprechen im Aufbau v2b-10.9 2b 2b-6

11 17a II 18-19

7 8

11 20 j | 21

9-10

11 22

Botenformel Scheltrede 2b-4 11 18 Taten der Angeklagten 5-6 j | 19 Leiden der Opfer 13"? 'deswegen' + Einleitungsformel i i r ' w e i l ' + erneutes Scheltwort 8aß.b II 21a Taten der Angeklagten 8aa 11 21b Leiden der Opfer Ankündigung (betont Rettung der Opfer)

2. V17-22 greifen eine Reihe von Begriffen aus vl-16 auf. Dabei werden die Begriffe zum Teil anders verwendet. a) Die in vl-16 häufige Rede von der Herde Jahwes p JNX) wird aufgenommen, in vl7 zunächst auch im selben umfassenden Sinne wie in vl-16 gebraucht, in vl9.22 dann jedoch auf den unterdrückten Teil der Herde eingeschränkt. b) Den Botenformeln von vl7 und v20 folgen als Redeeinleitungen 3 3 Π (vl7) und ^ 3 J Π "ON (v20). Damit bezieht sich der Text auf vlO und v l l , wo sich im Anschluß an Botenformeln die gleiche Folge von Redeeinleitungen findet. c) V18 greift vl4 auf. Die Wendung aitfl ΠΡ1Ώ 'gute Weide' steht im Alten Testament nur an diesen beiden Stellen. Hinzu kommt, daß Π VI mit einem Tier als Subjekt ('[Land] beweiden') im Ezechielbuch nur in eben diesen beiden Versen belegt ist. Inhaltlich geht es in vl4 allerdings um etwas anderes als in vl8f. In vl4 verheißt Jahwe seiner Herde, daß sie eine gute Weide haben wird. In vl8f erscheinen die vl4 entnommenen Begriffe dann im Rahmen einer Scheltrede. Hier geht es um die rechte Benutzung guter Weiden. d) V20 nimmt mit Γ Ρ Ί 3 'fett' aus v3 'fett' auf. Während die fetten Tiere in v3 jedoch als Opfer der schlechten Hirten erscheinen, sind sie in v20 die Übeltäter, die ausgesondert werden sollen. e) V21 greift mit Πΐ'ίΠΙίΊ 'das Erkrankte' v4 und vl6 auf. Der Kontext ist jeweils das Verhalten gegenüber schwachen Tieren. Die Hirten haben sie nicht gestärkt (v4), aber Jahwe wird dies tun (vl6). In vl7 geht es demgegenüber nicht um unterlassene Hilfeleistung, sondern um die aktive Vernichtung schwacher Tiere. Des weiteren erscheinen in v3f fette und schwache Tiere als Opfer der Hirten, in vl7-20 sind dagegen die schwachen Tiere Opfer der fetten. Während vl-16 mit der Rede von den schwachen und starken Tieren in einem Merismus die ganze Herde bezeichnen, 10 meinen vl7-22 damit zwei verfeindete Gruppen. f) Mit der Wurzel f 1S 'zerstreuen' bezieht sich v21 auf v5f.l2. In vl-16 beschreibt das Verb die Not der Herde. Sie ist wegen der Nachlässigkeit ihrer Hirten zerstreut. Nach v21 sind dagegen nicht alle Schafe zerstreut, sondern nur die schwachen. Ursache der Zerstreuung ist nicht die mangelnde Fürsorge der Hirten, sondern das gewaltsame Vorgehen der fetten Schafe. g) V22 nimmt mit TD1τ? Πτ"Ή 'zur Beute werden' v8 auf. In v8 fällt die Herde wilden Tieren ~ . τ . · zum Opfer, nach v22 sind dagegen die schwachen Schafe Opfer der starken. Mit 1>KP 9

Die Frage, ob v7f sekundär ist (so Zimmerli, BK 21979; Hossfeld, Untersuchungen 232.237f), muß hier nicht entschieden werden. Die Aufbauentsprechungen zwischen v2b-10 und 17-22 deuten darauf, daß v7f dem Verfasser von vl7-22 bereits vorlagen.

10

Zum Text von vl6 vgl.o.S. 71 Anm. 7.

74

I. Textuntersuchungen

'retten' mag v22 zudem auf 'retten' in vlO und vl2 anspielen, wo wie in v22 jeweils die Herde Jahwes Objekt der Rettung ist.

Da Ez 34,17-22 einerseits Differenzen gegenüber, andererseits aber auch Verbindungen zu vl-16 aufweist, ist der Text wohl als redaktionelle Fortschreibung anzusehen.11 Welche Intention verfolgt diese Fortschreibung? Wenn vl-16 von den Hirten und der Herde sprechen, so haben sie damit die Könige Israels und das Volk im Blick.12 Die Verse thematisieren den Zustand des Volkes, das nach v6 über die ganze Erde zerstreut ist, und machen die Hirten für diesen Zustand verantwortlich. Von einer grundsätzlichen Scheidung innerhalb des Volkes ist hier nichts zu spüren. Die Kontinuität zwischen vl-16 und vl7-22 liegt in der Zusage, daß Jahwe sich um seine Herde kümmern wird. Aber: Wer ist die Herde Jahwes? Auf diese Frage geben die beiden Texte unterschiedliche Antworten. Nach vl-16 gehört das ganze Volk Israel zur Herde Jahwes, nach vl7-22 jedoch nur ein Teil dieses Volkes. Von dem Heil, das vl-16 dem ganzen Volk ankündigen, wird also auf der redaktionellen Ebene ein Teil des Volkes ausgeschlossen, ja ihm wird ausweislich der Form des Gerichtswortes implizit Unheil angesagt. Deswegen kann man auch im Zusammenhang dieses Textes von einem Läuterungsgericht sprechen. V1722 schränken vl-16 also ein: Jahwe wird seine Herde retten, aber die bösen Tiere gehören nicht zur Herde Jahwes. 11

Vgl. Cooke, ICC 1936; Levin, Verheißung 219 Anm. 84; Garscha, Studien 202. Nach Garscha (Studien 200-206) stammt die vl-3.9-15.25-30 umfassende Grundschicht von Ez 34 vom deuteroezechielischen Bearbeiter des Ezechielbuchs. V4-8.16.17-22.31 führt Garscha auf einen ersten, v23f auf einen zweiten Redaktor zurück. Hossfeld (Untersuchungen 280-286) unterscheidet in Ez 34 sieben Schichten: Das authentische Gerichtswort vlf.9*f sei zunächst um v3.9* und dann um v4-6 erweitert worden. Von einem auch sonst im Ezechielbuch tätigen Redaktor stammten vll14a. 15. In weiteren Schritten seien v7f,16.17-24*, dann v23f* .25-30 und schließlich v31 zugefügt worden. Willmes (Hirtenallegorie 212-225.228.237-239.470-471.475.510-512; zusammenfassend ders., Prophezeiungen 248-254) findet in vl-16 zwei ursprünglich selbständige Einheiten, die beim Zusammenfügen geringfügig überarbeitet worden seien (dazu zu Recht kritisch Krüger, Geschichtskonzepte 450f). Eine weitere ursprünglich selbständige Einheit sei in dem von Ezechiel in frühexilischer Zeit verfaßten Text vl7-22 erhalten. V23f.25-30.31 seien später sukzessive angehängt worden. Auch Zimmerli (BK 21979) und Fohrer (HAT 1955) schreiben Ez 34,17-22 dem Propheten selbst zu.

12

Vgl. Zimmerli, BK 21979, 836.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

75

Man mag überlegen, ob sich Ez 34,17-22 nur auf den engeren Kontext vl-16 bezieht oder auch auf den weiteren der Heilsverheißungen des Ezechielbuchs, also auf Kap. 34-48. Immerhin ist es bemerkenswert, daß sich die Fortschreibung vl7-22 an den Text hängt, der im Ezechielbuch die Heilsverkündigung eröffnet. So ist es vielleicht möglich, daß ein Redaktor der ganzen folgenden Heilsverkündigung ein neues Vorzeichen geben wollte. Die Heilstexte sollten nicht mehr ganz Israel gelten, sondern nur den Unterdrückten. Die Sünder werden von vornherein vom Heil ausgeschlossen. Das rechte Verhalten ist also eine wesentliche Voraussetzung für die Teilhabe am Heil. Zusammenfassung: Die Bildrede Ez 34,17-22 stellt eine Fortschreibung der Bildrede von vl-16 dar. Das Bild von der Herde hat sich jedoch gewandelt. In vl7-22 erscheint sie nicht mehr als Einheit, sondern ist in Starke und Schwache, in Unterdrücker und Unterdrückte gespalten. Die Rettung Jahwes soll nicht der ganzen Herde zuteil werden, sondern nur dem bedrängten Teil dieser Herde. Die Starken, die ihre Volksgenossen unterdrücken, werden - das ist, weil es aus dem Bild fällt, nur impliziert untergehen. An dem von Ezechiel angekündigten Heil werden sie nicht partizipieren. Ez 34,17-22 entspricht inhaltlich Ez 20,32-38.13 Hier wie dort findet sich die Vorstellung von einem Läuterungsgericht.14 Ez 20,37 kündigt an, daß Jahwe Israel unter dem Stab hindurchziehen lassen wird, und gebraucht damit ein Bild aus dem Hirtenleben. Wie der Hirte, der seine Herde unter dem Stab hindurchziehen läßt, um die einzelnen Tiere zu sichten, so sichtet Jahwe die Israeliten, um die schlechten auszusondern. Genau dieser Gedanke von Ez 20,37 findet sich auch in Ez 34,17-22. Jahwe wird zwischen den Israeliten richten, d.h. er wird die Israeliten nicht als Einheit behandeln, sondern nach ihren Werken unterscheiden. 13

Vgl. Eichrodt, ATD 1966; Zimmerli, BK 21979; Allen, WBC 1990; Krüger, Geschichtskonzepte 453.

14

Anders G. Liedke, Gestalt und Bezeichnung alttestamentlicher Rechtssätze (WMANT 39), Neukirchen-Vluyn 1971, 65 Anm. 6; vgl. Hossfeld, Untersuchungen 266f; s. dazu o.S. 72 Anm. 8.

76

I. Textuntersuchungen

Israel zerfällt in Starke und Schwache, in Unterdrücker und Unterdrückte, in Täter und Opfer. Retten wird Jahwe nur die Unterdrückten, die Übeltäter werden hingegen von der Herde abgetrennt. Ez 20,32-38 bietet die Fortschreibung eines Textes mit einer Unheilsperspektive, Ez 34,17-22 dagegen die einer Heilsankündigung. Beide Texte wollen die voranstehende Unheils- bzw. Heilsperspektive einschränken, indem sie die Vorstellung eines Läuterungsgerichts einführen. Für Ez 20 bedeutet die Einführung dieser Vorstellung, daß eine Heilsperspektive eröffnet wird, für Ez 34 dagegen, daß die voranstehende Heilserwartung eingeschränkt wird. Beide Texte zielen also darauf, daß es Heil und Unheil geben wird, und zwar für unterschiedliche Menschengruppen. Von der Landgabe (20,38) bzw. vom Heil (34,22) sind diejenigen ausgenommen, die gegen Jahwe aufbegehren (20,38) bzw. ihre Mitmenschen unterdrücken (34,17-22). Sie sollen vergehen, damit die von Übeltätern gereinigte Gemeinde der Gerechten gerettet werden und heilvoll leben kann.

Jeremia 30,23-24 23 Siehe, der Sturm Jahwes geht aus mit Wut, ein 'wirbelnder' Sturm, er wirbelt gegen das Haupt der Frevler. 24 Nicht wendet sich die Glut des Zornes Jahwes, bis er die Pläne seines Herzens vollbracht und aufgerichtet hat. Am Ende der Tage werdet ihr es einsehen. Jer 30,23f hebt sich formal und inhaltlich vom Kontext ab. Die Verse unterbrechen die Jahwe-Reden der anliegenden Texte und kündigen anders als diese nicht Heil, sondern Unheil an.1

1

Bozak (Life 58-70) betrachtet 30,18-31,1 als Gedicht aus zwei Strophen: 30,18-22; 30,23-31,1.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

77

Der kurze Text hat, wie v24b erklärt, ein endzeitliches Gerichtshandeln Jahwes im Blick.2 Der Sturm Gottes wird gegen die Frevler brausen, und zwar so lange, bis Jahwe seine Absicht durchgesetzt hat, d.h. bis sie vernichtet sind. Bei Jer 30,23f handelt es sich, wie allgemein anerkannt ist, um einen Zusatz. 3 Die Verse finden sich in fast wörtlicher Übereinstimmung auch in Jer 23,19f. Ob sie dort ursprünglich sind und von Jeremia stammen, 4 kann hier offen bleiben, entscheidend ist, daß sie als Gerichtsankündigung in der dortigen Rede gegen falsche Propheten sehr viel besser am Platz sind als im Kontext der Heilsankündigungen von Jer 30f. Sie dürften deswegen in Jer 23 zumindest älter sein als in Jer 30. Dafür spricht vielleicht auch Ez 13. Dort findet sich wie in Jer 23 im Kontext einer Rede gegen falsche Propheten die in den Prophetenbüchern ansonsten seltene Ankündigung eines vernichtenden Sturms (ΓΠΡ0; vll.13). 5 Nun mag zwar Ez 13 von Jer 23 oder umgekehrt Jer 23 von Ez 13 abhängig sein,6 dennoch zeugt die Übereinstimmung vielleicht davon, daß die Rede vom Sturm Jahwes zunächst im Rahmen des Themas 'Falsche Propheten' beheimatet war, und das spräche dann dafür, daß sie erst von Jer 23 her nach Jer 30 kam. Inwiefern hat sich der Sinn der aus Jer 23 stammenden Verse in Jer 30 geändert? In Jer 23 sind mit den Frevlern die falschen Propheten gemeint. Das Urbild des Frevlers wird auf sie appliziert, um die an sie gerichtete Unheilsankündigung einleuchtend zu machen. In Jer 30 ist von falschen Propheten keine Rede mehr. Mit den Frevlern sind jetzt ver2

Anders Rudolph (HAT 31968), der 0 1 0 * Π ΓΡΊΠΚϊΙ im Sinne von 'danach' versteht.

3

Vgl. dagegen Bozak, Life 67-70.

4

Vgl. Weiser, ATD 1952; Lamparier, BAT 1964; Bright, AncB 1965; Rudolph, HAT 1968; Holladay, Hermeneia 1989; Böhmer, Heimkehr 66.81.86f; Odashima, Heilsworte 86. Nach Duhm (KHC 1901, 187f.242f; vgl. Carrol, OTL 1986; Levin, Verheißung 180) sind die Verse in Kap. 30 ursprünglicher. Nötscher (HSAT 1934, 224; ders., EB 1947,102) schreibt die Verse Jeremia zu, betrachtet sie aber in beiden Kapiteln als Zusätze. Volz (ΚΑΤ 21928) hält sie in Kap. 23 wie in Kap. 30 für unechte Zufügungen; vgl. Thiel, Redaktion 21; Kilpp, Niederreißen 132. 3

5

Vgl. Jes 29,6; Sach 9,14.

6

Vgl. Zimmerli, Ezechiel 1-24 (BK 21979), 294; Böhmer, Verheißung 65f.

78

I. Textuntersuchungen

mutlich, nachdem in v20 von äußeren Feinden die Rede war, innere Feinde gemeint. 7 Beide wird Jahwe vernichten, um die angekündigte Heilszeit heraufzuführen. Ob der Redaktor, der v23f in Kap. 30 einfügte, bei diesen inneren Feinden eine konkrete Gruppierung im Blick hatte oder an die Sünder in einem sehr allgemeinen Sinne dachte, läßt sich nicht sagen. Jedenfalls bezieht er das in Jer 23 falschen Propheten geltende Wort auf andere Personen. Welche Intention verfolgt Jer 30,23f im Anschluß an die voranstehende Heilsankündigung vl8-22(*), die den Bewohnern der Zelte Jakobs (vl8) ein Ende ihres gegenwärtigen Unheils verheißt? Der Zusatz, der wie das Heilswort mit 'siehe' C13 3Π vl8; Π3Π v23) eingeleitet wird und so auf dieses Bezug nimmt, will gegenüber der uneingeschränkten und an keine Bedingung geknüpften Verheißung wohl einen ethischen Akzent setzen. Er will daran erinnern, daß die Heilsverheißung nicht den Frevlern gilt,8 denn für sie gibt es - um mit den Worten von Jes 48,22 zu sprechen - keinen Frieden. Die auf sie bezogenen Gerichtsworte sind und bleiben nach Ansicht des Redaktors gültig. Die Heilsankündigung von vl8-22(*) gilt somit, im Licht von v23f gelesen, nicht ganz Israel, sondern nur den Gerechten. Die Frevler werden nach v23f in einem Läuterungsgericht vernichtet, und erst dann beginnt die in vl822(*) beschriebene Heilszeit.9 Zusammenfassung: Der Zusatz Jer 30,23f kündigt den Frevlern die Vernichtung an und bezieht damit die voranstehende Heilsankündigung ausschließlich auf die Gerechten.

7

Vgl. Duhm, KHC 1901; Nötscher, HSAT 1934; ders., EB 1947; Lamparter, BAT 1964; Pohlmann, Ferne 94; Bozak, Life 68. Weil v l l . 16.20 den Fremdvölkern das Gericht ansagen, identifiziert man die Frevler häufig mit äußeren Feinden Israels (vgl. Weiser, ATD 1952; Bright, AncB 1965; Rudolph, HAT 31968; Böhmer, Verheißung 86f; Carrol, OTL 1986; Odashima, Heilsworte 86). Da sich 30,23f an der zitierten Stelle Jer 23,19f jedoch auf innerisraelitische Gegner beziehen, ist dies - will man nicht mit einem völligen Bruch rechnen - auch hier anzunehmen.

8

Vgl. Bozak, Life 145.149.

9

Vgl. Pohlmann, Ferne 93f.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

79

Jesaja 56-66 Für das Tritojesajabuch ist die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten von zentraler Bedeutung. Dies habe ich in meiner Arbeit "Ethik und Eschatologie im Tritojesajabuch" zu zeigen versucht und kann mich deswegen hier darauf beschränken, die dort ausgeführten Ergebnisse unter Berücksichtigung der seither erschienenen Sekundärliteratur1 zusammenzufassen.2 Auch das Literaturverzeichnis beschränkt sich auf die seitdem erschienene Literatur. 2

Kellermann (Tritojesaja 46-82) hat sich jüngst wieder für die Einheitlichkeit des Tritojesajabuchs ausgesprochen. Zusätze findet er nur in 59,18b; 60,12(.16?); 61,5f?; 63,(l-5?.)6. Vgl. Kraus, K1BB 1990,169-173. Steck hat sich in mehreren Aufsätzen kritisch mit dem von mir vorgeschlagenen Modell zur Entstehung des Tritojesajabuchs auseinandergesetzt und dabei sein eigenes Modell zu stützen gesucht. Da eine kritische Würdigung der auf einer imponierenden Fülle von Beobachtungen basierenden Thesen Stecks nicht en passant geschehen kann, soll darauf im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet und nur die Grundthese kurz vorgestellt werden: Jes 56-66 sind weder das Werk eines Propheten Tritojesaja noch je ein selbständiges Buch gewesen, sondern das Ergebnis eines mehrschichtigen Fortschreibungsprozesses (vgl. Vermeylen, Unite 44.53). Steck unterscheidet vier bzw., wenn man die Differenzierungen innerhalb seiner ersten und letzten Schicht miteinbezieht, sechs Schichten. Von diesen sechsen beziehen sich die beiden ersten auf das Deuterojesajabuch. Bei den folgenden handelt es sich dagegen um großjesajanische Redaktionen, d.h. um solche, die die Bereiche Proto- und Deuterojesaja betreffen. 1) An das bereits überarbeitete Deuterojesajabuch wurde in der Mitte des 5. Jh.s Jes 60,1-9.13-16; 61,1-11 angehängt. 2) Wenig später kam 60,10f; 62,1-7 hinzu. In diesen beiden Fortschreibungen des Deuterojesajabuchs erscheint Jerusalem als Zentrum der Welt, und die Völker dienen zur Verherrlichung Zions (Steck, Tritojesaja 373-379; ders., Untersuchungen von Jes 6062, 119-139). 3) Die um 312/311 v. Chr. anzusetzende sog. Heimkehrredaktion hat die Bereiche Proto- und Deuterojesaja (einschl. 60-62*) durch Jes 35 verbunden und 62,10-12 als Abschluß des so entstandenen Großjesajabuches verfaßt. Diese Schicht erwartet nach dem Gericht an den Völkern, das sie bereits angebrochen sieht, die Heimkehr des Gottesvolkes und die Heilsvollendung Israels in Zion (Steck, Tritojesaja 379-386; ders., Jesaja 60,10-12,143-166; ders., Abschluß 80-83). 4) Aus dem folgenden Jahrzehnt stammt eine großjesajanische Redaktion, die im Bereich Tritojesaja 56,9-58,12.14bß; 59; 60,17-22; 61,2*; 62,8f; 63,1-6 verfaßt hat. Diese sog. vorletzte Redaktion erklärt das Ausbleiben des angekündigten Heils mit dem negativen Verhalten Israels. Die Abkehr von der Sünde und das rechte Verhalten werden als Voraussetzung für die Teilhabe am Heil betrachtet. Anders als in der folgenden Redaktionsschicht wird hier noch mit der Umkehr ganz Israels gerechnet. Die Völker werden wie nach der Auffassung der letzten Redaktionsschicht vernichtet. Deswegen können sie Jerusalem nicht verherrlichen, wie es von den beiden ersten Redaktionsschichten angekündigt worden war. Diese Aufgabe übernimmt Jahwe nach

80

I. Textuntersuchungen

Für den frühnachexilischen Prophetenschüler Tritojesaja, von dem die aus Einzeltexten bestehende3 Grundschicht des Tritojesajabuchs stammt, spielt die Unterscheidung von Gerechten und Frevlern keine Rolle. Er setzt sich mit der Frage auseinander, wann das von Deuterojesaja angekündigte Heil endlich kommen wird, und verheißt den verzweifelten Jerusalemern als Antwort auf diese Frage, daß die ersehnte Heilszeit gewiß kommt, jedoch erst, wenn man die angeprangerten sozialen Mißstände beseitigt hat. Dann wird die gegenwärtige Zeit der Finsternis ein Ende haben und eine Zeit des Lichtes beginnen. Ein Redaktor hat die Texte Tritojesajas zu einem Buch ausgearbeitet,4 das er von vornherein als Fortsetzung des Deuterojesajabuches konzipierte. Für diesen Redaktor hat die Tritojesaja noch unbekannte Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern eine zentrale Bedeutung.5

Jes 60,17-22 selbst (Steck, Tritojesaja 386-394; ders., Untersuchungen von Jes 56,959,21,192-213; ders., Abschluß 83-87). 5) Eine um 300 v. Chr. anzusetzende erste Schlußredaktion formuliert das Gebet 63,764,11, welches sich auf die Einnahme Jerusalems durch Ptolemaios I. 302/301 v. Chr. bezieht, als neues Ende des Jesajabuchs, um auf die Infragestellung der Heilsankündigungen durch aktuelle Gegenerfahrungen zu reagieren und an Gottes Eingreifen zu appellieren (Steck, Untersuchungen von Jes 56,1-8, 229-243 bes. 238; vgl. dagegen Fischer [Jahwe 278f] und Williamson [Isaiah 63,7-64,11, 48-58], die an der ursprünglichen Selbständigkeit des Psalms sowie an dessen Bezug auf die Zerstörung Jerusalems 587 v. Chr. festhalten). 6) Von einer noch vor 270 v. Chr. anzusetzenden zweiten Schlußredaktion stammen im Bereich Tritojesaja 56,1-8; 58,13-14b24,4; vlO 'Hand Jahwes' > 25,10f; v l 2 O ^ B > 26,3.

66

Vgl. Habels, Jesaja-Apokalypse 127. Henry (Glaubenskrise 57.66) sieht nur eine Verbindung zu 24,16b.

67

Vgl. Scott, IntB 1956.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

115

in einen grundsätzlichen Rahmen gestellt werden, um auch jenseits dieser Situation Bedeutung zu haben. Da v4-6 jedoch für sich genommen schon nicht sehr situationsspezifisch formuliert sind, sondern durch ihre psalmistische Sprache bereits eine relativ große Offenheit für die Applikation auf neue Situationen zeigen, dürfte ein anderer Aspekt im Vordergrund stehen. V4-6 sollen durch die Zufügung von v7ff argumentativ untermauert werden. Der Verweis auf die in den Vertrauensaussagen des Psalms zum Ausdruck gebrachte und grundsätzliche Gültigkeit beanspruchende Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten soll das in v4-6 geäußerte Vertrauen auf Jahwes rettenden Eingriff begründen. Die Lehre wird damit auf die Situation, auf die sich v4-6 beziehen, appliziert. Die Zufügung unterstreicht also das Anliegen von v4-6. Von daher ist es möglich, daß der Psalm bereits von dem Verfasser der Fortschreibung 25,4f; 26,4-6 eingefügt worden ist. Für Jes 26 ergibt sich damit: Vl-3 verheißen dem Volk, das im Eschaton ein gerechtes sein wird, Heil, nämlich den Einzug ins neue Jerusalem. V4-6 unterscheiden innerhalb Israels zwischen Unterdrückern und Unterdrückten. Die Unterdrücker werden am Heil nicht partizipieren. Sie werden untergehen. Das gerechte Volk, das nach Jerusalem einzieht, sind, wenn man vl-3 in Verbindung mit v4-6 liest, die Elenden. V7ff untermauern v4-6 durch einen Rekurs auf Grundsätzliches. Jahwe vernichtet die Frevler und schenkt den Gerechten Heil. Das gerechte Volk ist jetzt also die Gruppe der Gerechten. Innerhalb des Psalms werden traditionelle Aussagen über Israel und die Feinde auf Gerechte und Frevler übertragen, und diese Gegenüberstellung dient dann dazu, den Volksaussagen von vl-3 einen neuen Bezug zu geben. Zusammenfassung: In Jes 25,4f und 26,4-6 finden sich zwei Zusätze, die demselben Redaktor zuzuschreiben sein dürften. Diesem Redaktor lag mit Jes 24(*); 25,l-3.6-12(*); 26,1-3 die Ankündigung eines die ganze Welt betreffenden, eschatologischen Gerichts vor, dem eine ebenfalls allen Völkern geltende Heilszeit folgen soll, in welcher Jahwe vom Zion aus als König regiert und in der ein gerechtes Volk ins neue Jerusalem einzieht. Die beiden Zusätze künden den Elenden Rettung, den sie unterdrückenden O b e r e n ' dagegen den Untergang an. Dabei haben die in

116

I. Textuntersuchungen

psalmistischer Sprache grundsätzlich formulierten Verse wohl einen aktuellen Konflikt im Auge. Die eschatologischen Gerichts- und Heilsankündigungen des Kontexts gelten im Licht der Zusätze einzelnen bzw. Gruppen. Das Gericht wird jetzt als ein Läuterungsgericht betrachtet. Es vernichtet die Übeltäter, und für die leidenden Gerechten beginnt danach eine Heilszeit. Der Psalm Jes 26,7ff bezieht sich auf 26,4-6. Er ist von dem Vertrauen bestimmt, daß Jahwe Gerechten und Frevlern ein ihrem Verhalten entsprechendes Ergehen zuteil werden läßt. Damit untermauert er in weisheitlich geprägten und zeitlose Gültigkeit beanspruchenden Formulierungen, was die zuvor besprochenen Zusätze bereits im Blick auf eine bestimmte Konfliktsituation zum Ausdruck gebracht haben. Die Konfliktparteien erscheinen als Gerechte und Frevler, denen im Eschaton Heil bzw. Unheil zuteil werden. Jes 25,4-5 und 26,4-6 stimmen, was die Beschreibung der einander gegenüberstehenden Gruppen angeht, auffallend mit Jes 29,17-21 überein.68 Auf der einen Seite stehen jeweils die Geringen (i D Ρ 26,6; D"11 29,19) und die Armen (1 ί

25,4; ü"> 31 '»38 29,19), auf der anderen

die Gewalttäter ( ü ^ ^ ^ y 25,5; ρ Ί » 29,20) und die Vermessenen (TT 25,5) bzw. die Spötter (p^? 29,20).69 Wegen dieser Übereinstimmungen könnte es sein, daß die Verse in der gleichen Situation geschrieben worden sind, wenn nicht gar vom gleichen Verfasser stammen, der dann Teile des bereits um Jes 24-27 erweiterten Jesajabuchs bearbeitet hätte. Es kann aber auch sein, daß Jes 29,17-21 die beiden Texte aus Jes 24-27 beeinflußt hat oder umgekehrt von jenen abhängig ist. In diesem Fall wird man, was den Bezug der Texte auf eine aktuelle Situation angeht, bei den literarisch abhängigen Stellen zurückhaltend sein müssen.

68

Vgl. Vermeylen, Prophete 408; zur Nähe zu Jes 24-27 vgl. Clements, NCeB 1980; Wildberger, BK 1982.

69

Vgl. Prov 21,24.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

117

Jes 33,7-16 Die Übersetzung kann sich auf vl3-16 beschränken: 13 Hört, ihr Femen, was ich mache, und erkennt, ihr Nahen, meine Stärke. 14

Schrecken befällt die Sünder am Zion, Beben ergreift die Gottlosen: 'Wer von uns1 kann sich bei dem verzehrenden Feuer aufhalten, wer von uns kann sich bei den ewigen Glutstellen aufhalten?"

15

Derfenige, der in Gerechtigkeit wandelt und aufrichtig redet, der erpreßten Gewinn verwirft, der seine Hände davon fernhält, Bestechung anzunehmen, sein Ohr verstopft, um nichts von Bluttaten zu hören, seine Augen verschließt, um nichts Schlechtes zu sehen,

16

der wird die Höhen bewohnen, Felsenfestungen sind seine Zuflucht, sein Brot wird gegeben, seine Wasser sind zuverlässig. Jes 33 stellt vor eine Reihe von Problemen. Weithin anerkannt ist,

daß das Kapitel nicht von Jesaja verfaßt wurde.2 Offen sind jedoch andere Fragen: Wann wurde das Kapitel geschrieben?3 Besteht es aus ursprünglich selbständigen Einzeltexten, die von einem oder mehreren Verfassern stammen und sukzessive oder als Sammlung ins Jesajabuch eingefügt wurden, oder haben wir es mit einer redaktionellen Fortschreibung zu tun, die in sich einheitlich oder auch mehrschichtig sein mag, die 1

1 J ^ ist dativus ethicus (vgl. Wildberger, BK 1982), als solcher jedoch nach 'wer' im Zusammenhang mit einer l.Pers. PI. im Deutschen kaum wiederzugeben.

2

Zur Begründung vgl. Wildberger, BK 1982, 1287f.l297f. Roberts (Elaboration 15-23) und Oswalt (NICOT 1986) halten an der Echtheit fest. Becker (Isaias 67) findet in 33,1.7ff ein echtes Jesaja-Wort.

3

Sieht man von Duhms (HK 41922) Datierung in die Makkabäer-Zeit ab, so reicht das Spektrum der vorgeschlagenen Ansetzungen von der exilischen (Jeremias, Kultprophetie 48) über die persische (Wildberger, BK 1982, 1288) bis in die hellenistische (.Kaiser, ATD 21973) Zeit. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann die Frage nach der genauen Datierung unberücksichtigt bleiben.

118

I. Textuntersuchungen

aber in jedem Fall für den Kontext verfaßt worden ist?4 Angesichts der Kontextbezüge, die im folgenden noch zu nennen sind, scheint mir zumindest Jes 33,7-16 als Fortschreibung anzusehen zu sein, auch wenn die Bezüge nicht so signifikant sind, daß diese Annahme zwingend wäre. Aber wie dem auch sei, das Problem kann hier unerörtert bleiben, da es für die Frage nach der Aussageabsicht von 33,7-16 im Kontext letztlich keinen Unterschied macht, ob wir von der Intention des einfügenden oder der des fortschreibenden Redaktors sprechen. Inhaltlich bleibt die Intention die gleiche.

4

Duhm (HK 41922) hält vl.7-14* für ein Gedicht, das in v2-6 und vl5ff um zwei ursprünglich unabhängige Gedichte erweitert worden ist. Nach Wildberger (BK 1982) setzt sich Jes 33 aus drei Texten desselben Verfassers zusammen. Neben diesen Fragmentenhypothesen stehen Ergänzungshypothesen: Vermeylen (Prophfete 429-437.715.727) rechnet v2.5-6a.7-9.10-12.17-24a zu einer aus der ersten Hälfte des 5. Jh.s stammenden Fortschreibungsschicht des Jesajabuchs, die in der zweiten Hälfte dieses Jh.s um v6b.13-16.24b erweitert worden sei. Steck (Heimkehr 55; vgl. ders., Tritojesaja im Jesajabuch, in: J. Vermeylen [Hg.], The Book of Isaiah [BEThL 81], Leuven 1989, 361-406, 392; ders., Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 56,9-59,21; 63,1-6, in: ders., Studien zu Tritojesaja [BZAW 203], Berlin - New York 1991, 192-213, 192-194) schreibt vl4-16 einer großjesajanischen Redaktionsschicht zu, die vor 302/1 v. Chr. anzusetzen sei (vgl.o.S. 79f Anm. 2). Die dieser Redaktion vorliegende Grundschicht wendet sich nach Steck im Anschluß an die an Nahe und Ferne gerichtete HörAufforderung vl3 in vl7ff an die Nahen und in 34,1.5-15 an die Fernen. Die Klage erhielte ihre positive Antwort dann nicht in vl6, sondern in vl7ff. Gunkel (Liturgie 194ff; vgl. Gerlach, Liturgien 75) erklärt die Disparatheit der einzelnen Teile von Jes 33 nicht literarkritisch, sondern formgeschichtlich. Es handele sich um eine einheitliche Liturgie. Innerhalb eines prophetischen Textes fänden sich zwei Nachahmungen von Volksklageliedern (v2; v7-9) und eine Nachbildung einer Toraliturgie (vl4b-16). Fohrer (ZBK 1962) hält vl-6 und v7-24 jeweils für eine prophetische Liturgie. Vgl. dagegen Kaiser, ATD 1973. Murray (Prophecy 205-214) betrachtet Jes 33 als einen einheitlichen Text, der in seinem Aufbau einem Ritual des Neujahrsfestes entspreche. Mißernten sowie irdische und himmlische Feinde sollen in diesem Ritual abgewehrt werden, um so Fruchtbarkeit und Frieden zu sichern. Mit dem Gerechten von vl5f sei (wie in Ps 15 und 24) der König gemeint. Auch Beuken (Spiegeltext 7-12.31-35) betrachtet Jes 33 als Einheit, und zwar als eine kunstvoll komponierte. Formgeschichtlich handele es sich um einen Spiegeltext, d.h. um einen Text, in dem sich das ganze, vom Verfasser des Kapitels als Einheit gesehene Jesajabuch spiegele. Das Kapitel stelle den Verlauf des ganzen Buches in nuce dar, indem es das Voranstehende zusammenfasse und das Folgende bereits aufleuchten lasse. Zu diesem Zweck erzähle das Kapitel "von Gottes Bemühungen mit und um sein Volk, die aus dem Unheil, aus dem Verderben zur Rettung führen" (11). Jes 33 beschreibe also den Weg Zions durch die Geschichte so, wie ihn das Jesajabuch als Ganzes darstellt.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

119

Innerhalb von Jes 33 gehören vl3-16 zu einem mit v7 beginnenden Textabschnitt, dessen einleitende Klage nach den hymnischen Vertrauensaussagen von v5f einen Neueinsatz bildet. Der Abschnitt endet mit vl6, da ab vl7 eine 2. Pers. mask. Sing, angeredet wird.5 V7-16 gliedern sich in zwei Teile: V7-9 klagen über die Verwüstung des Landes, und in vlOff antwortet Jahwe auf diese Klage. Das Ende der Jahwe-Rede ist schwer auszumachen. Sie geht auf jeden Fall bis vl3, vermutlich aber bis vl6. Zwar erscheint Jahwe ab vl4 nicht mehr in der 1. Pers., jedoch wird auch kein neuer Sprecher eingeführt, und formgeschichtliche Überlegungen sprechen dafür, vl4-16 zur Jahwe-Rede zu ziehen. 6 Als Antwort auf die Klage ist nämlich kaum eine reine Gerichtsankündigung, wie sie in vlO-12 vorliegt, zu erwarten, sondern ein Heilswort, und sei es ein eingeschränktes. Da sich ein solches erst in vl6 findet, dürften vl4-16 zur Antwort auf die Klage zu ziehen sein.7 Das Land wird nicht mehr menschenleer und unfruchtbar sein, wie v5 beklagt, sondern die Gerechten werden es bewohnen, und sie werden Wasser und Brot 8 in Fülle haben (vl6). Die Antwort Jahwes vlO-16 läßt sich in zwei Teile gliedern: vlO-12 beschreiben Jahwes Handeln und vl3-16 die Folgen. V10 kündigt das Kommen, ja das sofortige Eingreifen Jahwes an. VI 1-12 beschreiben dieses Eingreifen als ein vernichtendes. Jahwe wird die Angeredeten und die Völker wie ein verzehrendes Feuer dahinraffen. Um wen handelt es sich bei den Angeredeten? Da vl2 von den Völkern in der 3. Pers. spricht, 5

Zur Abgrenzung vgl. Procksch, ΚΑΤ 1930; Wildberger, BK 1982. Fohrer (ZBK 1962) und Clements (NCeB 1980) betrachten v7-24 als Einheit. Das hat insofern ein relatives Recht, als vl7-24 im jetzigen Zusammenhang das in vl6 angekündigte Heil der Gerechten explizieren. Vermeylen (Prophete 432-437; vgl. Wails, WBC 1985) unterteilt in v7-12 und vl3-24.

6

Vgl. Procksch, ΚΑΤ 1930.

7

Auch die Setuma-Setzung (vgl. das Druckbild der BHS) zieht vl4-16 zur Jahwe-Rede. Wenn die Masoreten nämlich hinter vl2 einen Einschnitt machen, betrachten sie vl3 als Einleitung von vl4-16. Diese Verse gehören dann zur Jahwe-Rede vl3. Das dortige "'ΓΡΪΡϊ ""©N 'was ich mache' bezieht sich folglich nicht auf das, was zuvor, sondern was in vl4-16 beschrieben wird.

8

Zum Brot als Heilsgabe vgl. R. G. Kratz, Die Gnade des täglichen Brots. Späte Psalmen auf dem Weg zum Vaterunser, ZThK 89 (1992), 1-40.

120

I. Textuntersuchungen

müssen die Angeredeten Israeliten sein.9 Unklar bleibt jedoch, ob ganz Israel gemeint ist oder nur die Gruppe der Sünder, ob sich also die innerisraelitische Unterscheidung, die in vl3-16 ins Zentrum rückt, bereits in v l l findet oder ob sie erst in vl3-16 eingeführt wird, um v l l zu differenzieren. Die Hör-Aufforderung vl3 leitet den zweiten Abschnitt der Beantwortung der Klage ein.10 Nahe und Ferne, womit angesichts der Israelund Völkerperspektive von vllf alle Menschen gemeint sein dürften, sollen Jahwes machtvolles Eingreifen erkennen. V14-16 schildern die Folgen des Eingreifens zunächst in bezug auf die Sünder (vl4), dann in bezug auf die Gerechten (vl5f). Jahwe, dessen Präsenz vl4 ähnlich wie v l l f als vernichtendes Feuer beschreibt, wird die Sünder vernichten. Schrekken wird sie ergreifen. Was nach der Zionstradition 11 den Feinden Jerusalems widerfährt (vgl. z.B. Ps 48,7), geschieht hier den Frevlern. Sie werden so mit den Feinden identifiziert.12 Auf die Gerechten geht der Text dann ausführlicher ein. V15 beschreibt ihr Handeln, vl6 ihr Ergehen. Während die Sünder in Jahwes Gegenwart nicht weilen können, dürfen die Gerechten auf den Höhen wohnen (D 1 0110 f DE? vl6), also dort, wo nach v5 Jahwe wohnt (ü i "10 f DE)). Die Klage von v7-9 erhält somit in vl6 eine positive Antwort. Es stellt sich die Frage, ob die vl4-16 bestimmende Unterscheidung von Gerechten und Sündern gegenüber v7-12 sekundär ist oder ob der Text als eine Einheit verstanden werden kann, die von vornherein auf diese Unterscheidung zielt. M.E. ist die zweite Auffassung wahrscheinlicher. a) Für die Einheitlichkeit von v7-12 spricht die Aufbauparallelität mit v26:

9

Vgl. Wildberger, BK 1982.

10

Vgl.o.S. 119 Anm. 7; Vermeylen, Prophete 433; Watts, WBC 1985. Häufig, besonders wenn man vl4(b)-16 als formgeschichtlich selbständige Einheit ansieht, wird v l 3 als Schlußvers des voranstehenden Abschnitts betrachtet; vgl. Fohrer, ZBK 1962; Kaiser, A T D 2 1973; Wildberger, BK 1982.

11

Vgl. die Gotteskriegstradition; z.B. Ex 15,15.

12

Vgl. Beuken, Spiegeltext 29.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder v2 Κ v7-9 v3f 11 vlO-12

Klage; Jahwes Einschreiten zum Gericht ( Ο ^ Ί v3.10);

v5f I | vl3-16

Heil auf dem Zion (Wurzel Τ OS v6.16). 13

121

b) Formgeschichtlich handelt es sich bei vl4(b)-16 nicht um eine selbständige Einheit. V14b-16 werden oft als Torliturgie14 bzw. als Nachahmung einer solchen bezeichnet und dann als mehr oder weniger selbständige Einheit innerhalb von Jes 33 angesehen. In vl4b werde vom Volk wie in Ps 15,1 und 24,3 die Frage gestellt, wer im Heiligtum weilen dürfe, und in vl5-16 würden die Türsteher darauf wie in Ps 15 und 24 mit einer Beschreibung des Handelns der Gerechten und ihres heilvollen Ergehens antworten. 15 Bei diesem Verständnis von vl4b-16 werden die durchaus vorhandenen Verbindungen zu den Torliturgien des Psalters überbetont, die Differenzen jedoch zu wenig beachtet. Der entscheidende Unterschied liegt in vl4b. Die dort formulierte Frage "111J "'Q 'wer kann/darf weilen' stimmt zwar mit Ps 15,1 wörtlich überein, jedoch meint die folgende Angabe über den Ort des Weilens etwas ganz anderes als in Ps 15,1; 24,3. In den Psalmen ist vom Zelt bzw. Berg Jahwes und damit letztlich vom Tempel die Rede. Jes 33,14b spricht dagegen vom Verweilen beim Feuer. Damit ist nicht der Brandopferaltar (und insofern auch der Tempelbereich) gemeint, sondern die Präsenz Jahwes als - und das ist das Entscheidende - verzehrendes Feuer. Mit ΓΙ^ΟΝ / Π^>3 ί Κ KW wird nie ein Altar bezeichnet, sondern der Ausdruck bezieht sich außer in Joel 2,5 immer auf Jahwe, und zwar auf Jahwe als vernichtenden Gott (Ex 24,17; Dtn 4,24; 9,3; Jes 29,6; 30,27). Anders als in den Torliturgien des Psalters wird also nicht nach dem Verweilen im Tempel und in der Gegenwart des Heil stiftenden Gottes gefragt, sondern nach dem Verweilen in der Präsenz des vernichtenden Gottes. Wenn aber unter diesem Gesichtspunkt von Gott gesprochen wird, kann die Frage vl4b nur eine rhetorische sein, auf die man mit 'Niemand!' antworten müßte. Es geht nicht darum, daß der Gerechte in vernichtendem Feuer weilen kann, sondern darum, daß er mit diesem erst gar nicht konfrontiert wird. V15-16 stellen folglich keine Antwort auf die voranstehende Frage dar, und vl4b wurde von den Masoreten durch die Silluq-Setzung zu Recht zu vl4a gezogen. Nicht ein um Einlaß bittendes Volk fragt am Tempeltor, wer eintreten darf, sondern die von Beben ergriffenen Frevler (vl4a) fragen, wer von ihnen bei Jahwe, der wie in vllf als vernichtendes Feuer beschrieben ist, weilen kann. Natürlich: Niemand! 17 So mag die Sprache der Torliturgie in vl4b zwar mitschwingen, inhaltlich geht es jedoch um etwas ganz anderes. Erst vl5-16 stehen dann bei ihrer Beschreibung des Tuns und Ergehens der Gerechten deutlich unter dem Einfluß der Torliturgien.

13

Vgl. Vermeylen, Prophete 432.

14

Man spricht auch von einer Tora- oder Einzugsliturgie.

15

Vgl. Gunkel, Liturgie 192f.203f; Fohrer, ZBK 1962; Gerlach, Liturgien 74; Kaiser, A T D 1973; Clements, NCeB 1980; Wildberger, BK 1982.

2 16

Dort wird ein heranrückendes Heer mit einem verzehrenden Feuer verglichen.

17

Vgl. Delitzsch, BC 21869; Duhm, HK 41922, 244; Steingrimsson, Tor 107f (etwas anders 117f); Beuken, Spiegeltext 22; Th. Lescow, Das Stufenschema (BZAW 211), Berlin New York 1992, 22. Grundsätzliche Zweifel an der Existenz von Torliturgien äußert H. Spieckermann, Heilsgegenwart. Eine Theologie der Psalmen (FRLANT 148), Göttingen 1989, 201-203; vgl. Weinfeld, Instructions 231ff.

