Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte: Zugleich ein Beitrag zur Lehre von den gemeingefährlichen Delikten [1 ed.] 9783428494316, 9783428094318

Das Brandstrafrecht hat im Zuge des 6. StrRG ein neues Gesicht bekommen. Die Brandstiftungsdelikte enthalten - nach eine

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Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte: Zugleich ein Beitrag zur Lehre von den gemeingefährlichen Delikten [1 ed.]
 9783428494316, 9783428094318

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HENNING RADTKE

Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser em. ord. Professor der Rechte an der Universität Hamburg

und Dr. Friedrich-Christian Schroeder ord. Professor der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 113

Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte Zugleich ein Beitrag zur Lehre von den gemeingefährlichen Delikten

Von

Henning Radtke

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Radtke, Henning:

Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte : zugleich ein Beitrag zur Lehre von den gemeingefährlichen Delikten / von Henning Radtke. Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Strafrechtliche Abhandlungen ; N.F., Bd. 113) Zugl.: Göttingen, Univ., Habil., 1997 ISBN 3-428-09431-X

Alle Rechte vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-09431-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9 7 0 6 θ

Vorwort Die vorliegende Schrift ist von der Juristischen Fakultät der Georg-AugustUniversität Göttingen im Wintersemester 1997 als Habilitation angenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Neugestaltung des Brandstrafrechts im Zuge der Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StrRG), das am 1. April 1998 in Kraft getreten ist, noch in vollem Gange. In ihrer ursprünglichen Fassung bezog sich die Arbeit daher auf das bis März 1998 geltende überkommene Brandstrafrecht, berücksichtigte aber den Stand des Gesetzgebungsverfahrens bis zum Herbst 1997. Für die Publikation mußte die Schrift nochmals erheblich umgestaltet und auf das reformierte Brandstrafrecht abgestimmt werden. Abgesehen von der Berücksichtigung der Reform in der vorliegenden Fassung hat die im Juli 1996 mit einem Referentenentwurf aus dem Bundesministerium der Justiz überraschend eingeleitete Revision des Besonderen Teils durch das 6. StrRG das Gesicht dieser Arbeit vollständig verändert. Was als Versuch der Bildung eines an der generellen Gemeingefährlichkeit der Taten orientierten stimmigen Systems des Brandstrafrechts mit der Intention begonnen wurde, eine sichere dogmatische Grundlage für eine Neugestaltung der Brandstiftungsdelikte zu gewinnen, wandelte sich angesichts des Reformtempos des Gesetzgebers notgedrungen stärker zu einer Deutung und Bewertung des bisherigen und des neuen Brandstrafrechts. Mit dieser Arbeit möchte ich meine große Dankbarkeit gegenüber meinem akademischen Lehrer, Prof. Dr. Fritz Loos, zum Ausdruck bringen, dessen Förderung und Hilfe ich auch und vor allem in den durch die Reform bedingten, für mich schwierigen Zeiten stets gewiß sein konnte. Dank schulde ich auch Prof. Dr. Maiwald und dem Präsidenten unserer Universität, Prof. Dr. Schreiber, für zahlreiche Anregungen bei der Anfertigung der Schrift. Meinen Kollegen Dr. Ralf Krack und Dr. Petra Mennicke, LL.M. danke ich für die Bereitschaft zur Diskussion während der gemeinsamen Göttinger Assistentenzeit sowie Lars Müller für die vorzügliche technische Hilfe und Dr. Claus Kreß, LL.M., Bundesministerium der Justiz, der mir in den hektischen Zeiten der Reform bereitwillig Auskunft über den jeweiligen Stand der Dinge gegeben hat. Ganz besondere Dankbarkeit empfinde ich gegenüber meiner Ehefrau Andrea und meinen Eltern, die durch stetige Übernahme der „häuslichen Aufgaben" die Überarbeitung der Schrift in nahem zeitlichem Abstand zum Inkrafitreten des neuen Brandstrafrechts ermöglicht haben. Göttingen, im März 1998

Henning Radtke

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

13

Α. Brandstiftung im System der Gefährdungsdelikte

15

B. Brandstrafrecht und abstrakte Gefährdungsdelikte

22

I. Begriffsbestimmungen

23

II. Klassifizierungen

26

C. Brandstrafrecht und generelle Gemeingefährlichkeit

37

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

41

A. Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt

42

B. Abstrakte Gefährdungsdelikte nach Kratzsch

45

I. Faktische Struktur der Brandstiftungsdelikte

45

II. Normative Struktur der Brandstiftungsdelikte

46

III. Anwendungsbeispiel

50

IV. Kritik

52

C. Strukturen der Brandstraftatbestände I. Faktische Gegebenheiten der Brandstiftung

56 57

1. Typizität der Gefährlichkeit der Tathandlung

57

2. Gefährlichkeit der Handlung und Irrtumsrisiko

62

II. Normative Strukturen des Brandstrafrechts 1. Tatobjekt und Rechtsgut

65 68

a) Kongruenz von Rechtsgut und Tatobjekt

71

b) Vermittelter Rechtsgutsangriff.

72

c) Vermittelter Rechtsgutsangriff bei der Brandstiftung

74

Inhaltsverzeichnis

8 d) Zwischenergebnis

2. Tathandlung und kasuistisch normierte Tatobjekte a) Gesetzes- und Reformgeschichte des Brandstrafrechts b) Bilanz der historischen Entwicklung 3. Brandstiftung und Gemeingefahr

82 82 85 112 114

a) Dogmengeschichte der Gemeingefahr

116

b) Gemeingefährliche Delikte und Rechtsgüterschutz

140

c) Generelle Gemeingefährlichkeit

150

III. Strukturelemente der Brandstiftung (Zusammenfassung) 2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung 44 A. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten I. Rechtsgut

157

159 160 161

1. Das „Wohnen" als Schutzzweck

162

2. Schutz „überstaatlicher Werte der Allgemeinheit"

166

3. Erweiterungen und Begrenzungen

168

II. Tatobjekte und Tathandlungen 1. Taugliche Tatobjekte

173 174

a) Widmungen und Entwidmungen

180

b) Mischnutzungen

189

2. Die Tathandlungen

196

a) Inbrandsetzen und Tatvollendung

196

b) Inbrandsetzen am brennenden Tatobjekt

204

c) Zerstörung durch Brandlegung

207

III. Von teleologischen Reduktionen 1. Die Modelle

215 216

a) Die prozessualen Lösungsvorschläge (Rabl/Schröder)

218

b) Die Risikomodelle

226

c) Vermeintliche Risikoschaffimg

240

2. Unrechtsbegründung und teleologische Reduktionen

241

IV. Die subjektive Seite

246

V. Versuchskonstellationen

248

VI. Minder schwere Fälle

250

Inhaltsverzeichnis Β. Schwere Brandstiftung und Tatzeitkonkretisierung

254

I. Rechtsgut

254

II. Tatobjekte und Tatzeitkonkretisierung

256

1. Tatobjekte

256

2. Tatzeitformel

260

III. Tatzeitkonkretisierung und Legitimitätsfrage

262

IV. Die subjektiven Voraussetzungen

263

C. Brandstiftung an Kirchen

264

I. Rechtsgut

265

II. Kirchen und entsprechende Gebäude

270

III. Brandstiftung an Kirchen und teleologische Reduktionen

273

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

276

I. Rechtsgutbestimmung

276

II. Tatobjekte und konkrete Gesundheitsgefahr

278

1. Tatobjekte

280

2. Konkrete Gesundheitsgefahr und ihre Ursachen

281

a) Konkrete Gefahr als Gefahrerfolg

282

b) Ursachen konkreter Gesundheitsgefahr

285

c) Über sog. Retterschäden

288

III. Brand- und Gefährdungsvorsatz

305

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

309

A. Gesamtsystem der Qualifikationen

310

B. Brandstiftung und Todeserfolgsqualifikation

312

I. Tathandlung und schwere Folge

314

1. Kausalität

315

2. Spezifischer Gefahrzusammenhang

318

II. Tatvorsatz

321

III. Eintritt schwerer Folgen und die Sorgfaltswidrigkeit

321

IV. Erfolgsqualifikation und Versuch

326

10

Inhaltsverzeichnis C. Brandstiftung mit konkreter Todesgefahr

327

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen

332

I. Strafgrund

334

II. Grunddelikt und Bezugstat

338

III. Ausnutzungsabsicht und Tatvorsatz

343

1. Grunddelikt und Bezugstat

343

2. Verdeckungsabsicht etc. und Vorsatzformen

344

IV. Tatbeteiligungen

347

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens

351

I. Unrechtsgehalt

352

II. Tathandlungen und Taterfolge

354

1. Tathandlungen

355

2. Taterfolge

355

3. Zeitliches Verhältnis von Grunddelikt und Qualifikation

358

III. Subjektive Voraussetzungen

360

IV. Beteiligungsformen

362

F. Brandstiftung mit Körperverletzung

367

4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

370

A. Reform der einfachen Brandstiftung - Zwischenbilanz

370

B. Sachbeschädigung versus gemeingefährliches Delikt

372

C. Bemerkungen zu Tatobjekten des § 306 Abs. 1

384

D. Zum Verhältnis von § 306 a und § 306 Abs. 1

387

5. Kapitel „Die konkrete Brandgefahr"

392

A. Rechtsgut

393

B. Deliktstypus

398

Inhaltsverzeichnis C. Feuergefährdete Anlagen oder Betriebe

398

D. Dimensionen konkreter Gefahr

401

I. Konkrete Tatobjektsgefahr (Brandgefahr)

402

II. Konkrete Rechtsgutsgefahr

403 6. Kapitel

„Brandstiftung als Unterlassungsdelikt"

406

A. Grenzen der Brandstiftung durch Unterlassen

407

B. Qualifizierte Brandstiftungen und strafbares Unterlassen

411

7. Kapitel „Der Rücktritt von der Brandstiftung"

415

A. Rechtsgüterschutz und tätige Reue

417

B. Die Bedingungen der Straffreiheit

421

C. Zur Reichweite des § 306 e

424

D. Rechtsfolgen tätiger Reue

427 Resümee

428

Literaturverzeichnis

433

Sachwortregister

449

Einleitung Brandstiftung hat Konjunktur. Und das in mehrfacher Hinsicht. Bei Beginn der Anfertigung dieser Schrift zur Jahresmitte 1994 sind menschengefährdende Brandstiftungen in einem erschreckenden Ausmaß in das Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit getreten. Angriffe gegen Leben, Leib und Eigentum vornehmlich in Deutschland lebender ausländischer Staatsangehöriger, meist durch Brandstiftung bewirkt, bestimmten für geraume Zeit die Berichterstattung in sämtlichen Medien.1 Diese in der Bundesrepublik eigentlich nicht für möglich gehaltene Entwicklung ist allerdings weder Grund noch Anlaß für die Untersuchung. Anderenfalls würde die Arbeit ihr Ziel, die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte nach geltendem Recht zu verdeutlichen und vor dem Hintergrund der gerade vollzogenen Reform des Brandstrafrechts zu entwickeln, verfehlen. Auslösendes Moment für die vorliegende Untersuchung war vielmehr zunächst ein weiterer Aspekt der „Konjunktur" der Brandstiftung: die verstärkte strafrechtswissenschaftliche Beschäftigung mit den abstrakten Gefahrdungsdelikten, die, galt doch § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.l) als klassischer Fall dieses Deliktstypus, notwendig zu einem verstärkten Interesse an den Brandstiftungsdelikten geführt hat. Gerade die von dem Interesse an der Dogmatik der Gefährdungsdelikte beeinflußte vermehrte und intensivierte Erforschung der Brandstiftung von der allgemeinen Gefährdungsdogmatik her weist jedoch ein gravierendes Defizit auf. Eine systematische und an den Spezifika der Brandstiftung orientierte umfassende Forschung über das Brandstrafrecht fehlt bislang. Dieses Defizit ist im Zuge der gesetzgeberischen Aktivitäten zur Reform des Besonderen Teils des StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998,2 das der Deutsche Bundestag am 14. November 1997 mehrheitlich beschlossen hat3 und das am 01. April 1998 in Kraft getreten ist, offenbar geworden. Die unmittelbar vor Abschluß dieser Arbeit überraschend eingeleitete Reform zunächst auf der Grundlage des Regierungsentwurfs zum 6.StrRG 4 hat die vorliegende Untersuchung naturgemäß dramatisch beeinflußt, hätte doch der ursprüngliche Entwurf im Fall seiner le1

Statistische Angaben über fremdenfeindlich motivierte Brandanschläge bei Rzepka, Mehr Strafrecht als Antwort auf rechtsextremistische/fremdenfeindliche Gewalt?, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrecht, S. 245, 251 m.Tab.l. 2 BGBl. I, S. 164. 3 Plenarprotokoll 13/204. 4 BT-Drucks. 13/8587.

Einleitung

14

gislatorischen Umsetzung das bisherige Brandstrafrecht nachhaltig verändert. 5 Daß dieses Reformgesetz in der Öffentlichkeit - auch der juristischen - unter dem Stichwort „Strafrahmenharmonisierung" diskutiert worden ist, traf und trifft jedenfalls für die Reform der Brandstiftung den eigentlichen Kern nicht. In Wahrheit ist eine grundlegende Umgestaltung des überkommenen Brandstrafrechts vollzogen. Die ursprünglich angestrebte radikale Abkehr, die im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens manches von ihrer Radikalität eingebüßt hat, vom bisherigen Brandstrafrecht dürfte ihren Grund - außer in den deutlichen Anleihen bei den Entwürfen von 1960 und 1962 - 6 auch in einer unzulänglichen dogmatischen Durchdringung des überkommenen Brandstrafrechts haben. Schlagwortartig charakterisiert vernachlässigte der Reformvorschlag der Bundesregierung wie auch der gleichlautende Entwurf der Koalitionsfraktionen das faktische wie das normative Spezifikum der Brandstiftung, die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlungen. 7 Gerade die generelle Gemeingefährlichkeit hebt jedoch die Brandstraftatbestände von anderen schutzrichtungsgleichen, aber tatmitteloffenen Verletzungs- und konkreten Gefährdungsdelikten ab und legitimiert sowohl die Vorverlagerung des Eingreifens des Strafrechtsschutzes in ein Stadium weit vor einer Rechtsgutsverletzung als auch die Notwendigkeit eines eigenständigen von schutzrichtungsgleichen Verletzungsdelikten verschiedenen Brandstrafrechts überhaupt. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens des 6. StrRG ist die Relevanz der generellen Gemeingefährlichkeit - so hofft der Verfasser, auch aufgrund seiner Intervention - 8 stärker berücksichtigt und die bisherige Systematik und Struktur des Brandstrafrechts weniger gravierend verändert worden, als dies die ursprüngliche Konzeption der Bundesregierung erwarten ließ. Vor dem Hintergrund dieser Gesetzesgeschichte des 6. StrRG war auch die Ausrichtung und Intention dieser Arbeit in der letzten Phase ihrer Entstehung mehrfachen Wandlungen unterworfen. Zunächst auf die dogmatische Durchdringung des alten seit 1851 in seinen Grundstrukturen weitgehend unveränderten Rechts und die Herausbildung eines stimmigen Systems des Brandstrafrechts nach Maßgabe der generellen Gemeingefährlichkeit gerichtet, hat die Reform es erforderlich gemacht, das gerade in Kraft getretene neue Recht im Sinne einer ersten Bewertung ebenfalls zum Gegenstand der Betrachtungen zu erheben. Orientierungspunkte für eine solche Bewertung sind dem Anliegen der Schrift entsprechend die aus der Gemeingefährlichkeit an die Tatbestandsfassung resultierenden Anforderungen sowie die Zugehörigkeit der zentralen Tatbestände auch des neuen Brandstrafrechts (§ 306 a Abs. 1 und die

5

Zur Reform des Brandstrafrechts auf der Grundlage des ursprüglichen Regierungsentwurfs (RegE) zu einem 6.StrRG siehe bereits ausführlich Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 8 ff. 6 BR-Drucks. 270/60 und BR-Drucks. 200/62. 7 Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 9-11, 22 f. 8 Radtke, aaO., passim.

Α. Brandstiftung im System der Gefahrdungsdelikte

15

darauf aufbauenden Qualifikationen) zu den abstrakten Gefährdungsdelikten, die eine Überprüfung anhand der allgemeinen Gefährdungsdogmatik erforderlich macht.

A. Brandstiftung im System der Gefahrdungsdelikte Die seit langem bekannte, aber zunächst beinahe ebensolang dogmatisch wenig interessierende Deliktsgruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte erfreut sich seit rund 30 Jahren intensiver dogmatischer "Betreuung". Aus dem einstigen "Stiefkind" der Strafrechtswissenschaft ist, was die Häufigkeit der Befassung mit der Thematik betrifft, ein "Lieblingskind" geworden. 9 Das bedeutet allerdings nicht, daß diejenigen, die sich dieses "Kindes" annehmen, ihm auch mit Liebe begegnen.10 Für die ganz überwiegende Zahl der Überlegungen zu den abstrakten Gefährdungsdelikten gilt, daß die jüngere Dogmengeschichte dieser Deliktskategorie die ihrer Restriktion ist. 11 Restriktion ist dabei in sehr unterschiedlicher Weise zu verstehen. Erfaßt ist die einschränkende Auslegung der einzelnen abstrakten Gefährdungsdelikte des geltenden Rechts mit dem klassischen Handwerkszeug der juristischen Methodenlehre. Weitergehend meint Restriktion aber auch den in der Folge der aus der Soziologie in das Strafrecht transponierten Diskussion um die "Risikogesellschaft" und in ihrem Gefolge das "Risikostrafrecht" 12 Ruf nach Verzicht 13 oder Teilverzicht 14 auf

9

Treffend Schünemann, JA 1975, S. 435. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, bezeichnet im Vorwort S. VIII seine Arbeit selbst als "Streitschrift wider das Gefährdungsunrecht". 11 Übersichten aus jüngerer Zeit zu den Erklärungs- und Restriktionsversuchen der abstrakten Gefährdungsdelikte etwa bei Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 101 ff.; Wolter, Objektive und personale Zurechung, S. 282 ff.; Kindhäuser, Gefährdung, S. 287 ff.; Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 20 ff.; Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 61 ff.; vgl. auch Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 22 ff. Die Beschränkung der Aussage auf die jüngere Dogmengeschichte bedeutet nicht, daß in der älteren Literatur die Statuierung abstrakter Gefährdungsdelikte als unbedenklich empfunden worden ist. Für zahlreiche Stimmen ist eher das Gegenteil der Fall; vgl. etwa v. Ulimann, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, S. 31, 42ff; Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307, 330 oben. Im Gegensatz zu den Restriktionsversuchen der neueren Literatur wurde trotz aller Kritik an der lex lata diese als - wenn auch verfehlte - Entscheidung des Gesetzgebers respektiert. 12 Etwa Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit; Prittwitz, Strafrecht und Risiko; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft". 13 Herzog wie Fußn. 10. 14 Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 245 ff. bzgl. abstrakter Gefährdungsdelikte zum Schutz von Universalrechtsgütern; bzgl. abstrakter Gefährdungsdelikte im Um10

16

Einleitung

abstrakte Gefahrdungsdelikte. Die rechtspolitische - nur darum kann es gehen Berechtigung der Forderung nach Abolition abstrakter Gefährdungsdelikte aus dem StGB wird im Rahmen dieser Untersuchung lediglich im Zusammenhang mit den diversen Vorschlägen zur tatbestandlichen Reduktion vornehmlich des § 306 Nr.2 a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.l thematisiert werden. Anliegen dieser Arbeit ist in erster Linie die Klärung der Inhalte der Brandstiftungsdelikte de lege lata. Zu dieser Frage tragen die Abolitionisten nichts bei. Trotz des - in Anbetracht der zahlreichen Verwendung des Deliktstypus abstraktes Gefährdungsdelikt im geltenden Strafgesetzbuch - sehr weitreichenden Anliegens, abstrakte Gefährdungsdelikte de lege ferenda aus dem Strafgesetzbuch zu verbannen, befassen sich die Vertreter des Verzichts auf diesen Deliktstypus mit den Brandstiftungstatbeständen nicht. Das ist mindestens insoweit erstaunlich als die Brandstiftung nicht nur zum klassischen Bestand des herkömmlich so bezeichneten Kernstrafrechts gehört, sondern auch die praktisch bedeutsamsten Brandstiftungstatbestände seit dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 als abstrakte Gefährdungsdelikte kodifiziert gewesen sind und dies auch nach der Reform durch das 6. StrRG bleiben. 15 Bemühungen um das Verständnis der Brandstiftungsdelikte nach bisherigem Recht finden sich dagegen in den Modellen zur tatbestandlichen Reduktion der schweren Brandstiftung gemäß § 306 a.F./§ 306 a Abs. 1. Der Grund für die behauptete Notwendigkeit einschränkender Anwendung der den abstrakten Gefährdungsdelikten zugehörigen Tatbeständen soll in der Unvereinbarkeit dieser Deliktsgruppe mit dem Schuldprinzip

weltstrafrecht siehe auch Müller-Tuckfeld, Traktat für die Abschaffung des Umweltstrafrechts, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 461, 474 ff. 15 Weder bei Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, der für den Verzicht, sein Plädoyer für die Abschaffung abstrakter Gefährdungsdelikte außer an §§ 264, 324 a.F. auch an „schwergewichtigeren Gegnern" unter diesen Delikten zu überprüfen, bereits von anderer Seite kritisiert worden ist (Neumann, ZStW 106 (1994), S. 189, 195; siehe auch die deutlich schärfere Kritik bei Tiedemann, Festschrift für Stree und Wessels, S. 527, 531; Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 374; Schünemann, GA 1995, S. 201, 204 f.) noch bei Prittwitz, Strafrecht und Risiko, finden sich Überlegungen zur Brandstiftung. Dabei scheint mir die seit rund 200 Jahren in preußischen und später (gesamt-)deutschen Strafgesetzbüchern erfolgte Einordnung der Brandstiftung unter die gemeingefährlichen Delikte ein gewisser Fingerzeig zu sein, daß „Risikostrafrecht", verstanden als Strafrecht zur Abwehr gesellschaftlicher „Großrisiken" (zur Mehrdeutigkeit des Begriffs des Risikostrafrechts bei Prittwitz siehe Kuhlen, GA 1994, S. 347, 357 f.), nicht unbedingt eine neue oder erst recht nicht originelle Entwicklung der Risikogesellschaft des 20. Jahrhunderts ist. Es bedarf keiner näheren essayistischen geschichtlichen Studien, um sich zu vergegenwärtigen, daß spätestens mit dem Entstehen städtischer Siedlungsformen angesichts der ursprünglich verwendeten Baumaterialen ein Brand innerhalb des Stadtgebietes für die städtische Gesellschaft existenzbedrohend sein konnte; zur unterschiedlichen Bestrafung der Brandstiftung innerhalb und außerhalb der Stadt bereits in römischer Zeit siehe Timcke, Der Straftatbestand der Brandstiftung, Diss. Göttingen 1965, S. 3; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 7; vgl. aber auch Binding, Strafrecht, Bes. Teil, 2.1, S. 10 vor allem Fußn. 3.

Α. Brandstiftung im System der Gefhrdungsdelikte

17

liegen, weil die Praxis 16 wegen schwerer Brandstiftung bestraft, obwohl im Einzelfall eine konkrete Gefährdung und erst recht eine Verletzung des jeweils geschützten Rechtsgutes ausgeblieben ist. 17 Methodisch erfolgt die Einschränkung abstrakter Gefährdungsdelikte überwiegend durch die Subintelligierung eines als Unrechts- und schuldbegründend verstandenen über die positive Tatbestandserfüllung hinausgehenden Merkmals. Wegen des Schuldbezuges soll dieses die Tatbestände der abstrakten Gefährdungsdelikte restringierende Merkmal mindestens fahrlässig verwirklicht werden müssen.18 Die Einzelheiten sind ungeklärt. Allgemein akzeptierte Ergebnisse stehen noch aus.19 Die Bedeutung der Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte für die Brandstiftungstatbestände kann kaum überschätzt werden. Galt doch § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) als "klassisches und vieldiskutiertes Beispiel" 20 , ja geradezu als "Prototyp" 21 der abstrakten Gefährdungsdelikte, mindestens einer Untergruppe dieses Deliktstypus. Nur sehr wenige Deutungsversuche der abstrakten Gefährdungsdelikte verzichteten folgerichtig darauf, die Konsequenzen ihrer dogmatischen Ableitungen an § 306 Nr.2 a.F. zu erproben. 22 Die angedeutete Vorgehensweise birgt für die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte zwei Gefahren: 1. Methodisch droht die schlichte Übertragung des für die Deliktsgruppe "abstrakte Gefährdungsdelikte" oder zumindest für eine Teilmenge dieser Kategorie herausgearbeiteten allgemeinen Systems auf die Brandstiftungsdelikte für die Berücksichtigung möglicher Spezifika gerade der letztgenannten Tatbestände keinen Raum mehr zu lassen. Der Vorrang des Rechtsproblems im Sinne der Bestimmung der materiellen Strafbarkeitsbedingungen der einzelnen 16

BGHSt 26,121. Arthur Kaufmann, JZ 1963, S. 425, 432; Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 119 f.; Schroeder, Strafrechtl. Landesreferate, Caracas 1982, S. 1, 14; siehe aber auch Schneider, Jura 1988, S. 460, 468 f. Die Möglichkeit, daß bereits die vorgenommene tatbestandliche Handlung ausnahmsweise (ex ante) ungefährlich war (und auf das Ausbleiben einer zumindest konkreten Gefahr nicht mehr einzugehen ist - Bsp. der Ungefährlichkeit einer tatbestandsmäßigen Tathandlung des § 315 c Abs. 1 Nr.2b bzw. 2 e bei Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 173), bleibt außer Betracht; zur Unterscheidung von Gefährlichkeit der Handlung und konkretem Gefahrerfolg grundlegend Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 11 ff, und Gallas, Festschrift für Heinitz, S. 171, 175 ff.; sowie jüngst Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Armin Kaufmann, S. 545 ff. 18 Instruktiv für die angedeutete Methode Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 278 ff; anders Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 346 ff., die Strafbarkeitseinschränkungen lediglich auf der Ebene von Strafausschließungsgründen für möglich hält. 19 Roxin, ATI, § 11 Rdnr. 119. 20 Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 277. 21 Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 120. 22 Siehe aber Fußn. 15. 17

2 Radtke

18

Einleitung

Straftatbestände vor dem Rechtssystem23 kann verlorengehen und sich in das Gegenteil verkehren. Das bedeutet konkret: Selbst wenn die These über die Notwendigkeit der Harmonisierung der abstrakten Gefährdungsdelikte mit dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip bei Ausbleiben einer konkreten Rechtsgutsgefährdung richtig wäre, 24 darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß diese Harmonisierung methodisch auf verschiedenen Wegen erreichbar ist. Die vermeintlich allgemeingültige Subintelligierung eines wie auch immer objektiv und subjektiv ausgestalteten ungeschriebenen Unrechts- und Schuldbegründungsmerkmals ist lediglich einer davon; zudem ein nicht unbedenklicher. Bereits ohne nähere Prüfung sprechen einige Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei der Einfügung eines ungeschriebenen Unrechts- und Schuldbegründungsmerkmals um eine von ihren Anhängern so verstandene, wenn auch nicht so bezeichnete verfassungskonforme Rechtsfortbildung handelt, deren Berechtigung in methodischer Hinsicht wie unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Judikative nicht unbedenklich ist. 25 Der nach welchen Kriterien auch immer zu bestimmende Wortlaut des § 306 Nr.2 a.F. und der aus den Materialien 26 eindeutig erkennbare Wille des historischen Gesetzgebers verweisen eine durch tatbestandliche Reduktion bewirkte Konkretion des § 306 Nr.2 a.F. in den Bereich jenseits des vom Gesetzgeber Gesagten und Gewollten. Gleiches gilt auch in bezug auf den Willen des Gesetzgebers des 6. StrRG. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird ausdrücklich an der Einordnung des § 306 Abs. 1 E (= § 306 a.F./§ 306 Abs. 1 geltenden Rechts) als abstraktes Lebensgefährdungsdelikt festgehalten und die Aufnahme einer tatbestandseinschränkenden Klausel für Konstellationen angeblich sicher ausgeschlossener Rechtsgutsbeeinträchtigung negiert. 27 Über das bisherige Recht hinausgehend war zunächst gar eine - unnötige - 2 8 Extension

23

Dazu Wolter, Objektive und personale Zurechung, S. 22 m.w.N.; Larenz, Methodenlehre, S. 438; vgl. auch Schünemann, JA 1975, S. 435, 436. 24 Zweifel an der verfassungsrechtlichen Gebotenheit einer Einschränkung abstrakter Gefährdungsdelikte bei Schneider, Jura 1988, S. 460, 468 f. Bohnert, JuS 1982, S. 182, 184 f. hält eine Restriktion aufgrund der Vorgaben des verfassungsrechtlichen Schuldprinzips mit dem Verzicht auf eine solche einschränkende Auslegung für gleichwertig; gegen eine Beschränkung des Anwendungsbereich "uneingeschränkt abstrakter Gefährdungsdelikte" (etwa §306 Nr.2 a.F./306 a Abs. 1 Nr.l) auch Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 278. 25 Siehe allg. Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 262 ff. vor allem S. 266 ff; vgl. auch Larenz, Methodenlehre, S. 426 ff. 26 Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, Teil II, S. 642; Motive zum Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, S. 180 zu § 285, der weitgehend dem heutigen § 306 a.F. (= § 306 a Abs. 1) entsprach. 27 BT-Drucks. 13/7164 S. 47 f.; dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 9 ff. 28 Radtke, aaO., S. 12 f.; ebenso die Stellungnahme des Bundesrates auf BT-Drucks. 13/8587 S. 68 re.Sp. Buchstabe c.

Α. Brandstiftung im System der Gefährdungsdelikte

19

des „absoluten" Schutzes bestimmter Tatobjekte i.S.v. § 306 Nr.2 a.F. über Wohnungen hinaus auf Arbeitsstätten angestrebt. 29 Angesichts der angedeuteten methodischen und verfassungsrechtlichen Bedenken ist die Möglichkeit einer einschränkenden Auslegung, d.h. unter Beachtung der Bindung an den gesetzgeberischen Willen und seine Wortwahl, der geschriebenen Tatbestandsmerkmale des jeweiligen abstrakten Gefährdungsdelikts mindestens zu erwägen. Dieser zweite Weg gerät jedoch entweder überhaupt nicht in das Blickfeld oder wird pauschal - ohne nähere Betrachtung der einschlägigen Tatbestände - als "halbherzig" bezeichnet.30 Der Vorwurf übersieht, daß auf der Ebene der geschriebenen Tatbestandsmerkmale erfolgende Restriktionen sehr viel weitreichendere Einschränkungen bewirken können, als dies durch Hinzudenken allgemein Unrechts- und schuldbegründender Merkmale möglich ist, soweit für dieses Merkmal lediglich Fahrlässigkeits- und nicht Vorsatzbezug maßgeblich ist. Zur Verdeutlichung läßt sich auf einen Praxis und Schrifttum in verschiedenen Varianten häufig beschäftigenden "Grundfall" zurückgreifen. Der Angeklagte legte in dem im Erdgeschoß eines fünfstöckigen Hauses gelegenen Nachtlokal einen Brand. Das Feuer griff auf die übrigen Räumlichkeiten, die mit Ausnahme einer im fünften Stock befindlichen Wohnung sämtlich gewerblich genutzt wurden, nicht über. Es bestand jedoch eine Ausbreitungsgefahr des Brandes bis in das obere Stockwerk über ein außen am Gebäude angebrachtes, teilweise hölzernes Treppenhaus. Dieses Treppenhaus war mit dem Nachtlokal zwar nicht dergestalt verbunden, daß jenes vom Lokal aus zugänglich war. Der vom Tatgericht hinzugezogene Brandsachverständige hielt aber dennoch eine durch die Strahlungshitze vermittelte Brandentwicklung vom eigentlichen Brandort über das Treppenhaus bis in das fünfte Geschoß für hoch wahrscheinlich. Der Angeklagte beging die Tat, um Leistungen aus der Gebäude· und Inventarversicherung zu erhalten. Ob sich zum Zeitpunkt der Tat Menschen in der Wohnung befanden, ist in der Ausgangsentscheidung nicht mitgeteilt. Ebensowenig wird ausgeführt, ob der Angeklagte sich vor der Tat der Abwesenheit von Menschen im Gebäude versichert hatte.31 Um die unterschiedlichen Ausgangspositionen zur Lösung des Falles stärker herausarbeiten zu können, soll angenommen werden, daß sich zum Zeitpunkt der Tat Menschen in der Wohnung aufhielten, ein Übergreifen des Feuers auf die Wohnung durch die Feuerwehr jedoch verhindert werden konnte. Der An-

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BT-Drucks. 13/8587 S. 47 f. Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 81; ähnlich Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 216 Fußn. 420. 31 Sachverhalt aus BGHSt 34, 115, 116. 30



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Einleitung

geklagte soll keine Aktivitäten entfaltet haben, um die Anwesenheit von Bewohnern oder anderen Personen festzustellen. Der Bundesgerichtshof hielt im Gegensatz zum Tatgericht § 306 Nr.2 a.F. für einschlägig.32 Ausschlaggebend sei das Vorliegen eines einheitlichen gemischt (= gewerblich und zu Wohnzwecken) genutzten Gebäudes. Unter Berücksichtigung der Deliktsnatur des § 306 Nr.2 a.F. als abstraktes Gefährdungsdelikt und seinem Zweck, dem Schutz menschlichen Lebens zu dienen, genüge für eine vollendete schwere Brandstiftung das Inbrandsetzen des ausschließlich gewerblich genutzten Teiles bei Mischverwendung des Gesamtgebäudes.33 Übernimmt man die vom Bundesgerichtshof vertretene Auslegung der geschriebenen Tatbestandsmerkmale und wendet das wohl überwiegend vertretene Restriktionsmodell abstrakter Gefährdungsdelikte an, ändert sich am Ergebnis der vollendeten Brandstiftung nichts. 34 Nach diesem Modell verlangte § 306 Nr.2 a.F. außer der vorsätzlichen Herbeiführung des Brandes die zumindest fahrlässige Schaffung eines - ex ante betrachtet - adäquaten Todesrisikos. 35 Das Unrechts- und Schuldbegründendende Merkmal der objektiv und/oder subjektiv 3 6 fahrlässigen Herbeiführung eines Lebensrikos liegt vor. Bemühungen des Angeklagten, die Abwesenheit von durch den Brand gefährdete Personen im Brandobjekt sicherzustellen und eine Ausbreitung des Feuers auf den Wohnzwecken dienenden Teil des Hauses zu verhindern, sind nicht ersichtlich. Ein abweichendes Ergebnis erzielte dagegen Kratzsch mittels Anwendung einer nach seinem eigenen Verständnis an spezifischen Strukturen der Brandstiftungsdelikte und deren Tatbestandsmerkmalen orientierten Interpretation des § 306 Nr.2. a.F. Aufgrund mehrerer, im Vergleich zu anderen abstrakten Gefährdungsdelikten behaupteten Besonderheiten der §§ 306 ff. a.F. und aufgrund des funktionalen Zusammenspiels der Elemente "in Brand setzt", "Gebäude" sowie "welche zur Wohnung dienen" legte Kratzsch 37 das Stadium der Vollendung der schweren Brandstiftung gemäß § 306 Nr.2 a.F. bei gemischt genutzten Gebäuden erst auf den Zeitpunkt des Brandes der dem Wohnen selbst dienen-

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BGHSt 34, 115, 116 ff BGHSt 34, 115, 118; in der Sache ebenso BGH, GA 1969, S. 118; BGHNStZ 1985, S. 455; BGHSt 35, 283, 285; BGH, NJW 1987, S. 141 f.; BGHR StGB § 306 Nr.2 Wohnung 7. 34 Ebenso zu Recht Schneider, Jura 1988, S. 460, 466. 35 So etwa Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 296 f.; Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 82 ff; Rudolphi, Festschrift für Maurach, S. 51, 59 f., mit der Maßgabe, daß die Schaffung eines Gesundheits- und nicht nur eines Lebensrisikos genügt. 36 Allein auf diese abstellend Schünemann, JA 1975, S. 798. 37 JR 1987, S. 360, 363 ff. 33

Α. Brandstiftung im System der Gefhrdungsdelikte

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den Teile des Gesamtgebäudes.38 Ein Brand der Wohnung im Obergeschoß und damit des allein tauglichen Tatobjekts ist jedoch ausgeblieben. Eine Strafbarkeit wegen vollendeter schwerer Brandstiftung entfällt. Übrig blieb bei einem auf das Inbrandsetzen von Wohngebäuden gerichteten mindestens bedingten Tatvorsatz § 306 Nr.2 a.F. im Versuch, ansonsten wäre der Angeklagte lediglich bei Fremdbrandstifting gemäß § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. sowie bei Eigenbrandstiftung ggf. 39 wegen § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. in seinem 1.Unterfall zu bestrafen gewesen. Welchem Vorschlag der Vorzug zu geben ist, bedarf zunächst keiner Entscheidung. Die Entscheidung ist zwar nicht wegen der Reform des Brandstrafrechts obsolet. § 306 a Abs. 1 Nr.l ist § 306 Nr.2 a.F. vollständig nachgebildet und wirft die angesprochenen Fragen in gleicher Weise auf; allein die außer § 306 a Abs. 1 Nr.l möglicherweise einschlägigen Tatbestände mögen andere als nach bisherigem Recht sein. In diesem Stadium der Untersuchung galt es lediglich zu zeigen, daß deduktiv gewonnene Erkenntnisse zur Dogmatik abstrakter Gefährdungsdelikte ohne ausreichende Reflexion tatbestandsstruktureller Besonderheiten der Brandstiftungsdelikte nicht ohne weiteres übertragen werden können. Notwendig ist eine intensive Durchsicht aller Brandstiftungstatbestände mit dem Ziel, der Tatbestandsstruktur dieser Delikte näher zu kommen. 40 Das schließt eine Einbeziehung allgemeiner Lehren zu den abstrakten Gefährdungsdelikten nicht aus. Andernfalls ließen sich die umfangreichen, in letzter Zeit über abstrakte Gefährdung erzielten Untersuchungsergebnisse nicht fruchtbar für das Verständnis derjenigen Brandstiftungsdelikte nutzen, bei denen es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte handelt. Die angemahnte Erforschung der spezifischen faktischen und tatbestandlichen Strukturen der Brandstiftung und der Brandstiftungsdelikte hat durch die Reform noch zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Das Spezifikum der Brandstiftung - die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlungen - drohte im Zuge der Reform durch das 6. StrRG in weiten Teilen verloren zu gehen.41 Der Reformgesetzgeber hat im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens dem Aspekt der generellen Gemeingefährlichkeit als die Eigenständigkeit des Brandstrafrechts legi38 Ein Inbrandsetzen des Wohnteils bei gemischt genutzten Gebäuden halten auch Horn., in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 11; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 11 und Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 163 für erforderlich (jeweils zu § 306 Nr.2 a.F.). Im Gegensatz zu Kratzsch, aaO. (Fußn. 37) lassen die Letztgenannten entsprechend der zum Merkmal "in Brand gesetzt" überwiegend vertretenen Sichtweise aber das Brennen für den Wohnteil wesentlicher Gebäudeteile (z.B. Fensterrahmen) genügen. Kratzsch postuliert dagegen einen Brand des Wohnteiles selbst; offenbar reicht der Brand einzelner, wenn auch wesentlicher Gebäudebestandteile nicht hin. 39 Vgl. den Gedanken von Kindhäuser, StV 1990, S. 160, 163 a.E. 40 Ebenso für abstrakte Gefährdungsdelikte zum Schutz universeller Rechtsgüter Kuhlen,, GA 1994, S. 347, 367. 41 Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 9 ff., 20 ff.

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Einleitung

timierendes Element jedoch wieder stärkere Aufmerksamkeit geschenkt. Ausweislich der Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates beruht das von dem ursprünglichen Regierungsentwurf abweichende Festhalten an einer § 308 Abs. 1 1 .Alt. a.F. entsprechenden Vorschrift (§ 306 Abs. 1) darauf, die Gemeingefährlichkeit der Tathandlung mittels Auswahl bestimmter Tatobjekte zu „konkretisieren". Ob mit § 306 Abs. 1 die Realisierung dieses Vorhabens gelungen ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt. 2. Das intensive Bemühen um die Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte, die vorzugsweise an § 306 Nr.2 a.F. erprobt wurde, führte zu einer Verengung der Problemsicht für die Brandstiftungsdelikte auf eben jenen Tatbestand. Die übrigen Delikte innerhalb der §§ 306 ff. a.F. blieben im wissenschaftlichen Dunkel. 42 So wurde etwa das intrasystematische Verhältnis der Brandstiftungsdelikte allenfalls noch als Strafmaßargument im Rahmen der Erörterung des § 306 a.F. herangezogen. Selbst der naheliegende Gedanke einer Übertragung der zu § 306 a.F. erwogenen Restriktionen abstrakter Gefährdungsdelikte führt bezüglich weiterer Brandstiftungsdelikte ein Schattendasein.43 Diese unzureichende Erforschung des früheren Brandstrafrechts ist während der Entstehungsphase des 6. StrRG deutlich spürbar geworden. Gerade wegen der in jüngerer Zeit expansiven Erforschung der Dogmatik abstrakter Gefährdungsdelikte im Allgemeinen ist das Bemühen um Strukturierung, Systematisierung und Einzelauslegung aller Brandstiftungsdelikte unverzichtbar, wenn die noch nicht zum Abschluß gekommene Diskussion über abstrakte Gefährdungen für das Verständnis und die Handhabung des Brandstrafrechts Ertrag bringen soll.

B. Brandstrafrecht und abstrakte Gefahrdungsdelikte Die Dogmatik abstrakter Gefährdungsdelikte befindet sich noch in Fluß. Allgemein anerkannte Ergebnisse waren wie erwähnt bisher nicht zu erzielen. 44

42 Die Beiträge von Geppert, Jura 1989, S. 473 und in: Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187 sind eher Ausnahme denn Regel. Monographische Schriften legen den Schwerpunkt stärker auf Kriminologie und Kriminalistik der Brandstiftungsdelikte als auf ausreichend differenzierte Erwägungen zur Dogmatik aller Brandstiftungsdelikte; siehe etwa Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen. 43 Anders für eine Untergruppe abstrakter Gefährdungsdelikte, bei der üblicherweise eine einschränkende Interpretation nicht für erforderlich gehalten wird Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 93 (für die sog. Massenhandlungen), siehe auch aaO. S. 95 zur Fallgruppe der Tatbestände mit sog. "vergeistigtem Zwischenrechtsgut". 44 Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 119.

Β. Brandstrafrecht und abstrakte Gefährdungsdelikte

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Dennoch haben sich einige Grundannahmen zum Verständnis dieser Deliktsgruppe weitgehend durchgesetzt. Diese Grundpositionen sind allerdings nicht einmal ein kleinster gemeinsamer Nenner, weil es an der allseitigen Akzeptanz wenigstens eines Minimalkonsenses fehlt. Wenn die allgemeinen Lehren zu abstrakten Gefährdungsdelikten für die Auslegung der Brandstiftungsdelikte die ihnen gebührende 45 Beachtung finden sollen, ist es aber erforderlich, wenigstens die überwiegend akzeptierten Ergebnisse abzustecken. Diese Ergebnisse sollen in dem oben 46 skizzierten Umfang Orientierungspunkt für die Brandstiftungsdelikte sein, bei denen es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte handelt. Abweichende Ansichten werden punktuell berücksichtigt, um die zu erzielenden Ergebnisse abzurunden.

I. Begriffsbestimmungen Abstrakte Gefährdungsdelikte sind - überwiegend negativ definiert - solche Straftatbestände, bei denen weder der objektive noch der subjektive Tatbestand die konkrete Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsgutes erfordern. 47 Diese herkömmliche Definition beruht auf der Unterscheidung dreier Deliktstypen: der Verletzungsdelikte , der konkreten Gefährdungsdelikte und eben der abstrakten Gefährdungdelikte. Die Typenlehre ist beinahe, aber eben nur beinahe communis opinio. Trotz ihrer breiten Anerkennung ist sie mindestens erläuterungsbedürftig. Abgesehen von der in jüngerer Zeit bezweifelten sachlichen Richtigkeit der Differenzierung 48 leidet die Unterscheidung der genannten Tatbestandstypen daran, daß das Kriterium, anhand dessen die Unterscheidung der Typen erfolgen soll, nicht stets ausreichend klargestellt und beachtet wird. Die Divergenz zwischen den genannten Tatbestandstypen liegt in ihrer jeweiligen Beziehung zum Rechtsgut und nicht in ihrer Beziehung zu dem von dem Rechtsgut zu trennenden Tatobjekt des jeweiligen Tatbestandes. Erst die Behauptung, der fragliche Straftatbestand setze weder eine Verletzung noch eine konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsguts bzw. eines Trägers dieses Rechtsgutes49 als Tatbestandsmerkmal voraus, läßt nach der üblichen Terminologie den entsprechenden Straftatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt auffassen. In entsprechender, nämlich in auf das Rechtsgut bezogener Weise hat auch die Abgrenzung zwischen Verletzungsdelikten einerseits und konkreten 45

Siehe dazu oben Einleitung A. Einleitung A. 47 Jakobs, AT, 6/86; Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 119; Cramer, in: Schönke/Schröder; Vorbem. §§ 306 ff. Rdnr. 3; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 108 f. 48 Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 549 ff; 558 ff. 49 Kuhlen, ZStW 105 (1993), S. 697, 713 m. Fußn. 78 und 80. 46

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Einleitung

Gefährdungsdelikten anderseits zu erfolgen. 50 In Teilen der Literatur wird auf dieser Differenzierungsebene der Rechtsgutsbezug der Unterscheidung weniger sorgfältig beachtet. Vielfach findet ein Perspektivenwechsel vom Rechtsgutsbezug hin zu einem Tatobjektsbezug statt. Ein Verletzungsdelikt soll nicht mehr die Verletzung des geschützten Rechtsguts zur Voraussetzung haben, sondern der Blick wird auf die Verletzung des - mit dem Rechtsgut nicht stets zusammenfallenden - Tatobjekts gerichtet. 51 Verletzungs- und konkretes Gefährdungsdelikt divergieren bei einer solchen Sichtweise nicht hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Tathandlung und geschütztem Rechtsgut, sondern hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Tathandlung und Tatobjekt. Daß der Wechsel im Bezugspunkt der Definition weder der klaren Begriffsbildung noch dem Verständnis der Begriffsinhalte förderlich ist, sei an dieser Stelle nur angemerkt. Auf die Auswirkungen für das sachliche Verständnis der abstrakten Gefährdungsdelikte wird noch einzugehen sein. 52 Wenn an den Kategorien Verletzungsdelikt, konkretes Gefährdungsdelikt und abstraktes Gefährdungsdelikt festgehalten werden soll, ist es notwendig, die Unterscheidung strikt rechtsgutsbezogen auszurichten. Die Einschränkung hinsichtlich des Festhaltens an der üblichen Kategorisierung der genannten Deliktstypen spielt auf Überlegungen von Hirsch 53 an, die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Gefährdungsdelikten zugunsten einer solchen zwischen (konkreten) Gefährdungsdelikten und Gefährlichkeitsdelikten, letztere weiter differenziert in konkrete und abstrakte Gefährlichkeitsdelikte , aufzugeben. Die Vorzüge einer solchen systematischen Einteilung liegen auf der Hand. Sie drückt die seit langem bekannte54 aber nicht immer hinreichend Beachtung findende Unterscheidung zwischen dem Eintritt eines Gefahrerfolges als Zustand von Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut (konkrete Gefährdungsdelikte) und der (konkreten oder abstrakten) Gefährlichkeit einer Handlung ohne den Eintritt eines Gefahrerfolges im vorstehenden Sinne sprachlich deutlich aus. Für das sachliche Verständnis der - im üblichen Sprachgebrauch - abstrakten Gefährdungsdelikte stellt Hirsch damit klar, daß „nicht ein Gefahrerfolg, sondern die Gefährlichkeit eines Handelns Inhalt der

50 So zutreffend etwa Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7, 22; Gallas, Festschrift für Heinitz, S. 171, 179 f.; Horn, in: SK-StGB, Vor § 306 Rn.4; Schroeder, Schutz von Staat und Verfassung, S. 308 f. 51 Etwa bei Jakobs, AT, 6/78. 52 l.Kap.C.II.l. 53 Oben Fußn. 48. 54 Wenn ich richtig sehe, nimmt bereits die erste ausführliche Untersuchung zu Gefährdungsdelikten im Strafrecht durch Stiibel, Archiv des Criminalrechts, Neue Folge, Band 8 (1826), S. 236 ff. die Unterscheidung zwischen Gefährlichkeit der Handlung einserseits und Eintritt eines Gefahrerfolges andererseits auf; zu Stiibel näher unten l.Kap.C.II.2.a.

Β. Brandstrafrecht und abstrakte Gefährdungsdelikte

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Abstraktion ist" 55 (Hervorhebungen hier) Die Systematisierung der von Hirsch vorgeschlagenen Typen folgt klaren Regeln. Für die Unterscheidung zwischen Verletzungsdelikten und konkreten Gefährdungsdelikten kommt es - der üblichen Sichtweise entsprechend - auf den Eintritt eines (Rechtsguts)Verletzungserfolges einerseits oder eines konkreten (Rechtsguts)Gefahrerfolges andererseits an. Auch die Abgrenzung zwischen konkreten Gefährdungsdelikten und Gefährlichkeitsdelikten orientiert sich an Bekanntem. Konkrete Gefahr als Zustand von Gefahr für ein Gut erfordert den Eintritt eines geschützten Rechtsguts/Rechtsgutsträgers in den Wirkbereich der gefährlichen Handlung. 56 Gerät kein Rechtsgut/Rechtsgutsträger in den Gefahrenbereich, geht es lediglich um die Gefährlichkeit der (Tat-)Handlung. „Eine konkret gefährliche Handlung liegt ... vor, wenn einem Tätigkeitsakt konkret eine Wahrscheinlichkeit innewohnt, ein Objekt (Rechtsgut oder Tatobjekt?, H.R.) zu schädigen."57 Ob eine Handlung konkret gefährlich ist oder besser gewesen ist, entscheidet die nachträgliche Prognose eines am Standort des Handelnden befindlichen und dessen Verkehrskreis angehörenden verständigen Dritten. 58 Das Urteil über die abstrakte Gefährlichkeit der Handlung ist dagegen ein generelles. Der Gesetzgeber selbst oder im Wege - bei entsprechender Ausgestaltung des jeweiligen Straftatbestandes - der Delegation der Richter entscheiden, ob bestimmte Handlungsweisen generell geeignet sind, d.h. offenbar ihnen eine gewisse Wahrscheinlichkeit innewohnt, ein Rechtsgut zu schädigen.59 Trotz der bereits im Rahmen der Darstellung der Systematisierung von Hirsch für diese bekundete Sympathie sol hier dennoch weiterhin die bisher übliche Terminologie verwendet werden. Dafür sind zwei Gründe maßgebend. Zum einen läßt sich die von Hirsch in das Zentrum seiner Überlegungen gestellte Unterscheidung zwischen Gefahrerfolg bei den konkreten Gefährdungsdelikten einerseits und konkreter oder abstrakter Gefährlichkeit von Handlungen andererseits im Rahmen der bisherigen Typologie ebenfalls sachgerecht erfassen. Zum anderen trägt der Gedanke des konkreten Gefährlichkeitsdelikts keineswegs so weit wie Hirsch ihn als tragend sehen möchte. Konkretes Gefährlichkeitsdelikt ist für Hirsch nicht nur ein präzise bezeichneter Deliktstypus, sondern das Erfordernis konkreter Gefährlichkeit von Handlungen ist für ihn auch die sachliche Lösung etwa für die Frage der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs60 und - im Zusammenhang dieser Arbeit von größerem Interesse - für das 55

Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 550; klarstellend in diese Richtung auch bereits Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 156, 354 ff. 56 Hirsch aaO. S. 548 m. Fußn. 16 und S. 550. 57 Hirsch aaO. S. 548. 58 Hirsch aaO. S. 558. 59 Hirsch aaO. S. 550 m.Fußn. 23. 60 Hirsch aaO. S. 561 f.

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Einleitung

Problem der Legitimität (in herkömmlicher Terminologie) abstrakter Gefährdungsdelikte. Offenbar will Hirsch restringierend die von einem darauf bezogenen Gefährlichkeitsvorsatz getragene konkrete Gefährlichkeit der jeweiligen Tathandlung zur Voraussetzung für die Verurteilung aufgrund eines (bisher so bezeichneten) abstrakten Gefährdungsdelikts erheben. 61 Sollte dieses „Konzept" durchgängig für alle bisher als abstrakte Gefährdungsdelikte aufgefaßten Straftatbestände gelten, wäre der Lösungsvorschlag zu grob strukturiert. Ein Verdienst der - in mancherlei Hinsicht unzulänglichen - herkömmlichen Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte besteht darin, innerhalb dieses Deliktstypus Untergruppen bzw. Untertypen gebildet zu haben, für die die Legitimitätsfrage und damit die vermeintliche Notwendigkeit tatbestandlicher Restriktionen höchst differenziert beantwortet worden ist. Der Wert dieser Differenzierung, die aufgrund der sehr unterschiedlichen gesetzestechnischen Ausgestaltung abstrakter Gefährdungsdelikte im geltenden Recht sachlich berechtigt ist, sollte nicht ohne weitere Erforschung dieser Untertypen zugunsten einer neuen, diese Untertypen (noch) nicht berücksichtigenden Systematisierung aufgegeben werden.