122

I. Textuntersuchungen

Nach dem Exkurs kann also festgehalten werden: V14b-16 stellen weder eine Torliturgie noch die Nachahmung einer solchen dar und bilden auch keine selbständige Einheit. V14-16 sind vielmehr als ein Abschnitt innerhalb von v7-16 anzusehen, in dem Elemente der Torliturgie anklingen. Diese Anklänge 18 haben im Kontext eine argumentative Funktion. Auf die Gattung Torliturgie wird zurückgegriffen, weil sie deutlich machen kann, daß das rechte Verhalten den Stellenwert einer Einlaßbedingung hat. Was für den Zutritt zum Tempel gilt, soll auch für die Zulassung zum eschatologischen Heil gelten.19 Das rechte Verhalten ist eine conditio sine qua non für die Teilhabe am Heil. Der Wechsel von der Israel- und Völkerperspektive in v7-12 zu der Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern in vl4-16 ist das eigentliche Ziel des Textes. Dies wird deutlich, wenn man v7-16 als eine Fortschreibung versteht, welche die Gerichtsankündigung der voranstehenden Kapitel des Jesajabuchs aufgreift, um ihnen in den durch die HörAufforderung vl3 neu eingeleiteten und damit hervorgehobenen Versen 14-16 einen neuen Bezug zu geben. Liest man 33,7-16 nämlich im Anschluß an Jes 28-32, so bietet die Klage von v7-9 eine Beschreibung dessen, was Jesaja in den voranstehenden Kapiteln ansagt, und vlO-12 entsprechen den Ankündigungen dieser Kapitel. Im einzelnen finden sich folgende Aufnahmen: V7 bezeichnet die Jerusalemer als Arieliter 20 und bezieht sich so auf die Gerichtsankündigung in Jes 29,Iff vl.2bis.7). 21 Die Beschreibung der verlassenen Stadt in v8 entspricht 32,14, und vlO nimmt mit der Ankündigung, daß Jahwe sich zum Gericht erhebt (Q^p), 28,21 und 31,2 auf. Die Feueraussagen von v l l beziehen sich auf 29,6; 30,27.30.33,22 wobei die Rede von der Π1 einen weiteren Bezug zu 30,28 herstellt 23 V12 greift mit der Ankündigung eines Völkergerichts ebenfalls 30,28 auf. 18

Duhm (HK 4 1922) sieht in vl5b eine sekundäre Angleichung an die Torliturgien.

19

Vgl. Ägyptisches Totenbuch § 125; dazu R. Grieshammer, Zum "Sitz im Leben" des negativen Sündenbekenntnisses, ZDMG Suppl. 2 (1974), 25: "So wie der Priester beim Betreten eines heiligen Ortes und bei der Priesterweihe versichern mußte, bestimmte Dinge nicht getan zu haben, so mußte auch der Tote beim Betreten des Jenseits, eines heiligen Ortes, seine Reinheit versichern." Vgl. /. Assmann, Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München 1990,146.

20

Lies D^N-IK; vgl. Wildberger, BK 1982,1294.

21

'Ariel' findet sich zur Bezeichnung Jerusalems im AT nur an diesen Stellen.

22

Vgl. Beuken, Spiegeltext 22.

1. Heil für die Gerechten nach der Vernichtung der Sünder

123

Jes 33,7-12 rekapituliert also auf Israel und die Völker bezogene Gerichtsaussagen aus Jes 28-32. In ähnlicher Weise bezieht sich Jes 33,16 mit der Ankündigung von schützenden Felsen sowie von Brot und Wasser als Heilsgütern auf 32,2 bzw. 30,20.23.25. Die voranstehenden Heilsworte werden demnach ebenso wie die Gerichtsankündigungen aufgenommen. Dies geschieht, um beiden Ankündigungen einen neuen Sinn zu geben. Sie sollen verschiedenen Gruppen des Volkes gelten. Das Gericht wird jetzt als ein Läuterungsgericht verstanden, das nur Sünder und Gottlose trifft. Nicht alle Jerusalemer werden auf dem Zion erbeben, sondern nur die Übeltäter. Sie allein sind es, die von dem verzehrenden Feuer dahingerafft werden. Die Gerechten werden dagegen getröstet. Ihnen wird ein Ende der in v7-9 beklagten Not angekündigt. Sie sollen nach der Vernichtung der Frevler ein heilvolles Leben führen, was vl7ff dann im Anschluß an vl6 weiter ausmalen.24 Das rechte Verhalten wird somit zu einer entscheidenden Voraussetzung für die Teilhabe am Heil gemacht. Dies hervorzukehren, ist das eigentliche Anliegen des Verfassers von Jes 33,7-16. Bezieht sich Jes 33,7-16 auf eine bestimmte Situation? Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, daß der Verfasser des Textes mit Gerechten und Gottlosen ganz bestimmte Personengruppen im Blick hatte, zeigen läßt sich dies jedoch nicht. Dazu sind die Aussagen der Verse zu allgemein gehalten. Sie verkünden in lehrhaftem Stil, daß Jahwe die Frevler vernichtet, den Gerechten aber Heil schenkt. Zusammenfassung: Bei dem nachjesajanischen Text Jes 33,7-16 dürfte es sich um eine Fortschreibung handeln, welche die Unheils- und Heilsaussagen des Kontexts aufnimmt, um ihnen einen neuen Bezug zu geben. Das Gericht wird jetzt den Sündern, das Heil dagegen den Gerechten angesagt. Der Verfasser will einerseits tröstend hervorheben, daß Jahwe heilvolles Leben schenkt ("[Γ13 vl6), zugleich jedoch betonen, daß der rechte Wandel eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe am Heil darstellt.

23

Das Suffix von Π1 ist zu ändern; vgl. BHS.

24

Vgl.o.S. 119 Anm. 5; Fohrer, ZBK 1962; Gerlach, Liturgien 74f; Childs, Isaiah 116f; Roberts, Elaboration 15.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

Neben den Texten, die ein eschatologisches, zwischen Gerechten und Sündern scheidendes Läuterungsgericht erwarten, gibt es andere, die Heil und Unheil als das Ergehen ankündigen, das Gerechte und Sünder je und je trifft. Diese Texte lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Auf der einen Seite stehen solche, die die Lehre vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder auf eine konkrete historische Situation applizieren. Auf der anderen Seite finden sich Texte, denen diese Lehre dazu dient, Worte, die in eine bestimmte Situation gesprochen sind, aus dieser Situation zu lösen.

2.1.

Die Applikation der Lehre vom Heil der Gerechten und Unheil der

Sünder auf eine konkrete historische Situation

Das Buch Habakuk 1,1 Der Spruch, den Habakuk, der Prophet, sah.

2 Wie lange, Jahwe, flehe ich, aber du hörst nicht, schreie ich zu dir: "Gewalt", aber du rettest nicht? 3 Warum läßt du mich Übles sehen und schaust du der Not zu? Und Untat und Gewalt sind vor mir,

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

und Streit entsteht, und Zank erhebt sich. 4 Deswegen erschlafft das Gesetz, und das Recht kommt nimmermehr hervor. Ja, der Frevler umstellt den Gerechten, deswegen kommt das Recht verdreht hervor. 5

Seht zu den Völkern und schaut! Und staunt euch an, staunt, denn ein Werk 'wird'gewirkt in euren Tagen! Ihr werdet es nicht glauben, wenn es erzählt wird,

6

denn siehe, ich richte die Chaldäer auf, das bittere und ungestüme Volk, das zu den Weiten der Erde kommt, um Wohnungen zu besitzen, die ihm nicht gehören. Schrecklich und furchtbar ist es,

7 8

9

sein Gericht und sein Aufbrausen kommen von ihm hervor. Und seine Pferde sind schneller als Leoparden und schärfer als die Wölfe der 'Steppe'. Und seine Reitereien stampfen, und seine Reitereien kommen aus der Ferne, sie fliegen wie ein Adler, der eilt, um zu fressen. Sie alle kommen zur Gewalt. Die Front ihres Angesichts ist nach vorn, und es sammelt Gefangene wie Sand.

10

Und es macht sich lustig über die Könige, und die Würdenträger sind ihm ein Gespött. Es lacht über jede Festung und schüttet Erde auf und nimmt sie ein.

11

Da braust heran der Wind und zieht darüber, und 'er verheert', der, dem seine Kraft sein Gott ist.

12 Bist du nicht seit jeher, Jahwe? Mein Gott, mein Heiliger, wir werden nicht sterben. Jahwe, du hast es aufgestellt zum Gericht, und Fels, du hast es gegründet, um zu züchtigen. 13 Zu rein sind die Augen, um Unheil zu sehen,

126

I. Textuntersuchungen

und du kannst die Not nicht schauen. Warum schaust du auf die Verbrecher, schweigst du, wenn der Frevler den verschlingt, der anders als er gerecht ist? 14 Und du machtest den Menschen wie die Fische des Meeres, wie das Gewürm, über dem kein Herrscher ist. 15 Sie alle zieht er hoch mit der Angel, er reißt sie fort mit seinem Netz. Und er sammelt sie mit seiner Falle. Deswegen freut er sich und jubelt. 16 Deswegen opfert er seinem Netz und bringt er seiner Falle Rauchopfer dar, denn durch sie ist sein Anteil fett und sein Essen üppig. 17 "Deswegen leert er sein Netz und zwar ständig, um Nationen zu töten. Er hat kein Mitleid. 2,1 Ich will hintreten auf meinen Posten, und auf 'Wache' will ich mich stellen. Und ich will spähen, um zu sehen, was er zu mir sagt und was 'er' auf meinen Tadel erwidert. 2 Und Jahwe antwortete mir und sagte: Schreib die Offenbarung auf und beurkunde sie auf Tafeln, damit sich nach ihr richtet, wer sie liest. 3

Ja, die Offenbarung ist 'Zeuge' für den Termin und Bezeuger des Endes und täuscht nicht. Wenn es sich verzögert, warte auf es! Ja, es kommt gewiß, es bleibt nicht aus:

4

Siehe, 'gebeugt wird, wessen' Seele nicht aufrecht in ihm ist, aber der Gerechte wird wegen seiner Rechtschaffenheit leben,

5

um wieviel mehr ein 'Überheblicher', ein Verbrecher, ein arroganter Mann, und er kommt nicht zum Ziel, einer, der weit macht seinen Schlund wie die Scheol, und er ist wie der Tod und wird nicht satt. Und er sammelt zu sich alle Nationen, und er rafft zu sich alle Völker.

6

Werden sie nicht alle ein Lied über ihn erheben

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

127

u n d eine Anspielung, ein R ä t s e l f ü r i h n ? U n d m a n wird sagen: Wehe dem, der viel macht, was nicht ihm ist, - wie lange noch? der schwer macht sein 'Joch' durch Pfändung. 7

Werden nicht plötzlich deine Schuldner aufstehen, aufwachen, die dich zittern lassen? Und du wirst für sie zur Plünderung sein.

8

J a , du e r b e u t e s t viele N a t i o n e n , d e r g a n z e R e s t d e r V ö l k e r wird dich e r b e u t e n w e g e n d e r Bluttat a n M e n s c h e n und d e r G e w a l t a m L a n d , a n d e r Stadt u n d allen B e w o h n e r n in ihr.

9

Wehe dem, der gewinnt Gewinn - Unheil für sein Haus um sein Nest in der Höhe aufzustellen, um sich aus der Hand des Unheils zu befreien.

10

Du planst eine Schmach für dein Haus, i n d e m d u vielen V ö l k e r n ein E n d e machst, dein Leben verfehlend.

11

J a , der Stein wird aus der Wand schreien, und der Span wird ihm aus dem Holz antworten.

12

Wehe dem, der eine Stadt mit Blut baut und der einen Ort mit Unrecht errichtet.

13

Ist nicht 'dies' v o n J a h w e Z e b a o t ? U n d N a t i o n e n w e r d e n sich n u r für's F e u e r m ü h e n , u n d V ö l k e r w e r d e n sich n u r f ü r nichts a b q u ä l e n ?

14

Ja, die E r d e wird sich füllen, die H e r r l i c h k e i t J a h w e s zu e r k e n wie das Wasser, das das M e e r bedeckt.

15

Wehe dem, der einem anderen einschenkt 'aus dem Becher seines' Zorns und so trunken macht, um ihre Scham zu betrachten.

16

Du sättigst dich an Schande ohne Ehre. Trink auch du und 'taumle'. Der Becher der Rechten Jahwes wird sich auf dich wenden und Schande auf deine Ehre.

nen

'

128 17

I. Textuntersuchungen

Ja, die Gewalt am Libanon wird dich bedecken, und der Zusammenbruch des Viehs wird 'dich' zerschmettern wegen der Bluttat an Menschen und der Gewalt am Land, an der Stadt und allen Bewohnern in ihr.

18

Was nützt ein Götzenbild, denn sein Töpfer hat es gebildet, ein Gußbild und ein Lehrer der Lüge? Ja, der Töpfer, der es getöpfert hat, vertraut auf es, obwohl er stumme Götzen macht.

19

Wehe dem, der zum Holz sagt: "Wach auf!", "Werde licht!" zum schweigenden Stein. Der lehrt. Siehe, er ist mit Gold und Silber eingefaßt, aber einen Geist gibt es nicht in seiner Mitte.

20 Aber Jahwe ist in seinem heiligen Tempel. Ruhig vor ihm, alle Welt! 3,1 Gebet Habakuks, des Propheten, gemäß den Klageliedern.

2 Jahwe, ich habe deine Kunde gehört, Jahwe, ich habe dein Werk 'gesehen'. Inmitten der Jahre bring es zum Leben, inmitten der Jahre laß erkennen, in der Erregung gedenke, dich zu erbarmen. 3

Gott kommt von Teman und der Heilige vom Gebirge Paran. Sela. Seine Hoheit bedeckt den Himmel, und sein Ruhm erfüllt die Erde.

4

Und der Glanz ist wie das Licht, Hörner sind ihm aus seiner Hand, und dort ist die Hülle seiner Kraft.

5

Die Pest geht vor ihm her, und die Seuche folgt ihm auf den Fuß.

6

Er tritt auf und erschüttert die Erde, er sieht hin und bringt Nationen zum Springen. Und zerschlagen werden uralte Berge, es ducken sich ewige Hügel. Ewige Bahnen sind ihm.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

7 8

9

10

11

12 13

14

Unter dem Unheil sehe ich die Zelte von Kusch, es erbeben die Zeltdecken des Landes Midian. Jahwe, ist dein Zorn entbrannt gegen Ströme oder gegen oder deine Wut gegen das Meer, daß du dahinfährst mit deinen Pferden, mit deinen Wagen der Rettung? Entblößt wird dein Bogen in Bloßheit, Schwüre der Pfeile sind der Spruch. Sela. Du spaltest die Erde zu Strömen. Es sehen dich, es kreißen die Berge. Ein Gewitter des Wassers zieht dahin, die Urflut gibt ihre Stimme, sie hebt hoch ihre Hände. Die Sonne, der Mond steht in 'seiner' Wohnung. Zum Licht gehen deine Pfeile, zum Glanz der Blitz deiner Lanze. In Grimm beschreitest du die Erde, in Zorn drischst du Nationen. Du kommst hervor zur Rettung deines Volkes, zur Rettung deines Gesalbten. Du schlägst das " Haus des Frevlers, um das Fundament bis zum 'Fels' zu entblößen. Sela. Du durchbohrst mit 'einem' Pfeil das Haupt, seine Anführer 'verwehen'. Mich zu bedrängen, war ihr Frohlocken, wie um den Elenden im Versteck zu fressen.

15

Du trittst 'seine' Pferde ins Meer, das Schäumen der vielen Wasser. 16 Ich habe gehört und mein Bauch erbebte, zur Stimme gellen meine Lippen. Fäulnis kommt in meine Gebeine, und unter mir, ich erbebe beim 'Schritt'. Ich ruhe für den Tag der Not, der heraufzieht für das Volk, das uns angreift.

ströme

130

I. Textuntersuchungen

17 Ja, der Feigenbaum blüht nicht, und am Weinstock ist kein Ertrag. Das Ergebnis des Feigenbaums trügt, und die Terrassen geben keine Nahrung. Die Herde ist Verschwunden' von der Koppel, und es gibt kein Rind in den Gehegen. 18 Aber ich will frohlocken in Jahwe, ich will jubeln über den Gott meiner Rettung. 19 Jahwe, der Herr, ist meine Stärke. Und er macht meine Füße wie Hirschkühe, und er läßt mich schreiten über meine Höhen. Dem Chormeister, mit meinen Saitenspielen.

Schon bei einer ersten Lektüre des Habakukbuchs fällt auf, daß hier wiederholt von Gerechten und Frevlern die Rede ist. Kap. 1 beklagt, daß die Gerechten unter den Frevlern leiden müssen, Kap. 2 verheißt den Gerechten Leben, kündigt den Übeltätern jedoch Unheil an, und der Beter von Kap. 3 vertraut darauf, daß Jahwe sein Volk rettet, den Frevler jedoch vernichtet. Es stellt sich die Frage, wer mit dem Frevler und mit den Gerechten gemeint ist.1 Soll man bei dem Frevler an eine bestimmte

Vgl. den ausführlichen Forschungsbericht von Jöcken (Buch Iff). Man identifiziert den Frevler mit den Assyrern (Budde, Bücher 385f; Horst, HAT 1938, 168.175; Fohrer, Gebet 161f), den Ägyptern (vgl. Eiliger, ATD 41959, 24), den Babyloniern (Wellhausen, Propheten 165; vgl. Johnson, Paralysis 257-266; Sweeney, Structure 77f), den Griechen (Duhm, Habakuk 4-6; Sellin, ΚΑΤ 1922, 339) oder einer innerjudäischen Gruppe bzw. Person (Jojakim: Humbert, Problemes 261-279; Nielsen, Righteous 77). Mit verschiedenen Gruppen werden die Frevler identifiziert, wenn man mit einer den geschichtlichen Verhältnissen entsprechenden Entwicklung bei Habakuk rechnet (1,2-4 innerjudäische Gewalttäter, ab 1,12 Babylonier; Ward, ICC 31948, 4-7; Brownlee, Composition 260-263; Rudolph, ΚΑΤ 1975; Deissler, NEB 1984; Robertson, NICOT 1990) oder eine Mehrschichtigkeit des Buches annimmt (Grundschicht: judäische Oberschicht, Redaktion: Babylonier; Rothstein, Habakkuk 60; Seybold, ZBK 1991, 45). Demgegenüber lehnt Staerk (Habakuk 28) jede historische Identifizierung der Frevler ab. Es handele sich um eine mythische Größe, nämlich die satanische Weltmacht. Sofern man unter dem Frevler ein Fremdvolk versteht, bezieht man den Begriff 'Gerechte' auf Israel und seinen König (Josia: Budde, Bücher 388) oder auf alle unterjochten Völker (Rudolph, ΚΑΤ 1975, 210). Versteht man unter dem Frevler hingegen eine innerjudäische Gruppe, so bezieht man auch die Bezeichnung 'Gerechte' auf eine innerjudäische Gruppe oder Person, nämlich auf die Frommen (Rothstein, Habakkuk

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

131

Einzelperson, an eine Gruppe in Israel oder an ein Fremdvolk denken? Wenn an ein Fremdvolk, an welches? Können es die Babylonier sein, obwohl sie in 1,5-11 als Vollstrecker des göttlichen Gerichts auftreten? Die Beantwortung all dieser Fragen hängt von literarkritischen Vorentscheidungen ab, da mit Gerechten und Frevlern in verschiedenen Schichten unterschiedliche Größen gemeint sein können. Das macht es nötig, zunächst auf die Schichtung des Habakukbuchs einzugehen.

1. Die Schichtung des Buches Bei der Ermittlung der Grundschicht des Habakukbuchs haben Rothstein, Jeremias und Otto m.E. in die richtige Richtung gewiesen.2 Ihre Arbeit soll hier weitergeführt werden. Übereinstimmend wenden sie sich gegen eine Einheitlichkeitshypothese, welche die verschiedenen Elemente des Habakukbuchs (Klage, Orakel, Wehe-Rufe, Gebet mit Theophanieschilderung) im Rahmen einer Liturgie als Einheit betrachtet. 3 Positiv stimmen sie darin überein, daß das Habakukbuch eine Grundschicht enthält, die der Jerusalemer Oberschicht das Gericht ankündigt. Erst eine spätere Redaktionsschicht habe diese Gerichtsankündigung zu Unheilsworten umgeschrieben, die sich gegen die Babylonier richten.4 Zur Grundschicht zählt Rothstein in seiner auf Kap. lf beschränkten Untersuchung 1,2-4.12a. 13; 2,l-5a; l,6-10.14-15a; 2,6b-7.9-ll*.15-16M9.18 (zur Reihenfolge der Texte vgl.u.S. 136 Anm. 23). Die Tätigkeit eines exilischen Redaktors findet er in 1,5.11.12b. 15b-17; 2,5b.6a.8.10ba.l2-14.17.20.5 Nach Jeremias (Kultprophetie 88.99) besteht das Habakukbuch aus fünf prophetischen Einzeltexten (1,2-17; 2,1-3; 2,4f*; 2,6-19*; 3,2-19), die

64), auf die Unterschicht (Jeremias, Kultprophetie 70) oder auf Joahas (Nielsen, Righteous 77). 2

Rothstein, Habakkuk 51-85; Jeremias, Kultprophetie 55-110; Otto, Stellung 73-107; ders., Habakuk 301f. Vgl. G. Hölscher, Die Profeten, Leipzig 1914, 442f; Jöcken, Buch 492f; Gunneweg (Habakuk 404-407) stimmt der von Jeremias und Otto vorgetragenen Literarkritik zu, interpretiert die Schichten jedoch anders (s.u.S. 161 Anm. 132).

3

So z.B. Humbert, Problemes bes. 280ff; vgl. die Kritik Ottos (Stellung 76-79).

4

Vgl. dagegen Rudolph, ΚΑΤ 1975,195 und die den ganzen Kommentar durchziehende Kritik an Jeremias.

5

Zur Wirkung der These Rothsteins auf die Forschung s. Jöcken, Buch 189f.l96.

132

I. Textuntersuchungen

erst von einem Redaktor zusammengefügt und erweitert wurden.6 Dieser von einer Fragmentenhypothese ausgehenden Ergänzungshypothese stellt Otto eine fast konsequente Ergänzungshypothese entgegen.7 Zur Grundschicht, deren Einheitlichkeit an einer Reihe von Querverweisen erkennbar sei,8 zählt er nur die Klage l,2-4.12a.l3f und die Antwort 2,l-5*.6b-7.9-ll*.12.15f. Diese Schicht ende mit dem vierten Weheruf. Eine spätvorexilische Redaktionsschicht (v5-11.12b), die möglicherweise noch von Habakuk selbst stamme, habe die Todesankündigung der Grundschicht (2,4ff) konkretisiert: Das Gericht kommt durch die Babylonier. Eine 2. Redaktionsschicht, die mit der von Jeremias angenommenen Redaktion im wesentlichen übereinstimmt, habe die Babylonier dann nicht mehr als göttliches Gerichtswerkzeug gesehen, sondern ihnen das Gericht angekündigt. Die Klage von Hab 1 habe dieser Redaktor so umgeschrieben, daß sie nicht mehr das Treiben innerisraelitischer Frevler, sondern das der Babylonier beklage. Die Antwort Jahwes sei entsprechend überarbeitet worden. Die Wehe-Rufe richteten sich jetzt nicht mehr gegen die Jerusalemer Oberschicht, sondern gegen die Babylonier. Eine weitere, frühnachexilische Redaktion habe dann 2,18-3,16 unter Aufnahme des Quellentextes 3,315 angehängt, ehe schließlich eine kultische Redaktion 3,1.17-19 zufügte.

1.1. Zu Hab 1 Um die Schichtung von Hab 1 zu erklären, sind vor allem zwei Fragen zu stellen: 1. Gehört die erste v5-ll umfassende Ankündigung zur Grundschicht? 2. Handelt es sich bei 14-17 um ein Orakel, und inwiefern gehören diese Verse zur Grundschicht? Jeremias hält v2-17 für eine ursprüngliche Einheit.9 Er gliedert den Text in zwei Klagen (v2-4; vl2f), denen jeweils ein Orakel folgt, das die Babylonier als Gottes Strafwerkzeug ankündigt (v5-ll; vl4-17). Otto rechnet demgegenüber nur v2-4.12-14* zur Grundschicht und betrachtet diese Verse als ursprünglich zusammengehörende Klage.10

Zur ersten Frage: Die Ankündigung v5-ll und der eng mit ihr zusammengehörende vl2b

n

sind vermutlich als Zusatz zu betrachten.12 Dafür sprechen fol-

gende Argumente:

6

Zur Geschichte der Fragmentenhypothese s. Jöcken, Buch 200ff.

7

Eine Zusammenfassung findet sich bei Otto, Theologie 283.

8

Otto, Stellung 81.105; vgl. Gunneweg, Habakuk 405.

9

Jeremias, Kultprophetie 75-81.

10

Otto, Stellung 101-106.

11

Gegen Jeremias (Kultprophetie lOlf) beziehen sich die Suffixe von vl2b nicht auf den König Judas, von dem nirgends die Rede ist, sondern auf das in v5-ll beschriebene Volk der Babylonier; vgl. die Kritik Rudolphs (ΚΑΤ 1975) und Kesslers, Staat 90 Anm. 5.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

133

1) Die Klage v2-4 schildert das brutale Vorgehen der Frevler. Deren, und nur deren Vernichtung wird letztlich erhofft. Es folgt jedoch eine Ankündigung der alles verheerenden Babylonier. Hält man v5-ll für eine gleichursprüngliche Antwort auf die Klage v2-4, so mutet man dem Verfasser die doch wohl als naiv zu bezeichnende Erwartung zu, daß die Babylonier bei der Eroberung des Landes zwischen Gerechten und Frevlern unterscheiden und nur die letzteren umbringen würden.13 2) BStÖQ 'Recht', 'Gericht' wird in v7.12b anders verwendet als in v4 (2mal). In v2-4 ist das Nomen als Gegenbegriff zu 073 Π 'Gewalt' gebraucht, in v5-ll erscheint es dagegen als Parallelbegriff dieses Wortes (v7.9). In v4 wird beklagt, daß das Recht nicht richtig hervorkommt (taattfo N2P). In v7 wird diese Wendung aufgenommen, aber anders verwendet: sein Gericht, d.h. das von den Babyloniern ausgeführte Gericht, wird hervorkommen (QSBH3 N2"1). In diesem Sinne wird bSttfa dann auch in vl2b gebraucht.14 12

So auch Otto, Theologie 279f.289f; ders. Stellung 103f; Nogalski, Processes 141. In der älteren Forschung wurde die Ankündigung der Babylonier von v5-ll besonders dort für sekundär gehalten, wo man v2-4 als Klage über die Babylonier verstand (vgl. Wellhausen, Propheten 166).

13

Vgl. Gunneweg, Habakuk 404. Nach Johnson (Paralysis 261; vgl. Sweeney, Structure 67f.74; Roberts, OTL 1991) kündigt die Antwort 1,5-11 keine Heil bringende Vernichtung der Frevler an, sondern eine Steigerung der beklagten Not. Auch Floyd (Complaints 397-407.418) betrachtet 1,5-11 nicht als Antwort auf die voranstehende Klage. Vielmehr zitiere die v2-17 umfassende Klage in v5-ll ein Orakel, welches die beklagte Not angekündigt habe. Dieses Orakel gehöre zeitlich also nicht nach, sondern vor die Klage. Es biete eine Ätiologie der beschriebenen Not. Bei der Klage handele es sich um eine prophetische Klage, in der Habakuk anders als Jeremia nicht über das Ausbleiben der Erfüllung seiner Ankündigung klage (Jer 15,10-18), sondern gerade über deren Eintreffen.

14

Rudolph (ΚΑΤ 1975; vgl. Roberts, OTL 1991) übersetzt ÜBttfö auch in 1,7 mit 'Recht'. Das Recht des Stärkeren sei gemeint. Für die Bedeutung 'Gericht', 'Gerichtshandeln' spricht jedoch das parallele ΓΙΝ®. Dieses bezeichnet ein kriegerisches Aufbrausen (Wurzel NÜ3) und wird so auch im Rahmen des Motivs vom Gottesschrecken verwendet (vgl. Hi 13,11; 31,23; 41,17). Die Streichung des Suffixes von QStÄQ ist nicht nötig. Es bezeichnet wie in Ez 39,21 den, von dem das Gericht ausgeht. Nach Jeremias (Kultprophetie lOlf) bedeutet tDSÖQ in vl2b 'Rechtsprechung'. Jahwe habe ihn, nämlich den positiv gesehenen König (vgl.u.S. 143 Anm. 47), zur Rechtsprechung eingesetzt (zur Kritik s.o.S. 132 Anm. 11). Otto (Theologie 289) versteht vl2b königskritisch. Die Funktion des davidischen Königs werde Babylon übertragen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Babylonier ihr Amt mit großer Brutalität ausüben, also nicht so, wie es ein davidischer König tuen sollte. Deswegen meint C32BÜ hier nicht ein

134

I. Textuntersuchungen

3) Die Wehe-Rufe von Kap. 2 und die Theophanieschilderung von Kap. 3, die jeweils zur Grundschicht gehören dürften (s.u.), kündigen den Gegnern zwar den Tod an, sagen aber nicht, wie sie historisch konkret zu Tode kommen werden. In 1,5-11.12b steht diese Frage hingegen im Vordergrund. Die Babylonier erscheinen als todbringendes Gerichtswerkzeug Jahwes. 4) Die in vl3 angesprochene Not bezieht sich, wie die Verbindungen zu vl-4 zeigen (s.u.), auf innerjudäische Mißstände. V12b hat dagegen eine durch äußere Feinde herbeigeführte Not im Blick. 5) V12b unterbricht die Jahwe-Prädikationen von vl2a.l3a 15 und stört den Argumentationszusammenhang zwischen diesen beiden Vershälften. Die priesterliche Sprache (Tina 'rein') aufnehmende Rede von der Reinheit der Augen Jahwes in vl3a ist nämlich nur sinnvoll, wenn mit 'PHP 'Unheil' das Sterben von vl2a gemeint ist. Dieses kann Gott nicht sehen, weil seine Augen durch den Anblick von Leichen verunreinigt würden. Da sich Gott, der in ν 12a als Heiliger angesprochen wird, nicht verunreinigen kann, werden die Gerechten nicht sterben. V13a bietet also mit dem Hinweis auf die Reinheit Jahwes die Begründung für die Vertrauensaussage von vl2a: Wir werden nicht sterben,16 weil Jahwes Gericht(sverfahren) mit offenem Ausgang, sondern ein Gericht im Sinne eines zerstörerischen Unheilsgeschehens (vgl. Rudolph, ΚΑΤ 1975). 15

Vgl. Rothstein, Habakkuk 64.

16

Nach der Verbesserung der Schreiber (D^ISD 11 [3 Fl) ist nicht n i Q ] N^ 'wir werden nicht sterben', sondern Π =1ΏΠ 'du (sc. Gott) wirst nicht sterben' zu lesen. Dem folgen z.B. Horst, HAT 1938; Elliger, ATD 41959; Rudolph, ΚΑΤ 1975 (vgl. Seybold, ZBK 1991, 66, der die Wendung allerdings mit 2,4 verbindet und im Sinne eines Gottesurteils versteht, das sich an einen unschuldig Angeklagten richtet, um diesen freizusprechen [s.u.S. 141 Anm. 38]). Die Ansicht der Schreiber läßt sich jedoch durch keinerlei Handschriften oder antike Übersetzungen stützen. Auch inhaltlich legt sich die Aussage, daß Gott nicht sterben werde, im Duktus des Textes kaum nahe. Andererseits paßt die Vertrauensaussage 'wir werden nicht sterben' gut zur Klage des Kontexts (vgl. Ps 118,17f in einem auf die Klage aufbauenden Danklied), und die obigen Ausführungen zeigen, daß in vl2a angesichts der priesterlichen Reinheitsterminologie von vl3a genau diese Aussage zu erwarten ist. Hinter der Lesart der Schreiber dürfte das Interesse stehen, ein Pendant zu QT^Q HFIN 'du bist seit Urzeit' im Parallelstichos zu schaffen, um die Ewigkeit Gottes zu betonen. Diese wollte man in vl2 vielleicht einbringen, um darauf hinzuweisen, daß auch das brutale Volk, das nach v l l seine Kraft zu seinem Gott macht, Jahwe, dem ewigen Gott, nichts anhaben kann. Vgl. C. McCarthy, The Tiqqune Sopherim and Other Theological Corrections in the Maso-

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

135

Augen zu rein sind, die Leichen zu sehen. V12b stört diesen Gedankengang. Hab 1,5-11.12b dürfte also redaktioneller Herkunft sein. Die Klage von v2-4 findet dann in vl2a.l3 eine Fortsetzung.17 Für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit beider Texte sprechen Übereinstimmungen im Inhalt (soziale Mißstände), in der Motivik (Frevler vernichten Gerechte) und in der Sprache (Ώ2 2 niph +

'Not schauen' v3.13)18.

Zur zweiten Frage: Handelt es sich bei vl4-17 um ein Orakel, das auf die voranstehende Klage antwortet und damit den Gedankengang von Hab 1 abschließt {Jeremias19),

oder um eine Fortsetzung der Klage von vl2f*, der

dann Hab 2* als Antwort folgen müßte (Otto20)?

Die Beantwortung die-

ser Frage ist eng mit einer textkritischen Entscheidung verknüpft. In vl4 ändert man ΠϋϋΠ1 'und du machtest' zuweilen in die 3. Pers.: Πϋϊ 5 1 1 ( =v 2i v —! — ν -ι — Bö »1) oder HOS! ?(1). Versteht man das Verb dann präsentisch oder präterital, so handelt es sich bei vl4 um eine Feindklage: 'und er macht(e)', d.h. der Frevler von vl3 oder der Babylonier von v5ff hat die Menschen in ein herrscherloses Chaos geführt. 22 Versteht

retic Text of the Old Testament (OBO 36), Freiburg (Schweiz) - Göttingen 1981, 105111; van der Wal, Habakkuk 112,482f; Barthelemy, Critique Bd. 3, 832-835. 17

Vgl. Marti, KHAT 1904; Jöcken, Kultprophet 319f. Schmidt (Psalm 52-63; vgl. Seybold, ZBK 1991, 43f; ders., Habakuk 103f [s.u.S. 141 Anm. 38]) findet in l,2.3.4b,12.13a; 3,18f ebenso wie in vielen Psalmen ein Gebet eines unschuldig Angeklagten, das zufällig ins Habakukbuch geraten sei. Gegen eine Verbindung der beiden Klagen sprechen sich Elliger (ATD 41959, 35) und Cannon (Integrity 71) aus. Zur älteren Forschung vgl. Jöcken, Buch 239f.

18

D2J niph + ^QS 'Not schauen' findet sich im AT nur an diesen beiden Stellen. Es handelt sich also nicht um eine geprägte Wendung. Dadurch gewinnt das sprachliche Argument an Gewicht.

19

Jeremias, Kultprophetie 78-81. Auf der redaktionellen Ebene betrachtet Jeremias (88) vl4-17 allerdings als Teil der Klage und 2,Iff als Antwort Jahwes.

20

Vgl. Nogalski, Processes 145f.

21

H. J. van Dijk (Does Third Masculine Singular *Taqtul Exist in Hebrew?, VT xix [1969], 440-447, 446) verzichtet auf eine Änderung. Das Präfix Π bezeichne in Hab 1,14 wie an einigen anderen Stellen die 3. Pers. mask. Sing. Vgl. dagegen A. Schoors, A Third Masculine Singular taqtul in Biblical Hebrew?, in: FS F. C. Fensham (JSOT.S 48), Sheffield 1988,193-200,195. 22

So Nowack, HAT 1897; Humbert, Problemes 40; Jöcken, Kultprophet 321f.326f.

136

I. Textuntersuchungen

man das Verb hingegen futurisch 'und er wird machen', so kann vl4 nicht mehr zur voranstehenden Klage gehören. Hinter vl3 wäre ein Einschnitt zu ziehen, und mit vl4 würde ein Heilsorakel beginnen. Dieses würde in vl4-17 auf die Klage von vl2f antworten, daß das Gerichtswerkzeug Babylon bald kommen werde. Mit Kap. 2 würde dann eine ganz neue Einheit beginnen. Für diese Änderung in die 3. Pers. können allerdings keine Gründe angeführt werden. Gegen eine Änderung sprechen jedoch schon die äußeren Kriterien. Die 3. Pers. wird lediglich von der LXX-Minuskel 233 und der sahidischen Ubersetzung bezeugt. Gegen die 3. Pers., die vl4 eng mit vl5-17 verbinden würde, sprechen ferner die noch aufzuzeigenden Differenzen zwischen vl4 und vl5-17.

MT ist in vl4 also nicht zu ändern.24 Der Vers enthält eine Gottklage, die v l 3 fortführt.25 Jahwe hat geschwiegen, als die Frevler die Gerechten verschlangen, ja er hat es nicht nur zugelassen, sondern sogar aktiv betrieben, daß die Menschen herrscherlos wurden und dadurch in chaotische Verhältnisse absanken. Das in ν 13 beschriebene brutale Auftreten der Frevler hängt inhaltlich eng mit der in vl4 geschilderten Herrschaftslosigkeit zusammen.26 V14 beklagt das Fehlen eines starken Mannes, der das Treiben der Frevler unterbindet. 23

So Rothstein, Habakkuk 65; Marti, KHAT 1904; Jeremias, Kultprophetie 79. Rothstein betrachtet 1,14- 15a als Fortsetzung von 1,6-10 und setzt den ganzen Abschnitt hinter 2,5a.

24

niffS findet sich im AT l l m a l im impf, consec. ohne Apokope; vgl. GKa § 75t. Vgl. Nogalski, Processes 142-146.

26

Zum Motiv vgl. Jdc 17-21 (bes. 17,6; 21,25); I Reg 22,17; Jes 53,6; Ez 34,5f. Die drei letzten Stellen enthalten das Bild einer führerlos umherirrenden Schafsherde. Hab 1,14 nimmt nicht Schafe, sondern Reptilien und Fische als Vergleichsspender. Dadurch klingt auch das Thema von vl3, daß die einen die anderen verschlingen, im Vergleich an. Auf Prov 6,7; 30,27 sollte man im vorliegenden Zusammenhang nicht verweisen. An diesen Stellen wird bewundernd festgestellt, daß das Zusammenleben bei Ameisen bzw. Heuschrecken auch ohne Herrscher hervorragend funktioniert. Wollte man Hab 1,14 in diesem Sinne verstehen, würde sich ΠΪΖ?ϊ? nicht auf ein negatives und deswegen beklagtes Handeln Jahwes beziehen, sondern auf seine heilvolle Schöpfertätigkeit: Gott hat den Menschen wie Fische herrschaftsfrei geschaffen. Die ihre Mitmenschen unterdrückenden Frevler würden sich mit ihrem Treiben dann gegen die vom Schöpfergott gewollte Gleichheit aller Menschen richten. Diese sicherlich reizvolle Interpretation kann sich darauf berufen, daß Πϋϊ mit obj. DIN sonst nur im Kontext 'Schöpfung' gebraucht wird (Gen 1,26; 6,6; 9,6; Jer 27,5; Koh 7,29). Man unterstellt dem Verfasser mit einer positiven Sicht von herrschaftsfreien Strukturen jedoch ein sehr modernes Denken. Die Schöpfungsterminologie wird von der Klage vermutlich bewußt aufgenommen, um eine Aufhebung der Schöpfung zu beklagen. Jahwe hat den Menschen, den er einst als etwas Besonderes gemacht hat, jetzt wie Fische und Gewürm gemacht (vgl. Ps 22,7; Jes 41,14). Er hat die Sonderstellung des Menschen aufgehoben. Zum Gebrauch von D l « für Klagende bzw. Unterdrückte vgl. Ps 12,9; 66,5; 68,19; 80,18.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

137

Gehört vl4 zur Klage von vl2f, so gilt dies auch für vl5-17. Mit Otto müssen diese Verse jedoch einer Sekundärschicht zugewiesen werden.27 Sie gehen von der vl3b-14 bestimmenden Gottklage (2. Pers.) zur Feindklage (3. Pers.) über. Unklar bleibt dabei, wer das feindlich handelnde Subjekt ist bzw. auf wen sich die 3. Pers. bezieht. Die zuletzt genannte Person wäre der *?CiQ 'Herrscher' von vl4. Der kommt jedoch als handelndes Subjekt nicht in Frage, da es ihn nicht gibt. Subjekt von vl5-17 kann nur das in v5-ll beschriebene Volk der Babylonier sein, da dessen alles dahinraffendes (ηΟΝ v9.15) und sich selbst beweihräucherndes (vi 1.16) Wesen in ganz ähnlicher Weise geschildert wird. V15-17 knüpfen also, was das Subjekt angeht, nicht an vl4 an, sondern an v5-ll. Das zeigt, daß vl5-17 nicht zu eng zu vl4 gezogen werden dürfen. Auch inhaltlich unterscheiden sich vl5-17 von vl3b-14. Hier wird nicht mehr die Gewalt innerer Gegner beklagt, sondern die äußerer Feinde. Die ν 13 bestimmende Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern ist in vl5-17 nicht mehr im Blick. Die hier beschriebene Großmacht angelt nicht nur eine Gruppe, sondern ganze Völker (vl7). Da wird nicht mehr das Fehlen eines Herrschers beklagt, der die in vl3b genannten Mißstände beseitigt, sondern die Expansionspolitik einer alle Völker gewaltsam niederschlagenden Weltmacht. Ihre Brutalität wird dargestellt, indem das Fischbild aus vl4 aufgenommen, aber in einer ganz anderen Hinsicht entfaltet wird. V14 setzt voraus, daß nur die herrschende Oberschicht dahingerafft ist. Beklagt wird der Zustand des Restes, der wie Fische und Kleingetier (Reptilien etc.) führerlos geworden ist und deswegen wirr umherirrt, wobei die größeren Tiere die kleineren verschlingen (vgl. vl3). Nach vl5-17 gibt es dagegen keinen Rest. Die Babylonier erscheinen als gierige Angler, die alles (n't>3; vl5) ständig Bei dem Herrscher, dessen Fehlen beklagt wird, sollte man nicht an Gott (so allerdings Jes 63,19) denken, sondern an einen irdischen Herrscher (gegen Ehrlich, Randglossen V 301). Der asyndetische Relativsatz 'über den niemand herrscht' bezieht sich zunächst auf das Kleingetier und damit auf die Bildebene. Da das für Fische und Kleingetier Typische nicht darin bestehen kann, daß Gott nicht über sie herrschen würde, sondern nur darin, daß sie wegen des Fehlens einer internen Herrschaftsstruktur wirr umherirren und sich gegenseitig fressen, dürfte sich der Vergleich auf das Fehlen eines internen, d.h. irdischen Herrschers beziehen. 27

Otto, Stellung 102f; Nogalski, Processes 142-145.

138

I. Textuntersuchungen

("ΡΰΓΐ; vl7) dahinraffen. Hier geht es nicht mehr um führerlos umherirrende und sich gegenseitig fressende Reptilien und Fische, sondern um das Fangen des gesamten Fischbestands. Vergleichspunkt sind nicht mehr die Verhältnisse unter den Fischen, sondern die spielerische Leichtigkeit mit der ein Angler Fische vernichten kann (vgl. Koh 9,12).28 Fragt man nach der Zuordnung von Hab 1,15-17, so zeigen sich einige Verbindungen zu Hab 2,5bß.8. Auch dort ist vom Dahinschlachten der Völker die Rede, und auch dort erscheint in diesem Kontext das Verbum η Dt? 'sammeln' (1,15; 2,5bß). Hab 1,15-17 dürfte deswegen mit Otto der Kap. 2 durchziehenden antibabylonischen Redaktionsschicht zuzuordnen sein, die in den Babyloniern nicht wie 1,5-11.12b ein Gerichtswerkzeug Jahwes sieht, sondern eine brutale Großmacht.29 Deren Vorgehen wird im redaktionell bearbeiteten Kap. 1 beklagt, ehe ihr im redaktionell bearbeiteten Kap. 2 das Gericht angekündigt wird. Fazit: Die Grundschicht von Hab 1 enthält eine Klage über soziale Mißstände in Israel (vl-4.12a.13f). Eine erste Redaktionsschicht kündigt 28

Rudolph (ΚΑΤ 1975) sieht in vl4a einen anderen Vergleichspunkt. Die Herrschaftslosigkeit soll nicht auf Mißstände im Innern verweisen, sondern auf Schutzlosigkeit nach außen hin. Weil den Fischen ein Herrscher fehlt, sind sie ausgeliefert. Bei diesem Verständnis des Bildes rückt vl4 enger an vl5-17 heran als an vl3. Die genannten Differenzen zwischen vl3f und 15-17 sprechen jedoch dafür, vl4 im Licht von vl3 zu sehen.