II. Klassifizierungen Weitgehend durchgesetzt hat sich der Gedanke der Bildung von Untergruppen innerhalb der abstrakten Gefährdungsdelikte . 6 2 Die Angaben über die Zahl der isolierbaren Gruppen schwanken.63 Sachlich werden trotz anderslautender Bekundungen der Autoren nahezu durchgängig vier Untergruppen diskutiert. 64 Die Differenzierung der Untergruppen, wie am Ende des vorangegangenen Abschnittes bemerkt, ist kein Selbstzweck. Ihr Grund ist die Behauptung unterschiedlicher normativ-systematischer Regeln, denen die Untergruppen folgen. Vor allem die eingangs als Charakteristikum der Dogmengeschichte herausge61 Hirsch aaO. S. 559: „Es erhebt sich sogar die Frage, ob die dogmatische Beachtung des Phänomens der konkret gefährlichen Handlung nicht den Schlüssel zur Lösung der strafrechtlichen Problematik des abstrakten Gefährlichkeitsdelikts liefert...Der hier aufgezeigte Lösungsweg, von vornherein eine konkrete Gefährlichkeit der Handlung zu verlangen, (Hervorhebung von mir) erscheint demgegenüber als das straf- und strafprozeßrechtskonformere Konzept." 62 Jakobs, AT, 6/86a ff.; Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 120, 125 ff.; Cramer , in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 306 ff. Rdnr. 3 f.; Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 276 ff.; Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 277 ff.; Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 91 ff.; gegen Klassifizierungen innerhalb der abstrakten Gefährdungsdelikte Bohnert, JuS 1984, S. 182, 187. 63 Besonderer "Beliebtheit" erfreut sich die Sichtweise, es seien zwei bzw. drei Untergruppen vorhanden, etwa Wolter, Objektive und personale Zurechung, S. 276. 64 Wolter aaO. nennt drei ausdrücklich, spricht in Fußn. 775 aber eine vierte Gruppe selbst an.

Β. Brandstrafrecht und abstrakte Gefährdungsdelikte

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stellte Restriktion abstrakter Gefährdungstatbestände soll lediglich bei einem Teil der einschlägigen Delikte notwendig sein.65 Da die Terminologie für die jeweils vorgenommenen Klassifizierungen sehr unterschiedlich ist, bietet es sich an, die verschiedenen Fallgruppen zum Zwekke der Unterscheidung nach ihrem sachlichen Gehalt zu bestimmen. 1.) Schon anhand der formalen Fassung des gesetzlichen Tatbestandes lassen sich diejenigen Delikte, die die Eignung eines bestimmten Sachverhaltes zur Herbeiführung eines bestimmten andern Sachverhaltes verlangen, von den übrigen Tatbeständen abgrenzen. 66 Nach dem formalen Kriterium des Vorhandenseins einer Eignungsklausel bilden die sog. Eignungsdelikte (von Schröder 67 ursprünglich als abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte bezeichnet) eine eigenständige Deliktskategorie. Nicht vollständig geklärt ist die Frage einer weiteren Differenzierung innerhalb dieser Gruppe mit dem Ziel, sie einerseits in möglichst großem Umfang - den konkreten Gefährdungsdelikten und andererseits den abstrakten Gefährdungsdelikten zuzuschlagen.68 Selbst wenn einige der eine Eignungsklausel enthaltenden Tatbestände konkrete Gefährdungsdelikte sein sollten, traf diese Charakterisierung für den hier allein noch ansatzweise interessierenden § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. nicht zu. 69 Da der Tatbestand die Umstände, nämlich Lage und Beschaffenheit des in Brand gesetzten Objekts (primäres Brandobjekt), aus denen die Eignung zur Brandübertragung resultiert, abschließend nannte und eine weitergehende Konkretisierung damit ausschloß,70 handelte es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Das Brandstrafrecht in der Gestalt des 6. StrRG enthält einen übertragungsgefahrliche Brandsituationen normierenden Straftatbestand mit Eignungsklausel nicht mehr, so daß die Eignungsdelikte allenfalls am Rande Gegenstand der Betrachtungen sein können.

65 Roxin,, AT I, § 11 Rdnr. 125 f.; Jakobs, AT, 6/88; Wolter, Objektive und personale Zurechung, S. 277 f. und 328 f.; Schünemann,, JA 1975, S. 798 jeweils für die Fallgruppen der sog. "Massenhandlungen" und der Delikte mit "vergeistigtem Zwischenrechtsgut". 66 Eignungsdelikte in einem formellen Sinn, Hoyer, Eignungdelikte, S. 29. 67 JZ 1967, S. 522 ff. 68 Ausgehend von Schröder, JZ 1967, S. 522 ff.; vgl. auch Jakobs, AT, 6/87. 69 Gallas, Festschrift für Heinitz, S. 171, 183; Schmidhäuser, BT, 15/5; Martin,, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 98 f.; Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 127; Hoyer, Eignungsdelikte, S. 182 und ders. , JA 1990, S. 183, 184; im Ergebnis ebenso Schröder, JZ 1967, S. 522, 524 f. und ders., ZStW 81 (1969), S. 21, der daher auch den für § 308 Abs. 1 2.Alt (a.F.) den von ihm bei abstrakten Gefährdungsdelikten vorgeschlagenen Gegenbeweis der Ungefährlichkeit zulassen will, JZ 1967, S. 522, 525. 70 Hoyer, JZ 1990, S. 183, 184; Schröder, JZ 1967, S. 522, 525.

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Einleitung

2.) Einen zweiten Untertyp der abstrakten Gefahrdungsdelikte bilden nach verbreiteter Sichtweise die Tatbestände, die häufig als solche mit einem sog. vergeistigtem Zwischenrechtsgut bezeichnet werden. 71 Typische Vertreter seien die §§ 153 ff, 267, 331 ff. 7 2 Die durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz73 eingeführten Straftatbestände gegen den Insiderhandel sind ebenfalls (unter-)gruppenzugehörig, wenn das „Vertrauen der Anleger in das ordnungsgemäße Funktionieren der Kapitalmarktes" Schutzzweck dieser Delikte ist. 74 Zahlreiche Fragen, die mit dieser Untergruppe verbunden sind, blieben bisher unbeantwortet. Schon der verwendete Begriff vom „vergeistigten Zwischenrechtsgut" ist verwirrend. Von Vergeistigung wird offenbar gesprochen, weil zum einen das jeweils geschützte Rechtsgut auf einem durchgängig hohen Abstraktionsniveau angesiedelt ist und zum anderen bei den genannten Straftatbeständen keine gegenständlichen Rechtsgutsträger auszumachen sind. Bezwekken etwa die Aussagedelikte den Schutz der staatlichen Rechtspflege, d.h. das öffentliche Interesse an einer wahrheitsgemäßen Tatsachenfeststellung in bestimmten gerade auf Sachaufklärung gerichteten und festgelegten Formen unterworfenen Verfahren, 75 geht es eben nicht um das individuelle Interesse der an einem solchen Verfahren Beteiligten, daß im konkreten Fall die Tatsachen zutreffend ermittelt werden, um auf dieser Grundlage etwa einen Zivilrechtsstreit „gerecht" zu entscheiden und damit nicht um individuelle Vermögensinteressen. Um dieses Abstraktionsniveau des jeweils geschützten Rechtsguts zum Ausdruck zu bringen, mag man von Vergeistigung sprechen. Sonderlich präzise ist die Formulierung nicht. Die staatliche Rechtspflege - und die durch sie betriebene wahrheitsgemäße Tatsachenfestellung - ist zwar kein gegenständliches Rechtsgut, aber doch eine reale soziale Institutionen und nicht lediglich etwas Vergeistigtes. Wenig klärend ist auch die Rede vom Zwischenrechtsgut. Worin liegt denn eigentlich das „Endrechtsgut", auf dessen Vorhandensein das ZwiscAewrechtsgut sprachlich hinweist? Individuelle Interessen (z.B. Vermögensin71 Zu diesen Tatbeständen anhand Überlegungen zum Rechtsgut der (passiven) Bestechungsdelikte ausführlich Loos, Festschrift für Welzel, S. 879 ff. ohne die Begrifflichkeit des "vergeistigten Zwischenrechtsguts" zu verwenden. 72 Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 126. 73 Siehe Dierlamm, NStZ 1996, S. 159 ff. 74 Vgl. dazu Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, S. 143 ff.; Dierlamm, NStZ 1996, S. 159. Ob mit diesen Delikten, deren Einführung auf der EG-Insider-Richtlinie vom 18.11.1989 (89/592/EWG EG Abi. Nr. L 234/30) beruht, strafwürdiges Unrecht erfaßt wird, ist mehr als zweifelhaft. Stimmen, die einen Verzicht auf abstrakte Geföhrdungsdelikte im Strafrecht fordern, so etwa Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 70 ff., dürfen sich angesichts der Normierung derartiger Straftatbestände bestätigt fühlen. Ohne mich prophetisch betätigen zu wollen, bestehen Zweifel, ob der Ertrag der Strafbewehrung des Insiderhandels durchgreifendere Effekte erzielen wird, als die gesetzgeberischen Maßnahmen des 16. Jahrhundert gegen die "Monopole", die Herzog, aaO., S. 86 ff. auch sprachlich eindruckvoll beschreibt. 75 Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 153 ff. Rdnr. 2 m.w.N.

Β. Brandstrafrecht und abstrakte Gefährdungsdelikte

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teressen) der an einem konkreten Verfahren beteiligten Personen sollen den Schutzzweck der Aussagedelikte gerade nicht bestimmen. Wenigstens ein reflexiver Schutz individueller Rechtsgüter kommt aber, um im Beispiel zu bleiben, den Aussagedelikten zu. Staatliche Rechtspflege ist kein reiner Selbstzweck, sondern das Zurverfügungstellen einer Institution zum Zwecke der verfahrensmäßig geordneten und normierten Durchsetzung individueller Interessen. Im Hinblick, aber auch lediglich im Hinblick auf die Reflexwirkung zugunsten (verschiedener) individueller Rechtsgüter, der „Endrechtsgüter", kann die Wendung vom „Zwischenrechtsgut" eine gewisse Berechtigung beanspruchen.76 Groß ist die Berechtigung nicht, weil das vom „Zwischenrechtsgut" sprachlich und sachlich vorausgesetzte „Endrechtsgut" keinerlei rechtliche Relevanz haben soll. Weder für die Auslegung der jeweiligen Tatbestände der einschlägigen StrafVorschrifien noch hinsichtlich der Dispostionsbefugnis über das Rechtsgut im Rahmen der Einwilligung wird auf das „Endrechtsgut" abgestellt. Statt den Begriff vom „Zwischenrechtsgut" zu verwenden, sollte besser vom tatbestandlichen Rechtsgut gesprochen werden, um zu verdeutlichen, daß allein dieses Rechtsgut (z.B. die staatliche Rechtspflege) rechtlich relevant ist, die Bedeutung des „Endrechtsgutes" sich dagegen darin erschöpft, mehr oder weniger ausgeprägtes Motiv des Gesetzgebers für die Schaffung entsprechender Straftatbestände (gewesen) zu sein. Damit würde auch verständlich, warum die genannte Deliktsgruppe den abstrakten Gefährdungdelikten zugeschlagen wird.

76 Die Verwendung des Terminus von der Reflexwirkung ist mit Bedacht gewählt. Entgegen teilweise vertretener Auffassung (siehe etwa Hohmann, Rechtsgut der Umweltdelikte, S. 189 und zuvor S. 61 ff. m.w.N.) lassen sich Universalrechtsgüter, zu denen die staatliche Rechtspflege zu rechnen ist, nicht ausschließlich aus Individualrechtsgütern ableiten, sondern Universalrechtsgüter haben eine eigenständige Bedeutung und Stellung neben Individualrechtsgütern, selbst wenn Universalrechtsgüter mittelbar stets individuellen Interessen der in einer Gemeinschaft lebenden Personen dienen, Kuhlen, ZStW 105 (1993), S. 697, 703 ff. Nur sind eben gerade die Universalrechtsgüter der abstrakten Gefährdungsdelikte, die unter dem Terminus „vergeistigtes Zwischenrechtsgut" zusammengefaßt werden, so geartet, daß eine unmittelbare Ableitung aus einem bestimmten Individualrechtsgut nicht möglich ist, sondern die Schaffung solcher „Zwischenrechtsgütern" mittelbar dem Schutz höchst unterschiedlicher individueller Rechtsgüter dient. Die Falschaussage im Zivilrechtsstreit kann Vermögensinteressen der Parteien betreffen, die Falschaussage im Strafprozeß dagegen die persönliche Freiheit des Angeklagten zusätzlich wegen der Kostenfolge im Falle der Verurteilung zu Freiheitsstrafe (§ 465 Abs. 1 StPO) aber auch seine Vermögensinteressen. Bei Verurteilung zu Geldstrafe geht es ohnehin vornehmlich um das Vermögen, angesichts des mit jeder Verurteilung verbundenen sozial-ethischen Tadels aber wohl auch um die Ehre. Diese nur beispielhaft aufgeführten individuellen Interessen können durch die sog. Delikte mit vergeistigtem Zwischenrechtsgut mit geschützt sein. Die Vielzahl der als „Endrechtsgut" mittelbar geschützten individuellen Interessen schließt eine unmittelbare Rückführung des universellen „Zwischenrechtsgut" staatliche Rechtspflege auf ein Individualrechtsgut aus. Daher ist eine Beschränkung des Zusammenhangs zwischen den zahlreichen im Hintergrund stehenden individuellen Interessen und dem tatbestandlichen (Zwischen)Rechtsgut auf eine Reflexwirkung zugunsten individueller Rechtsgüter vorzunehmen.

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Einleitung

Das eigentliche zu schützende Rechtsgut verharrt auf der Ebene der gesetzgeberischen Motivation, ohne in den Straftatbestand und seine Auslegung selbst unmittelbar Eingang zu finden. Die aufgezeigte Deutung des Begriffs vom Zwischenrechtsgut bzw. vom tatbestandlichen Rechtsgut hat ihre Parallele in der Rechtsgutsbestimmung der Umweltdelikte entsprechend deren Verständnis durch die überwiegend vertretene Ansicht. 77 Die Umweltmedien Wasser, Luft und Boden sind danach eigenständige ökologische Rechtsgüter, die jedoch nicht um ihrer selbst willen geschützt werden, sondern um die Lebensbedingungen der jetzt lebenden menschlichen Generationen und der zukünftigen Generationen zu sichern. 78 In der Terminologie des „vergeistigten Zwischenrechtsguts" sind die Umweltmedien freilich nicht vergeistigte - „Zw/scAewrechtsgüter", die elementaren individuellen Rechtsgüter Leben, Leib u.ä. heutiger und zukünftiger Generationen dagegen die „Endrechtsgüter". Deren (wenigstens reflexiver) Schutz ist der eigentliche gesetzgeberische Grund der Schaffimg der Straftatbestände über den Schutz der Umwelt. Diese parallele Konstruktion von „Zwischen- und Endrechtsgut" beider angesprochener Deliktsarten spiegelt sich auch in der Art und Weise des Angriffs gegen die geschützten Rechtsgüter wider. Das tatbestandliche oder Zwischenrechtsgut kann nicht durch eine einzelne isolierte tatbestandsmäßige Handlung verletzt werden. 79 Notwendig zur Rechtsverletzung ist vielmehr typischerweise die „massenweise"80 Vornahme der jeweiligen tatbestandlichen Handlung. Kuhlen hat ursprünglich für die Umweltdelikte später erweiternd aber auch für die in der hier betrachteten Untergruppe einschlägigen Bestechungsdelikte den Begriff des Kumulationsdelikts eingeführt. 81 Gemeint ist Kumulation nicht im Sinne einer schlichten Summierung gleichartiger tatbestandlicher Verhaltensweisen, sondern das Kumulationsdelikt bezeichnet einen Tatbestandstypus, der für sich genommen ungefährliche Einzelhandlungen mit Strafe bedroht, weil ohne sanktionsbewehrtes Handlungsverbot eine Vornahme solcher verbotenen Handlungen zu erwarten wäre, die dann in ihrer Kumulation eine Beeinträchtigung des jeweils geschützten Rechtsgutes zur Folge hätte. 82

77 Zu der streitigen Rechtsgutsbestimmung Kuhlen, ZStW 105 (1993), S. 697, 701 ff. einerseits; Hohmann, Rechtsgut der Umweltdelikte, S. 53 ff. , 179 ff. andererseits; siehe auch Müller-Tuckfeld, Traktat für die Abschaffung des Umweltstrafrechts, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 461, 462 ff. 78 Cramer , in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 324 ff. Rdnr. 8; Kuhlen aaO. jeweils m.w.N.; Schünemann, GA 1995, S. 201, 206 f. 79 Loos, Festschrift für Welzel, S. 879, 891; Kuhlen, ZStW 105 (1993), S. 697, 722 f. 80 Loos aaO. 81 Kuhlen GA 1986, S. 389, 399 und ZStW 105 (1993), S. 697, 716 ff. mit Fußn. 91 und 93. 82 Kuhlen, ZStW 105 (1993), S. 697, 716 m. Fußn. 91.

Β. Brandstrafrecht und abstrakte Gefährdungsdelikte

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Solcherlei Strukturen weisen auch die Tatbestände mit einem sog. „vergeistigtem Zwischenrechtsgut" auf und heben sie zugleich von den übrigen abstrakten Gefährdungsdelikten ab, soweit der genannten Deliktskategorie die Funktion des Rechtsgüterschutzes zugewiesen und das Rechtsgut i.S. Welzels als der - vom Tatobjekt zu trennende - durch die jeweilige Norm geschützte reale Gegenstand, Zustand etc. verstanden wird. 83 Zum einen ist eine auch nur potentielle Verletzung des geschützten "Zwischenrechtsguts" wegen des hohen Abstraktionsniveaus des Rechtsgutes (z.B. Sicherheit des Rechtsverkehrs bei § 267) durch eine einzelne Tathandlung nicht möglich. Verletzung ist dabei nicht auf die Veränderung eines individuellen körperlichen Gegenstandes durch die Tatbestandshandlungen beschränkt. Die Verletzung sozialer Systeme wie etwa der staatlichen Verwaltung ist einbezogen.84 Auch insoweit ist aber im einschlägigen Bereich ein wiederholtes, häufiges Auftreten der fur das zu schützende Rechtsgut gefährlichen Verhaltensweise erforderlich, um das Rechtsgut zu beeinträchtigen. 85 Zum anderen fehlt es gerade aufgrund der Abstraktheit des geschützten Rechtsgutes an der Möglichkeit einer "physikalisch meßbaren Kausalität" der Vornahme der gefährlichen Handlung in Bezug auf die potentielle Rechtsgutsverletzung. 86 Empirische Erhebungen in der Bevölkerung darüber, ob eine bekanntgewordene Bestechlichkeit eines Amtsträgers bereits das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Verwaltung bzw. die Reinheit der Amtsführung insgesamt erschüttere, in jedem einschlägigen Strafverfahren sind zwar theoretisch möglich, lassen sich aber praktisch nicht umsetzen.87 Auf vergleichbare Schwierigkeiten stößt bekanntermaßen der Kausalitätsnachweis bei den Umweltdelikten. Die nachteilige Veränderung eines Umweltmediums selbst nur in einem begrenztem räumlichen Bereich läßt sich häufig nicht eiller bestimmten tatbestandsmäßigen Handlung als Ursache der Verschlechterung zuweisen.

83

Vgl. Welzel, ZStW 58 (1939), S. 491, 511 Fußn. 30 und ders., Deutsches Strafrecht, S. 4 f., 62. 84 Zur sozialen Dimension des Verbrechens im Rahmen der Rechtsgutslehre Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 344 ff. 85 Loos, Festschrift für Welzel, S. 879, 891 f.; vgl. auch Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 185 86 Loos, aaO., S. 892; in der Sache ebenso Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 30 ff., 94. Es soll nicht bestritten werden, daß auch auf hohem Abstraktionsniveau angesiedelte (Zwischen-)Rechtsgüter kausal veränderbar sind. Der Nachweis einer kausalen Veränderung im naturwissenschaftlichen Sinne ist aber nicht oder lediglich mit unverhältnismäßigem Aufwand zu erbringen, wenn sich die Rechtsgüter nicht auf körperliche Gegenstände beziehen; zur Unterscheidung von Rechtsgut und Handlungsobjekt in diesem Zusammenhang Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 102 ff., 106. 87 Den Angriff auf die durch die Sanktion geschützte empirische Geltung der Norm (Welzel ZStW 58 [1939], S. 491, 511 Fußn. 30) ist hier nicht zu thematisieren.

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Einleitung

Die normative Besonderheit solcher Delikte mit sog. „vergeistigtem Zwischenrechtsgut" im Vergleich mit klassischen abstrakten Gefährdungsdelikten nach Art des § 306 a Abs. l/§ 306 a.F. besteht darin, daß für erstere nach überwiegendem Verständnis kein über die Tatbestandserfüllung hinausgehendes Unrechts· und Schuldbegründungsmerkmal notwendig sein soll. 88 Der Grund für den Verzicht auf Restriktion des Tatbestandes ist das Abstellen auf das Konstrukt des „Zwischenrechtsgutes". Die Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung bewirkt eine Verletzung des Zwischenrechtsgutes. Und die Verletzung eines Zwischenrechtsgutes genügt zur Konstituierung des Unrechts der Tat ohne weitere unrechtsbegründende Merkmale. 89 Raum für eine einschränkende Auslegung der Tatbestände vor allem bei Bagatellverstößen sei bei der Interpretation der einzelnen Tatbestandsmerkmale. 90 Dogmatisch begründen läßt sich der Verzicht auf die ansonsten für erforderlich gehaltenen Restriktionen abstrakter Gefährdungsdelikte bei den Tatbeständen mit "vergeistigtem Zwischenrechtsgut" nicht. Eine von anderen abstrakten Gefährdungsdelikten unterscheidbare Sonderstellung nehmen diese allein deshalb ein, weil die üblicherweise vertretenen Restriktionsmodelle 91 wegen der eingangs dieser Ziffer beschriebenen Spezifika der Untergruppe unanwendbar sind. Unter Vernachlässigung der streitigen Details der verschiedenen Modelle, läßt sich sagen, daß von der Strafbarkeit lediglich die tatbestandsmäßigen Handlungen ausgenommen werden sollen, bei denen kein adäquates Risiko für das geschützte Rechtsgut geschaffen worden ist. Knüpft man das Fehlen eines adäquaten Risikos jedenfalls auch an den fehlenden konkreten Gefahrerfolg, 92 hängt die Anwendbarkeit der Tatbestandsreduktion von der Nachweisbarkeit (im naturwissenschaftlichen Sinne) des Ausbleibens eines konkreten Gefahrerfolges ab. 93 Daran fehlt es aber wegen der Struktur der Rechtsgüter bei

88 Schünemann, JA 1975, S. 598; Wolter, Objektive und personale Zurechung, S. 328 f.; Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 126; Jakobs, AT, 6/88 a.E. 89 Schünemann, JA 1975, S. 598. 90 Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 126 a.E., vgl. auch Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 95. 91 Oben Einleitung A. 92 So eindeutig Wolter, Objektive und personale Zurechung, S. 281 in Bezug auf § 306 Nr.2 a.F. (= § 306 a Abs. 1 Nr.l). 93 Im hier interessierenden Zusammenhang kommt es auf die "Beweislastverteilung" bezüglich des Nachweises der ausnahmsweise bestehenden Ungefährlichkeit der Tathandlung bzw. des Ausbleibens einer konkreten Gefahr für das Rechtsgut nicht an; vgl. die Überlegungen von Rabl, Gefährdungsvorsatz, S. 21 und Schröder, ZStW 81 (1969), S. 17 ff. zur Widerlegbarkeit der gesetzlichen Präsumtion der Gefahrerfolges; ausführlich zu beiden Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 187 ff. und S. 199 ff. sowie unten 2.Kap. A.III, l.a.

Β. Brandstrafrecht und abstrakte Gefährdungsdelikte

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der betrachteten Untergruppe. 94 In diesen faktischen Besonderheiten liegt zugleich der gemeinsame Kern mit einer weiteren sogleich unter 3. zu betrachtenden Untergruppe abstrakter Gefährdungsdelikte (z.B. §316), bei denen der Nachweis einer Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes nicht naturwissenschaftlich unmöglich, aber sehr schwer und lediglich mit - angesichts des regelmäßig geringen Unrechtsgehalts - unvertretbarem Aufwand zu führen ist. Der für beide Untergruppen gleichermaßen postulierte Verzicht auf die Subintelligierung eines Unrechts- und Schuldbegründungsmerkmals überrascht daher nicht, überzeugen kann er gleichwohl in der Sache nicht. Die faktische Unanwendbarkeit der Restriktionsmodelle allein kann die Differenzierung innerhalb der verschiedenen Untergruppen abstrakter Gefährdungsdelikte nicht begründen. Notwendig ist die Angabe eine Wertungskriteriums, das einerseits die vielfach behauptete Restriktion des § 306 a Abs. 1 (§ 306 a.F.) gebietet, andererseits den Verzicht auf ein zusätzliches außertatbestandliches Unrechtsbegründungselement gestattet. Mit diesen Andeutungen soll es sein Bewenden haben. Keiner der Brandstiftungstatbestände läßt sich unter die Delikte mit sog. "vergeistigtem Zwischenrechtsgut" einreihen. 95 Die Untergruppe ist daher im Detail nicht weiter zu verfolgen. Im Blick ist jedoch zu behalten, ob die unterschiedliche dogmatische Behandlung der Untergruppen sog. "vergeistigtes Zwischenrechtsgut" auf der einen Seite und den klassischen abstrakten Gefährdungsdelikten, zu der jedenfalls §§ 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3/§§ 306 Nr.2 und Nr.3 a.F. zu zählen sind, auf der anderen Seite Berechtigung hat. 3.) Eine weitere Untergruppe abstrakter Gefährdungsdelikte pflegt üblicherweise mittels ihres Haupt- vielleicht ihres einzigen Vertreters, der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), charakterisiert zu werden. Stark verbreitet findet sich im Schrifttum die Bezeichnung Massenhandlungen als Beschreibung dieses Typus

94

In der Sache ebenso Loos, Festschrift für Welzel, S. 879, 891 f.; Tiedemann, Tatbestandsfiinktionen, S. 117 ff. und ders., ZStW 87 (1975), S. 253, 272 ff.; Bohnert, JuS 1984, S. 182, 185 Fußn. 41 a.E.; Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 31. 95 Aufgrund seines Ansatzes, Regelungsmodelle der kybernetischen Systemtheorie und der Organisationstheorie für die juristische Unrechts- und Auslegungslehre fruchtbar zu machen, teilweise anders Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 284 ff. und passim. Seine allgemeine Aufgabenzuweisung an abstrakte Gefährdungsdelikte "der Aufrechterhaltung einer Gesamtordnung (zu dienen), die so auszugestalten ist, daß in jedem Einzelfall trotz einer unübersichtlichen Vielfalt denkbarer Ereigniskombinationen ein wirksamer Schutz des Rechtsguts...sichergestellt ist", setzt die "Aufrechterhaltung der Gesamtordnung als taktisches Zwischenziel (Hervorhebungen im Original) auf dem Weg zur Erreichung des Endziels, dem Schutz des Rechtsguts, voraus, Kratzsch aaO., S. 284. Das "taktische Zwischenziel" entspricht dem "vergeistigtem Zwischenrechtsgut" weitestgehend; die Bezugnahme, aaO., Fußn. 64 auf Schünemann, JA 1975, S. 798 belegt dies. 3 Radtke

Einleitung

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des abstrakten Gefährdungsdelikts. 96 Die Terminologie ist nicht gelungen. Ein Bezug auf die rechtlichen Spezifika der Untergruppe fehlt vollständig. „Massenhandlungen" umschreibt bestenfalls das Faktum der vielfachen, ja massenhaften Begehung dieser Delikte oder besser dieses Delikts - andere Beispiele als § 316 werden nicht genannt und lassen sich wohl auch kaum finden. Normatives Kennzeichen ist entsprechend zahlreich vertretener Auffassung die fehlende Notwendigkeit einer (außertatbestandlichen) Reduktion des Straftatbestandes. Auch ohne eine solche soll die Bestrafung aus §316 mit dem Schuldgrundsatz harmonieren. Als Grund für die gegenüber anderen abstrakten Gefährdungsdelikten abweichende Sichtweise wird sachlich weitgehend übereinstimmend auf die generalpräventiv notwendige Einübung der Regelbefolgung auch bei evidenter Gefahrlosigkeit der Einzeltat abgestellt, wenn die Sicherheit des Verkehrs gewährleistet sein soll. 97 Träfe jedoch die Prämisse über die - offenbar für verfassungsrechtlich geboten gehaltene - Reduktion anderer abstrakter Gefährdungsdelikte 98 zu, kann die Ausnahme für § 316 kaum richtig sein. 99 Fallgestaltungen absolut sicher ausgeschlossener Gefährlichkeit der durch den Tatbestand verbotenen Handlung sind auch bei sog. Massenhandlungen möglich, das Ausbleiben eines konkreten Gefahrerfolges ist es ohnehin. 100 Ihre Häufigkeit wird freilich gering sein. Ausschlaggebend für die auch ohne Tatbestandsrestriktion vorhandenene Akzeptanz des §316 und der weiteren (ungenannten) sog. „Massenhandlungen" dürfte eher der Umstand sein, daß die einschlägigen Straftatbestände bzw. der einschlägige Straftatbestand im Vergleich etwa zu § 306 a Abs. 1 ein deutlich geringeres Strafmaß aufweisen. Der schlichte Gesetzesungehorsam scheint deshalb ohne Subintelligierung eines zusätzlichen Merkmals zur Unrechts- und Schuldbegründung genügend zu sein. 101 Ein weiterer die Differenzierung rechtfertigender sachlicher Grund ist bisher nicht benannt. 102

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Etwa Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 125. Jakobs, AT, 6/88; Schünemann, JA 1975, S. 798 "lerntheoretische Gründe", ebenso Wolter, Objektive und personale Zurechung, S. 277; Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 125; vgl. auch Brehm, Dogmatik abstrakter Gefährdungsdelikte, S. 139 ff. und ders. , JuS 1976, S. 22, 24. 98 Oben Einleitung A. 99 Im Ergebnis wie hier Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 35 und Frisch, Festschrift für Stree und Wessels, S. 69,92. 100 Jakobs, AT, 6/88 betont mit Recht, daß das Fehlen einer konkreten Gefahr (trotz Gefährlichkeit der Handlung) im Straßenverkehrsrecht überwiegen dürfte. 101 Dem Verständnis abstrakter Gefährdungsdelikte durch Kindhäuser, Gefährdung, S. 272 (Selbstzwecknorm) nicht unähnlich. 102 Zutreffend merkt daher Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 93 an, daß auch bei den Massenhandlungen theoretisch eine Reduktion anhand der ansonsten angewendeten Regeln möglich ist. 97

Β. Brandstrafrecht und abstrakte Gefährdungsdelikte

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Allerdings kann es kaum überraschen, daß bei § 316 in gleicher Weise wie bei der zuvor sub 2. betrachteten Untergruppe abstrakter Gefährdungsdelikte tatbestandliche Restriktionen mit dem Ziel, ansonsten vermeintlich bestehende Kollisionen mit dem Schuldgrundsatz zu vermeiden, für nicht geboten erachtet werden. Übereinstimmungen in der Tatbestands- und Unrechtsstruktur beider Untergruppen sind nicht zu übersehen. Bereits der Blick auf das tatbestandlich geschützte Rechtsgut zeigt eine erste Parallele auf. Rechtsgut des § 316 ist die Sicherheit des Straßenverkehrs. 103 Sicherheit des Straßenverkehrs meint aber Sicherheit der am Straßenverkehr teilnehmenden Individuen und damit mittelbaren, wenigstens aber reflexiven Schutz deren individueller Rechtsgüter. „Sicherheit des Straßenverkehrs" ist daher das tatbestandliche oder in der herkömmlichen Terminologie das „Zwischen-"Rechtsgut. Das gesetzgeberische Motiv ist dagegen der Schutz von Individualrechtsgütern der Verkehrsteilnehmer; das „Endrechtsgut". Insoweit besteht eine parallele Tatbestandsstruktur zwischen § 316 und der Untergruppe sub 2. Bei den Angriffswegen auf das tatbestandliche Rechtsgut ist die Vergleichbarkeit des § 316 mit der sub 2. vorgenannten Untergruppe weniger ausgeprägt, aber dennoch vorhanden. Bezogen auf das tatbestandliche Rechtsgut läßt sich sagen: das einzelne verbotene Verhalten, das Fahren in fahruntüchtigem Zustand, beeinträchtigt die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht. 104 Erst eine massenhafte Vornahme von Trunkenheitsfahrten führt zur Verletzung eines Zustandes, der sich als Sicherheit des Straßenverkehrs verstehen läßt, weil angesichts einer massenhaften Tatbegehung kein Verkehrsteilnehmer nunmehr unbesorgt im Hinblick auf das Ausbleiben trunkenheitsbedingt verkehrswidrigen Verhaltens anderer sich im Straßenverkehr bewegen könnte. Diese Sichtweise liegt auch offenbar der gängigen Begründung von den „lerntheoretischen Gründen", die die Bestrafung selbst ungefährlicher Trunkenheitsfahrten gebieten, zumindest aber gestatten sollen, 105 zugrunde. Der Rückgriff auf die lerntheoretischen Gründe im Sinne generalpräventiv notwendiger Einübung von Normtreue ist erforderlich, weil die einzelne verbotene Verhaltensweise für das tatbestandliche Rechtsgut („Zwischenrechtsgut") ungefährlich sein kann und daher die Anwendung von Kriminalstrafe nicht legitimieren können soll. Der Unterschied zu den meist sog. Delikten mit einem „vergeistigten Zwischenrechtsgut" liegt aber in der Verletzungspotentialität jeder einzelnen Tathandlung in Bezug auf das „Endrechtsgut". Ex ante betrachtet ist jede Trunkenheitsfahrt potentiell zur Verletzung der indivi103

Lackner/Kühl, § 316 Rdnr. 1 Der von Kindhäuser, Gefährdung, S. 272 ff. vertretenen Ansicht, jede tatbestandliche Verhaltensweise führe zu einer Verletzung eines als Sicherheit definierten Rechtsguts, wird entgegengehalten, dies Bewertung treffe nicht zu, weil ex ante und ex post für ein bestimmtes Individualrechtsgut ungefährliche tatbestandsmäßige Handlungen die sorglose Verfügbarkeit über das jeweilige Gut nicht beeinträchtigten; Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 123. 105 Nachw. wie Fußn. 97. 104

3*

Einleitung

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duellen Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum der am Straßenverkehr teilnehmenden Personen in der Lage. 106 Ob es zu einer Verletzung oder wenigstens konkreten Gefährdung derartiger Rechtsgüter kommt, hängt von zahlreichen Kausalfaktoren, u.a. davon ab, daß ein das Rechtsgut gegenständlich verkörperndes Tatobjekt in einer konkreten Situation in den Gefahrenbereich der tatbestandsmäßigen Handlung gerät. 107 Die so verstandene Verletzungspotentialität teilt der § 316 (und falls vorhanden die weiteren der Untergruppe sub 3. zugehörigen Tatbestände) mit den sogleich unter 4. zu betrachteten klassischen abstrakten Gefährdungsdelikten und unterscheidet ihn zugleich von der Untergruppe sub 2. Die jedenfalls im Schrifttum überwiegende differenzierende Sichtweise zwischen den Untergruppen 2. und 3. einerseits sowie 4. andererseits hinsichtlich der vermeintlichen Notwendigkeit tatbestandlicher Restriktionen ist daher nicht überzeugend begründet. Parallelen in der Tatbestandsstruktur, die eine gleichartige rechtliche Beurteilung rechtfertigen können, bestehen eben nicht nur zwischen den Untergruppen 2. und 3., sondern auch zwischen den Untergruppen 3. und 4. Umgekehrt sind die Untergruppen 2. und 3. nicht vollständig parallel konstruiert, sondern weisen in bezug auf die Verletzungspotentialität aus den zuvor genannten Gründen Divergenzen auf. Die Gleichbehandlung der Untergruppen 2. und 3. hat demnach keine dogmatische Grundlage, sondern beruht auf einem praktischen und einem eher rechtspolitischen Aspekt. Praktisch scheitern die Restriktionsmodelle an den faktischen Gegebenheiten der beiden Untergruppen. Restriktion im bisher betriebenen Sinne setzt eben das mit prozessualen Mitteln aufklärbare Ausbleiben mindestens konkreter Rechtsgutsgefahr voraus. 108 Rechtspolitisch besteht angesichts im Vergleich zu § 306 a Abs. 1 erheblich geringerer Strafdrohungen kein Handlungsdruck, über Reduktionen der jeweiligen Tatbestände nachzudenken. Wie bereits zu der Untergruppe 2. müssen die knappen Andeutungen der Problematik genügen. Die Untergruppe 3. ist für den Zusammenhang dieser Untersuchung lediglich insoweit von Interesse, als der Vergleich zum Verständnis der Eignungsdelikte (1.) und den klassischen abstrakten Gefährdungsdelikten (4.), die das zentrale Thema dieser Arbeit sind, zu ziehen ist. 4.) Die abschließend zu skizzierende Untergruppe läßt sich lediglich negativ umschreiben. Zugehörig sind die Delikte, deren Tatbestandserfüllung weder eine Verletzung noch eine konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsgutes voraussetzen, keine Eignungsklausel aufweisen, nicht sog. „Massenhandlungen"

106

891. 107 108

Zu potentiellen Verletzungsdelikten siehe Loos, Festschrift für Welzel, S. 879, Zum Verhältnis zwischen Tatobjekt und Rechtsgut näher unten l.Kap.C.II.l. Dazu oben Text nach Fußn. 92.

C. Brandstrafrecht und generelle Gemeingefährlichkeit

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und nicht Delikte mit sog. „vergeistigtem Zwischenrechtsgut" sind. Roxin bezeichnet diese Gruppe als die „klassischen abstrakten Gefährdungsdelikte" ,109 ,f 110 Wolter nennt sie "uneigentliche abstrakte Gefährdungsdelikte . Er charakterisiert sie zutreffend dahingehend, daß die Tatbestände die verbotene Verhaltensweise inhaltlich präzise beschreiben und ihnen die Aufgabe zukommt, mindestens mittelbar dem Schutz wichtiger Rechtsgüter zu dienen. 111 Als Prototyp dieser Untergruppe galt § 306 Nr.2 a.F (§ 306 a Abs. 1 Nr. 1). 1 1 2 Dieser Fallgruppe hat die Strafrechtswissenschaft vornehmlich ihre Aufmerksamkeit gewidmet. Für die "klassischen abstrakten Gefährdungsdelikte 11 hat sie ihre Restriktionsmodelle entwickelt. 113 Dieser Untergruppe gilt nach Maßgabe der zu A . l . angesprochenen Konzentration das größte Augenmerk im Verlaufe der Untersuchung. Die Einzelheiten der unterschiedlichen Ansätze zur Erklärung der zuletzt benannten abstrakten Gefährdungsdelikte sollen im Rahmen der Ausführungen zu den dieser Untergruppe zugehörigen Brandstiftungsdelikten, vornehmlich § 306 Nr.2 a.F. bzw. dem inhaltlich weitestgehend identischen § 306 Abs. 1 Nr.l, behandelt werden. 114

C. Brandstrafrecht und generelle Gemeingefahrlichkeit Das Arbeitsprogramm der Untersuchung hat durch die vorstehende Betrachtung erste Konturen gewonnen. Zielsetzung ist die Aufarbeitung der Tatbestandsstrukturen und der Auslegung der §§ 306 bis 306 f sowie der §§ 306 bis 310 a a.F. soweit die hier zu gewinnenden Erkenntnisse noch von Belang für das Verständnis des Brandstrafrechts in der Gestalt des 6. StrRG sind. Trotz der langen - durch das 6. StrRG nicht aufgegebenen - Tradition der Brandstiftungsdelikte, die zum klassischen Bestand des Kriminalstrafrechts seit der Existenz eines staatlichen Strafrechts gehören, 115 und ihrer weitgehend unveränderten Fassung von dem Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten über das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund und das Reichsstrafgesetzbuch bis zum vor dem 6. StrRG geltenden Strafgesetzbuch 116 besteht Klärungsbedarf nicht 109

A T I , § 11 Rdnr. 120. Objektive und personale Zurechnung, S. 276 und passim. 111 aaO., S. 278. 112 Oben Einleitung A. 113 Oben Einleitung A, sowie unten 2.Kap.A.III.l. 114 Unten 2.Kap.A.III.l. 115 Vgl. nur die Übersichten bei Timcke, Straftatbestand der Brandstiftung, Diss. Göttingen 1965, S. 1 ff.; Geerds, Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15,16 ff.; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 4 ff. 116 Vgl. Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 21 f. und ausführlich für § 308 a.F. Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 190 ff. mit weit. Nachw. Fußn. 20. 110

Einleitung

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nur bei einer Fülle von Detailfragen der einzelnen Tatbestände,117 sondern vor allem bezüglich der Eruierung der gesamten Deliktsgruppe gemeinsamen Tatbestandsstrukturen und Regelungstechniken.118 Die gerade umgesetzte Reform der Brandstiftungstatbestände enthebt der Beschäftigung mit dem bisherigen Recht nicht vollständig. Nicht allein die grundlegenden Tatbestandsstrukturen, sondern auch die Erklärung von Einzelfragen der Tatbestände bieten Orientierung für das Verständnis des neuen Rechts. Soweit gemeinsame Strukturen vorhanden sind, bestehen erste Anhaltspunkte für die Interpretation der einzelnene Brandstiftungsdelikte. Fehlen solche Gemeinsamkeiten oder bestehen sie nur bei einem Teil der untersuchten Tatbestände, bleibt lediglich die isolierte Erörterung der einzelnen Tatbestände de lege lata. Entsprechend dem Arbeitsziel gilt es zunächst, möglicherweise allen hier einschlägigen Delikten immanente Tatbestandsstrukturen herauszustellen. Gedacht ist dabei an folgendes: Die Brandstiftungsdelikte sind seit jeher den gemeingefährlichen Delikten zugeordnet; lediglich die Nummerierung des einschlägigen Abschnittes des Besonderer Teils hat im Zuge der aktuellen Reform von dem 27. auf den 28. gewechselt. Sollten gemeingefährliche Delikte ausschließlich dem Schutz der Allgemeinheit gegen Gefährdung dienen, 119 drängt sich die Frage nach Besonderheiten dieser Tatbestände gegenüber abstrakten Gefährdungsdelikten, bei denen überwiegend der (unmittelbare oder mittelbare) Schutz individueller Rechtsgüter als Grund ihrer Existenz gesehen w i r d , 1 2 0 auf. Diese Frage berührt das im Zentrum der Diskussion um die abstrakten Gefährdungsdelikte stehende Problem der Legitimität dieses Tatbestandstypus. Üblicherweise werden Gefährdungsdelikte und zwar konkrete wie abstrakte als legitim betrachtet, weil sie - in der Zwecksetzung mit den Verletzungsdelikten übereinstimmend - der Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen dienen. 121 Von wenigen Ausnahmen 122 abgesehen akzeptieren diesen Begründungsweg diejeni117

Dazu unten 2. - 5.Kap. Anknüpfend an eine Überlegung von Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 375 und zuvor angedeutet ders., JR 1987, S. 360, 363, das jedenfalls die Tatbestandsfassung des § 306 (und § 307; jeweils a.F.) Ausdruck einer besonderen gesetzgeberischen Methode bzw. eines besonderen Systems der "Strukturierung von Gefährdungsunrecht" sei. 119 Lackner, Brandstiftungsdelikte nach dem E 1960, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289; für die Brandstiftungsdelikte so ausdrücklich Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 206. 120 So die überwiegende Ansicht, siehe Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 119; Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 32 ff., Wolter, Objektive und personale Zurechung, S. 32 f., 278 ff.; jeweils m.w.N.; anders Kindhäuser, Gefährdung, S. 277 ff.; vgl. auch Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 42 f. und ders., Prävention des Unrechts, S. 57 ff. und passim zur allgemeinen Aufgabenzuweisung an das Strafrecht Unrechtsvergeltung statt Rechtsgüterschutz. 121 Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 6 ff. und kritisch Kindhäuser, Gefährdung, S. 163, 164ff. jeweils mit weit. Nachw. 122 Kindhäuser aaO. 118

C. Brandstrafrecht und generelle Gemeingefährlichkeit

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gen, die tatbestandliche Reduktionen etwa für § 306 Nr.2 a.F. (§ 306a Abs. 1 Nr.l) negieren ebenso wie diejenigen, die gerade diese fordern. Zugespitzter formuliert ist die Legitimierung (auch) abstrakter Gefährdungsverbote aus der Zwecksetzung der Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen geradezu Voraussetzung für die vorgeschlagenen tatbestandlichen Einschränkungen abstrakter Gefährdungs-verbote. Prämisse sämtlicher Reduktionsmodelle ist letztlich: Es dürfen nur solche Verhaltensweisen verboten und der Verbotsverstoß durch die Anwendung von Strafrecht sanktioniert werden, die zu einer Verletzung oder wenigstens einer konkreten Gefährdung des geschützten Rechtsgutes bzw. des Rechtsgutsträgers geführt haben. Bleibt die Verletzung oder konkrete Gefährdung aus, sind Schuldspruch und Verhängung von Kriminalstrafe illegitim; es sei denn, die verbotene Verhaltensweise ist in bezug auf das geschützte Rechtsgut sorgfaltswidrig. 123 Nun bleibt - darauf ist bereits hingewiesen worden - 1 2 4 die praktische Anwendbarkeit sämtlicher diskutierter tatbestandlicher Reduktionen auf solche Straftatbestände beschränkt, bei denen das Ausbleiben eines konkreten Gefahrerfolges in bezug auf ein geschütztes Rechtsgut/Rechtsgutsträger in einem naturwissenschaftlichen Sinne feststellbar ist. Eine solche Feststellbarkeit kommt aus praktischen Gründen allein für den Schutz individueller Rechtsgüter bezweckender Straftatbestände in Betracht. 125 Ob die Brandstiftungsdelikte allerdings, so wie es die Restriktionsmodelle voraussetzten, auf die Gewährleistung individuellen Rechtsgüterschutzes vor konkreter Gefährdung oder Verletzung beschränkt sind, wird hier gerade in Zweifel gezogen und zum Beleg der Berechtigung der Zweifel zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Arbeitshypothese ist: Die Straftatbestände über die Brandstiftung, wenn und soweit sie gemeingefährliche Delikte sind, weisen auch einen auf die Allgemeinheit bezogenen Schutzzweck auf, der inhaltlich sowohl von der schlichten Summierung von Individualrechtsgutsverletzungen als auch von dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung verschieden ist. Dieser Allgemeinheitsbezug kann die Schaffung und Anwendung abstrakter gemeingefährlicher Delikte legitimieren, selbst wenn durch eine konkrete über § 306 a Abs. 1 verbotene Verhaltensweise ein Zustand konkreter Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut/Rechtsgutsträger nicht bewirkt und in Bezug auf das geschützte Rechtsgut noch nicht einmal sorgfaltswidrig gehandelt worden ist. Für den Gang der Arbeit bedeutet dies, daß in dem 1. Kapitel - gleich einem Allgemeinen Teil vor die Klammer gezogen - Überlegungen zur Bedeutung der systematischen Stellung der Brandstiftungsdelikte im 28. Abschnitt (früher 27. Abschnitt) des Strafgesetzbuches im Hinblick auf den spezifischen Rechtsgüter123 124 125

Horn, in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 17 m.w.N. Oben Einl.B.II.3. am Ende. Nachw. wie Fußn. zuvor.

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Einleitung

schütz mittels gemeingefährlicher Delikte anzustellen sind. Im Rahmen dieses Kapitels sind die Bedeutung der Begriffe Gemeingefahr sowie Gemeingefährlichkeit und die tatbestandlichen Besonderheiten gemeingefährlicher Delikte zu klären. Dabei wird sich erweisen, daß die besonderen tatbestandlichen Strukturen dieses Typus allein über die (generelle) Gemeingefährlichkeit der Tathandlungen erklärt werden können. Konkrete Gemeingefahr dagegen, der konkreten Spezialgefahr entsprechend als Zustand der Gefahr für Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger verstanden, ist als Begriff kaum plausibel definierbar, noch ist konkrete Gemeingefahr für die Brandstraftatbestände von Relevanz. Die Erörterungen im 1. Kapitel sind insoweit ergebnisoffen, als sie Raum für die Berücksichtigung der induktiv in den folgenden Kapiteln (vor allem 2 bis 4) zu gewinnenden Erkenntnissen über Deliktsstrukturen und zur Auslegung der einzelnen Brandstiftungsdelikte bieten müssen. Methodisch ist damit eine Kombination aus Deduktion und Induktion angestrebt. Überlegungen zu Tatbestandsstrukturen (generell) gemeingefährlicher Delikte und zu möglicherweise durch sämtliche Brandstiftungstatbestände einheitlich geschützten Rechtsgütern (Kapitel 1) bilden die Grundlage für die Auslegung der einzelnen Straftatbestände. Deren Spezifika können wiederum Rückschlüsse auf allgemeingültige Aussagen über Brandstiftungsdelikte gestatten. Die Kapitel 2 bis 4 beschäftigen sich mit Schutzzwecken und tatbestandlichen Strukturen der bisher sog. einfachen und der schweren Brandstiftung einschließlich der Qualifikationen und Erfolgs- bzw. Gefahrerfolgsqualifikationen. Kapitel 5 ist dem (tatobjektsbezogen) konkreten Gefährdungsdelikt § 306 f (Nachfolgetatbestand des bisherigen § 310 a) gewidmet. Überlegungen zu Sonderfragen der durch Unterlassen verwirklichten Brandstiftung (Kapitel 6) und der Erlangung von Straffreiheit durch Rücktritt vom Versuch oder tätige Reue (Kapitel 7) schließen die Untersuchung ab.

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" An räumlich erster Stelle die Relevanz der systematischen Stellung der Brandstiftungsdelikte im Strafgesetzbuch für das Verständnis der Tatbestandsstrukturen und der Auslegung untersuchen zu wollen, sollte nicht als Umschreibung der Methodenlehre verstanden werden. Der Ansatz, die Deliktsstrukturen der Tatbestände über die Brandstiftung von deren systematischer Stellung her zu erläutern, ist nicht der Versuch, die traditionelle Methodenlehre zu modifizieren und eine Rangfolge der Auslegungscanones mit der systematischen Auslegung an der Spitze einzuführen. Die begrenzte Aussagekraft der Lozierung eines Delikts bzw. einer Deliktsgruppe im Gesetz, d.h. das äußere System des Gesetzes, ist durchaus im Blick. Der üblichen Betrachtungsweise, der Interpretation anhand der "äußeren" Systematik eines Gesetzes lediglich unterstützende Funktion bei der Ermittlung bzw. Bestimmung des Gesetzeswortlautes und des vom Gesetzgeber mit der Statuierung verfolgten Regelungszwecks beizumessen,1 sei nicht bezweifelt. Ebensowenig soll nicht in Zweifel gezogen werden, daß - trotz fortbestehender Diskussion um die Notwendigkeit und Zulässigkeit einer Rangfolge der canones einerseits sowie um die Unterscheidbarkeit von Auslegungszielen und -kriterienandererseits - 2 die verschiedenen Auslegungskriterien nicht isoliert voneinander handhabbar, sondern sachlich derart ineinander verwoben sind, daß sie als unterschiedliche Facetten des einheitlichen Vorgangs der Erarbeitung eines Tatbestandes erscheinen.3 Die nachfolgenden Überlegungen zur systematischen Stellung der Brandstiftungsdelikte dienen denn auch nicht unmittelbar der Interpretation einzelner Tatbestandsmerkmale. Thema ist zunächst lediglich, ob und ggf. in welcher Weise die Einordnung in den Abschnitt über die gemeingefährlichen Delikte Grundlage, mindestens aber Ausdruck tatbestandsstruktureller (normtheoretischer) Besonderheiten der Brandstiftungsdelikte ist, die ihrerseits Anhaltspunkte für das Verständnis der einschlägigen Tatbestände gewähren. Nicht Auslegung eines einzelnen Straftatbestandes mittels des Kanon Gesetzessystematik ist zu leisten, sondern Beachtung der systematischen Einordnung der ge-

1

Larenz, Methodenlehre, S. 324 ff., 326; Zippelius, Methodenlehre, S. 47 f., 52. Dazu Koch /Rüßmann, Begründungslehre, S. 176 ff. m.w.N.; vgl. auch Loos, in: AK-StPO, Einl.III Rdnr. 19; kritisch gegenüber einem (vermeintlich) abschließenden Katalog von Auslegungscanones Art. Kaufmann, Rechtsphilosophie, S. 47, 62. 3 Friedrich Müller, Methodik, S. 212; ebenso Larenz, Methodenlehre, S. 328. 2

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

samten Deliktsgruppe als Basis eines für induktive Korrekturen und Modifikationen offenen deduktiven Erklärungsmodells der Brandstiftungsdelikte.

A. Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt Anlaß über den Standort der Brandstiftungsdelikte im Gesetz zu reflektieren, besteht schon deshalb, weil herkömmlicherweise ihrer Einordnung in den 28. Abschnitt (vormals 27. Abschnitt) des StGB für das Verständnis der Tatbestände kaum Bedeutung beigemessen wird, 4 ohne den Grund dafür zu benennen. Über die schlichte Vernachlässigung des genannten Kriteriums besteht die Tendenz, der systematischen Stellung der Brandstiftungstatbestände innerhalb der gemeingefährlichen Delikte jeglichen Wert für die Auslegung der einzelnen Tatbestände abzusprechen.5 Die Geringschätzung des äußeren Systems mag in der Heterogenität der im 28. Abschnitt (vormals 27. Abschnitt) geregelten Delikte, der gelegentlich mit drastischen Worten Ausdruck verliehen worden ist, 6 ihren Grund finden. Auch Zweifel in der Sache, ob die wesentlichen Brandstiftungsdelikte § 306 und § 308 jeweils a.F. (§§ 306 a Abs. 1, 306 Abs. 1) als gemeingefährliche Delikte im engeren Sinne zu verstehen waren, 7 könnten ebenso wie die letztlich ungeklärten Inhalte der Gemeingefahr Erklärung für die geringe Berücksichtigung des Standortes im Gesetz bei der Bestimmung der Tatbestandsstrukturen und -inhalte sein. Den Grund für den weitgehenden Verzicht auf die Anwendung eines ansonsten anerkannten Auslegungstopos allein in der mißglückten Gesetzesbezeichnung des fraglichen Abschnitts zu sehen,8 greift allerdings zu kurz. Außer auf die vorstehend angedeuteten Erwägungen läßt 4 Vgl. Cramer , in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 306 ff. Rdnrn. 1 u. 19; Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7, 23 m. Fußn. 26 und S. 25; Horn,, in SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 1 a. 5 Binding, , Strafrecht, Bes. Teil 2.1, S. 9 unter Bezugnahme auf RGSt 9, 234; weiterhin Binding , Normen I, S. 381 m. Fußn. 26; Kitzinger, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, S. 1, 26 Fußn. 1 "...die Aufstellung dieser Gruppe (gemeint sind die gemeingefährlichen Delikte, H.R.) (ist) für die Gesetzesauslegung bedeutungslos..." ; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 607 unten, 608 oben. 6 Gedacht ist an das Mäurach"sehe Wort von der "Rumpelkammer" des Besonderen Teils, Maurach, StrafR, Bes. Teil, 1 .Aufl., S. 406. Im älteren Schrifttum ist kaum weniger "respektlos" mit dem hier einschlägigen Abschnitt des Gesetzes umgegangen worden; der von Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 248 wiedergebene Begriff vom "Brachland des Besonderen Teils" mag das belegen. Vgl. auch Kitzinger, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, S. 1, 6 f. zur Heterogenität der dem Abschnitt (ursprünglich) zugehörigen Tatbestände. 7 Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 163; siehe auch Cramer , in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 306 ff. Rdnr. 1; Horn, in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 1 a. 8 So aber wohl Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363.