29

Vgl. Jöcken, Buch 493. Rothstein (Habakkuk 58-64) zählt neben vl5b-17 auch v5.11. 12b zu dieser Schicht. V11.12b hätten eine antibabylonische Spitze, da die Babylonier als vorübergehende Erscheinung betrachtet würden. Auch Nogalski (Processes 141146) interpretiert v l l antibabylonisch. Er findet in v5-ll das Motiv von der zerstörerischen Großmacht, die schließlich selber untergeht. V15-17 schreibt Nogalski eben dieser Schicht zu, die darauf ziele, das Habakukbuch mit dem im Zwölfprophetenbuch voranstehenden Kapitel Nah 3 zu verbinden (S. 146-150). V l l mag tatsächlich eine antibabylonische Spitze haben (vgl. Jöcken, Buch All Anm. 121). Da der ursprüngliche Text jedoch unsicher ist, die Verben in ihrer Zielrichtung verschieden verstanden werden können ('anstürmen', 'weiterziehen' oder 'vergehen') und da TS nicht unbedingt eine zweite Zeitstufe einleiten muß, sollte man hier vorsichtig sein (zu den Problemen vgl. Humbert, Probßmes 37-39; Jeremias, Kultprophetie 94; Roberts, OTL 1991). V l l kann auch eine abschließende Zusammenfassung von v5-10 sein (vgl. Rudolph, ΚΑΤ 1975). Zu Π Π als Metapher für einen Angreifer vgl. Hos 4,19. Ein Wechsel von ursprünglichem DEP 1 (< Döttf; vgl. lQpHab IV 9) 'und es (= Babel) wird verheeren' zu •ΙΡΝΊ (< ΠΏϋ) 'und ich werde (es [= Babel]) verheeren' oder (< DEN) 'und es (= Babel) wird büßen' (MT) kann als antibabylonische Spitze eines späteren Abschreibers verstanden werden (vgl. Otto, Stellung 77). Nielsen (Righteous 75.77) bezieht 1,11 auf Jojakim, dessen Geist beim Anrücken der Babylonier vergehen werde.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

139

die Babylonier als Gerichtswerkzeug Jahwes an (v5-l 1.12b), und eine zweite beklagt das brutale Vorgehen dieses Fremdvolks (vl5-17). 1.2. Zu Hab 2 In der Frage der Schichtung von Kap. 2 kann ich den Ergebnissen von Jeremias und Otto zustimmen. Ohne die einzelnen Argumente zu wiederholen, sei die These kurz vorgestellt: vl-5ba.6ß-7.9-ll*.12.15f gehören zur Grundschicht und v5bß.6a.8.10ba.l3f.l7 zu einer antibabylonischen Redaktionsschicht.30 Ob auch der fünfte Wehe-Ruf (vi9a) der Grundschicht und die anliegenden Verse (vl8.19b-20) der antibabylonischen Redaktion zuzurechnen sind (Jeremias) ober ob ν 18-20 von einem späteren Redaktor stammen und wir es folglich nur mit vier ursprünglichen Wehe-Rufen zu tun haben (Otto), läßt sich nur schwer sagen. Vermutlich richtet sich vl9a gegen innerisraelitische Apostaten, während vl8.19b die Nichtigkeit der Götter der Fremdvölker im Blick haben. V19a dürfte dann zur Grundschicht zu zählen sein, und vl8.19b sowie der überleitende v20 würden zur Redaktionsschicht gehören. Der fünfte Wehe-Ruf (vl9a) hebt sich formal von den vorstehenden dadurch ab, daß eine über das bloße Wehe hinausgehende Unheilsankündigung fehlt (vgl. jedoch den dritten Wehe-Ruf) 3 1 und daß das 'Wehe' nicht am Anfang der thematischen Einheit vl819 steht, sondern in der Mitte. 32 Inhaltlich unterscheidet sich der fünfte Wehe-Ruf von den voranstehenden Wehe-Rufen dadurch, daß er nicht das unsoziale Verhalten der Oberschicht anprangert, sondern den Abfall von Jahwe. Aus diesen Gründen und weil die wortgleichen v8b,17b einen redaktionellen Rahmen um den ersten bis vierten Wehe-Ruf legen, schreibt Otto vl8-20 einem weiteren Redaktor zu. 33 M.E. können die genannten Argumente den fünften Wehe-Ruf nicht als sekundär ausweisen, da sie zwar einen Unter-

30

Jeremias, Kultprophetie 57-75; Otto, Stellung 81-101; vgl. Rothstein, Habakkuk 70-84; Jöcken, Kultprophet 323; Seybold, ZBK 1991; Roberts, OTL 1991, 84 (vgl. jedoch auch 112ff); Kessler, Staat 91-94.

31

Otto (Stellung 83f) setzt v l l hinter vl2 und erhält so für den dritten Wehe-Ruf eine Unheilsankündigung. Zwar ist Otto zuzugestehen, daß v l l gut hinter vl2 passen würde, aber er ist hinter v9f nicht so deplaziert, wie Otto annimmt, da die metaphorische und die nicht-metaphorische Bedeutung von Π ? 3 ('Sippe' / 'Gebäude') sehr eng zusammengehören.

32

Vgl. Sweeney, Structure 72. Zuweilen wird vl8 hinter vl9 gestellt (z.B. Jeremias, Kultprophetie 61). Diese Umstellung ist eine unnötige Glättung.

33

Otto, Stellung 78.87f. Vgl. Horst, HAT 1938; Elliger, ATD 41959; Deissler, NEB 1984.

140

I. Textuntersuchungen

schied, aber keine Spannung aufzeigen und da die Wiederholung von v8b in vl7b auch von dem Stichwort 0ΏΠ 'Gewalt' (vl7a.b) angeregt worden sein kann. Umgekehrt läßt sich aber für die Zugehörigkeit zur Grundschicht nur anführen, daß der Wehe-Ruf dem antibabylonischen Redaktor von Hab 2 bereits vorlag, da dieser - wie noch zu zeigen sein wird - vermutlich die den Wehe-Ruf vl9a umgebenden vl8.19b verfaßte. Will man den fünften Wehe-Ruf nicht zur Grundschicht rechnen, muß man ihn einem früheren Glossator oder einer unabhängigen Quelle des Redaktors zuschreiben. Beides ist zwar nicht auszuschließen, führt aber zu unnötig komplizierten Modellen. Deshalb sollte man den fünften Wehe-Ruf trotz aller Unsicherheiten zur Grundschicht zählen. V18.19b dürften gegenüber diesem Wehe-Ruf (vl9a) sekundär sein. V19a weist Bezüge zu Jer 2,27 auf. Nur an diesen beiden Stellen des AT ist von J> y*? 'zum Holz sprechen' bzw. von ) ΊΏΝ 'zum Stein sprechen' die Rede. Ausweislich des Gebrauchs der Wendungen in Jer 2,27 (vgl. Hos 4,12) richtet sich vl9a vermutlich gegen israelitische Apostaten. 34 V18.19b, die sich durch ihren argumentativen Stil vom Kontext abheben, 35 wollen demgegenüber nicht den Abfall von Jahwe anprangern, sondern von der Lächerlichkeit der Kulte des babylonischen Fremdvolks überzeugen. Dafür sprechen folgende Beobachtungen: a) 'Götzenbild' bezieht sich in den Prophetenbüchern immer auf Götterbilder fremder Völker.36 Es geht im Kontext nie um einen Verstoß Israels gegen das Bilderverbot, sondern um die Unterlegenheit der Götter der Völker, b) "IX Ί 'töpfern' findet sich mit dem Objekt ^03 nur noch in Jes 44,9f. Der Parallelismus *?0Ξ 'Götzenbild' 11 riDSQ 'Gußbild' erscheint in den Prophetenbüchern nur noch in Jes 42,17.37 Diese Stelle ist zugleich die einzige Parallele im AT für die Wendung ^ O S / "703 ^i) / -2 Π123 riDDQ / 'auf ein Götzenbild / Gußbild vertrauen' (vgl. Ps 115,8; 135,18). Die Aussage, daß im Götzenbild (*?03, "7"'03, i"DDQ) keine Π Π sei, findet sich nur noch in Jer 10,14 (= 51,17; vgl. Ps 135,17). Diese Stelle ist auch die einzige, an der einer der genannten Götzenbild-Begriffe zusammen mit erscheint (vgl. Jes 44,20; Jer 16,19). Bei allen genannten Parallelstellen handelt es sich um Fremdkultpolemiken, welche die Nichtigkeit der Götter der Völker ausdrücken wollen. Dies dürfte dann auch für Hab 2,18.19b gelten. Die Verse heben sich deswegen von dem im Wehe-Ruf ursprünglich intendierten Apostasievorwurf ab. Sie passen hingegen sehr gut zu der das ganze Kap. 2 durchziehenden Redaktionsschicht. Diese interpretiert die Wehe-Rufe von v6-17 so, daß sie sich nicht mehr gegen das brutale Verhalten der Jerusalemer Oberschicht wenden, sondern gegen die brutale Eroberungspolitik der babylonischen Großmacht. Der fünfte Wehe-Ruf hat eine entsprechende Überarbeitung erfahren. Das 'Wehe' gilt nicht mehr abtrünnigen Israeliten, sondern den Babyloniern, die machtlose Götzen als Götter verehren. V20 bildet einen antithetischen Abschluß zu vl8f, setzt vl8.19b also voraus und dürfte dem gleichen Redaktor (oder einem späteren) zuzuschreiben sein. Der Vers bietet zugleich eine Uberleitung zu Kap. 3.

34

Vgl. Nielsen, Righteous 62f.

35

Vgl. Jeremias, Kultprophetie 64.

36

Jes 40,19.20; 42,17; 44,9.10.15.17; 45,20; 48,5; Jer 10,14; 51,17; Nah 1,14. Vgl. demgegenüber den Gebrauch von l7"'D2.

37

Vgl. jedoch ^ O B 11 H3DD in Jes 30,22.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

141

1.3. Zu Hab 3 In Hab 3 stellt sich die Frage nach der Zugehörigkeit zu Kap. lf. Häufig wird das Kapitel als ursprünglich selbständige Einheit betrachtet.38 Dafür spricht zunächst ein äußerer Grund: Das Kapitel fehlt im Habakuk-Kommentar von Qumran. Weiterhin führt man an, daß Hab 3 in vi und vl9b liturgische Bemerkungen enthält, wie sie sich sonst nur in den Psalmen finden. Durch sie wird das Kapitel gerahmt und von Hab lf abgetrennt. Inhaltlich hebt sich Hab 3 durch die Theophanie-Motivik vom Vorhergehenden ab. Diese Beobachtungen können die ursprüngliche Selbständigkeit von Hab 3 jedoch kaum belegen. Das Fehlen des Kapitels in Qumran kann viele Gründe haben. Über die Ursprünglichkeit von Hab 3 sagt es nichts aus.39 Die liturgischen Bemerkungen von vi. 19b dürften wie die Psalmen-Überschriften aus sehr später Zeit stammen. Sie belegen lediglich, daß Kap. 3 in einem liturgischen Rahmen Verwendung fand, nicht daß das Kapitel ursprünglich ein eigenständiger Text gewesen sein muß. Durch die Theophaniemotivik unterscheidet sich Hab 3 zwar von den

38

Vgl. Stade, Habakuk 157f; Ward, ICC 31948, 6; Nogalski, Processes 180. Hiebert (God 118ff.l29ff; vgl. ders., Inclusion 134) hält Hab 3 für ein Siegeslied aus vorköniglicher Zeit (vgl. dagegen Nogalski, Processes 173), das erst nach dem Exil an Hab lf gehängt wurde. Vgl. dagegen Humbert, Problömes 28; Elliger, ATD 41959, 51.54f; Robertson, NICOT 1990, 212-214; Roberts, OTL 1991, 81f.l48f. Nach Seybold (ZBK 1991, 44-49; Habakuk 103f) bildeten Teile von Kap. 3 ursprünglich mit Teilen von Kap. lf eine Einheit. Dem Propheten schreibt Seybold nur die Grundschicht der Reitervision und Tafelvision zu, die nach einer redaktionellen Überarbeitung 1,5-11.14-17; 2,1-3.5-19 umfaßt hätten. Diese beiden Visionen seien um 550 v. Chr. durch die rahmenden Verse 3,2.16 mit den Hymnen 3,3-7 und 3,8-13a.l5 verbunden worden. Im 4. Jh. sei in diese Buchrolle das nachexilische Gebet eines unschuldig Angeklagten eingearbeitet worden, das sich jetzt über alle drei Kapitel erstrecke: l,2-3.4b.l2-13; 2,(1*.)4.20; 3,(7*.8*.)13b.l4.17-19a. Haak (Habakkuk 11-20.107-155) versteht Kap. 1-3 als einheitliche literarische Komposition. Die probabylonische Schrift des ausgehenden 7. Jh.s erwarte, daß Jahwe die Gerechten durch den Eingriff der Babylonier retten werde. Im Aufbau entspreche das Buch einem Klagelied: 1,1-4 Anrufung und l.Klage; 1,5-6 l.Heilsorakel; 1,7-12 l.Bekenntnis der Zuversicht (l.Pers. PL: v7[!].12); 1,13-2,1 2.Klage, die sich auf die gleiche Not bezieht wie die l.Klage; 2,2-4 2.Heilsorakel; 2,5-20 2.Bekenntnis der Zuversicht; 3,1-19 Klage über Jahwes Abwesenheit und die Erwartung seines Kommens.

39

Vgl. Jöcken, Buch 234f.

142

I. Textuntersuchungen

beiden voranstehenden Kapiteln, jedoch ergibt sich daraus noch kein Widerspruch. Warum sollte Habakuk nicht einen von Theophaniemotiven geprägten Text verfaßt haben, bzw. warum sollte ein solcher Text nicht zu Hab lf passen?40 Gegen die Selbständigkeit von Hab 3 spricht, daß v2 als Anfangsvers eines Psalms ungewöhnlich ist.41 'Ich habe deine Kunde (d.h. im Kontext: dein Heilswort) gehört' hat als Psalmenanfang im Psalter keine Parallele.42 Für die Zusammengehörigkeit einer Grundschicht von Hab 3 mit Hab lf* sprechen eine Reihe von Verbindungen und Rückverweisen 43 Der Rahmen von Hab 3 (v2.14b-19*) setzt den Ich-Stil von Kap. lf fort. 3,2a nimmt dabei 2,1 auf. 2,1b kann als formale Mitte des Habakukbuchs betrachtet werden. 'Ich will spähen, um zu sehen, was er zu mir redet und was er auf meinen Tadel erwidert' stellt einerseits eine Verbindung zur Klage von Kap. 1, dem Tadel, her, andererseits aber auch zu Kap. 3. Hab 3,2a blickt nämlich auf den Empfang der Antwort zurück, die in 2,1 erwartet wird. Der Infinitiv 'um zu sehen' von 2,1 wird in 3,2a mit 'ich habe gesehen'44 aufgenommen, und ebenso verweist 3,2a: 'ich habe deine Kunde gehört' auf Svas er (Jahwe) redet' in 2,1. Bei der Kunde muß es sich um eine Heilsankündigung handeln. Das zeigt die in 3,2b folgende Bitte um Verwirklichung des Gehörten. Dabei wird 2,3 aufgenommen. Der dortigen Ankündigung, daß sich das Eintreffen des Jahwe-Wortes zwar verzögern könne, aber gewiß nicht ausbleiben werde, entspricht in 3,2 die Bitte, die Durchführung des Gehörten nicht zu verzögern, sondern in der Mitte der Jahre45 ins Leben zu rufen, d.h. zu erfüllen. Daß sich 3,2 in diesem Zusammenhang der Wurzel Π ^ Π 'leben' bedient, dürfte in bewußter Anspielung auf 2,4 geschehen. Es ist die 40

Vgl. das Problem der Verfasserschaft von Nah 1,2-8; s.u.S. 167f.

41

Vgl. dagegen Nogalski, Processes 174.

42

yQttf begegnet am Anfang von Psalmen nur in der Hör-Aufforderung oder in bezug auf das Hören der Heilsgeschichte (Ps 44,2).

43

Vgl. Rudolph, ΚΑΤ 1975; Jöcken, Buch 323f.

44

In 3,2 ist wegen des Parallelismus "TP ST zu lesen; anders Hiebert, God l l f .

45

Zur Auslegungsgeschichte von D Midst 91-105.

-

1

' i n

der Mitte der Jahre' vgl. Copeland,

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

143

Verwirklichung des dort dem Gerechten verheißenen Lebens, die der Prophet schon bald erleben möchte. In dem folgenden von Theophaniemotiven geprägten Abschnitt 3,315, in dem durchaus eine Vorlage aufgenommen sein mag,46 haben ν 1315 die Funktion, die traditionelle Rede vom Einschreiten Jahwes gegen seine Feinde auf die aktuelle Lage zu beziehen. V13a faßt dabei zunächst zusammen, was mit der ausführlichen Theophanieschilderung intendiert ist. Die Tradition soll belegen, daß Jahwe für sein Volk und für seinen König47 immer wieder rettend einschreitet. V13b führt dann aus, was dies aktuell bedeutet: Jahwe wird das Haus des Frevlers vernichten. Sein Angriff richtet sich also nicht gegen irgendwelche äußeren Feinde, sondern gegen innere. Die Rettungstat gilt demnach nicht, wie es in ν 13a nur in Aufnahme der traditionellen Theophaniesprache ausgedrückt wird, dem Volk als Ganzem, sondern allein den Gerechten. Mit dieser Ankündigung der Rettung der Gerechten greift Hab 3,13 auf 1,14 zurück. Der dort geäußerte Vorwurf, daß Jahwe nicht rettet (ΪΕΡ) und das Recht nicht hervorkommt (SS"1), wird sich nach 3,13 als haltlos erweisen, denn Jahwe wird zur Rettung (JJEP) seines Volkes ausziehen (KS"1). Diese Rettung realisiert sich in der Zerschlagung des Hauses des Frevlers. Damit wird Kap. 1 aufgenommen, wo das Treiben der Frevler (9ΕΠ 1,4.13) beklagt wurde, und Kap. 2, wo diesen Frevlern Unheil angekündigt wird (2,4f). Das Unheil konkretisiert sich nach 3,13 darin, daß Jahwe das Haus des Frevlers bis zum Fundament entblößt (my). 4 8 'Haus' ist dabei so-

46

Vgl. Nogalski, Processes 159-173.

47

Man darf hier nicht an einen konkreten König denken und beispielsweise meinen, daß Habakuk im Gegensatz zu Jeremia ein positives Verhältnis zu Jojakim hatte. Gemeint ist hier der König als Amtsträger, besonders als militärischer Führer des Volkes. Der kriegerische Eingriff Jahwes geschieht zugunsten Israels und seines Königs, der hier, um seine göttliche Erwählung hervorzuheben, als Messias bezeichnet wird. Vgl. Humbert, Problemes 228f.

48

Mit dem Entblößen der Fundamente (vl3bß) muß eine völlige Zerstörung gemeint sein (vgl. Ps 137,7; Ez 13,14; Mi 1,6), zumal da Jahwes Einschreiten im Kontext der Theophaniemotivik nicht nur die partielle, sondern die völlige Vernichtung der Feinde meint. Die TP-Aussage des Stichos ist folglich nicht als Einschränkung, sondern als Verstärkung zu verstehen. Deswegen dürfte in vl3bß kaum TV 'bis zum Hals' zu lesen sein, da dieses Bild impliziert, daß etwas nur bis zum Hals zerstört wird, das

144

I. Textuntersuchungen

wohl metaphorisch, als auch, wie die Rede vom Fundament zeigt, nichtmetaphorisch gemeint. V13 nimmt mit der Rede vom Haus auf den zweiten und dritten Wehe-Ruf Bezug, wo die Bautätigkeit der Jerusalemer Oberschicht kritisiert und dieser Oberschicht angekündigt wird, daß sie mit ihrem Tun Schande auf ihr Haus bringt (Π ? 2 in 2,9.10).49 Haus dürfte auch dort metaphorisch für die Großfamilie stehen und zugleich nichtmetaphorisch gemeint sein. Mit ΓΠ9 'entblößen' nimmt vl3 (vgl. v9) den vierten Wehe-Ruf auf, der denen gilt, die die Blöße ( I i 5>Q) anderer betrachten wollen (2,15). V14b erklärt im Rahmen der Schilderung der Vernichtung der Feinde, was diese Feinde wollten: Sie wollten den Beter bedrängen. Damit nimmt der Vers auf die Feindklage von Kap. 1 Bezug und spannt so einen Bogen zum Anfang des Habakukbuchs. Daß dabei die Feinde als Fresser gesehen werden, ist eine Aufnahme eben dieses Motivs aus 1,13 und 2,5.S0 Diese Verbindungen zwischen der Grundschicht von Hab lf und Hab 3 sprechen dafür, auch Hab 3 dieser Grundschicht zuzuordnen.

meiste aber stehen bleibt. Das Bild kann daher das Entblößen der Fundamente nicht illustrieren. Die häufig vertretene Lesart TIS IS 'bis zum Fels' dürfte richtig sein. Im Parallelstichos vl3ba ist eine ähnlich umfassende Zerstörungsaussage zu erwarten. Auffällig ist die Wendung Ρ1130 BN*) 'Haupt vom Haus', da fTIQ 'schlagen' sonst nie mit ] 0 'von' konstruiert wird (vgl. jedoch Dtn 33,11). Albright (Psalm 11), der hinter 3,8-15 ein kanaanäisches Gedicht vermutet, liest unter Berufung auf LXX Π IQ Ε7ΝΊ. Jahwe zerschlage das Haupt Mots (vgl. LXX). Humbert (Problemes 65) ändert zu _,, Γΐΰ Ε7ΝΊ 'Haupt der Menschen' (vgl. Codex Barberini; Margulis, Psalm 426). Wahrscheixdich gehört ( ' H a u p t von' jedoch nicht zum ursprünglichen Text (vgl. Marti, KHAT 1904; Seybold, ZBK 1991). Jahwe schlägt nicht nur das Haupt vom Haus des Frevlers, d.h. das oberste Stockwerk, den Ahnherrn oder den Oberfrevler ΓΙ 7 3 'Haupt des Hauses' bezeichnet den Leiter einer Gruppe), sondern das ganze Haus. Die Einfügung von dürfte auf den Einfluß von vl4a zurückgehen. Man beachte auch, daß fTIO 'schlagen' sonst immer Lebewesen oder Körperteile als Objekt hat (mit Ε7ΝΊ 'Haupt' in Ps 68,22; 110,6). Nach der Einfügung von wurde in vl3bß aus "I =1X 'Fels' in Angleichung an den Parallelstichos "IN 1X 'Hals'. Zum Text von vl3 vgl. Hiebert, God 36-41; Barthilemy, Critique Bd. 3, 872-874. 49

Vgl. Jeremias, Kultprophetie 71.86.

50

Vgl. Jeremias, Kultprophetie 86.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

145

Dies gilt nicht für Hab 3,16b-17.51 VI6b widerspricht vl3b und erweist sich schon dadurch als sekundär. Während sich der Eingriff Jahwes nach vl3b gegen die Frevler richtet, gilt er nach vl6b einem Fremdvolk. Die Zeile erklärt, nachdem die Theophaniemotivik mit der in vl6a geschilderten menschlichen Reaktion bereits zum Abschluß gekommen ist, daß sich Jahwes Einschreiten gegen das Volk richtet, welches Israel angreift. 3,16b paßt damit gut zur Redaktion von Kap. lf. Wie von der dortigen Redaktion so wird auch hier ein Text, der sich gegen innerisraelitische Gegner wendet, so umgearbeitet, daß die Unheilsankündigung nicht mehr diesen Gegnern gilt, sondern dem babylonischen Fremdvolk. V16b dürfte deswegen zur Redaktionsschicht gehören. Vermutlich stammt auch der von traditioneller Sprache geprägten vi 7 vom Redaktor.52 Der mit 113 eingeleitete Satz (vgl. den häufigen Gebrauch von "'S in den redaktionellen Zusätzen der Wehe-Worte: 2,8.11. 14.17.18) expliziert den Tag der Not, der dem Fremdvolk bevorsteht.53 Dieses raffgierige Volk, das nach 1,15-17 üppig zu essen hat 1,16), wird in der bevorstehenden Notzeit nichts mehr zu essen haben ("73 Ν 3,17). Wie in dem redaktionellen Vers Hab 2,17 wird das Ende aller Landwirtschaft angekündigt. Es wird keine Pflanzen und keine Tierherden mehr geben. Diese Verbindungen zu redaktionellen Texten deuten auf den Redaktor als Verfasser von 3,17.

51

Nogalski (Processes 175-181) schreibt 3,16b-17 der Redaktion zu, die den Theophaniehymnus Hab 3* mit Hab lf verbunden habe. Von dieser Redaktion sei das Zwölfprophetenbuch unter Bezugnahme auf Joel überarbeitet und auch der Theophaniehymnus in Nah 1 zugefügt worden.

52

V17 gilt häufig als sekundär; vgl. z.B. Marti, KHAT 1904; Elliger, ATD 41959; Rudolph, ΚΑΤ 1975. Vgl. dagegen die verschiedenen Versuche, Hab 3 als einheitlichen liturgischen Text zu verstehen (Mowinckel, Psalm 20.23; Eaton, Origin 158-163; Margulis, Psalm 437-440). Diesen Versuchen ist darin Recht zu geben, daß die Literarkritik nicht von vornherein zwischen mythischen Motiven und historischen Bezügen trennen darf. Nach Jeremias (Kultprophetie 98f) zeigt vl7, daß Habakuk nicht als Privatperson klage, sondern im Namen des Volkes und damit in der offiziellen Funktion eines Kultpropheten. Hiebert (God 113-115) findet in vl7 das zur Theophanie gehörende Motiv von der Erschütterung der Natur. Dieses folge erst nach vl6, um das Beben des Dichters als Teil des kosmischen Bebens erscheinen zu lassen.

53

3,17 ist gegen Rudolph (ΚΑΤ 1975) keine Klage. Als solche käme der Vers, wie Rudolph zu Recht feststellt, zu spät.

146

I. Textuntersuchungen

Zusammenfassung: Das Habakukbuch enthält eine Grundschicht, die im folgenden näher untersucht werden soll. In Hab 1,5-11.12b findet sich eine erste, wohl zu Beginn des 6. Jh.s verfaßte Redaktionsschicht, die das in der Grundschicht angekündigte, aber nicht näher definierte Gerichtsgeschehen mit dem Anrücken der Babylonier kommen sieht. Eine zweite, wohl aus exilischer Zeit stammende Redaktionsschicht durchzieht das ganze Habakukbuch (1,15-17; 2,5bß.6a.8.10acc.l3f.l7f.l9b-20; 3,16b17). Sie betrachtet die Babylonier nicht mehr als Gerichtswerkzeug, sondern kündigt ihnen das Gericht an.54 Die Angeklagten, denen die Grundschicht ein gieriges Treiben vorwirft, sind nach Ansicht dieses Redaktors die Babylonier. Die Gerichtsbotschaft der Grundschicht wird folglich auf sie übertragen.

2. Der Aufbau des Buches 2.1. Die Grundschicht Die Grundschicht 55 , als deren Verfasser der Prophet Habakuk gelten kann,S6 stammt wohl aus der späten Königszeit. Sie beginnt in Kap. 1 mit einer Klage (v2-4.12a.l3-14). Habakuk spricht, wie in der Klage des Einzelnen üblich, im Ich-Stil und redet dabei Jahwe direkt an (2. Pers. Sing.). Der Text ist geprägt von den für die Klage typischen Elementen: Frage ('bis wann', Svarum'), Beschreibung der Not und Vertrauensäußerung.57 Beklagt werden, wie die Terminologie zeigt, soziale Mißstände

54

Vgl. die von H. Barth (Die Jesaja-Worte in der Josiazeit [WMANT 48], NeukirchenVluyn 1977) gesehene Assur-Redaktion des Protojesajabuchs.

ss

Vgl. Otto, Theologie 284-289.

56

Anders Jöcken (Kultprophet 325), der den von ihm angenommenen antibabylonischen Redaktor der Exilszeit Habakuk nennt. Den Verfasser der Grundschicht bezeichnet er als 'Urhabakuk'.

57

Zum psalmistischen Hintergrund vgl. Jeremias, Kultprophetie 90-93.

Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

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-σ υ CÄ 35 I meint eine körperliche Anschwellung: 'Beulen', 'Geschwüre' (Dtn 28,27; 1 Sam 5f). Im Arab, werden von der Wurzel jl die Begriffe für eine Reihe von menschlichen und tierischen Körperteilen gebildet, die durch Anschwellung hervortreten. z.B. verschiedene Fettpolster, Hämorrhoiden, Klitoris oder die Hoden eines Widders. ß) Die Strafankündigung, anzuschwellen, ist recht ungewöhnlich. Sie hat im prophetischen Bereich keine Parallele. Man kann jedoch auf drei Texte verweisen: 1) In Num 5,21.22.27 wird einer Frau, die im Rahmen eines Ehebruchordals Wasser trinken muß, angekündigt, daß ihr Bauch, falls sie schuldig ist, anschwellen werde (!"QX). Im Kontext dürfte damit Unfruchtbarkeit gemeint sein. 91 2) 1 Sam 5 erzählt, wie Gott jeweils die Philisterstadt, welche die eroberte Lade beherbergt, heimsucht, indem er sie mit Beulen (K: 0 " ^ 3 i ) schlägt (v6.9.12). 92 Die Reaktion der Philister zeigt, daß bei "?35> an eine schlimme Krankheit zu denken ist. Ob es sich um Geschwüre, eine Beulenpest oder eine andere Krankheit handelt, läßt sich nicht sagen. 3) In Dtn 28,27 wird Israel eben diese Krankheit als Strafe angedroht, falls es das Gesetz seines Gottes mißachtet. Angesichts dieser Texte scheint es nicht unmöglich, daß auch in H a b 2,4 eine wie immer geartete Beulenkrankheit ankündigt. Diese Deutung gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man erkennt, warum sich der Vers der Wurzel "?3S bedient. Er gebraucht diese nämlich als Antonym zu "IUP. Beide Begriffe können Landschaftsformationen bezeichnen: "W"1 eine ebene Landschaft, eine aufgeschwollene Landschaft, einen Hügel. Will man die geomorphologische Antonomie im Deutschen unter Berücksichtigung der ethischen Bedeutung von ~W Ί nachahmen, so könnte man 'gekrümmt wird, wer nicht aufrecht ist' übersetzen. V4a enthält dann eine Aussage, die in sich selbst evident ist. Nichts ist klarer, als daß etwas Nicht-Aufrechtes gekrümmt ist. Die Wortwahl - "IE?"1 88

Gegen BDB bedeutet ^SS in Num 14,44 nicht 'unachtsam sein'; das wäre im Kontext zu schwach. Damit erübrigt sich im Hebräischen die von BDB geforderte Unterscheidung zwischen ^35) I (arab. Jl) 'anschwellen' und II (arab. gfl) 'sorglos sein'. Gegen HALAT, Art. ist nicht mit arab. gfl 'sorglos sein' (nicht: 'vermessen sein'; s. H. Wehr, Arabisches Wörterbuch), sondern mit arab. Jl 'anschwellen' zu verbinden; vgl. GesB.

89

Eine solche findet sich in Jerusalem (Jes 32,14 u.ö.), im Norden Israels (II Reg 5,24) und in Qeriho (MeSa-Stele, Z. 22). In der Palästina-Liste Thutmoses III. finden sich die geographischen Bezeichnungen pr wr und pr $ή (Nr. 53f; zur textlichen Unsicherheit s. M. Noth, Der Aufbau der Palästinaliste Thutmoses III., Z D P V 61 [1938], 26-65, 49f; auch in: ders., Aufsätze zur biblischen Landes- und Altertumskunde 2, 44-73, 61). Mit Noth (a.a.O.; vgl. W. Helck, Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr., Wiesbaden 21971, 131) darf man 'pr wohl mit "?3V verbinden (äg. r entspricht oft "?) und hinter den genannten Begriffen eine kleine und eine große Anschwellung ( = Hügel) vermuten.

90

Lane 2092; vgl. HALAT, Art. "?35> L Akkad. uplu bedeutet nicht 'Beule', sondern 'Laus' (s. A H w 1423b; vgl. uppulu 1425a).

91

Vgl. T. Frymer-Kensky, The Strange Case of Suspected Sotah (Numbers V 11-31), VT xxxiv (1984), 11-26, 20f.

92

Vgl. Stoebe, ΚΑΤ 1973, 140. Wenig überzeugend ist der Vorschlag von O. Margalith (The Meaning of plym in 1 Samuel V-VI, VT xxxiii [1983], 339-341), "73» mit Apollo in Verbindung zu bringen.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

153

stellt also ein Wortspiel dar. 93 Dieses soll ausdrücken, daß es im Grunde nur logisch ist, daß der Unaufrichtige niedergebeugt wird. Die Wahl des Begriffs b>ÖJ> erweist sich damit als sinnvoll.94 γ ) Es bleibt ein syntaktisches Problem: Die mask. Suffixe von und sind ohne Bezug. 95 Ein solcher läßt sich herstellen, wenn man in v4aa die Wortabtrennung ändert und N^PI "jS'y liest. 96 Dem einleitenden Π3Π würde ein Partizip folgen, welches eine unmittelbar bevorstehende Bestrafung ankündigt (vgl. GKa § 116p). Bei dem zu zu ziehenden Π handelt es sich um den Artikel, der auch vor Verben stehen kann, um einen Relativsatz einzuleiten (Brockelmann, Synt. § 150a; BLe § 32e). Daß das Π von Abschreibern später zu *?SV gezogen wurde und so eine fem. Verbform entstand, mag auf den Einfluß des Femininums IÖ3J zurückzuführen sein. wird so zum Subjekt von "HZh und und dadurch wird der Kontrast des antithetischen Wortpaars stärker hervorgehoben. Hab 2,4 ergibt also schon nach einem relativ geringen Eingriff einen sinnvollen Text: 'Siehe, Beulen wird haben / gebeugt wird, wessen Seele nicht aufrecht in ihm ist, aber der Gerechte wird wegen seiner Rechtschaffenheit leben.' Der antithetische Parallelismus ist chiastisch aufgebaut: tödliche Krankheit - schlechte Tat / / gute Tat - Leben. Zu Hab 2,5a: ^Ξ) stellt eine Verbindung zwischen v4 und v5a her, die im Sinne einer Steigerung zu verstellen ist: 'Siehe ..., um wieviel mehr ...,97 Es handelt sich um einen Schluß a minori ad maius. 98 f ??Π dürfte kaum ursprünglich sein. Die Aussage, daß Wein verbrecherisch ist, ergibt keinen Sinn. Der hebräische Text läßt sich nur halten, wenn man 'Wein' als Chiffre für eine Person betrachtet. 99 Das aber legt sich durch nichts nahe. 93

Vgl. Haak, Habakkuk 58f.

94

In Jes 26,7 wird den Gerechten ein ebener ( 1 0 J) Weg verheißen. Das zeigt, daß sich Landschaftsformationen auf ein Ergehen beziehen können.

95

VgLo.S. 149 Anm. 67.

96

Vgl. van der Woude (Bemerkungen 495f), der Π jedoch als Fragepartikel versteht.

97

Zur Änderung des Textes besteht kein Grund.

98

Vgl. Dtn 31,27; 1 Sam 23,3; 2 Sam 16,11; I Reg 8,27; Ez 14,21 (s.u.S. 171f Anm. 7); 23,40 u.s.w. Vgl. Sellin, ΚΑΤ 1922; Graham, Note 128f; Humbert, Problcmes 150f; /. Blau, Adverbia als psychologische und grammatische Subjekte/Praedikate im Bibelhebraeisch, VT ix (1959) 130-137, 134f; Otto, Stellung 89; Scott, Approach 330f. Vgl. dagegen Elliger, ATD 41959, 44f.

99

Vgl. Prov 20,1. J. Reider (Etymological Studies in Biblical Hebrew, VT iv [1954], 276295, 281f) findet hinter der Buchstabenfolge 3, 3, 1, T i n f ΊΠ eine Anspielung auf den Namen Nebukadnezar. Bereits v4a habe den Namen von dessen Vater Nebupolassar in ähnlicher Weise anklingen lassen. Nach Koenig (Verständnis 294f) wird in v5 der Mythos vom Höllenmaul aufgenommen. 'Wein' sei eine Chiffre für Nebukadnezar, der die Völker über seine wahre Absicht hinwegtäusche, um sie wie das Höllenmaul, der Tod, zu verschlingen. Nach Scott (Approach 338) meint 'Wein' die Babylonier in ihrer Funktion als Gerichtswerkzeug Jahwes (vgl. Jer 51,7); vgl. Zemek, Challenges 61f. Janzen (Symbol 406) interpretiert 2,5 im Licht von 1,11. Der Babylonier sei trunken von seiner eigenen Macht. Schreiner (Erwägungen 540f) betrachtet v5aa als

154

I. Textuntersuchungen

Die Vorschläge, was statt Τ ? "Π zu lesen ist, sind zahlreich. Häufig ändert man zu ^ ί Π 'wehe'. Die Reihe der Wehe-Rufe würde dann schon in v5 beginnen und zwischen v4 « · 1Π0 · " · und v5 wäre ein Einschnitt. V6a muß nach dieser Änderung jedoch als störend empfunden werden. Emerton (Problem 8f; vgl. Roberts, OTL 1991) bevorzugt unter Berufung auf l Q p H a b 8,3 die Lesart Tin 'Reichtum'. Andere lesen ] 'wie nichts' 101 , (Π)3 ί »Π 1 / Π31"» 'der Gewalttätige' , ^ Ι ^ Π / - O l ? 'der Jawanese / Grieche' 103 , Τ ' ^ Π ? ' w i e Hijon' 1 0 4 , "ΡTn 'der Vermessene'' 105 ] Ι Τ πs ' ί ϊ ε Vision' 106 oder Π Τ Ρ 'er wird leben' 107 . 108* * Vorgeschlagen werden auch Formen von •ρΠ: ΓΠΠ (pf. hiph) , ] Τ Ρ (impf, hiph) bzw. (pf. pi) 'er ist überheblich' 109 oder | j n 'der Überhebliche' 1 ®. Die zuletzt genannte Möglichkeit dürfte aufgrund der folgenden Erwägungen am ehesten zutreffen: a) Eine Form der Wurzel ] Ί Π 'überheblich sein' ersetzt in Dtn 1,41 das in der Vorlage Num 14,44 gebrauchte Verb *?Si) 'angeschwollen / vermessen sein', f 1Π ist also ein Synonym von Durch den Gebrauch der Wurzel 11Π spielt v5 auf das von v4 an. Die Art der Anspielung entspricht den im Gerichtswort häufig anzutreffenden Wortspielen, die eine Verbindung zwischen Scheit- und Drohwort herstellen, um den inneren Zusammenhang zwischen Tat und Tatfolge zu illustrieren, b) Von einem ursprünglichen T j n lassen sich die von MT, lQpHab 8,3 und LXX bezeugten Lesarten gut ableiten. LXX καχοιόμ,ενος 'der Eingebildete' ist eine direkte Übersetzung. 111 MT entstand, indem aus sprichwörtliche Redensart: 'Der Wein ist verführerisch'. Der Frevler werde in seiner Hemmungslosigkeit mit einem Betrunkenen verglichen. Vgl. dagegen Emerton, Problems 6f. 100

So Wellhausen, Propheten 168; Marli, KHAT 1904; Elliger, ATD 4 1959 (vgl. das Druckbild der BHS); Stenzel, Habakuk 510; Seybold, ZBK 1991; ders., Habakuk 102f. Vgl. dagegen Emerton, Problems 2f.

101

Bredenkamp, Tafelinschrift 162.

102

Cannon, Integrity 84; Sellin, ΚΑΤ 21930; Rudolph, ΚΑΤ 1975.

103

Gemeint ist Alexander der Große: Sellin, ΚΑΤ 1922; C. C. Torrey, Alexander the Great in the Old Testament Prophecies, in: FS Κ. Marti (BZAW 41), Gießen 1925, 281-286, 284; vgl. Duhm, Habakuk 47. Die Lesart beruht auf Duhms Datierung des Habakukbuchs in hellenistische Zeit.

104

W. F. Albright, The Furniture of El in Canaanite Mythology, BASOR 91 (1943), 39-44, 40. hjn ist in Ugarit eine Bezeichnung des Schmiedegottes ktr whss.

ins Jung, Hab 2,5, 566; vgl. Humbert, Problemes 46f. 106

Ehrlich, Randglossen V 302.

107

Graham, Note 129. C. Rabin, Notes on the Habakkuk Scroll and the Zadokite Documents, VT ν (1955), 148-162,152f. Duhm, Habakuk 47; van der Woude, Gerechte 372.

108

109 110

Houtsma, Habakuk 181f; Oort, Habakuk 361; Marti, KHAT 1904; Brownlee, Revelation 324; Jeremias, Kultprophetie 82; Otto, Stellung 89; vgl. dagegen Emerton, Problems 9.

111

Zieglers (Konjektur 366ff) Änderungen κ.ατοινωμ.ένος oder και οίνωμ,ένος, die einen Betrunkenen bezeichnen, sind Angleichungen an MT. Daß aus einem dieser beiden Begriffe das wegen seiner Seltenheit (vgl. Liddell-Scott, Greek - English Lexicon,

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

155

| Ί Π ein graphisch ähnliches f Π wurde, das man dann unter dem Einfluß von 2,5b.15f als Kurzform von 7 "> "Tl betrachtete.112 Daß man ] Ί ΪΊ in Qumran als ] ί Π 'Reichtum' interpretierte und den Vers dann als Polemik gegen Reichtum verstand, darf angesichts der asketischen Tendenz von Qumran nicht verwundern.113

Die Grundzusage der Offenbarung beginnt also mit einer weisheitlich allgemeinen Sentenz, die von dem für Orakel typischen Einleitungswort Π 3 Π eröffnet wird. Die Sentenz konstatiert in einem antithetischen Parallelismus, daß Frevler Unheil, Gerechte hingegen Heil erfahren werden. V5a.ba bietet eine mit "Ο η NT 'um wieviel mehr' eingeleitete Anwendung dieser Sentenz auf die konkrete Situation. 114 Dabei wird nur der negative Teil der Sentenz, nämlich die Lehre, daß den Frevler Unheil treffen wird, aufgenommen. V5 folgert aus v4a, daß das, was für die Unaufrichtigen von v4a gilt, erst recht für die Feinde Habakuks gelten muß, die hier in direkter Aufnahme der Klage als gierige Fresser und Ausbeuter der Gerechten (1,4.13) dargestellt und als * U i 3 'Verbrecher' (1,13) bezeichnet werden. 115 V5a.ba bietet zugleich eine überschriftartige Zusammenfassung der folgenden Wehe-Rufe. Die Wehe-Rufe explizieren v4f und gehören mit diesen eng zusammen. 116 Sowohl v4f* als auch v6-19* prangern soziale Mißstände an und richten sich damit gegen die Jerusalemer Oberschicht. 117 Den Ausbeutern, die nach v5 so unersättlich sind wie der alles dahinraffende Tod, wird ein ursprünglich zur Leichenklage gehörendes 'Wehe' entgegengeschleudert, das sie selbst in den Herrschaftsbereich des Todes stellt. Diese Antwort Jahwes, die den todbringenden Feinden den Tod ansagt, Oxford 91940) schwierigere, aber allgemein bezeugte κατοιόμ,ενος geworden wäre, ist unwahrscheinlich. Vgl. Jung, Hab 2,5, 564-566. 112

Die Kurzform ist in den Samaria-Ostraka häufig belegt; s. G. 1. Davies, Ancient Hebrew Inscriptions. Corpus and Concordance, Cambridge u.a. 1991, 374; vgl. J. Renz, Die Althebräischen Inschriften. Text, Kommentar und zusammenfassende Erörterungen, Diss. Kiel 1993, 78ff.

113

Vgl. Koenig, Verständnis 292; L. Rost, Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften, ThLZ 75 (1950), 477-482, 480f.

114

Vgl. Horst, HAT 1938; Zemek, Challenges 56f.

115

Vgl. Otto, Stellung 89f; Sweeney, Structure 71f.

116

Vgl. Otto, Stellung 93-101; ders., Theologie 281.

117

Vgl. Kessler, Staat 89-95.

156

I. Textuntersuchungen

bedeutet für Habakuk, den klagenden Beter von Kap. 1, eine Heilszusage. In Kap. 3 reagiert Habakuk auf den Empfang der Offenbarung mit einem Gebet, das noch Elemente der Klage aufweist, aber von Vertrauensaussagen geprägt ist und in hymnischem Stil endet. Hab 3,2 hat wie 2,l-2aa eine Überleitungsfunktion. Habakuk blickt auf den Empfang des Heilswortes zurück (v2a) und äußert sogleich die Bitte, die in 2,3 angekündigte Verzögerung möglichst klein zu halten (v2b).118 In der anschließenden Theophanieschilderung, in der Jahwe zunächst in der 3., dann in der 2. Pers. Sing, erscheint, drückt Habakuk sein Vertrauen zu Jahwe aus. Jahwe ist in der Geschichte immer wieder machtvoll erschienen, um die Feinde zu vernichten und um sein Volk und seinen König zu retten. Er wird auch gegen den Frevler einschreiten, dessen Treiben in Kap. 1 beschrieben wird. V14b unterbricht die bis vl5 reichende Theophanieschilderung mit einer Feindklage. V16* schildert die Reaktion Habakuks auf das von ihm erhoffte Einschreiten Jahwes, ehe vl8f die Grundschicht des Habakukbuchs mit einem kleinen Hymnus abschließen. In diesem Gotteslob setzt Habakuk die Rettung durch Jahwe proleptisch voraus. 2.2. Das Habakukbuch nach der exilischen Überarbeitung Durch die redaktionelle Zufügung von 1,15-17; 2,5bß.6a.8.10aix. 13f.l7f.l9b-20; 3,16b-17 ändert sich nichts an der Gliederung des Buches. Der einleitende Klagepsalm (Hab 1) beklagt jetzt allerdings nicht mehr das Treiben der Jerusalemer Oberschicht, sondern das der Babylonier. Dementsprechend sagt das folgende Orakel (Hab 2) das Gericht nicht mehr der Oberschicht an, sondern den Babyloniern. Das abschließende Gebet (Hab 3) erwartet von Jahwes Eingriff eine Vernichtung der Feinde, unter denen auf der redaktionellen Ebene die Babylonier zu verstehen sind. Aus einem Buch, das den Notleidenden Israels die Vernichtung

118

Vgl. Jes 5,19.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

157

ihrer Feinde zusagt, wird im Exil ein Buch, das dem notleidenden Israel die Vernichtung seiner Feinde ankündigt.