Α. Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt

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sich die Nichtberücksichtigung der „örtlichen" Anordnung im Gesetz in der Sache jedenfalls bei den Brandstiftungsdelikten prima vista auf die fehlende Aufnahme des Erfordernisses konkreter Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal stützen.9 Vergröbernd stellt sich die Argumentation gegen die Relevanz der Lozierung der Brandstiftungsdelikte bei den gemeingefährlichen Delikten wie folgt dar: 10 Der einschlägige Gesetzesabschnitt enthält mindestens drei unterschiedliche Deliktstypen; a) konkrete Gefährdungsdelikte, bei denen die Notwendigkeit konkreter Gemeingefahr durch eine Gefahr für Rechtsgüter eines individuellen Rechtsgutinhabers (allgemeine Gefahr) abgelöst worden ist (§§ 310 b - 315 d jeweils a.F., entsprechend §§ 307 - 312, 315-315 d); 1 1 b) die (überwiegend) abstrakten Gefährdungsdelikte der §§ 306 - 310 a a.F., 316 mit einer lediglich vom Gesetzgeber unterstellten generellen Gefährlichkeit der tatbestandlich beschriebenen Verhaltensweisen und letztlich c) die echten gemeingefährlichen Delikte §§312 - 314 jeweils a.F., 323 c, die die konkrete Gemeingefahr als Tatbestandmerkmal enthalten.12 Diese drei Deliktstypen, die weitere systematische Untergliederungen zulassen,13 wiesen schon vom Tatbestandstypus unterschiedliche Deliktsstrukturen auf. Die Zusammenfassung innerhalb des 28. Abschnittes (vormals 27. Abschnittes) komme daher für die Interpretation der einzelnen Tatbestände keine Bedeutung zu. Abgesehen von der in dieser Argumentation (Argument vorstehend sub b) zum Ausdruck kommenden gravierenden Fehleinschätzung der Relevanz der im Brandstrafrecht zur Beschreibung genereller Gemeingefährlichkeit verwendeten Gesetzestechnik haben die wiedergegebenen Überlegungen auch durch die Reform des Brandstrafrechts bzw. des gesamten 28. (früher 27.) Abschnittes an Überzeugungskraft verloren. Zwar scheint angesichts der Umgestaltung der Überschwemmung (§§312-314 a.F.) von einem konkreten Gemeingefährdungsdelikt in ein konkretes Individualgefährdungsdelikt sowie der Kreation verschiedener Brandstraftatbestände mit in den Details divergierenden Tatbe-

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Binding , Strafrecht, Bes. Teil 2.1., S. 8 f. sowie die in Fußn. 4 Genannten. Siehe nur Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 50 Rdnr. 1 ff., 13 f., 36. 11 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 50 Rdnr. 5. 12 Durch das 6. StrRG ist auch die Überschwemmung (§§312-314 a.F.) neu geregelt und in § 313 als konkretes (Individual)Gefährdungsdelikt mit der klassischen Gefahrformel („Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert") statuiert, so daß lediglich noch § 323 c die „gemeine Gefahr" als - praktisch wegen der Dominanz des „Unglücksfalles" allerdings weitestgehend bedeutungsloses - Tatbestandsmerkmal enthält. 13 Zu möglichen Mischformen zwischen abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7, 18 ff.; ders., JZ 1967, S. 522, 525; Hoyer, Eignungsdelikte, S. 16 ff.; Sehr oeder, Strafrechtl. Landesreferate, Caracas 1982, S. 3 ff., 8. 10

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

standsmerkmalen konkreter Individualgefahr (§ 306 a Abs. 2, § 306 b Abs. 1 und Abs. 2 N r . l ) die Bedeutung der Lozierung des Brandstrafrechts im 28. Abschnitt über die gemeingefährlichen Straftaten als Argumentationstopos für das Verständnis der Brandstiftungsdelikte eher reduziert zu sein. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch ein gegenläufiges Ergebnis. Das Beibehalten des zentralen Brandstraftatbestandes als abstraktes Gefährdungsdelikt (§ 306 a Abs. I ) 1 4 oder exakter als Gefährdungsdelikt mit einer generell gemeingefährlichen Tathandlung spricht angesichts der massiven Kritik in weiten Teilen des Schrifttums an der Verwendung dieses Deliktstypus ebenso für eine Stärkung des Gemeingefährlichkeitselementes wie die Auswahl der Tatobjekte in § 306 Abs. 1, die nach der Intention des Reformgesetzgebers an der Gemeingefährlichkeit ihres Inbrandsetzens (der Brandlegung an ihnen) ausgerichtet sein soll. 15 Entgegen üblicher im vorstehenden Absatz kritisch beleuchteter Sichtweise ist in jüngerer Zeit versucht worden, die systematische Einordnung der Brandstiftungsdelikte innerhalb des Gesetzes und das intrasystematische Verhältnis der einzelnen Tatbestände für deren Verständnis nach bisheriger Rechtslage 16 ' 17 fruchtbar zu machen. Diese Versuche, strukturelle Besonderheiten abstrakter gemeingefährlicher Delikte systematisch zu erfassen und daraus Folgerungen für das Verständnis der einzelnen Tatbestände zu ziehen, knüpfen an Vorbilder in der älteren Literatur an. 18 Bei diesen Vorbildern bestand allerdings eine Beschränkung auf die Untersuchung struktureller Gemeinsamkeiten der im früheren 27. Abschnitt geregelten Straftatbestände. 19 Konsequenzen für Begriff und Inhalt der Gemeingefahr wurden zwar gezogen.20 Überlegungen, die gewonnenen Ergebnisse für die Interpretation der einzelnen Deliktsmerkmale in größerem Umfang zu nutzen, blieben aber vereinzelt. Über das Geschilderte hinausgehend behauptet Kratzsch 21 Auswirkungen der strukturellen Besonderheiten abstrakter gemeingefährlicher Delikte, die in der Stellung im StGB sinnfällig Ausdruck finden, auf die Auslegung einzelner Tat-

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Zum Deliktscharakter des § 306 a Abs. 1 näher unten 2.Kap.A.I. BT-Drucks. 13/8587, S. 87 - Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates. 16 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 362 ff. und ders., JuS 1994, S. 372, 375 ff. vor allem auch für das intrasystematische Verhältnis; vgl. auch Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 194 f. 17 Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 25 ff., 201 ff., vor allem S. 212 ff. 18 Finger, Festgabe für v.Frank, Band I, S. 230, S. 247 ff.; Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 272 ff. 19 Finger, aaO., S. 248. 20 Finger, aaO., S. 250, der unter Bezugnahme auf RGSt 53, 213 die Größe eines wahrscheinlich drohenden Schadens zum Charakteristikum der Gemeingefahr erhebt. 21 Siehe im nachfolgenden Text sub Β. 15

Β. Abstrakte Gefährdungsdelikte nach Kratzsch

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bestandsmerkmale der Brandstiftungsdelikte. 22 Dies ist methodisch ein radikaler Bruch mit der überwiegenden Sicht der Dinge, die Relevanz der Lozierung innerhalb des Gesetzes zu leugnen.23 Wenn daher die Einordnung der Brandstiftungsdelikte in den 28. (vormals 27.) Abschnitt über die gemeingefährlichen Straftaten strukturellen Besonderheiten der einschlägigen Tatbestände entspricht, ist ein Auslegungstopos für die Interpretation der einzelnen Vorschriften gewonnen, der die bisherige Auslegungsmethodik dieser Delikte bereichert und in den Ergebnissen der Interpretation neue Maßstäbe setzen kann.

B. Abstrakte Gefahrdungsdelikte nach Kratzsch "In Ihrer Gesamtheit bilden die §§ 306-310[a.F.] ein System, das mehr verkörpert als die Summe seiner Elemente und das ebenso wie letztere nur aus der Gesamtheit adäquat zu verstehen und zu erklären ist " 24 Trifft die Bewertung zu, bestimmt das intrasystematische Verhältnis der Deliktsgruppe wesentlich das Verständnis der gruppenzugehörigen Tatbestände. Nimmt man die Überlegungen Kratzschs zur „Normstruktur" 25 abstrakter (gemeingefährlicher) Gefährdungsdelikte hinzu, sind wesentliche Auslegungsfragen der Brandstiftungsdelikte vorgezeichnet. Mag auch die gesetzliche Terminologie des 27. (jetzt 28.) Abschnittes nicht der Grund für die von Kratzsch 26 vorgeschlagene Deutung der Brandstiftungsdelikte gewesen sein, symptomatisch ist deren Einordnung an dieser Stelle des Gesetzes für ihn allemal. 27

I. Faktische Struktur der Brandstiftungsdelikte Die Berücksichtigung des systematischen Standortes der Deliktsgruppe, vor allem an § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) exemplifiziert, aber grundsätz-

22

Siehe Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 f. Binding, Strafrecht, Bes. Teil 2.1., S. 9; in der Sache ebenso Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 163 gegenüber der Sichtweise von Kratzsch. 24 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 374. 25 Präziser sollte - wie in dieser Arbeit - von Tatbestandsstruktur und nicht von Normstruktur gesprochen werden. 26 JR 1987, S. 360, 363 ff. und JuS 1994, S. 372, 374 ff. 27 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 375 "...die Brandstiftungsdelikte zum Vorreiter (H.R.) des gemeingefährlichen und später des abstraktgefährlichen Delikts wurden, hängt mit offenkundigen Besonderheiten ihrer tatsächlichen Anforderungstruktur zusammen." 23

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

lieh auf die weiteren Brandstiftungsdelikte übertragbar, wenn eine mit § 306 Nr.2 a.F. vergleichbare Tatbestandsstruktur vorliegt, 28 basiert für Kratzsch auf der Erkenntnis, daß es sich bei den gemeingefährlichen Delikten um einen mit spezifischen faktischen und normativen Strukturelementen versehenen Sonderfall der abstrakten Gefährdungsdelikte handelt. 29 Faktisch bestehe die Besonderheit gemeingefährlicher Delikte in der Initiierung eines Gefahrprozesses, der aufgrund der angewendeten Mittel in einem zeitlich frühen Stadium vor Eintritt eines Verletzungserfolges vom Täter nicht mehr beherrschbar sei und der zugleich ein hohes Gefahrenpotential freisetze. 30 Die zeitlich früh verlorengehende Beherrschbarkeit des Tatmittels begründe die Vorverlagerung des Verhaltensverbotes auf den Zeitpunkt des Inbrandsetzens. Die zumindest nach Verlust der Einwirkungsmöglichkeit große Wirkkraft des Feuers sei wesentliches Element der aus der Tat resultierenden bzw. mit ihr verbundenen Gemeingefahr. 31

II. Normative Struktur der Brandstiftungsdelikte Dieser faktischen Struktur entsprächen normative Charakteristika der §§306 ff. (a.F.) bezüglich ihrer Delikts-, Unrechts- und Zurechungsstrukturen. 32 Die Deliktsstruktur soll durch den Schutz des vom konkreten Schutzobjekt zu trennenden Rechtsgutes mittels eines objektivierten Gefahrurteils im Sinne einer objektivierten Gemeingefahr bestimmt sein. Das objektivierte Gefahrurteil sei dadurch gekennzeichnet, daß bei einer unberechenbaren Vielzahl, nicht aber bei allen tatbestandlichen Handlungen eine konkrete Gefahr für das geschützte Rechtsgut eintrete. 33 Im Hinblick auf die die Brandstiftungsdelikte prägende objektivierte Gemeingefahr werde der Handlungsunwert durch die Schaffung eines vom Täter geschaffenen qualifizierten Gefahrzustandes bestimmt, von dem - bezogen auf §§ 306, 307 a.F. - eine erhöhte Lebens- und Leibesgefahr für

28 Zweifelnd für § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 378; vgl. aber auch ders., JR 1987, S. 360, 364 Fußn. 38, der Regelungszweck bestehe in der Verhinderung einer Gemeingefahr für Eigentum, Leben und Gesundheit eines (?) anderen. 29 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363. 30 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 und ders., JuS 1994, S. 372, 375; vgl. auch Finger, Festgabe für v.Frank, Band I, S. 230, 249 f.; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 608 f; Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 255 ff, 263 ff; Binding, Bes. Teil 2.1, S. 2 f. 31 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 und JuS 1994, S. 372, 375; siehe auch Finger, Festgabe für v.Frank, Band I, S. 230, 249 f. 32 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 374. 33 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 und JuS 1994, S. 372, 379.

Β. Abstrakte Gefährdungsdelikte nach Kratzsch

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potentielle Opfer ausgehe.34 Der Unrechtsgehalt der einschlägigen Delikte erschöpfe sich aber nicht im Handlungsunwert, vielmehr wiesen die Brandstiftungsdelikte einen Erfolgsunwert auf, der jedenfalls bei der schweren Brandstiftung dem eines vollendeten Verletzungsdelikts nahekommt.35 Kratzsch sieht die tatbestandliche Struktur der §§ 306 ff. a.F. als Ausdruck einer besonderen gesetzgeberischen Technik, eines besonderen Systems zur Strukturierung des Gefährdungsunrechts. 36 Der Verzicht auf die Statuierung einer konkreten Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal werde durch die Kombination einer genau bestimmten Tathandlung mit gesetzlich festgelegten Tatobjekten kompensiert, weil angesichts der Größe der ausgewählten Brandobjekte zumindest bei § 306 a.F. - im Falle des Brandes (Lebens-)Gefahr für einen ex ante nicht feststehenden Personenkreis eintrete. 37 Diese Methode zur Erfassung des Gefährdungsunrechts bei abstrakten (gemeingefährlichen) Gefährdungsdelikten versteht Kratzsch als Ergebnis der historischen Entwicklung der gemeingefährlichen Delikte, insbesondere der Brandstiftungsdelikte. Nach Beschränkung der durch die Brandstiftungstatbestände zu schützenden Rechtsgüter auf Leben, Gesundheit und Eigentum habe der Gesetzgeber sich wegen der spezifischen faktischen Struktur der Delikte (zeitlich früher Verlust der Beherrschbarkeit und große Wirkung auf die zu schützenden Rechtsgüter) gegen das Erfordernis konkreter Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal zugunsten der beschriebenen Gesetzestechnik entschieden.38 Basis der Vorstellungen von Kratzsch über die Deliktsstrukturen der §§ 306 ff. a.F. ist seine Unrechtskonzeption im allgemeinen und sein Verständnis abstrakter Gefährdungsdelikte im besonderen. 39 Ohne Berücksichtigung dieser Grundlagen sind seine Ausführungen über das Tatbestandssystem des Brandstrafrechts schwer in die Unrechtlehre und die Dogmatik abstrakter Gefährdungsdelikte einzuordnen. Eine kurze Darstellung ist daher unumgänglich. Primär dient Strafrecht präventivem Rechtsgüterschutz, der durch eine möglichst effektive und angemessene Form der Verbrechensbekämpfung durchzusetzen ist. 40 Beteiligt an der Erfüllung der Aufgabe eines so verstandenen

34 In objektiver Hinsicht sollte den Tathandlungen gemäß §§ 306, 307 a.F. ein der versuchten Tötung entsprechender Handlungsunwert zukommen, Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 379. 35 Nachw. wie Fußn. 34. 36 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 375. 37 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 375 i.V.m. 379. 38 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 375 unter Berufung auf älteres Schrifttum, vor allem Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 254 ff. und Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 603. 39 Siehe dazu bereits andeutungsweise oben Einleitung B.II.Fußn. 95. 40 Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 30.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Rechtsgüterschutzes sind außer dem Täter auch der Gesetzgeber, Straf- und andere Gerichte, die Strafverfolgungsbehörden, j a selbst das Opfer einer Straftat. 41 Erreichbar sei optimaler Rechtsgüterschutz, wenn die Beherrschung des „Zufallsmoments" als Quelle von Rechtsgutsbeeinträchtigungen gelingt. 42 Bei abstrakten Gefährdungsdelikten, insbesondere bei den von Kratzsch sog. uneingeschränkten, denen § 306 Nr.2 a.F. zugehörte, stellt sich die Schwierigkeit, daß der Eintritt einer konkreten Gefahr für das geschützte Rechtsgut von einer Vielzahl sich wechselseitig bedingender Zufallsereignisse abhängen kann. 43 Wegen dieser zahlreichen, für den einzelnen Täter nicht sicher abschätzbaren möglichen Rechtsgutsverletzungsträchtigen Faktoren ist die Gefahr einer (zu Lasten des Rechtsguts gehenden) Fehleinschätzung der wirklichen Gefahrenlagen durch den Täter besonders groß. 44 Bliebe allein der Täter für dieses „Irrtumsrisiko" zuständig, wäre der angestrebte optimale Rechtsgüterschutz in Frage gestellt. Im Hinblick auf diese faktischen Gegebenheiten sind abstrakte Gefährdungsdelikte strukturell so ausgestaltet, daß von einer individuellen Kausalbeziehung zwischen Tathandlung und möglichem (Gefahr- oder Verletzungs) Erfolg abgesehen wird. 4 5 Um das vom Täter nicht beherrschbare „Zufallsmoment" als Quelle von Rechtsgutsbeeinträchtigungen auszuschließen, steht dem Gesetzgeber mit den abstrakten Gefährdungsdelikten ein besonderer Regelungstypus zwecks Abwehr einer "Großstörung" zur Verfügung. "Großstörung" 46 im Sinne Kratzschs ist - unabhängig von einer individuellen Kausalbeziehung im konkreten Fall - die Gesamtheit aller vom Tatbestand erfaßten Rechtsgutsgefährdungen. 47 Einer solchen "Großstörung" wirken die abstrakten Gefährdungsdelikte als "Großregler" durch "Aufrechterhaltung einer Gesamtordnung, die so auszugestalten ist, daß in jedem Einzelfall trotz einer unübersehbaren Vielfalt denkbarer Ereigniskombinationen ein wirksamer Schutz des Rechtsguts (in seiner Bedeutung als "Klasse" zahlreicher Rechtsgutsobjekte) sichergestellt ist", entgegen.48 Dieses Modell abstrakter Gefährdungsdelikte bewirkt in der Sichtweise von Kratzsch eine weitgehende Entlastung des Täters (Hervorhebung im Original). 49 Durch die Anknüpfung der

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Kratzsch, aaO., S. 101 f., 116. aaO. 43 aaO., S. 113, 274 f. 44 aaO., S. 114; der von Hoyer, JA 1990, S. 183, 185 f., 187 verwendete Begriff "Irrtumsrisiko" beschreibt ebenfalls das von Kratzsch gemeinte Phänomen. 45 Kratzsch, Verhalenssteuerung, S. 114. 46 Zum Begriff der Großstörung bei Kratzsch siehe auch Zaczyk, Unrecht der versuchten Tat, S. 39 Fußn. 108. 47 aaO., S. 284. 48 aaO. 49 aaO., S. 115 und passim. Von einer „Entlastung" des Täters zu sprechen, ist grob irrführend. Die Bestrafung selbst - bezogen auf die geschützten Rechstgüter - ungefähr42

Β. Abstrakte Gefährdungsdelikte nach Kratzsch

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Strafbarkeit an die leicht beherrschbare Handlung des Inbrandsetzens (im Falle des § 306 Nr.2 a.F.) statt an die Schaffung einer tatsächlichen Rechtsgutsgefährdung werde der Täter von der u.U. übermenschlichen Aufgabe des Erkennens, Bewertens, schnellen Entscheidens und Reagierens in einer komplexen Situation befreit. 50 Fehlt im hier interessierenden Bereich die Steuerbarkeit der Täterhandlung durch individuell-erfolgsbezogene Handlungen, geht mit der daraus folgenden Entlastung des Täters ein Übergang der Hauptverantwortung für die Organisation der Gefahrenabwehr bezüglich der zu schützenden Rechtsgüter auf den Gesetzgeber einher. 51 Vereinfacht und unter Vernachlässigung der von Kratzsch herangezogenen Erkenntnisse der kybernetischen Systemtheorie und der Organisationstheorie bleibt für den hier verfolgten Ansatz aus seinem Gedankengang folgendes festzuhalten: Strafrecht hat die Aufgabe optimalen präventiven Rechtsgüterschutzes. Diese Aufgabe, deren Bewältigung nur möglich ist, wenn es gelingt, das Zufallsmoment zu beherrschen, erfüllt es mittels Verhaltenssteuerung. Bei bestimmten Tatbeständen besteht eine derartige Vielfalt möglicher Geschehensabläufe, die ein potentieller Täter auch bei sorgfältigster Berücksichtigung aller ihm auf Grundlage eigenen und des allgemeinen Erfahrungswissens erkennbaren Gefahrenquellen nicht vollständig zu erfassen und zu beherrschen vermag. Um in diesen Fällen optimalen Rechtsgüterschutz auch jenseits sorgfaltsgemäßen Aufspürens von Gefahrenquellen in nicht voraussehbaren Ereigniskombinationen zu gewährleisten, kann der Schutz des Rechtsgutes nicht über Deliktskategorien erfolgen, die an eine individuelle Kausalbeziehung zwischen Täterhandlung und Erfolg anknüpfen. Geeignet zum präventiven Rechtsgüterschutz sind hier vielmehr abstrakte Gefährdungsdelikte. Wegen der geschilderten faktischen Besonderheiten erfolgt bei diesen Delikten die Bestrafung jeder tatbestandsmäßigen Handlung, weil sie zu einer Klasse von Handlungen gehört, die - allerdings lediglich statistisch meßbare - Gefahren für das geschützte Rechtsgut hervorrufen. Der Hinweis auf die lediglich statistisch meßbaren Gefahren bedeutet, daß das von abstrakten Gefährdungstatbeständen erfaßte tatbestandliche Verhalten nicht

licher Brandstiftungshandlungen ist eine erhebliche Einschränkung der Handlungsfreiheit potentieller Täter. Sub specie Verletzungsdelikt wären lediglich solche Brandstiftungshandlungen verboten, die vorsätzlich auf die Verletzung von Leben oder Gesundheit oder Eigentum bestimmter Opfer gerichtet wären. Der Kreis der verbotenen Handlungen wird erheblich erweitert und damit die Handlungsfreiheit eingeengt, wenn etwa über § 306 Nr.2 a.F/§ 306 a Abs. 1 Nr.l jede Brandstiftung an Wohnhäusern auch ohne Verletzungsintentionalität und ausbliebenem Verletzungserfolg verboten wird. Unanhängig davon, daß ein so weitgehendes Verbot durchaus legitim sein könnte, ist die Rede von der Entlastung des Täters unangemessen. 50 Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 115. 51 aaO.,.S. 285. 4 Radtke

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

stets, sondern lediglich wiederholt in nicht genau vorausberechenbarer Weise zu einer Gefahr für das Rechtsgut führt.

I I I . Anwendungsbeispiel Methodisch sind die Konsequenzen der von Kratzsch vorgenommenen Bestimmung der Deliktsstruktur der Brandstiftungstatbestände für die Interpretation einzelner Tatbestandsmerkmale gruppenzugehöriger Tatbestände von besonderem Interesse. Unterschiede bei der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale im Vergleich zur überwiegend vertretenen Ansicht bei Verfolgung des Kratzschen Ansatzes waren bereits für die Streitfrage der Brandstiftung in gemischt genutzten Gebäuden aufzuzeigen. 52 Die Divergenzen in der Methodik lassen sich stärker noch als an dem speziellen Problem der Mischnutzung an der allgemeineren Fragestellung des Eintritts des Vollendungszeitpunktes bei der (schweren) Brandstiftung anhand der Tathandlung des Inbrandsetzens verdeutlichen. Das ältere Schrifttum, das die Frage kontrovers diskutierte, bestimmte den Vollendungszeitpunkt überwiegend anhand des Eintritts der Gemeingefahr. 53 Folgerichtig sollte daher das Brennen kleinerer Teile (wie etwa Balken des betroffenen Gebäudes) wegen der noch ausstehenden Gemeingefahr die Vollendung der Brandstiftung nicht begründen. Der bislang überwiegend vertretenen Ansicht genügte bei Brandstiftung an Gebäuden unter Berufung auf den Schutzzweck des § 306 Nr.2 a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.l dagegen das Inbrandsetzen von Teilen des Gebäudes, die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich sind. 54 Der Fußboden eines Gebäudes, sogar ein fest verklebter Teppichboden und die Tür einer Wohnung seien beispielsweise solche wesentlichen Teile. 55 Die Unterschiede in den praktischen 52

Oben Einleitung A. zu 1. v.Woringen, Neues Archiv des Kriminalrechts, 1843, S. 205 ff., 216ff.; Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1, 15; Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 247. Die durch v. Woringen, auf gemeinrechtlicher Grundlage aaO. (S. 216 ff. ) entwickelte und aaO. S. 231 ff. auf die damaligen Strafgesetzbücher der deutschen Staaten übertragene Bestimmung des Vollendungszeitpunktes der Brandstiftung anhand des Eintritts der Gefährlichkeit ist hier um der Methodik willen angesprochen, v. Woringens Konsequenzen für die Festlegung der Vollendung in concreto auch bei Brennen des zum Anzünden verwendeten Materials (aaO. S. 22 ff.) - ohne einen bereits erfolgten Übergang auf das anzuzündende Tatobjekt selbst - sind de lege lata nicht mehr diskutabel. 54 BGHSt 16, 109, 110; BGHSt 18, 363, 365 f.; BGH, NStZ 1981, S. 220; BGH, NStZ 1985, S. 455; BGH, NJW 1987, S. 141; BGHSt 34, 15, 117; Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 2; Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 163. 55 Cramer, in: Schönke/Schröder, §306 Rdnr. 9; Horn, in: SK-StGB, §306 Rdnr. 10; umfangreiche Kasuistik bei Wolff, in: LK; § 306 Rdnr. 2. 53

Β. Abstrakte Gefährdungsdelikte nach Kratzsch

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Ergebnissen im Vergleich zum älteren Schrifttum mögen Quantité négligeable sein. Bemerkenswert ist der Verlust an transparenter Methodik. Eine Generallinie zur Bestimmung der Wesentlichkeit eines Gebäudeteils war schwer zu erkennen. Selbst ein Rückgriff auf §§ 93, 94 BGB konnte wegen der vom StGB verschiedenen Zielrichtung des BGB nicht durchgängig Orientierungspunkt sein. Lediglich die Untauglichkeit des Brandes von bloßen Einrichtungsgegenständen zur Vollendung der Brandstiftung war im Grundsatz anerkannt. 56 Bei fest eingemauerten Einrichtungsgegenständen stieß die Geltung des Grundsatzes bereits wieder an Grenzen. 57 Die Ergebnisse schienen weitgehend intuitiv gewonnen. Die Verkehrsanschauung als Maßstab für die Bestimmung des bestimmungsgemäß wesentlichen Gebäudeteiles58 enthielt keinerlei Rückkoppelung an die Deliktsstruktur des § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.l). Diese Methodik war - unabhängig von der Richtigkeit der erzielten Ergebnisse - symptomatisch für die zu Eingang des Kapitels beklagte Vernachlässigung der Bedeutung der Einordnung der Brandstiftungsdelikte in den 27. (jetzt 28.) Abschnitt des Strafgesetzbuches. Methodisch dem älteren Schrifttum ähnlich knüpft Kratzsch bezüglich der Merkmale "Gebäude" und "in Brand setzen" wiederum an den - in seiner Sichtweise - Grundgedanken der Gemeingefahr, die Unbeherrschbarkeit des Tatmittels für den Täter, an. Im Falle des Inbrandsetzen eines Gebäudes soll Tatvollendung demnach erst eintreten, wenn der Täter den verursachten Brand nicht mehr zu beherrschen vermochte. 59 Den Begriff der Unbeherrschbarkeit hat Kratzsch nicht näher erläutert. Sinnvoll ist auf die Möglichkeit des Löschens durch den Täter abzustellen.60 Bei diesem Verständnis kann Unbeherrschbarkeit bei dem Brand eines festverklebten Fußbodens eintreten, zwingend ist dies keineswegs. Der Brand eines Fensterrahmens sollte vom Täter wohl sogar regelmäßig noch beherrscht werden können. Eine vollendete Brandstiftung ließe sich daher entgegen der überwiegnd vertretenen Ansicht nicht begründen. Das Beispiel verdeutlich, daß die unterschiedlichen Ansätze in der konkreten Anwendung der Brandstiftungsdelikte zu erheblich divergierenden Ergebnissen

56 Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 2; Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 10 "Brennen des Raumes" selbst und der Hinweis auf die Brandstiftung an Gebäuden, deren wesentliche Bestandteile aus unbrennbaren Materialien bestehen. 57 BGH, NStE Nr.l zu § 310 StGB (a.F.); vgl. auch Wolff, in: LK, aaO. 58 Siehe nur BGHSt 16, 109, 110 f.; methodisch weitgehend identisch das Abstellen auf die natürliche Auffassung bei der Beurteilung des Einheitlichkeit eines gemischt (gewerblich und zu Wohnzwecken) genutzten Gebäudes; siehe BGH, NStZ 1985, S. 455; BGHSt 35, 283, 285. 59 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363. 60 So auch Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 163; vgl. den interessanten Gedanken bei v.Woringen, Archiv des Criminalrechts. N.F., 1843, S. 205, 220 zur Beherrschbarkeit unterschiedlicher Brände.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

führen konnten. Auch wenn der von Kratzsch an eine sehr weitgehende Brandentwicklung geknüpfte Vollendungseintritt im Hinblick auf die frühere Regelung über die tätige Reue (§310; jetzt mit erheblichen Modifikationen in § 306 e geregelt) nicht unbedenklich war, sprach dies nicht zwingend gegen die von ihm vorgeschlagene Methodik. Weisen die Brandstiftungsdelikte eine spezifische Deliktsstruktur auf, die den Rechtscharakter dieser Tatbestände als gemeingefährliche Delikte bestimmt und die durch die Einordnung in den 27. (jetzt 28.) Abschnitt des Strafgesetzbuches Ausdruck findet, ist der Gesetzessystematik unter dem eingangs dieses Kapitels genannten Blickwinkel bei der Auslegung der Brandstiftungstatbestände größeres Gewicht als bisher üblich einzuräumen.

IV. Kritik Die vorstehende Bemerkung deutet die im methodischen Ausgangspunkt in dieser Arbeit vorgenommene Anlehnung bei Kratzsch an. Die von ihm angemahnte Besinnung auf die Spezifika der gemeingefährlichen Delikte im allgemeinen und der Brandstiftungsdelikte im besonderen hat durch die gerade erfolgte Reform des Brandstrafrechts nichts von seiner Aktualität verloren. Ein sachgerechtes Verständnis der Brandstiftungsdelikte macht eine Erforschung deren spezifischer Tatbestandsstrukturen unerläßlich, auch um die Frage nach der Legitimität einer Bestrafung z.B. aus § 306 a Abs. 1 (§ 306 a.F.) in Fallgestaltungen ex post sicher ausgeschlossener Rechtsgutsgefahr oder -Verletzung beantworten zu können. In Übereinstimmung mit Kratzsch ist es methodisch richtig, die Brandstiftungstatbestände von dem Aspekt der Gemeingefährlichkeit her zu erklären. Die Gemeingefährlichkeit der Tatbestände kann der Schlüssel nicht nur für die Auslegung der Brandstiftungsdelikte sein, 61 sondern auch eine eigenständige, von der Ausrichtung auf eine Individualrechtsgutsverletzung verschiedene und diese ergänzende Legitimation abstrakter gemeingefährlicher Straftatbestände bieten. In dem methodischen Ausgangspunkt erschöpfen sich freilich auch die Übereinstimmungen mit den Überlegungen von Kratzsch weitestgehend. Weder die seiner Deutung der Brandstiftung zugrundeligende Unrechtskonzeption noch die von Kratzsch behauptete Deliktsstruktur der Brandstiftung als Delikte zum Rechtsgüterschutz mittels eines „objektivierten Gefahrurteils im Sinne objektivierter Gemeingefahr" vermag ich zu teilen. Das aus seiner Unrechtskonzeption abgeleitete Verständnis abstrakter Gefährdungsdelikte leidet daran, daß die im Zentrum der Diskussion um diesen Deliktstypus stehende Problematik der Legitimität solcher Straftatbestände 61

Dazu das vorstehende Anwendungsbeispiel unter III.

Β. Abstrakte Gefährdungsdelikte nach Kratzsch

53

letztlich unbeantwortet bleibt. 62 Die Sichtweise von Kratzsch, mit der Schaffung abstrakter Gefährdungsdelikte stehe dem Gesetzgeber ein „besonderer Regelungstypus zur Abwehr einer Großstörung" zur Verfügung, bedeutet nicht mehr als die Beschreibung eines Ist-Zustandes, begründet aber nicht, warum die Verwendung dieses Typus allgemein und insbesondere in den Fällen berechtigt sein soll, in denen eine konkrete Rechtsgutsgefährdung oder eine Rechtsgutsverletzung ausgeblieben sind und selbst eine konkrete Gefährlichkeit der jeweiligen einzelnen Tathandlungen nicht zu verzeichnen ist. Die Aufgabenzuweisung an abstrakte Gefährdungsdelikte, als „Großregler" zur Abwehr von „Großstörungen" die „Aufrechterhaltung einer Gesamtordnung" zu bewirken, verdeckt lediglich das offengebliebene Legitimationsproblem. Durch seine Definition des Begriffs „Großstörung" umschließt Kratzsch sämtliche durch einen bestimmten Straftatbestand verbotenen Verhaltensweisen, damit aber auch diejenigen, die im konkreten Fall gerade keine Rechtsgutsgefährdung oder gar -Verletzung hervorgebracht haben und noch nicht einmal im Sinne Hirschs konkret gefährlich gewesen sind. 63 Diese letztgenannte Teilmenge aus der Gesamtmenge der mit der „Großstörung" erfaßten Verhaltensweisen wird jedoch lediglich als Störung definiert, ohne daß deutlich würde, worin - angesichts der Ausbleibens des Rechtsgutsverletzungs- oder konkreten Gefährdungserfolges/konkrete Gefährlichkeit - der störende Charakter begründet sein soll. Der störende Charakter in concreto ungefährlicher, jedenfalls aber ohne Verletzungs- oder Gefährdungserfolg gebliebener Verhaltensweisen wird bei Kratzsch erst durch die Aufgabenzuweisung an die abstrakten Gefährdungsdelikte, die Aufrechterhaltung einer Gesamtordnung zu gewährleisten, verständlich. Diese Gesamtordnung ist in der Sichtweise von Kratzsch nur ein „taktisches Zwischenziel zur Erreichung des Endziels (Schutz des Rechsguts)".64 Damit ist vertrautes Terrain erreicht. Die Schaffung einer Gesamtordnung deren Aufrechterhaltung das abstrakte Gefährdungdelikt zu dienen bestimmt ist, entspricht exakt dem „vergeistigtem Zwischenrechtsgut" wie es - in der Sichtweise der überwiegenden Ansicht - im Rahmen der Klassifizierung abstrakter Gefährdungsdelikte in dieser Arbeit für die Untergruppe sub 2. dargestellt worden ist. 65 Der Sache nach ist die Einführung eines sei es als „taktisches Zwischenziel" oder als „vergeistigtes Zwischenrechtsgut" bezeichneten Konstrukts nichts anderes als eine typische Methode, die Strafbarkeit in den Bereich zeitlich vor

62

So auch Zaczyk, Unrecht der versuchten Tat, S. 38. Zur konkreten Gefährlichkeit der einzelnen Tathandlungen im Sinne von Hirsch oben Einl.B.I. Text nach Fußn. 53. 64 Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 284. 65 Oben Einl.B.II.2. Daß Kratzsch aaO. in der Sache denselben methodischen Weg wählt wie die überkommene Sichtweise zur Untergruppe der Delikte mit „vergeistigtem Zwischenrechtsgut", belegt m.E. die aaO. Fußn. 64 erfolgende Bezugnahme auf Schünemann, JA 1975, S. 798 eindeutig. 63

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

einer Rechtsgutsverletzung zu verlagern. 66 Die Formulierung derartiger „Zwischenprodukte etikettiert ein in Bezug auf das geschützte „Endrechtsgut" abstraktes Gefährdungsdelikt in ein bezogen auf das „Zwischenrechtsgut" oder „Zwischenziel" Verletzungsdelikt um. Da auf diesem methodischen Weg jede tatbestandsmäßige Handlung die Verletzung des tatbestandlichen Rechtsgutes (Zwischenrechtsguts/Zwischenziels) herbeiführt, scheint eine ausreichende Legitimität der Verwendung und der Anwendung des jeweiligen Straftatbestandes geschaffen zu sein. 67 Gerade das Ziel, die Legitimität abstrakter Gefährdungsdelikte auf eine neue Grundlage zu stellen, wird aber durch die schlichte Formulierung von „vergeistigten Zwischenrechtsgütern" wie von „taktischen Zwischenzielen" verfehlt. Weil diese Zwischenprodukte stets das Endziel des Schutzes benennbarer individueller Rechtsgüter sprachlich und sachlich voraussetzen, können sie dem Deliktstypus abstraktes Gefährdungsdelikt keine zusätzliche Legitimation verleihen als diejenige, die bereits aus der Aufgabe des (Individual-)Rechtsgüterschutzes selbst folgt. Erfolgversprechend im Sinne einer zusätzlichen und von der Individualrechtsgutsverletzung verschiedenen Legitimation abstrakter gemeingefährlicher Delikte kann nur die Suche nach den Besonderheiten einer auf die Verletzung von Gütern der Allgemeinheit bezogenen Angriffsrichtung gemeingefährlicher Tatbestände sein. Diesen Weg hat Kratzsch zwar zunächst durch die zutreffende Betonung der Bedeutung der Einordnung der Brandstiftung unter die gemeingefährlichen Delikte beschritten. Er ist jedoch bildlich gesprochen auf halbem Wege umgekehrt, indem er die Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt im Ergebnis ausschließlich wiederum auf den Schutz der Individualrechtsgüter Leben, Leib und Eigentum zurückführt. 68

66 Siehe auch Seelmann, JuS 1995, S. 281, 283. Soweit ersichtlich ist der Gedanke der „Verschiebung" des Deliktstypus vom Gefährdungs- zum Verletzungsdelikt bei Erweiterung des „Angriffsobjekts" von einem Einzelobjekt (etwa einem Schiff) zur beispielsweise „Sicherheit der Schiffahrt" (verstanden als Institutionenschutz) erstmals von Binding , Normen I, S. 393 f. klar herausgestellt worden. 67 So daß üblicherweise bei Delikten mit „vergeistigtem Zwischenrechtsgut" auf tatbestandliche Restriktionen verzichtet wird; oben Einl.B.II.2. Methodisch übereinstimmend mit der im Text aufgezeigten Vorgehensweise ist auch der von Kindhäuser, Gefährdung, S. 277 ff. beschrittene Weg, abstrakten Gefährdungsdelikten nicht die Aufgabe des Rechtsgüterschutzes zuzuweisen, sondern deren Zweck in der Gewährleistung von „Sicherheit" im Sinne berechtigter Sorglosigkeit bei der Verfügbarkeit über Güter zu sehen. Jedenfalls nach Kindhäuser aaO. ist diese Sicherheit durch jede tatbestandsmäßige Handlung beeinträchtigt; das abstrakte Gefährdungsdelikt ist zur Selbstzwecknorm geworden; kritisch zum Lösungsansatz von Kindhäuser etwa Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 123 und Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 43 ff. 68 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 375.

Β. Abstrakte Gefährdungsdelikte nach Kratzsch

55

Auch das Verständnis der Brandstifungsdelikte durch Kratzsch stößt in einem zentralen und für das neue Recht fortdauernd relevanten Aspekt 69 auf Bedenken. Auf der Grundlage, daß die Brandstiftungstatbestände durch ein objektiviertes Gefahrurteil (des Gesetzgebers?) im Sinne objektivierter Gemeingefahr besonders charakterisiert seien, schreibt Kratzsch diesen nicht lediglich einen Handlungsunwert durch die Schaffung eines qualifizierten Gefahrzustandes zu, sondern auch einen Erfolgsunwert, der für die schwere Brandstiftung dem eines vollendeten Verletzungsdelikts nahekommen soll. 70 Diese Betrachtungsweise ist nicht nur in der gewählten Terminologie, sondern auch in der Sache fragwürdig. Die Brandstiftungstatbestände gemäß §§ 306, 307, 308 Abs. 1 2.Alt. a.F. setzten ersichtlich einen Gefahrenzustand im Sinne eines Gefahrerfolges bezogen auf die geschützten Individualrechtsgüter, wie er für die konkreten Gefährdungsdelikte formuliert wird, 7 1 nicht voraus. Gleiches gilt nach reformiertem Recht für § 306 a Abs. 1 und die darauf aufbauenden Qualifikationen (§ 306 b Abs. 2 Nr.2 und Nr.3) soweit der qualifizierende Umstand nicht gerade in der Herbeiführung einer konkreten Rechtsgutsgefahr besteht (etwa § 306 b Abs. 1 und Abs. 2 N r . l ) Es genügte nach alter und genügt nach neuer Rechtslage zur Tatbestanderfüllung - vorbehaltlich vermeintlich notwendiger Restriktionen die Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung, das Inbrandsetzen. Daher kann der Handlungsunwert auch nicht durchgängig in der „Schaffung eines qualifizierten Gefahrzustandes" im Sinne einer erhöhten Lebens- und Leibesgefahr für potentielle Opfer bestimmt sein. Der Handlungsunwert bezieht sich lediglich auf die Gefährlichkeit der im jeweiligen Tatbestand beschriebenen Handlung, ohne daß diese Beziehung an dieser Stelle bereits im einzelnen bestimmt zu werden braucht. Wenn etwa aus § 306 Nr.2 a.F. im Sinne der Rechtsprechung und eines Teils der Lehre auch gestraft werden durfte, obwohl in dem konkreten Sachverhalt eine konkrete Rechtsgutsgefahr oder eine Rechtsgutsverletzung ausgeblieben war und noch nicht einmal eine konkret gefährliche Handlung vorgelegen hatte, spricht alles dafür, daß es bei der Gefährlichkeit der Tatbestandshandlung um eine generelle Gefährlichkeit der Handlung geht, für die das Hervorrufen von Lebens- und Leibesgefahr in concreto ganz irrelevant ist. Diese allein auf die generelle Gefährlichkeit der Handlung ausgerichtete Bewertung des Handlungsunwertes wird durch die Behauptung Kratzschs, über den „qualifizierten Gefahrzustand im Sinne erhöhter Lebens- und Leibesgefahr potentieller Opfer" verdunkelt. Da es auf einen Gefahrenzustand tatbestandlich nicht ankommt bzw. ankam und auch von Kratzsch nicht als Bestrafungsvoraussetzung gefordert wurde, kann seinem Befund vom Vorhandensein eines einem

69

Auf Unterschiede bei der Auslegung der jeweiligen Tatbestände im Einzelnen ist erst im Rahmen der späteren Kapitel 2-5 einzugehen. 70 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 und JuS 1994, S. 372, 379. 71 Dazu Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 115 ff. m.w.N. und jüngst Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545 ff.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Verletzungsdelikt nahen Erfolgsunwertes der Brandstiftung ebenfalls nicht gefolgt werden. Noch stärker als seine Beschreibung des Handlungsunwertes verfehlt die Annahme eines derartigen Erfolgsunwertes die auf die generelle Gefährlichkeit der Tatbestandshandlung bezogene Struktur der Brandstiftung und läuft im Ergebnis auf eine nicht tolerable gesetzliche Präsumtion eines Gefahrerfolges hinaus.72 Die auf der generellen Gefährlichkeit bzw. der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlungen aufbauende Tatbestandsstruktur der Brandstiftung gilt es nachfolgend herauszuarbeiten.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände Eine erste Annäherung an die den Brandstiftungstatbeständen gemeinsamen Deliktsstrukturen hat unter drei Gesichtspunkten anzusetzten: 1. Die allgemein bei abstrakten Gefährdungsdelikten 73 zu beobachtende faktische Besonderheit der für den Täter unbeherrschbaren und unvorhersehbar vielfältigen Ereigniskombinationen, die zu einer Rechtsgutsgefährdung bzw. -Verletzung führen können (einschließlich des Risikos einer Fehleinschätzung des Gefährdungspotentials durch den Täter). Wegen des eingesetzten Tatmittels Feuer verstärkt sich dieses Spezifikum bei der Brandstiftung in Folge der typischerweise in einem zeitlich frühen Tatstadium verlorengehenden Kontrollierbarkeit des Mittels einerseits und seiner typischerweise großen Wirkkraft in Bezug auf die geschützten Tatobjekte und Rechtsgüter andererseits. 2. Die Erkenntnis, daß aus dem Kreis aller tatbestandsmäßigen Handlungen lediglich ein - ex ante weder objektiv noch subjektiv für den Täter sicher bestimmbarer - Teil zu einer konkreten Gefährdung oder Verletzung des geschützten Rechtsguts führt. Das teilweise Ausbleiben konkreter Rechtsgutsgefahr bzw. einer Rechtsgutsverletzung ist auf die von den Brandstiftungsdelikten jedenfalls auch geschützten Individualrechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum bezogen. Welcher Bezug zwischen der tatbestandsmäßigen Handlung und einer auf Verletzung von Rechtsgütern der Allgemeinheit bezogenen Gemeingefährlichkeit der Brandstiftung besteht, bedarf noch der Klärung. 74

72 Gegen die Präsumtionstheorien zur Deutung abstrakter Gefährdungsdelikte zutreffend Graul Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 151 ff., 349 ff. 73 Gemeint sind die als "uneigentliche" oder "uneingeschränkte" bezeichneten abstrakten Gefährdungsdelikte nach dem Vorbild des §306 a Abs. 1 Nr.l (§306 Nr.2 a.F.); zu den Klassifizierungen innerhalb der abstrakten Gefährdungsdelikte siehe oben Einleitung B.II. 74 Unten l.Kap.C.II.3.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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3. Die vom Gesetzgeber verwendete Gesetzestechnik, an die Stelle der denkbaren Aufnahme eines Tatbestandsmerkmals konkreter Gefahr für das geschützte Rechtsgut die Kombination einer genau bestimmten Tathandlung an ebenso genau festgelegten Tatobjekten zu setzen. Die Auswahl der Tatobjekte ist so erfolgt, daß (bezogen etwa auf § 306 a Abs. 1 Nr.l/§ 306 Nr.2 a.F.) im Falle ihres Brandes Lebensgefahr für einen ex ante nicht sicher bestimmbaren Personenkreis eintreten kann. Diese Gesetzestechnik vermittelt den Schutz des vom Schutzobjekt zu trennenden Rechtsgutes mittels objektivierten Gefahrurteils im Sinne objektivierter Gemeingefahr.

I. Faktische Gegebenheiten der Brandstiftung Die Tatbestandsstruktur der Brandstiftungsdelikte sowohl nach bisherigem als auch nach neuem Recht ist auf zwei Aspekte abgestimmt, die für die diesen Delikten zugrundeliegenden tatsächlichen Gegebenheiten prägend sind: 1.) die Unbeherrschbarkeit des Tatmittels bzw. des durch das eingesetzte Tatmittel angestoßenen Kausalprozesses für den Täter, 2.) die mit der Unkontrollierbarkeit des Mittels verbundene Möglichkeit einer fehlerhaften Beurteilung der Handlungsgefährlichkeit und/oder der Gefahrrealisierung seitens des Täters. 1. Typizität der Gefährlichkeit

der Tathandlung

Das eingesetzte Tatmittel Feuer trägt seine Unbeherrschbarkeit durch den Täter im Sinne der Unmöglichkeit, eine unkontrollierte Ausbreitung zu verhindern, in sich. 75 Mit der Maßgabe, daß § 310 a bisherigen Rechts, dem § 306 f jedenfalls in den wesentlichen Zügen nachgebildet ist, nach allgemeiner Ansicht bereits eine konkrete Brandgefahr der gesetzlich benannten Tatobjekte genügen läßt, gilt die Erwägung des für den Täter unkontrollierbaren Tatmittels auch für das Herbeiführen einer Brandgefahr i.S.v. § 306 f (§ 310 a a.F.). Angesichts der vornehmlich durch die "feuergefährdeten Betriebe oder Anlagen" charakterisierten Tatobjekte ginge im Falle der - über die tatbestandlich erforderliche konkrete Gefahr des Brandes der Tatobjekte hinausgehenden - Realisierung des Brandes die Beherrschbarkeit des Feuers typischerweise besonders früh verloren und typischerweise entsprächen die Wirkungen des Brandes zumindest denen eines Brandes von Tatobjekten gemäß §§ 306 Abs. 1, 306 a Abs. 1. Orientiert man die Feuergefährdung der entsprechenden Betriebe und Anlagen etc. an

75

Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 und ders., JuS 1994, S. 372, 375; Finger, Festgabe für v.Frank, Band I, S. 230, 249 f.; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band II, S. 608 f.; Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 255 ff., 263 ff.; Binding, Strafrecht, Bes. Teil 2.1, S. 2 f.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

ihrer entweder wegen der Baulichkeiten oder der verarbeiteten bzw. gelagerten Stoffe erhöhten, über das übliche Maß von Gebäuden hinausgehenden Feuerempfänglichkeit 76 wird die Wirkkraft des Feuers hier häufig sogar höher sein als bei den spezifisch feuergefährdeten Objekten im Sinne von §§ 306 Abs. 1, 306 a Abs. 1 (5.Kap.A. und C.). Soweit die land-, ernährungs- und forstwirtschaftlichen Tatobjekte in § 306 f Abs. 1 Nr.3 und Nr.4 mit denen in § 306 Abs. 1 Nr.5 und Nr.6 übereinstimmen, sind die von dem Brand eines solchen Objekts ausgehenden Wirkungen regelmäßig gleich. Die dem Tatmittel Feuer immanente Unbeherrschbarkeit durch den Täter wird in einigen praktisch wichtigen Fallgruppen der Brandstiftung angesichts typischer Begehungsformen der Tat verstärkt. Insbesondere bei der aus wirtschaftlichen Motiven verübten Eigenbrandstiftung (= Tatbegehung durch den Eigentümer/Nutzer des Tatobjekts) ist zwecks Reduzierung des Entdekkungsrisikos die Verwendung von Zeitzündern unterschiedlichster Art nicht selten.77 Anders als in den Fällen der sog. Schnellzündung78 begibt sich der eine Fernzündung verwendende Täter trotz regelmäßig sorgfältiger Tatplanung der Möglichkeit einer unmittelbaren Einflußnahme auf den so ausgelösten Brand. Reaktionen im Sinne einer Gegensteuerung auf im Planungsstadium der Tat nicht vorhergesehene oder vorhersehbare Ereigniskombinationeri, die rechtsgutsverletzungsträchtig sind, kommen praktisch nicht mehr in Betracht. Unbeherrschbarkeit und große Wirkkraft des Tatmittels Feuer sind regelmäßig Kennzeichen der den Tathandlungen der Brandstiftungsdelikte zugrundeliegenden Tatsituationen. Das Hervorrufen eines Brandes an den tatbestandlich benannten Tatobjekten ist eine typischerweise, allerdings eben auch lediglich typischerweise gefährliche Handlung, weil wegen der Unkontrollierbarkeit und der Wirkkraft des Mittels Rechtsgutsbeeinträchtigungen (= konkrete Gefährdungen oder Verletzungen) jenseits der Einflußnahmemöglichkeiten des Täters auf den Tatverlauf eintreten können. Schon die Gefährlichkeit der Handlung ist bei den Brandstiftungsdelikten nicht mehr als ein Regelfall, kein durchgängiges Phänomen. Die Kennzeichnung als gefährliche Handlung meint Gefährlichkeit in Bezug auf das geschützte Rechtsgut. Da die in den §§ 306 Abs. 1, 306 a Abs. 1. exakt beschriebenen Tathandlungen zu einer konkreten Gefahr oder gar einer Verletzung des Rechtsgutes oder der Rechtsgüter fuhren können, werden

76

BGHSt 5, 190, 194, mit der prägnanten Formulierung für feuergefährdete Betriebe und Anlagen sei u.a. charakteristisch, daß sie im Falle des Brandes "wie Zunder" brennen würden. 77 Kästle, Brandstiftung, S. 74; aaO. S. 48 ff. mit instruktiven Beispielen für den Einfallsreichtum bei der Verwendung von Zeitzündern; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 114; zur Bedeutung von Zeitzündern siehe aber auch Berke-Müller, Kriminalistik 1966, S. 343 ff. 78 Meinert, Die Brandstiftung, S. 50.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

59

die Handlungen als gefährliche bezeichnet.79 Betrachtet man das mit der gefährlichen Handlung Gemeinte genauer, erhellt - von Binding zutreffend herausgestellt -, 8 0 daß das Verdikt der Gefährlichkeit der Handlung auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Handlungen abstellt. Einer im gesetzlichen Tatbestand näher umschriebenen Handlungsgruppe ist die Eigenschaft gemein, in einer gewissen Zahl von Fällen zu konkreten Rechtsgutsgefährdungen oder Rechtsgutsverletzungen führen zu können. 81 Die einzelne Tathandlung heißt gefährliche Handlung, weil der zugehörigen Handlungsgruppe die Fähigkeit zur Rechtsgutsbeeinträchtigung generell zugeschrieben ist. In diesem Sinne ist auch jede einzelne Tathandlung generell für das geschützte Rechsgut gefährlich. Lediglich von Zuschreibung genereller Gefährlichkeit zu sprechen, bedeutet nicht Fiktion oder Präsumtion der Gefährlichkeit qua gesetzlicher Festschreibung. Mit Zuschreibung genereller Gefährlichkeit wird zum Ausdruck gebracht, daß es keine empirische Absicherung gibt und nicht geben kann, in welchem Umfang die tatbestandsmäßigen Handlungen zu einem rechtsgutsbezogen konkreten Gefahrerfolg oder Verletzungserfolg führen. Handlungen einer Handlungsgruppe sind nicht erst dann generell gefährlich, wenn sie in mehr als 50% aller Fälle zu einer Rechtsgutsverletzung führen. 82 Die generelle Gefährlichkeit beruht auf dem Umstand, daß sie in einer ex ante nicht bestimmbaren Anzahl von Fällen Verletzungen der geschützten Rechtsgüter bewirken. 83 Ob das Quantum der tatsächlich zur Rechtsgutsverletzung führenden Handlungen die Mehrheit aller Fälle ist, ist für die Bestimmung als generell gefährlich sowenig relevant wie dieses Quantum empirisch valide ermittelt werden könnte. Die Erkenntnis über das Bestehen der Möglichkeit, daß gewisse Handlungen häufig, in einer ex ante (im übrigen häufig auch ex post) aber nicht sicher bestimmbaren Anzahl Verletzungen eines bestimmten Rechtsgutes oder bestimmter Rechtsgüter nach sich ziehen, beruht allein auf Alltagserfahrungen des Gesetzgebers, die sich ihrerseits regelmäßig nicht auf eine empirisch abgesicherte Grundlage stützen können. 84

79

Vgl. die Beschreibung der von ihm sog. "Theorie der generellen Gefährlichkeit" bei Binding, Normen I, S. 379. 80 Normen I, S. 379. 81 Vgl. auch Bohnert, JuS 1984, S. 182, 183; Geppert, NStZ 1985, S. 264; Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 57 m.w.Nachw. in Fußn. 20 "Verhalten, (das) erfahrungsgemäß mit einiger Wahrscheinlichkeit die Verletzung eines Schutzobjektes (?) bewirkt." 82 Richtig Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 148 ff. 83 Bezüglich der fehlenden Möglichkeit, ex ante sicher zu bestimmen, ob aus der gefährlichen Handlung eine mindestens konkrete Rechtsgutsgefährdung resultiere, zutreffend Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363; JuS 1994, S. 32, 379 und Verhaltenssteuerung, S. 113 f., 274 f. 84 Vgl. Binding, Normen I, S. 379 "Massenbeobachtung".

60

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Die Überlegungen zur Gefährlichkeit der Tathandlung verdeutlichen, daß, ebenso wie es um typischerweise gefährliche Handlungen geht, der Eintritt konkreter Gefahr oder einer Verletzung des geschützten Rechtsgutes trotz einer generell gefährlichen Handlung lediglich der typische, statische wohl noch nicht einmal der überwiegende Fall ist. Im Unterschied zur Gefährlichkeit der Handlung läßt sich jedenfalls für die hier interessierenden Brandstiftungsdelikte häufig ex post das Ausbleiben konkreter Gefahr für geschützte Rechtsgüter sicher feststellen, obwohl der Täter eine generell gefährliche Handlung vorgenommen hat. Die geläufigste Konstellation des Ausbleibens konkreter Rechtsgutsgefahr ist der fehlende Eintritt eines Rechtsgutsobjekts (= Objekt aus der Klasse des geschützten Rechtsgutes) in den Wirkungsbereich der Tathandlung.85 Das ist die Fallgestaltung, die die Protagonisten einer teleologischen Reduktion des §306 Nr.2 a.F. (§306 a Abs. 1 N r . l ) ihre Restriktionsmodelle entwickeln ließ. 86 Auch für das Ausbleiben (mindestens) konkreter Rechtsgutsgefahr gilt grundsätzlich: ex ante kann nicht sicher bestimmt werden, ob die tatbestandsmäßige, generell gefährliche Handlung wenigstens eine konkrete Rechtsgutsgefährdung herbeiführt. Die vorsichtige Einschränkung auf die grundsätzliche Gültigkeit der ex ante unabsehbaren Rechtsgutsgefährdung knüpft an den von BGHSt 26, 121 gebildeten Beispielsfall der einräumigen mit einem Blick auf die Anwesenheit von Menschen überschaubaren Hütte an. Idealtypisch mögen sich quasi unter „Laborbedingungen" Fallgestaltungen mit einer lückenlosen Sicherung für das zu schützende Rechtsgut bilden lassen, in denen dementsprechend selbst ex ante eine Rechtsgutsgefährdung ausgeschlossen werden kann. 87 Die Möglichkeit solcher idealtypischer Fallgestaltungen ändert aber nichts an der typischerweise ex ante fehlenden Überschaubarkeit des weiteren Kausalgeschehens nach Vornahme der Tathandlung im Hinblick auf die Möglichkeit des Eintritts konkreter Rechstgutsgefährdung. Die Zuschreibung genereller Gefährlichkeit der Tathandlungen der Brandstiftungsdelikte fußt zu einem erheblichen Teil auf der Koppelung dieser Handlungen an die tatbestandlich benannten Tatobjekte. Zwar ist grundsätzlich dem Tatmittel Feuer dessen Unkontrollierbarkeit und große Wirkkraft immament. Doch ist nicht jede typische Form (etwa Anzünden eines Kamin- oder Ofenfeuers) eines entzündeten Feuers unbeherrschbar und von großer Wirkkraft, somit nicht im Sinne der vorstehenden Absätze generell gefährlich. Generell gefähr85

Fallgestaltung von BGHSt 26, 121, wo die Abwesenheit von Menschen in dem angezündeten Hotel ex post sicher feststand. 86 Unten 2.Kap.A.III.l. 87 Ob das von BGHSt 26, 121 gebildete Hütten-Beispiel diesen Anforderungen genügte, erscheint sehr zweifelhaft; vgl. den Hinweis von Bohnert, JuS 1984, S. 182, 186 auf die Fragwürdigkeit der sofortigen Überschaubarkeit unter Rückgriff auf das bekannte Beispiel des im Uhrkasten versteckten Geißleins, aus Grimms Märchen, Der Wolf und die sieben Geißlein; krit. gegenüber BGHSt 26, 121 auch Brehm, JuS 1976, S. 22, 23.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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lieh in dem hier erfaßten Sinn ist lediglich das Verursachen eines Feuers unter bestimmten typisierbaren naturwissenschaftlichen Bedingungen. Sollen also die vom Gesetzgeber vorgestellten Rechtsgüter gegen Beeinträchtigungen durch Feuer geschützt werden, sind bei der gesetzestechnischen Ausgestaltung der entsprechenden Straftatbestände die tatsächlichen Bedingungen auszuwählen, unter denen am ehesten von einer regelmäßig eintretenden Rechtsgutsgefahr für die geschützten Rechtsgüter ausgegangen werden kann. De lega lata ist diese Auswahl durch die Verbindung der Tathandlung mit der Begehung an kasuistisch festgelegten Tatobjekten erfolgt. Welche Erkenntnisse sich aus diesem Befund für die Erklärung der Tatbestandsstrukturen der Brandstiftungsdelikte gewinnen lassen, ist hier nicht zu klären. Festzuhalten bleibt, daß eine wie auch immer ausgestaltete Fassung der Brandstiftungsdelikte den zugrundeliegenden tatsächlichen Gegebenheiten insoweit Rechnung tragen muß, als die für das Tatmittel Feuer prägenden Elemente Unkontrollierbarkeit und große Wirkkraft nur unter bestimmten tatsächlichen Bedingungen zum Tragen kommen. Diese tatsächlichen Bedingungen der Unkontrollierbarkeit und der großen Wirkkraft unterliegen dabei Veränderungen durch die sich wandelnde bauliche Beschaffenheit der im Gesetz genannten Tatobjekte. Die vom Gesetzgeber angewendete Technik, die Tathandlung des Inbrandsetzens an bestimmte und eben nur an bestimmte Tatobjekte zu koppeln, hat ihre tatsächliche Grundlage in den zur Zeit der Entstehung des preußisches StGB verwendeten Baustoffen und Bauweisen. Auf diese Bedingungen war die Einschätzung abgestimmt, daß aufgrund der Baumaterialien etwa eines Wohnhauses das Brennen dieses Gebäudes selbst die Unkontrollierbarkeit und die hohe Wirkkraft des Tatmittels Feuer ausmachte. Die wenigstens in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmende Verwendung nicht brennbarer Baustoffe (Stahl, Beton etc.) 88 mag in Teilbereichen dazu führen, daß trotz Verursachung eines Brandes in einem Wohngebäude, der etwa durch Rauchgasvergiftung sogar zur Verletzung oder Tötung von Menschen geführt haben kann, die Täterhandlung nicht als schwere oder besonders schwere Brandstiftung gemäß §§ 306 Nr.2, 307 Nr.l a.F. zu erfassen war. Es fehlte das Inbrandsetzen des Gebäudes an sich. Eine solche Veränderung der tatsächlichen Bedingungen, unter denen menschengefährdende bzw. menschenverletzende Brände gelegt werden, spricht jedoch nicht gegen die Typizität der Gefährlichkeit bestimmter Brandstiftungshandlungen, sondern unterstreicht vielmehr, daß die generelle Gefährlichkeit lediglich unter bestimmten, freilich wandelbaren typisierbaren naturwissenschaftlichen Bedingungen besteht. Der Wandel dieser naturwissenschaftlichen Bedingungen stellt nicht die Struktur generell gefährlicher Tathandlungen in Frage, sondern baut allenfalls

88

Dazu Breitfeld, Brandkriminalität, Brandstiftung - Reform des Brandstrafrechts überfällig?, in: Versicherungswissenschaft in Berlin, Heft 4, 1994, S. 18 f., 22; siehe auch Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 10.

62

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Handlungsdruck auf, den konkreten Straftatbestand den gewandelten tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Vor einer solchen Reform wäre allerdings eine umfassendere und genauere Untersuchung der Tatbestandsstrukturen der Brandstiftung des bisherigen Recht wünschenswert gewesen, die jedoch im Verlaufe des für den Umfang der Reform sehr zügigen Gesetzgebungsverfahrens nur ansatzweise zu leisten war. 89 Der Gesetzgeber hat ungeachtet dessen auf den Reformdruck, der auch vom Wandel der Beschaffenheit der verwendeten Baustoffe ausging, reagiert und im Zuge des 6. StrRG über das überkommene Inbrandsetzen hinaus zwei weitere Tathandlungen, das gänzliche oder teilweise Zerstören des Tatobjekts durch eine Brandlegung, aufgenommen. 90 Mit den neuen Tathandlungen soll gerade die Verwendung von Feuer als Tatmittel in solchen Tatobjekten, die in ihren bestandswesentlichen Teilen aus nicht brennbaren Materialien bestehen, erfaßt werden. 91 Auf die Einzelheiten wird im unten 2.Kap.A.II.2. eingegangen. 2. Gefährlichkeit

der Handlung und Irrtumsrisiko

Neben die Unbeherrschbarkeit und große Wirkkraft des eingesetzten Tatmittels sowohl auf die Tatobjekte als auch auf die davon zu trennenden Rechtsgüter 92 tritt bei den Brandstiftungstatbeständen ein weiteres Phänomen: die "Gefahr" einer Fehleinschätzung des Täters sowohl hinsichtlich der Gefährlich-

89 Eine knappe Darstellung seiner Vorstellungen über das Verständnis des alten Rechts konnte der Verf. in kurzen Monographie „Das Ende der Gemeingefährlichkeit"? geben, die dem Bundesministerium der Justiz während der Arbeiten an dem 6. StrRG zugeleitet worden war. 90 Der RegE hatte zunächst als Tathandlungen in Anlehnung an die Entwürfe 1960/62 (BR-Drucks. 270/60 und 200/62) und vor allem an § 185 StGB-DDR das „Zerstören durch Feuer" bzw. „Beschädigen durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß" vorgeschlagen (siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 48; dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 16 ff.). Diese Formulierungen waren bereits in der Stellungnahme des Bundesrates zu dem Entwurf heftig kritisiert worden; abgesehen von Bedenken gegen die Wendung vom „erheblichen Ausmaß", die einerseits als zu unbestimmt, andererseits als zu Strafbarkeitslücken führend bewertet wurde, nahm der Bundesrat vornehmlich an dem Terminus „Feuer" Anstoß, von dem er befürchtete, für ein Feuer werde „ein Brennen mit heller Flamme" verlangt werden, was wiederum zu Strafbarkeitslücken etwa im Falle des explodierenden, aber nicht brennenden Zündstoffs führen könne. Stattdessen wurde vorgeschlagen, auf die Begriffe „Brand" oder „Brandlegung" zurückzugreifen (Stellungnahme des Bundesrates BT-Drucks. 13/8587 S. 69). Diese Kritik hat sich der Rechtsausschuß des Bundestages zu eigen gemacht und die nunmehr Gesetz gewordene Wendung von der gänzlichen oder teilweisen Zerstörung durch Brandlegung empfohlen (BT-Drucks. 13/9064 S. 22). 91 BT-Drucks. 13/8587 S. 48; vgl. auch Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 16 ff. sowie die Fußn. zuvor. 92 Zur Trennung von Tatobjekt und Rechtsgut sowie den daraus resultierenden Konsequenzen unten 1 .Kap.C.II. 1.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände keit seiner Handlung bezogen auf das geschützte Rechtsgut als auch der Möglichkeit des Eintritts einer konkreten Gefahr für ebendieses Rechtsgut. Der Gedanke der fehlerhaften Gefahr- und Gefährlichkeitsbeurteilung seitens des Täters hat sich anhand deijenigen Fallkonstellationen entwickelt, in denen der Täter zwar die verbotene Tathandlung vornimmt, die damit generell verbundene Rechtsgutsgefahr aber vermeiden will. Der in BGHSt 26, 211 agierende Angeklagte, der eine Vielzahl von Sicherungen vorsah, um Gesundheits- und Lebensrisiken für die Bewohner des von ihm anzuzündenden Tatobjekts auszuschließen, repräsentiert exakt den Täter, der in der Literatur den Gedanken fehlerhafter Gefahr- und Gefährlichkeitbeurteilung bei der Betrachtung abstrakter Gefährdungsdelikte hat aufkommen lassen. Unausgesprochen gingen dementsprechend auch diejenigen Autoren, die für § 306 Nr.2 a.F. eine tatbestandliche Restriktion im Falle des Ausbleibens konkreter Rechtsgutsgefahr mittels eines Merkmals subjektiv sorgfaltswidriger Schaffung eines adäquaten Risikos bezogen auf das geschützte Rechtsgut postulierten, 93 von der Möglichkeit einer Fehleinschätzung von Gefährlichkeit und Gefahr seitens des Täters aus. Die Vorstellung subjektiv sorgfaltswidriger Risikoschaffung impliziert die Möglichkeit der Risikoschaffung und -realisierung trotz sorgfältigster Bemühungen, eine Rechtsgutsverletzung auszuschließen. Gefahr der Fehleinschätzung bezeichnet die Auslieferung des geschützten Rechtsgutes unter die Gefahr- und Gefährlichkeitsbewertung selbst des sorgfältigsten (bezogen auf den Schutz des Rechtsguts) Täters. Wer beispielsweise ein Hotel zwecks Erlangung der Brandversicherungssumme in Brand setzt bzw. in Brand setzen läßt, mag die Tatzeit (Betriebsferien) so festlegen, daß der Kreis der verbleibenden Bewohner überschaubar erscheint, die Verbliebenen zum Verlassen des Tatobjekts bewegen sowie einen zusätzlichen Kontrollgang vor der Tatausführung vorsehen, um die Abwesenheit von Menschen im Objekt sicherzustellen. 94 Es bleibt die "Gefahr", daß diese als subjektiv sorgfältigst empfundenen rechtsgutsbezogenen Sicherungsmaßnahmen sich ex post als nicht ausreichend erweisen. Ein solches konkretes "Irrtumsrisiko"„ 95 existiert nicht nur bei § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 (§ 306 Nr.2 und Nr.3 a.F.), sondern bei der Mehrzahl der Brandstiftungsdelikte. Für das Herbeiführen einer Brandgefahr (§ 306 f) besteht ein Irrtumsrisiko in dem gemeinten Sinne, wenn das - noch zu ermittelnde - geschützte Rechtsgut nicht mit dem bzw. den tatbestandlich benannten Tatobjekten zusammentrifft. 96 Schützt § 306 f (§ 310 a a.F.) außer (fremdem) Eigentum an den konkret gefährdeten Tatobjekten (feuergefährdete Anlagen und Betriebe etc.), etwa auch das Leben der in den Anlagen und Betrieben arbeitenden Menschen, existiert 93

Vgl. nur Schünemann, JA 1975, S. 798; Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 122. Sachverhalt entsprechend den tatrichterlichen Feststellungen aus BGHSt 26, 121. 95 Hoyer, JA 1990, S. 183, 185 f. 96 Zum Verhältnis von Tatobjekt und Rechtsgut gleich näher im Text unter l.Kap.C.II.l. 94

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" grundsätzlich ein den Fällen des § 306 a Abs. 1 vergleichbares rechtsgutsbezogenes Irrtumsrisiko. Bezüglich § 306 Abs. 1 (§ 308 Abs. 1 1 .Alt. a.F.) läßt sich die These eines den Brandstiftungsdelikten immanenten rechtsgutsbezogenen Irrtumsrisikos lediglich dann aufstellen, wenn ein mit den benannten Tatobjekten nicht zusammentreffendes Rechtsguts ausgemacht werden kann. Darauf ist später einzugehen. Anders als die objektive Gefährlichkeit der Handlung 97 für die geschützten Rechtsgüter ist das rechtsgutsbezogene Irrtumsrisiko ("Gefahr" der Fehleinschätzung der Gefährlichkeit der Handlung oder der Möglichkeit des Eintritts konkreter Rechtsgutsgefahr) in dem hier verwendeten Sinn kein bloßer Regelfall, kein Merkmal lediglich einer Handlungsgruppe, sondern ein ausnahmslos vorhandenes, nicht ausschließbares Phänomen. Zwar hält der Bundesgerichtshof in dem von ihm gebildeten Beispiel der kleinen einräumigen, mit einem Blick überschaubaren Hütte offenbar einen völligen Ausschluß des Irrtumsrisikos für denkbar. 98 Richtigerweise kommt jedoch allein die quantitative Reduzierbarkeit des Irrtumsrisikos in Betracht. Ein "Restrisiko" ist trotz aller Prüfungen durch den Täter unvermeidbar. 99 Idealtypisch mögen sich quasi unter "Laborbedingungen" lückenlose Sicherungen für das Rechtsgut trotz Vornahme der tatbestandlichen Handlung denken lassen. Selbst diese Idealbedingungen entziehen das zu schützenden Rechtsgut aber nicht der Beurteilungskomptenz des Täters. 100 Die verbleibende Auslieferung des Rechtsgutes unter die Beurteilung des Täters auch bei sorgfältigster Prüfung und Kontrolle der Gefährlichkeit der Handlung und des möglichen Eintritts konkreter Gefahr läßt sich als "Rest(-irrtums)risiko" bezeichen. Ob dieses Irrtumrisiko ausreichende Legitimation der Sanktionierung nicht zu konkreter Rechtsgutsgefahr führender Tathandlungen sein kann, 101 ist damit nicht entschieden. Nach diesen Überlegungen ist bei der Fortentwicklung der Dogmatik der Brandstiftungsdelikte und dem Verständnis ihrer Tatbestandsstrukturen folgenden aus den typischerweise vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten resultierenden Aspekten Rechnung zu tragen: - Die Tathandlungen abstrakter Gefährdungsdelikte normieren Tatsituationen, in denen eine für den Täter auch bei sorgfältigster Prüfung und Kontrolle nicht vorausseh- und beherrschbare Vielzahl von Faktoren zu einer Verletzung

97

Oben l.Kap.C.I.l. BGHSt 26, 121, 125. 99 Siehe oben Nachw. in Fußn. 87. 100 H oyer, JA 1990, S. 183, 186; ähnlich Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 114 f. und passim. 101 So Hoyer, JA 1990, S. 183, 185 f. 98

C. Strukturen der Brandstraftatbestände oder mindestens konkreten Gefährdung des geschützten Rechtsguts führen kann. - Die Unbeherrschbarkeit der zu einer Rechtsgutsverletzung führenden Kausalfaktoren ist bei den Brandstiftungsdelikten wegen der Eigenarten des angewendeten Tatmittels Feuer im Hinblick auf seine Unkontrollierbarkeit und große Wirkkraft in Bezug sowohl auf das Tatobjekt als auch auf das davon zu unterscheidende Rechtsgut im Vergleich zu anderen abstrakten Gefährdungsdelikten verstärkt. - Trotz der beiden vorstehenden Erwägungen sind die tatbestandsmäßigen Handlungen der Brandstiftungsdelikte grundsätzlich lediglich generell gefährlich. D.h. sie gehören einer Handlungsgruppe an, deren zugehörige Handlungen regelmäßig zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung führen. Generelle Gefährlichkeit setzt eine mehr als 50%ige Realisierung der Gefährlichkeit als zumindest konkrete Rechtsgutsgefahr nicht voraus. - Generell gefährlich ist nicht die Verwendung von Feuer an sich. Die den Tathandlungen der Brandstiftungsdelikte zugrundeliegenden tatsächlichen Verhaltensweisen sind im vorbezeichneten Sinne generell gefährlich, weil die Anwendung des Tatmittels Feuer an den tatbestandlich benannten Handlungsobjekten auf der Basis der Alltagserfahrungen des Gesetzgebers typischerweise zu Rechtsgutsbeeinträchtigungen führen. - Die Anwendung objektiv und/oder subjektiv sorgfältigster Sicherungen bei Ausführung der tatbestandsmäßigen Handlung kann die Gefahr einer Fehleinschätzung des Rechtsgutsverletzungspotentials der Handlung seitens des Täters minimieren, aber nicht ausschließen. Die Integrität des Rechtsguts bleibt der Einschätzung des Täters überanwortet. II. Normative Strukturen des Brandstrafrechts Die Existenz menschlicher Verhaltensweisen, die in dem beschriebenen Sinne generell für ein Rechtsgut oder mehrere Rechtsgüter gefährlich sind, hat den Gesetzgeber veranlaßt, solches Verhalten unabhängig von der Realisierung der Gefährlichkeit in einer konkreten Rechtsgutsgefahr unter Strafe zu stellen. Üblicherweise pflegt man zu formulieren, die generelle Gefährlichkeit bestimmter Handlungen sei das gesetzgeberische Motiv zur Statuierung der entsprechenden Straftatbestände gewesen.102 Wer system- und organisationstheoretisches Denken im Strafrecht heranzieht, sagt: bei abstrakten Gefährdungsdelikten handele es sich um die Regelung solcher Lebensbereiche, in denen eine sachgerechte 102

Roxin, AT I, § 10 Rdnr. 123, § 11 Rdnr. 119; Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 58 m.w.N. S Radtke

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" Verhaltensorganisation nur bei Standardisierung der Verhaltensweisen erreicht werden kann, weil die sich in diesem Bereich bewegenden Akteure angesichts dessen Komplexität nicht selbst so zu steuern vermögen, daß Rechtsgutsbeeinträchtigungen vermieden werden können. 103 Speziell für die Brandstiftungsdelikte bisheriger Prägung - vor allem § 306 Nr.2 a.F. - vertrat Kratzsch, dem im methodischen Ausgangspunkt gefolgt werden soll, 1 0 4 die Auffassung, der Gesetzgeber habe mit der Verwendung einer besonderen Gesetzestechnik auf das zuvor beschriebene tatsächliche Anforderungsprofil der regelungsbedürftigen Bereiche reagiert. Diese Gesetzgebungsmethode bestehe darin, a) mittels Verbindung eines abstrakten Gefahrerfolges mit einer feststehenden Handlung und bestimmten Tatobjekten die Tathandlung - als Kompensation für den Verzicht auf die Einführung eines konkreten Gefahrerfolges - besonders eng zu formulieren und b) dadurch dem spezifischen Charakter eines gemeingefährlichen Delikts nahezukommen.105 Eine solche Gesetzestechnik, wie sie Kratzsch für die Brandstiftung herausstellt, hat bereits Binding in seiner Beschreibung der Delikte mit gesetzlich geschlossenen Mitteln 1 0 6 - zu denen er selbst die Brandstiftungsdelikte allerdings nicht rechnete - vortrefflich gekennzeichnet: "Allgemein gefaßte Gefährdungsverbote würden eine geradezu unerträgliche Beschränkung menschlicher Handlungsfreiheit bilden. Desshalb hat der Gesetzgeber aus den für ein Rechtsgut gefährlichen Handlungen die gefährlichsten auszulesen. Wie sie für die Rechtswelt die unerträglichsten sind, so wird ihr Verbot als berechtigte Freiheits-Beschränkung am leichtesten tragen. Das Maass der Gefährlichkeit aber bestimmt sich nach der Tauglichkeit des Mittels. Desshalb bedarf es in der Norm der Namhaftmachung sowol des Objekts als der Art der Gefährdung: sie dient zur Abgränzung der verbotenen von der unverbotenen Gefährdung und sie praecisirt allen, denen der Befehl gilt, genau, was sie zu lassen haben. " Außer der strukturell übereinstimmenden Fassung der Tatbestände und dem identischen gesetzgeberischen Motiv zur Normierung generell gefährlicher Verhaltensweisen bei Anwendung des Tatmittels Feuer besteht eine weitere Gemeinsamkeit der Brandstiftungstatbestände - wie zu zeigen sein wird, mit einer gewissen Einschränkung bei § 306 Abs. 1 - in der Ausgestaltung als mittelbar dem Schutz von Individualrechtsgütern dienenden abstrakten Gefährdungsdelikten. Der Grad der Abstraktion ist allerdings bei den einzelnen Tatbeständen verschieden. Gemeinsames Band der einschlägigen Tatbestände ist 103

Jakobs, AT, 6/86 a; Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 114 ff., 284 f. Oben l.Kap.B.IV. 105 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 und ders., JuS 1994, S. 372, 375 und 379. 106 Normen I, S. 384 f. 104

C. Strukturen der Brandstraftatbestände die Vorstellung des historischen Gesetzgebers mit den unterschiedlichen Brandstiftungsdelikten jeweils für gemeingefährlich gehaltene Verhaltensweisen unter Strafe gestellt zu haben. Dieses historisch überkommene gemeinsame Band des Brandstrafrechts ist auch durch die Umgestaltungen im Zuge des 6. StrRG nicht zerschnitten worden, obwohl die Schaffung von Brandstiftungstatbeständen mit einem Merkmal konkreter Rechtsgutsgefahr (§ 306 a Abs. 2 „Gefahr einer Gesundheitsschädigung"; § 306 b Abs. 1 „schwere Gesundheitsschädigung eines Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen"; § 306 b Abs. 2 Nr.l „Gefahr des Todes") einen solchen Schnitt zu bedeuten scheint, sind doch konkrete Gefährdungsdelikte das klassische gesetzestechnische Gegenmodell zum abstrakten auch generell gemeingefährlichen Gefährdungsdelikt. Der Antagonismus beider Deliktstypen läßt sich anhand der später nachzuzeichenden Gesetzes- und Dogmengeschichte des Brandstrafrechts klar herausteilen. 107 Die für das deutsche Brandstrafrecht neuartige Kreation konkreter (Rechtsguts)Gefahrerfolge als Tatbestandsmerkmale der Brandstiftung markiert jedoch - gesetzgebungstechnisch betrachtet keinen Methoden- oder Typenwechsel des Gesetzgebers. Denn die nunmehr statuierten Gefahrerfolge sind jeweils einer - mindestens vom Gesetzgeber so bewerteten - generell gemeingefährlichen Handlung, deren Vornahme als solche bereits strafbar ist, aufgesattelt und eröffnen als Gefahrerfolgsqualifikationen einen gegenüber dem jeweiligen Grunddelikt erweiterten Strafrahmen. Eine andere, noch klärungsbedürftige Frage ist allerdings, ob dem historischen wie dem Reformgesetzgeber des 6. StrRG die gesetzestechnische Umsetzung seiner Intention, jeweils für gemeingefährlich gehaltene Verhaltensweisen als Brandstiftung zu sanktionieren, gelungen ist. Um die These der Existenz einer solchen gemeinsamen Tatbestandsstruktur für alle hier einschlägigen Delikte verifizieren zu können, sind drei unterschiedliche Aspekte zu beachten: - die Notwendigkeit strikter terminologischer und sachlicher Unterscheidung von Tatobjekt einerseits und geschütztem Rechtsgut andererseits sowie die sich daraus für die jeweilige Deliktskategorie ergebenden Konsequenzen (1.); - die Bedeutung der vom Gesetzgeber gewählten Ausgestaltung der Brandstiftungstatbestände, kasuistisch die Vornahme der Tathandlung an genau bestimmten Tatobjekten zu normieren sowie die Möglichkeit der Rückkoppelung von der Kombination aus Tathandlung und benannten Tatobjekten auf das jeweilige Rechtsgut (2.); - die Frage, ob der Gesetzgeber mit der unter 2. näher zu erörternden Technik generell Tatsituationen normiert hat, die sich als typischerweise gemeingefährlich bezeichnen lassen; die Fragestellung impliziert, daß die Klärung der Inhalt der Gemeingefahr bzw. der Gemeingefährlichkeit gelingt (3.).

107

5*

Unten l.Kap.C.II.2.a.

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" 1. Tatobjekt und Rechtsgut Die Erkenntnis über die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Tatobjekt {Handlungs- bzw. Angriffsobjekt sind Synonyme) und Rechtsgut sowie die aus dieser Unterscheidung abzuleitenden dogmatischen Konsequenzen hat sich seit geraumer Zeit durchgesetzt. 108 In Übereinstimmung mit Amelung ist Tatobjekt der Gegenstand, an dem sich die Täterhandlung tatbestandsmäßig vollzieht (etwa das zur Wohnung dienende Gebäude in § 306 a Abs. 1 Nr.l [§ 306 Nr.2 a.F.]). 109 Rechtsgut ist das Rechtsgut im Sinne Welzels als der, im Wege der Auslegung zu ermittelnde, durch die Norm geschützte Gegenstand (etwa das menschliche Leben in § 306 a Abs. 1 N r . l ) . 1 1 0 Der Differenzierung bedarf es in gleicher Weise, wenn nicht wie hier von einem materiellen (realen), sondern stattdessen von einem ideellen Rechtsgutsbegriff ausgegangen wird. 1 1 1 Von den zahlreichen dogmatischen Funktionen der verschiedenen Objektsbegriffe 112 sind zwei für den hier einschlägigen Zusammenhang wichtige Aspekte zu verfolgen: zum einen die üblicherweise nach dem Verhältnis von Rechtsgut und Tathandlung vorgenommene Bestimmung der Deliktskategorie und zum anderen die Bedeutung der Trennung von Tatobjekt und Rechtsgut für die Auslegung der Straftatbestände des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches. 113 Entsprechend herkömmlicher Begriffsbestimmung der abstrakten Gefährdungsdelikte 114 erfolgt die Unterscheidung der abstrakten Gefährdungsdelikte von den Verletzungs- und konkreten Gefährdungsdelikten vom Rechtsgut und nicht vom Tatobjekt her. In der Einleitung dieser Arbeit war bereits daraufhingewiesen worden, daß im Gegensatz dazu die Abgrenzung zwischen Verletzungsdelikten einerseits und konkreten Gefährdungsdelikten andererseits nicht durchgängig rechtsgutsbezogen, sondern teilweise anhand des Verhältnisses von Tathandlung und Tatobjekt, also tatobjektsbezogen, vorgenommen wird. 1 1 5 Ein solcher Perspektivenwechsel im Bezugspunkt der jeweiligen Definition führt

108

Siehe dazu Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 198 ff. m.w.N. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 199 f. unter Hinweis auf Beling, Lehre vom Verbrechen, S. 203 f., 209 f.; M.E.Mayer, Strafrecht, Allg. Teil, S. 97 f.; vgl. auch Roxin, AT I, § 2 Rdnr. 24; Jakobs, AT, 2/6 m.w.N. 110 Welzel, Deutsches Strafrecht, S. 4 f.; Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 199 f. 111 So unterscheidet dementsprechend auch der "Idealist" Schmidhäuser, AT, 2/30-32 zwischen Tatobjekt, Rechtsgut und - wegen der Idealisierung des Rechtsguts notwendig - Rechtsgutsobjekt; ebenso Stratenwerth, AT 1, Rdnr. 209 f.; vgl. dazu auch Jescheck/Weigend, AT, § 26 I. a.E., S. 260. 112 Dazu Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 201 ff; vgl. auch Loos, Festschrift fur Welzel, S. 879, 887 f. vor allem Fußn. 42. 113 Siehe Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 206 ff. 114 Oben Einl.B.I. 115 Oben Einl.B.I. 109

C. Strukturen der Brandstraftatbestände nicht nur zu terminologischer Unklarheit, sondern er bleibt auf das sachliche Verständnis von abstrakten Gefährdungsdelikten nicht ohne Einfluß. Dazu zwei Beispiele: (1) Die Behauptung, bei abstrakten Gefährdungsdelikten handele es sich ausschließlich um schlichte Tätigkeitsdelikte, 116 würde nur dann zutreffen, wenn der Begriff des Tätigkeitsdelikts allein an das Fehlen eines von der Tathandlung abgrenzbaren und qua Kausalität vermittelten rechtsgutsbezogenen Erfolges (in Form konkreter Gefährdung oder Verletzung des geschützten Rechtsgutes) anknüpft. Wird aber "Tätigkeitsdelikt" und dementsprechend "Erfolgsdelikt" an einem tatbestandsmäßigen Erfolg, verstanden als Verletzung oder konkrete Gefährdung eines im Tatbestand benannten Tatobjekts, festgemacht, 117 ist die Aussage bezüglich eines Teils abstrakter Gefährdungsdelikte evident falsch. Bei § 306 Nr.2 a.F., weithin unbestritten ein abstraktes Gefährdungsdelikt (gleiches gilt für den inhaltlich nahezu identischen § 306 a Abs. 1 Nr.l), trat im Vollendungsfall stets ein tatbestandsmäßiger Erfolg im Sinne der Verletzung des Tatobjekts, z.B. eines zur Wohnung von Menschen dienenden Gebäudes, ein. 1 1 8 Lediglich auf einen Verletzungs- oder konkreten Gefährdungserfolg bezüglich des geschützten Rechtsgutes kam und kommt es bei § 306 a Abs. 1 Nr.l nicht an. In einem auf das Tatobjekt bezogenen Sinne können abstrakte Gefährdungsdelikte demnach Erfolgsdelikte sein. 119 (2) § 310 a a.F. (§ 306 f) bezeichnete man üblicherweise als konkretes Gefährdungsdelikt. 120 Fehlte ein erklärender Zusatz, 121 war der Terminus mehrdeutig. Gemeint war, § 310 a a.F. erfordere im Gegensatz zu §§ 306 - 309 a.F. lediglich eine konkrete Gefährdung statt einer Verletzung der im Tatbestand ge116

So etwa Ostendorf JuS 1982 S. 426, 429 unter Bezugnahme auf Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 27, 30 Fußn. 115; tendenziell auch Satzger, NStZ 1998, S. 112, 115; zutreffend dagegen Jakobs, AT, 6/86; vgl. auch Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 56 Fußn. 124. 117 Ausdrücklich Ostendorf, JuS 1982, S. 426, 428 Text vor Fußn. 42. 118 Wegen dieses am Tatobjekt eintretenden Erfolges im Sinne einer physikalisch meßbaren Veränderung des Tatobjekts trifft der Vorwurf Ostendorfs, JuS 1982, S. 426, 429 eines "gekünstelten Erfolgsbegriffs" bei Gleichsetzung von Deliktsverwirklichung und Erfolg jedenfalls für die Brandstiftungstatbestände nicht zu. 119 Jakobs, AT, 6/86; undeutlich Satzger, NStZ 1998, S. 112, 115, der hinsichtlich § 9 StGB die Auffassung vertritt, abstrakte Gefährdungsdelikte könnten mangels eines „zum Tatbestand gehörenden Erfolges" nicht als Erfolgsdelikte in dem von § 9 StGB gemeintebn Sinn verstanden werden. Diese Position ist im Ansatz zutreffend, beschäftigt sich aber nicht damit, ob nicht ein auf das Tatobjekt bezogener Erfolg (etwa Inbrandsetzen/Zerstörung durch Brandlegung) dem Erfolgsbegriff des § 9 unterfallen kann. 120 BGHSt 39, 128; Wolff, in: LK, § 310 a Rdnr. 1 a.E.; Horn, in: SK-StGB, § 310 a Rdnr. 4; Geppert, Jura 1989, S. 473, 480; ders., JR 1994, 72, 73 u. 74. 121 So bei Wolff und Geppert jeweils aaO.; sachlich richtig Horn, aaO., §310 a Rdnr. 2.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

nannten Tatobjekte zur Tatbestandserfüllung (Brandgefahr). 122 Gemeint war (hoffentlich) nicht, gleichwohl aber vom verwendeten Begriff umfaßt, daß zur Tatbestandserfüllung nach § 310 a a.F. eine konkrete Gefahr für das oder die durch die Norm geschützten Rechtsgüter eingetreten sein mußte. 123 Nach herkömmlich rechtsgutsbezogener Definition abstrakter Gefährdungsdelikte war § 310 a a.F. daher (auch) abstraktes Gefährdungsdelikt. 124 Lediglich bei Anwendung einer tatobjektsbezogenen Definition des konkreten Gefährdungsdelikts durfte § 310 a a.F. korrekt als solches bezeichnet werden. Rechtsgutsbezogen wäre der Straftatbestand des Herbeiführens einer Brandgefahr allein dann konkretes Gefährdungsdelikt gewesen, wenn durch § 310 a a.F. ausschließlich das Eigentum an den tatbestandlich benannten Tatobjekten geschützt werden sollte. 1 2 5 In diesem Fall bedeutet die konkrete Gefahr für das Tatobjekt stets zugleich eine konkrete Gefahr für das geschützte Rechtsgut. Unabhängig vom Bezugspunkt der Definition wäre §310 a a.F. unter dieser Prämisse tatobjektsund rechtsgutsbezogen konkretes Gefährdungsdelikt. Um derartige terminologische Unsicherheiten zu vermeinden, werden die Begriffe Verletzungs-, konkretes und abstraktes Gefährdungsdelikt hier Rechtsgutsbezogen verwendet. Ist stattdessen die Verletzung oder konkrete Gefährdung des Tatobjekts und nicht des Rechtsgutes gemeint, erfolgt eine entsprechende Kennzeichnung. Bei Einhaltung dieser Regeln bedarf es der jüngst vorgeschlagenen, sachlich präzisen, aber sprachlich gelegentlich umständlichen Differenzierung in Verletzungs- und Gefährdungs-Erfolgsdelikte im formellen Sinn einerseits sowie Verletzungs- und Gefährdungs-Erfolgsdelikte im materiellen Sinne andererseits 126 nicht.

122 Allg. Meinung; BGH, NStZ 1993, S. 284; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 310 a Rdnr. 2; Horn, in: SK-StGB, §310 a Rdnr. 4; Wolff, in: LK: §310 a Rdnr. 2; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 35; Geerds, Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 28; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 56; Geppert, Jura 1989, S. 473, 480. 123 Explizit die Beschränkung auf eine abstrakte Gefahr für das Rechtsgut bei Horn, in: SK-StGB, § 310 a Rdnr. 2; implizit wohl auch, aber lediglich mit erheblichem Interpretationsaufwand (!) dem Text entnehmbar Cramer, in: Schönke/Schröder, §310 a Rdnr. 1 und Wolff, in: LK, § 310 a Rdnr. 1. 124 Wie hier Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 109 f. 125 Was von denjenigen, die die Kennzeichnung konkretes Gefährdungsdelikt für § 310 a (a.F.) benutzen, gerade nicht behauptet wird, wie die jeweiligen Aufzählungen der geschützten Rechtsgüter durch die Autoren zeigen; vgl. die Nachw. in Fußn. 112. 126 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 108 ff.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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a) Kongruenz von Rechtsgut und Tatobjekt Die beschriebenen, aus der Unklarheit des Bezugspunktes der Definition unterschiedlicher Tatbestandstypen folgenden terminologischen Unscharfen bleiben für das sachliche Verständnis der betroffenen Tatbestände so lange ohne Folgen, wie das im Tatbestand genannte Tatobjekt und das (unbenannte) Rechtsgut zusammenfallen. Unter der Voraussetzung, daß die erörterten Tatbestände Tatobjekt und Rechtsgut im o.g. Sinne 127 aufweisen, dürfte ein solches Zusammenfallen beider die wohl geläufigste Vorstellung über die Relation zwischen Tatobjekt und Rechtsgut sein. Ein anderer Mensch ist Tatobjekt der Körperverletzungsdelikte gemäß §§ 223 ff. Die Gesundheit eines (dieses) anderen Menschen ist zugleich das von den genannten Tatbeständen geschützte Rechtsgut. Immaterielle Rechtsgutslehren würden sich am Terminus des "Zusammenfallens" von Tatobjekt und Rechtsgut stören; stattdessen von einem Zusammenfallen von Tatobjekt und Rechtsgutsobjekt zu sprechen, 128 macht in der Sache keinen Unterschied. Das Zusammenfallen von Tatobjekt und Rechtsgut findet sich nicht nur bei Delikten, die eine Verletzung des Tatobjekts und damit verbunden des Rechtsguts erfordern, sondern auch bei - im tatobjekts- und rechtsgutsbezogenen Sinne - konkreten Gefährdungsdelikten. §315c, klassischer Fall dieses Typus, schützt jedenfalls auch das Rechtsgut menschliches Leben. 129 Ein anderer Mensch ist zugleich eines der in dem Tatbestand benann127

Oben l.Kap.C.II.l. Schmidhäuser, AT, 2/32. 129 Horn, in: SK-StGB, § 315 c Rdnr. 2; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 315 c Rdnr. 2; vgl. aber auch BGHSt 6, 232, 234; BGHSt 23, 261, 262; BGH, NZV 1992, S. 370; Lackner/Kühl, § 315 c Rdnr. 1; Rüth, in: LK, § 315 c Rdnr. 1 "in erster Linie Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs". Auf den aus der Kontroverse um die Rangfolge der geschützten Rechtsgüter resultierenden Streit über die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung der gefährdeten Person in die Tat (Nachw. zum Streitstand bei Lackner/Kühl , § 315 c Rdnr. 32; siehe auch die differenzierende Lösung für die verschiedenen Varianten des § 315 c von Geppert, ZStW 83 (1971), S. 947 ff., 985 f.) ist nicht einzugehen. Angedeutet sei lediglich, daß ein Rechtsgut "Sicherheit des Straßenverkehrs", welches offenbar von den "mitgeschützten" Individualrechtsgütern Leben, Gesundheit und fremdes Eigentum verschieden sein soll, inhaltlich angesichts der greifbaren Individualrechtsgüter nicht leicht zu bestimmen ist. Auf die Schwierigkeiten ist bei der Klärung der Inhalte der Gemeingefahr - die ursprünglich in § 315 c enthaltene Gemeingefahr ist durch die konkrete Gefahr für die genannten Rechtsgüter abgelöst worden - zurückzukommen. Wenn die "Sicherheit des Straßenverkehrs" ein sinnvoll faßbares Rechtsgut sein sollte, blieben die Konsequenzen für den Deliktstypus des § 315 c zu bedenken. Wäre jede konkrete Gefährdung der mit den auch geschützten Individualrechtsgütern zusammenfallenden Tatobjekten zugleich auch eine konkrete Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs? Die Einordnung als konkretes Gefährdungsdelikt bliebe erhalten. Oder kann die "Sicherheit des Straßenverkehrs" als im weiten Sinn soziales System nicht ohnehin erst durch eine Vielzahl gleichartiger Tatbestandhandlungen konkret gefährdet bzw. verletzt werden? Möglicherweise wäre § 315 c nach seinem materiellen Gehalt dann den abstrakten Gefährdungsdelikten in der Form der Delikte mit 128

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" ten Tatobjekte, für die durch die Tathandlung eine konkrete Gefahr herbeigeführt werden muß. Die Vorstellung des Zusammenfallens von Tatobjekt und Rechtsgut läßt sich allerdings lediglich für Individualrechtsgüter sinnvoll fassen. Universalrechtsgüter, soziale Systeme und ähnliche als Rechtsgüter verstandene Erscheinungsformen jenseits des Individualrechtsgutes entziehen sich einer solchen Betrachtungsweise, die auf dem Vorhandensein einer individualisierbaren Kausalbeziehung zwischen Tathandlung und Rechtsgutsbeeinträchtigung aufbaut. 130 Wenn aber Tatbestände in der beschriebenen Weise das Zusammenfallen von Tatobjekt und geschütztem (Individual-)Rechtsgut normieren, steht die fehlende Unterscheidung zwischen tatobjektsbezogener konkreter Gefährdung oder Verletzung und rechtsgutsbezogener konkreter Gefährdung oder Verletzung weder einer stimmigen Einordnung der Deliktskategorie, noch einem sachgerechten Verständnis der jeweiligen tatbestandlichen Strukturen der Delikte entgegen. Wenn und soweit jede Verletzung des benannten Tatobjekts notwendigerweise auch Verletzung des geschützten Rechtsguts (bzw. Rechtsgutsobjekts bei immateriellen Rechtsgutslehren) ist, verschlägt die aufgezeigte Unklarheit im Bezugspunkt der Definition der betroffenen Tatbestandstypen nichts. b) Vermittelter Rechtsgutsangriff Wie jedoch das noch zu § 310 a a.F. - über die modifizierte Nachfolgeregelung § 306 f existiert noch kein Diskussionsstand bezogen auf den Deliktstypus - gebildete Beispiel bereits gezeigt hat, sind nicht alle Straftatbestände, die ein Tatobjekt benennen, derart gefaßt, daß das Tatobjekt mit dem geschützten Rechtsgut zusammenfällt. Eine zweite Möglichkeit des Verhältnisses von Tatobjekt und geschütztem Rechtsgut besteht in dem Auseinanderfallen beider. Das Auseinanderfallen kann sich nach einer treffenden Formulierung von Jakobs 131 so darstellen, daß das Tatobjekt lediglich den Angriff gegen das geschützte Rechtsgut "vermittelt". Menschliches Leben als ein möglicherweise von §306 a Abs. 1 Nr.l (§306 Nr.2 a.F.) geschütztes Rechtsgut fällt nicht (anders als in § 212) mit dem Tatobjekt "Gebäude, welches zur Wohnung von Menschen dient" zusammen. Das Inbrandsetzen etc. des Tatobjekts führt aber angesichts der sich in einem Wohngebäude typischerweise aufhaltenden Men-

"vergeistigtem Zwischenrechtsgut" zuzuschlagen; vgl. dazu bereits oben Einl.B.II zu 2. und 3. 130 Siehe daher bereits die Vorbehalte gegenüber hoch abstrakt formulierten Rechtsgütern bei Tatbeständen, die mit dem Schutz von Individualrechtsgütern ausreichend erklärt werden können, in der vorstehenden Fußn. sowie den dortigen Verweis auf Überlegungen zu den abstrakten Gefährdungsdelikten mit sog. vergeistigtem Zwischenrechtsgut. 131 AT, 2/6 a.E.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände sehen regelmäßig zu einer Gefährdung oder gar Verletzung menschlichen Lebens. Dieses Verhältnis zwischen Tatobjekt und Rechtsgut ist mit dem Begriff der "Vermittlung" gemeint. Anders als bei dem Zusammenfallen von Tatobjekt und Rechtsgut ist der Gedanke der Vermittlung des Rechtsgutsangriffs nicht nur auf Individualrechtsgüter anwendbar. Die Festlegung abstrakt formulierter Universalrechtsgüter (etwa Sicherheit und Zuverlässigkeit des Beweisverkehrs in §267 oder Vertrauen in die Sachlichkeit der Amtsführung in §§331 ff.) schließt die Vorstellung der Vermittlung des Rechtsgutsangriffs über den Angriff auf das Tatobjekt nicht aus. Sieht man z.B. das von § 113 Abs. 1 l.Alt geschützte Rechtsgut in der "rechtmäßigen Betätigung des Staatswillens",132 vermittelt der Angriff auf den konkreten Vollstreckungsbeamten als mit dem Rechtsgut nicht zusammenfallendes Tatobjekt den Angriff auf das Rechtsgut.133 Die Anwendbarkeit des Gedankens des vermittelten Rechtsgutsangriffs auch auf Nicht-IndividualRechtsgüter ist von Bedeutung, um die Geltung des herauszuarbeitenden Strukturmodells nicht von vornherein auf einen durch die Brandstiftungstatbestände ausschließlich bewirkten Individualschutzes festzulegen. Eine derartige Prämisse würde entweder die Bestimmung der einzelnen geschützten Rechtsgüter präjudizieren 134 oder die Behauptung allen Brandstiftungsdelikten gemeinsame Tatbestandsstrukturen in Frage stellen. Zudem konterkarierte ein auf Individualrechtsgüter beschränkter Vermittlungsgedanke das hier verfolgte Anliegen, die Bedeutung der Einordnung der Brandstiftung unter die gemeingefährlichen Delikte zu klären, jedenfalls dann, wenn solche Delikte sich nicht ausschließlich gegen die Individualrechtsgüter mehrerer Einzelner, sondern auch gegen die Allgemeinheit (Rechtsgüter der Allgemeinheit) richteten. 135 Eine unzureichende Beachtung des so präzisierten Auseinanderfallens

132 Zum Streitstand über das Rechtsgut vgl. Lackner, § 113 Rdnr. 1 einerseits und Horn, in: SK-StGB, § 113 Rdnr. 2 andererseits jeweils m.w.Nachw. Zur Richtigkeit der Rechtsgutsbestimmung der h.M. ist nicht Stellung genommen. 133 Beispiel nach Jakobs, AT, 2/6 a.E. Bei den über ein Tatobjekt vermittelten Angriffen gegen Rechtsgüter, die im weiten Sinne als dem Schutz von Institutionen dienend zu begreifen sind, ist allerdings die bereits oben Einl.B.II. zu 3. angesprochene Problematik der (fehlenden) Verletzbarkeit solcher Rechtsgüter durch eine einzelne Tathandlung zu bedenken. 134 Grundsätzlich sind auch abweichende Bestimmungen des Schutzzwecks abstrakter Gefährdungsdelikte, wie sie z.B. Kindhäuser, Gefährdung, S. 270 ff, 280 mit der Gewährleistung von Sicherheit im Sinne unbesorgter Verfügbarkeit über Güter (ebenso Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 7) formuliert hat, mit dem Gedanken der Vermittlung des "Rechtsgutsangriffs" vereinbar. Die Beeinträchtigung der "Möglichkeit des Wohnens in den fraglichen Räumen (bezogen auf die Tatobjekte des § 306 Nr.2 [a.F.], H.R.) ohne Furcht vor Gefährdung durch eine Brand" {Kindhäuser, aaO., S. 296) erfolgt notwendigerweise vermittels des Angriffs auf das tatbestandlich benannte Tatobjekt. 135 Solche Vorstellungen finden sich auch im neueren Schrifttum etwa bei Geppert, Jura 1989, S. 417, 418; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 205 f.

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" von Tatobjekten und Rechtsgut in den Brandstiftungstatbeständen führt nicht nur zu den am Beispiel des § 310 a a.F. gezeigten begrifflichen Ungenauigkeiten, sondern es besteht die Gefahr, tatbestandsstrukturelle Gemeinsamkeiten des Brandstrafrechts - ungeachtet von Modifikationen im einzelnen - nicht zu erkennen. 136 Der kurze Blick auf § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) und den insoweit besonders instruktiven §310 a a.F. hat das beschriebene Verhältnis zwischen Tatobjekten und Rechtsgütern in seinem Grundmuster exemplarisch verdeutlicht. 137 Die Vermittlung des Rechtsgutsangriffs über den Angriff auf das Tatobjekt ist aber über die beiden Tatbestände hinaus ein - mit einer gewissen Ausnahme für § 306 Abs. 1 - durchgängiges Strukturelement des Brandstrafrechts. Um dieses erste gemeinsame Strukturelement stärker herauszuarbeiten, ist es noch nicht erforderlich, die jeweiligen Schutzzwecke (Rechtsgüter) der einzelnen Delikte endgültig festzulegen. Ein solches Unterfangen ohne vorherige Einzeluntersuchung der Straftatbestände wäre schlichte Spekulation über das Rechtsgut und damit kontraproduktiv. Es genügt zu zeigen, unter welchen Voraussetzungen Tatobjekt bzw. Tatobjekte und Rechtsgut bzw. Rechtsgüter nicht zusammenfallen. 138 Vermittlung des Rechtsgutsangriffs über das Tatobjekt ist lediglich eine Grundstruktur der Brandstiftungstatbestände. Die Art und Weise dieser Vermittlung ist bei den einzelnen Delikten unterschiedlich ausgestaltet. c) Vermittelter Rechtsgutsangriff bei der Brandstiftung (1) Das in § 306 a Abs. 1 Nr.2 (§ 306 Nr.l a.F.) genannte Tatobjekt "Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude" fällt in keinem Fall mit dem durch die Norm geschützten Rechtsgut zusammen. Schützt das Delikt Leben (und Gesundheit ?), 1 3 9 ist unmittelbar einsichtig, daß die mögliche

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Symptomatisch für eine derart verkürzte Sichtweise etwa Niggemeyer, Kriminalistik 1960, S. 377. Seine Behauptung, die Regelung der Brandstiftungstatbestände de lege lata (gemeint ist das bis März 1998 geltende Recht) sei "unübersichtlich", uneinheitlich" und „systemwidrig" und enthalte ein Konglomerat von "Verletzungs-, abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten" übersieht die - mit mit Ausnahmen bei § 308 Abs. 1 1 .Alt. a.F; entsprechend § 306 Abs. 1 und § 306 f - einheitliche Normstruktur und Deliktskategorie der einschlägigen Tatbestände; dazu im nachfolgenden Text. 137 Unter der Prämissse, daß beiden Normen nicht lediglich den Schutz fremden Eigentums bezwecken. 138 Siehe auch bereits oben Fußn. 134. 139 So offenbar Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 3 und 4 a.E.; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 2; Tröndle, § 306 Rdnr. 1 in Bezug auf § 306 Nr.l a.F.; unklar der Hinweis von Goltdammer, Die Materialien zum StGB f.d. preuß. Staaten, Teil II, S. 632 ff., 643 (zustimmend Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band II, S. 610, Fußn. 2) auf die Größe der Kirchengebäude, die zu einer Gefahr für andere Ge-

C. Strukturen der Brandstraftatbestände Verletzung menschlichen Lebens erst durch das Inbrandsetzen/die Brandlegung des Tatobjekts vermittelt wird. Dient die Norm der Aufrechterhaltung des "öffentlichen Friedens" 140 , geht es um Institutionenschutz im weitesten Sinn. Ein gegenständliches Tatobjekt kann mit einem institutionalisierten "Rechtsgut" nicht zusammenfallen. Bezüglich des Rechtsguts "öffentlicher Friede" ist allerdings das Grundproblem zu bedenken, wievieler Angriffe auf dieses Rechtsgut es bedarf, um von seiner Gefährdung oder Verletzung sprechen zu können. 141 Ob das Bild des vermittelten Rechtsgutsangriffs zutrifft, wenn § 306 Nr.l a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.2) "das in einem Gotteshaus manifestierte religiöse Tabu gegen Brandanschläge" 142 schützt, ist in Anbetracht der nebulösen Formulierung kaum zu beurteilen. Die Vorstellung des im Tatobjekt manifestierten religiösen Tabus deutet auf ein Zusammenfallen von Tatobjekt und Rechtsgut. Jedoch läßt sich religiöses Tabu als Rechtsgut sowohl im Sinne einer materiellen wie einer immateriellen Rechtsgutslehre allenfalls als Sicherung des öffentlichen Friedens, der durch das Inbrandsetzens von/der Brandlegung an Gotteshäusern typischerweise als im besonderen Maße bedroht erscheint, verstehen. 143 Wie immer daher das bzw. die von § 306 a Abs. 1 Nr.2 geschützten Rechtsgüter zu konturieren sind, weist der Tatbestand die Grundstruktur eines über das Tatobjekt vermittelten Rechtsgutsangriffs auf. An § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) ist diese Struktur bereits exemplifiziert worden. Ergänzend sei angemerkt, daß sie auch dann vorliegt, wenn außer dem Rechtsgut Leben die menschliche Gesundheit 144 geschützt sein sollte. Selbst die immerhin denkbare Erstreckung des Schutzbereichs auf (fremde) Sa-

bàude fuhrt. Ob die damit offenbar angezogene Brandübertragungsgefahr auf andere Gebäude den Schutzzweck des § 306 Nr.l a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.2) mit beeinflußt, scheint fraglich, aber nicht ausgeschlossen. Eine Übertragungsgefahr ist nicht tatbestandlich benannt. Da von § 306 Abs. 1 Nr.2 (§ 306 Nr.l a.F.) ausnahmslos erfaßte Kirchengebäude nicht durchgängig in der Nachbarschaft weiterer Gebäude errichtet zu werden pflegen, wäre eine unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten sehr abstrakte Gefahr der Rechtsgutsbeeinträchtigung geschützt. Vgl. aber Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307, 322 und 333 zu der von der Staatsrats-Kommission vorgeschlagenen Fassung des § 337 des Entwurfs von 1845 und § 353 des Entwurfs von 1846, die den Kirchenbrand in derselben Strafhorm wie die Brandstiftung mit Brandübertragungsgefahr auf bewohnte Gebäude regeln wollten; siehe näher unten 2.Kap.C.I. 140 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 7; ähnlich Geerds, Brandstiftung, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 28; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 42 Fußn. 77. 141 Vgl. oben Einl.B.II. zu 3. 142 Horn,, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 2. 143 Dementsprechend berufen sich die in Fußn. 140 genannten Sehr oeder und Bruch jeweils aaO. auch auf Horn (Fußn. 142), ohne auf die von Horn gebrauchte, abweichende Formulierung einzugehen. 144 Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 2; Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 162.