3. Das Motiv vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten 3.1. Die Grundschicht Die das Buch einleitende Klage spricht zweimal von Gerechten und Frevlern (1,4.13b). An beiden Stellen wird psalmistische Sprache aufgenommen. Die Frevler erscheinen als Feinde des Gerechten (vgl. z.B. Ps 11,2f; 31,18f; 34,22; 37,12.32). Sie umstellen ihn (vgl. Ps 22,13) und beugen damit das Recht, ja sie verschlingen ihn und machen ihn so zunichte (vgl. Ps 35,25). Habakuk übernimmt das Motiv von der Verfolgung der Gerechten durch die Frevler aus den Psalmen,119 um sein Schicksal und das seiner Leidensgenossen120 im Horizont dieses Motivs zu deuten. Er sieht sich auf Seiten der Gerechten und identifiziert sich mit ihnen, d.h. er appliziert das von der Tradition vorgegebene Urbild des Gerechten auf sich selbst bzw. auf die Gruppe, der er angehört.121 Seine Gegner identifiziert er hingegen mit den Frevlern, den traditionellen Bedrückern des Gerechten. Habakuk betrachtet sein Leiden also als das Leiden, das die Gerechten seit eh und je trifft. Er bezieht das in der Psalmen-Tradition vorgegebene und dort immer wieder neu ausgemalte Schwarz-WeißBild vom leidenden Gerechten und den ihn bedrängenden Feinden auf sich und seine Gegner. Der Prophet stellt sich so in eine seine Person transzendierende Schicksalsgemeinschaft mit allen leidenden Gerechten, d.h. mit allen, die am Urbild des leidenden Gerechten Anteil haben.

119

Vgl. Humbert (Problämes 101.139.246) und Nielsen (Righteous 66-70), der die Gegenüberstellung allerdings im Rahmen einer die Psalmen bestimmenden Königsideologie sehen möchte. Mit dem Gerechten sei der rechtmäßige König, nämlich Joahas, gemeint. Ihm gelte die Zusage von Hab 2,4, die mit der Nathanverheißung von 2 Sam 7 vergleichbar sei.

120

S.u.S. 159f.

121

Vgl. vRad, "Gerechtigkeit" 232f.

158

I. Textuntersuchungen

Desgleichen betrachtet er seine Gegner als Manifestation des Bösen. Das Urbild vom Typos des Gerechten und des Frevlers122 erfährt so eine Konkretisierung in der Person des Beters Habakuk und seiner Gegner. In Hab 2 findet sich das Motiv vom Heil der Gerechten und Unheil der Frevler in v4. Der Vers ist von zentraler Bedeutung für das ganze Habakukbuch. Jahwe beginnt hier seine Antwort auf die Klage von Kap. 1: 'Siehe, gebeugt wird, wessen Seele nicht aufrecht in ihm ist, aber der Gerechte wird wegen seiner Rechtschaffenheit leben'. Dieser Satz nimmt priesterliche, weisheitliche und prophetische Tradition auf.123 Priesterliche Terminologie findet sich in der Lebenszusage an den Gerechten. Die Verheißung von Leben, die an eine durch Ά eingeleitete Bedingung geknüpft ist, hat ihren Sitz in der priesterlichen Belehrung.124 ΓΡΠ? mit P"1

als Subj. ist im AT nur noch in Ez 3,21; 18,9; 33,13 belegt. Diese

Stellen haben einen priesterlichen Hintergrund. 125 Der Priester belehrt zum einen darüber, wer gerecht ist und demzufolge leben wird, und er stellt zum anderen fest, ob jemand gerecht ist, um ihm in diesem Fall Leben zuzusagen. Die priesterliche Lebenszusage ist in Hab 2,4 in einer weisheitlichen Sentenz formuliert. Hier wird weder erörtert, was einen Gerechten ausmacht, noch wird jemand angesprochen, sondern in antithetischem

122

Zum Urbild des Frevlers vgl. Keel, Feinde 155ff; Ruppert, Feinde 6ff; zu dem des Gerechten vgl. Ruppert, Gerechte 22ff bes. 52-55; ders., Feinde 179ff.

123

Vgl. Jeremias, Kultprophetie 97; Jöcken, Kultprophet 327f.

124

Lev 18,5; Ez 18,22; 20,11.13.21.25.; 33,12; vgl. Neh 9,29. Eine bedingte Lebenszusage ist auch im weisheitlichen Bereich möglich (vgl. Prov 4,4; 7,2; 9,6; 15,27), dort jedoch nie mit 3 formuliert. Π3 ίΟΗ ist gegen W. Zimmerli ('Glauben' im Alten Testament, ZThK 65 [1968] 129159, 139-142, auch in: ders., Jahwe und sein Volk [TB 66], 161-191, 171-174) nicht im Licht von Jes 7 als Glaubensfestigkeit, als Vertrauen angesichts der heranrückenden Chaldäer zu verstehen. Mit der Präposition 3 bezieht sich Π 3 öS nie auf Gottvertrauen, sondern außer in 1 Chr 9 immer auf die Gewissenhaftigkeit und Rechtschaffenheit, mit der man eine Handlung ausführt. Das Nomen, das häufig parallel zu ΠζΗΪ steht, soll in Hab 2,4 das Wesen des P"1 charakterisieren; vgl. Jeremias, Kultprophetie 83. Otto (Theologie 286f) übersetzt Π J =1 öjg mit 'geduldige Rechtschaffenheit'. Der Aspekt 'Geduld' mag im Kontext zwar mitschwingen, man sollte aber vorsichtig sein, das Verzögerungsmotiv von v3 in v4b einzutragen.

125

Vgl.u.S. 18lf.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

159

Parallelismus wird ein Sachverhalt konstatiert, der allgemein gültig ist: Dem Frevler wird es schlecht, dem Gerechten dagegen gut gehen. Das ist ein weisheitlicher Lehrsatz, wie er im Sprüchebuch und in weisheitlich geprägten Psalmen immer wieder formuliert wird.126 Der weisheitliche Spruch erscheint in prophetischem Kontext. 127 Vl-3 geben dem Spruch eine von prophetischer Tradition geprägte Einleitung. Zu Recht wurde auch darauf hingewiesen, daß das Hab 2,4 eröffnende Π 3 Π schlecht zu einer weisheitlichen Sentenz paßt. 128 Die deiktische Partikel, die häufig eine Ankündigung Jahwes einleitet, stellt die folgende Sentenz in ein neues Licht. Sie wird zu einer Gerichtsankündigung bzw. Verheißung. 129 Hier wird nicht mehr in weisheitlichem Stil gelehrt, daß es dem Gerechten gut, dem Frevler hingegen schlecht gehen wird, sondern dem leidenden Gerechten von Kap. 1 wird die Zusage gegeben, daß er leben, seine Gegner aber leiden werden. 130 Durch Π 3 Π erhält die Sentenz Anredecharakter. In v5 folgt eine Auslegung bzw. prophetische Anwendung der Sentenz von v4, die nur auf v4a eingeht. Das, was für den Unaufrichtigen gilt, trifft erst recht für den Verbrecher zu, eine Bezeichnung, die bereits in 1,13 zur Charakterisierung der Gegner diente. Das Treiben und Schicksal der Gegner wird in v5 näher ausgeführt. In Hab 2,4 findet sich das Motiv vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder also in einem weisheitlich geprägten Spruch. Anders als in Kap. 1 dient die Rede von Gerechten und Frevlern hier nicht einfach dazu, gegenwärtiges Leid in einen größeren Zusammenhang zu stellen und als typisches Geschehen, nämlich als Leiden des Gerechten zu begreifen, sondern vor allem dazu, die folgende Gerichtsankündigung argumentativ zu begründen. Die weisheitliche Gegenüberstellung von Ge126

Vgl. Horst, HAT 1938; Gowan, Habakkuk 157-166.

127

Vgl. Humbert, Problömes 16f; Jeremias, Kultprophetie 73f.82f. · . des Sprüchebuchs beginnt mit ΪΊ 3 Π.

128 Keine · Sentenz 129

Vgl. Jeremias, Kultprophetie 84.

130

Auch wenn 2,4b im Kontext die Funktion einer Heilszusage hat, wird man den Stichos kaum im Licht von Jes 7 als Heilsorakel bezeichnen können (gegen Zimmerli, a.a.O. [Anm. 124] 171; vgl. Jeremias, Kultprophetie 83).

160

I. Textuntersuchungen

rechten und Frevlern wird in Hab 2 nicht nur als Deutekategorie für einen aktuellen Konflikt gebraucht, sondern auch als Argumentationsbasis, von der her den Gegnern der Untergang angekündigt wird. Wenn die Gegner nämlich im Anschluß an die Sentenz unter ein fünffaches 'Wehe' gestellt werden, so geschieht dies in prophetischer Auslegung der weisheitlichen Lehre in einer bestimmten historischen Situation. Der in Psalmen-Sprache geäußerten Klage über das aktuelle Leid des Gerechten folgt eine prophetische Zusage der Vernichtung der Frevler, die von einem als Argumentationsbasis vorangestellten Verweis auf die Lehre vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten ausgeht. Der Schilderung der bedrückenden Übermacht der Frevler wird die Lehre von der Vernichtung der Frevler gegenübergestellt. Dabei wird eingeräumt, daß sich diese Vernichtung verzögern kann (2,3). Die Spannung zwischen Erfahrung und Lehre wird so durch den Verweis auf eine mögliche Verzögerung gelöst.131 Der Prophet kündigt das Unheil in der Form von Wehe-Rufen an. Er bedient sich damit einer Gattung, für die die Charakterisierung der Täter konstitutiv ist und die sich deswegen in besonderer Weise dazu eignet, das Unheil nur einer bestimmten Gruppe von Menschen anzukündigen. Die in den Wehe-Rufen angeprangerten sozialen Mißstände zeigen, daß die in Kap. 1 beklagte Not nicht nur Habakuk, sondern eine Gruppe bzw. eine soziale Schicht trifft und daß es sich bei den Gegnern um Vertreter der Jerusalemer Oberschicht handelt. Hab 2 hat demnach bei der Aufnahme des Motivs vom Heil der Gerechten und Unheil der Frevler zwei konkrete Personengruppen im Blick: die ausbeutende Oberschicht und die ausgebeutete Unterschicht. Die weisheitliche Gegenüberstellung wird also in einer bestimmten Situation auf zwei Gruppen appliziert, um diese im Licht alter Traditionen erscheinen zu lassen. Die Lehre vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten wird so auf konkrete historische Personen bezogen, um deren gegenwärtiges Verhalten zu qualifizieren und um ihnen ein diesem Verhalten entsprechendes Ergehen anzukündigen. Die vom Propheten angeklagten Vertreter der Je-

131

Vgl. Otto, Theologie 286-289.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

161

rusalemer Oberschicht sind die Konkretion eines negativen Urbilds. Sie sind Frevler und werden als solche untergehen. Die unterdrückten Opfer der Oberschicht werden in Aufnahme der psalmistischen Tradition vom leidenden Gerechten als Gerechte qualifiziert, um ihnen dann in Aufnahme der weisheitlichen Lehre vom Heil der Gerechten in priesterlicher Sprache Leben zuzusagen. In Kap. 3 ist von den Frevlern in vl3b die Rede. Der von Habakuk ersehnte Eingriff Jahwes wird zunächst in der traditionellen Theophaniesprache formuliert: Jahwe erscheint als mächtiger Krieger, um sein Volk zu retten und die Feinde zu vernichten. V13 aktualisiert die Theophanietradition: Die Vernichtung trifft die Frevler, von denen schon in Kap. 1 und 2 die Rede war. Ihnen und nicht dem Volk als Ganzem gilt das Gericht. Die Unterdrücker der Gerechten sollen getötet werden, damit das Volk Jahwes, die Gerechten, von ihnen befreit wird und leben kann. Das Thema 'Gerechte und Frevler' durchzieht also die Grundschicht des Habakukbuchs wie ein roter Faden.132 Es geht dabei um die Theodizeefrage.133 Hab 1 nennt das Problem in psalmistischer Sprache: die Frevler bedrängen die Gerechten. Hab 2 geht von der weisheitlichen Lehre aus, daß die Gerechten Heil und die Frevler Unheil erfahren wer132

Vgl. Gunneweg, Habakuk 405ff. Gunneweg, der der literarkritischen Analyse von Jeremias und Otto im wesentlichen folgt, betrachtet Habakuk, den Verfasser der Grundschicht, nicht als Propheten, sondern als weisheitlichen Schriftsteller (415). Die keinesfalls vorexilisch anzusetzende Schrift übe keine Sozialkritik an der Jerusalemer Oberschicht (409), sondern biete eine weisheitliche Erörterung des Verhältnisses von Gerechten und Frevlern. Wie die Hiobdichtung beginne auch die Habakukschrift mit einer Klage und ende mit einer Theophanieschilderung. Für die spät anzusetzende Redaktionsschicht seien die Babylonier kein aktuelles Problem mehr, sondern nur noch Inbegriff der feindlichen Weltmacht (409f). Es gehe nicht um die Vernichtung der Babylonier, sondern um ein alle Völker treffendes Weltgericht. Gunneweg vernachlässigt die prophetischen Elemente der Grundschicht. Neben dem Π 3 Π 'siehe' von 2,4 sei hier nur auf die Rede von f i ΤΠ 'Offenbarung' verwiesen sowie auf die in den Wehe-Rufen begegnende Anrede, die eher an prophetische Sozialkritik als an weisheitliche Erörterung erinnert. Die Redaktionsschicht erwartet gegen Gunneweg kein Gottesgericht an allen Völkern. Sie kündigt das Gottesgericht vielmehr einem in den Wehe-Rufen singularisch angeredeten Volk an, das in seiner Grausamkeit unter allen Völkern gewütet hat.

133

Gegen in der Smitten (Habakuk 291-300, bes. 300), der sich besonders auf 2,3 bezieht, beschränkt sich das Habakukbuch bei der Beantwortung der Theodizeefrage nicht auf einen Appell zum geduldigen Ausharren.

162

I. Textuntersuchungen

den. Hab 3 erwartet schließlich die Vernichtung der Frevler durch Jahwe. Hab 1 gipfelt in der Klage, daß die Gerechten von den Frevlern verschlungen werden, die Theophanieschilderung Hab 3 gipfelt in der Ermordung der Frevler. So spannt sich ein Bogen von der Klage über die Frevler zur Vernichtung der Frevler. In der Mitte zwischen diesen Polen steht die weisheitliche Sentenz, die über das Ergehen von Gerechten und Frevlern belehrt.134 Für die Geschichte der Prophetie ist die Aufnahme der weisheitlichen Sentenz Hab 2,4 von entscheidender Bedeutung. Hier geschieht etwas Neues.135 Die ältere uns bekannte Prophetie kennt zwar das Motiv von der Unterdrückung des Gerechten (z.B. Am 2,6; 5,12),136 aber für sie ist diese Unterdrückung nur ein Symptom, das auf die Schlechtigkeit des Volkes zeigt. Das Gericht trifft deswegen das ganze Volk, die ausgebeuteten Gerechten genauso wie die angeklagte Oberschicht.137 Vom Heil der Gerechten ist keine Rede. Dies ändert sich bei Habakuk. Wie die klassische Prophetie wendet er sich gegen die Unterdrückung der Unterschicht durch die Oberschicht. Anders als die klassische Prophetie sagt er das Gericht jedoch nicht mehr dem ganzen Volk an, son-

134

Zu 2,4 als Zentrum des Habakukbuchs vgl. Rudolph, ΚΑΤ 1975, 249; Gunneweg, Habakuk 414. Auch Janzen (Symbol 394-414, bes. 406) betrachtet 2,4 als Mitte des Habakukbuchs. Das Buch thematisiere die Frage nach der Zuverlässigkeit der göttlichen Offenbarung bzw. des prophetischen Wortes. In 1,2-4 beklage Habakuk, daß r n i n und I3Q0Q, prophetische Belehrung und prophetischer Spruch, keine Wirkung hätten. 1,5-11 antworte darauf, indem die göttliche Botschaft inhaltlich bekräftigt werde. 1,12-17 intensiviere die Klage von v2-4, ehe 2,1-4 dem klagenden Propheten versichere, daß er sich auf die Offenbarung verlassen könne und leben werde. V4 übersetzt Janzen (vgl. Roberts, OTL 1991): "As for the sluggard, he does not go straight in it (sc. der Offenbarung); but the righteous through its (sc. der Offenbarung) reliability shall live." 2,5-20 setze die Schilderung der Brutalität der Babylonier fort, und bekräftige damit die Richtigkeit der Gerichtsbotschaft Jahwes sowie die Nichtigkeit der Lehre der Götzen. In Kap. 3 erscheine Habakuk als der gläubige Prophet, der voll Gottvertrauen im Sinne von 'dein Wille geschehe' bete und das Kommen Gottes erwarte. Die liturgische Rahmung des Kapitels weise über Habakuk hinaus und mache ihn zum exemplarischen Gläubigen, zum "eschatological symbol". Zu 2,3 s.o.S. 149 Anm. 63.

135

Vgl. Jeremias, Kultprophetie 89.108f.

136

Vgl. Κ Koch, Die Profeten I. Assyrische Zeit (UTB 280), Stuttgart 1978, 55-62.

137

Vgl.o.S. 17.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

163

dem nur den Frevlern. Die Aufnahme der weisheitlichen Lehre, nach der dem Gerechten eine ganz andere Zukunft bevorsteht als dem Frevler, zielt bei Habakuk darauf, daß die prophetische Gerichtsbotschaft auf die Jerusalemer Oberschicht eingeschränkt und den Gerechten Heil angesagt werden kann. 3.2. Das Habakukbuch nach der exilischen Überarbeitung In den vom exilischen Redaktor verfaßten Texten wird das Motiv vom Heil der Gerechten und Unheil der Frevler nicht expressis verbis aufgenommen. Da der Redaktor der Grundschicht jedoch eine neue Bedeutung gibt, erhält auch die für die Grundschicht zentrale Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern eine neue Bedeutung. Unter den Frevlern, deren gieriges, auf Ausbeutung zielendes Treiben in Kap. 1 und 2 geschildert wird, versteht der Redaktor nicht mehr die Jerusalemer Oberschicht, sondern die Babylonier. Die Offenheit der Chiffre-Wörter 'Frevler' und 'Gerechte' erlaubt es ihm, diesen Wörtern einen neuen Inhalt zu geben. Gemeint sind jetzt die Babylonier und die Israeliten. Das vorgegebene Schwarz-Weiß-Schema

dient nicht mehr dazu, unter-

drückende Oberschicht und unterdrückte Unterschicht, sondern unterdrückendes Babylon und unterdrücktes Israel einander gegenüberzustellen. Die Lehre vom Heil der Gerechten und Unheil der Frevler wird nicht mehr auf das Tun und Ergehen innerisraelitischer Gruppen, sondern auf einen konkreten außenpolitischen Konflikt bezogen. Zusammenfassung:

Die Gegenüberstellung von Gerechten und

Frevlern spielt für die Grundschicht des Habakukbuchs eine zentrale Rolle. Sie ist für Habakuk die entscheidende Deutekategorie für den Konflikt seiner Zeit. Mit Unterdrückern und Unterdrückten stehen sich in seinen Augen historische Konkretisierungen der Urbilder des Gerechten und des Frevlers gegenüber. Die weisheitliche Lehre vom Ergehen der beiden Gruppen wird von ihm auf die aktuelle Situation appliziert, um den Gruppen prophetisch Heil bzw. Unheil anzukündigen. Der Rückgriff auf die Lehre hat eine argumentative Funktion. Im Licht dieser

164

I. Textuntersuchungen

Lehre müssen die Heils- und Unheilsankündigungen Habakuks jedem einleuchten. Mit der differenzierten Ankündigung von Heil und Unheil für die in einem Konflikt gegenüberstehenden Gruppen unterscheidet sich Habakuk von den klassischen Propheten, die bei ihrer Ankündigung immer das ganze Volk im Blick haben. Habakuk macht den verschiedenen Gruppen des Volkes erstmals unterschiedliche Ankündigungen. Die Grundschicht des Habakukbuchs ist dem später entstandenen Tritojesajabuch in manchen Punkten vergleichbar. Beide gehen von der in weisheitlicher Sprache formulierten Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten aus (Hab 2,4; Jes 57,lf.20f), und für beide hat diese Lehre die Funktion einer Argumentationsbasis. Die weisheitliche Lehre soll die an die jeweiligen Gegner gerichtete Unheilsankündigung belegen und zugleich die Hoffnung auf das Heil der unterdrückten Frommen begründen. Erwartet wird ein Eingriff Jahwes, der den Frommen Heil, den Frevlern dagegen Unheil bringt. Ein Unterschied - und zwar ein gewichtiger - besteht allerdings darin, daß in der Grundschicht des Habakukbuchs von der für das Tritojesajabuch so wichtigen eschatologischen Dimension nichts zu spüren ist. In Jes 56-66 wird die dem göttlichen Erscheinen und der Vernichtung der Gegner folgende Heilszeit mit Hilfe von Texten Tritojesajas (bes. Jes 60-62*) breit ausgemalt. Nichts davon bei Habakuk! Hier erscheint Jahwe zwar ähnlich wie im Tritojesajabuch zum Gericht, aber wir hören nichts darüber, was nach dem Gericht geschieht. Der Eingriff Jahwes ist bei Habakuk ein Eingriff in die Geschichte (3,2), wie er auch in den Geschichtstraditionen Israels überliefert ist.138 Nichts deutet darauf, daß es ein letzter Eingriff sein wird, der die Frevler endgültig vernichtet und eine eschatologische Heilszeit heraufführt.

138

Vgl. Nah 1,2-8; s.u.S. 214 Anm. 2.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

165

Nahum 1,2-8 Das Nahumbuch kündigt Juda Heil (l,12f; 2,1.3) und Ninive Unheil (1,14; 2,2.4-3,19) an. Eingeleitet wird das Buch von einem akrostichischen Psalm (1,2-8). Dieser beginnt in v2-3a mit einer Gottesbeschreibung, die Jahwe als einen eifersüchtigen und rächenden Gott charakterisiert. In v3b-6 folgt eine Theophanieschilderung. Sie beschreibt das Kommen Jahwes (v3b-4a) sowie die Folgen dieses Kommens für die Welt und die Menschen ^ b - ö ) . 1 Am Ende des Psalms wird in v7-8 ausgedrückt, auf was der göttliche Eingriff zielt: 7 Gut ist Jahwe zu 'denen, die auf ihn hoffen'2, am Tage der Not, " er erkennt3 die, die sich zu ihm flüchten, 8

" bei stürmender Flut. Ein Ende bereitet er 'dem Widerstand'4, und seine Feinde verfolgt er ins Dunkel.

V7-8 bilden den Höhepunkt des Psalms.5 Das zuvor beschriebene Kommen Jahwes hat ein gewaltiges, den ganzen Kosmos erschütterndes To-

1

Vgl. J. Jeremias, Theophanie (WMANT 10), Neukirchen-Vluyn 21977, 31-33.

2

Mit Levenson (Notes 793; vgl. Duhm, Anmerkungen 101; Rudolph, ΚΑΤ 1975) lese ich 11 JpQ1?; vgl. Thr 3,25. Die Lesart Τ ίΰΰ 1 ? 'zur Festung' mag von Ps 37,39f und Jer 16,19 Seeinflußt sein. Vgl. Barlhelemy, Critique Bd. 3, 788.

3

Statt Bl "1 Τ lies STi \

4

Statt n n i p ü 'ihr Ort' lies nnipQ; so Roberts, OTL 1991; vgl. Rudolph, ΚΑΤ 31975. Van der Woude (Bemerkungen 493) liest Π0 Ϊ pQ 'zum Ort', was hier 'ins Grab' meine. Vgl. Barlhelemy, Critique Bd. 3, 789-791.

5

Vgl. Hieke, Anfang 14. Vgl. v2b-3a, die hier außer acht bleiben, da sie nicht von den Frommen sprechen bzw. nicht sagen, wem gegenüber Jahwe langmütig ist. Schulz (Nahum 9-11) betrachtet v2b-3a und v7-8 als sekundäre Überarbeitung des in v2a.3b-6 überlieferten Theophaniehymnus. Bei v2b-3a mag es sich, da die Zeilen das akrostichische Schema sprengen, tatsächlich um einen Zusatz handeln (vgl. Nogalski, Processes 104-107.115-117, der in v2b-3a.4b.6a eine die Akrostichie durchbrechende Überarbeitung findet, welche das Nahumbuch mit dem im Zwölfprophetenbuch voranstehenden Kapitel Mi 7 verknüpft). V7-8 können jedoch durch die von Schulz (vgl. Seybold, Prophetie 31f; van Selms, Hymn 37) angeführten thematischen Differenzen gegenüber

166

I. Textuntersuchungen

sen zur Folge. Mit der Schilderung dieses Tosens soll die Macht und unwiderstehliche Majestät Jahwes eindrucksvoll vor Augen geführt werden. In v7f folgt das aus zwei antithetischen Sätzen bestehende und von der Sprache der Vertrauenspsalmen geprägte 6 Bekenntnis, daß Jahwe denen hilft, die bei ihm Zuflucht suchen, daß er seine Feinde jedoch vernichtet. Nah 1,2-8 verbindet also eine Theophanieschilderung mit einem psalmistischen Bekenntnis. Durch die Verbindung wird deutlich, gegen wen sich Jahwes Einschreiten richtet. Bei den nicht näher beschriebenen Feinden Jahwes handelt es sich - das zeigt das antithetische Verhältnis zwischen v7 und v8 - um Menschen, die sich nicht zu Jahwe flüchten und nicht auf ihn vertrauen. Sie wird Jahwe vernichten. Den frommen Betern bringt Jahwes Einschreiten hingegen Rettung und Heil. Jahwe zieht also nicht gegen äußere Feinde, sondern gegen innere. Er rettet die Frommen und vernichtet die Gottlosen. Die Scheidelinie läuft mitten durch Israel. 7 Ob Nah l,7f bei der Gegenüberstellung von Frommen und Gottlosen bestimmte Personen im Blick hat, läßt sich kaum sagen. Die Beschreibungen sind so unspezifisch, daß eine Identifizierung mit irgendwelchen historischen Gruppen, die namentlich genannt werden könnten, nicht möglich ist. Der Text bleibt in einer Weise offen, die für Psalmen typisch ist.8 Allerdings wird die Offenheit durch den Zusammenhang, in dem der Psalm steht, aufgehoben. Im Kontext des Nahumbuches, das Juda Heil, Ninive dagegen Unheil ankündigt, sind mit den Frommen von 1,7 nämlich die Judäer und mit den Feinden von 1,8 die Assyrer gemeint.

v2a.3b-6 kaum als sekundär ausgewiesen werden (vgl. J. Jeremias, Theophanie [WMANT 10], Neukirchen-Vluyn 2 1977,125.177). 6

2 i ü 'gut' findet sich in bezug auf Jahwe vor allem in psalmistischer Sprache (vgl. bes. Ps 34,9; 86,5; Thr 3,25). Das gleiche gilt für Πίρρί 'hoffen' mit göttlichem obj. (vgl. bes. Thr 3,25) und Π0Π qal + 3 'Zuflucht suchen bei' + Gottesbezeichnung sowie für die Wendung ΓΠΧ ΠΙ ^ 'Tag der Not'. Zu Ü"P 'erkennen' mit göttlichem subj. vgl. Ps 1,6; 31,8; 37,18;'144,3. 'Flut' bezeichnet auch in Ps 32,6 die Not, vor der Jahwe den Frommen bewahrt.

7

Vgl. Jeremias, Kultprophetie 16.

8

Vgl. Horst, HAT 1938.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

167

Um das Verhältnis zwischen dem Eingangspsalm und der Prophetie Nahums näher beschreiben zu können, ist zunächst zu klären, ob der Psalm ursprünglich zum Nahumbuch gehört9 oder erst sekundär zugefügt wurde10. M.E. läßt sich diese Frage nicht beantworten.11 Es gibt zwischen dem Eingangspsalm und dem Rest des Buches keine Spannungen, die unterschiedliche Verfasserschaft wahrscheinlich machen. Das einzige, was man für verschiedene Verfasser anführen kann, ist der unterschiedliche Stil. Da Nah 1,2-8 jedoch von der festen Sprache der Theophanieschilderung bzw. psalmistischer Vertrauensaussagen geprägt ist, müssen die stilistischen Unterschiede nicht für verschiedene Verfasser sprechen, sondern können auch mit der Verschiedenheit der Gattungen erklärt werden. Die unterschiedliche Verfasserschaft läßt sich also angesichts der Gebundenheit der Sprache von 1,2-8 nicht wahrscheinlich machen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch keine Übereinstimmungen, die

9

So Horst, HAT 1938; Maier, Nahum 62f; Rudolph, ΚΑΤ 1975; Robertson, NICOT 1990; Roberts, OTL 1991. De Vries (Nahum 479) begründet die Authentizität des Psalms mit "linguistic affinities" und Christensen (Once Again 415) mit Übereinstimmungen in der "prosodic structure". Keller (Bewältigung 418f) verweist auf die inhaltliche Parallelität. Im Psalm werde wie in 1,9-3,19 eine mythisch-strukturelle Wahrheit auf die geschichtliche Situation bezogen, um diese zu meistern. Van der Woude (Book 123) führt für die Authentizität an, daß die Anfangsbuchstaben der Zeilen von 1,2-8 nicht ein halbes Alphabet, sondern einen Satz ergäben, der die Botschaft Nahums zusammenfasse: "ρΰΠ J3*? 1 H t U l "ON "I am the Exalted One and confronting them who commit sin against you". Nach van Selms (Hymn 40-43) zitiert Nahum in Kap. 1 Teile eines alten aus dem Nordreich stammenden Psalms. Bei v2b3a.7-8a handele es sich um Zusätze des Propheten.

10

So Wellhausen (Propheten 159), weil Nahum die Sprache der Psalmen "nicht zugetraut werden kann", und Seybold (ZBK 1991, 12; Prophetie 31.90f), weil Akrosticha ebenso wie Vertrauenspsalmen im Stil von v7f für die vorexilische Zeit nicht belegbar seien. Nogalski (Processes 122f) begründet die sekundäre Herkunft mit einer kompositorischen Beobachtung: 1,11-14 und 3,16-19 bilden eine Inklusio. Aber warum soll der Hymnus dem inkludierten Hauptteil nicht von vornherein als Proömium vorgestanden haben können? Zur sekundären Herkunft des Hymnus vgl. Gunkel, Nahum 424f; Arnold, Composition 253-265; Marti. KHAT 1904; Duhm, Anmerkungen 100-102; Smith, ICC 31948, 269; Elliger, ATD 41959, 2f; Deissler, NEB 1984; Jeremias, Kultprophetie 16-19; Renaud, Composition 208-210.

11

Vgl. Horst, HAT 1938.

168

I. Textuntersuchungen

auf gleiche Verfasserschaft deuten würden.12 Da eine Entscheidung über die Ursprünglichkeit von Nah 1,2-8 also nicht möglich ist, müssen beide Alternativen erörtert werden. Im jetzigen Kontext geht es nur um die Frage, welche Funktion der Eingangspsalm hat, wenn es sich bei ihm um einen ursprünglichen Bestandteil des Nahumbuches handelt. Welche Funktion er hat, falls wir es mit einem Zusatz zu tun haben, soll später (s.u.S. 213-215) erörtert werden. Wenn Nah 1,2-8 ursprünglich zum Nahumbuch gehört und von dessen Verfasser gedichtet oder als vorgefundener Text an den Anfang seines Werkes gestellt wurde, so bezieht sich das Gedicht, auch wenn dies dem Leser erst später klar wird, ausweislich des Kontexts auf die Situation des 7. Jh.s, die das übrige Nahumbuch im Blick hat. Die psalmistische Gegenüberstellung vom Heil der Frommen und Unheil der gottlosen Feinde Jahwes zielt dann nicht mehr wie in ihrem ursprünglichen, psalmistischen Zusammenhang auf innerisraelitische Gruppen, sondern von vornherein auf Israel und Ninive. Jahwes Einschreiten bringt dem gottlosen Ninive Unheil, dem frommen Israel dagegen Heil.13 Das Nahumbuch geht demnach von traditionellen Vertrauensaussagen aus, um diese dann auf eine konkrete historische Situation zu applizieren. Was allgemein gilt, nämlich daß die Frommen gerettet und die Gottlosen vernichtet werden, wird sich im Untergang des Assyrischen Reiches und der damit zusammenhängenden Rettung Judas konkretisieren. Der Rückgriff auf die Lehre vom Unheil der Gottlosen und Heil der Frommen am Anfang des Nahumbuches hat also eine argumentative Funktion. Diese Lehre wird herangezogen, weil sie die Ankündigung des Untergangs Assurs und der Rettung Judas begründen kann. Auf die psalmistische Tradition aufbauend kann der Prophet die trostvolle Botschaft verkünden, daß das Assyrische Reich untergehen muß, weil es sich bei ihm um einen

12

Vgl. in bezug auf Hab 3 o.S. 141f. - Zu den Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um verschiedene Texte ein und demselben Verfasser zuzuweisen vgl. K. Koenen, Ethik und Eschatologie im Tritojesajabuch (WMANT 62), Neukirchen-Vluyn 1990, 7f.

13

Vgl. Maier (Nahum 7f.l75-183) und Robertson (NICOT 1990). Letzterer versteht unter Israel hier allerdings nicht das Israel nach dem Fleische.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

169

Feind Jahwes handelt, daß Juda hingegen aus seiner Not errettet wird, weil es das Volk derer ist, die auf Jahwe harren. Zusammenfassung: Das Buch Nahum wird von einem Psalm eröffnet, in dem ein Beter seinem Vertrauen Ausdruck gibt, daß Jahwe denen, die auf ihn vertrauen Heil, seinen Feinden dagegen Unheil zuteil werden läßt. Falls dieser Psalm zum ursprünglichen Bestand des Nahumbuches gehört, bietet er eine argumentative Grundlage, die die folgende Ankündigung begründen soll. Das Assyrische Reich muß als Feind Jahwes untergehen, und Juda wird als Volk der frommen Jahwe-Verehrer errettet werden. Nah 1,2-8 hat, falls der Text bereits zum ursprünglichen Nahumbuch gehört, eine Hab 2,4 vergleichbare Funktion. Beide Texte bilden eine Argumentationsbasis, von der her die jeweilige prophetische Botschaft einleuchtend gemacht werden soll. Nahum geht von einem Psalm aus, um Juda Heil und Assur Unheil anzusagen. Habakuk setzt mit einem weisheitlich formulierten Spruch, der das Ergehen von Gerechten und Frevlern beschreibt, ein, um innerhalb Israels den Unterdrückern das Gericht und den Unterdrückten Rettung anzukündigen. Argumentationsbasis und Argumentationsziel sind also bei Nahum und Habakuk verschieden, gemeinsam ist den Texten jedoch die argumentative Struktur, die von der grundsätzlich formulierten Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten ausgeht und diese auf eine bestimmte Situation appliziert, um das in die Situation gesprochene Gotteswort einsichtig zu machen.

Ezechiel 14,12-23; 9,1-11 In den beiden Ezechiel-Texten begegnet das Motiv vom heilvollen Ergehen der Gerechten und unheilvollen Ende der Sünder im Kontext der Gerichtsbotschaft des Propheten. Ez 14,12-23 beginnt mit der Darstellung eines Rechtsfalls (vl3-20), der nach der Form eines kasuistischen Rechtssatzes von einer Fallbe-

170

I. Textuntersuchungen

Schreibung eröffnet wird.1 Ein Land hat gesündigt und wird deswegen von Jahwe vernichtet (vl3aot-ß). V13aY-20 schildert vier Unterfälle, wie Jahwe das Land zerstört, nämlich entweder durch Hunger, durch böse Tiere, durch Krieg oder durch Pest. Für alle vier Unterfälle wird jeweils der besondere Fall erörtert, was mit Gerechten wie Noah, Daniel und Hiob 2 geschieht, falls es sie in dem sündigen Land gibt. In allen vier Fällen folgt den Fallbeschreibungen eine Apodosis, die außer in vl3f von einer Schwurformel eingeleitet wird. Jahwe erklärt jeweils, daß diese Gerechten, aber nur sie selbst, gerettet werden. Nicht einmal ihre Kinder sollen am Leben bleiben. Der Rechtssatz vl2-20 lehrt also: Bei der Vernichtung eines sündigen Landes werden die Gerechten gerettet, alle anderen, auch die Kinder der Gerechten jedoch getötet. 3 V21 wendet diese grundsätzlichen, juristischen Ausführungen auf Jerusalem an. Dabei wird ein Schluß vom Kleineren zum Größeren gezogen. 4 Ein sündiges Land vernichtet Jahwe auf eine der vier genannten Weisen, aber Jerusalem, das überaus große Schuld auf sich geladen hat (vgl. Ez 9,9), wird Jahwe auf alle vier genannten Weisen zerstören. Von einem Gerechten, der verschont würde, ist hier keine Rede mehr. Der Text zielt also nicht darauf, daß einzelne Jerusalemer gerettet, sondern daß alle vernichtet werden. 5 Die Voranstellung des Nomens vor "'S (bzw. ist nach Zimmerli (BK 2 1979, 317.397; vgl. Ch. Feucht, Untersuchungen zum Heiligkeitsgesetz, Berlin 1964, 97f) typisch für sakrales Recht. Wieweit man das so grundsätzlich sagen kann, scheint jedoch fraglich; vgl. Lev 19,20; akkad. awilum sa 'ein Mann, der ...' in Codex ESnunna § 12 und § 13; aram. gbr zj 'ein Mann, der ...' KAI 228, 12f; β zj 'ein Mann, der ...' in der von A. Caqot (Une inscription arameenne d'epoque assyrienne, in: FS A. DupontSommer, Paris 1971, 9-16) publizierten Inschrift mit einem kasuistischen Rechtssatz. Vgl. P.-E. Dion, Une inscription aramdenne en style awilum ία et quelques textes bibliques datant de l'exil, Bib. 55 (1974), 399-403; s.u.S. 181f Anm. 21. 2

Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Wahl, Noah 542-553.

3

Nach Fohrer (HAT 1955; vgl. Lang, Ezechiel 103f) handelt es sich bei Ez 14,12ff um ein Diskussionswort, das sich gegen die nicht zitierte Auffassung wende, Gerechte könnten auch andere vor Unheil bewahren; vgl. dagegen Schmidt, D e Deo 157.

4

drückt wie in Ez 15,5 (sonst im Ezechielbuch nur 23,40) eine Steigerung aus: 'um wieviel mehr' (vgl.o.S. 153 und u.S. 171 Anm. 7). Vgl. Hölscher, Hesekiel 87f; Cooke, ICC 1936; Garscha, Studien 268; Fuhs, NEB 1984.

5

Vgl. Joyce, Initiative 70-76; Krüger, Geschichtskonzepte 390.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

171

V22-23a sprechen von einem Rest, der aus Jerusalem herausgeführt wird. Gemeint sind damit die Exulanten der zweiten Deportation, deren Schicksal den angeredeten Exulanten der ersten Deportation ein Trost sein wird. Bei v22-23a dürfte es sich um einen Zusatz handeln,6 da von sündigen Menschen, die nicht auf eine der vier genannten Weisen getötet, sondern herausgeführt, d.h. exiliert werden, nach den Ausführungen von vl2-21 keine Rede sein kann. Die Ankündigung, daß einige Sünder überleben, läuft der Argumentation, daß alle Sünder getötet werden, zuwider. Der Zusatz möchte das in v21 angekündigte Vernichtungsgericht im Sinne der 587 v. Chr. tatsächlich geschehenen Ereignisse erläutern.7

6

Vgl. Joyce, Initiative 74f. Zuweilen hält man V21-23 für redaktionell (z.B. Pohlmann, Ezechielstudien 7-11). Dagegen ist jedoch zu Recht eingewandt worden, daß vl2-20 ohne v21 die im Kontext notwendige Applizierung fehlt (vgl. Zimmerli, BK 21979, 317). Häufig betrachtet man nur v22b-23a als Zusatz, da die Wiederholungen in v21-23 stilistisch unschön seien und die Versteile in LXX fehlen würden. Die inhaltliche Spannung zwischen vl2-21 und v22-23a wird so jedoch nicht erklärt. Im übrigen sollte man sich nicht auf die wenigen LXX-Handschriften berufen, in denen v22b-23a fehlen, da dieses Fehlen eher mit der aberratio oculi griechischer Abschreiber zu erklären ist.

7

Zimmerli (BK 2 1979; vgl. Herrmann, ΚΑΤ 1924; Fohrer, HAT 1955; Eichrodt, ATD 1959; Reventlow, Wächter 39; Schmidt, De Deo 156-158.160; Krüger, Geschichtskonzepte 389f) versteht "'S in v21 nicht als feste, eine Steigerung ausdrückende Wendung (vgl.o.S. 170 Anm. 4), sondern als zwei selbständige Wörter. diene der Betonung, und "'S leite einen Bedingungssatz ein. Dieses Verständnis von "'3 hat weitreichende Konsequenzen. Versteht man v21 nämlich als Bedingungssatz, so muß (mindestens) v22a als Hauptsatz zur Grundschicht gezogen werden. Jerusalem würde dann nicht die totale Vernichtung angekündigt, sondern eine Vernichtung, bei der es in den Deportierten einen Rest gibt, der überlebt. Damit ergibt sich jedoch eine Spannung zwischen der voranstehenden Erörterung, die auf totale Vernichtung zielt, und der an Jerusalem gerichteten Ankündigung, die dann einen Rest kennt. Diese Spannung sieht auch Zimmerli, wenn er schreibt, daß man in dem Rest "den Gegenbeweis gegen die Gültigkeit der 'Lehre' von vl3-20 sehen möchte" (323). Zimmerli meint die Spannung mit einem Verweis auf die Souveränität Gottes lösen zu können. Der die Lehre widerlegende Rest sei nämlich "das leibhafte Beweiszeichen ... für die in der Geschichte mächtige Gültigkeit der gerechten Ordnung Jahwes" (323), des Gottes, "der sich in seiner Freiheit je neu durch sein Handeln erweist" (323). Daß die Lehre von vl3-20 nur die Funktion einer Kontrastfolie haben soll, von der sich Jahwes Handeln als das des ganz anderen abhebt, ist jedoch unwahrscheinlich. Die ausführliche Gerichtsdarstellung von vl3-20 hat vielmehr eine begründende Funktion. V13-20 sind eine Hintergrundfolie, von der man a minori ad maius schließen kann, daß Jerusalem die Vernichtung angekündigt werden muß. Die der Vernichtungsankündigung widersprechenden v22-23a können darum nicht zur Grundschicht gehören, und ^ muß deswegen als feste, eine Steigerung ausdrückende Wendung verstanden werden.