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" chen von bedeutendem Wert 1 4 5 erforderte keine Modifikationen. Sub specie abstraktem Gefährdungdelikt kann Eigentumsschutz allerdings lediglich insoweit gemeint sein, als es um das Sacheigentum an solchen Gegenständen geht, die nicht mit dem Brandobjekt (Tatobjekt) identisch sind. Schützte § 306 a Abs. 1 Nr.l auch das Eigentum am Tatobjekt selbst, läge insoweit lediglich ein schlichtes Verletzungsdelikt ([rechtsgutsbezogen] kombiniert mit einem abstrakten Gefährdungsdelikt) und kein (ausschließlich) abstraktes Gefährdungsdelikt vor. Die Tatbestandsstruktur des § 306 a Abs. 1 Nr.3 entspricht der der Nr.l mit der Maßgabe, daß die Tatobjektsqualität durch die Tatzeitkomponente mit bestimmt ist. Auf §§ 306 b Abs. 2, 306 c ist an dieser Stelle nicht näher einzugehen. Die zusätzlich notwendigen Tatbestandsmerkmale bauen auf der Deliktsstruktur des § 306 a Abs. 1 vollständig auf. (2) Plastisch wird der Gedanke des über das Tatobjekt vermittelten Rechtsgutsangriffs anhand der die Merkmale konkrete Rechtsgutsgefahr bzw. Rechtsgutsverletzung enthaltenden Brandstraftatbestände (§§ 306 a Abs. 2, 306 b Abs. 1). Die geforderte konkrete Gefahr bzw. Verletzung beziehen sich jeweils auf die Gesundheit. Ursache der drohenden oder eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigung ist der mittels Brand (Inbrandsetzen oder Brandlegung) bewirkte Angriff auf die in den entsprechenden Grundtatbeständen (§§ 306 Abs. 1, 306 a Abs. 1) normierten Tatobjekte. Eine nicht über das Tatobjekt vermittelte Beeinträchtigung der Gesundheit erfassen die eingangs dieses Absatzes genannten Tatbestände - anders als § 306 Abs. 2 in der Version des ursprünglichen Regierungsentwurfs (RegE), 146 der auch den unmittelbaren Brandangriff auf das Rechtsgut/den Rechtsgutsträger (Anzünden des zuvor mit Benzin übergossenen Tatopfers) beinhaltete - 1 4 7 nicht. (3) Im Gegensatz zu den bisher betrachteten Tatbeständen des neuen Brandstrafrechts sperrt sich § 306 Abs. 1 einer glatten Einbindung in das gemeinsame tatbestandsstrukturelle System des Brandstrafrechts. Tatbestandlich verlangt ist das Inbrandsetzen bzw. die wenigstens partielle Zerstörung des in fremden Eigentum stehenden Tatobjekts durch Brandlegung. Die Eingrenzung der tauglichen Tatobjekte auf täterfremde ist ein gewichtiges Indiz, § 306 Abs. 1 ausschließlich als eine durch die Art des verwendeten Tatmittels herausgehobene Sachbeschädigung zu betrachten. Geschütztes Rechtsgut wäre das Eigentumsrecht an eben dem Tatobjekt. Wegen des gegenständlichen Zusammentreffens 145

Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 162; Spöhr, MDR 1975, S. 193 f. BT-Drucks. 13/8587 S. 11. 147 Kritisch zu dieser Konzeption Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 ff. 146

C. Strukturen der Brandstraftatbestände von Tatobjekt und Rechtsgut könnte von einem vermittelten Rechtsgutsangriff berechtigterweise nicht gesprochen werden. Ein Ergebnis, das im Hinblick auf die Verifizierung der aufgestellten These unerfreulich sein mag, aber angesichts der handgreiflichen Orientierung des § 306 Abs. 1 an § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. kaum überrascht. Interpretierten doch Rechtsprechung und Schrifttum § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. (sog. unmittelbare Brandstiftung) nahezu unisono als Fall einer - durch das eingesetzte Tatmittel - qualifizierten Sachbeschädigung.148 Geschütztes Rechtsgut sollte das Eigentum an den inbrandgesetzten Tatobjekten sein. Der Deliktskategorie nach war die unmittelbare Brandstiftung demnach sowohl in einem tatobjekts- als auch in einem rechtsgutsbezogenen Sinne Verletzungsdelikt. 149 Versuche, § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. abweichend vom Dogma der qualifizierten Sachbeschädigung zu bestimmen, die sich für das Verständnis von § 306 Abs. 1 im Sinne der „Rettung" der von mir behaupteten nomstrukturellen Gemeinsamkeiten nutzbar machen ließen, finden sich selten. Die unmittelbare Brandstiftung - so Kratzsch - 1 5 0 sei kein Spezialfall der Sachbeschädigung, sondern bezwecke die "Verhinderung einer Gemeingefahr für Eigentum, Leben und Gesundheit eines (?, H.R.) anderen". 151 Die durch das Inbrandsetzen verletzten

148

Wolff in: LK, § 308 Rdnr. 1; Lackner/Kühl, § 308 Rdnr. 3; Horn, in: SK-StGB, § 308 Rdnr. 2; Tröndle, § 308 Rdnr. 2; Geppert, Jura 1989, S. 473, 474 u. 478; ders., Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187; Geerds, Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 28; ders., Fahrlässigkeitsbrände, in: Grundlagen d. Kriminalistik, Band 8/1, S. 37, 49; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 203 f.; vgl. aber auch Binding, Strafrecht, Bes. Teil, 2.1., S. 11. 149 Anders Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 378; § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. (§ 306 Abs. 1 entspricht seiner Vorgängerregelung tatbestandsstrukturell weitestgehend) wähle für den Schutz von Eigentum die Form des abstrakten Gefährdungsdelikts. Wenn es um Eigentumsschutz ausschließlich bezüglich der in Brand gesetzten in täterfremden Eigentum stehenden Tatobjekte gehen sollte, ist die Kategorisierung unrichtig; vgl. aber auch Kratzsch, JR 1987, S. 160, 164 Fußn. 38 und die Ausführungen hier in Fußn. 151. 150 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 364 Fußn. 38. 151 Kratzsch, aaO., einschränkend aber offenbar ders., JuS 1994, S. 372, 378; "Wenn § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. (§ 306 Abs. 1) auch für den Schutz von Eigentum die Form des abstrakten Gefährdungsdelikts vorsieht, so erscheint dies heute kaum mehr begründbar. Mit Recht wird seine ersatzlose Streichung gefordert." Die noch in JR 1987, S. 360, 364 Fußn. 38 enthaltene Bezugnahme auch auf den Schutz von Eigentum und Gesundheit vor Gemeingefahr ist in dem neueren Beitrag nicht mehr enthalten. Die Forderung nach ersatzloser Streichung wegen nicht mehr zeitgemäßen Eigentumsschutzes qua abstraktem Gefährdungsdelikt deutet m:E. darauf hin, daß Kratzsch an dem zusätzlich auf Leib und Leben bezogenen Schutzzweck des § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. (§ 306 Abs. 1) nicht mehr festhalten wollte. Die Kategorisierung derfrüher sog. unmittelbaren Brandstiftung als abstraktes Gefährdungsdelikt findet sich auch etwa bei Frank, § 308 Anm.I, ohne mitzuteilen, welches Rechtsgut abstrakt gefährdet werde. Ähnlich auch Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 27 f. mit Fußn. 179; § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. als Sachbeschädigung der besonderer Art, die lediglich typischerweise mit weiterer (?) Gefährdung fremden Eigentums verbunden ist; in

. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" Tatobjekte fielen bei einer solchen Betrachtungsweise nicht mit dem bzw. den geschützten Rechtsgütern zusammen, sondern der Tatobjektsangriff vermittelte den Angriff auf die Rechtsgüter. Der Eintritt mindestens konkreter Gemeingefahr bezogen auf die von Kratzsch aufgeführten Rechtsgüter ist offensichtlich als Tatbestandsmerkmal nicht vorausgesetzt, so daß die unmittelbare Brandstiftung Rechtsgutsbezogen abstraktes (gemeingefährliches) Gefährdungsdelikt wäre. Eine solche Schutzzweckbestimmung „rettete" zwar die § 306 Abs. 1 einschließende kongruente Normstruktur aller Brandstraftatbestände, kann aber nicht recht überzeugen. Wenigstens bleibt erklärungsbedürftig, aus welchem Grund teilidentisch normierte Tatobjekte und angeblich mindestens teilidentische Rechtsgüter (Leben und Gesundheit) in § 306 Abs. 1 und § 306 a Abs. 1 ebenso wie zuvor in § 308 Abs. 1 I.Alt und § 306 jeweils a.F. - bei identischen Tathandlungen mittels identischer Schutztechnik (abstraktes Gefährdungsdelikt) durch zwei unterschiedliche Tatbestände mit gravierend divergierenden Strafrahmenobergrenzen geschützt werden sollten. Normstrukturelle Konformität des § 306 Abs. 1 ließe sich allerdings durch einen Perspektivenwechsel bei der Schutzrichtung der Brandstiftungsdelikte erreichen; der Blick müßte sich von dem Individualrechtsgutsschutz hin zu einem eher kollektiv ausgerichteten Schutz wenden. Behauptet man, wie zur alten Rechtslage gelegentlich vertreten, die Brandstiftungsdelikte insgesamt richteten sich weniger gegen Individualrechtsgüter einzelner Menschen, sondern im Sinne eines Sozialdelikts gegen die Allgemeinheit (Schutz allgemeiner Sicherheit von Menschen und großen Sachwerten), 152 wäre - trotz Zweifeln an der Systemkonformität der unmittelbaren Brandstiftung (§ 308 Abs. 1 l.Alt a.F.) bei den Vertretern der referierten Auffassung - 1 5 3 das tatbestandlich-gesetzestechnische Grundmuster der Brandstiftungstatbestände selbst für § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. diesem Sinne auch Teile des älteren Schrifttums Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 274; Wanjeck, GS 31 (1879) S. 1, 24 "Gemeingefahr für fremdes Eigentum"; wegen der - offenbar jenseits der Eignung im Sinne der 2. Alt. des früheren § 308 Abs. 1 gemeinten - Gefahr der Ausbreitung des Brandes Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 612; Schaper, in: v.Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, 3.Band, S. 879. Worauf die typische Gefährdung weiteren fremden Eigentums abzielt, ist nur schwer auszumachen. Da es bei der unmittelbaren Brandstiftung auf eine Brandübertragungsgefahr nicht ankommt, mithin z.B. auch vollständig isoliert stehende Gebäude taugliche Tatobjekte sind, kann es sich lediglich um die dem Tatmittel Feuer immanente typische Unkontrollierbarkeit seiner Wirkungsweise handeln, die eine abstrakte Eigentumsgefährdung ausmachen soll. 152 Vgl. Geerds, Die Brandstiftung, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 28; Geerds/Groß, Handbuch der Kriminalistik, Band I, S. 368; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 205 f. 153 Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 211; vgl. auch Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 378, der allerdings § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. (§ 306 Abs. 1) in dem genannten Beitrag als abstraktes Eigentumsgefährdungsdelikt versteht (oben Fußn. 151).

C. Strukturen der Brandstraftatbestände und damit auch für den ihm nachgebildeten § 306 Abs. 1 vorhanden. Wie immer ein Rechtsgut "Schutz der Allgemeinheit" vor Lebens-, Leibes- und bedeutenden Sachgefahren inhaltlich zu konturieren sein mag, der mittels Brand verübte Angriff auf das Tatobjekt kann den Angriff auf ein solches Rechtsgut lediglich vermitteln. Die Vorstellung des Zusammenfallens von Tatobjekt und Rechtsgut "paßt" für Individualrechtsgüter, nicht aber für Universalrechtsgüter. Trifft die Erwägung des Schutzes der Allgemeinheit durch die Brandstiftungsdelikte zu, fallen die tatbestandlich benannten Handlungsobjekte und das geschützte Rechtsgut auseinander. Die Sicherheit der Allgemeinheit wird angegriffen, indem ein Tatobjekt in Brand gesetzt wird. Ob jede Vornahme einer tatbestandsmäßigen Handlung eine konkrete Gefährdung, gar Verletzung der Sicherheit der Allgemeinheit herbeiführt oder es bei einer abstrakten Gefahr bewendet, bliebe zu klären, um den Deliktscharakter des § 306 Abs. 1 zu bestimmen. 154 Die Tatbestandsstruktur der unmittelbaren Brandstiftung entspräche bei einer solchen Rechtsgutsbestimmung aber unabhängig davon in ihrem Grundmuster dem der übrigen Brandstraftatbestände. Im Hinblick auf die bisherigen normtheoretischen Überlegungen bedarf § 306 d keiner eigenständigen Untersuchung. Strukturell folgt die fahrlässige Begehungsweise der jeweils korrespondierenden vorsätzlichen Brandstiftung. (4) Die Existenz des tatbestandsstrukturellen Grundmusters der Brandstiftungsdelikte ist für § 306 f trotz des obigen zu §310 a a.F. gebildeten Beispiels 155 nicht ohne Schwierigkeiten nachzuweisen. Zunächst besteht der Unterschied zu den bislang erörteren Tatbeständen in der Substitution der ansonsten erforderlichen Verletzung (Inbrandsetzen/Zerstörung durch Brandlegung) des Tatobjekts durch die konkrete Gefährdung ebendieses. Das ist jedoch ein ausschließlich die Tatobjektsebene betreffender und damit für die Überprüfung der Vermittlungshypothese allein nicht aussagekräftiger Aspekt. Betroffen ist die Behauptung eines über den Tatobjektsangriff vermittelten Rechtsgutsangriffs aber durch die Differenzierung in tätereigene und täterfremde Tatobjekte sowie die daran anknüpfenden divergierenden tatbestandlichen Voraussetzungen in Abs. 1 und Abs. 2. Ist für § 306 f Abs. 1 die konkrete Gefährdung eines für den Täter fremden Objekts notwendig aber auch hinreichend, scheint Abs. 1 nicht allein tatobjektsbezogen, sondern auch rechtsgutsbezogen konkretes (Eigentums)Gefährdungsdelikt zu sein. Eine derartige Schutzzweck- und De154 Denkbar ist mit Kindhäuser, Gefährdung, S. 272 ff. von einer Selbstzwecknorm auszugehen und in jeder tatbestandsmäßigen Handlung eine Beeinträchtigung der Sicherheit der Allgemeinheit zu sehen, siehe auch Binding, Normen I, S. 393 f. Vorstellbar ist aber auch eine den abstrakten Gefährdungsdelikten mit sog. vergeistigtem Zwischenrechtsgut entsprechende Sichtweise, daß es einer Vielzahl von Tathandlungen bedarf, um von einer Verletzung des Rechtsgutes sprechen zu können; vgl. oben Einl.B.II zu 3. 155 Text nach Fußn. 120.

0

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

liktstypenbestimmung entspricht der Vorstellung des Reformgesetzgebers, der die Restriktion des Anwendungsbereichs im Vergleich zu § 310 a a.F. durch die Einfügung einer konkreten - aus der konkreten Brandgefahr nicht täterfremder Brandobjekte resultierenden - Rechtsgutsgefahr auf die Notwendigkeit eines vermeintlichen Wertungswiderspruchs des alten Rechts stützt: sei das Inbrandsetzen tätereigener Objekte allein bei abstrakter (§ 306 a.F.) oder teilkonkretisierter (§ 308 Abs. 1 2.Alt. a.F.) Gefahr für Leib oder Leben strafbar, könne offenbar a maiore ad minus gemeint - für das zeitlich dem Inbrandsetzen/der Brandlegung vorausgehende Herbeiführen einer Brandgefahr nichts anderes gelten. 156 . Die Überzeugungskraft der Argumentation in der Begründung des Entwurfs zum 6. StrRG mag an dieser Stelle dahinstehen.157 Normtheoretisch ist auf der Grundlage dieses Verständnisses § 306 f Abs. 1 offensichtlich mit der üblichen Tatbestandsstruktur nicht kompatibel. Reicht für Abs. 1 die konkrete Gefahr des Inbrandsetzens/der Brandlegung in fremden Eigentum stehender gesetzlich abschließend benannter Tatobjekte hin, während bei konkreter Brandgefahr nicht täterfremder identisch normierter Tatobjekte eine konkrete Rechtsgutsgefahr für Leben oder Gesundheit wenigstens aber wertmäßig bedeutendes fremdes Sacheigentum hinzutreten muß (Abs. 2), sprechen die Differenzierung nach den Eigentumsverhältnissen und die daran anknüpfenden divergierenden tatbestandlichen Anforderungen für eine ausschließlich auf Eigentum gerichteten Schutz durch Abs. 1. Wegen des gegenständlichen Zusammentreffens von Handlungsobjekt und Rechtsgut/Rechtsgutsträger bleibt die Anwendbarkeit des Vermittlungsgedankens ausgeschlossen. Ob der Schutzzweck des § 306 f anders, als soeben entwickelt, gedeutet werden kann, muß zunächst dahinstehen.158 Angedeutet sei jedoch, daß - die bisherige Deutung als vorzugswürdig unterstellt - der Gesetzgeber des 6. StrRG den Schutzzweck des § 306 f in Abs. 1 und Abs. 2 gravierend anders, als zu § 310 a a.F. vielfach vertreten, ausgerichtet hat. Gestützt auf die Entstehungsgeschichte des § 310 a a.F., der durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 28. Juni 1935 159 in das StGB eingefügt und durch das Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches vom 04. September 1941 160 um die zentralen Voraus-

156 BT-Drucks. 13/8587 S. 49 unter Berufung auf einige Stimmen in der Literatur, die ein solches Verständnis - entgegen dem Wortlaut, dem Willen des historischen Gesetzgebers und dem Telos des § 310 a a.F. - zu Unrecht bereits dem früheren Recht beilegen wollten; dagegen knapp Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 32 f. 157 Dazu näher unten 5.Kap.A. und B. 158 Zur Interpretation des § 306 f unten 5.Kap.A. und B. 159 RGBl. I, S. 839, 841. 160 RGBl. I, S. 549, 550.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

1

Setzungen der „feuergefährdeten Betriebe und Anlagen" ergänzt worden ist, 1 6 1 fand sich vielfach die Bewertung, die Vorschrift diene dem „Schutz der Allgemeinheit vor Gemeingefahr", 162 gesetzgeberisches Motiv für die Übernahme des Tatbestandes in das StGB sei der Schutz der Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum gewesen163 oder stärker kollektivistisch orientiert, Rechtsgut sei der „Schutz von Industriebetrieben und -anlagen vor Feuer im Interesse der gesamten Volkswirtschaft 164 bzw. den „Schutz der Ernährungs- und Forstwirschaft (wiederum) im Interesse der Volkswirtschaft. 165 Mit solchen stark überindividuell bzw. kollektivistisch ausgerichteten Schutzzweckbestimmungen166 wäre der Gedanke des vermittelten Rechtsgutsangriffs ohne weiteres kompatibel. Prima vista hat der Reformgesetzgeber § 306 f an einem anderen Schutzzweck ausgerichtet. Das ist als gesetzgeberische Entscheidung nicht nur hinzunehmen, sondern auch rechtspolitisch vertretbar. Bedenklich stimmt jedoch das -jedenfalls in den veröffentlichten Materialien zum 6. StrRG - Fehlen jeglicher Reflexionen des Gesetzgebers über den mit § 306 f intendierten Rechtsgüterschutz. § 306 f Abs. 2 fügt sich im Gegensatz zu Abs. 1 in den Vermittlungsgedanken ein. Ist die Strafbarkeit der Herbeiführung konkreter Brandgefahr tätereige-

161

Zur Entstehungsgeschichte Schäfer, JW 1936, S. 2478, 2481; Schmidt-Leichner, DR 1941, S. 2145, 2149; siehe auch Rietzsch, in: Pfundtner/Neubert, Das Deutsche Reichsrecht, Band 7, II c 6, S. 184 Anm. 1 a.E. 162 Cramer , in: Schönke/Schröder, § 310 a Rdnr. 1. 163 Horn,, in: SK-StGB, § 310 a Rdnr. 2. 164 OLG Stuttgart, MDR 1994, S. 713, 714 m.w.N.; diese Bewertung gibt die gesetzgeberische Intention bei der Änderung von 1941 (siehe Fußn. 160) richtig wieder, sie leidet aber daran, die kriegsbedingte durch Mangel charakterisierte Sondersituation, auf der die Vorstellung des nationalsozialistischen Gesetzgebers beruhte, unzutreffend in eine nicht durch Mangel gekennzeichnete Lebenswirklichkeit zu transferieren; offenbar unter Berücksichtigung dessen hat BGHSt 39, 128 versucht, die Schutzrichtung des §310 a a.F. zu „modernisieren" und erwogen, ökologische Gesichtspunkte in die Rechtsgutsbestimmung einzubeziehen. 165 Wolff in: LK, § 310 a Rdnr. 1 166 Unter diese Einordnung fällt auch die Auffassung Cramers (oben Fußn. 162), weil zwar Gemeingefahr für individuelle Rechtsgüter gemeint sein mag, aber Gemeingefahr mindestens auch durch die individuelle Unbestimmtheit (Überindividualität) der Rechtsgutsträger bestimmt ist (näher unten l.Kap.C.II.3. a. und c.); daher rührt der überindividuelle Zug in der Cramerschen Schutzzweckbestimmung. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung Cramers, aaO., u.a. (etwa Horn, in: SK-StGB, § 310 a Rdnr. 3; Welzel, Deutsches Strafrecht, S. 456), die der Reformgesetzgeber aufgegriffen und der Reform zugrundegelegt hat, bei (konkreter) Brandgefahr tätereigener Objekte allein im Falle des - fiktiven - Vorliegens der Voraussetzungen von § 306/§ 308 Abs. 1 2.Alt jeweils a.F. zu bestrafen, nicht nachvollziehbar; dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 32 f. 6 Radtke

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" ner oder herrenloser 167 Tatobjekte, die in Bezug auf das Rechtsgut Eigentum strafrechtlich insoweit keine Relevanz hat, von einer konkreten Lebens-, Leibesbzw. bedeutenden Sachgefahr abhängig, so ist dieser mindestens bis zum Stadium der konkreten Gefahr gediehene Rechtsgutsangriff durch den Angriff auf das Tatobjekt vermittelt. d) Zwischenergebnis Mit den vorstehenden Erwägungen zur unmittelbaren Brandstiftung schließt sich fürs Erste der zu Eingang des Kapitels eingeschlagene Gedankengang. Wer die Behauptung aufstellt, die Brandstiftungsdelikte dienten primär dem Schutz überindividueller Werte der Allgemeinheit, beruft sich zur Begründung auf den gemeingefährlichen Charakter der Brandstiftung. 168 Bezüglich § 306 Abs. 1 und § 306 f Abs. 1 hat sich angedeutet, daß eine den übrigen Brandstraftatbeständen parallele Tatbestandsstruktur allenfalls dann naheliegt, wenn geschütztes Rechtsgut die "Sicherheit der Allgemeinheit" vor Gemeingefahren für Leben, Leib und Eigentum oder der Schutz bestimmter Anlagen und Betriebe etc. im Interesse der gesamten Volkswirtschaft ist. Für ein sachgerechtes Verständnis der Brandstiftungsdelikte ist die Klärung von Inhalt und Bedeutung der Gemeingefahr bzw. genauer der generellen Gemeingefährlichkeit bei diesen Tatbeständen unerläßlich. Dem trägt der hier verfolgte Ansatz, die Relevanz der systematischen Stellung der Straftatbestände über die Brandstiftung im Abschnitt über die gemeingefährlichen Delikte zu klären, Rechnung. 2. Tathandlung und kasuistisch normierte Tatobjekte Brandstiftungsdelikte sind nach der äußeren Fassung ihrer Tatbestände durch die Verbindung einer kasuistischen Aufzählung der Tatobjekte mit feststehenden - Ausnahme § 306 f -, stets gleichen Tathandlungen, dem Inbrandsetzen und seit der Reform durch das 6. StrRG das gänzliche oder partielle Zerstören eines Tatobjekts durch Brandlegung, gekennzeichnet. Diese äußere Gemeinsamkeit wurzelt, soweit es um die „klassische" Tathandlung des Inbrandsetzens geht, zum einen in der Tradition der gesetzlichen Regelung der Tatbestände seit dem für das heutige Recht in weiten Teilen noch vorbildlichen Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten von 1851 und ist zum anderen äußerliches Kennzeichen einer gemeinsamen Struktur der Deliktsgruppe, die in ihrem Kern in der Erfas167 Anders als noch § 306 c Abs. 2 RegE (BT-Drucks. 13/8587 S. 12) enthält § 306 f Abs. 2 keine Beschränkung auf tätereigene Objekte mehr, so daß Herrenlosigkeit problemlos zu subsumieren ist. 168 Besonders deutlich Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 204 ff. und Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 40.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände sung - auf Grund des Einsatzes des Tatmittels Feuer - generell gemeingefährlicher Verhaltensweisen für die jeweils geschützten Rechtsgüter besteht. Aufbauend auf dieser übereinstimmenden Tatbestandsstruktur variieren die verschiedenen Tatbestände sowohl nach dem jeweils geschützten Individualrechtsgut, bezüglich dessen die entsprechende Tathandlung generell gefährlich ist, als auch nach der - in der Einschätzung des Gesetzgebers - verschieden hohen Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes. Angesichts der Unterschiedlichkeit der jeweils benannten Tatobjekte sind die in den entsprechenden Brandstiftungstatbeständen geschützten Individualrechtsgüter durch einen Rückschluß von den spezifischen Eigenschaften der Tatobjekte im Hinblick auf die in Frage kommenden Rechtsgüter her ermittelbar. Die zu untersuchende These geht dahin, die Auswahl der in den verschiedenen Brandstraftatbeständen normierten Tatobjekte sei nach Maßgabe der Wahrscheinlichkeit einer (Individual-) Rechtsgutsverletzung im Falle des Inbrandsetzens/der Brandlegung des jeweiligen Tatobjekts erfolgt. Die zweite These über die Tatbestandsstruktur der Brandstiftungsdelikte bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen der Auswahl der Tatobjekte und der Gemeingefährlichkeit der Tathandlungen der Brandstiftung. Sie lautet: Der Gesetzgeber hat die Tatobjekte so ausgewählt, daß deren Inbrandsetzen angesichts der Unbeherrschbarkeit des weiteren Kausalverlaufs typischerweise gemeingefährlich ist. Zum Beleg dieser zweiten These werden die Inhalte einer generell gemeingefährlichen Handlung zu klären und die Unterschiede zwischen einer lediglich für Individualrechtsgüter generell gefährlichen Tathandlung und einer gemeingefährlichen Tathandlung herauszuarbeiten sein. Zunächst gilt es jedoch die erste These über das Verhältnis von Tathandlung, Tatobjekt und den jeweils geschützten Individualrechtsgütern zu verdeutlichen. Dazu bietet sich § 306 a Abs. 1 N r . l , bei dem die angesprochene Deliktsstruktur besonders ausgeprägt ist, an. §306 a Absl Nr.l benennt Tatobjekte, deren Inbrandsetzung/Zerstörung durch Brandlegung in dem oben beschriebenen Sinne generell für die Rechtsgüter menschliches Leben und menschliche Gesundheit gefährlich ist. Denn es handelt sich um Objekte, in denen Menschen sich wegen des Wohnzwecks typischerweise besonders häufig aufhalten. 169 Die Tathandlung des Inbrandsetzens solcher Tatobjekte ist generell gefährlich, weil ex ante nicht sicher bestimmbar und für den Täter nicht kontrollierbar ist, daß die mögliche rechtsgutsbeeinträchtigende Wirkung der Handlung auf einen bestimmten Rechtsgutsträger begrenzt bleibt. Ex ante sind Beeinträchtigungen des geschützten Rechtsgutes bei weiteren Rechtsgutsträgern nicht auszuschließen. Da die benannten Tatobjekte anders als in § 306 Abs. 1 - durchgängig typische und ohne zeitliche Eingren169

Vgl. Goltdammer, Die Materialien zum StGB f.d. preußischen Staaten, Teil II, S. 640. 6*

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" zung Aufenthaltsorte von Menschen sind, schützt §306 a Abs. 1 Nr.l die Rechtsgüter menschliches Leben und menschliche Gesundheit. Das Anzünden eines der benannten Tatobjekte vermittelt den Angriff auf die geschützten Rechtsgüter ohne weiteren Zwischenschritt. Die Gesetzestechnik der Koppelung der Tathandlung des Inbrandsetzens/Zerstörens durch Brandlegung bzw. der Schaffimg konkreter Brandgefahr (§ 306 f) mit bestimmten tatbestandlich benannten Tatobjekten zum Zwecke der Normierung generell gemeingefährlicher Verhaltensweisen ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf die tatsächlichen Besonderheiten des Einsatzes des Tatmittels Feuer, seine typischerweise bestehende Unkontrollierbarkeit und seine typischerweise hohe Wirkkraft. 170 In einer der Intention des historischen Gesetzgebers von 1851 durchaus entsprechenden Weise haben die Schöpfer des 6. StrRG auf die Unvollkommenheiten des überkommenen Inbrandsetzens in den Konstellationen der Verwendung des Tatmittels Feuer an bzw. in Tatobjekten mit selbst nicht brennbaren bestandswesentlichen Teilen reagiert, 171 um durch die Erweiterung des Kreises der Tathandlungen nicht einen Teil von Verhaltensweisen, deren generelles Gemeingefährlichkeitspotential nicht hinter dem des Inbrandsetzens der benannten Tatobjekte zurückbleibt, aus der Tatbestandsmäßigkeit herausfallen zu lassen. Dabei gilt auch bezüglich der wenigstens partiellen Zerstörung des Tatobjekts durch eine Brandlegung, daß den neuen Tathandlungen generelle Gemeingefährlichkeit zugeschrieben wird. D.h. der Gesetzgeber geht aufgrund seiner Alltagserfahrung davon aus und darf davon ausgehen, in einer bestimmten Zahl von Fällen kommt es infolge der Ausführung der Tathandlung zu einer Beeinträchtigung der tatbestandlich geschützten Rechtsgüter einer ex ante nicht fixen oder fixierbaren Anzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger. Die Sanktionierung bereits generell gefährlicher Verhaltensweisen unter Verzicht auf das Erfordernis des Eintritts konkreter Rechtsgutsgefahr ist angesichts der aus den beschriebenen tatsächlichen Besonderheiten resultierenden Unmöglichkeit, die Auswirkungen der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung auf das geschützte Rechtsgut ex ante sicher zu bestimmen, eine besonders effektive Technik zum Schutz der bedrohten Individualrechtsgüter. Die lex lata mit der Statuierung abstrakter Gefährdungsdelikte bei kasuistischer Aufzählung bestimmter Tatobjekte und übereinstimmenden (Ausnahme § 306 f) Tathandlungen ist jedoch nicht die einzige faktisch wirksame und zugleich rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechende Geset170

Zu diesen Besonderheiten der den Brandstiftungsdelikten zugrundeliegenden tatsächlichen Gegebenheiten oben l.Kap.C.I.; in der Sache insoweit übereinstimmend Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 375 und 379 sowie ders., JR 1987, S. 360, 363; vgl. auch Lackner, Die Brandstiftungsdelikte nach dem E 1960, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289, 291. 171 Siehe dazu bereits oben l.Kap.C.I. 1. Text nach Fußn. 88 sowie unten 2.Kap.A.II.2.c.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände zestechnik zur Abwehr der aus Brandstiftungen drohenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen. 172 Ein Blick auf die jüngere historische Entwicklung der Brandstiftungsdelikte einerseits und die vorerst gerade beendete Geschichte der bis zu dem 6. StrRG stets gescheiterten Reform versuche dieser Tatbestände andererseits zeigt, daß legislatorische Strategien zur gesetzestechnischen Umsetzung der erkannten faktischen Strukturen sich mit großer Beständigkeit zwischen den beiden Polen des konkreten Gefährdungsdelikts und des abstrakten (gemeingefährlichen) Gefährdungsdelikts bewegt haben. Die Statuierung als rechtsgutsbezogen konkretes Gefährdungsdelikt erübrigte weitestgehend die Benennung von Tatobjekten 173 . Die Ausgestaltung als abstraktes Gefährdungsdelikt meinte bis auf wenige Ausnahmen nicht auf die kasuistische Form des Gesetzes verzichten zu können. a) Gesetzes- und Reformgeschichte des Brandstrafrechts (1) Die erste (auch) gesamtdeutsche Kodifikation eines Brandstiftungstatbestandes174 normierte das Delikt mit fast unglaublicher Rigidität, aber in konsequenter Umsetzung des Prinzips der "spiegelnden Strafe". 175 Art. 125 CÇC Straff der Brenner - Item die bosshaftigen überwunden brenner sollen mit dem Fewer vom leben zum todt gericht werden. An das Vorbild, nach Tatobjekten zumindest für die Art der Strafe differenzierender Normierungen der Brandstiftung, wie sie offenbar bereits im römischen Strafrecht, 176 aber auch in mittelalterlichen Stadtrechtsbüchern des deutschsprachigen Siedlungsraums erfolgten, 177 wurde nicht angeknüpft. Nach der für die Gerichte weithin maßgeblichen Auslegung der Carolina durch Carpzov erfaßte Art. 125 CCC jede vorsätzliche Brandstiftung, ohne Rücksicht

172

So aber Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 379. Mischformen enthielt etwa der E 1960, der grundsätzlich von konkreten Gefährdungsdelikten ausging, es für "gewisse wichtige Objekte" aber bei einer abstrakten Gefährdung bewenden lassen wollte, dazu Lackner, Die Brandstiftungsdelikte nach dem E 1960, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289, 293. 174 Zur Regelung der Brandstiftung im römischen Recht, den germanischen Volksrechten (leges barbarorum) sowie einzelnen Stadtrechten vgl. ausführlich Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 1-17; Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 16-21; Timcke, Straftatbestand der Brandstiftung, S. 1 ff., 12 ff. 175 Vgl. His, Strafrecht des deutschen Mittelalters, Teil II, S. 354 m.w.N. 176 Timcke, Straftatbestand der Brandstiftung, S. 2-5. 177 Siehe His, Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 351 und 355; Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 19; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 13. 173

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" auf Tatobjekt und Ausmaß der Gefahr; Brandstiftung in der Stadt führte ebenso zur Strafe des Feuertodes wie die dolose Brandlegung auf dem Lande; selbst das Inbrandsetzen unbewohnter Scheunen und die Brandstiftung an Holzhaufen u.ä. zogen den Feuertod nach sich, ohne daß es auf den Eintritt einer Gefahr für Rechtsgüter anderer angekommen wäre. 178 Die von der gemeinrechtlichen gerichtlichen Praxis anerkannten Möglichkeiten, Verhängung und Vollzug des Feuertodes zu vermeiden, hielten sich in sehr engen Grenzen und knüpften vor allem an Defizite bei der Schuldfähigkeit des Täters an, 1 7 9 nicht aber an eine unterschiedliche Gefährdung oder Verletzung von Rechtsgüter durch den Brand, die vom Täter mit dem Brand verfolgte Intention oder die Art und Weise der Tatbegehung (etwa Tatausführung an einem Wohnhaus zur Nachtzeit etc.). Die Forderung, die Bestrafung wegen Brandstiftung vom Eintritt einer über den Brand des Tatobjekts hinausgehenden Gefahr abhängig zu machen, wurde soweit ersichtlich erstmals (wieder) in den Boehmerschen „meditationes" erhoben. 180 (2) Bei der Regelung der Brandstiftung in den (Straf-)Gesetzbüchern der deutschen Länder ab dem 18. Jahrhundert griff zuerst das Preußische Allgemeine Landrecht für Unterscheidungen nach Strafart und Strafhöhe auf verschiedene Tatobjekte, aber auch auf die Art der Tatausführung, die Intention der Täter sowie die durch die Tat eingetretenen Rechtsgutsverletzungen zurück. Das ALR regelte die Brandstiftungsdelikte in einem eigenen Abschnitt (Teil II, 20.Titel, 17.Abschnitt) von den "Beschädigungen mit gemeiner Gefahr" in §§ 1510 bis 1571. § 1510 nannte als Handlungsobjekte der - im Hinblick auf menschliches Leben gemeingefährlichen - (vorsätzlichen) Brandstiftung Wohnhäuser, Schiffe und Gebäude, worunter bewohnte Gebäude verstanden wurden. 181 Einzeln stehende unbewohnte Gebäude, Holzvorräte sowie Feld- und Gartenfrüchte waren Handlungsobjekte der nicht qualifizierten Brandstiftung in § 1522. Der in der Carolina die Regelstrafe bildende Feuertod war "nur" noch für "Mordbrennerei" 178

Vgl. Carpzov, practica nova, quästiones 38 n.28, 89. Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 22 mit Fußn. 103 unter Bezugnahme auf die practica nova von Benedict Carpzov und die Erläuterung der Carolina durch Johann Paul Kress . Zu den Fällen der Strafmilderung (üblicherweise Tod durch das Schwert anstelle des Feuertodes) Carpzov, practica nova, quästiones 39 "quibusnam in casibus poena incendii ordinaria sit mutiganda?" 180 Boehmer, meditationes, Art. 125 § 1, "praeterea incendium periculosum fuisse (Hervorhebung H.R..) oportet"; vgl. auch Geerds, aaO., S. 23 mit Fußn. 119. Über vom Carpzovschen Verständnis abweichende Vorschläge zur Einschränkung der rigorosen Strenge des Art. 125 CCC vgl. die Nachw. bei Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 20 f. vor allem Fußn. 78. In der Beurteilung Osenbrüggens aaO. griffen diese Interpretationsvorschläge zur Unterscheidung der nicht qualifizierten Brandstiftung, die nicht Art. 125 CCC unterfallen sollte, und der qualifizierten Brandstiftung der Carolina auf das römische Strafrecht zurück. 181 Goltdammer, Materialien zum StGB f.d. preuß. Staaten, Teil II, S. 638 mit Fußn. 1. 179

C. Strukturen der Brandstraftatbestände angedroht. 182 Mordbrennerei war das Hervorrufen einer Feuersbrunst in der Absicht, unter Begünstigung dieser einen Mord, Raub oder ein anderes mit Todesstrafe bedrohtes Verbrechen zu begehen (§§ 1512, 1513; abgesehen von der Feuersbrunst und der angedrohten Sanktion dem bis März 1998 gültigen § 307 Nr.2 a.F. nicht unähnlich). 183 Das Anlegen der Feuersbrunst an einem bewohnten Ort oder zu einer Zeit, zu der die Einwohner üblicherweise schlafen, wurde gleichfalls mit dem Feuertod bestraft, wenn es zum brandbedingten Tod von Menschen oder bleibenden Gesundheitsbeschädigungen gekommen war (§ 1514). § 1515 enthielt eine Milderung (Tod durch das Schwert mit anschließender Verbrennung der Leiche) für den Fall, daß die vorstehend genannten schweren Folgen bei einem nächtens gelegten Brand ausblieben. Ein Einfluß der Kritik der gemeinrechtlichen Strafrechtswissenschaft vor allem Boehmers an der undifferenzierten Regelung der Brandstiftung in Art. 125 CCC auf die kasuistische Ausgestaltung der Straftatbestände wider die Brandstiftung im ALR mit den skizzenhaft aufgezeigten Unterscheidungen, ist behauptet worden, 184 läßt sich den Materialien zum ALR aber nicht entnehmen.185 Die bis ins Detail gehende Regelung aller Lebensbereiche entsprach ohnehin der auf die Erstellung eines Zustandes "guter polizey" gerichteten Intention des ALR. Die gewählte Normierung dürfte daher weniger durch die wissenschaftliche Kritik an Art. 125 CCC geprägt, sondern. Ergebnis der im ALR allgemein verwendeten Gesetzestechnik und des Gesetzesverständnisses seiner Schöpfer sein. Dagegen scheint die Aufnahme der Brandstiftung in einen neuartigen und eigenständigen Abschnitt über die gemeingefährlichen Delikte durch die Erträge der gemeinrechtlichen Strafrechtswissenschaft zur Anwendung der Brandstiftung nach der Carolina mit beeinflußt zu sein. Indiz dafür ist das erstmalige deutliche Herausstellen des Gefahrmomentes der Brandstiftung bei Boehmer. 186 Unabhängig von den nicht völlig zu klärenden Gründe des Gesetzgebers des ALR, die Brandstiftung differenzierend nach Tatobjekten, Begehungsweise und Gefährlichkeit der Tat zu regeln, bleibt zweierlei festzuhalten: Die Kodifikation des ALR hat als erstes deutsches Gesetzbuch einen eigenständiger Abschnitt gemeingefährlicher Delikte geschaffen. Die §§ 1510 ff. ALR sind zudem in der

182 In früheren Kodifikationen bestand keine einheitliche Begriffsbestimmung des "Mordbrandes"; siehe dazu His, Strafrecht des deutschen Mittelalters, Teil II, S. 349352; Timcke, Straftatbestand der Brandstiftung, S. 16 f. 183 Kam es infolge der Feuersbrunst zum Tod von Menschen, konnte der Feuertod für die Täter noch verschärft werden, etwa durch Schleifen zur Richtstätte oder Kneifen mit glühenden Zangen. 184 Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 23 sieht einen unmittelbaren Niederschlag der Kritik an Art. 125 CCC im ALR; ebenso Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 17 f. 185 Geerds und Bruch jeweils aaO. nennen für ihre Sichtweise keinen Beleg. 186 Vgl. Fußn. 180.

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" Rückschau betrachtet traditionsbildend dafür geworden, die Brandstiftung qua kasuistisch benannter Handlungsobjekte in der Verbindung mit einer bestimmten Tathandlung unter Verzicht auf das tatbestandliche Erfordernis konkreter Rechtsgutsgefahr zu statuieren. (3) Beide systematischen Grundgedanken der Normierung der Brandstiftung im ALR haben sich in der Gesetzgebung der übrigen deutschen Staaten allerdings erst mit nicht unerheblicher Verzögerung durchzusetzen vermocht. 187 Das von Feuerbach geschaffene Gesetzbuch für das Königreich Bayern des Jahres 1813 regelte die Brandstiftung gesetzessystematisch - weitestgehend ohne Berücksichtigung der Gemeingefährlichkeit - als Eigentumsdelikt. 188 Einer der ersten Entwürfe zu einem preußischen StGB, der von 1830, hielt zwar an der Einordnung der Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt fest. § 475 des genannten Entwurfs sah das Verbrechen der Brandstiftung jedoch in Abkehr von der Kasuistik des ALR bei jedem (vorsätzlichen) Inbrandsetzen einer eigenen oder fremden Sache als erfüllt an. Lediglich eine Strafmilderung war vorgesehen, wenn eine Weiterverbreitung des Feuers oder eine Gefährdung von Menschen entweder nicht wahrscheinlich oder gar ausgeschlossen war. Diese zur Strafmilderung führenden Ausnahmen waren im Prozeß konkret nachzuweisen und sollten nach den Vorstellungen der zuständigen Gesetzes-RevisionsKommission nicht abstrakt schon durch Benennung bestimmter Gegenstände im Gesetz festzulegen sein. 189 Die Kommission ließ sich bei § 475 des Entwurfs

187 Vgl. Kitzinger, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Bes. Teil, S. 1, 2; anderer Akzent bei Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 24. 188 Siehe auch Feuerbach, Lehrbuch des Strafrechts, S. 300. 189 Goltdammer, Die Materialien zum StGB f.d. preuß. Staaten, Teil II, S. 639; v.Ullmann, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, S. 31, 42. Der Gedanke des Beweises fehlender konkreter Gefahr im Prozeß, wie er dem Entwurf 1830 ansatzweise zugrundeliegt, ist in späterer Zeit zunächst von Rabl, Gefährdungsvorsatz, S. 21 etwas vage als im Prozeß beweisbedürftige, dementsprechend auch widerlegbare Gefahrpräsumtion und später von Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7, 17 als Gegenbeweis der Ungefährlichkeit bei solchen abstrakten Gefährdungsdelikten, die dem Schutz bestimmter konkretisierter Objekte dienen und bei denen im Einzelfall mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob sie in Gefahr gebracht worden sind, wieder aufgegriffen worden. Sämtliche der genannten Überlegungen, abstrakte Gefährdungsdelikte prozessual über eine Zulassung des „Gegenbeweises" der Ungefährlichkeit bzw. des ausgebliebenen Gefahrerfolges einzuschränken, leiden an einem wesentlichen Mangel: Der Unklarheit darüber, wer die Beweislast für das Gelingen des „Gegenbeweises" zu tragen hat. Sollte gemeint sein, der Angeklagte sei beweisbelastet, wäre bei verbleibenden Zweifeln an der Ungefährlichkeit der Handlung bzw. dem Ausbleiben eines Gefahrerfolges konsequenterweise in dubio contra reum zu entscheiden. Zwingend ist aber eine Beweislast des Angeklagten nicht; nur bleibt bei allen in dieser Fußnote genannten Stimmen unklar, wen die Beweislast treffen soll. In bezug auf Rabl aaO. ebenso wie hier die Einschätzung von Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 23; ausführlich zu Rabl/Schröder unten 2.Kap.A.III.l.a.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände 1830 von dem Gedanken leiten, daß "das Gesetz von vorn herein jede (Hervorhebung im Original) Brandstiftung als eine gemeingefährliche anzusehen und zu behandeln habe, weil die Gefahr ftir Rettende, die Wirkung des Flugfeuers durch Wind, das Forttragen des Feuers durch Vögel (?, H.R.) und andere mögliche Zufälle sie dazu machten." 190 In praktischer Hinsicht sollte die Fassung des Entwurfs dem Täter zahlreiche Ausflüchte abschneiden und Auslegungsschwierigkeiten bei der Gesetzesanwendung vermeiden. Der Entwurf, der in dieser Form in keinem seiner zahlreichen Nachfolger vor dem Inkrafttreten des preußischen StGB 1851 wieder aufgegriffen worden ist, normiert ein abstraktes Gefährdungsdelikt in einer - bildhaft gesprochen - besonders abstrakten Fassung. Angesichts des Verzichts sowohl auf die tatbestandliche Festlegung bestimmter Tatobjekte, mit denen eine konkrete Gefährdung oder Verletzung bestimmter Rechtsgüter typischerweise verbunden ist, als auch auf die Aufnahme des Eintritts konkreter Rechtsgutsgefahr, ist (auf der Grundlage der Alltagserfahrung) die Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsverletzung deutlich geringer als bei abstrakten Gefährdungsdelikten mit einer Koppelung von Tathandlung und kasuistisch benannten Tatobjekten. Die erheblich geringere Wahrscheinlichkeit besteht jedenfalls dann, wenn die Auswahl der geschützten Tatobjekte anhand der Typizität der Verursachung einer Rechtsgutsverletzung bei Brandlegung eben an den ausgewählten Objekten erfolgt. Im Spektrum gesetzestechnischer Reaktionsmöglichkeiten auf die spezifischen faktischen Besonderheiten des Tatmittels Feuer ist § 475 des Entwurfs von 1830 unter dem Blickwinkel der Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsverletzung die denkbar abstrakteste Möglichkeit der Normierung eines Brandstiftungstatbestandes. Ein derart unter Verzicht auf die Benennung von bestimmten Tatobjekten ausgestaltetes abstraktes Gefährdungsdelikt ist in der weiteren Entwicklung der Brandstiftungstatbestände singulär geblieben. Weder in den dem Entwurf 1830 folgenden Entwurfsvorschlägen zum preußischen Strafgesetzbuch noch in den Reformbemühungen nach Einführung des RStGB ist diese Tatbestandsfassung nochmals erwogen worden. Während der Entstehungsgeschichte des Strafgesetzbuches für die preußischen Staaten ist gegen § 475 des Entwurfs von 1830 vor allem der Vorwurf erhoben worden, den Charakter der Brandstiftung als gemeingefährliches Delikt nicht erfaßt zu haben. Im Grundsatz völlig zutreffend wies man darauf hin, daß die durch die Brandstiftung geschützten Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum (Personen und deren Vermögen) 191 bereits durch andere, tatmitteloffene Tatbestände auch für den Fall der Tatbegehung mittels Feuers geschützt seien. Diese Delikte (Totschlag, Körperverletzung, Sachbeschädigung etc.) seien nach ihren Strafrahmen auf die deliktische Zielrichtung des Täters gegen ein bestimmtes (Hervorhebung im Original) Tatobjekt 190 191

Goltdammer, aaO.; siehe auch v. Ulimann, aaO. Goltdammer, aaO., S. 239.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

bei Beschränkbarkeit des Tatmittels auf eben dieses bestimmte Objekt gerichtet. Die Notwendigkeit eines zusätzlichen über die tatmitteloffenen (rechtsgutsbezogen) Verletzungsdelikte hinausgehenden Strafrechtsschutzes entstehe erst dort, wo eine Beschränkung der Tathandlung im Moment der Tatausführung nicht gegeben sei. Brandstiftung könne lediglich insoweit als besonderes Verbrechen anerkannt werden, wie sie gemeingefährlich sei. 192 Diese Kritik trifft im Kern das Richtige. Nicht jedes Verursachen eines Brandes ist in dem oben 193 dargelegten Sinn generell gefährlich bzw. gemeingefährlich, sondern die Behauptung genereller Gefährlichkeit bei Einsatz von Feuer läßt sich überzeugend nur bei Konkretisierung der Bedingungen, unter denen typischerweise eine über die Verletzung des Handlungsobjekts hinausgehende und von ihr verschiedene Rechtsgutsverletzung in Folge eines Brandes zu erwarten ist, aufstellen. Ungeachtet eingeschränkter oder gar fehlender Möglichkeiten, valide empirische Erhebungen über die Wahrscheinlichkeit von Rechtsgutsverletzungen bei dem Inbrandsetzen bestimmter Handlungsobjekte durchzuführen, besteht kein ernsthafter Zweifel, daß typische Tatsituationen bei dem Einsatz des Tatmittels relativ exakt beschrieben werden können, für die vor allem wegen spezifischer Eigenschaften des Tatobjekts eine allerdings nicht näher quantifizierbare erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsverletzung behauptet werden kann. 194 (4) Den "Kardinalfehler" des §475 des Entwurfs von 1830 zu vermeiden und dem Grundgedanken der Gemeingefährlichkeit Ausdruck zu verleihen, standen den weiteren Kodifikationsbemühungen zwei gesetzestechnische Wege zur Verfügung: die Schaffung konkreter Gefährdungsdelikte einerseits und abstrakter Gefährdungsdelikte mit Benennung tauglicher Tatobjekte andererseits. Die Entwürfe von 1829, 1833, 1836 und 1845 wählten bei Abweichungen im Detail die Aufnahme des durch den Richter festzustellenden Erfordernisses konkreter Gefahr bzw. (konkreter) Gemeingefahr. 195

192

Vgl. Goltdammer, aaO., S. 239 Oben l.Kap.C.II.l. 194 Weitgehend übereinstimmend Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 379; bezüglich menschengefährdender Brandstiftung auch Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 202 f. 195 Die Aufführung von (Individual-)Gefahr und Gemeingefahr bezieht sich darauf, daß ausweislich der Goltdammerschen Materialien, S. 639 Brandstiftung zwar grundsätzlich gemeingefährliches Delikt sein sollte, eine Ausnahme aber - jenseits des Streites um konkrete oder abstrakte Gemeingefahr - für den Brand von Wohnhäusern angenommen wurde. Anders etwa Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 607, 608, der davon ausgeht, daß auch die Brandstiftung an Wohnhäusern gemeingefährliches Delikt sei; siehe auch Schaper, in: v.Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, 3.Band, S. 877. 193

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

1

Entwürfe von 1833 und 1836 "Wer eigene, oder fremde Sachen, durch deren Brand gemeine oder doch eine, die Wohnung oder den Aufenthaltsort anderer Menschen bedrohende Feuersgefahr entsteht, in der Absicht anzündet... " 196 Der Grund für die Bevorzugung konkreter gegenüber abstrakten Gefährdungsdelikten ist hinlänglich bekannt und liegt in dem Bedenken, erhebliche Strafen (zehnjährige bis lebenslängliche Zuchthausstrafe in § 285 des preußischen StGB bei abstrakter Gefährdung von Menschenleben) zu verhängen, selbst wenn das Ausbleiben konkreter Rechtsgutsgefahr nachträglich sicher festgestellt werden kann. 197 (5) Das Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten von 1851 hat bei der gesetzestechnischen Ausgestaltung der Brandstiftung trotz dieser - in heutiger Terminologie - rechtsstaatlichen Bedenken den durch die Entwürfe von 1843, 1847 und 1850 vorgezeichnet Weg beschritten und die Brandstiftung in den §§ 285 - 287 unter Verzicht auf die Aufnahme eines Tatbestandsmerkmals konkreter Gefahr bzw. Gemeingefahr mittels Koppelung der Tathandlung an kasuistisch aufgelisteten Handlungsobjekten ausgestaltet. Dem Vorbild des ALR folgend, verblieben die Brandstiftungsdelikte in einem besonderen Abschnitt des Gesetzes, dem 27. Titel über gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen. §285 Wegen Brandstiftung wird mit zehnjähriger bis lebenslänglicher Zuchthausstrafe, und wenn durch den Brand ein Mensch das Leben verloren hat, mit dem Tode bestraft: 1) wer vorsätzlich ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder ein zum Gottesdienst bestimmtes Gebäude in Brand setzt; 2) wer vorsätzlich ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dienen, zu einer Zeit in Brand setzt, in welcher darin, Menschen sich aufzuhalten pflegen; 3) wer vorsätzlich Eisenbahnwagen, Bergwerke oder andere zum Aufenthalt von Menschen dienende Räumlichkeiten zu einer Zeit in Brand setzt, zu welcher sich Menschen darin aufzuhalten pflegen. In allen diesen Fällen macht es keinen Unterschied, ob die in Brand gesetzten Gegenstände im Eigenthum des Thäters sind oder nicht. 196

S. 640. 197

Zitiert nach Goltdammer, Materialien zum StGB f.d. preußischen Staaten, Teil II,

Vgl. Goltdammer, aaO., S. 641 sowie v.Ulimann, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Bes. Teil, S. 31, 41.