172

I. Textuntersuchungen

Die Gegenüberstellung vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder erscheint in Ez 14,12-21 im Kontext eines Rechtssatzes, der grundsätzliche Gültigkeit beansprucht. V21 appliziert diesen Satz in einer bestimmten Situation auf konkrete historische Personen, nämlich auf die Jerusalemer der damaligen Zeit. In bezug auf sie stellt sich nämlich die Frage, wer von ihnen zu den Sündern und wer zu den Gerechten zu zählen ist. Der Rückgriff auf die in einem Rechtssatz formulierte, grundsätzlich gültige Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten hat eine argumentative Funktion. 1) Der Rechtssatz als solcher soll zeigen, daß Jerusalem vernichtet werden muß. Ein Land, das gegen Jahwe gesündigt hat (vl3), muß untergehen, und da es sich bei Jerusalem um ein solches Land handelt, ist die Zerstörung der Stadt eine notwendige Konsequenz. 2) Der Rückgriff auf die Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten soll darüberhinaus die Totalität der Schuld und die aus ihr resultierende Totalität des Gerichts deutlich machen. Wie geschieht das? In Ez 14,13-20 werden mit Noah, Daniel und Hiob drei Gerechte der Masse der Sünder gegenübergestellt. Während die Sünder in einem wie immer gearteten Gericht umkommen, werden die Gerechten, und zwar nur sie selbst, wegen ihrer gerechten Werke (ΟΓίζΗΧϊΐ vl4.20) gerettet. Demnach kann jeder gerettet werden, und jeder ist dabei für sich selbst verantwortlich. Auffällig ist nun, daß die Gegenüberstellung von Sündern und Gerechten, die für den Rechtssatz vl3-20 von konstitutiver Bedeutung ist, bei der Applikation des Satzes keine Rolle mehr spielt. Sie kann keine Rolle mehr spielen, weil es keinen Gerechten gibt. Hier wird die Totalität der Schuld der Jerusalemer deutlich. Indem Ezechiel die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten somit auf einer theoretischen Ebene einführt, weist er nach, daß Auch nach Hölscher (Hesekiel 87f) und Garscha (Studien 267-269) ist Ez 14,12-23 als Schluß a minori ad maius aufgebaut. Sie halten den Text jedoch für einheitlich. Hölscher sieht die genannte Spannung, meint jedoch "die Unlogik ... in Kauf nehmen" zu müssen. Nach Garscha gibt es keine Spannungen. Der Text wolle beweisen, "daß die überlebenden Jerusalemer gerechter gewesen sein müssen als Noah, Daniel und Hiob." Die Verse gehörten zu einer um 300 v. Chr. verfaßten sakralrechtlichen Schicht (SEz) und wollten die Abstammung bzw. Theologie der Nachkommen ("Söhne und Töchter") jener Überlebenden autorisieren.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

173

die Rettung einzelner möglich und das kommende Unheil deswegen kein unvermeidbarer Schicksalsschlag oder Willkürakt eines ungerechten Gottes ist, sondern auf der je eigenen Schuld aller einzelnen basiert. Der Rechtssatz zeigt, daß Gerechte gerettet werden, Rettung also möglich ist. Aber, und auf dieser Kontrastfolie wird die Schuld der Jerusalemer in ihrem ganzen Umfang deutlich, diese theoretisch vorhandene Möglichkeit ist von allen vertan worden. Keiner hat diese Möglichkeit ergriffen. Es gibt keinen Gerechten, der gerettet würde. Die Aufnahme des Motivs vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder dient in Ez 14,12-21 also der Intensivierung der Gerichtsbotschaft. Das Fehlen eines individuellen Gerechten soll zeigen, daß alle Sünder sind und deswegen getötet werden müssen.8 Diese die Gerichtsbotschaft intensivierende Funktion hat das genannte Motiv auch in Ez 9. Das Kapitel schildert im Rahmen der in Ez 811 beschriebenen Vision, wie Jahwe einen in Linnen gekleideten Mann nach Jerusalem schickt, der allen ein Kreuz auf die Stirn machen soll, die sich durch Seufzen und Stöhnen von den in der Stadt verübten Greueln distanzieren, welche Kap. 8 so drastisch beschrieben hat. Zugleich werden sechs Männer beauftragt, alle Jerusalemer, Kinder und Alte, zu töten, es sei denn sie tragen jenes Kreuz auf der Stirn, das sie als Gerechte ausweist. Die Männer sollen also zwischen Gerechten und Sündern unterscheiden. Sie sollen die Sünder töten, die Gerechten aber am Leben lassen. Die Vision endet mit einem gnadenlosen (vlO) Gemetzel, das nur der Prophet, der einzig auffindbare Gerechte, überlebt. Auf seine Klage über das Ausmaß der Vernichtung stellt Jahwe fest, daß die Schuld der Israeliten sehr, sehr groß ist und die Vernichtung als Folge dieser Schuld gesehen werden muß.9

ο

Die Spitze von Ez 14,12ff liegt also nicht in der Einführung der Individualvergeltung. Diese wird vielmehr aus dem Recht übernommen und als bekannt vorausgesetzt. Vgl. Joyce, Responsibility 319f; ders., Initiative 70-76. 9

Nach Vogt (Untersuchungen 46-48) beschrieb die Ezechielische Grundschicht von Kap. 9, daß alle Jerusalemer umgebracht wurden. Erst ein frommer Leser habe das Gericht eingeschränkt, indem er dem in Linnen Gekleideten seine bewahrende Funktion gegeben habe. M.E. mag das Kapitel zwar hier und da überarbeitet worden sein,

174

I. Textuntersuchungen

Die Einführung der Gegenüberstellung von Sündern und Gerechten dient hier wie in Ez 14,12-21 dazu, die Totalität der Schuld aller Israeliten hervorzuheben. Wenn nämlich dem Gericht eine genaue Sichtung aller Menschen und eine Aussonderung der Frommen vorangeht, so wird damit klargestellt, daß eine Rettung möglich ist. Jeder kann diese Möglichkeit ergreifen, aber in Jerusalem hat sie - sieht man vom Propheten ab - niemand ergriffen. Alle haben sich - und darauf zielt der Text an den in Kap. 8 beschriebenen Greueln beteiligt und müssen deswegen getötet werden.10 Ez 9 ist Ez 14 vergleichbar. Beide Texte gehen von der Auffassung aus, daß die Sünder vernichtet, die Gerechten jedoch gerettet werden. Beide beziehen diese Vorstellung auf die Jerusalemer, und beide Texte zielen darauf, daß Jerusalem völlig vernichtet wird. In beiden Fällen hat die Aufnahme des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten eine argumentative Funktion. Die Schuld jedes einzelnen soll nachgewiesen werden, um so die Totalität des Gerichts zu begründen. Die Gegenüberstellung von zu rettenden Gerechten und zu vernichtenden Sündern ist in beiden Texten eine theoretische. In der Praxis gibt es, was Jerusalem angeht, diese Gegenüberstellung nicht, denn in der Praxis sind alle Sünder. Deswegen müssen alle vernichtet und kann niemand gerettet werden. Der Möglichkeit des Heils steht die Realität des Unheils gegenüber. Der Verweis auf die Möglichkeit des Heils, die sich für einen Gerechten realisiert, macht deutlich, daß die Realität des Unheils nicht auf der Willkür Gottes, sondern auf der Schuld der Jerusalemer beruht. Weil es keinen Gerechten gibt, sondern alle gesündigt haben, müssen alle geder nachgezeichnete Gedankengang gehört aber wohl zur Grundschicht; vgl. Zimmerli, BK 21979. 10

Vgl. Joyce, Responsibility 318f; ders., Initiative 61-66. Nach v7aß wird der Prophet verschont. Diese Ausnahme kann jedoch vernachlässigt werden. Nach Zimmerli (BK 2 1979, 197) handelt es sich bei v7aß um die "Ergänzung eines auf Exaktheit bedachten Lesers." Von einem Rest ist in Kap. 9 keine Rede, auch nicht von einem in v l l implizierten, unsichtbaren Rest (vgl. dagegen Zimmerli, BK 21979; Greenberg, AncB 1983, 177). Nach Brownlee (WBC 1986) folgte der Klage des Propheten von v8 ursprünglich v l l mit der Vollzugsmeldung des in Linnen Gekleideten, die im Sinne einer positiven Beantwortung der Klage zu verstehen sei: Die Gerechten sind gerettet. Aber nirgends steht, daß der in Linnen Gekleidete tatsächlich jemanden fand, dem er ein Kreuz auf die Stirn gemacht hat; vgl. Joyce, Initiative 64.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

175

tötet werden. Der Totalität der Schuld entspricht die Totalität des Gerichts. Zusammenfassung: Der Prophet Ezechiel greift in Ez 9,1-11 und 14,12-21 auf die Vorstellung vom Unheil der Sünder und der Rettung der Gerechten zurück, um diese auf Jerusalem zu applizieren. Der Rückgriff hat eine argumentative Funktion. Auf dem Hintergrund, daß die Gerechten gerettet werden, wird in Ez 9,1-11 und 14,12-21 in drastischer Weise deutlich, daß es in Jerusalem keine Gerechten gibt, sondern alle Sünder sind und daß das Gericht deswegen ein totales sein muß. Die Aufnahme des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten zielt in beiden Texten also letztlich darauf, die Gerichtsankündigung zu intensivieren. Vergleicht man die beiden Texte Ezechiels mit Hab 2,4ff, so wird man feststellen, daß man bei beiden Propheten von der Anwendung einer Lehre in einer bestimmten Situation sprechen kann. Beide gehen von einer allgemein gültigen Lehre aus. Hab 2,4 formuliert sie in einem weisheitlichen Spruch, Ez 14,12ff in einem kasuistischen Rechtssatz. Für beide Propheten hat der Rückgriff auf die allgemein gültige Lehre eine argumentative Funktion. Habakuk will die Jerusalemer Oberschicht davon überzeugen, daß das Gericht die notwendige Konsequenz ihres Handelns ist, Ezechiel will davon überzeugen, daß alle getötet werden müssen, weil alle Sünder sind.

Ezechiel 18,1-32; 33,10-20 In Ez 18 und einigen vergleichbaren Texten (3,16-21; 33,1-9.10-20) erscheint das Motiv vom Heil der Gerechten und Unheil der Frevler nicht im Kontext der Gerichtsverkündigung Ezechiels, sondern in Texten, die Israel zur Umkehr rufen wollen.1 Ob Ez 18 und die vergleichbaren Texte von Ezechiel oder einem späteren Bearbeiter stammen, ist zwar für das Gesamtverständnis des Propheten von großer Bedeutung, nicht jedoch für die hier zu behandelnde Frage, welche Funktion die Gegenüberstel-

176

I. Textuntersuchungen

Das Disputationswort2 Ez 18 beginnt mit dem als Zitat eingeführten und auch aus Jer 31,29 bekannten Spruch: Die Väter essen Trauben, und die Zähne der Söhne werden stumpf. Es handelt sich bei dieser Sentenz nicht um ein "frivole(s) Witzwort, das den Glauben an eine gerechte, göttliche Vergeltung lächerlich macht",3

lung vom Heil der Gerechten und Unheil der Frevler innerhalb von Ez 18; 33,10-20 hat. Dennoch sei folgendes angemerkt: Deutlich ist, daß sich die genannten Texte in ihrer Art von den Gerichtsankündigungen ebenso wie von den Heilsankündigungen des Ezechielbuchs unterscheiden (vgl. Bettenzoli, Geist 174.179; Krüger, Geschichtskonzepte 349f; Uffenheimer, Theodicy 221f). Anders als in den HeilsankUndigungen hat das rechte menschliche Verhalten den Stellenwert einer conditio sine qua non. Nach 18,31 soll man sich sogar selber ein neues Herz und einen neuen Geist machen, während diese nach 11,19 von Gott gegeben werden; vgl. Bettenzoli, Geist 179. Weiterhin unterscheidet sich Ez 18 von Ez 21,8, wo Frevlern und Gerechten gleichermaßen die Vernichtung angesagt wird. Die Besonderheit der Texte ist verschieden erklärt worden: 1) Fohrer (HAT 1955, xxi) ordnet die Abschnitte einer besonderen Verkündigungsepoche Ezechiels zu, und zwar einer Übergangsepoche zwischen der Zeit der Gerichtsverkündigung vor dem Untergang Jerusalems 587 und einer Zeit der Heilsverkündigung nach 586. 2) Zimmerli (BK 1979, 3%) erklärt die Eigenart der Texte nicht biographisch, sondern formgeschichtlich, und zwar mit ihrem besonderen Sitz. Die Abschnitte gehören nicht zur mündlichen Verkündigung des Propheten, sondern stammen aus dem Bereich der schulischen Erörterung. Nach Herrmann (Heilserwartungen 259-261) beruht die Abweichung von Ez 18,31 gegenüber 11,19 auf dem Formzwang der Rechtskasuistik. 3) Schulz (Todesrecht 182-187; vgl. Gerscha, Studien 303-305) bietet eine literarkritische Erklärung. Er schreibt die Texte nicht Ezechiel zu, sondern einer eigenen, sakralrechtlich geprägten Redaktionsschicht (Deutero-Ezechiel); vgl. dagegen Zimmerli, DeuteroEzechiel 501-516. Auch die Frage, ob es innerhalb der genannten Texte Zusätze gibt, kann hier unerörtert bleiben. Erwähnt sei nur, daß in Kap. 18 zuweilen v21-32 (s.u.S. 179 Anm. 8), v26-29 (Eichrodt, ATD 1959; Fohrer, HAT 1955) öder v9a,17aß.l9b* (Ohnesorge, Jahwe 39f) für sekundär gehalten werden. Krüger (Geschichtskonzepte 366) rechnet mit einer mehrfachen Überarbeitung der Tatbestandskataloge. Pohlmann (Ezechielstudien 222-231.240-243) findet die älteste Textstufe in v3-13*. Der Verfasser wende sich gegen den im Kontext von Kap. 19 bereits vorgefundenen Spruch 18,2, um die Katastrophe von 587 durch einen Verweis auf das Verhalten der Könige zu erklären. In vl4-20 bringe ein späterer Theologe sein Konzept der individuellen Schuldverhaftung ein. V21-32 seien schließlich einer noch späteren Schicht zuzuordnen. In 33,10-20 betrachtet man vl2b (Bettenzoli, Geist 168) bzw. vl7-20 (Zimmerli, BK 2 1979; Krüger, Geschichtskonzepte 372) als mögliche Zusätze. 2

Vgl. Graffy, Prophet 58-64; Matties, Ezekiel 46-60; anders Junker, Kernstück 178.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

177

sondern um einen Spruch, der wie die in Ez 33,10 zitierte Klage 4 von tiefer Resignation geprägt ist und die Unausweichlichkeit der Not belegen soll.5 Der Spruch zielt nicht darauf, die Absurdität, daß die Zähne der Söhne wegen der Speisen der Väter abstumpfen, als Absurdität zu brandmarken, sondern er will die enge Verbindung zwischen zwei Generatio3

Junker, Kernstück 181; vgl. Herrmann, ΚΑΤ 1924; Fohrer, HAT 1955; Eichrodt, A T D 1959; Lamparter, BAT 1968; Graffy, Prophet 60; Levin, Verheißung 38f; T. Polk, Paradigms, Parables and Meiältm: On Reading the Mäiäl in Scripture, CBQ 45 (1983), 564-583, 575. Eine Zusammenstellung derartiger Verurteilungen des zitierten Spruchs bietet Klipp, Interpretation 210 Anm. 2.

4

Vgl. dagegen Reventlow (Wächter 126), der zwischen den in 18,2 und 33,10 zitierten Worten einen Umschwung vom kritischen Anzweifeln zum resignierten Verzweifeln konstatiert.

5

Vgl. vOrelli, KK 21896, 73; Schenker, Trauben 104-106; Fuhs, NEB 1984; Brownlee, WBC 1986, 281; Pohlmann, Ezechielstudien 236-239. Für die hier vertretene Deutung des Wortes spricht vl9. Da dort niemand anders angeredet ist als in v2, muß man die Zitate von v2 und vl9 auf einer Linie sehen. In vl9 wird deutlich, daß sich die Angeredeten keineswegs gegen eine mehrere Generationen umfassende Vergeltung wenden. Sie sagen nicht dasselbe wie der Verfasser von Ezechiel 18, sondern gehen selbstverständlich davon aus, daß sie als Söhne an der Schuld ihrer Väter tragen. Auch nach Kilpp (Interpretation 219f) richtet sich der Spruch nicht gegen die traditionelle Vergeltungslehre. Er ziele vielmehr darauf, die Väter anzuklagen, und habe dabei die Gruppen im Auge, die in der letzten Königszeit eine antibabylonische Politik betrieben und dadurch den Untergang Jerusalems herbeigeführt hätten. So wolle der Spruch die Katastrophe von 587 erklären. Vgl.u.S. 178 Anm. 7. Unklar bleibt die Position Zimmeriis (BK 1979). Er bezeichnet den zitierten Spruch einerseits als "Wort zynischen Aufbegehrens" (402; vgl. 413[unten]; ders., Leben 182), sagt aber andererseits auch, daß die Zitierten "gebannt auf den ehernen Nexus von Schuld und Strafe in der Solidarität der Generationen starren und sich fatalistisch fallen lassen" (403 Kursive jeweils K.K.; vgl. 409.413[oben]). Vgl. Zimmerli, Fortschreibung 188, wo er den Spruch einerseits als Ausdruck der Verzweiflung neben das Zitat von 33,10 stellt, andererseits aber auch als einen Jahwe geltenden Fehdehandschuh bezeichnet. Krüger (Geschichtskonzepte 358-363; vgl. Uffenheimer, Theodicy 223) sieht Ez 18,1-20 im Kontext des auch sonst im Ezechielbuch belegten Konflikts zwischen den exilierten und den in Juda verbliebenen Israeliten. In Ez 18 seien nur die Zurückgebliebenen angeredet. Diese hätten die Ereignisse von 597 als Läuterungsgericht verstanden (374) und richteten sich mit den in v2 und vl9 zitierten Worten gegen die Exulanten, die als Söhne der sündigen Oberschicht ihrer gerechten Bestrafung zugeführt worden seien. Demgegenüber leiste Ez 18,1-20 den Exulanten Argumentationshilfe (365). Die Söhne müssen nicht an der Schuld der Väter tragen, wenn sie sich als Gerechte erweisen. Vorausgesetzt wird bei dieser Interpretation, daß der Text in die Zeit vor 587 gehört, da ab dieser Zeit auch die im Land verbliebenen Israeliten vom Gericht betroffen waren. Einen forschungsgeschichtlichen Überblick über die Deutungen des in v2 zitierten Spruchs bietet Schenker, Trauben 98-103.

178

I. Textuntersuchungen

nen hyperbolisch zum Ausdruck bringen. Väter und Söhne gehören so eng zusammen, daß - übertrieben gesagt - sogar den Söhnen die Zähne stumpf werden, wenn ihre Väter saure Trauben gegessen haben. Es handelt sich bei dem Spruch um einen Versuch der Exilsgeneration,6 eine Erklärung für ihre Not zu finden. Man verweist auf die Schuld der Väter, um das eigene Leid im Sinne der deutschen Redensart "mitgefangen mitgehangen" zu erklären. Die Väter haben die Suppe eingebrockt, die Söhne müssen sie auslöffeln. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als die Schuld der Väter zu tragen und sich dem Schicksal ohnmächtig zu fügen (vgl. Thr 5,7).7 Der Verfasser von Ez 18 wendet sich gegen eine solche resignierende Haltung. Er verweist auf die Eigenverantwortlichkeit jeder Generation. Dem Zitat von v2 hält er in v3f seine These entgegen: Der Sünder, aber eben nur der Sünder wird sterben. Diese These wird in zwei Gedankengängen expliziert. V5-20 zeigen die Eigenverantwortlichkeit jeder Generation. Ein gerechter Mann wird leben (v5-9), dessen ungerechter Sohn jedoch ungeachtet der guten Werke des Vaters sterben (vlO-13). Der Sohn jenes Sohnes hingegen wird, wenn er gerecht ist, unabhängig von der Schlechtigkeit seines Vaters leben (14-18). V19-20 formulieren das Ergebnis: Ein Sohn ist für die Schuld seines Vaters nicht verantwortlich. Deswegen gilt: Der Gerechte wird leben, der Frevler hingegen sterben. Für die Exilsgeneration bedeutet dies: Sie braucht nicht zu resignieren. Die Schuld der Väter trifft nur die Väter. Die jetzige Generation der Söhne kann leben! Sie muß nur die Gesetze beachten und Gerechtigkeit üben. Das Problem scheint jedoch zu sein, daß man von der jetzigen Generation nicht sagen kann, daß sie gerecht ist. Deswegen stellt sich in v21-32 in einem zweiten Gedankengang die Frage: Was passiert, wenn

6

Vgl. Zimmerli, BK 2 1979, 400f; Kilpp, Interpretation 213f.219f. Ob es sich dabei bereits um die Exilierten von 597 handelt (so Joyce, Initiative 55-57; Krüger, Geschichtskonzepte 363.380) kann hier offen bleiben.

7

Der Akzent liegt auf der Ohnmacht der Söhne. Daß die Söhne unschuldig und nur die Väter schuldig sind, wird vorausgesetzt, ist aber nicht die entscheidende Aussage und sollte deswegen nicht zu stark betont werden (so z.B. bei Kilpp, Interpretation 219).

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

179

die Wende vom Gerechten zum Frevler oder vom Frevler zum Gerechten nicht zwischen zwei Generationen liegt, sondern innerhalb einer Lebensspanne? 8 Die Antwort erfolgt in zwei Durchgängen (v21-24; v2530a). Der Gerechte, der zum Sünder geworden ist, wird sterben. Dagegen wird der Frevler, der sich von seiner Sünde abgekehrt hat und zum Gerechten geworden ist, leben. V30b-32 zieht daraus die Konsequenz: Kehrt um, und ihr werdet leben! Die Exilsgeneration muß also weder wegen der Schuld der Väter noch wegen der eigenen Sünden der Vergangenheit verzweifeln. Sie kann umkehren und leben, und sie soll umkehren und leben. Mit diesem abschließenden Ruf zur Umkehr und zum Leben ist das Ziel des Textes erreicht.9 Der Abschnitt Ez 18,21-30 findet in dem Disputationswort 10 33,1020 eine enge Parallele.11 Dieser Text beginnt in vlO mit einem Zitat der Klage Israels: Ja, unsere Sünden und unsere Verfehlungen liegen auf uns, und wegen ihnen siechen wir dahin. Und wie sollen wir leben?

Wegen der gegenüber vl-20 veränderten Problemstellung von v21-32 werden diese Verse häufig von vl-20 abgetrennt (vgl. Fohrer, HAT 1955; Bettenzoli, Geist 175-177; Vogt, Untersuchungen 113f; Kilpp, Interpretation 212f) und dabei zuweilen als späterer Zusatz betrachtet (vgl. Schulz, Todesrecht 178; Graffy, Prophet 58f; Ohnesorge, Jahwe 39; Pohlmanti, Ezechielstudien 221f). Gegen die Abtrennung spricht jedoch, daß der klagend geäußerte Spruch von v2 in vl-20 noch keine befriedigende Antwort gefunden hat, da die Angeredeten den Satz, daß der Gerechte leben wird, kaum unmittelbar auf sich beziehen konnten. Erst die v5-20 weiterführende Erörterung von v21-30a macht deutlich, daß Umkehr Heil ermöglicht und die in v2 geäußerte Resignation deswegen fehl am Platze ist. V21-32 dürfen also nicht zu stark vom Voranstehenden abgetrennt werden (vgl. Greenberg, AncB 1983, 334-338.340f; Fuhs, NEB 1984; Reventlow, Wächter 117; Zimmerli, Fortschreibung 189 Anm. 32; Joyce, Initiative 55; Krüger, Geschichtskonzepte 373-378; Matties, Ezekiel 34-46). Auch Schenker (Trauben 108-112) wendet sich gegen eine Abtrennung von v21ff, geht jedoch von einer anderen Gliederung des Textes aus (vgl. dagegen Matties, Ezekiel 39f). 9

Vgl. Zimmerli, BK 21979, 415; ders., Deutero-Ezechiel 510f; Schenker, Trauben 114f.

10

Vgl. Grafjy, Prophet 72-78.

11

Vgl. Greenberg, AncB 1983; Vogt, Untersuchungen 108-113.

180

I. Textuntersuchungen

V l l antwortet auf diese Klage in Entsprechung zu Ez 18,30b-32 mit einem eindringlichen Umkehrruf. Man soll nicht resignieren, sondern umkehren und leben. V12-20 erläutern den einleitenden Umkehrruf in drei Durchgängen (vl2.13-16.17-20), die alle auf das gleiche zielen: Der Gerechte, der zum Frevler wird, muß sterben, der Frevler, der zum Gerechten wird, soll dagegen leben. Israel braucht also nicht zu resignieren, sondern kann umkehren und wird dann leben. Neben Ez 18 und 33,10-20 sind in diesem Kontext noch Ez 3,16-21 und 33,1-9 zu nennen. 12 Diese beiden Texte thematisieren das Wächteramt des Propheten. Wie ein militärischer Wächter dafür verantwortlich ist, daß alle Menschen einer bedrohten Stadt seinen Alarm hören, so ist der Prophet als Wächter dafür verantwortlich, daß alle Frevler zur Umkehr gerufen werden. Sie sollen umkehren, um so zum Leben zu kommen. Die Umkehrbotschaft von Ez 18 und 33,10-20 erscheint hier also im Rahmen der Beauftragung des Propheten. 13 Ez 18 und die genannten vergleichbaren Texte galten lange Zeit als Meilenstein in der Entwicklung von der Kollektivschuld zur Individualschuld.14 Doch zu Unrecht, wie man inzwischen weithin erkannt hat! is Zum einen ist die Vorstellung von der Individualschuld im profanen und kultischen Recht schon sehr viel älter als Ez 18,16 und zum anderen ist Ez 18 nicht so individualistisch gemeint, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Der Text richtet sich nämlich an Israel.17 Zunächst wird zwar nicht 12

Vgl. 13,22f.

13

Vgl. Vogt, Untersuchungen 108-116.

14

Vgl. Kraetzschmar, HAT 1900, 161; Herrmann, ΚΑΤ 1924, 114; Fohrer, HAT 1955, 98.182; Brownlee, WBC 1986; Schmidt, De Deo 148-150; Bettenzoli, Geist 174f; J. Taubes, Zur Konjunktur des Polytheismus, in: Κ. H. Bohrer, Mythos und Moderne, Frankfurt 1983, 457-470, 461; Uffenheimer, Theodicy 219-222. Vgl. den Überblick bei Matties, Ezekiel 115f.

15

Vgl. Lamparter, BAT 1968; Greenberg, AncB 1983; Zimmerli, Eigenart 172f; Junker, Kernstück 179-185; Lindars, Ezekiel 452-467; Joyce, Responsibility 191f; ders., Initiative 35-60; Krüger, Geschichtskonzepte 382-394; Matties, Ezekiel 113-158.

16

Vgl. Lindars, Ezekiel 453-456; Joyce, Initiative 81-83. Zur Bedeutung der Individualität in ägyptischen Vorstellungen vom Totengericht vgl. J. Assmann, Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München 1990,150.

17

Vgl. Joyce, Initiative 53f.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

181

gesagt, wem die Anrede der 2. Pers. mask. PL gilt, ab v25 wird aber klar, daß das "Haus Israel" (v25. 29a.b.30.31) gemeint ist. Der am Anfang des Kapitels zitierte Trauben-Spruch wird auch nicht in bezug auf einzelne, sondern in bezug auf das Volk gesagt, und die zitierten Gegner sind, wie v29 deutlich macht, nicht einzelne Israeliten, sondern das Volk als Ganzes. Zudem richtet sich der Umkehrruf, auf den das Kapitel zielt, an Israel und nicht an einzelne. Das gleiche gilt für Ez 33,10-20. Die am Anfang dieses Abschnitts zitierte Klage ist die Klage des Hauses Israel (vlO), und der Umkehrruf richtet sich demzufolge an Israel (vll). Die Verkündigung von Ez 18 und 33,10-20 entspricht damit der Beauftragung, das Haus Israel zur Umkehr zu rufen (3,16-21; 33,1-9). Richten sich Ez 18 und die diesem Kapitel entsprechenden Texte also nicht an den einzelnen, sondern an das Volk als Ganzes, so ergibt sich die Frage: Inwiefern ist in Ez 18 vom Individuum die Rede? Der Text stellt immer wieder den Gerechten und den Frevler als Individuen einander gegenüber. Er beschreibt sie in ihrem Verhalten und kündigt ihnen ein ihrem Verhalten entsprechendes Ergehen an: Der Gerechte wird gewiß leben,18 der Frevler dagegen gewiß sterben.19 Diese Lebensbzw. Todeszusage stammt ebenso wie die deklaratorische Formel "Er ist gerecht"20 nach verbreiteter Ansicht aus dem Bereich des Kultes.21 Dort 18

Π^Π? ΓΡΠν9.17.19.21.28; vgl. 3,21; 33,13.15.16

19

n o ^ i nitt vl3; vgl. v32; 3,18; 33,8.14; Π ID} bzw. müFl 3,19.20; 33,8.9.13.18.

20

tnn

21

Β33Π v4.20.24.26; vgl.

p^sv9.

Folgende Ausdrucksweisen in Ez 18 werden mit dem Kult in Verbindung gebracht: a) Die in Ez 18,5.18.21 belegte Wortstellung "'S Ε "'S 'ein Mann, wenn er' sei typisch sakralrechtlich; vgl.o.S. 170 Anm. 1. b) Die Formel Κ=ΙΠ p ^ X 'er ist gerecht' v9 hat ausweislich der Formeln ΝίΠ "ΙΪΠΰ 'er ist rein' (Lev 13,13.17.37.39 u.ö.) und Π NDÖ 'er ist unrein' (Lev 13,11.36.44 u.ö.) einen kultischen Sitz. Vgl. vRad, Die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit, ThLZ 76 (1951), 129-132, 130f; auch in: ders., Gesammelte Studien zum Alten Testament (TB 8), München 41958, 130-135, 131-133; R. Rendtorff, Die Gesetze in der Priesterschrift (FRLANT 62), Göttingen 1954, 74-76; differenzierter Matties, Ezekiel 6670. c) Die Lebens- bzw. Todesdeklaration hat einen kultischen Sitz; vgl.o.S. 158; Matties, Ezekiel 71-77. Zum kultischen Hintergrund ethischer Forderungen vgl. die Torliturgie Ps 15; vgl. W. Beyerlin, Weisheitlich-kultische Heilsordnung. Studien zum 15. Psalm (BThSt 9), Neu-

182

I. Textuntersuchungen

stellt der Priester fest, ob jemand gerecht ist oder nicht, um ihm dementsprechend Leben oder Tod zuzusagen. Zugleich erklärt er dem Menschen, was er tun muß, um zum Leben zu gelangen. Dabei hat es der Priester mit einzelnen Menschen zu tun. Ez 18 greift die Belehrung und den Zuspruch, den der Priester an den einzelnen richtet, auf, um sie auf Israel zu übertragen.22 Was für den einzelnen gilt, nämlich daß sein Handeln über Leben und Tod entscheidet, gilt auch für Israel. Ausschlaggebend ist dabei - so darf man aus Ez 18,2Iff schließen - das gegenwärtige Handeln. Wie es beim einzelnen kirchen-Vluyn 1985, 47-51; s.o.S. 2 Anm. 4. Ansonsten vgl. zum kultischen Hintergrund von Ez 18; 33,10-20 vRad, "Gerechtigkeit" 234-236; Zimmerli, BK 21979, 396400.403f; ders., Eigenart 173-175; ders., Leben 183f; K. Koch, Tempeleinlaßliturgien und Dekaloge, in: R. Rendtorff - K. Koch, Studien zur Theologie der alttestamentlichen Überlieferung, Neukirchen-Vluyn 1961, 45-60, 56f; auch in: K. Koch, Spuren hebräischen Denkens, Neukirchen-Vluyn 1991, 169-183; H. J. Boecker, Redeformen des Rechtslebens im Alten Testament (WMANT 14), Neukirchen-Vluyn 21970, 140f; Schulz, Todesrecht 175-177, 179f; Bettenzoli, Geist 167f.l73-175.179; Joyce, Initiative 37-41; Lang, Ezechiel 98f; Weinfeld, Instructions 228.235f; J. Assmann, Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München 1990, 140-149. Nach Reventlow (Wächter 108-123) gehört Ez 18,5ff nach Form und Inhalt zur sakralrechtlichen Bundesfestverkündigung. Die kultische Herkunft der unter a) - c) genannten Wendungen wird jedoch fraglich, wenn eine Ableitung a n d e r n profanrechtlichen Bereich möglich ist; vgl. P.-E. Dion, Une inscription aram6enne en style awilum ία et quelques textes bibliques datant de Peril, Bib. 55 (1974), 399-403. a) Zur Wortstellung "'S B^S vgl. awilum sa 'ein Mann, der' in Codex Esnunna § 12 und § 13; weitere Belege s.o.S. 170 Anm. 1. b) Zur Formel Kl Π p"1 'er ist gerecht' vgl. Codex Hammurabi § 7 awilum iu sarraq 'dieser Mann ist ein Dieb (vgl. Codex Eänunna § 40) und Codex Hammurabi § 13 awilum Su sar 'dieser Mann ist ein Lügner'. c) Zur Lebens- bzw. Todesdeklaration vgl. imat ul iballut 'er soll sterben; er soll nicht leben' in Codex Eänunna § 12; § 13; § 28; l'jhiwn 'er wird nicht leben' in der von A. Caqot (Une inscription arameenne d'epoque assyrienne, in: FS A. Dupont-Sommer, Paris 1971, 9-16) publizierten aramäischen Inschrift mit einem in kasuistischem Stil formulierten Dekret, nach dem ein babylonischer Bauer, der Steuern hinterzieht, getötet werden soll. Die Frage des kultischen Hintergrundes von Ez 18 bedarf einer umfassenderen Untersuchung als es im Rahmen der vorliegenden Arbeit möglich ist. Sollte sich dabei herausstellen, daß Ez 18 nicht vom kultisch-rechtlichen, sondern vom profan-rechtlichen Bereich her zu verstehen ist, so macht dies für die vorliegende Untersuchung keinen großen Unterschied. Die Argumentationsstruktur und das Argumentationsziel blieben gleich, nur die Argumentationsbasis hätte einen anderen traditionsgeschichtlichen Hintergrund. 22

Vgl. Lindars, Ezekiel 460f.464.466; Zimmerli, Deutero-Ezechiel 511; Joyce, Responsibility 192; ders., Initiative 46.49.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

183

nicht um die Taten längst vergangener Zeiten geht, sondern um die Frage, ob er hic et nunc ein Gerechter oder ein Frevler ist, so ist auch für Israel nicht die Vergangenheit entscheidend, sondern die Frage, ob es sich jetzt von seinen Sünden abwendet und so zum Leben kommt. Der Rückgriff auf den Kult und dessen Lehre von Gerechten und Frevlern hat in Ez 18 und den entsprechenden Texten die Funktion, dem Umkehrruf eine argumentative Basis zu geben. Der Verfasser ruft zur Umkehr und zeigt in dem für Diskussionsworte typischen argumentativen Stil, daß Umkehr sinnvoll ist. Die allgemein gültige Lehre der Priester besagt, daß der Gerechte leben wird. Weil deswegen auch Israel leben wird, wenn es sich jetzt von seiner Sünde abwendet, kann Ez 18 Israel verkünden: Kehrt um, und ihr werdet leben. Zusammenfassung:

In Ez 18 und 33,10-20 antwortet Ezechiel dem

verzweifelten Haus Israel auf seine Klage mit einer bedingten Zusage: "Kehrt um, und ihr werdet leben!". Diese Ankündigung des möglichen Heils wird von Ezechiel argumentativ entfaltet. Der Prophet verweist auf kultische Bestimmungen, nach denen ein Sünder, der umkehrt, leben wird. Diese Bestimmung wendet er auf Israel an, um dem Volk klar zu machen, daß es, wenn es umkehrt, zum Leben kommt. Die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten hat also in Ez 18 und den vergleichbaren Texten wie in Hab 2,4 eine argumentative Funktion. Die jeweilige Botschaft soll durch den Rückgriff auf eine anerkannte, allgemeine Gültigkeit beanspruchende Lehre untermauert werden. Habakuk geht von einer in weisheitlichem Stil formulierten Sentenz aus, um seine Ankündigungen einleuchtend zu machen. Ausweislich der weisheitlichen Lehre, daß Frevler untergehen und Gerechte leben, werden die angeklagten Jerusalemer zu Tode kommen, die unterdrückten Gerechten aber gerettet werden. Ez 18 und 33,10-20 greifen die priesterliche Lehre vom Heil der Gerechten und Unheil der Frevler auf, um den Umkehrruf und die mit ihm verbundene Lebenszusage einleuchtend zu machen. Ausweislich der priesterlichen Lehre, daß der Frevler, der umkehrt, leben wird, kann das angeredete Haus Israel, wenn es umkehrt, zum Leben kommen. Habakuk identifiziert die Angeklagten mit dem Urbild des Frevlers und die Unterdrück-

184

I. Textuntersuchungen

ten mit dem des Gerechten. Die Ezechieltexte nehmen noch keine Identifizierung vor, sondern stellen sie in Aussicht. Wenn Israel umkehrt, ist es mit dem Typos des Gerechten zu identifizieren, der sich von seiner Sünde abgewandt hat. Die Identifikation mit einem Typos soll im einen Fall begründen, warum Heil und Unheil gewiß kommen werden, im anderen, warum das Heil kommen kann.

2.2. Die Loslösung eines Prophetenwortes von seiner ursprünglichen historischen Situation durch die Lehre vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder

Da die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten je nach Kontext eine andere Aussageabsicht verfolgt, ist es - wie bei den Texten, die ein Läuterungsgericht ansagen - sinnvoll, die Stellen nach den Ankündigungen des Kontexts zu ordnen.

2.2.1. Im Kontext von Unheilsankündigungen Jesaja 3,10-11 10 'Selig'1 der Gerechte, ja gut, ja die Frucht ihres Tuns werden sie essen! 11 Wehe dem Frevler, schlecht,2 ja das Werk seiner Hände wird ihm angetan werden! 1

MT: ^"IQK 'Sagt!'; zur Begründung der häufig vorgenommenen Emendation "HDNvgl. Isa. III,

Wildberger, BK 31980; vgl. dagegen Bahbout, Interpretatione 24; Holladay, 485f; Gitay, Isaiah 69; Barthelemy, Critique Bd. 2, 21f; s.u.S. 186 Anm. 7. 2

Nach der masoretischen Akzentsetzung müßte man in v l l "dem schlechten Frevler" übersetzen. Angesichts der Parallelität mit vlO wird man 5Π 'schlecht' jedoch besser als selbständiges Wort betrachten. Es ist allerdings nicht nötig, vor ST in Angleichung an vlO ein "'S 'ja' einzufügen.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

185

Jes 3 beginnt mit einem Gerichtswort. Jahwe wird in Jerusalem die herrschenden Stützen der Gesellschaft beseitigen (vl-3), so daß chaotische Verhältnisse eintreten werden. Einer wird den anderen bedrängen (v4-7). V8-9a begründen diese Ankündigung mit einem Verweis auf die Sünden Jerusalems und Judas. V9b faßt Anklage und Ankündigung abschließend in einem Weheruf zusammen.3 VlOf bildet mit der Seligpreisung des Gerechten und dem Weheruf über die Frevler einen neuen, in sich geschlossenen Abschnitt. Die beiden Verse sind parallel aufgebaut. Dem einleitenden "Hltffc? 'selig' bzw. 'wehe' folgt mit p ^ S 'Gerechter' bzw. ΪΕΠ 'Frevler' jeweils die Nennung der ins Auge gefaßten Gruppe. Daran schließt sich mit l i b 'gut' bzw. SH 'schlecht' ein Adjektiv, das Tun und Ergehen jeweils gleichermaßen umschließt.4 Die 1 3-Sätze von vlOb und IIb explizieren die beiden ersten Vershälften: Gerechten und Frevlern wird es ihren Werken entsprechend ergehen. Mit vl2 beginnt eine neue, bis vl5 reichende Einheit.5 In ihr geht es wie in vl-9 um das Tun und Ergehen des Volkes. Der Text beginnt mit einer Klage Jahwes über Mißstände im Volk (vl2). V13-14a kündigen unter Aufnahme der Völkergerichtstradition Jahwes Einschreiten gegen die Führer des Volkes an, ehe vl4b-15 diese Ankündigung in einer Jahwe-Rede begründen, welche auf die Vergehen der Führer am Volk verweist. Mit vl-9 ist vl2-15 durch die Wurzeln 'bedrängen' (v5.12) 1 und b ?? '(miß)brauchen' (v4.8.12) sowie die Wendung 2 ^>E?a 'herrschen

3

Die Frage, ob v9b sekundär ist, kann hier unberücksichtigt bleiben. Entscheidend ist, daß der Weheruf dem Verfasser von vlOf bereits vorlag.

4

Man sollte hier keine falsche Alternative aufbauen und die Adjektive entweder nur auf das Tun oder nur auf das Ergehen beziehen. Im ersten Fall würden sie dem einleitenden "HtÖN 'selig' bzw. ^ iN 'wehe' als Begründung dienen und das "'S wäre kausal aufzufassen ('denn'). Im zweiten Fall müßte man sie als Explikation von "HON 'selig' bzw. iS'wehe' betrachten und das "'S deiktisch verstehen ('ja').

r

-i

Wildberger (BK 1980) betrachtet vl2 als selbständiges Fragment. Die Verbindung zu vl5 (DS + Suff. 1. Pers.) legt jedoch eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit mit vl3-15 nahe.

186

I. Textuntersuchungen

über' (v4.12) verbunden.6 Beide Abschnitte sprechen vom Tun und Ergehen des Volkes. Bei vlOf handelt es sich, wie allgemein anerkannt ist, um einen späteren Zusatz. 7 Die Verse heben sich, da in ihnen nicht vom Volk die Rede ist, deutlich von ihrem Kontext ab. Mit der Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern führen sie eine Differenzierung ein, die den anliegenden Texten fremd ist. In vl-9 folgt aus der Schlechtigkeit des Volkes ein Gerichtshandeln Jahwes, das zwar zunächst nur die Oberschicht (vl-3), letztlich aber das ganze Volk (v5-7) trifft. In vl2-15 wird dann deutlicher als in vl-9 zwischen Ober- und Unterschicht differenziert. Jahwes Gericht trifft nur die Führer des Volkes, da sie die Armen unterdrücken. Eine unterschiedliche Behandlung der Gruppen deutet sich an, auch wenn vom Heil der Armen keine Rede ist. In vlOf werden nun mit Gerechten und Frevlern zwei Gruppen einander gegenübergestellt, die sich nicht nur in ihrem Tun, sondern auch in ihrem Ergehen unterscheiden. Die beiden Verse heben sich dadurch von den anliegenden Texten ab. Dabei zeigt eine Fülle von Kontextaufnahmen, daß vlOf als Fortschreibung von vl-9 anzusehen sind.

6

V4 dürfte sekundär sein. Der Vers hebt sich durch seinen Ich-Stil vom Kontext ab. Außerdem kommt er vor der Suche nach einem Anführer in v6f zu früh. Da sich bis auf das Verb alle Begriffe des Verses auch in den anliegenden Versen v3; "IS 3 v5) und vl2 finden, dürfte es sich um eine Fortschreibung des Kontexts handeln, die vl2-15 mit vl-9 verknüpfen möchte. Diese Fortschreibung kann von demjenigen stammen, der die Texte wegen ihrer inhaltlichen Verwandtschaft und wegen des Stichworts tffl 3 zusammengestellt hat, oder von einem späteren.

7

Anders Oswalt, NICOT 1986. Nach Holladay (Isa. III 481-487; vgl. Hayes - Irvine, Isaiah 90) könnte Jesaja in vlOf weisheitliches Spruchgut zitieren. In jedem Fall handele es sich um sehr alte Sprüche. Dies zeige sich an einer Reihe von Archaismen. Nach ugaritischen Entsprechungen könne in v l l vor SH ein "'S fehlen, weil ein solches angesichts des entsprechenden 1 3 von vlO nicht mehr nötig sei. Dieses 1 3 habe hier die archaische Bedeutung 'wie'. "ΙΏΝ sei in vlO beizubehalten und bedeute nach ugaritischen Parallelen 'to notice'. Holladay kommt so in vlO zu der Übersetzung: 'Notice how good the righteous man is'. Nach Bahbout (Interpretatione 25f) wendet sich die vlOf einleitende Redeaufforderung (^IQK) an die Richter, von denen der Kontext spreche. Jesaja fordere sie auf, im Bezug auf Gerechte und Frevler gerechte Urteile zu fällen. Gitay (Isaiah 69) zufolge redet nur vlO die Führer des Volkes an. In v l l verwende Jesaja einen weisheitlichen Lehrsatz, der die Führer des Volkes als Frevler ausweisen soll. Vgl. Wiklander, Prophecy 237-239.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

187

Mit a r p ^ y a 'ihre Taten' nimmt vlO ein Wort auf, das sich in dieser Form im Jesajabuch sonst nur im voranstehenden v8 findet (vgl. vl2). Das plurale Suffix in vlOb, das dem Singular von vlOa zuwiderläuft, läßt sich nur mit der Abhängigkeit von v8 erklären. Inhaltlich meint Ο Π ^ ^ Ϊ ΰ 'ihre Taten' in vlO etwas anderes als in v8. Dort bezieht sich das Suffix auf die Jerusalemer und Judäer, in vlO dagegen auf die Gerechten. Im ersten Fall sind schlechte Taten gemeint, im zweiten dagegen gute. V l l übernimmt aus v9: *? ι i S 'wehe dem ...' sowie die Wurzeln Π5Π 'schlecht sein' und 'antun'. Im Aufbau sind vlO und 11 jeweils v9 nachgebildet. Dem Weheruf bzw. der Seligpreisung folgt ein "'3-Satz, der sich auf das Ergehen bezieht.8 VlOf knüpft also an v8f an und erweist sich so als Fortschreibung von vl-9.

Welche Funktion haben die weisheitlich belehrenden10 Verse Jes 3,1 Of für ihren Kontext? Mehrere Aspekte sind zu nennen. 1. Der Wehe-Ruf soll im Kontext möglicherweise die Funktion einer Begründung haben. Weil grundsätzlich gilt, daß Frevler ein unheilvolles Ende nehmen, müssen auch die im Kontext Angeklagten zugrunde gehen. Ein Redaktor würde einen weisheitlichen Grundsatz auf die im Kontext angesprochene Situation applizieren, um das in sie ergangene Gotteswort argumentativ zu untermauern.11 2. Als Vorspann zu vl2-15 rücken vlOf die dortige Gegenüberstellung von den brutalen Führern des Volkes und den Armen in ein neues Licht. Liest man vl2-15 nämlich von vlOf her, so muß man die in vl2-15 angeklagte Oberschicht mit den Frevlern identifizieren. Die dieser Oberschicht gegenüberstehenden Armen erscheinen dann als die Gerechten. Diesen Armen, die in vl2-15 nur als Opfer im Blick sind, gilt im jetzigen Kontext die Seligpreisung von vll. Sie erhalten also durch die Zufügung von vi Of eine Verheißung und sind dadurch nicht mehr nur Opfer, sondern als Gerechte auch Empfänger des Heils. 3. Als Fortschreibung von vl-9 hat vlOf auch ein seelsorgerliches Anliegen. Die Verse betonen gegenüber der Unheilsansage von vl-9, daß es auch Heil gibt. Vl-9 schließt mit einem Weheruf über die Jerusalemer ο

Vgl. dagegen den "'B-Satz von v8. 9

Nach Hemtrich (ATD 1950) wurde zunächst nur v l l , erst später auch vlO zugefügt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß vlO dann eher hinter als vor v l l eingefügt worden wäre. Außerdem setzt v l l vlO voraus, wenn man vor ST nicht ein "B0 und ^Bb hergestellten Kontextbezügen vgl. Wolff, BK 31976; Gamberoni, Weise 203-205. Nach Sheppard (Wisdom 132-134) stellen auch ^ΊΤ und η·?Π Kontextbezüge her. M.E. sind diese Wörter dafür jedoch zu wenig signifikant.

2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

219

Auf welches Verstehensproblem bezieht sich die Frage von vlOa? Liest man die Frage von der Antwort in vlOb mit ihrer Gegenüberstellung von Heil und Unheil her, so wird deutlich, was sie ausgelöst hat. Die Frage nach dem rechten Verständnis des Hoseabuchs stellt sich nämlich angesichts des Nebeneinanders von Heils- und Unheilsankündigung im Hoseabuch.13 Wie ist dieses Nebeneinander zu verstehen? Hos 14,10 bietet eine Antwort auf diese Frage: Jahwes Wege sind gerade, sein Walten ist richtig! Jahwe schwankt nicht zwischen Heil und Unheil, sondern läßt den Frevlern Unheil, den Gerechten dagegen Heil widerfahren. Die Heils- und Unheilsankündigungen des Hoseabuchs werden hier also auf unterschiedliche Gruppen bezogen. Damit erhalten die Ankündigungen Hoseas einen neuen Bezug. Der Prophet hatte Israel Unheil angekündigt, aber auch eine allein in der Liebe Jahwes zu seinem Volk gegründete, dem Unheil folgende Heilszeit. Der Verfasser von 14,10 bezieht Unheil und Heil nicht mehr auf zwei Phasen der Zukunft Israels, sondern auf das Sünder und Gerechte je und je treffende unheil- bzw. heilvolle Ergehen. So erhält die hoseanische Ankündigung der Abfolge von Unheil und Heil durch die Einführung der weisheitlichen Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern einen neuen Sinn. Hos 14,10 bezieht sich, wie seine exponierte Stellung am Ende des Buches deutlich macht, auf das ganze Buch. Der Vers verleiht dem Hoseabuch grundsätzliche Gültigkeit.14 Hosea kündigte dem Nordreich wegen dessen Sünden (yn)S) den Fall an, dem dann aufgrund der unendlichen Liebe Jahwes eine neue Heilszeit folgen sollte. Schon frühe Redaktoren haben Hoseas Ankündigung auf Juda bezogen und damit in eine andere Zeit übertragen.15 Hos 14,10 führt diesen Übertragungsprozeß fort. Die Gerichtsankündigung gilt jetzt allen Sündern, die Heilsankündigung dagegen allen Gerechten. Das Hoseabuch richtet sich jetzt nicht mehr an die Israeliten des 8. Jh.s oder die Judäer des 7./6. Jh.s,

13

Vgl. Willi-Plein, Vorformen 235f; Naumann, Erben 182f.

14

Vgl. Jeremias, ATD 1983; Sheppard, Wisdom 134; Gamberoni, Weise 213-217; Naumann, Erben 182f.

15

Vgl. Jeremias, ATD 1983,18.

220

I. Textuntersuchungen

sondern an alle Menschen zu allen Zeiten. Der Zusatz löst das Buch aus seinem historischen Kontext, dem ursprünglichen wie dem redaktionellen, und faßt seine bleibende Aussage zusammen. Dem Leser wird dadurch ein hermeneutischer Schlüssel in die Hand gegeben, mit dem er das Buch, das er ohne diesen als historisches Dokument des 8. bzw. 7./6. Jh.s lesen könnte, als je und je aktuelle und damit auch ihn angehende Schrift verstehen kann. Er lernt in ihr, daß Jahwe die Sünder vernichtet, den Gerechten jedoch eine heilvolle Zukunft schenkt. Er muß also wie ein Gerechter auf den Wegen, d.h. nach den Gesetzen, Jahwes wandeln, will er aufgrund der Wege, d.h. des Waltens, Jahwes heilvoll leben. Der Verfasser von 14,10 aktualisiert das Hoseabuch also nicht, indem sie es in eine andere historische Situation überträgt, sondern er versteht es im Sinne einer zeitlos gültigen Aussage, die auf alle konkreten Situationen übertragbar ist, in der es Gerechte und Frevler gibt. Hos 14,10 enthebt das Hoseabuch also seinem ursprünglichen historischen Kontext. Es wird weisheitlich interpretiert, ja es erscheint jetzt als Ausführung der grundsätzliche Gültigkeit beanspruchenden Lehre vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten. Zusammenfassung: In Hos 14,10 findet sich ein Zusatz, der das Hoseabuch im Licht der weisheitlichen Lehre vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten versteht. Unheil und Heil werden jetzt nicht mehr Israel als zwei einander folgende Phasen seiner künftigen Geschichte angekündigt, sondern als das Frevler und Gerechte je und je treffende Ergehen. Das Buch bezieht sich jetzt nicht mehr auf eine einmalige historische Situation, sondern drückt eine allzeit gültige Wahrheit aus.

2. Hauptteil Ergebnis

Heil den Gerechten - Unheil den Sündern! Wo, in welchen Schichten und vor allem mit welcher Intention wird diese Gegenüberstellung in den Prophetenbüchern verwendet? Das ist die Frage, mit der sich die vorliegende Untersuchung auseinandersetzt. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß die Gegenüberstellung in echten Prophetenworten nur relativ selten, nämlich nur bei Habakuk, Ezechiel und vielleicht auch Nahum begegnet, daß sie aber des öfteren in redaktionellen Fortschreibungen prophetischer Texte anzutreffen ist. Bezüglich der Intention ist zu differenzieren.

1. Die Verwendung des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten bei den Propheten

1.1. Zusammenfassende Darstellung der Texte

Der Prophet Habakuk kündigt das Gericht nicht dem ganzen Volk an, sondern unterscheidet zwischen Bedrückern und Bedrückten. Seine Unheilsankündigung gilt nur den Bedrückern. Er formuliert diese Ankündigung in der Form von Wehe-Rufen (Hab 2), also in einer Gattung, für die eine genaue Charakterisierung der Täter und damit eine genaue Beschreibung des angesprochenen Personenkreises konstitutiv ist. So macht er deutlich, daß das angekündigte Unheil keineswegs das ganze Volk treffen wird, sondern nur die in ihrem Tun beschriebenen Täter.

224

II. Ergebnis

Der Weheruf hat damit bei Habakuk eine etwas andere Funktion als bei früheren Propheten. Auch bei ihnen wird er über bestimmte, in ihrem Tun beschriebene Personen ausgerufen, aber diese Personen gelten dort als Exponenten des Volkes. Das über sie ausgerufene 'Wehe' meint letztlich den Untergang des ganzen Volkes, nicht nur den der Täter. Bei Habakuk sind dagegen exklusiv die Täter gemeint. Bei ihm steht nämlich neben dieser Unheilsankündigung die voll Vertrauen geäußerte Erwartung, daß Jahwe zur Rettung der unterdrückten Gerechten einschreiten wird (Hab 3). Diese Botschaft, die den Unterdrückern Unheil, den Unterdrückten dagegen Heil ankündigt, möchte Habakuk argumentativ begründen. Deswegen eröffnet er seine Ankündigungen mit dem in weisheitlichem Stil formulierten Spruch: "Siehe, gebeugt wird, wessen Seele nicht aufrecht in ihm ist, aber der Gerechte wird wegen seiner Rechtschaffenheit leben." Dieser Satz bildet eine Argumentationsbasis. Auf ihn aufbauend ruft Habakuk nämlich über verschiedene, in ihrem Tun beschriebene Übeltäter ein 'Wehe' aus, das diese in den Bereich des Todes stellt. So konkretisiert der Prophet das, was er in einem Spruch zuvor weisheitlich allgemein formuliert hat. Er wendet die Lehre vom Untergang der Frevler auf seine konkrete Situation an, eine Situation, in der sich Leute, die wohl zur Jerusalemer Oberschicht gehören, schwerer Vergehen schuldig gemacht haben. Sie haben ihre Mitmenschen unterdrückt und vielleicht auch an Götzenkulten teilgenommen. Deswegen sind sie als Frevler zu betrachten, und da Frevler nach der zeitlos gültigen und von allen anerkannten weisheitlichen Lehre ein unheilvolles Ende nehmen, muß die Unheilsankündigung, die der Prophet an diese Menschen richtet, jedem als notwendige Folge ihres Tuns einleuchten. Entsprechendes gilt für die in Hab 3 zum Ausdruck gebrachte Heilserwartung des Propheten. Habakuk vertraut darauf, daß Jahwe die Frevler vernichten und so die Gerechten retten wird, die nach Kap. 1 von den Frevlern unterdrückt werden. Der Verweis auf die in 2,4 formulierte Lehre, daß der Gerechte wegen seiner Rechtschaffenheit leben wird, soll die Heilserwartung des Propheten begründen. Weil nämlich grundsätz-

1. Die Verwendung des Motivs bei den Propheten

225

lieh gilt, daß die Gerechten leben werden, dürfen auch die unterdrückten Gerechten in Jerusalem darauf vertrauen, gerettet zu werden. Fazit: Was die weisheitliche Lehre vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten als etwas zeitlos Gültiges formuliert, gilt - so die Verkündigung Habakuks - hic et nunc für die in Jerusalem einander gegenüberstehenden Gruppen. Der Prophet appliziert die Lehre also auf seine konkrete Situation. So will er die Hörer von der Richtigkeit seiner Botschaft überzeugen. Schon vor Habakuk greift möglicherweise Nahum mit der gleichen Absicht auf die besagte Lehre zurück. Sollte der das Buch eröffnende Psalm nämlich zum ursprünglichen Bestand des Nahumbuches gehören, so hat die dort geäußerte Vertrauensaussage, daß Jahwe seine Feinde vernichten, die frommen Beter jedoch retten wird, die Funktion einer Argumentationsbasis. Im Kontext des Buches, das sich auf die politische Situation im 7. Jh. v. Chr. bezieht, bedeutet die Aufnahme dieser Vertrauensaussage, daß sie auf diese Situation appliziert wird. Sie belegt die Botschaft des Propheten. Das assyrische Reich muß als Feind Jahwes untergehen und Juda als Volk der Frommen gerettet werden. Außer bei Habakuk und vielleicht Nahum findet sich das Motiv vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten in Prophetenworten nur noch bei Ezechiel. Auch hier hat die Verwendung des Motivs eine argumentative Funktion. Inhaltlich geht es Ezechiel jedoch um etwas ganz anderes als Habakuk oder Nahum. Ez 14,12-21 und 9,1-11 stehen im Kontext der Gerichtsankündigung des Propheten, die in den beiden Texten in ihrer ganzen Radikalität deutlich wird. Ez 14,12-21 geht von dem kasuistisch formulierten Rechtssatz aus, daß Jahwe ein sündiges Volk vernichten, die vereinzelten Gerechten, die es auch in einem solchen Volk geben mag, jedoch retten wird. Dieser Rechtssatz mit seiner Gegenüberstellung von Sündern und Gerechten wird auf Jerusalem appliziert, um festzustellen, daß es keinen Gerechten gibt, und um so die Ankündigung der totalen Vernichtung Jerusalems zu begründen. Das Motiv der Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten dient in Ez 14 also dazu, die Totalität der Schuld aller einzelnen deutlich zu machen. Ein Gerechter wird

226

II. Ergebnis

nach geltendem und jedem einleuchtendem Recht gerettet. Rettung ist also möglich. Jedoch bleibt diese Möglichkeit für Jerusalem eine rein theoretische, da es in der Stadt keinen Gerechten gibt. Alle sind, das wird auf der Kontrastfolie der Rettung der Gerechten drastisch vor Augen geführt, schuldig und müssen deswegen umkommen. Die Totalität der Schuld soll in Ez 14 also jedem deutlich werden, um so die Ankündigung eines totalen Gerichts zu begründen. Ez 9,1-11 ist mit Ez 14,12-21 vergleichbar. Auch dieser Text geht von dem Grundsatz aus, daß die Sünder getötet und die Gerechten gerettet werden. Bei der Applikation des Grundsatzes auf Jerusalem wird nach einer Sichtung aller Einwohner jedoch festgestellt, daß es - sieht man vom Propheten ab - keinen Gerechten gibt und daß deswegen die ganze Stadt vernichtet werden muß. Die Verkündigung vom Heil der Gerechten bietet also wie in Ez 14 eine Kontrastfolie. Auf dem Hintergrund, daß es keinen Gerechten gibt, wird die Totalität der Schuld aller Jerusalemer in ihrem ganzen Umfang deutlich, und die Totalität des Gerichts erscheint damit als begründet. Eine völlig andere Intention verfolgt Ezechiel in Kap. 18 und 33,1020. Hier ruft er die verzweifelten Israeliten zur Umkehr. Sie sollen Gerechtigkeit üben, um zum Leben zu kommen. Die Verwendung des Motivs vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten hat auch hier eine argumentative Funktion. Ezechiel geht von der kultischen Praxis aus. Im Tempelbereich stellt der Priester fest, ob jemand ein Gerechter oder ein Frevler ist, um ihm dann in einem deklaratorischen Akt Leben oder Tod zuzusprechen. Dabei mag ein Gerechter in der Vergangenheit durchaus einmal ein Sünder gewesen sein, entscheidend ist, daß er sich inzwischen von seiner Sünde abgekehrt hat und jetzt ein Gerechter ist. Als solcher wird er leben. Diese kultische Praxis appliziert Ezechiel auf Israel, um zu zeigen, daß Umkehr und nur Umkehr zum Leben führt. Wie der einzelne, so steht auch Israel vor der Alternative, als Gerechter zu leben oder als Frevler zu sterben. Das bedeutet, daß die Möglichkeit zur Umkehr und damit zum Leben von Gott her gegeben ist. Der Verweis auf die aus dem Kult bekannte Gegenüberstellung vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten kann und soll davon überzeugen, daß es für

1. Die Verwendung des Motivs bei den Propheten

227

Israel einen Weg zum Leben gibt und daß Umkehr das Gebot der Stunde ist, um zum Leben zu kommen.

1.2. Die argumentative Absicht der Propheten

Das Motiv vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten hat bei den Propheten die Funktion einer Argumentationsbasis. Es kann diese Funktion übernehmen, da es einer allgemein anerkannten Lehre Ausdruck gibt. Die Propheten applizieren diese Lehre auf eine konkrete historische Situation, um ihre jeweilige Botschaft, das in eine konkrete Situation ergangene Jahwe-Wort, einleuchtend zu machen. Die Lehre erscheint in den Texten im Rahmen unterschiedlicher Traditionen. Habakuk geht in 2,4 von dem in weisheitlichem Stil formulierten Spruch aus, daß es den Gerechten gut, den Frevlern dagegen schlecht geht. Nahum setzt - sofern l,2ff ursprünglich ist - in l,7f mit der psalmistisch geprägten Vertrauensaussage ein, daß Jahwe die Frommen rettet, seine Feinde jedoch zugrunde richtet. Ez 14,12ff hat einen juristischen Hintergrund. Der Text wird von einem kasuistisch formulierten Rechtssatz eröffnet, der besagt, daß ein sündiges Land vernichtet, einzelne Gerechte darin jedoch gerettet werden. Ez 18 schließlich geht von der kultischen Auffassung und Praxis aus, nach der der Priester dem Gerechten Leben, dem Frevler dagegen den Tod zuspricht. Die prophetischen Texte entnehmen das Motiv vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten also verschiedenen Lebensbereichen. Die Texte unterscheiden sich auch in bezug auf die Argumentationsziele. Habakuk will einleuchtend machen, warum die zur Jerusalemer Oberschicht gehörenden Unterdrücker untergehen, die Unterdrückten jedoch leben werden. Nahum möchte die Heilszusage begründen, daß Juda gerettet und der Feind Assur vernichtet werden wird. Ezechiel will in Kap. 9,1-11 und 14,12-21 aufzeigen, warum alle Jerusalemer umkommen müssen und niemand gerettet wird. Demgegenüber will er in den

228

II. Ergebnis

wohl später anzusetzenden Kap. 18 und 33,10-20 zeigen, daß Israel leben kann und keineswegs resignieren muß. Den Habakuk- und Ezechieltexten, die zumindest theoretisch innerhalb Israels zwischen Gerechten und Frevlern unterscheiden, ist gemein, daß sie die Realisierung des Heils an ein bestimmtes menschliches Verhalten als Bedingung knüpfen. Der Gerechte wird aufgrund seiner Gerechtigkeit leben (ήΠ3 s!083 Svegen seiner Rechtschaffenheit' Hab 2,4; 'wegen ihrer Gerechtigkeit' Ez 14,14.20; i n 2 Svegen seiner Gerechtigkeit' Ez 18,22).1 Das rechte Verhalten ist also eine conditio sine qua non für die Teilhabe an dem von Gott geschenkten Heil. Das ist zwar im Grunde auch bei Nahum so. Da die Gegenüberstellung von Frommen und Feinden Jahwes hier jedoch anders als bei Habakuk und Ezechiel auf die nationalen Größen Juda und Assur zielt und eine innerisraelitische Scheidung von Gerechten und Frevlern nicht im Blick ist, hat das rechte Verhalten hier nicht den Stellenwert einer Bedingung. Es wird vielmehr selbstverständlich vorausgesetzt, daß es sich bei Juda um das Volk der Frommen handelt.

1.3. Die Propheten als theologische Denker

Was bedeutet die Verwendung des Motivs vom Heil der Gerechten und Unheil der Sünder für unser Verständnis der betreffenden Propheten? Diese Propheten erweisen sich zumindest in den besprochenen Texten als theologische Denker. Dieser Begriff scheint mir mit Ο. H. Steck "da anwendbar, wo innerhalb der überlieferten Worte eines Propheten neben der gewohnten prophetischen Verkündigung Aussprüche auftreten, die nicht nur Denkbewegungen zur Voraussetzung haben, sondern theologische Gedankengänge explizit darbieten.... Kurz: der überlieferte

Übereinstimmend formulieren Hab 2,4 und Ez 18,22 die Heilszusage mit ΓΡΓΡ 'er wird leben' als Lebenszusage.

1. Die Verwendung des Motivs bei den Propheten

229

Verkündigungsbestand eines Propheten, den man als theologischen Denker zu charakterisieren hätte, müßte so beschaffen sein, daß er unbeschadet der allumfassenden Autorität des Jahwewortes Aussagen einschließt, in denen der Prophet ausdrücklich auf die Wahrheit, auf die Begründung der ihm aufgetragenen Botschaft theologisch reflektiert."2 Als theologischer Denker kann ein Prophet also bezeichnet werden, sofern er seine Botschaft theologisch-argumentativ vorträgt. Damit ist nicht der durchaus auch als argumentativ zu bezeichnende Verweis auf die Situation gemeint, wie er sich im Scheltwort zur Begründung der Anklage findet, sondern allein der Rückgriff auf die theologische Tradition. Das aktuelle Prophetenwort wird - darin erweisen sich die Propheten als theologische Denker - in bezug auf die traditionelle theologische Lehre durchdacht, um es plausibel zu machen. Genau das ist in den hier besprochenen Texten der Fall. Die Texte wollen überzeugen und das, was sie ankündigen, belegen. Die Propheten reden nicht über die Köpfe der Leute hinweg, sondern holen sie bei dem ab, was allgemein bekannt ist, um von dort zur Sache zu kommen, zu dem in die konkrete Situation ergehenden Gotteswort.

1.4. Zur Geschichte der Prophetie

Was bedeutet das Gesagte für die Geschichte der Prophetie? Das Motiv vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten begegnet bei den Propheten erst in relativ später Zeit, nämlich ab dem Ende des 7. Jh.s. Ez 9,1-11 und 14,12-21 bleiben, was die Ankündigung angeht, ganz im Rahmen der traditionellen Gerichtsprophetie. Die Gegenüberstellung dient hier dazu, die das ganze Volk betreffende Unheilsankündigung in aller 2

Ο. H. Steck, Deuterojesaja als theologischer Denker, KuD 15 (1969), 280-293, 281f; auch in: ders., Wahrnehmungen Gottes im Alten Testament (TB 70), München 1982, 204-220, 206. Vgl. K. Koch, Die Profeten I. Assyrische Zeit (UTB 280), Stuttgart u.a. 2 1987, 9.15f; Schmidt, Erkenntnis 161-181.

230

II. Ergebnis

Schärfe zum Ausdruck zu bringen. Das bevorstehende Gericht soll vor dem Hintergrund der möglichen Rettung einzelner Gerechter angesichts des Fehlens solcher Gerechter in seinem ganzen Umfang deutlich werden. Anders Ez 18 und 33,10-20! Hier zielt die Verwendung des Motivs darauf, eine Heilsperspektive zu eröffnen. Heil ist möglich! Dabei wird, und insofern bleiben auch diese Texte im Rahmen der klassischen Prophetie, ganz Israel angeredet. Vom einzelnen wird nur insofern gesprochen, als sich die aufgenommene Lehre, daß der Gerechte leben, der Frevler hingegen sterben wird, im Kult auf den einzelnen bezieht. Ezechiel überträgt sie auf Israel. Wie der einzelne durch Umkehr Heil erlangen kann, so auch Israel als Volk. Eine ähnliche Form der Applizierung von Aussagen, die in ihrem ursprünglichen Kontext den einzelnen im Blick haben, auf Israel findet sich vielleicht schon bei Nahum. Die dortige Gegenüberstellung von frommen Jahwe-Verehrern und den hier als Feinde Jahwes bezeichneten Gottlosen wird auf Juda und Assur übertragen. Es geht also wie bei Ezechiel um das Volk als Ganzes und nicht um eine Aufteilung des Volkes in zwei Gruppen. Der Unterschied zu Ezechiel besteht allerdings darin, daß Nahum seinem Volk Heil ankündigt, Ezechiel ihm dagegen Unheil ansagt bzw. es nach dem Eintreffen des Gerichts zur Umkehr ruft. Einen anderen Stellenwert hat das Motiv vom Unheil der Frevler und Heil der Gerechten bei Habakuk. Es erscheint hier erstmals im Rahmen einer differenzierten Zukunftsankündigung. Der kurz vor Ezechiel anzusetzende Prophet kündigt zwei historisch konkreten Gruppen im Volk ein unterschiedliches Ergehen an. Das ist gegenüber der klassischen Schriftprophetie neu. Schon die Propheten des 8. Jh.s hatten hinsichtlich des menschlichen Handelns zwischen Unterdrückern und Unterdrückten unterschieden, nicht aber hinsichtlich des von Jahwe heraufgeführten Ergehens. 3 Davon, daß die Unterdrückten vom angekündigten Gericht ausgenommen würden und einer heilvollen Zukunft entgegengingen, ist bei den früheren Propheten keine Rede, ja Ezechiel kündigt sogar expressis verbis an, daß Jahwe Frevler und Gerechte in gleicher

3

Zum Problem vgl.o.S. 17 Anm. 21.

1. Die Verwendung des Motivs bei den Propheten

231

Weise vertilgen wird (21,8f). Nicht das individuelle menschliche Handeln, sondern allein Jahwes Beschluß entscheidet hier über die Zukunft, und dieser Beschluß betrifft das Volk als Ganzes. Diese Volksperspektive gehört zur Radikalität der Propheten. Erst Habakuk kündigt eine differenzierte Zukunft an: Die Unterdrücker wird Jahwe töten, die unterdrückten Gerechten dagegen retten.

2. Die Verwendung des Motivs vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten bei den Redaktoren der Prophetenbücher

Die Propheten kennen - abgesehen von Habakuk -, was die Zukunftsankündigung angeht, keine Differenzierung zwischen Sündern und Gerechten. Ganz anders manche späteren Redaktoren! Für sie mußte sich die Frage stellen, wie man die Heils- und Unheilsankündigungen der Propheten in einer neuen Zeit verstehen sollte, und auch, wie man sie auf einen Nenner bringen konnte. Die radikale Volksperspektive der Propheten war zudem anstößig. Wie konnte Gott das Gericht so undifferenziert allen ansagen? Die in der vorliegenden Untersuchung vorgestellten Redaktoren lösen die damit umrissenen Probleme, indem sie die menschlichem Denken und Gerechtigkeitsempfinden viel eher entsprechende Vorstellung, daß Gerechte belohnt und Sünder bestraft werden, aufnehmen und an die Verkündigung der Propheten herantragen. Dadurch erhalten prophetische Heils- und Unheilsworte, ja zum Teil ganze Prophetenbücher 1 ein neues theologisches Profil. Die Gerichtsankündigungen der Propheten zielen im Licht der betreffenden redaktionellen Bearbeitungen nicht mehr auf die Vernichtung des ganzen Volkes, sondern auf die der Frevler. Die Gerechten trifft das Gericht nicht. Umgekehrt gelten auch Heilsankündigungen nicht mehr dem ganzen Volk, sondern nur den Gerechten. Dabei wird nicht gesagt, daß sich diese das Heil erarbeiten oder verdienen könnten, sondern nur, daß sie an dem von Gott gesetzten Heil partizipieren werden. Sie verfügen nicht über das

1

S.u.S. 263-265.

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

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Heil, dürfen jedoch gewiß sein, daß Gott es ihnen schenken wird - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Inhaltlich begegnet das Motiv vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten in zwei verschiedenen Formen: Zum einen kann die Vernichtung der Sünder dem Heil der Gerechten zeitlich vorangehen. Die prophetische Gerichtsankündigung wird dann redaktionell als Ansage eines Läuterungsgerichts verstanden, in welchem Israel von seinen Sündern gereinigt wird, damit die Gerechten danach in einer heilvollen Welt leben können. Das Gericht dient hier letztlich der Durchsetzung der eschatologischen Heilszeit. Zum anderen begegnet das Motiv in der Form, daß Heil und Unheil als zwei Zukunftsperspektiven gegenübergestellt werden, die den einzelnen je und je treffen.

2.1. Heil für die Gerechten nach der eschatologischen Vernichtung der Sünder

2.1.1. Zusammenfassende Darstellung der Texte Die Vorstellung von einem Israel betreffenden Läuterungsgericht findet sich in Jes l,27f; 25,4f; 26,4-6.7ff; 29,17-21; 33,7-16; 56-66; Jer 30,23f; Ez 20,32-38; 34,17-22; Am 9,8b-10; Zeph 2,3.7.9b; 3,11-13 und Mal 3,13-21. Die meisten der genannten Texte stehen im Kontext prophetischer Gerichtsankündigungen. So schränkt der Verfasser von Am 9,8b-10 die ganz Israel geltende radikale Unheilsankündigung des Arnos dahingehend ein, daß Jahwe Israel nicht völlig vernichten wird. Jahwe wird das Volk wie mit einem Sieb schütteln, um die Sünder auszusondern. Erst dann wird das von Arnos angekündigte Schwert kommen, jetzt allerdings nicht um das Volksganze, sondern um die Sünder des Volkes zu töten. Diese Einschränkung des Gerichts auf die Übeltäter impliziert, auch

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II. Ergebnis

wenn dies nicht ausdrücklich gesagt wird, daß die Gerechten dem Schwert nicht anheimfallen. In Jes 29,17-21 findet sich ein vergleichbarer Zusatz. Er bezieht die voranstehende, ganz Jerusalem betreffende Unheilsankündigung auf die Sünder. Nur sie werden in dem angekündigten Gericht umkommen. Für die leidenden Frommen wird dagegen eine Heilszeit beginnen, die anders als in Am 9,8b-10 anschaulich ausgemalt wird. Was Am 9,8b-10 und Jes 29,17-21 jeweils in relativ kurzen Zusätzen sagen, findet sich im Zephanjabuch in einer 2,3.7.9b; 3,11-13 umfassenden Redaktionsschicht. Der Prophet Zephanja kündigt den Jerusalemern der zweiten Hälfte des 7. Jh.s ein umfassendes, sie alle treffendes Gericht an. Seine Unheilsankündigung entspricht in ihrer Radikalität der der Propheten Arnos und Jesaja, die im 8. Jh. dem Volksganzen - im einen Fall der Bevölkerung des Nord-Reichs, im anderen der Jerusalems - unter Aufnahme der auch für Zephanja zentralen Jahwe-Tag-Tradition das Gericht ansagen, ohne zwischen Gerechten und Sündern zu differenzieren. Der Redaktor des Zephanjabuchs schränkt die umfassende Gerichtsankündigung des Propheten auf die Stolzen ein. Den Demütigen wird das Gericht nichts anhaben. Ihr Heil ist anders als in Am 9,8b-10 nicht nur impliziert, sondern breit ausgeführt. Nachdem 2,3 den Demütigen die Rettung am Tag Jahwes zunächst nur mit einem vorsichtigen "vielleicht" O ^ i K ) in Aussicht stellt, verheißen ihnen die folgenden Stellen, daß Jahwe ihr Geschick wenden wird, sie die Gebiete fremder Völker besitzen und dort in einem unrechtsfreien Friedenszustand leben werden. Für sie wird der kommende Tag Jahwes kein Tag des Gerichts, sondern ein Tag des Heils sein. Ez 20,32-38 kündigt, nachdem vl-31 die Abwendung Jahwes mit der totalen Sündhaftigkeit des Volkes begründet haben, die Königsherrschaft Jahwes über Israel an, zu welcher Gericht und Rettung gehören. Jahwe wird zwar ganz Israel aus der Gefangenschaft des Exils führen, aber auf dem Weg durch die Wüste soll ein Läuterungsgericht stattfinden, bei dem Jahwe die Sünder aussondert. Sie sollen nicht ins Land gelangen. Der Zorn Jahwes, der sich in vl-31 immer gegen das ganze Volk richtet, trifft nach v32-38 nur die Sünder. Vom Heil der Gerechten ist wie in Am

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

235

9,8b-10 nicht ausdrücklich, sondern nur implizit die Rede. Sie werden gerettet und dürfen heimkehren, um, wie die später zugefügten Verse 39ff sachlich durchaus zutreffend explizieren, Jahwe auf seinem heiligen Berg zu dienen. Mal 3,13-21* bietet eine Fortschreibung der ausweislich des Kontexts wohl ganz Israel geltenden Gerichtsankündigung 2,17-3,5*. Nach dieser Fortschreibung trifft das Gericht Jahwes nicht ganz Israel, sondern nur die Frevler. Über den Gerechten wird dagegen die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen. Neben den damit genannten Zusätzen zu Unheilsankündigungen stehen solche zu Heilsankündigungen: Ez 34,17-22; Jer 30,23f und die Redaktionsschicht des Tritojesajabuchs. Ez 34,17-22 gehört hierher, weil der voranstehende Text vi-16, auch wenn er den Hirten das Gericht ansagt, der Herde als ganzer Heil verheißt. Erst ν 17-22 unterteilen das Volk, von dem im Bild der Herde gesprochen wird, in gewalttätige Sünder und ihre unterdrückten Opfer. Zwischen diesen beiden Gruppen wird Jahwe richten. Die in vl-16 der ganzen Herde angekündigte Rettung soll jetzt nur einem Teil der Herde, nämlich nur den unterdrückten Opfern, zukommen, nicht jedoch den wegen ihrer Brutalität angeklagten Unterdrückern. Deren Vernichtung wird, da sie aus der Bildhälfte fällt, nicht ausdrücklich angekündigt, jedoch ausweislich der Form des Gerichtswortes deutlich vorausgesetzt. Somit kann auch im Zusammenhang von Ez 34,17-22 von einem Läuterungsgericht gesprochen werden. Der Text ist deswegen Ez 20,32-38 vergleichbar. Dort wird hervorgehoben, daß die Sünder nicht ins Land gelangen, hier, daß nur die gerettet werden, die ihren Mitmenschen nichts Böses getan haben. Beide Texte gipfeln in der Erwartung einer von Sündern befreiten Gemeinde der Gerechten. In Jer 30,23f findet sich ein aus Jer 23 aufgenommenes Wort gegen die Frevler. Im Anschluß an die voranstehende Heilsrede hebt es hervor, daß nur die Gerechten an dem angekündigten Heil partizipieren, die Frevler dagegen dem endzeitlichen Gericht anheimfallen. Für den Redaktor und eigentlichen Verfasser des Tritojesajabuchs ist die Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern von zentraler Be-

236

II. Ergebnis

deutung. Im Kontext eines konkreten innergemeindlichen Konflikts kündigt er seinen Gegnern das Gericht an: Als Frevler und Feinde Jahwes werden sie umkommen. Umgekehrt verheißt er den unter den Machenschaften dieser Gegner leidenden und als 'Knechte Jahwes' bezeichneten Gerechten das Heil, das Tritojesaja dem ganzen Volk angesagt hatte. Die verbleibenden Texte stehen in Zusammenhängen, die sowohl Unheil als auch Heil ankündigen. Jes l,27f bietet eine Fortschreibung von Jes 1,21-26, welche die jeweils ganz Jerusalem betreffende Gerichts- und Heilsankündigung dieser Verse auf Sünder und Gerechte bezieht. Das Gericht wird jetzt nicht mehr als ein radikales, das Volksganze treffendes Vernichtungsgericht verstanden, sondern als ein Läuterungsgericht, dem nur die Gruppe der Sünder anheimfällt. Die der Gerechten wird dagegen im eschatologischen Jerusalem heilvoll leben. Jes 24-27* kündigen ein die ganze Welt betreffendes endzeitliches Vernichtungsgericht an, zugleich aber auch eine ebenfalls alle Völker umschließende, dem Gericht folgende eschatologische Heilszeit. In Jes 25,4f und 26,4-6 haben die Kapitel eine Fortschreibung erfahren, die den genannten Ankündigungen einen neuen Horizont gibt. Die Verse, die vermutlich im Blick auf einen aktuellen sozialen Konflikt formuliert wurden, sagen von Jahwe in psalmistischer Sprache, daß er die Unterdrücker vernichtet, die Unterdrückten jedoch rettet. Die Ankündigungen des Kontexts werden dadurch auf innerisraelitische Gruppen bezogen. Die Gerichtsankündigung gilt jetzt dem Typos des Frevlers, der sich in den Unterdrückern manifestiert, die Heilsankündigung dagegen dem des leidenden Gerechten bzw. den Unterdrückten. Eine argumentative Stütze erhält die Verkündigung dieser Fortschreibungsschicht durch Jes 26,7ff. Der psalmistisch geprägte Text bekräftigt, daß Jahwe ein Gott ist, der die Frevler vernichtet und den Gerechten hilft. Die Fortschreibung Jes 33,7-16 nimmt die Unheils- und Heilsankündigungen von Jes 28-32 auf, bezieht sie aber auf zwei einander gegenüberstehende Gruppen. Jahwe wird die Frevler bei seinem Erscheinen dem Feuer übergeben, den Gerechten dagegen Heil schenken.

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

237

2.1.2. Zur Arbeitsweise der Redaktoren Formal lassen sich die genannten Texte in drei Gruppen einteilen. Wir haben es zum ersten mit Zusätzen zu tun, die mit dem fortgeschriebenen Grundtext eine Einheit bilden bzw. sich eng an diesen binden (Jes l,27f; 25,4f; 26,4-6; Jer 30,23f; Am 9,8b-10; Zeph 2,3.7.9b), zum zweiten mit relativ selbständigen Einzeltexten (Jes 29,17-21; 33,7-16; Ez 20,32-38; 34,17-22; Zeph 3,11-13; Mal 3,13-21*) und zum dritten mit einem umfassenden Werk, dem Tritojesajabuch.

2.1.3. Die Schilderung des Läuterungsgerichts Die hier zur Diskussion stehenden Fortschreibungen erwarten ein Läuterungsgericht, welches Israel reinigt, indem zunächst Sünder und Gerechte getrennt und die Sünder dann vernichtet werden, damit schließlich die Gerechten in einer von Frieden und Gerechtigkeit geprägten Welt leben können. Der Vorgang der Trennung wird zuweilen bildlich beschrieben. Am 9,9 spricht von einem groben Sieb, mit dem man Steinchen aus dem Getreide entfernt. Jahwe wird Israel wie mit einem solchen Sieb schütteln, um die Sünder auszusondern. Ez 20,37f verbindet zwei verschiedene Bilder miteinander. Zunächst erscheint Jahwe als ein Hirte, der seine Herde unter dem Stab hindurchführt, um so alle einzelnen zu sichten. Die eigentliche Trennung wird dann im Bild einer Reinigung ausgedrückt. Jahwe wird das Volk von Sündern säubern. Dieses Bild der Reinigung zielt ebenso wie das Bild des Siebens auf eine Trennung von Sündern und Gerechten. In Ez 34,17-22 wird, auch wenn wir es hier im ganzen mit einer Bildrede zu tun haben, die eigentliche Trennung ohne Bild ausgedrückt, nämlich durch die Wendung 'richten / unterscheiden zwischen ...' ("pa / ... Τ"1? BS Ei). Dem entspricht in Zeph 3,11 der Ausdruck 'aus deiner Mitte werde ich (sc. Jahwe) entfernen' 0ΐ3Ί(?0 "PON). Jes 65,8 veranschaulicht diese Wendung durch ein Bild. Jahwe wird mit Israel verfahren wie Menschen mit einem Traubenbüschel. Ein solches wirft man

238

II. Ergebnis

nämlich nicht als Ganzes weg, sondern holt das Gute, den Most, heraus und vernichtet nur den Rest. In den übrigen hier zur Diskussion stehenden Texten wird der Vorgang der Trennung nicht beschrieben, sondern vorausgesetzt. Dem Trennungsvorgang folgt das Gericht über die Sünder. Jahwe wird sie zerbrechen (Jes 1,28), niederschlagen (Jes 25,5; 26,5) und ausrotten (Jes 29,20), ja er wird ein Blutbad anrichten (Jes 59,15b-20; 63,1-6). Das Schwert wird die Sünder töten (Am 9,10; Jes 65,12), Feuer wird sie verbrennen (Jes 33,11.14; Mal 3,19) und ein Sturm ihr Haupt ergreifen (Jer 30,23). Zeph 3,11 und Ez 20,38 sprechen eine weniger drastische Sprache, jedoch kommt das Unheil der Sünder auch hier deutlich zum Ausdruck. Jahwe wird sie aus Jerusalem entfernen bzw. ihnen die Heimkehr nach Jerusalem verwehren. In Ez 34,17-22 ist das Unheil der Sünder nicht expressis verbis erwähnt, weil es nicht zum Bild der Herde paßt. Es ist jedoch durch die Form des Gerichtswortes impliziert. Nach der Vernichtung der Sünder führt Jahwe für die Gerechten eine Heilszeit herauf, welche die Redaktoren teilweise überschwenglich und irdische Verhältnisse transzendierend beschreiben. Die Gerechten sollen erlöst werden (Jes 1,27; Ez 34,22). Die Zeit der Drangsal und der Not wird zu Ende sein (Jes 26,4f; Ez 34,22). Sie werden genug zu essen haben (Jes 33,16; 65,13) und sicher wohnen (Jes 33,16). Ihr Land wird blühen (Jes 29,17; 65,10), ja sie werden neue Ländereien besitzen (Zeph 2,7.9b; 3,13). Frei von allem Unrecht werden sie in Gerechtigkeit und Frieden (Zeph 3,13; Mal 3,20) ein von Jubel und Freude erfülltes Leben führen (Jes 29,19; 65,13f). Jahwe, ihr Gott, wird sich um sie kümmern (Jes 25,4; 26,4f; 29,18; Zeph 2,7), und sie werden ihn verehren (Jes 65,16a; Zeph 3,12; Mal 3,18.20). In Jer 30,23f konnte der Redaktor auf eine eigene Schilderung des Heils verzichten, da sie im Kontext bereits vorgegeben war. Auch der Redaktor der Tritojesajabuchs malt das Heil der Gerechten hauptsächlich mit Texten aus, die er von Tritojesaja übernommen hat (57,14-19*; 60-62»; 65,16b-24; 66,7-14a). In Am 9,8b-10 und Ez 20,32-38 ist vom Heil der Gerechten nur implizit die Rede, nämlich insofern, als sie das den Sündern angekündigte Unheil nicht treffen wird. Sie werden nicht vom Schwert getötet, und ihnen wird die Rückkehr nach

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

239

Jerusalem nicht verwehrt sein. Alle genannten Texte zielen also darauf, den Gerechten Heil anzukündigen. Von daher ist es durchaus sachgemäß, wenn ihnen später häufig Heilsschilderungen angehängt wurden (Jes 29,22-24; 33,17-24; Am 9,11-15; Zeph 3,14-20; Ez 20,39-44; 34,2331). Diese gelten, da sie im jetzigen Textzusammenhang der Ankündigung eines Läuterungsgerichts folgen, nur den Gerechten, auch wenn das nicht ihrer ursprünglichen Intention entsprechen mag. Festzuhalten ist also: Die besprochenen Texte kündigen ein Läuterungsgericht an. Sie erwarten einen einmaligen, eschatologischen Gerichtsakt, der nicht auf völlige Vernichtung zielt, sondern letztlich auf die Durchsetzung von Heil. Die Sünder sollen sterben, aber die Gerechten in einem Friedensreich heilvoll leben. Wann soll das angekündigte Läuterungsgericht eintreffen? Nach Ez 20,32-38 wird es auf der bevorstehenden Rückreise der Exulanten nach Jerusalem geschehen. Für die nähere Zukunft wird wohl auch die in Ez 34,17-22 angekündigte Befreiung von der unterdrückenden Oberschicht erwartet und vielleicht ebenso die in Am 9,8b-10 angekündigte Vernichtung der Sünder. In Jes 29,17-21 und 56-66 erklären die jeweiligen Eingangsverse, daß das erwartete Geschehen bald eintreffen wird (29,17; 56,1). Etwas anders liegen die Dinge in Zeph 3,11-13 und Mal 3,13-21*.2 In diesen Texten, die beide vom Tag Jahwes sprechen, ist von einem Bezug auf die nähere Zukunft nichts zu spüren. Jer 30,23f gibt expressis verbis das Ende der Tage als Zeitpunkt an. Eine ähnlich ferne Zeit mag auch in Jes l,27f; 25,4f; 26,4-6 im Blick sein. Es handelt sich hier um Fortschreibungen, die im Erwartungshorizont ihres jeweiligen Kontexts zu verstehen sind. Man kann also sagen: Alle genannten Texte erwarten - zumindest implizit - eine eschatologische, d.h. eine endgültige Heilszeit, in der es keine Sünder mehr geben wird. Jedoch sieht nur ein Teil der Texte diese Heilszeit in der näheren Zukunft anbrechen.

Zur Übereinstimmung zwischen den beiden Texten vgl. Steck, Abschluß 45f.

240

II. Ergebnis

2.1.4. Der Situationsbezug der Redaktoren Wie wird das Verhalten von Sündern und Gerechten beschrieben, und was sagen die Beschreibungen über den Situationsbezug der Redaktoren aus? Am 9,10 und Jer 30,23f sprechen allgemein von Sündern (D^Kian) bzw. Frevlern (•"'ΡΕΠ). Man erfährt nicht, was diese konkret getan haben. Von Gerechten ist an beiden Stellen nicht ausdrücklich die Rede. Andere Texte sind präziser. Einige stellen das Verhalten gegenüber Gott in den Vordergrund. Ez 20,38 hat Menschen im Blick, die gegen Jahwe aufbegehren (^a D^SÖ&ni D'H'iran), während von den Gerechten wie in Am 9,8b-10 und Jer 30,23f nur implizit die Rede ist. Mal 3,1321* spricht zwar sehr unspezifisch von Frevlern und Gerechten ( ρ ι ^ ϊ , yen), denkt dabei aber vor allem an Menschen, die Gott dienen (Ta'ii c n ^ N 3,18) und seinen Namen fürchten ("'Dtj) ^

3,20), bzw. an sol-

che, die dies nicht tun. Dem entspricht Jes l,27f, wo von denen die Rede ist, die sich von Jahwe abwenden bzw. zu ihm umkehren. Der Redaktor des Zephanjabuchs kündigt hochmütigen (Π21 3,11) und überheblichen Prahlern (Π} Nä 11Τ ^ "?» 3,11) Unheil, den Demütigen und Geringen ("> 3» 3,12; vgl. 2,3) dagegen Heil an. Mit Hochmut ist ausweislich

des

hier aufgenommenen jesajanischen Sprachgebrauchs Überheblichkeit gegenüber Jahwe als dem allein Mächtigen gemeint. Insofern steht auch hier die Einstellung gegenüber Gott im Vordergrund. Zugleich mag jedoch auch das rechte Verhalten gegenüber den Mitmenschen angesprochen sein, da es sich bei den Demütigen vielleicht auch um Arme in einem materiellen Sinne handelt. Der Redaktor des Tritojesajabuchs hat einen innergemeindlichen Konflikt vor Augen, in dem seine Gegner, eine mächtige Gruppe, ihre Brüder aus der Gemeinde ausgeschlossen haben. Diesen Gegnern wirft er Apostasie vor. Sie haben ihren Gott vergessen (59,13a; 65,1.11) und die Wege Jahwes verlassen, um auf ihren eigenen Pfaden (56,11; 57,10.17; 66,3) und nach ihren eigenen Gedanken (57,12; 65,2; 66,17[18]) zu wandeln. Sie geben sich dem sexuellen Treiben der Höhenkulte hin, opfern fremden Göttern, essen Schweinefleisch und schlafen in Gräbern. Kurz: Sie lassen keine Gelegenheit aus, Jahwe

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

241

durch ihr abscheuliches Treiben zu beleidigen (57,3-13a; 65,l-7.11f; 66,3f. 17). Andere Texte legen bei ihrer Beschreibung von Sündern und Gerechten den Akzent auf das zwischenmenschliche Verhalten. Recht allgemein bleibt Jes 33,13-16. Die Übeltäter werden, ohne daß ihr Verhalten näher erläutert wird, als Sünder (D^Nian) und Frevler (Q^Bjn) bezeichnet, die Gerechten dann jedoch ausführlich als solche beschrieben, die ihren Mitmenschen keinerlei Unrecht zufügen. Anderenorts herrscht ein schärferer Ton als in Jes 33,7-16. So richtet sich Ez 34,17-22 gegen Sünder, die ihre Mitmenschen in übelster Weise behandelt haben. In Jes 25,4f; 26,4-6; 29,17-21 werden die Sünder als Gewalttäter ( p n s 25,5; 29,20) charakterisiert, denen die Armen und Elenden ("OV 26,6; 29,19; 1 i11 25,4; 29,19; 25,4; 26,6) machtlos ausgeliefert sind. Von diesen Beobachtungen ausgehend stellt sich die Frage, ob die Texte bei ihrer Beschreibung von Sündern und Gerechten bestimmte Personen und Gruppen im Blick haben. Für den Verfasser des Tritojesajabuchs wird man die Frage - wie schon ausgeführt wurde - bejahen können. Das gleiche gilt für Ez 34,17-22. Die Heilsbotschaft des voranstehenden Abschnitts wird im Rahmen einer innerisraelitischen Auseinandersetzung auf eine mehr oder weniger feste Gruppe, nämlich die Unterdrückten, bezogen. Eine konkrete historische Situation, ein sozialer Konflikt, scheint im Blick zu sein, jedoch wird man angesichts unserer geringen Kenntnisse der nachexilischen Zeit kaum sagen können, um welche Ereignisse es sich handelt. Auch Jes 25,4f; 26,4-6; 29,17-21 und Zeph 2,3.7.9b; 3,11-13 mögen einen konkreten sozialen Konflikt vor Augen haben. Genau sagen läßt sich dies jedoch nicht, da unklar bleibt, inwiefern die Gegenüberstellung von Gewalttätern und Stolzen auf der einen und Demütigen und Armen auf der anderen Seite in einem spirituellen Sinne zu verstehen oder auf eine materielle Ober- und Unterschicht zu beziehen ist. Ez 20,32-38 und Mal 3,13-21* haben ausweislich der Anrede an eine 2. Person zwar bestimmte Menschen im Blick, offen bleiben muß jedoch, um wen es sich genau handelt.3 Bei Jes l,27f; 33,7-16; Jer 30,23f und Am 9,8b-10 läßt sich ebenfalls nicht sagen, ob an konkrete historische Personen gedacht wird. Diese Zusätze sprechen keine Gruppe

242

II. Ergebnis

direkt an, und die Beschreibungen von Gerechten und Frevlern sind sehr allgemein gehalten. Als Fazit bleibt festzuhalten: Einige der zur Diskussion stehenden Texte beziehen sich mit der Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern auf einen aktuellen Konflikt, andere lassen einen solchen Bezug vermuten, und wieder andere legen ihn durch nichts nahe. Alle Texte - auch die, die auf eine bestimmte Situation Bezug nehmen - sind in ihrer Beschreibung der Gruppen jedoch sehr offen und weisen so über die Situation hinaus, die sie ursprünglich im Blick gehabt haben mögen. Was dies hermeneutisch bedeutet, wird noch zu erörtern sein (s.u.S. 259-263).