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

§286 Wer vorsätzlich Schiffe, Gebäude, Hütten, Bergwerke, Magazine, Vorräthe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Bau- oder Brenn-Materialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore welche fremdes Eigenthum sind, in Brand steckt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. §287 Wer vorsätzlich eigene oder fremde Sachen, welche vermöge ihrer Beschaffenheit und Lage geeignet sind, den in den §§ 285 und 286 genannten Gegenständen das Feuer mitzutheilen, in Brand setzt, soll ebenso bestraft werden, wie derjenige, welcher jene Gegenstände unmittelbar in Brand setzt. Die Schaffung abstrakter Gefährdungsdelikte mit Beschränkung des Tatbestandes auf bestimmte, abschließend geregelte Handlungsobjekte erfolgte im Hinblick auf die erhebliche praktische Bedeutung der Brandstiftung, um "dadurch unrichtige Auslegungen auszuschließen, die Anwendung der Strafe zu sichern und die Anwendbarkeit vor den Schwur(Geschworenen-)gerichten zu erleichtern". 198 Die Entscheidung für die Einführung derart gefaßter Tatbestände beruhte primär auf "handfesten" Gründen erhöhter gerichtlicher Praktikabilität in Bezug auf die Beweisbarkeit des Tatvorwurfs. 199 Sieht man von den besonderen, aus der Verlagerung der Beantwortung der Schuldfrage auf Laien (Geschworene) resultierenden Schwierigkeiten der präzisen Formulierung der an die Geschworenen zu richtenden Fragen einmal ab, dürften es nach den knappen Ausführungen in den Motiven im wesentlichen drei Aspekte gewesen sein, die den preußischen Gesetzgeber die Form des abstrakten Gefährdungsdelikts haben wählen lassen: (a) Die auf den beschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Prozeß beruhenden Probleme, den Eintritt konkreter Rechtsgutsgefahr bei einem Brand selbst ex post sicher zu ermitteln. Von der Prämisse ausgehend, daß die Brandstiftungsdelikte den Schutz von Individualrechtsgütern bezwecken, besteht häufig bei einem Brand eine Vielzahl von möglichen rechtsgutsgefährdenden Kausalverläufen, die schon die Frage, ob irgendein Rechtsgutsträger in den Wirkbereich der Tathandlung gelangt ist, nicht stets sicher beantworten lassen.200 198 Goltdammer, aaO., mit Nachw. in Fußn. 2 zu den Motiven der jeweiligen Kommissionen. 199 Von Ulimann, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, S. 31, 42. 200 Das Hineingelangen eines Rechtsgutsträgers in den Wirkungsbereich der Tathandlung ist mittlerweile überwiegend als Voraussetzung konkreter Gefahr - bei Individualrechtsgüterschutz bezweckenden Strafhormen - anerkannt; etwa Horn, in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 7; Wolter, JuS 1978, S. 748, 752 ff; ders., Objektive und personale Zurechung, S. 217, 219 und passim; Geppert, NStZ 1985, S. 264, 265; Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 548; Welzel, Deutsches

C. Strukturen der Brandstraftatbestände (b) Über die Feststellung hinaus, ob objektiv eine konkrete Rechtsgutsgefahr vorgelegen habe, verstärkten sich nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers die Schwierigkeiten bezüglich des Nachweises der subjektiven Einstellung des Täters zum Gefahrerfolg, wenn eine konkrete Rechtsgutsgefahr Tatbestandsmerkmal wäre. Die in der französischen Strafrechtswissenschaft zum Code penal in der Fassung von 1810 zweifelhafte Frage, den Täter bei dolus directus in Bezug auf das Legen des Brandes, aber lediglich dolus indeterminatus (eventualis) oder gar nur luxuria bezüglich der Schaffung konkreter Rechtsgutsgefahr mit der (Todes-)Strafe für qualifizierte Brandstiftung belegen zu dürfen, 201 hat auch den preußischen Gesetzgeber beeinflußt. Die Verhängung der Todesstrafe in erfolgsqualifizerten Fällen gemeingefährlicher Delikte (etwa § 285 "und wenn durch den Brand ein Mensch das Leben verloren hat, mit dem Tode bestraft") hing nach einhelliger Auffassung der beteiligten Kommissionen in der Entstehungsphase des Gesetzes von der Notwendigkeit des Beweises ab, daß der Täter mit dem Bewußtsein der Gefahr für Menschenleben, wenigstens also Gefährdungsvorsatz, gehandelt hatte. 202 Für den Beweis dieses Bewußtseins der Gefahr sollte zum einen leitend sein, ob der Täter eine grundsätzlich erlaubte oder eine grundsätzlich verbotene Handlung vornahm, zum anderen die Größe der Gefahr. Ausführung einer verbotenen Handlung und zudem erhebli-

Strafrecht, S. 47. Im Grundsatz auch Binding, , Normen I, S. 388 "Jede Güter-Gefährdung erheischt die Herstellung eines Kontaktes zwischen Gut und gefahrdrohender Sachlage." Die Lösung seines Dammbruchbeispieles, aaO. S. 389 und ders., Strafrecht, Bes. Teil, Band 2.1. S. 34 vollendete Gefährdung, mit konkreter Gefahr gleichbedeutend, bereits mit dem Durchstoßen des Dammes eines hochgelegenen Teiches anzunehmen, selbst wenn das Wasser noch stundenweit zu den Bewohnern des tieferliegenden Tales zu laufen hat, läßt sich mit dem Kriterium des Kontaktes zwischen Rechtsgut und gefahrdrohender Sachlage nicht vereinbaren. In der Konsequenz gelangt Binding bei dieser Betrachtungsweise hinsichtlich einer Strafbarkeit aus § 312 RStGB (Überschwemmung) zwar bereits mit der Beschädigung des Dammes zum Vorliegen konkreten Gemeingefahr, Tatvollendung soll· aber erst dem Verursachen einer zeitlich später liegenden, durch Überschwemmung verursachten Gemeingefahr eintreten, Strafrecht, Bes. Teil, 2.1., S. 34. Unabhängig von der Überzeugungskraft der Lösung für die Auslegung des §312 RStGB weisen die Ausführungen Bindings, Normen I, S. 389 über die unterschiedlichen Möglichkeiten des Täters; ein Rechtsgutsobjekt (besser: Rechtsgutträger) in den Wirkbereich der Tathandlung gelangen zu lassen, eindringlich auf die Schwierigkeiten hin, einheitliche Begriffsinhalte konkreter Gefahr für sämtliche dieser Normkategorie zugehörigen Tatbestände festzulegen. Das Kriterium des Eintritts in den Wirkbereich kann Gültigkeit ohnehin lediglich für Individualrechtsgüterschutz bezweckende konkrete Gefährdungsdelikte beanspruchen. Wo es, wie etwa bei den Staatsschutzdelikten, um den Schutz von Institutionen geht, versagt das Kriterium. Das befördert gerade im erwähnten Deliktsbereich die Tendenz, Grenzen zwischen abstrakter und konkreter Gefahr verschwimmen zu lassen, dazu Loos /Radtke, StV 1994, S. 565, 568 m. Fußn. 44. 201 Vgl. v. Ullmann, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Bes. Teil, S. 31,41. 202 Goltdammer, Materialien zum StGB f. d. preußischen Staaten, Teil II, S. 633 f.

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" che Größe der Gefahr, sollten nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Einlassung des Angeklagten, die Gefahr für Menschenleben nicht erkannt zu haben, widerlegen. 203 Die Einordnung dieser Überlegungen als Formulierung einer echten präsumtio doli, 2 0 4 als feste Beweisregel oder lediglich Anregung an Geschworene und Richter für die Beweiswürdigung kann dahinstehen. Die Bindung des prozessualen Nachweises vom Gefahrbewußtsein des Täters an eine "an und für sich verbotene" Handlung macht nur dann Sinn, wenn es um verbotene Handlungen geht, die in dem erläuterten Sinn generell gefährlich sind. Das Verwerfen der in §475 des Entwurfs von 1830 erwogenen, wegen des Verzichts auf gefahrtypisierende Handlungsobjekte "extrem abstrakten" Fassung der Brandstiftung in den späteren Entwürf und dem Gesetz, läßt den Schluß zu, daß der preußische Gesetzgeber diesen Zusammenhang von generell gefährlicher Handlung und - vorsichtig formuliert - Beweisanzeichen für das Bewußtsein des Täters von der Schaffung einer Gefahr für Menschenleben bei der Normierung der Brandstiftungsdelikte vor Augen gehabt hat. Gefahrbewußtsein indizierende Bedeutung käme der Tathandlung der Brandstiftung bei Statuierung als konkretes Gefährdungsdelikt grundsätzlich nicht zu, wenn der entsprechende Tatbestand, wie in den Entwürfen von 1829, 1833, 1836 und 1845 vorgesehen von einer differenzierten Benennung bestimmter Tatobjekte absieht. Gerade der Umstand des Inbrandsetzens eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes ist es, an den der (erleichterte) Nachweis, der Täter habe bei Vornahme der Tathandlung das Bewußtsein gehabt, eine Gefahr für Menschenleben zu schaffen, anknüpft. Auf das Inbrandsetzen einer beliebigen, keinen Bezug zu typischen Aufenthaltsorten von Menschen aufweisenden Sache, deren Brand für den Tod eines Menschen ursächlich geworden ist, ließe sich der Beweis, der Täter habe bei Ausführung der Tathandlung mit Gefahrbewußtsein gehandelt, nicht stützen. Diese Überlegungen zum Beweis des Gefahrbewußtsein im Prozeß als Voraussetzung für die Verhängung der Todesstrafe bei erfolgsqualifizierten gemeingefährlichen Delikten, zeigen an, daß der Gesetzgeber des preußischen StGB von 1851 sich auch im Hinblick auf die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand entschieden hat, Brandstiftung als abstraktes Gefährdungsdelikt qua Koppelung von feststehender Tathandlung und kasuistisch benannten Handlungsobjekten auszugestalten. Für das Grunddelikt bedeutet der Verzicht auf konkrete Gefahr als Tatbestandsmermal zugleich Absehen von einem entsprechenden subjektiven Bezug. Für die Erfolgsqualifikation im Falle

203

Goltdammer, aaO., S. 636 f. Die Formulierung bei Goltdammer aaO.: "Wer aber fremde Früchte (§ 286)... anzündet, in jenem Falle trotz der dennoch für Wohngebäude (§ 285) eintretenden Gefahr ruhig davon geht, gegen den ist das Gesetz berechtigt anzunehmen (Hervorhebung H.R.), daß er die von ihm in Wirksamkeit gesetzte Ursache bei der Brandstiftung habe wollen fortwirken lassen, daß er sich also mindestens in den schlimmsten Erfolg ergeben habe", läßt sich wegen des Abstellens auf das Gesetz als präsumtio doli deuten. 204

C. Strukturen der Brandstraftatbestände brandbedingten Todes eines Menschen sollte u.a. aus der Vornahme der generell gefährlichen Handlung auf das als Strafbarkeitsvoraussetzung für erforderlich gehaltenene Bewußtsein des Täters, eine Gefahr für das Leben von Menschen zu schaffen, geschlossen werden dürfen. (c) Der dritte Aspekt, der zur Normierung abstrakter statt konkreter Gefährdungsdelikte geführt hat, dürfte in der Unsicherheit über die Inhalte konkreter Gefahr seinen Ursprung haben. Die knappen und lediglich beschränkt aussagekräftigen Äußerungen in den Motiven über die Gründe der gewählten Gesetzestechnik deuten mit dem Bestreben, "unrichtige Auslegungen auszuschließen",205 in diese Richtung. Bei den vorstehend sub (a) und (b) erörterten Aspekten war zugrundezulegen, daß allein unzureichende prozessuale Erkenntnismöglichkeiten den Verzicht auf das Erfordernis konkreter Gefahr bestimmten. Die Möglichkeit problemloser Subsumtion unter die jeweils konkrete "Gefahr für das Leben Anderer" oder "gemeine Gefahr für fremdes Eigentum" 206 im Falle ausreichender tatrichterlicher Feststellungen war vorausgesetzt. Die Intention des Ausschlusses unrichtiger Auslegung bezieht sich ersichtlich nicht auf Beweisschwierigkeiten, sondern zielt auf richtige materiell-rechtliche Gesetzesanwendung. Da der im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Typus des konkreten Gefährdungsdelikts tatbestandsstrukturell wegen des Absehens von kasuistischer Tatobjektsaufzählung einfacher als die Gesetz gewordenen abstrakten Gefährdungsdelikte ausgestaltet ist und sich zudem in der Tathandlung nicht von letzteren unterscheidet, dürfte die befürchtete unrichtige Auslegung des Gesetzes auf das Tatbestandsmerkmal konkreter Gefahr gemünzt gewesen sein. Die Normierung der Überschwemmung als konkretes Gefährdungsdelikt (§§ 290 293 preuß. StGB), die konkrete Individualgefahr für menschliches Leben (§ 290) oder konkrete Gemeingefahr für fremdes Eigentum (§291) forderte die nach dem Gesagten gleichfalls die Möglichkeit unrichtiger Gesetzesauslegung in sich tragen müßte -, steht dieser Annahme nicht entgegen, sondern beruht ihrerseits auf Gründen der Praktikabilität. Nach den gesetzgeberischen Vorstellungen, die der Realität durchaus entsprechen, war die praktische Bedeutung der Überschwemmung gegenüber der Brandstiftung deutlich geringer. 207 Unrichtige Gesetzesauslegung durch die Gerichte war mithin eher hinzunehmen. Außerdem gelangten die Verfasser der späteren Entwürfe des preußischen StGB zu der Erkenntnis, daß eine abschließende kasuistische Benennung der zur Begehung einer Überschwemmung tauglichen Mittel "unausführbar" wäre. 2 0 8 Sollte überhaupt ein Gefährdungsdelikt anstelle eines (rechtsgutsbezogen)

205 Goltdammer, aaO. S. 64; v. Ulimann, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Bes. Teil, S. 31, 41. 206 Entwurf von 1845. 207 Goltdammer, aaO., S. 641. 208 Goltdammer, aaO., S. 652.

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" Verletzungsdelikts eingeführt werden, verblieb allein die Statuierung als konkretes Gefährdungsdelikt. Da der preußische Gesetzgeber im Gegensatz dazu bei der Brandstiftung eine ausreichend exakte Formulierung der Tathandlung sowie der schützenswerten Handlungsobjekte für ausführbar hielt, ergab sich hier keine Notwendigkeit auf den Typus des konkreten Gefährdungsdelikts zurückzugreifen. Außer dem bereits Ausgeführten spricht vor allem die unzureichende wissenschaftliche Beschäftigung mit den Gefährdungsdelikten für einen Einfluß der ungesicherten Inhalte konkreter Gefahr („ungesicherte Auslegungen auszuschließen") auf die Bevorzugung abstrakter Gefährdungsdelikte. Während der Entstehungsphase des preußischen StGB konnte auf eine auch nur annähernd gesicherte wissenschaftliche Durchdringung der Dogmatik der Gefährdungsdelikte nicht zurückgegriffen werden. Obwohl das ALR einen eigenen Abschnitt über die gemeingefährlichen Delikte enthielt und zuvor die gemeinrechtliche Strafrechtswissenschaft den Gedanken der Rechtsgutsgefahr gerade auch im Zusammenhang mit der Brandstiftung hervorgehoben hatte, 209 setzten systematische Überlegungen zur Dogmatik der Gefährdungsdelikte erst mit dem Beitrag von Stübel "Über gefährliche Handlungen, als für sich bestehende Verbrechen" 210 aus dem Jahre 1826 ein. 2 1 1 Seine Überlegungen dienten in erster Linie der Rechtfertigung, "Rechtsgefährdungen" in gleicher Weise wie Verletzungsdelikte als echte Verbrechen in Abgrenzung zu den Polizeidelikten mit Kriminalstrafe sanktionieren zu dürfen. 212 Ein weiterer Ertrag des Beitrages lag in der wissenschaftlichen Absicherung des durch das Preußische ALR rund drei Jahrzehnte zuvor ansatzweise eingeschlagenen Weges, die Strafbarkeit gefährlicher Handlungen (Gefährdungsdelikte) in einem eigenen Abschnitt eines Strafgesetzbuches zu regeln. 213 Ganz vage blieben jedoch die Stübelschen Überlegungen zu den Inhalten der Gefahr. Gefahr als Zustand zu beschreiben, in dem "jemand zu fürchten hat, eines Gutes beraubt zu werden", 214 erlaubt richterliche Subsumtion unter den so definierten Begriff, ohne unrichtige Auslegung zu befürchten, nicht. Die Ergänzung des Gefahrbegriffs um Wahrscheinlichkeitserwägungen, nach denen eine Rechtsverletzung wahrscheinlich sein müsse oder es zumindest nicht zweifelhaft sein dürfe, ob diese eintreten werde, 215 mag den Begriff restringieren. Präzisere inhaltliche Vorgaben sind damit nicht verbunden. Im übrigen beziehen sich die Ausführungen Stübels nicht auf den Eintritt

209 210 211 212 213 214 215

Oben l.Kap.C.II.2. Archiv des Criminalrechts, Neue Folge, Band 8 (1826), S. 236 ff. So auch Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 3. Stübel, Archiv des Criminalrechts, Neue Folge, Band 8 (1826), S. 236, 262 ff. Stübel, aaO., S. 308 ff. Stübel, aaO., S. 236. Stübel, aaO., S. 239.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände eines konkreten Gefahrerfolges, sondern beschreiben allenfalls die für die Gefährlichkeit einer Handlung maßgebliche Kriterien. 216 Der Eintritt konkreter Gefahr wird für Stübel erst bei der Zuordnung der Sanktionierung gefährlicher Handlungen vermittels der Polizeigesetze einerseits oder des Kriminalgesetzbuches andererseits relevant. Die Bestrafung durch den Kriminalrichter wegen Vornahme einer gefährlichen Handlung knüpft er an den wirklichen Eintritt (=konkreter) Rechtsgefahr, für eine Sanktionierung aufgrund von Polizeidelikten bewendet es bei der Ausführung der verbotenen Handlung, ohne daß es auf die Rechtsgefahr ankäme. 217 Stübel dürfte damit die in der weiteren Dogmengeschichte deutlicher herausgearbeitete Unterscheidung von konkreten und abstrakten Gefährdungsdelikten in Ansätzen vorgezeichnet haben. Sachkriterien, anhand derer der Eintritt konkreter Gefahr (Rechtsgefahr) zu bestimmen wäre, enthält seine Arbeit nicht. 218 Die weitere wissenschaftliche Befassung mit Gefährdungsdelikten im zeitlichen Zusammenhang der Kodifikation des preußischen StGB und im weiteren Verlaufe des 19. Jahrhunderts hat allenfalls einen geringen Erkenntnisgewinn zu Begriff und Inhalt der konkreten Gefahr mit sich gebracht. Unsicherheiten über den Gefahrbegriff kulminierten in der Leugnung der Gefahr als objektive Erscheinung des Seins sowie ihrer Diffamierung als bloßes Produkt menschlicher Angst und und Irrtums. 219 Unmittelbarer Einfluß derartiger Sichtweisen in der Wissenschaft auf die gesetzgeberischen Überlegungen bei der Schaffung des StGB kann mangels in den Materiellen dokumentierter Anhaltspunkte nicht behauptet werden. Die Vermutung, der Gesetzgeber habe sich bei der Entscheidung gegen den Deliktstypus des konkreten Gefährdungsdelikts für die als praktisch bedeutsam eingeschätzten Brandstiftungsdelikte auch von der fehlenden Klärung der Inhalte des Gefahrbegriffs leiten lassen, dürfte aber keine blo216

Deutlich die Überlegungen Stübels über die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsverletzung nach den für eine Verletzung sprechenden Gründen und den gegen sie vorhandenen Gegengründen. Grundlage, auf der das Überwiegen der Gründe im Verhältnis zu den Gegengründen zu bewerten ist, sind die bei einer Handlung (Hervorhebung, H.R.) zur Anwendung kommenden Naturgesetze. Das Abwägen von Gründen und Gegengründen soll dementsprechend auch nicht das Vorliegen einer Gefahr begründen, sondern festlegen, wann eine Handlung für gefährlich zu halten sei (Hervorhebung, H.R.), Stübel, aaO., S. 239 ff. 217 Stübel, aaO., S. 276 f. 218 Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 4-7 meint den Ausführungen Stübels offenbar das Bemühen um eine Klärung des Gefahrbegriffs entnehmen zu können; vgl. vor allem S. 7 oben "Hier soll der unscharfe und expansive Begriff der Gefahr dadurch gebändigt werden, daß ..." Dieser Bewertung vermag ich nicht zu teilen. Über die Definition von der Gefahr als Zustand, in dem jemand zu befürchten hat, eines Gutes beraubt zu werden, hinaus äußert sich Stübel zu Begriff und Inhalt der Gefahr nicht. Seine Aussagen beziehen sich lediglich auf die Erfassung der Gefährlichkeit von Handlungen. 219 Siehe die Kritik Bindings , Normen I, S. 376 ff. an dieser Betrachtungsweise; vgl. auch Finger, Festgabe für v.Frank, Ì.Band, S. 230, 232 f. 7 Radtke

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" ße Spekulation sein. Der Typus abstraktes Gefährdungsdelikt setzt, weil der Eintritt der Gefahr nicht Tatbestandsmerkmal ist, Klarheit darüber, wie konkrete Gefahr inhaltlich auszufüllen und wann in einer bestimmten Tatsituation ein Zustand konkreter Gefahr eingetreten ist, nicht voraus. Insofern kann bei abstrakten Gefährdungsdelikten von einer weniger fehleranfälligen Gesetzesanwendung entsprechend der gesetzgeberischen Intention, "unrichtige Auslegung auszuschließen", ausgegangen werden. Aufbauend auf den beiden Grundentscheidungen, die Brandstiftungstatbestände zum einen grundsätzlich als abstrakte Gefährdungsdelikte zu normieren und zum anderen Brandstiftung als eigenständiges Delikt nur insoweit unter Strafe zu stellen, als sie gemeingefährlich ist, 2 2 0 hat sich der preußische Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Tatbestände von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen: Systematisch waren zunächst die Brandstiftung mit Gefahr für Menschen (§§285, 287 l.Alt.) und die Brandstiftung ohne Gefahr für Menschen (§§ 286, 287 2.Alt.) zu unterscheiden. Beide Grundformen konnten durch unmittelbares Inbrandsetzen der geschützten Tatobjekte (§§ 285, 286) oder durch mittelbares "Anzünden" (Übertragungsgefahr, § 287) bewirkt werden. Das unmittelbare oder qua Übertragungsgefahr mittelbare Anzünden in fremden Eigentum stehender Gegenstände, die nicht zu den in §§ 285, 286 aufgezählten gehörten, wurde als Sachbeschädigung gemäß §§ 281 ff. bestraft. 221 Mit dieser Systematik entsprach das preußische StGB weitgehend einer in den deutschen Strafgesetzbüchern des 19. Jahrhunderts verbreiteten Unterteilung; (1) die Brandstiftung (an eigenen oder fremden Sachen) mit Gefahr für Personen, (2) die Brandstiftung an fremden Sachen ohne Gefahr für Personen, (3) die Brandstiftung an eigenen Sachen ohne Gefahr für Personen und fremdes Eigentum. 2 2 2 Das preußische StGB weicht von dieser Klassifikation der Brandstiftung dadurch ab, daß das Inbrandsetzen tätereigener Gegenstände lediglich dann als Brandstiftung strafbar ist, wenn sie - bei unmittelbarem Inbrandsetzen - mit Gefahr für Menschen verbunden ist (§ 285) oder - in Konstellationen mittelbarer Brandstiftung - durch die Möglichkeit der Brandübertragung Gefahr für Menschen oder fremdes Eigentum eintritt. In Konsequenz des gewählten Deliktstypus abstraktes Gefährdungsdelikt mit kasuistisch benannten Tatobjekten bestand die weitere gesetzgeberische Aufgabe in der Auswahl deijenigen Tatobjekte, bei deren Inbrandsetzen eine Gefahr für das jeweils zu schützende Rechtsgut eintreten kann. § 285 führte dementsprechend solche Handlungsobjekte auf, "durch deren Anzündung eine Gefahr für Menschen bereitet wird". 2 2 3 Die Auswahl der in § 286 enthaltenen Hand220 221 222 223

Goltdammer, Materialien zum StGB f. d. preußischen Staaten, Teil II, S. 641. Goltdammer, aaO. Vgl. Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 34. Goltdammer, Die Materialien zum StGB f. d. preußischen Staaten, Teil II, S. 642.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände lungsobjekte folgte dagegen dem Prinzip, die Festlegung der Tatobjekte anhand der typischerweise mit deren Brand verbundenen Rechtsgutsgefahr vorzunehmen, nicht durchgängig. Die Durchbrechung des Prinzips rührt von den Schwierigkeiten der Umsetzung des Grundsatzes, jenseits der Menschengefährdung Brandstiftung nur bei Gemeingefährlichkeit für fremdes Eigentum 224 als eigenständiges Delikt zu bestrafen, her. Die zunächst erfolgte Benennung von Waldungen, Torfmooren u.ä., nicht aber Gebäuden war noch dem Gedanken einer regelmäßig mit dem Brand derartiger Handlungobjekte verbundenen Gefahr einer unbegrenzten Ausdehnung über das Eigentum vieler, also Gemeingefahr (richtiger aber: Gemeingefährlichkeit) in der Vorstellung des Gesetzgebers verpflichtet. 225 Da der Gesetzgeber sich zur Aufnahme konkreter Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal nicht hatte entschließen können, richtete er die Auswahl der Objekte anhand der regelmäßig bei ihrem Brand eintretenden Gemeingefahr aus. Goltdammers Formulierung in den Materialien weist eindeutig die Sichtweise des preußischen StGB, mit dem Brand der Tatobjekte Waldungen, Torfmoore, Früchte auf dem Feld sowie von Bergwerken das Vorliegen von Gemeingefahr (nicht nur Gefährlichkeit der Handlung) unwiderleglich zu vermuten, nach. 226 Die aus der Umsetzung dieses Gedankens resultierende Konsequenz der Strafbarkeit des Inbrandsetzens selbst eines im Eigentum des Täters stehenden Waldes wurde jedoch im weiteren Verlauf der Gesetzesentstehung unter Hinweis auf das in Land- und Forstwirtschaft traditionell eingesetzte Abbrennen von Feldern, in besonderen Situationen auch Waldungen, als sachlich verfehlt angesehen.227 Die Aufgabe der ausschließlich an der typischerweise eintretenden Gemeingefahr orientierten Auswahl der Tatobjekt in § 286 bewirkte, daß der Tatbestand zwei unterschiedliche Klassen von Handlungsobjekten aufwies. Die eine Klasse bilden die vorgenannten Waldungen etc., mit deren Inbrandsetzen unmittelbare Gefahrvermutung verbunden war. Dagegen ließ sich eine solche Präsumtion der Gemeingefahr bei der zweiten Objektsklasse, zu der u.a. Gebäude, Schiffe und Hütten zu zählen waren, wegen der Möglichkeit einer völlig isolierten Lage dieser Objekte und damit nicht bestehender Gefahr für Rechtsgüter mehrerer oder vieler (Gemeingefahr in der Vorstellung des Gesetz-

224 Zu diesem Grundsatz Goltdammer, aaO., S. 639 f. siehe auch Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 79, 88. 225 Goltdammer, aaO., S. 643. 226 Goltdammer, aaO., S. 644 "Um den Fall aber auch in concreto ausdrücklich auf diese Gefahr zu beschränken, war (ursprünglich, H.R.) außerdem der gemeinen Gefahr bestimmt als Bedingung gedacht. Jetzt fehlt die Erwähnung der letzteren, und daraus folgt, daß das Gesetz mit der Anzündung jener Gegenstände, Waldungen, Torfmoore, Früchte auf dem Felde, Bergwerke, die Vermuthung der gemeinen Gefahr wiederum unmittelbar verbindet."; anders Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1, 24 ff. 227 Goltdammer, aaO., S. 644.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

gebers) nicht aufstellen. Das Inbrandsetzen von Objekten dieses zweiten Typus wurde angesichts der Beschränkung des § 286 auf Gegenstände fremden Eigentums als schlichte Sachbeschädigungen aufgefaßt. 228 Allein die Verwendung des Tatmittels Feuer führte zu der Zuordnung als Fall der Brandstiftung. Die Gegenstände des zweiten Typus wählte der Gesetzgeber nach ihrer Bedeutung deshalb aus, weil eine Bestrafung wegen Sachbeschädigung als nicht genügend empfunden wurde. 229 (6) Die gesetzestechnische Ausgestaltung der Brandstiftung im preußischen StGB von 1851 wurde in ihren wesentlichen Zügen 1870 im Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bunchmd mit Reichsgründung 1871 in das nahezu inhaltsgleiche ÄS/GZfiibernommen. Der Entwurf eines StGB für den Norddeutschen Bund führte die Brandstiftungsdelikte im weiterhin mit "Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen" betitelten 27. Abschnitt in den §§ 303 ff. (in der Gesetzesfassung §§ 306 ff. [a.F.]) auf. Die Brandstraftatbestände blieben abstrakte Gefährdungsdelikte samt ihrer durch eine Koppelung von bestimmter Tathandlung mit kasuistisch benannten Tatobjekten charakterisierten Struktur. Das Festhalten an der Statuierung des § 303 (= § 306 StGB [a.F.]) als abstraktes Gefährdungsdelikt hob die Begründung des Entwurfs zum StGB für den Norddeutschen Bund ausdrücklich hervor. 230 Die Motive sahen den gemeinsamen Kern aller im 27. Abschnitt normierten Delikte darin, daß strafbare Handlungen vorlägen, mit deren "Begehung die Wahrscheinlichkeit einer gemeinen Gefahr für Menschen oder Sachen gegeben ist". 2 3 1 Eine marginale Divergenz zur Sichtweise der Schöpfer des preußischen StGB bestand im Bezug der Gemeingefahr auch auf menschliches Leben. Dem preußischen Gesetzgeber von 1851 war die Vorstellung eigenständiger Strafbarkeit der Brandstiftung grundsätzlich lediglich bei Gemeingefährlichkeit dieser eigen; für das Inbrandsetzen von Wohngebäuden kam es auf die Gemeingefährlichkeit jedoch nicht an. 232 Die Beschreibung des gemeinsamen Kerns aller gemeingefährlichen Delikte des 27.

228 Nicht ganz präzise daher Geppert, in: Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 193, da er auf die in der Sichtweise des Gesetzgebers Verschiedenheit der benannten Handlungsobjekte im Hinblick auf die mit ihrem Brand verknüpfte Präsumtion gemeiner Gefahr nicht eingeht. 229 Goltdammer, aaO., S. 644. 230 Motive zum Entwurf eines StGB für den Norddeutschen Bund, 1869, S. 83. 231 Motive zum Entwurf eines StGB für den Norddeutschen Bund, 1869, S. 82; siehe auch Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 256. 232 Goltdammer, Die Materialien zum StGB f. d. preußischen Staaten, S. 639 f. Die konkrete Gefährdungsdelikte präferierenden Entwürfe zum preußischen StGB brachten die Unterscheidung deutlich zum Ausdruck: "Wer eigene, oder fremde Sachen, durch deren Brand gemeine (Hervorhebung, H.R.), oder doch eine, die Wohnung oder den Aufenthaltsort anderer Menschen bedrohende Feuersgefahr entsteht, ..."; zur abweichende Sichtweise etwa von Hälschner und Schaper siehe die Nachw. in Fußn. 195

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Abschnitts in den Materialen zum StGB des Norddeutschen Bundes stellt dagegen ohne Einschränkung auf Gemeingefahr für Menschen oder Sachen ab. 233 In Details wich der Entwurf des StGB für den Norddeutschen Bund von dem preußischen StGB ab, ohne dessen gesetzestechnische Grundkonzeption zu verändern. Der preußische § 285 wurde zunächst durch § 303 des Entwurfs, später durch § 306 der Gesetz gewordenen Fassung (§ 306 a.F.) in der Reihenfolge der Objekte modifiziert und durch die klare Trennung zwischen dem Wohnen dienenden Gebäuden (Schiffen, Hütten) einerseits und dem lediglich zeitweisen Aufenthalt von Menschen dienenden Räumlichkeiten andererseits sprachlich vereinfacht. Die Erfolgsqualifikation des Todes eines Menschen durch den Brand (Nr.l) erhielt gemeinsam mit den bisher in § 307 a.F. enthaltenen erschwerten Fällen einen eigenen Tatbestand. Die Erschwerungsgründe in § 307 Nr.2 und 3 a.F. (§ 304 Nr.3 und Nr.4 des Entwurfs) fanden zwar im preußischen StGB kein Vorbild. Die Qualifikation der Nr.2 a.F. entsprach aber § 1512 ALR bzw. sachentsprechenden Straftatbeständen der Strafgesetzbücher zahlreicher anderer deutscher Staaten des 19. Jahrhunderts und der Tradition des mittelalterlichen Mordbrandes. 234 Nr.3 a.F. übernahm eine in Gesetzbücher deutscher Partikularstaaten häufig anzutreffende Regelung. 235 Den numerus clausus der tauglichen Tatobjekte der einfachen Brandstiftung (§ 286 preuß. StGB; § 305 Entwurf StGB d. Norddeut. Bundes; § 308 StGB a.F.) ergänzte das StGB für den Norddeutschen Bund mit "Rücksicht auf die Gleichheit des Grundes, welcher für die Aufnahme von Magazinen spricht, und auf die hohe Gefährlichkeit der That" 2 3 6 um die Warenvorräte, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern. Weithin unklar sind die Überlegungen der Motive zu der Gestaltung des § 305 des Entwurfs (§ 308 StGB a.F.) im übrigen. Die nach der äußeren Systematik klare Trennung der Brandstiftung ohne Gefahr für Menschen an tatbestandlich abschließend benannten täterfremden Tatobjekten (§ 286 preuß. StGB) einerseits sowie an tätereigenen oder -fremden nicht benannten Gegenständen bei Übertragungsgefahr auf in fremdem Eigentum stehende Tatobjekte des §§ 285, 286 (§ 287 preuß. StGB) findet sich in § 305 des Entwurfs bzw. § 308 a.F. in dieser Form nicht wieder. Gründe für das Abweichen von der Systematik des preußischen StGB nennen weder die Motive zum Entwurf des StGB für den Norddeutschen Bund noch ist die Frage bei Übernahme dieses Gesetzes als RStGB in den Materialien thematisiert worden. 237 Die Motive geben über die Vorstellungen der Entwurfsverfasser zum 233

Motive zum Entwurf eines StGB für den Norddeutschen Bund, 1869, S. 83; vgl. auch Osenbrüggen, Archiv des Criminalrechts, Neue Folge, 1850, S. 605, 611. 234 Nachweise bei Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 64 ff. 235 Siehe Osenbrüggen, aaO., S. 71 f. 236 Motive zum Entwurf eines StGB für den Norddeutschen Bund, 1869, S. 83. 237 Ebenso Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 194.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

StGB für den Norddeutschen Bund lediglich insoweit Auskunft, daß als Regelfall der einfachen Brandstiftung allein das Anzünden täterfremder Handlungsobjekte angesehen worden ist. Die Strafbarkeit des Inbrandsetzen tätereigener im Gegensatz zu § 287 preuß. StGB ausschließlich der im Gesetz genannten Gegenstände wurde als Ausnahme verstanden, deren Berechtigung sich aus der Gefahr der Brandübertragung auf die gegen unmittelbare Brandstiftung in § 303 (§ 306 a.F.) und § 305 (§ 308 Abs. 1 l.Alt a.F.) geschützten Tatobjekte ergeben sollte. 238 In der Sache wies die mit § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. gewählte Normierung erhebliche Diskrepanzen zum preußischen Vorbild auf: der Kreis der tauglichen primären Tatobjekte wurde zum einen - jedenfalls nach näherliegendem Wortlautverständnis - auf ausschließlich tätereigene Objekte und zum anderen auf den numerus clausus des § 308 Abs. 1 a.F. reduziert. Mangels jeglicher Anhaltspunkte über den Grund der Abweichung in den Materialien vermutet Geppert, der Gesetzgeber des StGB für den Norddeutschen Bund und des RStGB habe in sachlicher Kontinuität des preußischen StGB lediglich eine "einfachere" Gesetzesfassung einführen wollen. 239 Die Berechtigung der Vermutung, der Gesetzgeber habe am bisherigen (preußischen) Rechtszustand inhaltlich nichts ändern wollen, erscheint jedoch zweifelhaft. Das zeitgenössische Schrifttum hat die Änderung überwiegend 240 als sachlich berechtigte Korrektur der als zu weit empfundenen Regelung in § 287 des preuß. StGB angesehen.241 Die Zustimmung zu der Beschränkung des Kreises der tauglichen primären Tatobjekte in § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. als Nachfolgetatbestand des § 287 preuß. StGB beruhte vornehmlich auf der Überlegung, daß lediglich das Inbrandsetzen der in § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. (§ 286 des preuß. StGB) genannten Gegenstände242, nicht aber jeder beliebigen Sache als generell gefährlich angesehen und aufgrunddessen mit dem Inbrandsetzen ein auf die Übertragung des Brandes gerichteter Vorsatz des Täters angenommen werden könne. 243 Gemeint war eine echte praesumtio

238

Spalte. 239

Motive zum Entwurf eines StGB für den Norddeutschen Bund, 1869, S. 83 rechte

Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 194. Kritisch gegenüber der Abweichung vom preuß. StGB dagegen Oppenhojf, Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1871, § 308 Anm.13; grundsätzlich der Kritik zustimmend Rüdorff, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 4.Aufl., § 308 Rdnr. 9 "im Hinblick auf die Gemeingefährlichkeit nicht unbedenklich". 241 Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 614, Fußn. 3. 242 Schwarze, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1871, § 308 S. 645 Fußn. *** führt aus, daß in § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. die objektive Gemeingefährlichkeit (Hervorhebung, H.R.),die in der Nachbarschaft der bedrohten Gegenstände zum Ausdruck gelangt, berücksichtigt sei. 243 Hälschner, aaO.; Schwarze, aaO., § 308 S. 645 f. bringt dies mit besonderer Deutlichkeit zum Ausdruck: "Das Gesetz hat vielmehr hier auf Grund der factischen 240

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doli des Brandübertragungsvorsatzes. 244 Durch die Beschränkung des Kreises der Tatobjekte sollte den Zweifelsfragen über die Anforderungen an den "Übertragungsvorsatz" gemäß § 287 preuß. StGB 2 4 5 Rechnung getragen werden. 246 Da § 287 des preuß. StGB jede eigene oder fremde Sache bei Übertragungsgefahr aufgrund Lage und Beschaffenheit als primäres Tatobjekt genügen ließ, kamen Bedenken auf, ob dem Täter allein aufgrund des Anzündens eines nicht weiter konkretisierten Handlungsobjekts das Bewußtsein von der Gefahr der Weiterverbreitung des Feuers nachgewiesen werden könnte oder ob es nicht vielmehr des Nachweises einer auf die Übertragung gerichteten Absicht - gemeint war jedenfalls auch dolus directus 2. Grades 247 - bedurfte. Vor diesem Hintergrund hat das StGB für den Norddeutschen Bund und nachfolgend das RStGB eine Einschränkung der Strafbarkeit mittelbarer Brandstiftung nicht über höhere Anforderungen an den Vorsatz bezüglich der Brandübertragungsgefahr (auf Brandübertragung gerichtete Absicht), sondern im objektiven Tatbestand durch die abschließende Festlegung der tauglichen primären Handlungsobjekte, denen im Falle ihres unmittelbaren Inbrandgeratens ohnehin die Eigenschaft, regelmäßig zu einer Rechtsgutsgefährdung oder Verletzung zu führen, zugeschrieben wurde, vorgenommen. 248 Die Entstehung von Strafbarkeitslücken wurde nicht befürchtet. Das Anstecken tätereigener, aber nicht in § 308 Abs. 1 a.F. aufgeführter Handlungsobjekte sollte ausreichend über den Versuch unmittelbarer Brandstiftung 249 oder die fahrlässige Brandstiftung (bezogen auf das sekundäre Brandobjekt) 250 zu erfassen sein. Entgegen der Vermutung Gepperts beruht jedenfalls die Einschränkung der tauglichen primären Tatobjekte in § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. im Vergleich zu § 287 preuß. StGB auf Sacherwägungen und bedeutete insoweit ein bewußtes Abweichen vom preußischen Vorbild. Erst nachdem aus den genannten sachlichen Gründen die Handlungsobjekte des § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. (§ 286 preuß. StGB) und die primären Handlungsobjekte des § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. (§ 287 preuß. StGB) - abgesehen von den Eigentumsverhältnissen - kongruent bestimmt waren, mag es das Streben nach sprachlicher Vereinfachung gewesen

Verhältnisse des Falles und der Kenntnis des Thäters von ihnen eine präsumtio doli (Hervorhebung, H.R.) etablirt, neben welcher auf jene Absicht nichts weiter ankommt." 244 Siehe die Nachw. Fußn. zuvor. 245 Vgl. dazu den Bericht von Goltdammer, GA 6 (1858), S. 307, 312 ff. über die Darstellung des Meinungsstandes im Plenum des Senates für Strafsachen des Preußischen Obertribunals. 246 Schaper, in: v.Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrecht, 3.Band, S. 883 Fußn. 19. 247 Vgl. Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 128 ff. 248 Schaper, in: v.Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, 3.Band, S. 883 Fußn. 19 a.E. 249 Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 614 Fußn. 3. 250 Schaper, aaO., S. 880, Fußn. 13.

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sein, beide Regelungsbereiche in einer Vorschrift zusammenzufuhren. Die Beschränkung der mittelbaren Brandstiftung auf das Inbrandsetzen kasuistisch und exklusiv benannter Tatobjekte entspricht der gesamtkonzeptionellen Ausrichtung des Brandstrafrechts an der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung und der verwendeten Gesetzestechnik stärker als die Regelung in § 287 preuß. StGB. Wegen der spezifischen Eigenschaften (Größe, erhöhte Feuerempfänglichkeit etc.) der ausgewählten Tatobjekte ist - bei Brandübertragungseignung nach Lage und Beschaffenheit - die Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsbeeinträchtigung durch das Übergreifen des Feuers auf sekundäre Brandobjekte typischerweise höher als bei Verzicht auf die Benennung tauglicher primärer Tatobjekte. (7) Abgesehen von der Einfuhrung des § 310 a (a.F.) im Jahre 1935 251 und seiner 1941 erfolgten Ausdehnung auf feuergefährdete Betriebe und Anlagen 252 sowie der Anpassungen der Brandstiftungsdelikte an die Änderungen der Sanktionsarten und leichter rein sprachlicher Korrekturen bei § 307 Nr.2 a.F. war die legislatorische Entwicklung der Brandstiftung in Deutschland mit dem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund und dem RStGB 1871 abgeschlossen. Die weitere Geschichte dieser Tatbestände war - gesetzgeberisch - bis in die jüngste Zeit hinein die ihrer gescheiterten Reform. 253 Da die Betrachtung tatbestandsstruktureller Besonderheiten und der systematischen Stellung der Brandstiftung im Vordergrund steht, soll es unter diesen Aspekten bei einem kurzen selektiven Blick auf die früheren Reformanstrengungen bewenden. Die Auswahl der Reformvorschläge ist daran ausgerichtet, inwieweit die Entwürfe nach Deliktstypus und Gesetzestechnik Anhaltspunkte für das Verständnis des jüngst reformierten Brandstrafrechts bieten. (a) In striktem Gegensatz zu den §§ 306 ff. a.F. und zugleich vorbildlich für spätere Reform versuche statuierte § 189 des Vorentwurfs 1909 den Grundtatbestand eines bei Einsatz bestimmer gemeingefährlicher Tatmittel konkreten Gefährdungsdelikts zu Beginn des weiterhin mit "Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen" überschriebenen Gesetzesabschnittes.254 § 189 Abs. 1 Vorentwurf 1909 Wer vorsätzlich einen Brand, eine Explosion, einen Einsturz oder eine Überschwemmung und dadurch Gefahr für Menschenleben oder in bedeutendem Umfang für fremdes Eigentum herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft.

251

Gesetz vom 28.06.1935, RGBl. I, S. 839. Gesetz vom 04.09.1941, RGBl. I, S. 549. 253 Zu den Reformbemühungen siehe auch den Überblick bei Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 199 ff. sowie die kurzen Übersichten bei Niggemeyer, Kriminalistik 1960, S. 377 und der Begründung des E 1962, BR-Drucks. 200/62 S. 498. 254 1 4.Abschnitt §§ 189 - 195 des Vorentwurfs 1909. 252

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Trotz der Einstellung des § 189 an die Spitze des Abschnitts über die gemeingefährlichen Tatbestände verlangten die Entwurfsverfasser nicht konkrete Gemeingefahr, sondern konkrete Individualgefahr. 255 In der Tradition der nicht Gesetz gewordenen Entwürfe zu einem Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten, die eine Ausgestaltung der Brandstiftung als konkretes Gefährdungsdelikt bevorzugten, 256 verzichtete der Vorentwurf auf die Benennung bestimmter Tatobjekte. Hängt die Strafbarkeit wegen Brandstiftung von dem Nachweis des Eintritts konkreter Gefahr für ein Individualrechtsgut ab, ist die tatsächliche und rechtliche Beschaffenheit des Brandobjekts wenigstens für die Ausgestaltung des objektiven Tatbestandes beinahe durchgängig als nicht relevant betrachtet worden. 257 Daran hielt auch § 306 Abs. 2 in der Fassung des ursprünglichen Regierungsentwurfs (RegE) zu einem 6. StrRG fest, der als objektive Tatbestandsmerkmale neben der Verursachen eines Feuers von erheblichem Ausmaß lediglich die Schaffung konkreter Gefahr für Rechtsgüter nach der heute üblichen Gefahrformel (Leben, Gesundheit anderer Menschen oder fremde bedeutende Sachwerte) verlangte. 258 Das nunmehr geltende Recht ist dieser Technik dagegen nicht gefolgt. § 306 a Abs. 2 läßt als Quelle der konkreten Rechtsgutsgefahr im Sinne der herkömmlichen Gefahrformel allein die Brandlegung bzw. das Inbrandsetzen der in § 306 Abs. 1 abschließend benannten Tatobjekte zu. 2 5 9 Für das Brandstrafrecht hat ein auf einen geschlossenen Kreis von Brandobjekten rekurrierendes konkretes Gefährdungsdelikt ein Vorbild allein in § 258 Abs. 2 des Entwurfs von 1913. 260 Richtungsweisend für den mehr als 60 Jahre später publizierten Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches (AE-StGB) war die Zusammenfassung mehrerer typischerweise gemeingefährli-

255 Amtliche Begründung zu § 189 des Vorentwurfs, 1909, S. 603; siehe auch Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 199. 256 Nachw. in Fußn. 195. 257 Eine ungewöhnliche Kombination einer für ein abstraktes Gefährdungsdelikt typischen Gesetzestechnik (abschließende Benennung tauglicher Tatobjekte) mit einem konkreten Gefährdungsdelikt enthielt § 258 Abs. 2 des Entwurfs von 1913 (Wortlaut bei Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 200), der die Strafbarkeit des Inbrandsetzens der in Abs. 1 abschließend aufgezählten, für Abs. 2 tätereigenen Tatobjekte von einer konkreten Gefahr für das Leben anderer bzw.fremdes Eigentum abhängig machte. Warum das Anzünden anderer tätereigener im Gesetz nicht aufgeführter Gegenstände trotz des Eintritts konkreter Rechtsgutsgefahr nicht in gleicher Weise mit Strafe bedroht sein soll, ist nicht nachvollziehbar. 258 BT-Drucks. 13/8587 S. 11; ausführlich dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 ff. 259 Durch die pauschale Verweisung in § 306 a Abs. 2 auf § 306 Abs. 1 bleibt allerdings undeutlich, ob diese auch das Merkmal „fremd" in § 306 Abs. 1 erfaßt oder ob sachgerecht und den Vorstellungen des Reformgesetzgebers entsprechend (BT-Drucks. 13/8587 S. 87 f.) - die Eigentumsverhältnisse am Brandobjekt für § 306 a Abs. 2 irrelevant sind. 260 Siehe Fußn. 257.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

eher Tatmittel (Feuer, Wasser etc.) in einem Tatbestand durch den Vorentwurf (vgl. § 151 AE-StGB). (b) Seit Bestehen der Bundesrepublik hatte es von Seiten der gesetzgebenden Körperschaften lediglich mit dem Entwurf eines Strafgesetzbuches 196(? 6X und dem darauf aufbauenden hinsichtlich der Brandstiftung leicht modifizierenden Entwurf eines Strafgesetzbuches 1962 262 umfassende Unternehmungen zur Reform des Strafgesetzbuches gegeben, die sich auch auf die Brandstiftungsdelikte erstreckten. Die hergebrachte äußere Systematik blieb mit dem Festhalten an einem eigenständigen Gesetzesabschnittes über die gemeingefährlichen Straftaten aufrechterhalten. Die Anwendung des Tatmittels Feuer war - entgegen dem Vorentwurf 1909 - in einem eigenen Tatbestand geregelt, der teils als abstraktes teils als konkretes Gefährdungsdelikt die §§ 306 bis 309 a.F. weitgehend in einer Vorschrift zusammenführte. Diese Konzeption der Entwürfe von 1960 und 1962 hat vor allem der RegE 6. StrRG in einem ganz erheblichen Umfang aufgenommen und zur Grundlage des eigenen Reformvorschlages gemacht. Gravierende Abweichungen gegenüber den genannten Entwürfen bestehen vor allem bei der Erweiterung des Kreises der Tathandlungen, der Ausgestaltung der konkret gefährlichen Brandstiftung sowie der Neuregelung der tätigen Reue. 263 Wegen des Vorbildcharakters der Entwürfe von 1960 und 1962 für den RegE 6. StrRG, dessen Bedeutung im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens schwächer geworden aber nicht verloren gegangen ist, sollen die Überlegungen der (gescheiterten) Reformer der 60er Jahre näher dargestellt werden, weil auf diese Weise Erkenntnisse über die Konzeption des neuen Brandstrafrechts gewonnen werden können. § 320 E 1962 (auszugsweise) Mit Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren wird bestraft,

wer

1. ein Gebäude oder Schiff in Brand setzt, das als Wohnung oder vielen Menschen als Arbeitsstätte dient, oder 2. ein Gebäude in Brand setzt, das a) als Kirche oder sonst als Stätte der Religionsausübung, b) zum Unterricht, lungen oder

zu Vorträgen,

zu Aufführungen

oder sonst zu Versamm-

c) zu Ausstellungen oder sonst zu Besichtigungen dient.