2.1.5. Zur Datierung der Redaktoren Aus welcher Zeit stammen die Texte? Man wird, wie weithin anerkannt ist, durchweg an die exilisch-nachexilische Zeit denken dürfen, m.E. jedoch auf eine genaue Datierung verzichten müssen. Ez 20,32-38 dürfte noch aus exilischer Zeit stammen, da es sich bei der Erwartung eines Läuterungsgerichts in der Wüste kaum um ein vaticinium ex eventu handeln kann. Welcher eventus sollte gemeint sein? Jes 25,4f; 26,4-6; 29,17-21 und Ez 34,17-22 stammen vermutlich aus nachexilischer Zeit. Die hier angesprochenen sozialen Spannungen zwischen Ober- und Unterschicht setzen gesellschaftliche Verhältnisse voraus, die für die exilische Zeit wohl noch nicht anzunehmen sind. Man mag in diesem Zusammenhang an Probleme denken, wie sie in Neh 5 berichtet werden. Die Redaktionsschicht des Tritojesajabuchs läßt sich am ehesten in die zweite Hälfte des 5. Jh.s datieren, da hier wie bei Esra/ Nehemia ein innergemeindlicher Konflikt zur Sprache kommt, in dem das Verhältnis gegenüber Fremden eine wichtige Rolle spielt. Bei diesem Konflikt mögen zugleich soziale Spannungen von Bedeutung gewesen sein. Jedenfalls scheinen die Gegner im Gegensatz zu den Parteigängern 3

Zu Mal 3,13-21 vgl. Blenkinsopp (Sect 14-16), der den Text im Zusammenhang der innergemeindlichen Auseinandersetzung versteht, die in Jes 65f und den Büchern Esra und Nehemia ihren Niederschlag gefunden hat.

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

243

des Redaktors über Macht und politisches Durchsetzungsvermögen zu verfügen (66,5), und man wird, sofern Jes 65,13-15 eine Umkehrung der bestehenden Verhältnisse im Blick hat und nicht nur traditionelle Motive aufnimmt, auch im Zusammenhang des Tritojesajabuchs von einem Konflikt zwischen Ober- und Unterschicht sprechen können. Die Fortschreibung Mal 3,13-21* muß aus nachexilischer Zeit stammen, da der Grundbestand des Buches nicht älter ist. Für Jes l,27f ist eine ähnlich späte Ansetzung wahrscheinlich, weil die Rückkehrankündigung von Jes 35,10 = Jes 51,11 bereits vorausgesetzt wird. Auch die Heilserwartungen des Redaktors des Zephanjabuchs sind vermutlich erst nachexilisch anzusetzen. Am 9,8b-10 ist zeitlich schwierig einzuordnen. Die Rede vom 'Haus Jakob' und 'Israel' setzt den Bestand des Nordreichs keineswegs voraus. Ein Redaktor kann, da sich Arnos an das Nordreich wandte, diese Perspektive bei seiner Fortschreibung beibehalten und durchaus an Juda gedacht haben. Da die Vorstellung vom Läuterungsgericht ansonsten frühestens in exilischer Zeit begegnet, wird man auch Am 9,8b-10 am besten entsprechend spät ansetzen. Ähnlich vage muß die nachexilische Einordnung von Jes 33,7-16 und Jer 30,23f bleiben.

2.2. Heil und Unheil als das Gerechte und Sünder je und je treffende Ergehen

2.2.1. Zusammenfassende Darstellung der Texte Jes 3,lOf stellt eine Seligpreisung der Gerechten und einen Weheruf über die Frevler einander gegenüber. Die beiden redaktionellen Verse geben den anliegenden Texten ein neues Profil. Die ganz Juda betreffende Unheilsankündigung dieser Texte gilt nämlich im Licht der Fortschreibung nur den Frevlern, nicht jedoch den Gerechten. Ihnen soll es gut gehen.

244

II. Ergebnis

In Jer 17,5-8 findet sich ein ursprünglich selbständiger Text, der demjenigen Segen zuspricht, der auf Jahwe vertraut, denjenigen aber verflucht, der sich von ihm abwendet. Gegenüber der voranstehenden Gerichtsankündigung heben die Verse hervor, daß das Gericht nur die Gruppe der Frevler trifft, die Frommen jedoch gesegnet werden. Jes 48,22 verkündet, daß es für die Frevler kein Heil geben wird. Der Vers, der ausweislich der zitierten Stelle Jes 57,21 weisheitlich geprägt ist, schränkt die voranstehende Heilsankündigung Deuterojesajas ein. Der Prophet verheißt den Exilierten in 48,20f, daß Jahwe sie aus dem Exil führen wird. Der Verfasser von 48,17-19 gibt dieser Führungsankündigung einen neuen Sinn: Jahwe wird die Israeliten mit Hilfe seiner Gesetze durchs Leben führen, so daß sie Frieden sehen werden. Aus der auf eine konkrete Situation bezogenen Führungsaussage ist damit eine grundsätzliche, das Leben betreffende Führungsaussage geworden. An sie knüpft v22 mit der allgemeine Gültigkeit beanspruchenden Aussage an, daß es für die Frevler, d.h. im Kontext von vl7-19 für diejenigen, die Jahwes Gesetze mißachten, keinen Frieden geben wird. In Jes 50,10f* findet sich eine Fortschreibung des 3. Gottesknechtslieds. Dessen Gegenüberstellung vom leidenden Knecht und seinen Feinden wird in dieser Fortschreibung auf die Gemeinde des Knechtes übertragen. Die leidenden Nachfolger des Knechtes dürfen wie der Knecht darauf vertrauen, daß sie als Gottesfürchtige gerettet werden, während ihre Feinde umkommen. Die Heilsverkündigung Deuterojesajas gilt nach 50,10f* also nicht ganz Israel, sondern nur den Gottesfürchtigen im Volk. Die ihnen nachstellenden Gottlosen werden dagegen zugrundegehen. Der das Nahumbuch eröffnende Psalm gipfelt in 1,7f in der Vertrauensaussage, daß Jahwe seine Feinde vernichtet, die Frommen jedoch rettet. Falls der Psalm nicht von Anfang an zum Nahumbuch, das Assur im 7. Jh. den Untergang und Juda Rettung ansagt, gehörte,4 wird das Buch durch die Zufügung des Psalms von seinem ursprünglichen historischen Kontext gelöst. Es verkündet jetzt, daß Jahwe seine Feinde ver4

Diese Möglichkeit wurde oben diskutiert; s.o.S. 165-169.

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

245

nichten wird und die Gerechten auf Rettung vertrauen dürfen. Assur und Juda erscheinen nur noch als Exempel solcher Feinde bzw. solcher Gerechter. Hos 14,10 gibt dem Hoseabuch als Schlußvers eine weisheitliche Interpretation. Danach bezieht sich das Buch nicht auf eine bestimmte historische Situation, sondern verkündet eine zeitlos gültige Lehre. Hatte der Prophet Israel ein Gericht angekündigt, dem dann aufgrund der Liebe Jahwes doch noch eine Heilszeit folgen sollte, so lehrt das Buch, wenn man es im Licht von 14,10 liest, daß die Unheilsankündigung den Sündern, die Heilsankündigung dagegen den Gerechten gilt.

2.2.2. Zur Arbeitsweise der Redaktoren Die beschriebenen Zufügungen5 bilden durchweg relativ selbständige Einheiten, die sich in ihrer Form deutlich vom jeweiligen Kontext abheben. Dabei gibt es zum einen weisheitlich geprägtes Spruchgut, nämlich die Sentenzen Jes 48,22 und Hos 14,10, die Verbindung eines Segens- und eines Fluchworts in Jer 17,5-8 sowie die einer Seligpreisung und eines Weherufs in Jes 3,10f. Zum anderen finden sich die Vertrauensaussagen eines Psalms (Nah l,2ff) und zum dritten die Heils- und Unheilsankündigung von Jes 50,10f*. In der Regel handelt es sich bei den Zusätzen um Fortschreibungen, die für ihren Kontext verfaßt worden sind. Nur in Jer 17,5-8 und vielleicht auch Nah l,2ff wurden vorgegebene Texte aufgenommen und in ihren jetzigen Kontext eingefügt.

Für Nah l,2ff konnte dies nicht gezeigt werden (s.o.S. 167f). Bei diesem Text müssen beide Möglichkeiten - ursprünglicher Bestandteil oder sekundärer Zusatz - auf ihre Konsequenzen hin bedacht werden. Im vorliegenden Abschnitt wird davon ausgegangen, daß es sich um einen Zusatz handelt.

246

II. Ergebnis

2.2.3. Das Ergehen von Gerechten und Sündern Inhaltlich ist den Zusätzen gemein, daß sie zwischen Gerechten und Sündern - wie immer diese im einzelnen beschrieben sein mögen - unterscheiden und den Gerechten Heil, den Sündern dagegen Unheil ansagen. Im Gegensatz zu den oben besprochenen Texten geht es hier allerdings nicht um ein eschatologisches Geschehen. Heil und Unheil werden vielmehr als ein Ergehen angekündigt, das Gerechte und Frevler in ihrem jeweiligen Leben je und je trifft. Die genannten Texte nehmen prophetische Heils- und Unheilsankündigungen auf, beziehen sie jedoch nicht mehr auf Israel und dessen Geschichte, sondern auf die einzelnen Menschen und ihr individuelles Ergehen. Wie wird dieses Ergehen beschrieben? Das der Sünder wird selten konkret ausgemalt. Jes 48,22 stellt lediglich fest, daß es für die Frevler keinen Frieden geben wird. Hos 14,10 kündigt nur an, daß sie straucheln werden, und Jes 3,11 beschränkt sich darauf, ihnen ein drohendes 'Wehe' 0 i N) entgegenzurufen. Jer 17,5f vergleicht die Sünder mit Wüstengestrüpp, das in dürrem Land fruchtlos vor sich hinvegetiert. Nach Jes 50,11 sollen die Sünder in dem Feuer umkommen, das sie selbst entfacht haben. Von einem direkten Eingriff Jahwes spricht nur Nah 1,8. Gott wird seinen Feinden bei seinem Erscheinen ein Ende bereiten. Insgesamt wird man sagen können, daß die Texte auf eine genaue oder ausführliche Beschreibung des den Sündern gebührenden Unheils verzichten. Entsprechendes gilt für die Beschreibung des Heils der Gerechten. Hos 14,10 spricht nur davon, daß der Gerechte wandeln, also nicht straucheln wird. Jer 17,7f und Jes 3,10 preisen bzw. segnen den Gerechten und verkünden ihm ein Leben in Fruchtbarkeit. Den Frommen von Jes 50,10 und Nah 1,7 wird zugesagt, daß Jahwe ihnen eine Stütze sein wird, auf die sie vertrauen können. Warum verzichten die Texte auf eine eingehende Schilderung des angekündigten Ergehens? Weil es ihnen - das ist als negatives Ergebnis festzuhalten - nicht darum geht, die Heils- und Unheilsankündigungen des Kontexts zu vertiefen und auszugestalten. Diese sollen vielmehr nur

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

247

aufgenommen werden. 6 Das Ziel der Zusätze besteht einzig darin, die Zukunftsankündigung zu differenzieren, sowohl Heil als auch Unheil anzusagen, und zwar den Gerechten Heil, den Sündern dagegen Unheil. Für eine Reihe von Zusätzen ist dieses 'sowohl - als auch' vom Kontext her bereits vorgegeben. Im Gottesknechtslied Jes 50,4-9 und in der Konfession Jer 17,14-18 findet sich jeweils die psalmistisch geprägte Gegenüberstellung vom Heil des Beters und Unheil seiner Feinde. Diese differenzierte Zukunftserwartung wird in den Zusätzen Jes 50,10f* und Jer 17,5-8 in ihrer Zweiseitigkeit aufgenommen und auf die Gerechten und ihre Feinde bzw. auf Gerechte und Gottlose bezogen. Hos 14,10 und Nah l,2ff gehören zu Büchern, die je auf ihre Weise sowohl Heil als auch Unheil ansagen. Diese Ankündigungen beziehen die Zusätze auf Gerechte und Sünder. Anderen Zusätzen ist eine solche zweiseitige Ankündigung vom Kontext her nicht vorgegeben. Der Nahkontext von Jes 3,10f sagt nur Unheil an. Auf der anderen Seite wird in dem Jes 48,22 voranstehenden Text nur Heil angekündigt. Gegenüber diesen einseitigen prophetischen Zukunftsankündigungen stellen die jeweiligen redaktionellen Fortschreibungen fest, daß die Zukunft nicht nur Unheil bzw. nur Heil bringt, sondern beides, den Gottlosen Unheil und den Frommen Heil.

2.2.4. Der Situationsbezug der Redaktoren Um wen handelt es sich bei den Gerechten und den Sündern? Zunächst zu den Sündern: Jes 3,11; 48,22 und Hos 14,10 sprechen von Frevlern ( S i n ) bzw. Sündern (D"1 ϊώ'2), ohne daß irgendwelche Untaten 6

So greift Hos 14,10 mit "7B3 'straucheln' einen Unheilsterminus aus 14,2 auf. Jes 48,22 setzt mit 'es gibt keinen Frieden' eine Antithese zu der Friedensankündigung von 48,18. Jes 3,11 nimmt 1 TN 'wehe' und i n 'schlecht' aus 3,9 auf. Jes 50,10 bezieht sich mit seinen Vertrauensaussagen auf entsprechende Aussagen des voranstehenden Gottesknechtslieds. Die Heils- und Unheilsansagen von Nah l,7f gehören in den Kontext 'Krieg' und entsprechen damit den folgenden Ankündigungen des Nahumbuches. Nur in Jer 17,5-8, also in einem Text, der nicht für seinen jetzigen Kontext verfaßt, sondern als vorgefundener Text in diesen eingefügt wurde, sind die Ergehensaussagen breiter ausgeführt und fehlen engere Kontextbezüge.

248

II. Ergebnis

näher beschrieben werden. Jes 50,11 charakterisiert die Sünder unter Aufnahme psalmistischer Motivik als Aggressoren, die die Frommen mit Brandpfeilen beschießen. In Jer 17,7 handelt es sich bei den Sündern um Leute, die nicht auf Jahwe, sondern auf Menschen vertrauen, und Nah 1,8 bezeichnet sie dem kriegerischen Kontext entsprechend als Feinde Jahwes. Diesen in ihrem Handeln negativ charakterisierten Menschen stehen die positiv qualifizierten gegenüber. Jes 3,10 spricht von dem Gerechten ( p " 1 ^ ) , ohne dessen Handeln näher zu beschreiben. In Hos 14,10 ist das Tun der Gerechten

nur angedeutet. Sofern in der

Formulierung des Verses nämlich die dtr. Wendung 'auf den Wegen Jahwes wandeln' anklingt, stellt, da die Wendung in diesem Sinne inhaltlich zu füllen ist, die rechte Jahwe-Verehrung das entscheidende Merkmal des Gerechten dar. Jes 48,22 denkt bei den Gerechten, von denen allerdings nur implizit die Rede ist, ausweislich des Bezugsverses 48,18 an Menschen, die Jahwes Gebote beachten. Jes 50,10; Jer 17,7 und Nah 1,7 haben die im Blick, die Jahwe fürchten, ihm vertrauen und sich zu ihm flüchten. Die rechte Verehrung Jahwes sowie die Beachtung seiner Gebote sind demnach die Kriterien bei der Unterscheidung zwischen Gerechten und Sündern. Inwiefern haben die Verfasser der Texte bei ihren Beschreibungen von Gerechten und Sündern bestimmte Personen und Gruppen vor Augen? Man wird wohl allenfalls bei Jes 50,10f* vermuten können, daß der Text ausweislich der direkten Anrede an eine 2. Pers. PI. in eine bestimmte Situation sprechen will. In bezug auf die Charakterisierungen der jeweils einander gegenübergestellten Gruppen ist zu sagen, daß sie durchweg sehr unspezifisch sind. In keinem der genannten Fälle wird man aufgrund der Darstellung der Personen an eine bestimmte, historisch ortbare und namentlich benennbare Gruppe denken können. Dazu sind die Beschreibungen zu allgemein. Sie gelten nicht konkreten Personen, sondern Typen, und diese Typenbeschreibungen sind teils weisheit-

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

249

lieh (Jes 3,10f; 48,22; Jer 17,5-8; Hos 14,10), teils psalmistisch (Jes 50,10f*; Nah l,7f) geprägt. 7 Dadurch, daß die Redaktoren so unspezifisch und damit grundsätzlich formulieren, wollen sie den prophetischen Ankündigungen, auf die sie sich beziehen, einen tieferen Sinn abgewinnen. Die Prophetenworte, die in eine konkrete Situation der Vergangenheit gesprochen worden waren, enthalten eine über diese Situation hinausgehende Wahrheit. Was dies hermeneutisch bedeutet, soll unten näher ausgeführt werden (s. u.S. 259-263).

2.2.5. Zur Datierung der Redaktoren Eine genaue zeitliche Einordnung der Zusätze ist nicht möglich, da ihnen jeder zeitgeschichtliche Bezug fehlt. Den einzigen Anhaltspunkt für eine relative Datierung bieten die jeweils fortgeschriebenen Texte. Mit ihrer zeitlichen Ansetzung kann man einen terminus a quo gewinnen. Für einen Teil der Zusätze ergibt sich schon dadurch eine nachexilische Datierung. Auch die anderen Texte dürften erst in nachexilischer Zeit verfaßt bzw. in ihren jetzigen Kontext gestellt worden sein. Da die Propheten hier nämlich - wie noch auszuführen sein wird8 - als Vertreter einer weisheitlichen Lehre und damit als Lehrer erscheinen, setzen die Texte ein Prophetenbild voraus, das es erst in nachexilischer Zeit gegeben haben dürfte. So wenig wie bei den unter 2.1.5. besprochenen Texten ist also auch hier der zeitgeschichtliche Horizont der Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern greifbar. In der neueren Forschung begegnet man allerdings Versuchen, die genannte Gegenüberstellung ganz grundsätzlich auf die nachexilische Zeit einzuschränken, ja man meint, einen Großteil der Texte innerhalb dieser Zeit relativ präzise innergemeindlichen Konflikten der hellenistischen Zeit zuordnen zu können. Letzteres gilt besonders, wenn es terminologisch um •"•ΪΙΖη 'Frevler' und CPi?"^ 'Gerechte' bzw. D^T^On 'Fromme' geht.

7

Zur Beschreibung von Typen in den Psalmen vgl. Keel, Feinde 155ff; W. Beyerlin, Der 52. Psalm. Studien zu seiner Einordnung (BWANT 111), Stuttgart u. a. 1980, 87-91; H. Irsigler, Psalm 73 - Monolog eines Weisen (ATS 20), St. Ottilien 1984, 256-265.366f.

8

S.u.S. 260f.

250

II. Ergebnis

Westermann (Wurzeln 91-101) hebt hervor, daß das weisheitliche Spruchgut des Alten Testaments selbst da, wo es von Gott redet, allgemein Menschliches zur Sprache bringt, d.h. das, was Menschen überall in der Welt und zu allen Zeiten erfahren, denken und empfinden (S. 144f). Angesichts dieses Ansatzes fällt auf, daß Westermann annimmt, Weisheitssprüche mit der Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern ließen sich zeitlich eingrenzen, und zwar auf die nachexilische Zeit. Da sich die Gegenüberstellung nämlich auch im Hiobbuch fmdet und dessen nachexilische Datierung so gut wie sicher ist, sei auch für die entsprechenden Sprüche nachexilische Entstehung anzunehmen (S. 99). Der politische Horizont mancher dieser Sprüche zeige zudem, daß es sich "um etwas wie Parteien an einem Ort" handele (S. 101; vgl. 96f). O. Kaiser (ZAW 105 [1993], 329) stimmt Westermann in einer Rezension zu, ja geht über Westermann hinaus, wenn er im Blick auf die besagten Sprüche meint: "In der Tat dürfen (sie) sie die sich anbahnende bzw. bereits erfolgte Abgrenzung einer frommen Minderheit von der als gottlos betrachteten Mehrheit voraussetzen und damit zu der Vorgeschichte der sich im Laufe des 2. Jh.s bildenden Religionsparteien gehören." M.E. mag den Frevler-Gerechte-Sprüchen in den damit angesprochenen Konflikten vor allem des 2. Jh.s zwar große Bedeutung zugekommen sein, nur wird sich kaum zeigen lassen, daß sie die nachexilischen Konflikte voraussetzen und durchweg erst in dieser Zeit entstanden sind. Aus der nachexilischen Ansetzung des Hiobbuches kann nicht gefolgert werden, daß es die besagte Gegenüberstellung erst ab dieser Zeit gegeben habe. Die entsprechenden Partien des Buches können auch ein längst bekanntes Motiv aufnehmen. Nach Levin8 findet sich die Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern, ohne daß man sie auf eine bestimmte Terminologie einengen könnte (S. 374), im Psalter nur in späten Zusätzen oder in Psalmen, die als Ganze erst spät entstanden sind (S. 370). Mit der Gegenüberstellung seien von vornherein ganz bestimmte Gruppen im Blick gewesen, nämlich, was die positive Seite angeht, zunächst die Anawim und -dann die Asidäer (S. 375-379). Steck kommt im Blick auf die Prophetenbücher zu vergleichbaren Ergebnissen. 9 Die Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern findet er in späten Redaktionsschichten, so in der von ihm ins frühe 3. Jh. datierten "Fortschreibung III" des Jesajabuchs und der zwischen 240 und 220 v. Chr anzusetzenden "Fortschreibung III" des Mehrprophetenbuchs. Gegenüber diesen Arbeiten, nach denen die Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern erst in relativ später Zeit Gewicht erhält, stehen sozialgeschichtliche, die zumindest vom Ansatz her betonen, daß es innerhalb Israels schon seit relativ früher Zeit unterschiedliche soziale Schichten und damit Spannungen gab, die in divergierenden politischen Interessen und theologischen Strömungen ihren Niederschlag gefunden haben. Diese Spannungen können - wie immer sie im einzelnen ausgesehen haben mögen - bei der Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern im Hintergrund gestanden haben. Nach van der Toom (Sin 102-110) resultiert die Antithese 'Gerechte - Frevler' aus der Spiritualisierung eines sozialen Konflikts zwischen Ober- und Unterschicht. Albertz (Religionsgeschichte 536-555) geht für die nachexilische Zeit von einem Drei-ParteienModell aus: Einer aus verarmten Kleinbauern bestehenden Unterschicht stehe eine Oberschicht gegenüber, die in zwei Lager zerfalle, nämlich in eine mit der persischen Besatzungsmacht kooperierende Gruppe und eine solche, die sich dem Jahwe-Glauben ver-

Chr. Levin, Das Gebetbuch der Gerechten. Literargeschichtliche Beobachtungen am Psalter, ZThK 90 (1993), 355-381. 9

Steck, Tritojesaja 394-404; ders., Untersuchungen von Jes 56,1-8, 242-265; ders., Abschluß 42-60.91-105. Vgl.o.S. 63 Anm. 28 und S. 79f Anm. 2.

2. Die Verwendung des Motivs bei den Redaktoren

251

pflichtet wisse und deswegen auch unter erheblichen Opfern Solidarität mit den verarmten Brüdern übe. Sie teile jedoch nicht deren prophetisch-eschatologische Hoffnung auf einen von Gott herbeigeführten Umsturz, sondern vertrete eine die soziale Verantwortung betonende, weisheitliche Theologie und setze somit nicht auf Revolution, sondern auf Reform und Nächstenliebe. Die weite Teile der nachexilischen Literatur durchziehende Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern bezieht Albertz auf diese beiden Lager der Oberschicht. Die Jahwe-Treuen würden sich als Gerechte und ihre Aristokraten-Kollegen als Frevler betrachten. M.E. läßt sich weder eine pauschale Datierung der Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern in die nachexilische Zeit noch ein Bezug auf Konflikte der hellenistischen Zeit nachweisen. Für die nachexilische Zeit liegt für uns vieles im Dunkeln, und es geht nicht an, den Epochen, über die wir innerhalb dieser Zeit etwas besser Bescheid wissen, Texte zuzuordnen, die zwar in die betreffende Zeit passen mögen, die aber so allgemein gehalten sind, daß sie auch aus anderen, für uns aber dunkleren Zeiten stammen können. So ist zwar zuzugeben, daß die Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern in der Literatur und den innerjüdischen Auseinandersetzungen der hellenistischen Zeit einen besonderen Stellenwert hatte, nur ist damit noch nicht gesagt, daß sie nicht auch in früheren, für uns weniger greifbaren Zeiten von Gewicht gewesen sein kann. Nicht überall, wo O"1!"1?!] 'Fromme' von Gottlosen unterschieden werden, sind die Asidäer im Blick. Ganz gleich, ob dieser Begriff die theologischen Leiter des offiziellen Judentums 1 1 oder ein diesem gegenüber oppositionelles, pietistisches Konventikel 12 bezeichnet, die Verwendung des Terminus für eine Gruppierung setzt eine Vorgeschichte des Begriffs voraus, in der dieser noch eine unspezifische Bedeutung hatte. Für uns ist es deswegen bei diesem und ähnlichen Wörtern aus dem Begriffsfeld der Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern äußerst schwer zu sagen, in einem wie weiten oder wie engen Sinn sie jeweils von den Verfassern der Texte gemeint sind, und insofern ist eine Datierung der Texte zumindest aufgrund des Motivs der innerisraelitischen Gegenüberstellung nicht möglich. Auch die im einzelnen sicher interessanten Ausführungen Albertz' müssen sich fragen lassen, ob sie nicht zu oft über das hinausgehen, was wir von den "dunklen" Jahrhunderten der nachexilischen Zeit wissen. 13 Daß es in dieser Zeit schwerwiegende soziale Probleme gab, sei unbestritten (vgl. Neh 5). Klar ist auch, daß ein einfaches Zwei-Parteien-Schema (Arme - Reiche o.ä.) 14 den historisch doch wohl recht komplexen Vorgängen kaum gerecht wird. Jedoch wird man gerade angesichts der Komplexität kaum sagen können, wie die Konflikte und die verschiedenen jeweils zu nennenden Parteiungen im einzelnen aussahen. Was die zur Diskussion stehende Gegenüberstellung angeht, so 11

Vgl. V. Tcherikover, Hellenistic Civilisation and the Jews, Philadelphia 1959 - Jerusalem 5719, 125f.l96-198;/. Kampen, The Hasideans and the Origin of Pharisaism (SCSt 24), Atlanta 1988, 149f.216-222; ders., Art. Hasidim, ABD III, 66f; G. Stemberger, Pharisäer, Sadduzäer, Essener (SBS 144), Stuttgart 1991, 91-96; Albertz, Religionsgeschichte 597-600.603f.

12

Vgl. Plöger, Theokratie 16-18; Μ. Hengel, Judentum und Hellenismus (WUNT 10), Tübingen 2 1973,319-330; Hanson, Volk 342-347.

13

Zur grundsätzlichen Kritik an Albertz' Entwurf vgl. W. Thiel, Gesellschaft und Religion. Zur neuen "Religionsgeschichte Israels" von Rainer Albertz, T h L Z 119 (1994), 3-14,14.

14

Zum inzwischen klassischen Zwei-Parteien-Modell "Theokratie - Eschatologie" vgl. jüngst Hanson, Volk 253-311.325-339.

252

II. Ergebnis

schließt die Komplexität der Vorgänge nicht aus, daß die Betroffenen ihre Lage im Rahmen der Gegenüberstellungen Unterdrückte - Unterdrücker, Gerechte - Frevler, also mit Hilfe einer einfachen Gut-Böse-Typologie, zu verstehen suchten. Aber diese Typologie ist nicht situationsspezifisch, sondern ein sehr offenes Schema, das zur Deutung vielfältiger Spannungen und aus verschiedenen Positionen in bezug auf unterschiedliche Gruppen herangezogen werden kann. Es vermag selbst komplizierte Konflikte, wenn auch durch eine für Außenstehende nicht nachvollziehbare Reduktion, den Betroffenen verständlich zu machen, indem es ihnen bei ihrer Identitätsfindung innerhalb des Konflikts hilft. Kurz: Da es sich bei der Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern um ein vielfältig anwendbares und übertragbares Schwarz-Weiß-Schema handelt, wird man bei der situativen und zeitlichen Einordnung zurückhaltend sein müssen. Gegenüber zum Teil imponierenden, auch spannend geschriebenen Entwürfen, die der Gegenüberstellung klare Konturen verleihen wollen, dürfte ein schlichtes nescio der Quellenlage vielfach eher gerecht werden.

3. Zur Theologie der Prophetenbücher

Unsere wissenschaftliche Exegese der Prophetenworte setzt alles daran, ihren Gehalt nach dem Selbstverständnis der Propheten zu ermitteln. Ohne davon abzulassen, sollte sie sich vielleicht doch noch deutlicher machen, daß dieses Selbstverständnis des Propheten doch nur eine Möglichkeit seines Verständnisses ist. Durch den Bezug auf spätere Generationen und ihre Situationen entstanden neue Möglichkeiten des Verstehens. vRad1

Will man die Theologie der Prophetenbücher darstellen, so muß man die Theologie all derer, die an der Entstehung des Kanonteils Nebiim mitgewirkt haben, erfassen. Da ist, um nur eine grobe Einteilung vorzunehmen, zum ersten die Theologie der einzelnen Propheten, zum zweiten die der unterschiedlichen Redaktoren der jeweiligen Bücher, zum dritten die der verschiedenen Redaktoren, die die Bücher zusammengestellt und übergreifend bearbeitet haben, 2 und da ist schließlich die Theologie derer, die das nunmehr entstandene Prophetenkorpus mit den 'Vorderen Propheten' verbunden und als Kanonteil Nebiim zur Tora in Beziehung gesetzt haben. 3 Die Prophetenbücher sind das Ergebnis eines lebendigen Prozesses, in dem die vorgegebene Überlieferung und das in ihr bezeugte Wort Gottes in je neuen Situationen fortgeschrieben wurden, um in neuen Situationen und angesichts neuer Erfahrungen an der Selbigkeit des einen Gottes sowie der seines Wortes und seines Handelns festzuhalten. Von diesem lebendigen Prozeß und all den genannten Theologien ein Bild zu entwerfen, das die Unterschiede dieser Theolo-

1

Theologie des Alten Testaments, Bd. 2, München 6 1975, 57.

2

Zur Fragestellung vgl. Steck, Abschluß 11-126.

3

Zur Fragestellung vgl. Steck, Abschluß 127-178.

254

II. Ergebnis

gien ebenso wie ihre Übereinstimmungen und ihren inneren Zusammenhang aufzeigt, ist das eigentliche Ziel der Prophetenforschung. Die vorliegende Untersuchung kann zu diesem Ziel nur mit der Darstellung einer Facette beitragen. Es geht ihr darum zu zeigen, daß es eine zwischen Gerechten und Sündern differenzierende Zukunftsankündigung in den Prophetenbüchern gibt, aber außer bei Habakuk nur in redaktionellen Zusätzen. Diese Zusätze sind im einzelnen recht verschieden und können deswegen nicht einer Bücher übergreifenden Redaktionsschicht zugeschrieben werden.4 Inhaltlich sind sie jedoch vergleichbar, weil sie die Prophetenworte in gleicher Weise interpretieren und auf die gleiche theologische Aussage zielen. Sie sagen den Sündern Unheil, den Gerechten dagegen Heil an. In der Geschichte der Prophetie dürfte diese differenzierende Ankündigung, wie Jeremias5 gezeigt hat, ihren Sitz zunächst in der vorexilischen Kultprophetie gehabt haben.6 Die um das Heil des Volkes bemühten Kultpropheten sagen das Gericht nicht dem Volk als Ganzem an, sondern verkünden das Gericht unter Aufnahme kultischer, prophetischer und weisheitlicher Traditionen nur den Frevlern in Israel, um das Unheil abzuwenden, das diese durch ihr Verhalten für das ganze Volk heraufbeschwören. Erhalten ist von den Worten der Kultpropheten im Prophetenkorpus des Alten Testaments nur das (allerdings später überarbeitete) Habakukbuch. Ansonsten begegnet die zwischen Gerechten und Sündern differenzierende Ankündigung in den Prophetenbüchern nur in exilisch-nachexilischen Zusätzen. Sie wird also erst relativ spät für die Theologie der Prophetenbücher bedeutsam, ja man wird auch grund-

4

Vgl. dagegen Steck, Tritojesaja 392f; ders., Abschluß 83-87; ders., Untersuchungen von Jes 56,9-59,21, 192f. Er rechnet einen Teil der hier besprochenen Texte des Jesajabuchs zu ein und derselben Redaktionsschicht: Jes l,27f; 29,17-24; 33,14-16; 48,22 sowie aus dem Bereich Tritojesaja 56,9-59,21*; 60,17-22; 62,8f; 63,1-6. Nach Blenkinsopp (Sect 14-16) beziehen sich Mal 3,13-21 und Jes 65f auf die gleiche Situation; vgl. Sh. Talmon, The Internal Diversification of Judaism in the Early Second Temple Period, in: ders. (Hg.), Jewish Civilization in the Hellenistic-Roman Period (JSPE.S 10) 1991,16-43, 30; Hanson, Volk 285-290.

5

Kultprophetie 128ff.

6

Vgl. Schmidt, Erkenntnis 162-170.

3. Zur Theologie der Prophetenbücher

255

sätzlich sagen können, daß die alte, vor allem in der Weisheit verankerte Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten erst in nachexilischer Zeit auch außerhalb der Weisheitsbücher zunehmend an Bedeutung gewinnt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang z.B. an Ps 1, der dem Psalter als hermeneutischer Schlüssel vorangestellt wird, um das Verhalten von Gerechten und Frevlern, das sich an der Einstellung zur Tora entscheidet, und das diesem Verhalten entsprechende Ergehen zu einem oder gar dem zentralen Thema des Psalters zu machen.7

3.1. Die Intention der Redaktoren

Bei der Frage nach der Intention der Redaktoren sind verschiedene Aspekte zu nennen, die einander nicht ausschließen.

3.1.1. Das theologische Anliegen Mit welcher Absicht tragen die Redaktoren die Unterscheidung von Gerechten und Sündern an die Prophetenworte heran? Um diese Frage zu beantworten, wird man differenzieren müssen, und zwar danach, ob der jeweilige Kontext dem Volk als Ganzem Unheil, Heil oder aber beides ansagt.

7

Zum Horizont von Ps 1 vgl. /. Reindl, Weisheitliche Bearbeitungen von Psalmen. Ein Beitrag zum Verständnis der Sammlung des Psalters, in: J. A. Emerton (Hg.), Congress Volume Vienna 1980 (VT.S xxxii), Leiden 1981, 333-356, 338f; G. H. Wilson, The Editing of the Hebrew Psalter (SBL.DS 76), Chico 1985, 204-207; B. Diebner, Psalm 1 als "Motto" der Sammlung des kanonischen Psalters, DBAT 23 (1986), 7-45,16f.29-34; N. Füglister, Die Verwendung und das Verständnis der Psalmen und des Psalters um die Zeitenwende, in: /. Schreiner (Hg.), Beiträge zur Psalmenforschung. Ps 2 und 22 (fzb 60), Würzburg 1988, 319-384, 354-365; Steck, Abschluß 161f; Chr. Levin, Das Gebetbuch der Gerechten. Literargeschichtliche Beobachtungen am Psalter, ZThK 90 (1993), 355-381, 359-361.

256

II. Ergebnis

Kontext Unheil: Jes 3,1-9.12-15; 29,1-16; Jer 17,1-4; Ez 20,1-21*; Am 9,l-8a*; Zeph*; Mal 2,17-3,5*. Kontext Heil: Jes 48,17-19.20-21; 57,14-19*; 60-62*; 65,16b-24; Jer 30,18-22; Ez 34,1-16; Nah 2-3. Kontext Unheil und Heil: Jes 1,21-26; 24-26*; 28-32*; Hos 1-14.

Die Intention der Fortschreibungen von Heilsankündigungen liegt vor allem darin, die Bedeutung des menschlichen Verhaltens und Handelns hervorzuheben. Das Heil, das Deuterojesaja den Exilierten ankündigt, ohne daß von Bedingungen die Rede ist, gilt auf der redaktionellen Ebene nur den Gerechten, d.h. nur denen, die Jahwes Tora beachten. Die Sünder werden vom Heil ausgeschlossen. Die Fortschreibungen der Heilsworte verkünden also, daß das rechte Verhalten eine conditio sine qua non für die Teilhabe am Heil ist. Eine ganz andere Intention verfolgen die Zusätze zu Unheilsankündigungenl Sie haben ein seelsorgerliches Anliegen. Gegenüber radikalen prophetischen Gerichtsankündigungen wollen sie jeweils hervorheben, daß das Gericht kein totales ist. Die Gerichtsworte der Propheten können nicht Jahwes letztes Wort sein. Die Theologen, die diese Zusätze verfaßt haben, nehmen prophetische Gerichtsankündigungen, die ihnen in der Tradition vorgegeben waren und autoritative Bedeutung hatten, auf, interpretieren sie aber so, daß Jahwe nicht mehr als ein vernichtender Gott des Gerichts erscheint, sondern - und das ist entscheidend - als ein Gott, der auch und gerade in seinem Gerichtshandeln das Heil im Blick hat. Jahwe will nicht den Tod, sondern das Leben. Die Gerechten sollen leben! Sterben müssen nur die Sünder. Damit erhält die Gerichtsankündigung der Propheten eine neue Stoßrichtung. Das Gerichtsgeschehen ist jetzt, sofern wir es mit der Ankündigung eines Läuterungsgerichts zu tun haben, letztlich ein Schritt auf dem Weg zu einem eschatologischen Friedensreich. Die Geschichte endet nicht mit dem Untergang Israels, mit der Vernichtung des erwählten Volkes, sondern damit, daß die Sonne der Gerechtigkeit über den Frommen aufleuchtet, so daß diese in einer von Sündern und Unterdrückern befreiten, friedvollen Welt leben und allein Jahwe in Ehrfurcht dienen. Beide der damit umrissenen Intentionen kommen in den Fortschreibungen zum Tragen, die sich auf einen Kontext beziehen, welcher

3. Zur Theologie der Prophetenbücher

257

sowohl ein umfassendes Gericht ansagt, als auch eine diesem Gericht folgende, das ganze Volk betreffende Heilszeit. Im Vordergrund steht zunächst das ethische Anliegen. Die Gericht und Heil ankündigenden Bezugstexte sind mit Ausnahme des Hoseabuchs von der Zionstheologie geprägt. Sie gipfeln in der Erwartung, daß Jerusalem ein Ort der Gerechtigkeit und des Heils werden soll (Jes 1,26). Jahwe wird am Zion als König regieren (Jes 24,23) und Jerusalem zu einer sicheren Stadt für ein gerechtes Volk machen (Jes 26,1-3; 30,19-26). Das Neue der Fortschreibungen besteht nun nicht darin, daß sie beides, Gericht und Heil ansagen, sondern darin, wem sie beides ankündigen: nicht dem Volk als einer Einheit, sondern zwei verschiedenen Größen, nämlich Sündern und Gerechten. Damit soll unterstrichen werden - und darin verfolgen diese Fortschreibungen das gleiche Ziel wie die Zusätze zu Heilsankündigungen -, daß an dem im Kontext letztlich angekündigten Heil nicht alle, sondern nur die Gerechten partizipieren. Das rechte Verhalten ist also auch nach diesen Zusätzen eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe an dem von Gott geschenkten Heil. Sofern die Fortschreibungen jedoch im Blick auf eine gespaltene Gemeinde geschrieben wurden und sich in dieser Situation an eine Gruppe wenden, welche sich als bedrängte Gerechte versteht, verfolgen sie vor allem die Absicht, diese Leidenden zu trösten. Ihnen, ja ihnen allein sollen die vorgefundenen prophetischen Heilsankündigungen gelten. Deswegen dürfen diese Leidenden auf eine bessere Zukunft vertrauen. Fazit: Die hier besprochenen redaktionellen Zusätze geben den im Kontext vorliegenden Heils- und Unheilsankündigungen einen neuen Bezug. Heil und Unheil treffen nicht ganz Israel, sondern nur jeweils einen Teil des Volkes, das nunmehr in Gerechte und Sünder zerfällt. Den prophetischen Gerichts- wie Heilsankündigungen wird so ein Teil ihrer Radikalität genommen. Damit wollen die Redaktoren zum einen, nämlich indem sie den Gerechten Heil ankündigen, trösten. Von Gott her ist eine heilvolle Zukunft möglich. Zum anderen wollen sie die Bedeutung des individuellen menschlichen Verhaltens betonen. Dieses erhält einen Stellenwert, den es bei den Propheten noch nicht hatte. Es wird zu einem entscheidenden Kriterium des individuellen Ergehens.

258

II. Ergebnis

Man wird zufügen können: Zugleich wird es im Blick auf die Gegenwart zum entscheidenden Kriterium der Gruppenzugehörigkeit. Die Gemeinde - wir mögen vom wahren Israel sprechen - konstituiert sich anders als in der Chronik nicht durch die rechte, genealogisch ausgewiesene Herkunft, sondern durch gerechtes Handeln.

3.1.2. Das argumentative Anliegen Sofern die Redaktoren bei ihrer Differenzierung zwischen Gerechten und Sündern eine geprägte Begrifflichkeit verwenden oder ihre Texte in der Form fester Gattungen formulieren und damit auf die traditionelle Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten zurückgreifen, geschieht dies jedenfalls in manchen Fällen wie bei den Propheten (s.o.) aus argumentativen Gründen. Dabei haben wir es in Jes 26,7ff; 33,7-16 und 56-66 jeweils mit einer zusatzinternen Argumentationsstruktur zu tun. Der Verfasser des Tritojesajabuchs stellt die in weisheitlich allgemeinem Stil formulierte Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten ins Zentrum des ersten Teils seines Buches (57,lf.20f), um sie in den folgenden Teilen auf zwei verfeindete Gruppen in Israel zu applizieren. Er will so deutlich machen, daß es für die Gegner, die doch Frevler sind, keinen Frieden geben kann und daß die Knechte Jahwes auf der anderen Seite gewiß sein dürfen, als Gerechte gerettet zu werden. In Jes 33,7-16 sollen die Anklänge an eine Torliturgie, die ihren Sitz am Kult hat und einzig dem Gerechten den Zutritt zum Tempel gestattet, einleuchtend machen, daß nur die Gerechten am eschatologischen Heil partizipieren werden. Wenn Jes 26,7ff von dem Redaktor stammt, der auch v4-6 verfaßt hat, so soll der Verweis auf die im Kontext eines Volksklagelieds zum Ausdruck gebrachte, weisheitlich formulierte Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten das in v4-6 geäußerte Vertrauen stützen, daß Gewalttäter vernichtet werden, die Gerechten dagegen einer heilvollen Zukunft entgegengehen. Das Argumentationsziel ist in den genannten Texten jeweils das gleiche: die innerhalb Israels differenzie-

3. Zur Theologie der Prophetenbücher

259

rende Ankündigung von Heil und Unheil, wie sie uns schon bei Habakuk begegnet ist. In anderen Fällen soll der Verweis auf die Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten vielleicht die Aussagen der fortgeschriebenen prophetischen Texte untermauern. So soll Jes 3,10f den anliegenden Gerichtsankündigungen Jesajas möglicherweise eine argumentative Stütze geben und zeigen, daß die Unheilsankündigung des Propheten berechtigt ist, da Frevler untergehen müssen und nur Gerechte - die es allerdings nicht gibt - heilvoll leben. Entsprechendes gilt für Jer 17,5-8 in bezug auf die voranstehende Gerichtsankündigung. Zugleich soll dieser Zusatz vielleicht auch der in vl4-18 folgenden Konfession Jeremias eine theoretische Grundlage geben. Der Beter Jeremia darf auf die Vernichtung seiner Gegner und die eigene Rettung hoffen, weil Gottlose vergehen, während Gerechte nichts zu fürchten haben. Dem Nahumbuch mag mit l,2ff im nachhinein ein Verweis auf die Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten vorangestellt worden sein. Die Argumentationsstruktur, die wir oben unter der Voraussetzung, daß der Psalm ein ursprünglicher Bestandteil des Buches ist, festgestellt haben, wäre dann erst auf einer sekundären Ebene geschaffen worden. Ähnliches gilt für Jes 26,7ff, falls dieser Text erst von einem späteren Redaktor stammt. Fazit: Wie die oben besprochenen prophetischen Texte so greifen auch manche Redaktoren in argumentativer Absicht auf die allgemein anerkannte Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten zurück. Dabei wollen sie entweder das eigene Wort einleuchtend machen oder die Ankündigungen der Propheten als wahr bzw. das angekündigte und inzwischen geschehene Handeln Jahwes als gerecht ausweisen.