261 262 263

BR-Drucks. 270/60. BR-Drucks. 200/62. Ausführlich Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 19 ff., 30 f.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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Ebenso wird bestraft, wer sonst eine Sache in Brand setzt, so daß ein Feuer von erheblichem Ausmaß droht, und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Abs. 3 verwies auf die allgemein für alle gemeingefährlichen Delikte als Regelbeispiele normierten besonders schweren Fälle (§ 338 des Entwurfs), Abs. 4 sah die Bestrafung bei Vorsatz (bzgl. Tathandlung) - Fahrlässigkeits (bzgl. Gefahrerfolg) - Kombinationen vor. Der Entwurf entschied, für die in Abs. 1 besonders herausgehobenen Handlungsobjekte, deren Auswahl anhand typischer Aufenthaltsorte von Menschen erfolgte, das abstrakte Gefährdungsdelikt beizubehalten und in Abs. 2 Brandstiftung als konkretes Gefährdungsdelikt mit dem zusätzlichen Erfordernis eines Feuers von erheblichem Ausmaß auszugestalten. Die Neugestaltung der Brandstiftungstatbestände war durch die vermeintlichen Schwächen der (damaligen) lex lata, die unübersichtliche und zu Strafbarkeitslücken führende Kasuistik einerseits sowie die angesichts der erheblichen Strafandrohung vor allem bei § 306 a.F. empfundene Kollision mit dem Schuldgrundsatz bei ausgebliebener konkreten Rechtsgutsgefahr andererseits, initiiert. 264 Drei Gesichtspunkte waren für die Entwurfsverfasser wesentlich: (aa) Hinsichtlich des äußeren Systems sollte an einem besonderen Abschnitt gemeingefährlicher Delikte festgehalten werden, der "bei geschlossenem und folgerichtigem Aufbau" solche Tatbestände aufnehmen sollte, mit deren Begehung regelmäßig die Herbeiführung einer Gefahr für die Allgemeinheit verbunden sei. 265 (bb) Um dem Schuldstrafrecht zu genügen, war eine weitgehende Umwandlung bisheriger abstrakter Gefährdungsdelikte in konkrete Gefährdungsdelikte vorzunehmen. Ausgehend von der Prämisse, zwischen abstrakten Gefährdungsdelikten - die lediglich mit geringer Strafe sanktioniert werden dürften - und (rechtsgutsbezogen) Verletzungsdelikten klaffe dadurch eine Lücke, daß die erheblich höhere Bestrafung aufgrund eines Verletzungsdelikts weitestgehend vom zufälligen Verletzungserfolgseintritt abhänge, bot sich aus Sicht des Entwurfs zur Überwindung der Zufallsbedingtheit der Verletzungsdelikte die vermehrte Einführung konkreter Gefährdungsdelikte an. 266 Die Große Strafrechtskommission sah sich bei der Statuierung konkreter Gefährdelikte in diesem Bereich allerdings vor die Schwierigkeit gestellt, entweder auf den Eintritt konkreter Individualgefahr oder konkreter Gemeingefahr abzustellen. Der Entwurf verzichtete auf ein Tatbestandsmerkmal konkreter Gemeingefahr. Die 264 Vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 200/62 S. 498; Lackner, Die Brandstiftungsdelikte nach dem E 1960, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289, 291 f. 265 Lackner, aaO., S. 289. 266 Entwurfsbegründung BR-Drucks. 200/62 S. 496.

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Konturierung dieses Begriffs war weder Rechtsprechung und Schrifttum noch dem Gesetzgeber mit der durch Gesetz vom 28. Juni 1935 267 eingefügten Legaldefinition des § 315 Abs. 3 (a.F.) gelungen; insbesondere die Klärung der Frage, ob die konkrete Gefährung einer unbestimmten Person als Repräsentant der Allgemeinheit Erfordernis konkreter Gemeingefahr sein sollte oder es bei der konkreten Gefährdung einer (vom Täter) bestimmten Person bewende, war ausgeblieben.268 Zusätzlich zu den Schwierigkeiten, den Begriff der Gemeingefahr inhaltlich auszufüllen, bildete sich im Kreis der Entwurfsverfasser die Auffassung, daß das Wesen gemeingefährlicher Delikte weniger in dem Moment des konkreten Gefahrerfolges als vielmehr "in der Anwendung von Mitteln, die ihrer Natur nach geeignet sind, die Allgemeinheit zu gefährden", 269 mithin der weit verstandenen generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung, zu sehen sei. Dem Ziel der vermehrten Schaffung konkreter Gefährdungsdelikte einerseits und der Berücksichtigung der Spezifika des eingesetzten Tatmittels andererseits entsprechend war die technische Gestaltung der Tatbestände davon geleitet, eine abstrakt gemeingefährliche Tathandlung mit einer konkreten (Individual-) Gefahr zu verbinden. 270 Die Festlegung der Begriffsinhalte konkreter Gefahr wurde der Rechtsprechung überlassen. 271 (cc) Die Vorgabe vermehrter Schaffung konkreter Gefährungsdelikte inspirierte die Konzeption des § 320 Abs. 2 E 1962 als eine Art Generalklausel der Brandstiftung. Charakterisierende Tatbestandselemente außer der Vornahme der Tathandlung waren das Verursachung eines Feuers von erheblichem Ausmaß und die dadurch bewirkte konkrete Rechtsgutsgefahr (Leben, Leib, fremdes Eigentum von bedeutendem Wert). Die Beschränkung auf Feuer erheblichen Ausmaßes beruhte auf der nicht nur als semantische, sondern offenbar auch als Wertungsproblem aufgefaßten Schwierigkeit, mit den Tat267

RGB1.I, S. 839. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 200/62 S. 496; Lackner, Die Brandstiftungsdelikte nach dem E 1960, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289, 290 f. 269 Lackner, aaO., S. 291; Entwurfsbegründung BR-Drucks. 200/62 S. 497 "Hinter der Ausgestaltung der Tatbestände als konkrete Gefährdungsdelikte im Sinne einer Gefahr für vielleicht nur einzelne Menschen oder Sachen steht also der Gedanke der abstrakten Gefahr für eine unbestimmte Vielzahl von Menschen oder Sachen als gesetzgeberischer Grund." Vgl. auch Niggemeyer, Kriminalistik 1960, S. 377, 379. 270 Lackner, aaO., S.291. 271 Entwurfsbegründung, BR-Drucks. 200/62 S. 497; Niggemeyer, Kriminalistik 1960, S. 377, 379 weist zu Recht daraufhin, daß eine für das gesamte StGB einheitliche Begriffsbildung der Gefahr als aussichtslos verworfen wurde. Bereichsspezifische Festlegung der Anforderungen an den Eintritt konkreter Rechtsgutsgefahr waren und sind üblich - man denke an die geringeren Anforderungen konkreter Gefahr im Rahmen der Staatsschutzdelikte einerseits (dazu Schroeder , Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, S. 312; Loos /Radtke, StV 1994, S. 565, 568 m. Fußn. 44) und an den engen Maßstab konkreter Gefahr der Rechtsprechung für die Straßenverkehrsdelikte insbesondere § 315 c (dazu Lackner/Kühl, § 315 c Rdnr. 22). 268

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bestandsmerkmalen „Verursachen konkreter Rechtsgutsgefahr" „durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß" das Tatbestandsspezifische der Brandstiftung was immer darunter zu verstehen sein mag - sachgerecht zu erfassen. Ein von Lackner mitgeteiltes Beispiel verdeutlicht das "Dilemma" bei der Ausgestaltung der Brandstiftung als konkretes Gefährdungsdelikt unter Verzicht auf die kasuistische Festlegung ausgewählter Tatobjekte: Der Täter baut sich eine kleine Kiste und legt einen wertvollen antiken Kunstgegenstand hinein. Diese Kiste setzt er irgendwo in freiem Gelände in Brand. Wenn der Kunstgegenstand in fremdem Eigentum steht, sei das Sachbeschädigung, aber doch wohl kaum Brandstiftung 272 Sollte das Empfinden Lackners zutreffen, einen Fall beschrieben zu haben, der nach dem "Wesen der Brandstiftung" dieser nicht unterfällt, stellen sich vergleichbare Konstellationen auch bei konkreter Lebens- bzw. Leibesgefahr ein: Zwingt der Täter beispielsweise sein Opfer, sich in die Kiste zu legen, übergießt diese mit Benzin und zündet die Kiste anschließend - makaber genug, selbstverständlich außerhalb der Reichweite anderer Menschen oder im Wert bedeutendem fremdem Sacheigentum - an, so daß das Opfer zu Tode kommt, würde es sich bei Verzicht auf das Element Feuer von erheblichem Ausmaß nach Maßgabe des E 1962 (§ 320 Abs. 2) um Brandstiftung handeln. Denn der Täter hat mit der Kiste eine Sache in Brand gesetzt und dadurch das Leben eines anderen Menschen nicht nur gefährdet, sondern im Falle des Todes sogar verletzt. Nach dem Empfinden der Großen Strafrechtskommission wäre das Wesen der Brandstiftung in meinem Beispielsfall ebensowenig eifaßt wie in dem vom Lackner gebildeten Fall. Diese Schwierigkeiten zu vermeiden, bezweckte das Merkmal des Feuers von erheblichem Ausmaß. 273 Im Hinblick auf die eigenen rechtspolitischen wie systematischen Vorgaben nicht konsequent griff § 320 Abs. 1 E 1962 trotz des eigentlich angestrebten Verzichts auf abstrakte Gefährdungsdelikte weitestgehend auf das klassische Vorbild des § 306 a.F. StGB zurück und führte die tauglichen Tatobjekte nach Maßgabe des Kriteriums "Mittelpunkt menschlichen Lebens" (wohnen und arbeiten) noch kasuistischer als die lex lata auf. Die Entwurfsverfasser glaubten, auf den umfassenden Schutz bestimmter Tatobjekte - gemeint sind vermittels der Handlungsobjekts Verletzung regelmäßig beeinträchtigte Rechtsgüter jenseits des Eintritts konkreter Rechtsgutsgefahr - nicht verzichten zu können. 274 Das 272

Lackner, Die Brandstiftungsdelikte nach dem E 1960, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289, 292. 273 Zu den Gründen der Ersetzung des im E 1960 vorgesehenen Merkmals "Feuersbrunst" durch das "Feuer von erheblichem Ausmaß" vgl. Lackner, aaO., S. 292 f. 274 Entwurfsbegründung BR-Drucks. 200/62 S. 498.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Festhalten an einem abstrakten Gefährdungsdelikt beruhte auf "Gründen der Rechtssicherheit" vor allem auf der Erwägung, dem Täter die Behauptung mangelnden Verschuldens bezüglich der Rechtsgutsgefährdung nicht widerlegen zu können. 275 Insoweit gingen die Erwägungen nicht über den Kenntnisstand des 19. Jahrhunderts bei Schaffung des preußischen StGB hinaus. 276 Eher kurios mutet die zusätzliche Begründung an, "wer ein Wohnhaus anbrennt, ist nach Überzeugung des Volkes Brandstifter ohne Rücksicht darauf, ob konkret Menschen gefährdert werden oder nicht." 2 7 7 (c) Den bis zur Vorlage des RegE 6. StrRG letzten Vorschlag einer Gesamtreform (auch) der Brandstiftungsdelikte haben die Autoren des Alternativentwurfs mit § 151 AE-StGB ausgearbeitet. Der AE-StGB knüpfte mit der Zusammenfuhrung mehrerer generell gemeingefährlicher Tatmittel in einem Tatbestand an eine bereits im VE 1909 erwogene Tatbestandsstruktur an, war aber der bislang einzige Reformvorschlag, der sich teilweise aus der herkömmlichen Alternative zwischen abstraktem Gefährdungsdelikt einerseits und konkretem Gefährdungsdelikt andererseits herauslösen konnte. § 151 AE-StGB (auszugsweise) Verursachung gemeiner Gefahr (1) Wer 1. einen Brand von erheblichem Ausmaß, insbesondere in einem Gebäude verursacht,... ohne daß im Zeitpunkt der Handlung eine Schädigung anderer an Leib oder Leben auszuschließen ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünfJahren bestraft. (3) Wird die Tat nach Abs. 1 fahrlässig begangen, ist auf Freiheitsstrafe zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

bis

(5) Wer vorsätzlich oder fahrlässig die nahe Gefahr für den Eintritt der in Abs. 1 umschriebenen Vorgänge schafft, wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft. Tatbestandsstrukturell besteht der wesentliche Unterschied zu den abstrakten Gefährdungsdelikten vom Typus des § 306 a Abs. l/§ 306 a.F. darin, daß zur Unrechts- und Schuldbegründung nicht bereits die Vornahme einer generell gefährlichen bzw. gemeingefährlichen Tathahdlung genügte, sondern für die konkrete Tatsituation auf der Grundlage einer ex ante Betrachtung festzustellen war, ob ein Rechtsgut gefährdet werden konnte. Im Gegensatz zu dem in § 320 275

Lackner, Die Brandstiftungsdelikte nach dem E 1960, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289, 293. 276 Siehe oben Text zwischen Fußn. 200-205. 277 Lackner, wie Fußn. 275.

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Abs. 2 E 1962 vorgeschlagenen üblichen Typus eines konkreten Gefährdungsdelikts sollte die Formel "...ohne daß im Zeitpunkt der Handlung eine Schädigung anderer an Leib oder Leben auszuschließen ist" die Strafbarkeit aufgrund der Vornahme generell gefährlicher Handlungen vom Zufallselement vollständig ablösen. 278 Zufallsabhängig bei identischer Tathandlung ist eben nicht lediglich der Eintritt des Rechtsgutsverletzungserfolges, wie in der Begründung des E 1962 zugrundegelegt, sondern in gleicher Weise bereits der Eintritt konkreter Rechtsgutsgefahr. 279 Nach der Vorstellung der Verfasser des AE-StGB sollte die Möglichkeit einer konkreten Rechtsgutsgefährdung in der Bewertung eines (fiktiven) objektiven Beobachters zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung strafbarkeitsbegründend wirken. 280 Konnte nach der ex anteBeurteilung des objektiven Beobachters eine konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsgutes eintreten, entfiel die Strafbarkeit nicht, wenn in Wirklichkeit - offenbar ex post betrachtet - ein Rechtsgut nicht in Gefahr geraten war. Die Möglichkeit der Gefährdung eines einzigen Menschen an Leben oder Gesundheit war genügend.281 Strafbarkeit wegen Vorsatzdelikts aus § 151 Abs. 1 AE-StGB sollte lediglich eintreten, wenn objektiv die Möglichkeit konkreter Rechtsgutsgefährdung bestand und der Täter auch vorsätzlich in Bezug auf die Rechtsgutsgefährdung gehandelt hat. 282 Die Konstellation vorsätzlicher Vornahme der Tathandlung und fahrlässig fehlerhafter Beurteilung der Möglichkeit einer konkreten Rechtsgutsgefährdung unterstellte die Begründung des AE-StGB ausdrücklich dem Fahrlässigkeitsstrafrahmen des § 151 Abs. 3 AEStGB. 283 Die von § 151 AE-StGB vorgeschlagene Normierung der Brandstiftung ist tatbestandsstrukturell von Bedeutung, weil der Entwurf sich aus dem Antagonismus der Deliktstypen abstraktes sowie konkretes Gefährdungsdelikt löst und die Strafbarkeit an die Herbeiführung eines Risikos für das geschützte Rechtsgut knüpft, ohne daß dieses Risiko sich im Eintritt konkreter Rechtsgutsgefahr manifestiert zu haben braucht. In ihrer objektiven Struktur entspricht § 151 AEStGB damit weitgehend dem überwiegenden Teil der zu § 306 Nr.2 a.F.vertretenen Reduktionsmodelle. 284 Subjektiv hängt die Bestrafung wegen vorsätzlicher Begehung jedoch von höheren Anforderungen als nach den Restriktionserwägungen zum bisherigen Recht ab, weil in Bezug auf die Möglich278

Begründung zu § 151 AE-StGB, Alternativentwurf eines Strafgesetzbuches (AE), Bes. Teil, 2.Halbband, 1971, S. 57. 279 Begründung zu § 151 AE-StGB, aaO.; vgl. auch Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 119 f. 280 Begründung zu § 151 AE-StGB, aaO. 281 Begründung zu § 151 AE-StGB. aaO. 282 So das Verständnis bei Schneider, Jura 1988, S. 460, 467. 283 Begründung S. 58 f. 284 Vgl. oben Einleitung A.

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Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

keit der Rechtsgutsgefährdung (Risikoschaffung) Vorsatz verlangt wird, wo teleologische Reduktionen des § 306 Nr.2 a.F. bei vorsätzlicher Vornahme der Tathandlung die sorgfaltswidrige Risikoschaffung zur Vorsatzstrafe wegen schwerer Brandstiftung genügen lassen. b) Bilanz der historischen Entwicklung Der Einsatz des Tatmittels Feuer mit dem Ziel oder jedenfalls der Folge möglicher Beeinträchtigungen der Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum ist spätestens seit der deutschen partikularstaatlichen Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts in selbständigen Straftatbeständen unabhängig von schutzrichtungsgleichen tatmitteloffenen Delikten (Totschlag, Körperverletzung, Sachbeschädigung) sanktioniert, weil der bzw. die Gesetzgeber wegen der tatsächlichen Besonderheiten dieses Tatmittels Rechtsgüterschutz lediglich über (rechtsgutsbezogen) Verletzungsdelikte für unzureichend gehalten hat (haben). Die tatsächlichen Besonderheiten des Mittels, mit den Begriffen Unbeherrschbarkeit und hohe Wirkkraft beschrieben, wirken sich dahin aus, daß ex ante eine über die vom Täter intendierte Beeinträchtigung eines Tatobjekts und/oder eines Rechtsgutes (Rechtsgutsträgers) hinausgehende Wirkung auf andere und weitere Rechtsgüter desselben oder eines anderen Rechtsgutsträgers typischerweise möglich ist, wenigstens aber nicht verläßlich ausgeschlossen werden kann. Auf diese faktischen Gegebenheiten normativ angemessen zu reagieren, bezweckt die Schaffung besonderer Straftatbestände der Brandstiftung. Grund der eigenständigen Strafbarkeit der Brandstiftung ist daher deren generelle Gefährlichkeit für ex ante unbestimmte Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger. Weniger „modern" im Sprachgebrauch des Gesetzgebers des preußischen StGB ausgedrückt bedeutet das, Brandstiftung könne nur als besonderes Verbrechen anerkannt werden, (wenn und) soweit sie gemeingefährlich sei. 285 Die Statuierung eines gemeingefährlichen Delikts schafft in der Sichtweise des historischen Gesetzgebers eine Strafandrohungs- und Bestrafungslegitimation trotz ausgebliebener Rechtsgutsverletzung oder konkreter Rechtsgutsgefährdung. Die über die das eigentliche Tatziel des Handelnden hinausreichende mögliche Gefährdung weiterer Individualrechtsgüter oder vielleicht gar der Gemeinschaft als solcher zu erfassen, ist in der historischen Abfolge - bevor die Differenzierung in abstrakte und konkrete Gefährdungsdelikte vollständig erkannt war - zunächst über die gesetzliche Festlegung tauglicher Tatobjekte der Brandstiftung unternommen worden, deren Inbrandsetzen eine abgestufte Gefährlichkeit der Tat in Bezug auf weitere Individual- oder Kollektivrechtsgüter

285

Goltdammer, Die Materialien zum StGB f.d. preuß. Staaten, Teil II, S. 639.

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zugeschrieben wurde. 286 Anhand der umfassend dokumentierten Entstehungsgeschichte des preußischen StGB deutlich ablesbar, ging die Entscheidung für die kasuistische Tatbestandsgestaltung der Brandstiftung weitestgehend287 mit der Statuierung des Tatbestandstypus abstraktes Gefährdungsdelikt einher. Das sowohl in einigen Entwürfen zum preuß. StGB als auch in zahlreichen späteren Reformvorschlägen favorisierte konkurrierende gesetzestechnische Modell des konkreten Gefährdungsdelikts hat sich dagegen während der hier vornehmlich betrachteten Periode seit dem preuß. StGB von 1851 zu keinem Zeitpunkt durchzusetzen vermocht. Die Präferenz des Gesetzgebers für das abstrakte Gefährdungsdelikt als Kerntypus des Brandstrafrechts gilt - marginal eingeschränkt - auch für die Gestaltung der Brandstraftatbestände durch das 6. StrRG. Der zentrale Tatbestand des geltenden Rechts (§ 306a Abs. 1) ist als abstraktes Gefährdungsdelikt statuiert. Entgegen der ersten Konzeption des RegE 288 ist als weitere Kernvorschrift nicht ein konkretes Gefährdungsdelikt (§ 306 Abs. 2 in der Fassung des RegE), 289 sondern der strukturell § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. gleichende § 306 Abs. 1 installiert worden. Dieser kann Verletzungsdelikt eventuell ein höchst abstraktes Gemeingefährlicheitsdelikt sein, 290 konkretes Gefährdungsdelikt ist er evident nicht. Für die geringe Akzeptanz des konkreten Gefährdungsdelikts durch den Gesetzgeber im Brandstrafrecht sind drei Gründe ausschlaggebend gewesen. 1. Auf der Ebene des objektiven Tatbestandes bietet die Brandstiftung als abstraktes Gefährdungsdelikt den Vorteiltendenziell leichterer Handhabbarkeit wegen des Verzichts auf die prozessuale Feststellung des Eintritts konkreter Rechtsgutsgefahr (ex post). 2. Für den Vorsatz als subjektives Tatbetandsmerkmal ergeben sich praktische Vorteile auf mehreren Ebenen. Es genügt grundsätzlich, die vorsätzliche Vornahme der Tathandlung zu beweisen. In den Übertragungsfällen (§ 308 Abs. 1 2.Alt StGB a.F.; § 287 preuß. StGB) und denen der Erfolgsqualifikation (§ 285 Abs. 1 1.Halbs. preuß.StGB) war die Vorstellung leitend, einen auf Übertragung bzw. Herbeiführung der schweren Folge gerichteten Vorsatz lediglich bei Auswahl besonders gefahrträchtiger - bezogen auf die jeweils tatbestandlich erfaßte Gefahr - Tatobjekte präsumieren zu können. Selbst ohne die dem preußischen Gesetzgeber noch vorschwebende praesumtio doli verbleibt der Vorteil eines erleichterten Schlusses von den objektiven Gegebenheiten auf den entsprechen-

286

Der Entwurf von 1830 zum preuß. StGB mit der Bewertung jedes Brandes als generell gemeingefährlich unter Verzicht auf die Benennung von bestimmten Tatobjekten ist eine Ausnahme; siehe oben l.Kap.C.II.2.a.aa.(3). 287 Eine Ausnahme bildet in späterer Zeit § 258 Abs. 2 des Entwurfs von 1913; dazu oben Fußn. 257 und Text vor Fußn. 257; vgl. auch das Verhältnis von Abs. 1 und 2 des § 320 des E 1962. 288 Siehe Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 f. m.w.Nachw. 289 BT-Drucks. 13/8587 S. 11. 290 Dazu unten 4.Kap.B. 8 Radtke

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Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

den Übertragungs- bzw. Gefährdungsvorsatz (Bewußtsein der Gefährlichkeit). 3. Die Normierung der Brandstiftung als konkrete Gefährdungsdelikte hätte zumindest in der Vorstellung des historischen Gesetzgebers - eine Entscheidung zwischen dem Erfordernis konkreter Individualgefahr oder konkreter Gemeingefahr geboten, d.h. eine Entscheidung, mit deren Lösung sich selbst noch die Reformer des bundesdeutschen Strafrechts im E 1962 letztlich überfordert sahen. 291 Angesichts der vom preußischen Gesetzgeber nur für die Gemeingefährlichkeit 292 postulierten eigenständigen Berechtigung der Bestrafung wegen Brandstiftung hätte die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals konkreter Gemeingefahr nahegelegen. Derart gestaltete Tatbestände wären allerdings mit dem Gelingen der Klärung des Begriffsinhaltes belastet gewesen. Ein Unterfangen das, wie nachfolgend unter 3. zu zeigen sein wird, teils zu kaum nachvollziehbaren Distinktionen teils gar ins Absurde führt. In Bezug auf die jeweils verwendeten Tatbestandsstrukturen ergibt sich damit ein recht klares Bild der (jüngeren) Geschichte der Brandstiftungstatbestände seit dem preuß. StGB. Dessen Gesetzgeber wollte abstrakte Gefährdungsdelikte schaffen, die durch die Auswahl der tauglichen Tatobjekte der Brandstiftung wegen der generellen Gefährlichkeit des Anzündens dieser wiederum generell gemeingefährliche Tathandlungen erfassen. Die Bestimmung der Tatobjekte hat sich nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers - bis auf wenige Ausnahmen bei § 286 preuß. StGB und möglicherweise der Aufnahme der Kirchengebäude in § 285 preuß. StGB ohne Eingrenzung der tauglichen Tatzeit - sowohl bei der menschengefährdenden wie bei der nicht menschengefährdenden Brandstiftung an der typischerweise im Brandfall eintretenden Gemeingefährlichkeit ausgerichtet. Diese weitgehend „reine" Konzeption war durch die Zusammenführung der §§ 286, 287 preuß. StGB in § 308 StGB a.F. und der damit einhergehenden Beschränkung der tauglichen Tatobjekte mittelbarer Brandstiftung teilweise „verwässert" worden. 293 3. Brandstiftung

und Gemeingefahr

Was nun aber ist Gemeingefahr und in welchen Fällen darf von einer gemeingefährlichen Tathandlung gesprochen werden? Die Frage ist nicht nur für eine angemessene Erfassung der tatbestandsstrukturellen Besonderheiten der Brandstiftungsdelikte von Bedeutung, sondern vor allem auch als Argumentationstopos in der Diskussion um die Legitimität abstrakter (gemeingefährlicher) Gefährdungsdelikte. Dennoch ist, vermutlich angesichts der geringen prakti291

Siehe dazu oben Text vor Fußn. 271. Ob das Inbrandsetzen von Wohnhäusern Gemeingefährlichkeit beinhaltete, ist zum preuß. StGB streitig geblieben; oben Fußn. 195. 293 Dazu oben Text zwischen Fußn. 239 und 251. 292

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sehen Relevanz der konkreten Gemeingefahr, die Tatbestandsmerkmal lediglich noch in §§ 312-314 in der bis zum Inkraftreten des 6. StrRG geltenden Fassung war und - für die Strafpraxis ohnehin eher relevant - in § 323 c ist, das Streben nach begrifflicher und inhaltlicher Klärung in der heutigen Strafrechtswissenschaft und Rechtsprechung wenig ausgeprägt. Nach gängiger, aber nicht allgemein akzeptierter Definition ist Gemeingefahr ein Zustand, bei dem die Möglichkeit eines erheblichen Schadens an Leib und Leben oder an bedeutenden Sachwerten für unbestimmt viele Personen naheliegt. 294 Diese Begriffsbestimmung wird gelegentlich um die Einbeziehung der faktischen Besonderheiten gemeingefährlicher Tatmittel, Unbeherrschbarkeit und hohe Wirkkraft, bereichert. 295 Die Gegenposition verzichtet auf „unbestimmt viele" oder eine „größere Anzahl" gefährdeter Objekte und läßt in der Tradition der Legaldefintion des § 315 Abs. 3 in seiner bis 1965 geltenden Fassung als Ausprägung des Repräsentationsgedankens (ein Einzelner anstelle der Allgemeinheit) die konkrete Gefährdung eines einzelnen bestimmten Gefährdungsobjekts für eine Gemeingefahr ausreichen. 296 Der heutige Meinungsstand - von Diskussionsstand kann berechtigterweise nicht gesprochen werden - geht damit nicht über den hinaus, der sich bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gebildet hatte. 297 Die Bemühungen um die Erfassung von Gemeingefahr waren und sind weitgehend gefangen in der von der Individualgefährdung her bekannten Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Gefahr. Die Vorstellung, parallel zu abstrakter und konkreter Individualgefahr auch zwischen abstrakter und einem Zustand konkreter Gemeingefahr sinnvoll differenzieren zu können, 298 ist in zweierlei Hinsicht bedenklich. Abstrakte Gefahr kann nur ein höchst unscharfer und teilweise verwirrender Begriff nicht für einen Gefahrenzustand oder einen Gefahrerfolg, der sich in einer bestimmten Situation manifestiert, sein, sondern

294 Lackner/Kühl, § 323 c Rdnr. 3 und dies§ 312 Rdnr. 2 (bzgl. § 312 a.F.); Cramer , in: Schönke/Schröder, Vorbem § § 306 ff. Rdnr. 19 „größere Anzahl von Menschenleben"; Tröndle, Vorb. § 306 Rdnr. 1; Zopfs, JuS 1995, S. 686, 688. 295 Zopfs aaO. 296 Horn, in:SK-StGB, Vor §306 Rdnr. 8; Spendei, in: LK, § 323 c Rdnr. 59 „entweder einen unbestimmten einzelnen, der repräsentativ für die Allgemeinheit steht oder eine unbestimmte Vielzahl oder bestimmbare Mehrzahl von Personen oder Sachen"; weit. Nachw. bei Küper, StrafR BT, Stichwort „Gefahr, gemeine" S. 92. Daher ist es unrichtig, wenn Zopfs aaO. Fußn. 23 die von ihm vertretene Auffassung als allgemeine Meinung bezeichnet. 297 Dazu sogleich im nachfolgenden Text l.Kap.C.II.3.a. 298 Etwa Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 270 ff., 280 ff., der aaO. S. 267 Fußn. 2 aber sprachlich korrekt zwischen Gemeingefährlichkeit als Beschreibung einer Handlung und Gemeingefahr als Zustand unterscheidet; richtig Binding, Strafrecht, Bes. Teil 2.1., S. 4 f., der daraufhinweist, daß Gemeingefahr nicht die Summe mehrerer Einzelgefahren ist, sondern gerade eine solche, die Rechtsgutsbeeinträchtigungen, die über eine „Anzahl von Sonderverletzungen" hinausgehen, befürchten läßt; siehe auch ders., Normen I, S..394 ff.

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ausschließlich die Bezeichnung der generellen Gefährlichkeit eines bestimmten Typus tatbestandsmäßiger Handlungen. 299 Eine andere Betrachtungsweise bedeutet eine unnötige und unzulässige Präsumtion oder gar Fiktion eines - trotz Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung fehlenden - (konkreten) Gefahrerfolges in Bezug auf ein geschütztes Rechtsgut bzw. den entsprechenden Rechtsgutsträger. 300 Der zweite - folgenschwerere - Fehler ist das Unterfangen, konkrete Gemeingefahr gleich der konkreten Individualgefahr als situativen Zustand von Gefahr, als Gefahrerfolg verstehen zu wollen. Ist im Sinne des üblichen Sprachgebrauchs Gemeingefahr eine der Allgemeinheit drohende, besteht die Schwierigkeit, bestimmen zu müssen, ab welcher Anzahl konkret gefährdeter Rechtsgüter/Rechtsgutsträger die Allgemeinheit ausreichend betroffen sei. Soll dagegen bereits der einzelne Gefährdete als Repräsentant der Allgemeinheit genügen, ist zwar ein Zustand konkreter Gefahr prinzipiell 301 beschreibbar, nur geht es dann nicht mehr um Gemein- sondern um Individualgefahr. 302 Richtigerweise und in klarer Kenntnis der mit der Einfuhrung eines Tatbestandsmerkmals konkreter Gemeingefahr verbundenen Anwendungsunsicherheiten 3 0 3 hat der preußische und in seiner Nachfolge der (gesamt-)deutsche Gesetzgeber des RStGB die faktischen Spezifika gemeingefährlicher Delikte bei der praktisch bedeutsamen Brandstiftung über die Gemeingefährlichkeit der Handlung zu bestimmen versucht. Auf eine begriffliche Klärung der Gemeingefahr wurde dementsprechend verzichtet. Allerdings war der historische Gesetzgeber sicher, den Charakter einer solchen Handlung über die Auswahl der Tatobjekte zutreffend erfassen und bestimmen zu können. Auch das setzt allerdings voraus, zu wissen, unter welchen Umständen eine Tathandlung als gemeingefährliche bezeichnet werden darf. a) Dogmengeschichte der Gemeingefahr Dem heutigen Leser mag ein allgemeiner Sprachgebrauch des Begriffs der Gemeingefahr bzw. der Gemeingefährlichkeit weniger vertraut sein als offenbar 299

Wie hier Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 548, 550 f. 300 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 354, S. 151 ff. zu den Vertretern sog. Präsumtionstheorien. 301 Ungeachtet der Schwierigkeiten konkrete Individualgefahr sachgerecht begrifflich fassen zu können; vgl. jüngst BGH, NJW 1995, S. 3131 „Wann eine solche Gefahr (nämlich eine konkrete i.S. v. § 315 c; H.R.) gegeben ist, entzieht sich exakter wissenschaftlicher Umschreibung." 302 Richtig in bezug auf § 315 Abs. 3 a.F. Heuermann, Materialien zur Strafrechtsreform, 2. Band, S. 433, 434 Fußn. 5 „Dem deutschen Gesetzgeber blieb es,..., vorbehalten, die Gemeingefahr sachlich als eine Individualgefahr zu definieren." 303 Oben l.Kap.C.II.2.a.(5).(c).

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den Schöpfern des preuß. ALR und des preuß. StGB. Eine Vorstellung davon, daß sprachlich Gemeingefahr eindeutig eine allgemeine, d.h. der Allgemeinheit drohende Gefahr ist, dürfte jedoch auch in der jetzigen Zeit noch vermittelbar sein. Im Verlaufe der Geschichte der gemeingefährlichen Delikte ist die Kenntnis von der Gemeingefahr als einer die Allgemeinheit betreffenden Gefahr bzw. Gefährlichkeit insbesondere in Folge der sachlich und sprachlich grob verfehlten Legaldefiniton der Gemeingefahr in § 315 Abs. 3 a.F. durch das Gesetz vom 28. Juni 1935 304 erheblich verdunkelt worden. 305 Die auf dieser Definition aufbauende Aufnahme eines Tatbestandsmerkmals konkreter Gemeingefahr in die durch das (erste) Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. Dezember 1952 306 eingeführte Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 a a.F.) führte die Gemeingefahr als Gefährdung der Allgemeinheit dann endgültig ad absurdum. Die filigranen Erwägungen der zu diesem Straftatbestand ergangenen Rechtsprechung - von der Wissenschaft lebhaft begleitet -, unter welchen Voraussetzungen die Gefährdung eines einzelnen, gar eines zuvor vom Täter als Opfer „ausgesonderten" Verkehrsteilnehmers Gemeingefahr sein könne, 307 vermögen auch bei wohlwollender Betrachtungsweise nur Kopfschütteln hervorzurufen. Ähnliche Reaktionen ruft das Bemühen um Festlegung der für den Eintritt konkreter Gemeingefahr erforderlichen Anzahl gefährdeter Personen in Rechtsordnungen hervor, die konkrete Gemeingefahr al§ Tatbestandsmerkmal einiger gemeingefährlicher Delikte ausweisen.308 Doch die letzten Ausführungen sind ein erheblicher zeitlicher Vorgriff. Die Chronologie der Entwicklung sollte beibehalten werden. Dabei kann der Blick auf die Dogmengeschichte knapp ausfallen. Weitgehend haben sich die gemeingefährlichen Delikte und die Brandstiftung parallel entwickelt. In erheblichem Umfang kann auf bereits zu deren Geschichte Ausgeführtes zurückgegriffen werden. (1) Bei der Schaffung eines gesonderten Gesetzesabschnittes über die gemeingefährlichen Delikte im ALR war im Sinne des eingangs dargestellten Sprachgebrauchs die Vorstellung einer Gefährdung der Allgemeinheit oder 304

RGBl. I, S. 839. Siehe Heuermann (oben Fußn. 302). 306 BGBl. I, S. 832. 307 Die Entwicklung der Rechtsprechung des BGH ist markiert durch die Entscheidungen BGHSt 6, 232 sowie die Aufgabe dieser Rspr. in BGHSt 11, 199; BGHSt 14, 395 und BGHSt 15, 138; gegenläufig zu der durch BGHSt 11, 299 eingeleiteten Wende in der Rspr. etwa OLG Karlsruhe, DAR 1960, 20 und BayObLG, VRS 16, 126; zur obergerichtlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Gemeingefahr bei Straßenverkehrdelikten exemplarisch einerseits Böhmer, MDR 1960, S. 194 und Birk, NJW 1954, S. 1146 sowie Härtung, JZ 1954, S. 486 und NJW 1960, S. 1417 andererseits. 308 Siehe etwa §§ 169, 176, 177 ÖStGB; nach der bei Mayerhofen in: Wiener Kommentar z. ÖStGB, § 176 Rdnr. 5 aufgeführten Rechtsprechung muß der Beginn konkreter Gemeingefahr seinen Sitz zwischen 5 und 9 (konkret) Gefährdeten haben.; vgl. auch Medigovic, in: Festschrift für Platzgummer, S. 151 ff. 305

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wenigstens wesentlicher Teile dieser noch klar ausgeprägt. Das ALR verstand gemeine Gefahr als eine solche, welche mehrere Bürger des Staates oder „gar das Publikum überhaupt schädigt oder gefährdet. 309 Gemeingefährliche Tathandlungen sind demgemäß diejenigen, die zumindest bei generalisierender Betrachtungsweise Gefährdungen oder Schädigungen der Allgemeinheit hervorrufen können. Diese auf die Beeinträchtigung des Ganzen bezogene Betrachtungsweise entspricht dem Verständnis der gemeingefährlichen Delikte als Tatbestände gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung, für die die Einordnung der Brandstiftung in der Carolina unter die Verbrechen gegen die öffentliche Sicherheit und Ruhe ein früher Beleg sein dürfte. 310 Besonders deutlichen Ausdruck fand diese - auch in der gemeinrechtlichen Strafrechtswissenschaft vertretene systematische Einordnung - im StGB des Königreichs Hannover von 1840, das die Brandstiftungstatbestände sämtlich den „Verbrechen wider die öffentliche Sicherheit im Staate" zuordnete. 311 Die Mehrzahl der übrigen partikularstaatlichen Strafgesetzbücher folgte dieser Gesetzessystematik allerdings nicht. Die Entwicklung der Lehre von den gemeingefährlichen Straftaten hatte das hannoversche Strafrecht bei dessen Einführung bereits überholt. (2) Nicht mehr auf einer Beeinträchtigung von werthaften Zuständen der Allgemeinheit als solcher lag das Hauptaugenmerk, sondern der Gedanke einer Gefährdung einer Vielzahl von Mitgliedern der Allgemeinheit an bestimmten ihnen individuell zustehenden Rechtsgütern (Leben, Gesundheit, Eigentum) stand im Vordergrund; 312 ein Gedanke, der auch bereits im ALR mit dem Abstellen auf eine Gefährdung „mehrerer Bürger" enthalten war. Die Verschiebung von der Beeinträchtigung der Allgemeinheit selbst auf einen mehr oder weniger großen Teil von ihr ging einher mit neuen Erkenntnissen in der Wissenschaft über das „Wesen" gemeingefährlicher Verbrechen. Deren wohl zeitlich zuerst erkanntes faktisches Charakteristikum, die Tatbegehung durch Entfesselung von Naturkräften, 313 wurde ergänzt und in seiner Bedeutung als besonders markantes Kennzeichen dieser Delikte durch ein neu entdecktes methodischtechnisches Spezifikum der Gemeingefährlichkeit normierenden Tatbestände, das sich als Kombinationsgedanke kennzeichnen läßt, abgelöst. Gemeingefähr-

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Finger, Festgabe für v.Frank, Band I, S. 230, 249. Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 32. 311 Osenbrüggen, aaO., S. 33; Kitzinger, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Bes. Teil, S. 1,3; Celichowski, Gemeingefährlichkeit im Strafrecht, Diss. Göttingen, 1897, S. 32 f.; Schaper, in: v.Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, 3.Band, S. 859; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 595. Diese systematische Einordnung entsprach durchaus einer auch in der zeitgenössischen Strafrechtswissenschaft vertretenen Sichtweise; Nachw. bei Schaper, aaO., S. 859 m. Fußn. 2. 312 Binding, Strafreht, Bes. Teil 2.1., S. 2. 313 Celichowski, Gemeingefährlichkeit im Strafrecht, Diss. Göttingen 1897, S. 36. 310

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liehe Verbrechen (im untechnischen Sinn) wurden als qualifizierte Verletzungsdelikte bezeichnet, deren Besonderheit in der Bewirkung einer Rechtsgutsverletzung (ausreichend aber auch Tatobjekts Verletzung) liege, aus der eine Gefährdung weiterer Rechtsgüter (richtiger: Rechtsgutsträger) resultiere. 314 Der einschlägige 17. Abschnitt des 20. Titels des ALR ist übertitelt mit „Von Beschädigungen mit gemeiner Gefahr" und deutet damit den erst später stärker konturierten Kombinationsgedanken bereits an. Ob die Vorstellung vom qualifizierten Verletzungsdelikt allerdings ein aus dem Wesen der Gemeingefährlichkeit abgeleitetetes, von der jeweiligen positiven Gesetzesfassung der entsprechenden Tatbestände losgelöstes Phänomen ist oder nicht lediglich eine Beschreibung der lex lata des preußischen und später des RStGB, hat die zeitgenössische Literatur nicht untersucht. Tatsächlich war nur eine Deskription des damals geltenden Rechts geleistet. Zwar ist eine Quelle der Gemeingefährlichkeit - insbesondere bei den Brandstiftungsdelikten - die Entfesselung der Naturkraft Feuer nicht an einem beliebigen Tatobjekt, sondern an einem solchen, auf Grund dessen spezifischer Eigenschaften eine Ausdehnung des Brandes über das Tatobjekt hinaus typischerweise erfolgen kann. Der Gedanke einer Gefährdung einer Vielzahl weiterer Rechtsgutsträger hat sich daher gerade an den typischen faktischen Gegebenheiten der Brandstiftungstatbestände als eine Kombination von (Tatobjekts-)Verletzung gekoppelt mit weiterer Gefährdung entwikkelt. Dennoch beschreibt der Terminus des qualifizierten Verletzungsdelikts nicht mehr als die seit 1851 durchgängig verwendete Gesetzestechnik im Brandstrafrecht, bereits die Tatausführung an bestimmten kasuistisch benannten Handlungsobjekten bei zugeschriebener genereller Gefährlichkeit der Tathandlung wegen der Eigenschaften der ausgewählten Tatobjekte zur Vollendung des Delikts genügen zu lassen. Bei Statuierung gemeingefährlicher Delikte mit dem Erfordernis konkreter Gemeingefahr wäre dagegen eine vorangegangene Verletzung eines Tatobjekts 315 ohne, zumindest aber von erheblich geringerer Bedeutung für eine Charakterisierung einer gemeingefährlichen Tat. Es zählte allein der eingetretene Gefahrenzustand, der konkrete Gemeingefahr genannt werden soll. Die faktischen Gegebenheiten der Brandstiftung bleiben jedoch

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Soweit ersichtlich ist der Kombinationsgedanke erstmals ausformuliert von Stübel, Neues Archiv des Criminalrechts, Band 8 (1826), S. 236, 249 f.; siehe auch Kitzinger, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, S. 1; Schaper, in: v.Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, 3.Band, S. 859, 860; Finger, in: Festgabe für v.Frank, Band I, S. 230, 247. 315 Nur um eine solche, nicht um die Verletzung eines Rechtsguts bzw. eines Rechtsgutsträgers kann es gehen, wie etwa § 306 a Abs. 1 eindeutig belegt. Taugliche Tatobjekte sind auch im Eigentum des Täters stehende. Von einer der Gefährdung der geschützten Rechtsgüter vorausgehenden Verletzung in dem üblicherweise gebrauchten rechtsgutsbezogenen Sinn kann bei dem Täter selbst ausschließlich zustehenden Rechtsgütern nicht die Rede sein.

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unabhängig von der gesetzestechnischen Umsetzung zur Erfassung ihres Gefährdungspotentials konstant. Im Verlaufe der weiteren Entwicklung ist die Erkenntnis der Kombination aus Verletzung + Gefährdung als methodisch-technisches Charakteristikum gemeingefährlicher Delikte trotz Kontinuität der gesetzlichen Regelung weitgehend wieder verlorengegangen. Wenn §308 Abs. 1 l.Alt a.F., dem §306 Abs. 1 strukturell, wenn auch nicht in der Kasuistik der Tatobjekte entspricht, nahezu durchgängig als Spezialfall der Sachbeschädigung, bei dem eine Einwilligung des Eigentümers des inbrandgesetzten Tatobjekts rechtfertigend wirke, bezeichnet wurde, 316 maß man der aus der Verletzung des fremden Tatobjekts typischerweise resultierenden (weiteren) Gefährdung offenbar keine Bedeutung zu. Eine auf die Allgemeinheit bezogene Straftat scheint nicht mehr angenommen zu werden. Andernfalls wäre die Annahme einer Dispositionsbefugnis des Einzelnen über das geschützte Rechtsgut kaum zu erklären. (3) Gewichtiger für das Verständnis gemeingefährlicher Delikte als die Entdeckung des qualifizierten Verletzungsdelikts war der angesprochene Perspektivenwechsel bei den geschützten Rechtsgütern. Die Aufgabe der Sichtweise einer für die „amorphe" 317 Allgemeinheit selbst gefährlichen Verhaltensweisen zugunsten einer auf die Individualrechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum bezogenen (Gemein-)Gefährlichkeit leitet eine Phase der Geschichte der gemeingefährlichen Delikte ein, die mit deren Pervertierung durch die Legaldefinition in § 315 Abs. 3 a.F. sowie dem Verkehrssicherungsgesetz von 1952 ihre Höhepunkte erreichte und erst 1964 mit dem 2. Verkehrssicherungsgesetz endete. Nicht mehr eine allgemeine Gefahr für die Gemeinschaft selbst ist statuiert, sondern eine spezielle Gefahr für bestimmte von der Gemeinschaft als wichtig bewertete individuelle Rechtsgüter ihrer Mitglieder. Wann diese Entwicklung einsetzt, läßt sich zeitlich nicht exakt einordnen. Bereits das ALR unterscheidet u.a. die qualifizierte menschengefährdende Brandstiftung und die nicht qualifizierte, nur das Eigentum betreffende Brandstiftung an unbewohnten Gebäuden u.ä. innerhalb des Abschnitts über die Straftaten mit gemeiner Gefahr. 318 Osenbrüggen stellt in seiner 1854 erschienenen Schrift über die Brandstiftung auf der Grundlage der von ihm untersuchten Strafgesetzbücher Deutschlands und der Schweiz die gängige Unterscheidung nach Brandstiftung mit Gefahr für Personen, an fremdem Eigentum aber ohne Gefahr Personen und gefährlicher Brandstiftung an eigenen Sachen fest. 319 Der Gesetzgeber des preuß. StGB orientierte sich bei der Auswahl der kasuistisch zu benennenden Tatobjekte an der mit deren Inbrandsetzen verbundenen Gemeingefährlichkeit für die jeweils 316 317 318 319

Lackner/Kühl, § 308 Rdnr. 3. Horn, in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. la. Oben l.Kap.C.II.2.a.(2). Die Brandstiftung, S. 79; siehe auch aaO. S. 190.

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mittelbar geschützten Individualrechtsgüter. 320 Das Schriftum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spricht einhellig lediglich noch von der Gemeingefährlichkeit bzw. Gemeingefahr für Leben, Leib und Eigentum? 21 Dieser Perspektivenwechsel bei den Rechtsgütern ist unter drei Aspekten bedeutsam: (a) Soweit die gemeingefährlichen Delikte abstrakte Gefährdungsdelikte sind, schafft der Individualrechtsgutbezug die Basis für das Nachdenken über tatbestandliche Reduktionen bei ex post sicher ausgebliebener konkreter Rechtsgutsgefahr. Ein Festhalten an einer auf die Allgemeinheit, die Gemeinschaft selbst, bezogenen Gefährdung setzte solchen Reduktionsbemühungen dagegen faktische Grenzen. Wann die Allgemeinheit selbst konkret (in ihrem Bestand?) gefährdet ist, läßt sich weder allgemein noch speziell in einem Strafverfahren mit den Mitteln des Strengbeweises verläßlich ermitteln. 322 (b) Historisch war die Verschiebung der Gewichte bei den Schutzgütern Anlaß darüber nachzudenken, welcher Art und welcher Intensität die Gefährdung der Individualrechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum sein muß, um von Gemeingefährlichkeit oder Gemeingefahr sprechen zu dürfen. Die etwa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts intensiv geführte Diskussion konzentrierte sich auf die Frage, ob die Gemeingefährlichkeit durch die Unbestimmtheit der Zahl der gefährdeten Objekte und die Unbestimmtheit der Objekte nach ihrer Individualität geprägt werde oder ob es bei der Unbestimmtheit der Individualität der Objekte bewende oder ob es nicht ohnehin auf die Anzahl (Vielheit) der gefährdeten Objekte ankomme. 323 Die inhaltliche Beschreibung der Gemeingefährlichkeit/Gemeingefahr als Gefährlichkeit/Gefährdung auch eines einzelnen,

320

Oben l.Kap.C.II.2.a.(3) und (4). Celichowski, Gemeingefährlichkeit im Strafrecht, Diss. Göttingen 1897, S. 40; Schaper, in: v. Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, 3.Band, S. 859, 861; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 604; Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 268; Osenbrüggen, Archiv des Criminalrechts. N.F., 1850, S. 605, 611; siehe auch bereits zuvor Stübel, Neues Archiv des Criminalrechts, Band 8 (1826), S. 236, 249 f. und 314. 322 Dementsprechend gering sind die Anforderungen an den Nachweis konkreter Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bei den Landesverratsdelikten Loos/Radtke, StV 1994, S. 565, 568 m. Fußn. 44; Sehr oeder, Der Schutz von Staat und Verfassung, S. 312. Mangels praktischer Durchführbarkeit werden teleologische Reduktionen daher auch bei den abstrakten Gefährdungsdelikten mit sog. vergeistigtem Zwischenrechtsgut und bei den Massenhandlungen nicht erwogen; oben Einl.B.II.2. und 3. 323 Überblick zum Streitstand auch im 19. Jahrhundert bei Frank, Vorbem. z. 27.Abschn., Anm II.; v.Ullmann, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Rechts, Bes. Teil, S. 35, 36 Fußn. 1; Celichowski, Gemeingefährlichkeit im Strafrecht, Diss. Göttingen 1897, S. 40 f.; Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 256 ff.; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 603. 321

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wenn dieser individuell unbestimmt ist, findet sich vollständig ausgeführt erstmals in einem Beitrag von Siebenhaar aus dem Jahre 1884. 324 Die Grundlage des in dieser Auffassung zum Ausdruck kommenden Repräsentationsgedankens steht durchaus noch im Einklang mit der Gemeingefahr als einer der Allgemeinheit drohenden. Zunächst bezogen auf Gegenstände, die dem allgemeinen Nutzen dienen, wurde postuliert, daß in der Gefährdung jedes einzelnen solcher Gegenstände zugleich die Gefährdung unbestimmt vieler liege. 325 Die ursprünglich allein für Gegenstände des allgemeinen Nutzens behauptete Repräsentation des Ganzen durch das unbestimmt Individuelle löste Siebenhaar aus diesem Kontext und übertrug den Gedanken auf die durch die gemeingefährlichen Delikte geschützten Individualrechtsgüter. 326 In der Konsequenz war damit aus der für die Allgemeinheit selbst gefährlichen Handlung eine lediglich für ein einzelnes, freilich individuell unbestimmtes Rechtsgut (Rechtsgutsträger) geworden. Das unbefestigte Aufstellen eines Blumentopfes vor dem hochgelegenen Fenster wurde zur gemeingefährlichen Handlung, der durch das Aufstellen hervorgerufene Zustand zur Gemeingefahr. 327 (c) Die dritte Facette des Perspektivenwechsels bei den geschützten Rechtsgütern ist dagegen positiv zu bewerten. Erst wenn die gemeingefährliche Handlung und bestimmte individuelle Rechtsgüter zueinander in Beziehung gesetzt werden, wird das Unrecht gemeingefährlicher Delikte sinnvoll quantifizierbar. Weil § 306 a Abs. 1 Nr.l offenbar gegen in Bezug auf das menschliche Leben gefährliches Inbrandsetzen/Brandlegen schützt und weil es bei § 306 Abs. 1 (scheinbar) allein um fremdes Eigentum verletzende Brandhandlungen geht, verwirklicht der Täter des erstgenannten Delikts höheres Unrecht und darf höherer Strafdrohung unterworfen werden, als derjenige, der lediglich fremdes Eigentum beeinträchtigt. Die früheren Tatbestände über die Überschwemmung unterschieden zwischen der Tatbegehung mit gemeiner Gefahr für Menschenleben (§312 a.F.) und der mit gemeiner Gefahr für fremdes Sacheigentum (§313 a.F.); an die jeweils gefährdeten Individualrechtsgüter waren die unterschiedlichen Strafdrohungen geknüpft. Solche Quantifizierungen von Unrecht erlaubt eine ausschließlich an der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit als solcher ausgerichtete Deutung gemeingefährlicher Delikte nicht in gleicher Weise. Der Grad der generellen Gefährlichkeit einer Tathandlung kann bei verschiedenen gemeingefährlichen Delikten variieren. Aber wenn es stets um die Beeinträchti324 Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 256 ff, 267; andeutungsweise bereits in diese Richtung Osenbrüggen, Archiv des Kriminalrechts, N.F., 1850, S. 605, 611 f. 325 Siebenhaar, aaO., S. 262 unter Bezugnahme auf Schaper, in: v.Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, 3.Band, S. 902. 326 aaO., S. 262 unten, 267; ebenso Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 603. 327 So Hälschner, aaO., S. 603; treffend dagegen Binding , Normen I, S. 396 Fußn. 46.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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gungen der Allgemeinheit selbst und ihrer Sicherheit ginge, fallen Abstufungen in der Unrechts- und Schuldhöhe nicht leicht. Wenigstens die jeweils betroffene Komponente des Gemeinschaftsbezuges wäre zu benennen und zu bewerten, um ohne einen Individualrechtsgutsbezug Unrecht und Schuld bei gemeingefährlichen Delikten gewichten zu können. 328 (4) Außer der bisher im Rahmen der Dogmengeschichte betrachteten allgemeinen (generellen) Gefährlichkeit bestimmter Tathandlungen, die in der historischen Entwicklung immer stärker auf eine individuelle Gefährlichkeit reduziert wurde, weist die Gemeingefahr/Gemeingefährlichkeit noch ein zweites Standbein auf, dessen mögliche Bedeutung für das Verständnis gemeingefährlicher Delikte kaum näher beleuchtet worden ist. 3 2 9 Allenfalls für systematische Gliederungen des Besonderen Teils anhand der jeweils geschützten Rechtsgüter hat man das gesuchte Kriterium verwendet. 330 Dieses zweite Standbein ist - in Anlehnung an die Gesetzesüberschrift des § 304 formuliert - die Gemeinschädlichkeit bestimmter Tathandlungen.331

328 Für verfehlt halte ich eine Sichtweise wie sie etwa in der polnischen Strafrechtswissenschaft in Polens sozialistischen Zeiten zur Bedeutung der dort eine eigenständige vierte Stufe des Verbrechensaufbaus bildenden „Gesellschaftsgefährlichkeit" - die sich mit Sozial- oder Gemeinschädlichkeit ebenfalls bezeichnen ließe - vertreten wurde, daß die Gesellschaftsgefährlichkeit eine objektive Kategorie sei, deren Vorhandensein und Gewicht vom Gesetzgeber nicht geschaffen, sondern lediglich erkannt werden könne; Zoll, Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat, in: Modernes Strafrecht und ultima-ratioPrinzip, S. 85, 88 f.; kritisch dazu Herzog, Nullum Crimen Sine Periculo Sociali, in: Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, S. 105, 109 ff. Der Wert elementarer IndividualRechtsgüter wie Leben und Gesundheit mag außerhalb des positiven Rechts quasi naturrechtlich vorgegeben, jedenfalls durch dem Strafrecht vorgehendes höherrangiges (Verfassungs-)Recht entscheidend mit bestimmt sein. Ein Mehr an Wertdetermination bei Rechtsgütern erscheint zweifelhaft, sondern ist wandelbaren gesellschaftlichen Vorstellungen unterworfen. 329 Siehe aber Dedes, MDR 1984, S. 100, 101 f. unter Ziff.IV., ohne allerdings den hier verwendeten Begriff der Gemeinschädlichkeit zu gebrauchen. 330 Welzel, Deutsches Strafrecht, S. 279 unter Nr.3 „Verbrechen gegen das Gemeinschaftsleben"; Dedes, Festschrift fur Oehler, S. 265, 272 ff. 331 Der Begriff mag für das heutige Sprachverständnis etwas antiquiert klingen und nicht völlig präzise sein; vgl. zum Begriffsverständnis und zum begrifflichen Verhältnis zwischen Gemeinschädlichkeit und Gemeingefährlichkeit Binding , Strafrecht, Bes. Teil 2.1., S. 1 f. Hier soll er in der Weise Verwendung finden, daß es um Beeinträchtigungen solcher Gegenstände, Einrichtungen und Zustände geht, deren unbeeinträchtigte Verfügbarkeit für die Mitglieder einer Gemeinschaft oder Gesellschaft - über individuelle Erhaltungsinteressen des Eigentümers, Verfügungsberechtigten o.ä. hinaus - von erheblicher Bedeutung ist. Man könnte etwas modemer auch von „Gesellschaftschädlichkeit" sprechen; Zaczyk, Gesellschaftsgefährlichkeit im deutschen Strafrecht, in: Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, S. 113 ff. Bei der Verwendung eines solchen Begriffs bin ich mir der Gefahr durchaus bewußt, losgelöst von legitimen Rechtsgüterschutz einen möglicherweise inhaltsleerer Begriff zu prägen bzw. auch nur zu verwenden, der eine scheinbare Bestrafungslegitimation vorgibt, die berechtigterweise vielleicht nicht vorhanden ist; Zaczyk, aaO., S. 113 f., 115. Aber im Rahmen der kurzen

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Der Katalog der in den 27. (heute 28.) Abschnitt des RStGB, um an die in Absatz (3) behandelte Zeit anzuknüpfen und den historischen Kontext nicht zu verlieren, eingestellten Delikte 3 3 2 wies einen Dualismus der gesetzgeberischen Gründe, bestimmte Straftatbestände in dem genannten Abschnitt anzuordnen, auf: generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlungen einerseits und deren Gemeinschädlichkeit andererseits. 333 Ein Blick über die Straftatbestände verdeutlicht das Gemeinte. Die Regelung in den §§ 315-321 RStGB erstreckte sich von der Gefährdung des Eisenbahnverkehrs (Transportgefährdung), über Eingriffe in den Telegraphen- und Telefonverkehr (§§317-318 a RStGB; §317 n.F.) bis hin zu jenem eigenartigem Tatbestand der Beschädigung wichtiger Anlagen (§ 321 RStGB; § 318 n.F.), der ein Sammelsurium verschiedenster in irgendeiner Weise für das Funktionieren des Verkehrs wichtiger Tatobjekte enthält. 334 Die konkrete Gefährdung eines einzelnen (bestimmten oder unbestimmten) Individualrechtsgutes war in zahlreichen der dort geregelten Tatbestände nicht gefordert. Während die in §§ 315, 316 RStGB normierte Gefährdung des Eisenbahntransportes wegen des Charakters eines Massentransportmittels angesichts der Vielzahl der bei einem störenden Eingriff in den Transport typischerweise gefährdeten Rechtsgüter(Rechtsgutsträger) noch einen starken Bezug zur Gemeingefährlichkeit als Gefährlichkeit für eine große Anzahl von Rechtsgütern (Rechtsgutsträgern) aufwies, besteht bei den Tatbeständen über die Eingriffe in den Telegraphen- und Telefonverkehr ein gänzlich anderer Allgemeinheitsbezug, nämlich die Gemeinschädlichkeit der Tathandlung. Angesprochen sind Tatbestände gegen gemeinschädliche Handlungen zur Sicherung störungsfreier Verfügbarkeit von für das Zusammenleben in der Gemeinschaft wesentlichen Einrichtungen, die sich innerhalb des 27. Abschnitts (jetzigen 28. Abschnitts) vor allem auf die Bereiche Verkehr und Kommunikation beziehen bzw. bezogen. Insbesondere bei den Straftatbeständen über störende Eingriffe in den Betrieb der dem Kontakt zwischen den Mitgliedern der Allgemeinheit dienenden Kommunikationsmittel läßt sich ein auf den wenigstens mittelbaren Schutz hinreichend bestimmbarer individueller Rechtsgüter ausgerichteter Zweck kaum ausmachen. Der störungsfreie Betrieb des Telegraphenverkehrs ermöglichte und ermöglicht die Nutzung (grund)rechtlich abgesicherter Freiheiten des einzelnen, schützt aber nicht oder allenfalls im Sinne eines Reflexes einen individuellen Rechtsgutsträger. Die Gewährleistung von Einrichtungen, die

Beleuchtung der Dogmengeschichte geht es nicht um die Legitimität von Strafe und Strafrecht bei gemeinschädlichen aber möglicherweise nicht rechtsgutsverletzenden Handlungen, sondern um die Verdeutlichung der Entstehung bestimmter Strukturen des positiven Rechts. Dazu taugt der Begriff jedenfalls. 332 Überblick bei Kitzinger, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts. S. 4 f. 333 Schmidhäuser, BT, S. 159. 334 Siehe Kitzinger aaO. und Binding , Strafrecht, Bes. Teil 2.1., S. 53 ff. und 64 f.