3.1.3 Das hermeneutische Anliegen Die Redaktoren wollen Worte der Propheten von ihrem ursprünglichen historischen Kontext lösen. Die Prophetenworte sind jeweils in eine bestimmte historische Situation gesprochen worden. Das gilt für die Ge-

260

II. Ergebnis

richtsworte Jesajas genauso wie für die Heilsworte Deuterojesajas. Für kommende Zeiten mußte sich nun, wollte man die Texte nicht der Vergessenheit überlassen oder sie nur noch als historische Dokumente der Vergangenheit lesen, die hermeneutische Frage stellen, welche Bedeutung die in eine bestimmte Situation gesprochenen Texte jenseits dieser Situation haben. Die hier behandelten Zusätze antworten auf diese Frage mit zwei unterschiedlichen hermeneutischen Modellen. Wir haben es auf der einen Seite mit Fortschreibungen zu tun, von denen man aufgrund ihrer konkreten Bezüge oder des Stils der direkten Anrede mehr oder weniger sicher annehmen kann, daß sie sich auf eine bestimmte Situation beziehen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Jes 25,4f; 26,4-6; 29,1721; 50,10f*; 56-66; Ez 20,32-38; 34,17-22; Zeph 2,3.7.9b; 3,11-13; Mal 3,13-21*. Auf der anderen Seite finden sich aber auch Texte, die keine bestimmte Situation im Auge haben, sondern allgemein Gültiges zur Sprache bringen. Dies gilt für Jes 3,10f; 48,22; Jer 17,5-8; Nah l,2ff; Hos 14,10. In bezug auf Jes l,27f; 33,7-16; Jer 30,23f und Am 9,8b-10 läßt sich kaum sagen, ob die Verfasser für eine aktuelle Situation schreiben oder grundsätzliche Aussagen machen wollen. Beides ist möglich, und vielleicht ist auch beides im Blick. Die Redaktoren würden in diesen Texten dann etwas Grundsätzliches auf eine bestimmte Situation hin formulieren. In den Fortschreibungen ohne Bezug auf eine aktuelle Situation soll die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten einer allgemein gültigen Lehre Ausdruck verleihen.8 Die Redaktoren geben damit zu erkennen, wie sie das ihnen vorliegende prophetische Wort verstehen und verstanden wissen wollen. Es ist für sie Ausdruck eben jener Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten. Es exemplifiziert diese Lehre. Die Propheten erhalten so durch die Fortschreibungen ein neues Gesicht. Sie treten jetzt nicht mehr als Künder eines aktuellen Gotteswortes auf, und zwar weder als solche einer uneingeschränkten Ankündigung (so das prophetische Selbstverständnis) noch als solche 8

Vgl. Sheppard, Wisdom 159f.

3. Zur Theologie der Prophetenbücher

261

eines Warn- oder Umkehrrufs (so das dtr. Prophetenverständnis), sondern sie erscheinen als Lehrer einer ewig gültigen Wahrheit, die auf alle Situationen, in denen man es mit Gerechten und Sündern zu tun hat, je und je applizierbar ist. Insofern haben die Zusätze die Funktion eines hermeneutischen Schlüssels, mit dessen Hilfe man das in eine bestimmte Situation der Vergangenheit gesprochene Prophetenwort für eine bestimmte Situation der Gegenwart erschließen kann. Indem die Redaktoren Prophetenworte als grundsätzliche Aussagen deuten, gehen sie aber nur einen ersten hermeneutischen Schritt. Diesem muß dann, sollen die Ausführungen nicht auf einer theoretischen Ebene stehenbleiben, ein zweiter Schritt folgen, nämlich die Applikation auf die je neue Situation. Dieser zweite Schritt steht in der Verantwortung des Lesers oder Hörers. Von den damit charakterisierten Zusätzen sind jene zu unterscheiden, die sich auf eine bestimmte Situation beziehen. Unabhängig von der für uns oft kaum zu beantwortenden Frage, welche Situation es ist, wird man sagen müssen, daß diese Zusätze keine allgemein gültige Wahrheit formulieren, die dann erst vom jeweiligen Leser auf seine je eigene Lage appliziert werden könnte und müßte. Diese Fortschreibungen übertragen das in eine konkrete Situation der Vergangenheit gesprochene Prophetenwort vielmehr direkt auf eine neue Situation. Sie aktualisieren es.9 Auffällig ist nun, daß die beteiligten Personen oder Gruppen oft nicht besonders präzise beschrieben und schon gar nicht namentlich genannt, sondern nur sehr allgemein charakterisiert werden, zum Beispiel in Jes 50,10f als gottesfürchtige Jahwe-Verehrer. Sie werden also nicht als individuelle Personen, sondern als Typen dargestellt. Dadurch ist den Texten eine gewisse Offenheit inhärent. Die Zusätze sprechen somit ausweislich der Anrede oder der Bezugnahme auf bestimmte geschichtliche Umstände in eine konkrete Situation - welche auch immer es gewesen sein mag -, sie weisen jedoch durch die Offenheit der Situationsbeschreibung zugleich über diese Ursprungssituation hinaus. Dadurch 9

Vgl. Seeligmann, Voraussetzungen 167-176; Willi-Plein, Vorformen 11.

262

II. Ergebnis

wird der Unterschied zu der zuerst genannten Gruppe von Texten relativiert. Die Heilszusage, die bestimmten Gottesfürchtigen gemacht wird, gilt, da die Angeredeten als Typen charakterisiert werden, nicht nur jenen Angeredeten, die der Verfasser im Auge hat, sondern dem Typos des Gottesfürchtigen ganz allgemein. Die einer bestimmten Gruppe gemachte Zusage hat paradigmatischen Charakter. Sie betrifft, die ursprüngliche Situation transzendierend, letztlich alle Gottesfürchtigen. Entsprechendes ist für die Gerichtsankündigung zu sagen, die den Gottlosen gemacht wird. Wir haben es also mit zwei unterschiedlichen hermeneutischen Modellen zu tun. Gemeinsam ist beiden, daß die Redaktoren die Relevanz der ihnen vorliegenden autoritativen Prophetenworte jenseits der konkreten historischen Situation, in die sie von den Propheten gesprochen worden sind, aufzeigen wollen. Das prophetische Wort wird von den Redaktoren als ein über sich hinausweisendes Wort verstanden. Nach dem zuerst beschriebenen hermeneutischen Modell werden Prophetenworte in den Kontext der allgemeine Gültigkeit beanspruchenden Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten gestellt und dadurch für neue Situationen applizierbar gemacht. Nach dem anderen hermeneutischen Modell werden Prophetenworte in einer neuen Situation in bezug auf diese Situation fortgeschrieben. Der Unterschied zwischen beiden Modellen wird dadurch relativiert, daß die grundsätzlich formulierten Zusätze durchaus eine konkrete Situation vor Augen gehabt haben mögen und daß umgekehrt die auf eine neue Situation bezogenen Zusätze so formuliert sind, daß sie über diese Situation hinaus ins Grundsätzliche weisen. Mit beiden Modellen weisen die Fortschreibungen späteren Auslegungen den Weg. Denn der Auslegungsprozeß ging weiter und geht weiter. Geändert hat sich allerdings der Modus. Buchinterne Fortschreibungen kann es, seit die Prophetenbücher zu festen Schriften geronnen oder gereift sind, nicht mehr geben. An ihre Stelle treten schon bald nach Abschluß der Bücher die Zitierung in neuem Kontext, der Kommentar und die Predigt. Auch sie wollen die Aussagen der Prophetenworte jenseits von deren Ursprungssituation aufzeigen. Die Frage nach der historisch

3. Zur Theologie der Prophetenbücher

263

gesehen ursprünglichen Aussage der Texte ist demgegenüber eine moderne.

3.2. Der Stellenwert der redaktionellen Zusätze

Welchen Stellenwert hat die Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern in den einzelnen Prophetenbüchern, und welches Gewicht hat sie für die Theologie der jeweiligen Bücher? Man wird bei der Beantwortung dieser Fragen differenzieren müssen. Von großer Bedeutung ist die Gegenüberstellung für das Tritojesajabuch. Dieses als Fortsetzung des Deuterojesajabuchs unter Verwendung von Texten Tritojesajas verfaßte Buch rückt die Gegenüberstellung, wie schon die Gliederung zeigt, ins Zentrum. Wir haben es hier mit einer breit angelegten, ja das Buch erst schaffenden und entsprechend zu gewichtenden redaktionellen Arbeit zu tun. Eine Schicht, die, was den Umfang angeht, dem Tritojesajabuch zwar in keiner Weise vergleichbar ist, aber auch an mehreren Stellen innerhalb eines Werkes zu Wort kommt, findet sich sonst nur im Zephanjabuch. Hier hat ein Redaktor in 2,3.7.9b zunächst nur einzelne Zusätze angefügt, um seinem Anliegen dann in dem als Schlußtext des Buches formulierten Abschnitt 3,11-13 Ausdruck zu geben. Ansonsten erscheint die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten nur in vereinzelten Zusätzen, deren Gewicht sich danach richtet, welchen Fortschreibungshorizont die jeweiligen Redaktoren haben. Die meisten beziehen sich nur auf ihren näheren Kontext, ohne daß das Buchganze in den Blick kommt. Dies gilt für Jes l,27f; 3,10f; 25,4f; 26,4-6; 29,17-21; 50,10f*; Jer 17,5-8; 30,23f; Ez 20,32-38. Man wird hier am ehesten von theologischen Randbemerkungen sprechen können, die die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten als Gedankenanstoß einbringen, aber nicht ins Zentrum stellen.

264

II. Ergebnis

Bei anderen Texten fällt auf, daß sie im Aufbau des betreffenden Buches an einer exponierten Stelle stehen. So gibt Hos 14,10 dem ganzen Hoseabuch einen neuen Schluß. Mal 3,13-21* bildet den letzten Einzeltext des Maleachibuches und ist wohl von vornherein als dessen Schlußtext konzipiert worden. Dafür spricht, daß der Abschnitt nicht unmittelbar hinter seinem Bezugstext 2,17-3,5* steht, sondern erst hinter 3,6-12. Auch Am 9,8b-10 dürfte, da 9,11-15 erst später angefügt wurde, als Schlußwort des älteren Amosbuches verfaßt worden sein. Im Ezechielbuch nimmt 34,17-22 keine Schluß-, sondern eine Anfangsstellung ein. Dieser Text schreibt nämlich das Heilswort fort, das die in Kap. 34-48 enthaltene Heilsverkündigung eröffnet. Schließlich handelt es sich auch bei dem Eingangspsalm des Nahumbuches, sofern er sekundär ist, um einen Zusatz in einer exponierten Stellung. Bei einigen Texten ist es fraglich, inwieweit sie sich auf einen größeren Kontext beziehen. So wird man kaum sagen können, ob Jes 48,22 einen über die voranstehenden Verse 17-19.20-21 hinausgehenden Zusammenhang im Blick hat. Auffällig ist immerhin, daß der Vers an der Nahtstelle zwischen den beiden Teilen des Deuterojesajabuchs Kap. 40-48 und 49-55 steht. Beuken betrachtet Jes 33 als eine Fortschreibung, die nicht nur den engeren Kontext, sondern das ganze Jesajabuch im Blick hat, ja zusammenfaßt. 10 Sollte seine These zutreffen, so erhielte die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten in Jes 33,7-16 auf einer späten redaktionellen Ebene die Funktion eines hermeneutischen Schlüssels für das ganze Buch. In diesem Zusammenhang soll kurz auf Ez 33,1-20 und den davon abhängigen, redaktionellen 11 Text Ez 3,16-21 eingegangen werden. Daß Ezechiel in Kap. 18 und 33,1020 Vorstellungen, die den einzelnen betreffen, auf das Volk bezieht, wurde oben gezeigt. 12 Diese Volksperspektive findet sich auch in Ez 3,16-21; 33,1-9, wenn man die Texte für sich nimmt. Ezechiel wird hier zum Späher für das Haus Israel eingesetzt. Auffällig ist nun die Stellung dieser Texte im Ezechielbuch. 3,16-21 steht dem Unheilsteil, 33,1-9.10-20 dem Heilsteil des Buches voran. 13 Das läßt die Vermutung aufkommen, daß diese Texte auf einer redaktionellen Ebene die Funktion von Vorzeichen erhalten haben. Vielleicht hat ein Redaktor sie an ihren jetzigen Ort gestellt, um die Unheilsankündigung auf die Sünder und die Heilsankündigung auf die Gerechten zu beziehen. 14

10

Beuken, Spiegeltext 5-35; s.o.S. 118 Anm. 4.

11

Vgl. Zimmerli, BK 21979, 87f.

12

S.o.S. 180f.

13

Ez 18 wurde in seinen jetzigen Kontext gestellt, weil der als 'Bildwort' eingeführte Traubenspruch (18,2) gut in den Kontext der Bildworte Kap. 15ff paßt, zumal da dort immer wieder von Weinstöcken die Rede ist (15,2.6; 17,6.7.8; 19,10). Zur Stellung von Ez 18 vgl. Krüger, Geschichtskonzepte 355f.

14

Vgl. Krüger, Geschichtskonzepte 355.

3. Zur Theologie der Prophetenbücher

265

Wie ist die exponierte Stellung der genannten Texte zu erklären? Vermutlich wollen ihre Verfasser nicht nur den näheren Kontext, auf den sie direkt Bezug nehmen, fortschreiben, sondern das ganze Buch. Sie wollen dem Leser an einer zentralen Stelle des Buches einen hermeneutischen Schlüssel an die Hand geben, der die ganze Gerichtsankündigung des betreffenden Buches auf die Sünder bezieht, um den Gerechten explizit oder implizit Heil anzusagen. So versteht der Verfasser von Ez 34,17-22 seine Einschränkung des Heils auf die Unterdrückten vielleicht als eine am ersten Heilswort von Kap. 34-48 durchgeführte exemplarische Interpretation, die im Grunde eine Art Vorzeichen für die ganze folgende Heilsverkündigung darstellen soll. Jedoch wird man vorsichtig sein müssen! Man kommt bezüglich des Fortschreibungshorizonts nämlich über Vermutungen nicht hinaus, wenn die Zusätze keine Bezüge auf das jeweilige Buchganze erkennen lassen, die sie als Fortschreibungen dieses größeren Kontexts ausweisen. Allein ihre exponierten Stellungen in den Büchern lassen vermuten, daß die betreffenden Redaktoren der Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten eine große, ja zentrale theologische Bedeutung beimaßen und die ganze Verkündigung der betreffenden Propheten im Licht dieser Lehre verstanden und verstanden wissen wollten.

3.3. Die Redaktoren als kreative Interpreten

Was bedeutet das Gesagte für das Verhältnis zwischen Prophet und Redaktor? Die Redaktoren treten in ihren Zusätzen als Theologen hervor, die die Worte der Propheten interpretieren. Hatte die ältere Prophetenforschung - als Klassiker sei Bernhard Duhm genannt - einseitig das Wort der Propheten betont, als sie es sich zum Ziel machte, die ipsissima vox dieser Propheten von den Zusätzen der oft als Epigonen verspotteten Redaktoren zu reinigen, um dadurch zum inspirierten Gotteswort vorzu-

266

II. Ergebnis

dringen, so gibt es in der neueren Prophetenforschung15 umgekehrt die Tendenz, einseitig das Wort der Redaktoren zu betonen, die dann als die eigentlichen Verfasser der jeweiligen Bücher gelten und deren Arbeit man für so umfassend hält, daß jede Suche nach echten Worten der Propheten als sinnlos aufgegeben wird. Gegenüber diesen beiden sich in extremer Weise widersprechenden Ansätzen sind die Redaktoren m.E. als Interpreten zu verstehen, und zwar als kreative Interpreten.16 Was ist damit gemeint? Interpreten sind die Redaktoren, die ja einen ihnen vorliegenden Text fortschreiben, insofern, als sie kein eigenes, neues Wort zu sagen und keine andere Botschaft zu verkünden beabsichtigen, sondern die ihnen überlieferte Rede eines Propheten als Wort Gottes auslegen wollen. Sie möchten - ganz im Sinne von Dtn 13,1 - inhaltlich weder etwas hinzufügen noch etwas weglassen, sondern das Wort erschließen und seinen wahren Sinn erfassen. Deswegen wäre es völlig falsch, von einem Bruch zwischen dem Wort des Propheten und dem des Redaktors zu sprechen. Kreative Interpreten sind die Redaktoren insofern, als sie nicht den historisch gesehen ursprünglichen Sinn des ihnen vorliegenden Textes eruieren - das wäre die Aufgabe eines historisch-kritisch arbeitenden Exegeten -, sondern die Wahrheit dieses Textes in einer veränderten Situation neu zur Sprache bringen. Die Redaktoren schreiben also Texte, die als Wort Gottes autoritativen Charakter haben, fort, um sie in einer veränderten Gegenwart auszulegen und ihre Bedeutung und ihren Aussagegehalt jenseits des ursprünglichen Kontexts aufzuzeigen.

15

Um nur einige Beispiele zu nennen, verweise ich auf E. S. Gerstenberger, "Gemeindebildung" in Prophetenbüchern? Beobachtungen und Überlegungen zum Traditionsund Redaktionsprozeß prophetischer Schriften, in: FS O. Kaiser (BZAW 185), Berlin New York 1989, 44-58; E. Ben Zvi, A Historical-Critical Study of the Book of Zephaniah (BZAW 198), Berlin - New York 1991, 347-358; K.-F. Pohlmann, Ezechielstudien. Zur Redaktionsgeschichte des Buches und zur Frage nach den ältesten Texten (BZAW 202), Berlin - New York 1992, 253f.

16

Vgl. Clements, Prophet 214-216, und auf einer grundsätzlichen Ebene St. Alkier, Verstehen zwischen Rekonstruktion und Schöpfung, in: D. Zilleßen - St. Alkier - R. Koerrenz - H. Schroeter (Hgg.), Praktisch-theologische Hermeneutik, Rheinbach-Merzbach 1991, 3-22.

3. Zur Theologie der Prophetenbücher

267

3.4. Zur Bedeutung der Redaktoren für den Prozeß der Kanonentstehung17

Die Kanonisierung der Prophetenbücher, d.h. die am Ende eines langen Prozesses stehende Entscheidung, sie als normative Schriften, ja als "Schrift" anzusehen,18 wird durch die in der vorliegenden Arbeit besprochenen Zusätze vorbereitet. Indem nämlich Redaktoren Prophetenworte, die sich ursprünglich nur auf eine bestimmte Situation bezogen, als Gottesworte interpretieren, die über diese Situation hinausweisen, ja eine grundsätzliche Wahrheit aussagen, wird eine Voraussetzung dafür geschaffen, daß diesen Prophetenworten als einem allzeit gültigen Maßstab (Π D ζ>; κανών) autoritative Bedeutung zugesprochen wird. Die erste Tradierung und Verschriftung der Prophetenworte war die erste Voraussetzung dafür, daß die Worte eine über die Ursprungssituation hinausreichende Bedeutung erhielten,19 ja man wird zugespitzt auch umgekehrt formulieren dürfen: Daß man den Prophetenworten eine derartige Bedeutung beimaß, war die erste Voraussetzung für die Tradierung und Verschriftlichung dieser Worte.20 Jedenfalls - und das ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung das Entscheidende - wird das, was bei

17

Zu diesem Prozeß vgl. B. S. Childs, Biblische Theologie und christlicher Kanon, in: JBTh 3 (1988), 13-27,13f; Dohmen - Oeming, Kanon, passim.

ί ο

Zur Terminologie vgl. Childs, a.a.O. (Anm. 17) 13. 19

Vgl. Dohmen - Oeming, Kanon 46-49.

20

Vgl. Hermisson, Zeitbezug 96-110. Nach C. Hardmeier (Verkündigung und Schrift bei Jesaja. Zur Entstehung der Schriftprophetie als Oppositionsliteratur im alten Israel, ThGl 73 [1983], 119-134) führte nicht die den Prophetenworten beigemessene grundsätzliche Bedeutung, sondern die Ablehnung der Propheten dazu, daß ihre Botschaft aufgeschrieben wurde. Die Verschriftung habe der Selbstfindung des in die Opposition gedrängten Propheten sowie der Identitätsfindung seiner Anhänger gedient. Der damit von Hardmeier hervorgehobene Aspekt wird sicher eine Rolle gespielt haben, man sollte ihn jedoch nicht verabsolutieren. Μ. H. Floyd (Prophecy and Writing in Habakkuk 2,1-5, ZAW 105 [1993], 462-481) hebt unter Berufung auf Hab 2,1-5 hervor, daß man nicht einfach von der Abfolge mündliche Verkündigung - schriftliche Fixierung (durch Schüler) ausgehen könne, sondern mündliche und schriftliche Äußerung als gleichursprüngliche Formen prophetischer Verkündigung nebeneinander sehen müsse.

268

II. Ergebnis

diesem ersten Schritt implizit schon eine Rolle gespielt hat, in den besprochenen Zusätzen deutlich herausgestellt: Die jeweils fortgeschriebenen Prophetenworte enthalten eine über ihre Ursprungssituation hinaus gültige Aussage. Sie verkünden den Gerechten Heil, den Sündern dagegen Unheil, und diese Botschaft ist auf neue Situationen applizierbar.

3.5. Mögliche Situationen früher Applikation der redaktionell überarbeiteten Texte

Auf welche Situationen könnten die ersten Leser die von ihren Verfassern offen formulierten Zusätze appliziert haben? Vieles ist denkbar, und über Vermutungen wird man nicht hinauskommen. Eines der zentralen Probleme des nachexilischen Israel ist jedenfalls, daß es immer von einer Fremdmacht beherrscht wird, mögen es die Perser, die Griechen, die Ptolemäer oder die Seleukiden sein. In dieser Situation mußte sich die Frage stellen, wie man sich dieser Fremdmacht oder auch grundsätzlich allen Fremden gegenüber verhielt: abweisend oder aufgeschlossen. Sollte man sich fundamentalistisch gegen alles Fremde, insbesondere gegen fremde Kulte und was mit ihnen zusammenhing, abgrenzen, um im Gehorsam auf das Gesetz Jahwe allein zu verehren und so die eigene Identität zu bewahren, oder sollte man sich, die realpolitischen Verhältnisse akzeptierend, mit der Fremdmacht bzw. mit Fremden arrangieren? An dieser Frage haben sich im nachexilischen Israel vermutlich schon früh die Geister geschieden, ja an ihr hat sich im Laufe der Zeit die Gemeinde gespalten. Es kam zu einander bekämpfenden Gruppen.21 Unabhängig davon, was die Redaktoren der Prophetenbücher, die bei ihrer Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern keinen konkreten Bezug erkennen lassen, im Blick gehabt haben mögen, wird man vermuten können, daß ihre Texte schon bald zum einen auf 21

Vgl. Crüsemann, Israel 218-221.

3. Zur Theologie der Prophetenbücher

269

diese einander bekämpfenden Richtungen22 bezogen worden sind, zum anderen aber auch im Rahmen sozialer Konflikte auf unterschiedliche Schichten. Dabei müssen sich verschieden geartete Spannungen zwischen Gruppen keineswegs ausschließen, sondern können sich ergänzen. Unabhängig davon, was der Konfliktgegenstand im einzelnen jeweils gewesen sein mag, trägt die Applizierung der Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern auf einen Konflikt zwischen zwei Gruppen durch die Schwarzweißmalerei der Gegenüberstellung dazu bei, die eigene Gruppe nach außen hin abzugrenzen und nach innen zu festigen.23 Die Gegner werden zu Exponenten des Bösen dämonisiert, von denen man sich deutlich distanzieren muß, und die Gerechten verstehen sich selber als Schar der Erwählten Gottes.

3.6. Zu den Wurzeln der Apokalyptik

Das damit grob skizzierte Milieu, in dem die Gegenüberstellung von Gerechten und Sündern eine Bedeutung gehabt haben mag, ist dem Milieu vergleichbar, dem die Apokalyptik entstammt. Die Verbindungen zur Apokalyptik gehen aber weiter, ja man wird sagen können, daß die Redaktoren, die - im Gefolge Habakuks und der Kultpropheten - die Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten mit der Zukunftsankündigung der Schriftpropheten verbinden, zu den Vorbereitern der Apokalyptik gehören. Für die Apokalyptik ist die Botschaft von der Vernichtung der Gottlosen und der Rettung der Gerechten von fundamentaler Bedeutung. Die Vorstellung von einem Läuterungsgericht an Israel wird hier zur Vorstellung von einem kosmisch dimensionierten Läute22

Zu Ps 1 im Kontext dieser Auseinandersetzungen vgl. B. Diebner, Psalm 1 als "Motto" der Sammlung des kanonischen Psalters, DBAT 23 (1986), 7-45, 34f; J. Maier, Psalm 1 im Licht antiker jüdischer Zeugnisse, in: FS Α. H. J. Gunneweg, Stuttgart u.a. 1987, 135-146.

23

Vgl. Plöger, Theokratie 83f.

270

II. Ergebnis

rungsgericht, bei dem die Frevler in einem Feuerpfuhl verbrannt werden, die Gerechten jedoch in ein ewiges Friedensreich einkehren (vgl. Dan 12,2; äthHen 90,26.82). Beides wird in der Apokalyptik in grellen Farben ausgemalt. Die Frage nach den Wurzeln der Apokalyptik wird man angesichts der hier vorgestellten Verbindung der vor allem weisheitlich geprägten Gegenüberstellung von Gerechten und Frevlern mit prophetischen Ankündigungen nicht auf die Alternative "Weisheit oder Prophetie"24 reduzieren dürfen. Die prophetische Zukunftsschau wurde nämlich schon vor dem Aufkommen der Apokalyptik mit der besagten Lehre verbunden, und in dieser Verbindung dürfte eine der Voraussetzungen der Apokalyptik zu sehen sein.

24

Zur Diskussion vgl. K. Koch, Das Buch Daniel (EdF 144), Darmstadt 1980,171-176.

Zusammenfassung

Die vorliegende Untersuchung widmet sich der bislang nicht behandelten Frage, wo und mit welcher Intention die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten in den Prophetenbüchern verwendet wird. 1. In echten Prophetenworten findet sich diese Gegenüberstellung nur relativ selten, nämlich nur bei Habakuk, Ezechiel und, falls Nah 1 zum ursprünglichen Bestand des Buches gehören sollte, auch bei Nahum. Die Aufnahme der Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten hat dabei jeweils eine argumentative Funktion. Die Propheten wollen ihre Botschaft einleuchtend machen. Sie applizieren die im Bereich des Rechts, des Kultes und der Weisheit anerkannte Auffassung, daß nur der Schuldige, der Gottlose und der Frevler Unheil erleiden, daß aber der Unschuldige, der Fromme und der Gerechte einer heilvollen Zukunft entgegengehen, auf die konkrete Situation, in die sie sprechen, um das von ihnen verkündete Gotteswort zu belegen. Damit erweisen sie sich als theologische Denker, die ihre aktuelle Botschaft auf dem Hintergrund der traditionellen Lehre verstanden wissen wollen. 2. Weit häufiger als bei den Propheten findet sich die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten in redaktionellen Zusätzen der Prophetenbücher. Exilisch-nachexilische Theologen, die im einzelnen recht unterschiedlich arbeiten, haben prophetische Unheilsankündigungen auf die Sünder und prophetische Heilsankündigungen auf die Gerechten bezogen. Dadurch haben sie den betreffenden Prophetenworten, ja zum Teil ganzen Prophetenbüchern ein neues theologisches Profil gegeben. Dieses gilt es zu erfassen, um die Konturen der Theologie der Spätzeit des alten Israel im allgemeinen und die der Rezeption der Propheten im besonderen schärfer zu sehen. Innerhalb der redaktionellen Belege lassen sich inhaltlich zwei Formen der differenzierten Zu-

272

Zusammenfassung

kunftsankündigung unterscheiden: die Vorstellung von einem einmaligen Läuterungsgericht und die von dem Gerechte und Sünder je und je treffenden Heil bzw. Unheil. In Jes l,27f; 25,4f; 26,4-6; 29,17-21; 33,7-16; 56-66; Jer 30,23f; Ez 20,32-38; 34,17-22; Am 9,8b-10; Zeph 2,3.7.9b; 3,11-13 und Mal 3,13-21 findet sich die Vorstellung von einem Läuterungsgericht, d.h. von einem Gericht, bei dem Israel von seinen Sündern gereinigt wird, damit die Gerechten anschließend in Frieden leben können. Das Gericht dient jetzt letztlich der Durchsetzung von Heil. Die Geschichte endet nicht mit der Vernichtung des ganzen Volkes, sondern in einem eschatologischen Friedensreich, in welchem die Gerechten friedvoll leben und allein Jahwe in Ehrfurcht dienen. Gott erscheint nicht mehr als ein vernichtender Gott des Gerichts, sondern als ein Gott, der auch und gerade in seinem Gerichtshandeln das Heil im Blick hat. In Jes 3,10f; 48,22; 50,10f; Jer 17,5-8; Hos 14,10 und Nah l,7f(?) haben wir es mit einer anderen Vorstellung zu tun. In diesen psalmistisch oder weisheitlich geprägten Texten werden Heil und Unheil als zwei Zukunftsperspektiven einander gegenübergestellt, die den einzelnen je und je treffen. Die Heils- und Unheilsankündigungen der Propheten sollen sich nach Ansicht der Redaktoren nicht auf Israel als Ganzes und dessen Geschichte beziehen, sondern auf die je einzelnen Menschen und ihr individuelles Ergehen. Beide Arten redaktioneller Zusätze und Fortschreibungen interpretieren die Prophetenbücher, indem sie die Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten an die Propheten herantragen. Die Schriftpropheten Israels richteten ihre Zukunftsankündigungen, sofern diese nicht konkrete Einzelpersonen betrafen, mit Ausnahme von Habakuk an das Volk als Ganzes, ja Ez 21,8f kündete Frevlern und Gerechten sogar expressis verbis das gleiche Ergehen an. Diese Volksperspektive, die dem menschlichen Gerechtigkeitsempfinden widerspricht, nach dem Gerechte belohnt und Sünder bestraft werden, gehört zur Radikalität der Propheten. Die hier vorgestellten Redaktoren haben diese Radikalität abgeschwächt. Sie nehmen die Gerichtsbotschaft der für sie autoritativen Propheten auf, verstehen das Gericht aber nicht so, daß es das ganze

Zusammenfassung

273

Volk trifft. Es vernichtet nur die Gruppe der Sünder. Umgekehrt gilt auch die Heilsankündigung der Propheten nur den Gerechten. Welche Absicht verfolgen die Redaktoren? Drei Aspekte sind zu nennen: Erstens haben sie ein seelsorgerliches Anliegen. Gegenüber den prophetischen Gerichtsankündigungen wollen die Redaktoren hervorheben, daß das Gericht kein totales ist. Die Gerechten werden nicht getötet werden. Sie sollen - so die frohe Botschaft der Redaktoren - heilvoll leben. Zweitens wollen die Redaktoren die Bedeutung des rechten Verhaltens gegenüber Jahwe und den Mitmenschen betonen. Im Kontext prophetischer, an keine Bedingung geknüpfter Heilsankündigungen heben sie hervor, daß das rechte Verhalten eine Voraussetzung für die Teilhabe an dem von Gott geschenkten Heil darstellt. Drittens verfolgen die Redaktoren ein hermeneutisches Anliegen: Indem sie prophetische Heils- und Unheilsankündigungen auf Gerechte und Sünder beziehen, lösen sie diese Ankündigungen von ihrem ursprünglichen historischen Kontext. Die Prophetenworte waren jeweils in eine bestimmte historische Situation gesprochen worden. Für kommende Zeiten mußte sich deswegen das hermeneutische Problem stellen, welche Bedeutung die situationsbezogenen Texte jenseits ihrer Ursprungssituation haben konnten und sollten. Diese Frage findet bei den Redaktoren in zwei unterschiedlichen Modellen eine Antwort. Nach dem einen werden Prophetenworte in einer neuen Situation direkt auf diese neue Situation übertragen. Nach dem anderen werden Prophetenworte in den Kontext der transsituative Gültigkeit beanspruchenden Lehre vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten gestellt, um diese Lehre zu exemplifizieren. Die Propheten werden hier nicht als Künder eines aktuellen Gotteswortes verstanden, sondern als Lehrer einer ewig gültigen Wahrheit, die auf alle Situationen, in denen man es mit Gerechten und Sündern zu tun hat, applizierbar ist. In beiden Fällen wollen die Zusätze - und insofern haben sie die Funktion eines hermeneutischen Schlüssels - den Aussagegehalt erschließen, den ein in der Vergangenheit gesprochenes Prophetenwort jenseits seiner Ursprungssituation hat.

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Zusammenfassung

Der damit beschriebene Vorgang bietet, hermeneutisch gesehen, ein Pendant zur prophetischen Verwendung der Gegenüberstellung vom Unheil der Sünder und Heil der Gerechten. Die betreffenden prophetischen Texte beziehen nämlich die allgemeine Gültigkeit beanspruchende Lehre auf eine konkrete historische Situation. Umgekehrt lösen die Redaktoren Prophetenworte aus ihrer ursprünglichen Situation. Die Propheten wollen - jedenfalls in den besprochenen Texten - ihr auf eine bestimmte Situation bezogenes Wort durch den Rückgriff auf die allgemeine Gültigkeit beanspruchende Lehre argumentativ belegen, die Redaktoren wollen dem auf eine konkrete Situation bezogenen Prophetenwort dagegen, indem sie es in den Rahmen eben jener Lehre stellen, eine diese Situation transzendierende Gültigkeit geben.

Zur Darstellung der Schichten in den Übersetzungen Den Auslegungen der einzelnen Texte ist, wo es sinnvoll erschien, eine Übersetzung vorangestellt. Sofern die Texte in sich mehrschichtig sind, wird dies in Vorwegnähme der Ergebnisse der literarkritischen Analyse bereits in dieser Übersetzung zum Ausdruck gebracht. Dabei werden zur Kennzeichnung der einzelnen Schichten die folgenden Drucktypen verwendet:

Grundschicht 1. Redaktor 2. Redaktor 3. Redaktor späte Zusätze

Zu Umschrift, Zitierweise und Abkürzungen Transliterationen semitischer Sprachen richten sich nach den Umschrifttabellen von L. Köhler - W. Baumgartner, Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament, Leiden 3 1967ff. Um die Fußnoten zu entlasten, wird Literatur, auf die häufig Bezug genommen ist, verkürzt zitiert. Bei Aufsätzen und Monographien werden der Name des Verfassers und ein Kurztitel genannt. Die vollständige Literaturangabe findet sich im Literaturverzeichnis unter 'Grundsätzliches' oder in dem Abschnitt des Verzeichnisses, der sich auf den betreffenden alttestamentlichen Text bezieht. In Reihen erschienene Kommentare sind aus Platzgründen nicht ins Literaturverzeichnis aufgenommen. Sie werden jeweils nur mit Verfasser, Reihe und Jahr (mit Auflage) zitiert. Sofern keine Seitenangabe genannt wird, ist der Kommentar zur Stelle gemeint. Abkürzungen richten sich nach S. Schwertner, Theologische Realenzyklopädie, Abkürzungsverzeichnis, Berlin - New York 21994. Sofern sie sich dort nicht finden, sind sie H. Ringgren - H.-J. Fabry, Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Bd. VI, Stuttgart u.a. 1989 bzw. L. Köhler - W. Baumgartner, Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament, Leiden 31967ff entnommen. Weitere Abkürzungen: ABD The Anchor Bible Dictionary, hg. v. D. Ν. Freedman, New York u.a. 1992 KIBB Kleine Biblische Bibliothek

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Register

Bibelstellen (in Auswahl) Jesaja 70.89f.92 1,21-26 89-93.2331,27-28 243.263 185-188 3,1-9 184-189.2433,10-11 249.263 185f 3,12-15 93-116.236 24-27 96.102f 24,23 95-105.108f 25,1-5 25,1-3 108f 233-243.263 25,4-5 238 25,5 25,6 96 105-110 26,1-6 116.233-243. 26,4-6 263 26,5 238 110-116.23326,7-12 243 21 29,1-16 18-22.116. 29,17-21 233-243.263 29,22-24 19 117-123.23333,7-16 243 35,10 91 45,14-17 70 48,12-16 201 201-204.244 48,17-19 200-204.24448,22 249.264 205.209.211 50,4-9 205-212.24450,10-11 249.263 91 51,11 79-88.164. 56-66

56,1 56,2 56,3 57,If 57,20f 57,21 58,1 59,15-20 59,20 63,1-6 65,8 65,12 65,13-15 66,5-17 66,5

233-243 81 81f 86 81f.201 81f.201.204 200-203 82 82-84 82f.90 82-84 84.237 238 84 85 84.86

Jeremia 17,1-4 190-192.196200 189-200.212. 17,5-8 244-249.263 192f 17,9f 17,11 193f 17,12f 194f 17,14-18 194-200 77 23,19f 30f 77 30,18-22 78 30,23-24 76-78.233243.263 31,29 176 Ezechiel 3,16-21 180 9,1-11 173-175.225231 13,11 77

13,13 14,12-23 14,14.20 18,1-32 18,22 20,1-31 20,32-38 20,37f 20,39-44 21,8f 33,1-9 33,10-20 33,10 34-48 34,1-16 34,16 34,17-22 40-48

77 169-175.225231 228 175-184.226231 228 43.49-52 42-52.75.203. 233-243.263 237 49 230f 180.264 179f.183.226231.264 177 75 69f.72-75.235 71 67-76.233-243 264f 49

Hosea 14,10

Amos 5,18-20 6,11 9,1-4 9,5-6 9,7-10 9,8-10 9,9 9,11-15

215-220.245249.264

18 15 10f.l5f 10 9-18 42.70.233-243. 264 237 17

291

Register 9,11-12 9,13-15

10 10

Obadja 1-18 70 19-21 70

1,2-8 l,7f

Nahum 165-169.213215.225-231 227.244-249

Habakuk 124-164.223231 1 132-139.146. 148 1,4 143 1,5-11 132-135 1,12 132-135 1,13 144 1,14-17 135-138 1,14 143 2 148-156. 142 2,1 1-3

2.3 2.4

2.5 2,15 2,18-20 3

142 142f.l49-153. 169.183.224. 227f 144.153-155 144 139f 141-146.156

Zephanja 37-40 27-32.35 36.40f.233-243. 263 2,4-7 32-35 2,7 5.36f.40f.233243.263 2,8-11 35-37 2,8-10 70 2,9 5.40f.233-243. 263 3,11-13 5.24-27.31f.34. 36.40-42.70. 233-243.263 3,11 237 1,2-6 2,1-3 2,3

3,14-20

41

Maleachi 1,2-5 61f 1,6-2,9 61f 2,10-16 61f 2,17-3,5 52-67 3,6-7a 61f 3,7b-12 61f 3,13-21 52-67.233-243. 264 Psalmen 20.255 2.48.106.121. 181f 24 2.48.106.121 107,43 215f 118,19f 2.106 1 15

Sachregister argumentative Struktur

87.115.122.134.159f.163f.168f.172.174f.183.187.197.204.213. 224-230.258f.271.274 Asidäer 250f Bund 45-47.56.61 deuteronomistische Tradition 5.39f.81.90-92.191.196.217.248 44.47.52.59.61f.183.176.179 Disputationswort 2.48.106.121f.l81f.258 Einzugsliturgie -> Gerichtsprophetie Gerichtsankündigung 1.17f.22.30f.40-42.51.64.92.104f.l22f.l62f.l72.174f 186.188. Gerichtsprophetie 192.197f.218f.224f.229-236.243.246.256f.272f. -> Heilsprophetie Heilsankündigung Heilsprophetie 1.42.75.78.80f.91f.l04f.l23.204.209.211.232.235f.244f.256f. 273 2f.46-48.52.70.173.176.180f.218.257.272 Individualismus kultische Tradition 2.48f.l22.134.158f.l61.181-183.226f.254.258.271 Kultprophetie 254.269 Läuterung(sgericht) 9.22.41f.44.47.51f.65-67.74-78.105.116.123f.204.233-239.256. 269f 21.85-88.101.104f.ll0.114.116.130.157.159.161.210-212.234. leidende Gerechte 236

292

Register

psalmistische Tradition priesterliche Tradition rechtliche Tradition Rest Situationsbezug

Tag Jahwes Theodizee Theophanie Torliturgie Umkehr(ruf) Unheilsankündigung Unheilsprophetie Wehe-Ruf weisheitliche Tradition

21.101.105.112-116.157.160f.166-168.198.210-214.227.236. 247-249 - > kultische Tradition 2.57.63.169f. 172f.175.225.227.271 5.25.32-41 20.65.87.101.110.114-116.123f.155.160.163.168f.172.175.187189.197-200.203f.210.213-215.220.224f.227.229.240-242.247249.259-263.267f.273f 12.26.29.31.33.37.41.57.63-66.213f.234.239 66.148.161.217f 88.131.134.141.145.156.161f.165-167.217 - > Einzugsliturgie 27.61f.65.82.89-92.175.179-183.226f.230.261 - > Gerichtsprophetie - > Gerichtsprophetie 134.139f.155.160.185.187.223f 2f.65.81f.86f.116.155.158-164.169.175.187f.190.198-204.212. 218-220.224.227.245.248-251.254.258.270f

Wortregister Die Wörter erscheinen auf den angegebenen Seiten zum Teil nur in Übersetzung. τ ί IN τηά' ΤΚ T nSlüS

18.20f.98-108.116.241 55 59f.l38 153.158.224.228 153.155.170f

^ ΓΡΊ?' ' ΓΡΙ! nisa ' TT TT ΚΒΠ mn ΓΡΠ "Ρ0Π η03Τ

12 45-47.56 45-47.56 25f.33f.40.234.240f 27.30-32.34.99-108.114.240f 22.95.99-101.104.116 95.99f 20.22.90 7f.240f 142.181.228 249.251 28f

f1? n$cno Q3TO n"?» Π 3 » / ·> : ϊ / Τ 1 Ϊ T TT *?SJ> p-|J> · Τ 1

68

20.22.116 38 55.90f.lll.133.162 25-27.33f.40.240 18f.30-32.99.107-110.115f.234.240f 149-153 20.22.98-104.116.241.258

Register ma Dfcns p *> npii ώρ »Eh »0Ί asts

9i 90.218.240.247 55 65.82.130.158.181f.185.218.240.248f 81,90f.158.172.228 27f 65.82.101.148.185.202.218.240.247-249 20 44.7if

293

ZEITSCHRIFT FÜR NEUERE THEOLOGIEGESCHICHTE JOURNAL FOR THE HISTORY OF MODERN THEOLOGY Herausgegeben von R I C H A R D E. CROUTER · F R I E D R I C H W I L H E L M G R A F GÜNTER MECKENSTOCK Die Zeitschrift für Neuere Theologiegeschichte ist eine akademische Fachzeitschrift. Sie wendet sich an Theologen, Historiker, Philosophen, Religionswissenschaftler und Vertreter anderer kulturwissenschaftlicher Disziplinen. Die Zeitschrift enthält Beiträge zur Geschichte der Theologie seit der Aufklärung. Neben den verschiedenen Richtungen protestantischer Theologie und Religionsphilosophie finden auch die theologischen und religionsphilosophischen Strömungen im römischen Katholizismus und im Judentum Berücksichtigung. Die Zeitschrift ist dabei nicht auf die Theologiegeschichte im deutschen Sprachraum beschränkt. Sie wird auch Beiträge zu den theologiegeschichtlichen Transformationsprozessen in anderen europäischen Ländern sowie in N o r d a m e r i k a enthalten. Die Beiträge sind in deutscher oder englischer Sprache verfaßt. Eine Zusammenfassung (abstract) in der jeweils anderen Sprache ermöglicht einen raschen Überblick. Band 1, 1994 Pro Jahr zwei Hefte im G e s a m t u m f a n g von etwa 320 Seiten. Komplett D M 1 6 2 , - / s F r 1 5 6 , - / ö S 1 2 6 4 , Einzelheft D M 8 8 , - / s F r 8 5 , - / ö S 6 8 7 , ISSN 0943-7592

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WALTER DE GRUYTER · BERLIN · NEW YORK

Christian Grethlein

Gemeindepädagogik Oktav. VII, 3 6 7 Seiten. 1994. Broschiert D M 5 4 , - / ö S 4 2 1 , - / s F r 5 4 , ISBN 3-11-013766-6 (de Gruyter Studienbuch) Studienbuch zur praktisch-theologischen Disziplin Gemeindepädagogik und ihren Handlungsfeldern. Eingangs wird Gemeindepädagogik in der Spannung von Theologie (Gemeindebegriff) und Pädagogik (Bildungsbegriff) systematisch entfaltet. Den Hauptteil bildet ein jeweils historisch, empirisch, kritisch und handlungsorientierend ausgerichteter Durchgang durch die wichtigsten gemeindepädagogischen Handlungsfelder. Abschließend werden der Gottesdienst als Zentrum der Gemeindepädagogik aufgewiesen und das Problem der Kooperation zwischen den verschiedenen Mitarbeitergruppen bedacht. Der Autor ist Ordinarius für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Dietrich Rössler

Grundriß der Praktischen Theologie 2., erweiterte Auflage

Oktav. XVII, 660 Seiten. 1994. Gebunden D M 7 8 , - / ö S 6 0 9 , - / s F r 7 7 , ISBN 3-11-013434-5 (de Gruyter Lehrbuch) Lehrbuch und Nachschlagewerk für das gesamte Gebiet der Praktischen Theologie. Die Darstellung verbindet einen systematischen Aufbau der Praktischen Theologie mit der historischen Fragestellung nach Entstehung und Geschichte der einzelnen praktisch-theologischen Themen und Probleme und der Einführung in den heutigen Stand der jeweiligen Diskussion auch in der Sozialwissenschaft und der einschlägigen Literatur. Sach- und Namenregister. Der Autor ist Ordinarius für Praktische Theologie an der Universität Tübingen. Preisänderungen vorbehalten

Walter de Gruyter

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