C. Strukturen der Brandstrafatbestände für das geordnete Zusammenleben und das Funktionieren der interpersonalen Kommunikation in einer Gemeinschaft als wichtig, vielleicht gar unerläßlich angesehen werden und nicht der Schutz des Eigentums an den entsprechenden Fernmeldeanlagen steht hier im Vordergrund. 335 Eine der hier zugrundegelegten Unterscheidung zwischen dem Gefährlichkeits- und dem Gemeinschädlichkeitsaspekt gemeingefährlicher Delikte vergleichbare Differenzierung nimmt - bezogen auf die abstrakten Gefährdungsdelikte - Otto vor. Er sieht neben den klassischen abstrakten Gefährdungsdelikten, die Rechtsgüterschutz durch Zufallsbeherrschung erreichen sollen, solche, die den Schutz von Institutionen und Ordnungen, die ihrerseits Voraussetzung für personale Entfaltung sind, bezwecken sollen. 336 Die richtige Differenzierung von Otto übersieht aber, daß es sich um eine auf den verschiedenen Facetten der Gemeingefährlichkeit bestimmter Straftatbestände basierende Unterscheidung handelt. Die Kennzeichnung dieses zweiten Standbeins der Gemeingefährlichkeit als Gemeinschädlichkeit ist allerdings unscharf, seine Grenzen sind schwer zu bestimmen. Ein weites Begriffsverständnis erlaubte jede Straftat - aber nicht nur solche - als gemeinschädlich, weil gegen die in der Gemeinschaft existente Rechtsordnung gerichtet, zu verstehen. Für schwere Straftaten scheint ein solches Verständnis durchaus gebräuchlich gewesen zu sein. 337 Zieht man den Kreis enger und stellt auf die Beeinträchtigung von für die Existenz der Gemeinschaft, das Zusammenleben in dieser und die Interaktion zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft wichtigen Einrichtungen, Zuständen u.ä. ab, ist bestenfalls eine unwesentliche Präzisierung erreicht. Die Formulierung hebt sich von der durch das Bundesverfassungsgericht formulierten verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisung an das Strafrecht, gewichtige und elementare Gemeinschaftsgüter zu schützen,338 kaum ab. Eine Vielzahl über den gesamten Besonderen Teil verstreuter Delikte läßt sich unter eine solche Definition der Gemeinschädlichkeit bringen. Der systematische Wert einer derartigen Kategorie gemeinschädlicher Delikte ist gering. Ein kurzer Blick in das geltende StGB genügt als Beleg. Gemeinschädliche Delikte wären in dem vorgenannten Sinne außerhalb der eigentlichen Staatschutzdelikte, die mittelbar auch den Bestand der den Staat mit bildenden Gesellschaft schützen, Delikte wie §§111, 113, 125,126, 129, 129a, 130a, 131, 140, besonders prägnant § 145 (Mißbrauch von Notrufen) und § 145 d, der 8. und 9. Abschnitt mit der Geld- und Wertzeichenfälschung sowie den Aussagedelikten, §§ 166, 167, die Urkundsdelikte im 23.

335

Vgl. auch Binding , Strafrecht, Bes. Teil 2.1., S. 36. Otto, in: Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 447, 455; siehe auch ders., Grundkurs Strafrecht, Allg. Strafrechtslehren, § 4 Rdnr. 14; dazu Hefendehl, JR 1996, S. 353, 354. 337 Binding, aaO. S. 1 unten. 338 Jüngst nochmals BVerfGE 90, 145, 201; dazu Vogel, StV 1996, S. 110, 111 f. 336

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" Abschnitt, §§ 304, 315, 316 b, 317, 318, der 29. Abschnitt über die Umweltdelikte - gleich wie die Rechtsgüter des Umweltstrafrechts im einzelnen zu verstehen sind, 339 unterliegt es keinem Zweifel, daß die Aufrechterhaltung der Umweltressourcen Voraussetzung für den Bestand menschlicher Gemeinschaften ist 3 4 0 -, sowie die §§ 331-335. Die Aufzählung erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit, macht aber den begrenzten systematischen Wert des Gemeinschädlichkeitsaspektes für das Verständnis gemeingefährlicher Delikte deutlich. Eine Gemeinsamkeit der exemplarisch genannten Straftatbestände ist lediglich insoweit zu finden, als ein durch sie geschütztes Individualrechtsgut und ein entsprechender Rechtsgutsträger schwer, teilweise gar nicht aufzufinden oder nur eine sehr mittelbar auf Individualrechtsgüter ausgerichtete Schutzintention vorhanden ist. Die unter dem Dach eines weiten Gemeinschädlichkeitsbegriffs vereinten Straftatbestände lassen sich in zwei Gruppen nach dem Schutz werthafter,, vergeistigter (positiver) Zustände einerseits und wertvollen, für die Allgemeinheit insgesamt bedeutsamen gegenständlichen Einrichtungen trennen. Die Urkundsdelikte schützen das vergeistigte, empirisch kaum aufklärbare Vertrauen in den Rechtsverkehr mit Urkunden, wie die Bestechungstatbestände das vergeistigte Vertrauen in die Lauterkeit der Amtsführung schützen.341 Vergeistigter werthafter Zustand, wenn man will vergeistigtes Zwischenrechtsgut, ist das Vertrauen in den Kapitalmarkt möglicherweise in § 264 a 3 4 2 ebenso wie in den Strafvorschriften des WPHG. 3 4 3 Schutz gegenständlicher für die Gemeinschaft insgesamt über individuelle Rechtsgüter hinaus wichtiger Einrichtungen bezwecken dagegen eher die §§ 316 b, 317, 318, ebenso nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers 344 § 310 a a.F., der neu geschaffene § 306 f zielt prima vista degegen auf den Schutz individueller Rechtsgüter ab. Wagt man eine Einschätzung, warum lediglich solche auf den unmittelbaren Schutz gegenständlicher Einrichtungen ausgerichtete gemeinschädliche Handlungen in den 27. (jetzt 28.) Abschnitt eingestellt worden sind, nicht aber die den Schutz nicht 339

Dazu ausführlich Hohmann, Das Rechtsgut der Umweltdelikte, 1991, passim; Müller-Tuckfeld, Traktat für die Abschaffung des Umweltstrafrechts, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 461, 462 ff. einerseits; Kuhlen, ZStW 105 (1993), S. 697, 701 ff. andererseits. 340 Schünemann, GA 1995, S. 201, 207 ff. 341 Loos, Festschrift für Welzel, S. 879 ff; oben Einl.B.II.3. 342 BT-Drucks. 10/318, S. 22; Achenbach, NJW 1986, S. 1835, 1839; Weber, NStZ 1986, S. 481, 486; Knauth, NJW 1987, S. 28; Schünemann, GA 1995, S. 201, 212 f.; vgl. aber auch Worms, Anlegerschutz durch Strafrecht, S. 311 ff. „Vermögen der Anleger" sowie Zaczyk, „Gesellschaftsgefährlichkeit" im deutschen Strafrecht, in: Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, S. 113, 117 f., 126 f. 343 Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, S. 143 ff; S. 476 ff; vgl. zum geschützten Rechtsgut bei den StrafVorschriften des WPHG gegen den Insiderhandel Dierlamm, NStZ 1996, S. 519. 2AA Schmidt-Leichner, DR 1941, S. 2145, 2149 f. „Schutz der Volks- und Ernährungswirtschaft".

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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gegenständlicher vergeistigter positiver Zustände bezweckenden, darf man zwei Gründe vermuten, (a) Die erstgenannten Tatbestände „paßten" strukturell zu den klassischen gemeingefährlichen Delikten wie etwa der Brandstiftung. Der gemeinsame Kern lag darin, daß Angriffe bzw. störende Eingriffe in bestimmte Einrichtungen oder Betriebe in ähnlicher Weise wie die Entfesselung der „ursprünglichen" Naturgewalten Feuer und Wasser zu in den Folgen nicht beherrschbaren Beeinträchtigungen einer Vielzahl von Individualrechtsgütern (Leben, Gesundheit und Eigentum) führen können. Die Erweiterung des Kreises gemeingefährlicher Delikte über Brandstiftung und Überschwemmung hinaus etwa auf störende Eingriffe in den Betrieb von Massenverkehrsmitteln war gleichsam die Anpassung des Strafrechts an die durch den Fortschritt in Naturwissenschaft und Technik hervorgebrachten neuen Angriffsmittel und -Objekte.345 Der intendierte Anpassungsprozeß ist dem Gesetzgeber nicht durchgängig gelungen. Einen den Brandstiftungsdelikten ähnlichen Gefährlichkeitsaspekt enthalten die Verkehrsdelikte noch, soweit es um Eingriffe in Massenverkehrsmittel (etwa §§ 315, 316 c) geht, nicht aber der heutige § 317 über Störungen des Fernmeldverkehrs. Letzterer gewährleistet nicht einmal mittelbar Bestandsschutz individueller Rechtsgüter, sondern bestenfalls die Nutzbarkeit, die Ausübung von Rechten des Einzelnen. Seine Einordnung in den 7.Abschnitt über die Straftaten gegen die öffentliche Ordnung hätte daher näher gelegen, (b) Eine zweite strukturelle Ähnlichkeit mit den klassischen gemeingefährlichen Delikten besteht in der Anknüpfung der Tathandlung an ein Tatobjekt, daß das geschützte Rechtsgut bzw. die geschützten Rechtsgüter symbolisiert und den Angriff gegen das Rechtsgut vermittelt. Der Eingriff in den Bahnverkehr durch Beschädigung beispielsweise des Gleiskörpers einer Bahnstrecke vermittelt den Angriff auf die individuellen Rechtsgüter der mit dem nächsten Zug beförderten Personen wie auf die Sicherheit des Bahnverkehrs insgesamt - wenn es sich um ein in § 315 auch geschütztes Rechtsgut handeln sollte. 346 Die nicht auf gegenständliche werthafte Einrichtungen bezogenen, „nur" gemeinschädlichen Tatbestände weisen einen über ein Tatobjekt vermittelten Rechtsgutsangriff üblicherweise nicht auf. Solche Unterschiede in der Tatbestandsstruktur der eingangs aufgelisteten gemeinschädlichen Delikte machen die Auswahl einiger von ihnen für die Einstellung in den 27. (heute 28.) Abschnitt ansatzweise erklärlich. Ungeklärt ist die Relevanz des Gemeinschädlichkeitsaspektes für die gemeingefährlichen Tatbestände. Auch insoweit ist die Gemeinschädlichkeit facettenreich. Erfaßt der Begriff der Gemeinschädlichkeit Handlungen, die die Exi-

345

So deutlich bei Siebenhaar, ZStW 4(1884), S. 245, 247 f.; Schaper, in: v.Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, 3.Band, S. 861 f. 346 Siehe Lackner/Kühl, §315 Rdnr. 1; Cramer , in: Schönke/Schröder, §315 Rdnr. 1; Tröndle, § 315 Rdnr. 2; Maurach/Schr oeder/Maiwald, BT 2, § 50 Rdnr. 3.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Stenz der Gemeinschaft, das Zusammenleben in dieser oder die Interaktion zwischen ihren Mitgliedern beeinträchtigen, so dient die Kennzeichnung einer Verhaltensweise als gemeinschädlich letztendlich der Legitimität der Bestrafung dieses Verhaltens. Nullum crimen sine periculo sociali. Wenn Strafrecht auf die Verhütung wirklicher Sozialschäden beschränkt ist und der materielle Kern des (strafrechtlichen) Unrechts in der untragbaren Sozialschädlichkeit eines Verhaltens liegt, 347 dann soll die Gemeinschädlichkeit nicht lediglich Synonym der Sozialschädlichkeit sein, sondern gerade das Vorliegen eines wirklichen sozialen Schadens belegen. Für die mittelbar Individualrechtsgüterschutz intendierenden gemeingefährlichen Delikte wie etwa die Brandstiftung folgt der „wirkliche" soziale Schaden bereits aus der generellen Gefährlichkeit der Tathandlung für bestimmte Individualrechtsgüter. Fehlt der wenigstens mittelbare Bezug auf einzelnen Rechtsgutsträgern zugewiesene Güter, verbleibt die auf die Beeinträchtigung gemeinschaftswichtiger werthafter/wertvoller Zustände und Einrichtungen gerichtete Sozialschädlichkeit. Ob und in welchem Umfang generelle Gemeingefährlichkeit und Gemeinschädlichkeit den Einsatz von Strafrecht zur Bekämpfung sozialschädlicher Handlungsweise in einem dem Schuldprinzip verpflichteten Strafrecht legitimieren können, ist freilich ein Problem, auf das noch zurückzukommen sein wird. Eine weitere von der Legitimierung der Bestrafung trennbare Bedeutung wurde der Gemeinschädlichkeit als Quelle, als Grund für das Vorliegen von Gemeingefahr, wenigstens Gemeingefährlichkeit zugemessen. Ausgeprägt findet sich der Gedanke in der Konzeption der amtlichen Strafrechtskommission während der Zeit des Nationalsozialismus. Der Abschnitt über die gemeingefährlichen Delikte des „kommenden deutschen Strafrechts" sollte von der Dreiteilung ausgehen, daß Gemeingefahr herbeigeführt werden könne durch, (a) den Einsatz von Naturgewalten sowie den Einsatz von Giften, (b) die Störung des Verkehrs und Beschädigungen lebenswichtiger Anlagen und (c) Störungen besonders wichtiger Betriebe. 348 Sieht man davon ab, daß (b) und (c) weithin übereinstimmen, weil der übergeordnete Gedanke jeweils der Schutz für die Gemeinschaft insgesamt bedeutsamer Einrichtungen ist, beleuchtet die Aufspaltung nach den Ursachen von Gemeingefahr, daß diese einen Gefährlichkeitsaspekt in Bezug auf eine unbestimmte Vielzahl von Individualrechtsgütern neben einem Gemeinschädlichkeitsaspekt in Bezug auf überindividuelle Zustände, Einrichtungen u.ä., die häufig als vergeistigte Zwischenrechtsgüter bezeichnet werden, aufweist. Die angesprochene Dreiteilung der Quellen der Gemeingefahr durch den nationalsozialistischen Gesetzgeber flöß in das Gesetz vom 28. Juni

347

Vgl. nur Schünemann, GA 1995, S. 201, 204; Roxin, AT 1, § 7 Rdnr. 59 f. Thierack, in: Das kommende deutsche Strarecht, Bericht der amtlichen Strafrechtskommision, 2.Aufl., S. 299. 348

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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1935 349 ein, mit dem der damalige 27. (jetzige 28.) Abschnitt um eine Legaldefinition der Gemeingefahr (§315 Abs. 3 a.F.) „bereichert" wurde. (5) Nachdem die Strafrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts nach den spezifischen Strukturen gemeingefährlicher Delikte und Möglichkeiten ihrer Systematisierung gesucht hatte, war die legislatorische Entwicklung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland von dem Bemühen, Gemeingefahr begrifflich zu erfassen, durchzogen. Die Erträge dieser Mühen sollten sich vor allem auf die Straftatbestände zum Schutz des Verkehrs auswirken. Die Reformbestrebungen nahmen die in der Wissenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorbereitete Individualisierung der Gemeingefahr auf und führten sie mit der Legaldefinition des § 315 Abs. 3 a.F. aus dem Jahre 1935 und deren Implementierung in den 1952 neugeschaffenen Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 a in der bis 1965 gültigen Fassung) zu ihrer unrühmlichen Blüte. Ursprünglich enthielten die Straftatbestände über die Gefährdung des Eisenbahntransportes (§§315, 316, 319 RStGB) weder ein Tatbestandsmerkmal der Individual- noch der Gemeingefahr. 350 Zur Tatbestandserfüllung genügte die Vornahme der in § 315 RStGB aufgezählten Handlungen (etwa Beschädigung der Bahnanlagen oder der Beförderungsmittel). Der Gesetzgeber ging angesichts des durch die Eisenbahn möglichen Massentransportes von Menschen und Gütern von einer generellen Gemeingefährlichkeit der im Gesetz näher bezeichneten störenden Eingriffe in den Bahntransport aus. 351 Die Reformbestrebungen im ausgehenden Kaiserreich und während des gesamten Bestehens der Weimarer Republik rückten von dieser Sichtweise ab und waren im Kern übereinstimmend darauf gerichtet, der Transportgefährdung ein Tatbestandsmerkmal konkreter Gefahr beizugeben. Die verschiedenen Entwürfe schwankten allerdings zwischen einer den heutigen §§315 ff. weitestgehend entsprechenden Formulierung konkreter Individualgefahr einerseits und konkreter Gemeingefahr andererseits. Letztere trat nach überwiegend vertretenem Verständnis bereits mit der Gefährdung einer einzelnen individuell unbestimmten Person ein. 3 5 2 Die konkrete Gefährdung eines individuell bestimmten Rechtsgutsträger sollte für Gemeingefahr bzw. Gemeingefährlichkeit dagegen gerade nicht genügen.

349

RGBl. I, S. 839. Binding, aaO., S. 37 ff. 351 Siehe aber Binding , aaO., S. 39 mit Fußn. 2-4 über die Schwierigkeiten der Strafrechtswissenschaft den Kreis der von der Norm geschützten Bahnen (auch elektrische Straßenbahnen?) nach Maßgabe der für die Gemeingefährlichkeit typischen Entfesselung von Naturkräften zu bestimmen. 352 Siehe die Begründungen der Entwürfe von 1925 (Reichsratsvorlage) und 1927 (Reichstagsvorlage) in der Wiedergabe bei Härtung, NJW 1960, S. 1417, 1418 re.Sp. 350

9 Radtke

1 3 0 1 . Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" Eine gesetzgeberische Umsetzung der Reform der Straftatbestände über die Transportgefährdung und anderer die konkrete Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal aufweisenden Delikte erfolgte erst durch das in nationalsozialistischer Zeit 3 5 3 geschaffene Gesetz vom 28. Juni 1935 354 mit der Einfügung der Legaldefinition in § 315 Abs. 3 a.F., nach der Gemeingefahr u.a. eine „Gefahr für Leib oder Leben, sei es auch nur eines einzelnen Menschen", war. Der Gesetzeswortlaut ließ offen, ob dieser einzelne Mensch ein individuell unbestimmter sein mußte oder ob die konkrete Gefährdung eines individuell bestimmten hinreichte. Die Ausführungen der amtlichen Strafrechtskommission über die Vorstellungen des Gesetzgebers waren dürftig. Spätere Interpretationen des § 315 Abs. 3 a.F. gelangten zu einander diametral entgegengesetzten Erkenntnissen. Härtung etwa meinte der Gesetzgebungshistorie das Genügen der Gefährdung eines individuell bestimmten Menschen entnehmen zu können. 355 Der Bundesgerichtshof vertrat - gestützt auf dieselben Materialien - die gegenteiligen Auffassung. 356 Für beide Deutungsversuche der gesetzgeberischen Intention lassen sich Anhaltspunkte in den Materialien finden, allerdings nur deshalb weil die Interpreten der Entstehungsgeschichte wie der Gesetzgeber selbst dem Unterschied zwischen generell gemeingefährlichen Tathandlungen und einem Zustand konkreter Gemeingefahr nicht ausreichend Beachtung schenkten. Der Bericht Thieracks über den Meinungsstand in der amtlichen Strafrechtskommission nach der zweiten Beratung des genannten Gesetzes weist aus, daß der nationalsozialistische Gesetzgeber mit der Legaldefinition eine konkrete Gefahr für eine einzelne individuell bestimmte Person genügen lassen wollte, 3 5 7 wenn und soweit die Tat mit generell gemeingefährlichen Mittel, d.h. mit solchen, die typischerweise zu einer Gefährdung einer unbestimmten Vielzahl von Personen führen, begangen wurde. 358

353 Die „weiche" Formulierung von der „nationalsozialistischen Zeit" ist bewußt gewählt, nicht um zu verharmlosen, sondern weil die Legaldefinition wohl nicht Ausdruck spezifisch nationalsozialistischen Rechtsdenkens ist. Die in das StGB eingefügte Fassung der Definition knüpfte an Vorbilder aus Reformbemühungen der Weimarer Republik an. Daß der in der Gemeingefahr enthaltene Gemeinschaftbezug dem nationalsozialistischen „Rechts"verständnis besonders gut entsprach, wird dabei nicht übersehen; zur „kollektivistischen" Ausrichtung des nationalsozialistischen Strafrechts Gerhard Wolf JuS 1996, S. 189, 191 und 194; vgl. auch Stolleis, Gemeinwohlformeln, S. 274 ff. 354 Oben Fußn. 349. 355 NJW 1960, S. 1417, 1418 re.Sp, 1419 li.Sp. 356 BGHSt 12, 199, 202 f. 357 „Dabei kann der Täter sehr wohl von vornherein ein bestimmtes Opfer ins Auge gefaßt haben,...(Hervorhebung H.R.)"; Thierack, in: Das kommende deutsche Strafrecht, Bes. Teil, 2.Aufl., S. 309. 358 (unmittelbarer Anschluß an Fußn. 357) ,..., wenn er nur mit gemeingefährlichen Mitteln handelt, die ihrem gewöhnlichen Ablaufe nach den Leib oder das Leben unbestimmter Personen gefährden." (Hervorhebungen H.R.); Thierack aaO.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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In der Sache war damit eine Gesetzestechnik gemeint, die auch bei späteren Reformbestrebungen in den 50er und 60er Jahren unseres Jahrhunderts für zutreffend gehalten worden ist: die Koppelung einer als generell gemeingefährlich aufgefaßten Tathandlung mit daraus resultierender konkreter Individualgefahr. Der Entwurf eines Strafgesetzbuchs von 1960 (E 1960) wollte eine derartige Tatbestandsstruktur den gemeingefährlichen Delikten durchgängig zugrundelegen. 359 Die konkrete Individualgefahr wurde zum Indiz der generellen (Gemein)Gefährlichkeit der Tathandlung. 360 Die Legaldefintion in § 315 Abs. 3 (in der bis 1965 geltenden Fassung) verfehlte diese Tatbestandsstruktur aber insoweit, als sie fälschlicherweise konkrete Gemeingefahr sagte, wo sie konkrete Individualgefahr meinte. Dieser gesetzgeberische Mißgriff trat bei der praktischen Handhabung der gemeingefährlichen Verkehrsdelikte nach Einführung des den heutigen §§ 315 b und c als Vorläufer vorausgehenden § 315 a durch das (erste) Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. Dezember 1952 361 deutlich zu Tage. 362 Störende Eingriffe in den Straßenverkehr - gleich denen in den Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr (§315 a.F.) - sowie Autofahren in fahruntüchtigem Zutand und in grob verkehrswidriger Weise waren strafbar, wenn dadurch im Sinne der Legaldefinition des § 315 Abs. 3 in der bis 1965 geltenden Fassung konkrete Gemeingefahr eintrat. 363 Die als gemeingefährlich verstandene Straßenverkehrsgefährdung weist allerdings mindestens hinsichtlich des Gefährlichkeitsaspekts ein anderes Gepräge als die bis dahin im früheren 27. (jetzt 28.) Abschnitt geregelten Vergehen und Verbrechen auf. Der von außen kommende, gegen den störungsfreien Betrieb gerichtete Angriff auf den Eisenbahnverkehr war gemeingefährliche Handlung, weil bei generalisierender Betrachtungsweise durch die tatbestandlich benannten Eingriffe in den Betriebsablauf selbst bei Angriffen gegen einen einzigen Eisenbahntransport eine (unbestimmte) Vielzahl von Rechtsgutsträgern gefährdet werden können. Eisenbahnverkehr, aber auch Luft- und Schiffsverkehr sind typischerweise Massentransporte pro jeweils eingesetztem Transportmittel. Straßenverkehr dagegen ist (typischerweise) der lediglich massenhaft auftretende Transport einiger weniger Rechtsgutsträger pro Transportmittel. Die 1952 neu geschaffene Straßenverkehrsgefährdung sank-

359 Lackner, Die Brandstiftungsdelikte nach dem E 1960, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289, 291; siehe dazu oben l.Kap.C.II.2.a.b.bb.; vgl. auch Horn, JZ 1964, S. 646, 649 re. Sp. mit Fußn. 40; Reinh v. Hippel, ZStW 80 (1968), S. 378 und 380. 360 Dedes, MDR 1984, S. 100, 101; Horn, aaO. 361 BGBl. I S. 832. 362 Geerds, GA 1965, S. 321, 340 hält die Einordnung der Verkehrsdelikte unter die gemeingefährlichen insgesamt für einen „legislativen Fehlgriff'. 363 Zu den hier interessierenden strafrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes vgl. nur Lackner, MDR 1953, S. 73, 75.

9*

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

tionierte zudem anders als die bisherige Transportgefährdung nicht nur den externen Angriff auf einzelne Rechtsgutsträger im Straßenverkehr, sondern auch und vor allem die interne Gefährdung des Verkehrs durch die an ihm Beteiligten selbst. Die Aufspaltung des zunächst einheitlichen § 3 1 5 a i n § 3 1 5 b einerseits und § 315 c andererseits verdeutlicht diese beiden Komponenten der mit dem Straßenverkehr verbundenen Gefährdungen. Bereits rund 50 Jahre vor dem Inkrafltreten des Verkehrssicherungsgesetzes formulierte Binding in Bezug auf den Autoverkehr treffend: iyEs ist damit ein neues, sehr schwer zu lösendes gesetzgeberisches Problem geschaffen worden: der Schutz des Verkehrs gegen die enorme Gefährlichkeit des modernsten Verkehrsmittels." (nämlich des Autoverkehrs selbst). 364 Die Lösung dieses „sehr schwer zu lösenden Problems" ist dem Gesetzgeber des Verkehrssicherungsgesetzes wegen des Festhaltens an der Legaldefinition des § 315 Abs. 3 a.F. nicht gelungen. Außer der bereits durch die Definition selbst zur konkreten Individualgefahr herabgestuften konkreten Gemeingefahr wird die Plausibilität der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlungen im Vergleich zur Transportgefährdung alter Prägung schwächer. Quantitativ ist - am groben Maßstab der Lebenserfahrung gemessen - die Wahrscheinlichkeit einer Realisierung des auf eine (typischerweise) unbestimmte Vielheit von Rechtsgutsträgern bezogenen Gefährlichkeitspotentials der Tathandlung in einem Gefahren- oder gar Verletzungserfolg pro eingesetztem Verkehrsmittel bei der Straßenverkehrsgefährdung geringer als bei der Transportgefährdung des § 315 a.F. Das Tatobjekt Kraftfahrzeug, das vielfach zugleich das Tatmittel ist, ist eben nicht im Sinne der Transportgefährdung Massentransportmittel. Anders formuliert: aus der Gefährdung einer Masse von Rechtsgütern/Rechtsgutsträgern pro Tathandlung wird eine lediglich massenhaft auftretende Gefährdung 365 von wenigen, häufig sogar eines einzigen individuell bestimmten Rechtsgutes/Rechtsgutsträgers pro Tathandlung. In der praktischen Konsequenz stellten sich nicht nur wegen des häufigen Auftretens von Straßenverkehrsgefährdungen sondern auch wegen der „Verdünnung" der bis dahin vorhandenen tatbestandlichen Strukturen gemeingefährlicher Delikte Fallgestaltungen ein, in denen die gefährdeten Rechtsgutsträger ex post sicher auf einen Kreis von vor der Tat durch den Täter „ausgesonderten" Opfern beschränkbar waren. Regelmäßig ging es zum einen um die Mitfahrer des Täters der Straßenverkehrsgefährdung, zum anderen um den Straßensperren u.ä. bereitenden Polizeibeamten, den der Täter in sog. Verfolgungsfällen gezielt in das „Visier" seines Fahrzeuges nahm. Der rund 70 Jahre zuvor entwickelte Repräsentationsgedanke (Der einzelne für die Allgemeinheit) der Gemeingefahr stieß an seine Grenzen. Weder von Unbestimmtheit der Gefährdeten und schon gar nicht von unbestimmter Vielheit konnte mehr

364 365

Strafrecht, Bes. Teil 2.1., S. 37. Oben Einl.B.II.2.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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die Rede sein. Die Rechtsprechung tat sich in der Behandlung der aufgezeigten Konstellationen schwer. Deren Entwicklung zu §315 a ist schnell erzählt. Nachdem BGHSt 6, 232, 235 die Mitfahrer des Täters noch zu dem Kreis der die Allgemeinheit repräsentierenden konkret Gefährdeten zählte und lediglich Tatteilnehmer ausschloß, die - wie der Täter selbst auch - „natürlich" keine Vertreter der Allgemeinheit sein konnten, erfolgte die Wende rund vier Jahre später. BGHSt 11, 199, 203 ff. führte die Gemeingefahr auf das Kriterium der unbestimmten Individualität des einzelnen Gefährdeten zurück; nur wenn an Stelle des tatsächlich gefährdeten Opfers auch ein „beliebiger anderer" hätte stehen könnte, sei „in ihm die Allgemeinheit gefährdet." 366 Maßgeblich für die Beliebigkeit war vor allem das Bestehen persönlicher Bindungen zwischen Gefährdendem und Gefährdeten. 367 Diese neue Rechtsprechung wurde in BGHSt 14, 395 sowie 15, 138 bestätigt und auf die Polizei-Verfolgungsfälle übertragen. 368 Es erfolgte eine weitere Verfeinerung der Kriterien, mit deren Hilfe die durch die Tat konkret Gefährdeten in Repräsentanten der Allgemeinheit und Nichtrepräsentanten geschieden werden konnten. 369 Diese Versuche, die durch § 315 Abs. 3 (in der bis 1965 geltenden Fassung) individualisierte Gemeingefahr wieder auf eine die Allgemeinheit betreffende zurückzulenken, waren gerade wegen des Bemühens, die Ge/we/ttgefahr entsprechend deren Ursprung mit einem Allgemeinheitsbezug zu versehen, in der Tendenz begrüßenswert, 370 machten aber unmißverständlich deutlich, daß das Unterfangen, konkrete Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal zu statuieren, verfehlt ist. Entweder man betreibt Etikettenschwindel und läßt Individualgefahr als Gemeingefahr firmieren oder die Ergebnisse, wann konkrete Gemeingefahr als eine eine Vielzahl von Rechtsgutsträger betreffende vorliegt, sind zu einem guten Teil zufällig. (6) Das Ende der konkreten Gemeingefahr als Tatbestandsmerkmal der Verkehrsdelikte im früheren 27. (jetzigen 28.) Abschnitt - zugleich das Ende aller

366

Hervorhebung H.R. BGHSt 11,199, 203 f. 368 Anders als der BGH etwa OLG Karlsruhe, NJW 1959, S. 2321 und BayObLG, JZ 1959, S. 638. 369 In Verfolgungsfällen sollte es für die konkret gefährdeten Polizeibeamten darauf ankommen, ob sie, weil sie bereits gegen den Täter einschreiten wollten, von diesem zuvor ausgesondert und (vorsätzlich) zum Ziel des deliktischen Angriffs des Täters wurden oder ob sie zufällig („etwa mit abgewendetem Gesicht"?) in den Gefahrenbereich des Täters gerieten; vgl. nur BGHSt 14, 395, 398 ff. 370 Die zeitgenössische Literatur war in der Bewertung gespalten; Befürworter der Wende in der Rechtsprechung des BGH und Gegner haben seit 1953 bis zur Aufgabe des Gemeingefahrerfordernisses durch das 2. Verkehrssicherungsgesetz 1964 heftig um die Berechtigung der Individualisierung der Gemeingefahr gerungen; etwa Härtung, JZ 1954, S. 486 und ders., NJW 1960, S. 1417; Bender, NJW 1959, S. 326 und ders., DAR 1960, S. 70 einerseits und Birk, NJW 1954, S. 1146; Böhmer, MDR 1960, S. 194 andererseits. 367

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Subtilitäten zu deren begrifflicher Erfassung - kam mit dem 2. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, das am 02. Januar 1965 in Kraft trat. 371 Die Straßenverkehrsdelikte erhielten ihre noch heutige gültige systematische Ordnung; konkrete Individualgefahr für Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert löste die diffuse konkrete Gemeingefahr ab. Das Herkommen der Straßenverkehrsdelikte von den gemeingefährlichen Delikten blieb Wissenschaft und Praxis lediglich in dem Streit über monistisches oder dualistisches Rechtsgut bei § 315 c mit seinen Konsequenzen für die Dispositionsbefugnis des einzelnen Gefährdeten über das geschützte Rechtsgut erhalten. 372 Der eine rechtfertigende Einwilligung ausschließende Gedanke des Schutzes der Allgemeinheit oder der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs hat seine Wurzel jedenfalls auch in dem Aspekt unkontrollierter Gefährlichkeit gemeingefährlicher Handlungen für eine unbestimmte Vielzahl von Rechtsgütern/Rechtsgutsträgern; der Gemeingefährlichkeit. Mit der Umstellung der Begrifflichkeiten 373 endet weitestgehend das wissenschaftliche Bemühen um die gemeingefährlichen Delikte. Seitdem die praktisch wichtigen Straßenverkehrsdelikte konkrete Gemeingefahr nicht mehr erfordern und in § 323 c der „Unglücksfall" und nicht die „gemeine Gefahr" in praktischer Hinsicht das zentrale Merkmal zur Beschreibung der die Hilfspflicht auslösenden Situation ist, wird eine Notwendigkeit, spezifischen Tatbestandsstrukturen gemeingefährlicher Delikte nachzugehen, offenbar nicht mehr gesehen.374 (7) Eine kleine Renaissance erlebte die Gemeingefährlichkeit durch die neuere Rechtsprechung des BGH zur Auslegung des Merkmals der Ausnutzungsabsieht in § 307 Nr.2 a.F. Einsetzend mit BGHSt 38, 209, bestätigt und fortgeführt durch BGHSt 40, 251 stellt das Gericht unter Verweis auf die in Nr.l und Nr.3 des § 307 a.F. angeblich vorhandene Verbindung zwischen der akuten (gemeingefährlichen) Brandsituation und der schweren Folge einen solchen Bezug auch für die Ausnutzungsabsicht her. Erst die planmäßige Ausnutzung der

371 BGBl. I 1964; S. 9; dazu Warda, MDR 1965, S. 1, 4 f.; Härtung NJW 1965, S. 86, 89 f. 372 BGHSt 23, 261, 263 ff. ; BGHSt 27, 40, 42 ff; Geerds, BA 1965, S. 124, 133 f.; Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt, S. 13 einerseits; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 50 Rdnr. 3; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 315 c Rdnr. 2 und 33 mit weit. Nachw.; Horn, in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 1 a andererseits; in der Einwilligungsfrage zwischen den Trunkenheitsfahrten und den übrigen Tathandlungen des § 315 c differenzierend Geppert, ZStW 83 (1971), S. 947, 985 f. 373 Entgegen der Auffassung Reinh v. Hippels, ZStW 80 (1968), S. 378 und 380 war - jedenfalls bei richtigem Verständnis der als Tatbestandsmerkmal fungierenden Gemeingefahr - mit dem 2. Verkehrssicherungsgesetz durchaus eine Änderung der gesetzlichen Tatbestände verbunden. 374 Die kurze vor allem den Vergleich mit dem griechischen Recht beleuchtende Arbeit von Dedes, MDR 1984, S. 100 sowie die Beiträge von Kratzsch, JR 1987, S. 362 und JuS 1994, S. 372 sind Ausnahmen.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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durch den Brand hervorgerufenen gemeingefährlichen Situation begründe den gegenüber § 306 a.F. erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt und legitimiere die deutlich höhere Strafdrohung. 375 Was in BGHSt 38, 309, 311 noch als „sehr naher zeitlicher, sachlicher und räumlichen Zusammenhang" zwischen Brand und Folgetat erschien, wurde in BGHSt 40, 251, 255 dahingehend erläutert, daß das Abstellen auf die Ausnutzung der verursachten gemeingefährlichen Brandsituation dem Umstand geringerer Schutzmöglichkeiten gegen die Folgetaten des von dem Brand unmittelbar oder mittelbar betroffenen Personenkreises auf Grund der „aufgeregten und verwirrten Situation eines gemeingefährlichen Brandes" Rechnung trage. 376 Die skizzierte neue Rechtsprechung, die in der Literatur überwiegend Zustimmung fand, 377 hatte mit der Anknüpfung an die „Gemeingefährlichkeit des Brandes" methodisch wie sachlich die richtige Richtung eingeschlagen, ließ aber in den Einzelheiten erhebliche Zweifelsfragen offen. Im Hinblick auf die gravierende Umgestaltung der Qualifikationen/Erfolgsqualifikationen der schweren Brandstiftung (§ 306 a Abs. 1) in § 306 b Abs. 2 bzw. § 306 c bedürfen die zum alten Recht (§ 307 Nr.2 a.F.) offen gebliebenen Fragen mit einer Ausnahme keiner Erörterung mehr. Die angesprochene Ausnahme ist der vom BGH betonte raum-zeitliche Zusammenhang zwischen Brandstiftung und Folgetat (Ausnutzungsintention), der auch für das Verständnis von § 306 b Abs. 2 Nr.2 von Relevanz sein kann. Bezogen auf die Anforderungen an diesen raumzeitlichen Zusammenhang blieb die Bedeutung der „akuten gemeingefährlichen Brandsituation" 378 ebenso unscharf wie die exemplarische Aufzählung zur Konkretisierung des „von einem Brand unmittelbar oder mittelbar betroffenen Personenkreises". 379 Von gemeingefährlicher Brandsituation zu sprechen, ist verwirrend, weist doch eine solche Begrifflichkeit auf eine Konkretisierung gar Realisierung der generell gemeingefährlichen Tathandlung des Grunddelikts in einer bestimmten Tatsituation. Einen gemeingefährlichen Zustand im Sinne eines konkreten Gefahrerfolges setzte § 306 a.F. als korrespondierendes Grunddelikt weder als konkrete Individual- noch als konkrete Gemeingefahr voraus. Lediglich die Tathandlung des Delikts konnte als generell gemeingefährliche

375

BGHSt 38, 309, 310 f.; BGHSt 40, 251, 254 f. In BGHSt 38, 209, 211 war ausdrücklich offengelassen worden, ob der postulierte sehr enge raum-zeitliche Zusammenhang so eng sein müsse, daß die durch den Brand verursachte Verwirrung der potentiellen Opfer der Folgetat zur Begehung dieser ausgenutzt werden müsse. 377 Etwa Graul, JR 1993, S. 295 f.; Zopfs, JuS 1995, S. 686, 688; Laubenthal, JR 1996, S. 32; Lackner/Kühl, § 307 Rdnr. 3; in der Tendenz ebenfalls zustimmend Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 373 f., siehe aber auch S. 380. 378 BGHSt 38, 309, 310; BGHSt 40, 251, 254 u. 255. 379 BGHSt 40, 251, 254 unten, 255 oben; ähnlich unklar wie der BGH auch Zopfs, JuS 1995, S. 686,688 „durch die schwere Brandstiftung vermittelte Gemeingefahr". 376

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

bezeichnet werden. 380 Nun wäre es immerhin denkbar gewesen, § 307 Nr.2 a.F. nur dann zur Anwendung zu bringen, wenn sich die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung des Grunddelikts (ausnahmsweise) in einer konkreten Situation als Zustand von Gemeingefahr realisiert hatte. Eine derartige Auslegung wäre jedoch weder sachgerecht, noch war sie vom Bundesgerichtshof ernstlich mit der Redeweise von der akuten gemeingefährlichen Brandsituation gemeint. Wäre die gemeingefährliche Brandsituation in einem wörtlichen Sinne zu verstehen, könnte auf eine Realisierung der Gemeingefährlichkeit der Tathandlung wenigstens in Form der Vollendung des Grunddelikts kaum verzichtet werden, 381 um eine Begrifflichkeit wie „Ausnutzung einer akuten Brandsituation" berechtigterweise verwenden zu dürfen. Hielte man sich am üblichen Wortverständnis der „Situation" fest und berücksichtigte zugleich den die erhebliche Strafdrohung legitimierenden Grund erhöhter Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit des Folgetatopfers, das angesichts der „aufgeregten und verwirrten Situation" 382 und „seiner mit der Abwehr der Brandgefahren und der Rettung von Menschenleben gebunden Kräfte" 383 zum Selbstschutz gegen weitere deliktische Angriffe durch die Folgetat nur eingeschränkt in der Lage ist, wären die Anforderungen an die Ausnutzung der akuten Brandsituation sogar noch erheblich zu verschärfen. Mit der bloßen Vollendung des Grunddelikts könnte es nicht durchgängig sein Bewenden haben, setzte man die Vollendungsschwelle so niedrig an, wie dies der überwiegenden Ansicht zu § 306 a.F. entsprach. Wäre die akute gemeingefährliche Brandsituation als Auslegungsmaßstab der Ausnutzungsabsicht ernstzunehmen gewesen, hätte es in jedem Einzelfall einer über die Tatvollendung des Grunddelikts hinausgehenden Realisierung der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung bedurft. Diese in einer konkreten Brandsituation wegen des Brandes reduzierten Selbstschutzmöglichkeiten der Folgetatopfer hätten die Tatgerichte festzustellen, um von der objektiv gemeingefährlichen Brandsituation auf die Ausnutzungsabsicht des Täters schließen zu können. Daß der Bundesgerichtshof derartige in der Konsequenz seiner Ausführungen stehende Anforderungen formulieren wollte, läßt sich den genannten Urteilen nicht entnehmen. Welchen Stellenwert dem raum-zeitlichen Zusammenhang im Rahmen der Auslegung des § 306 b Abs. 2 Nr.2 zukommt, ist noch zu klären. 384 (8) „ Der Begriff der Gemeingefährlichkeit ist ein eigenartig verwickelter, erfordert als solcher einen hohen Grad der Abstraktion und setzt überdies zu seiner Erkenntnis und umfassenden Ausbildung eine erst in neuerer Zeit ge380 381 382 383 384

Vgl. Graul, JR 1993, S. 295. So konsequent Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 380. BGHSt 40, 251, 255; Geppert, Jura 1989, S. 473, 476. Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 380. Unten 3.Kap.B.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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wonnene, ausgedehnte Kenntnis der Naturkräfte und ihrer Wirkungen sowie technisches Wissen und Können voraus. " Mit diesen Worten leitete 1884 Siebenhaar seinen Beitrag zum Begriff der Gemeingefährlichkeit ein. 385 Versucht man eine nüchterne Bilanz der historischen Entwicklung der gemeingefährlichen Delikte seit ihrer ersten umfassenden Statuierung im preuß. ALR zu ziehen, dürfte Siebenhaar der Gemeingefährlichkeit und der Gemeingefahr doch zuviel Ehre zuteil werden lassen. Sicherlich, die Vorstellung von dem, was Gemeingefahr und Gemeingefährlichkeit beinhalten, ist zu keinem Zeitpunkt seit Schaffung einer eigenen Gruppe gemeingefährlicher Delikte völlig präzise gewesen. Schon die Unterscheidbarkeit eines Gefährlichkeits- und eines Gemeinschädlichkeitsaspektes solcher Delikte, die vom positiven Recht nach der äußeren Systematik des Gesetzes als gemeingefährliche eingeordnet worden sind, erschwert das Verständnis der Besonderheiten gemeingefährlicher Tatbestände. Dennoch lassen sich in den Grundzügen sowohl die Strukturen als auch die Funktionen solcher Tatbestände im Verlaufe ihrer Entwicklung erkennen. (a) Am Beginn der Karriere systematisch normierter gemeingefährlicher Delikte stand die Intention der jeweiligen Strafgesetzgeber, die faktischen Besonderheiten einiger bestimmter zur Bewirkung von Rechtsgutsverletzungen eingesetzter Tatmittel gesetzestechnisch sachgerecht zu erfassen, nämlich die Entfesselung von für den Menschen typischerweise unbeherrschbaren Naturgewalten bzw. Naturkräften; Unbeherrschbarkeit nicht nur für den das Tatmittel einsetzenden Täter, sondern auch für die präsumtiven Opfer und die Gemeinschaft insgesamt. Dieses zum Kennzeichen gemeingefährlicher Delikte zu machen, war mehr als bloße Beschreibung faktischer Gegebenheiten, sondern hatte zugleich normativen Gehalt. Weil die Auswirkungen der Tathandlungen regelmäßig für niemanden beherrschbar waren, und es daher nicht nur jeden beliebigen als Opfer hätte treffen können, sondern auch gerade eine Vielzahl von beliebigen Mitgliedern der Gemeinschaft, wies die Tat bei generalisierender Betrachtung einen Gemeinschaftsbezug auf, der über die Beeinträchtigung von Rechtsgütern, die den Gemeinschaftsmitgliedern jeweils individuell zugewiesen waren, hinausging. (b) Wollten die Gesetzgeber deutscher Strafgesetzbücher des 19. Jahrhunderts diese generelle Gefährlichkeit der Tathandlung für eine Vielzahl von Rechtsgütern gesetzestechnisch angemessen erfassen, stand ihnen aus ihrer Sicht lediglich die Wahl zwischen abstrakten und konkreten Gemeingefährdungsdelikten zur Verfügung. Daß die Entscheidung des preuß. und des (gesamt-)deutschen Gesetzgebers bei den klassischen gemeingefährlichen Delikten der Brandstiftung und der Überschwemmung einmal in die eine und einmal in die andere Richtung ausfiel, hatte pragmatische Gründe. 386 Für die 385 386

ZStW 4 (1884), S. 245. Oben l.Kap.C.II.2.a.(5).

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Brandstiftung sollte durch die Beschränkung der Tatbegehung auf ganz bestimmte Tatobjekte, deren Auswahl (auch) nach dem Maß der Gefahr einer Ausbreitung des Feuers über das Objekt selbst hinaus und der Bedeutung der Objekte für die Nutzbarkeit der geschützten Rechtsgüter erfolgte, eine ausreichend exakte Festlegung der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlungen möglich sein. Die Überschwemmung entzog sich dagegen einer solchen technischen Gestaltung des Tatbestandes, weil - quantitativ betrachtet - eine Vielzahl von Fallgestaltungen vorstellbar war, in denen zwar begrifflich eine Überschwemmung vorlag, von einer Gemeingefahr oder Gemeingefährlichkeit jedoch nicht gesprochen werden konnte. 387 Anders ausgedrückt: für die Überschwemmung ließ sich keine Tatbestandsfassung finden, bei der berechtigterweise hätte von einer generell gemeingefährlichen Tathandlung ausgegangen werden dürfen, weil nach der Alltagserfahrung das Herbeiführen einer Überschwemmung weniger häufig zu einer Gefährdung einer Vielzahl von Rechtsgütern/Rechtsgutsträgern führte als etwa bei der Brandstiftung. (c) Die Schwierigkeiten gesetztechnischer Umsetzung der tatsächlichen Besonderheiten gemeingefährlicher Delikte verstärkten sich durch die Aufnahme weiterer Straftatbestände in den 27. Abschnitt des RStGB. Die Lozierung in diesem Abschnitt spricht mindestens auf den ersten Blick dafür, daß der Gesetzgeber ursprünglich die neuen Tatbestände als gemeingefährliche verstanden hat. Sieht man von den mittlerweile zahlreichen Vorschriften über den Einsatz von Kernenergie bzw. ionisierender Strahlen (§§ 310 b, 311 a, 311 b, 311 d, 311 e a.F. = §§ 307, 309, 310, 311, 312), die erst seit den 70er Jahren unseres Jahrhunderts im StGB enthalten sind, ab, wurde der frühere 27. Abschnitt vor allem um solche Tatbestände erweitert, die Tatmittel regelten, die nicht in dem Einsatz von Naturkräften in dem bisherigen Sinne bestanden. Der bei den klassischen gemeingefährlichen Delikten existente Zusammenhang von Unbeherrschbarkeit und Wirkkraft des Tatmittel einerseits und damit verbundener Gefährlichkeit der Verhaltensweise für die Allgemeinheit insgesamt andererseits ging spätestens in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ansatzweise verloren. Die übrigen, offenbar als gemeingefährlich aufgefaßten Delikte enthielten den bisher erfaßten Naturkräften in ihrer Wirkungsweise lediglich vermeintlich ähnliche Tatmittel. Die Wirkungsweise eines Feuers in einer noch weitgehend „hölzernen" Stadt (§ 306 Nr.2 a.F. = § 306 a Abs. 1 N r . l ) ist dem Lockern von Bahnschwellen mit der Konsequenz des Entgleisens des nächsten Zuges (§315) allenfalls insoweit ähnlich, als es zu einer Gefährdung einer Vielzahl von Rechtsgutsträgern kommen kann. Von der Unbeherrschbarkeit des Tatmittels läßt sich bei störenden Eingriffen in den Betrieb von Verkehrsmitteln aber regelmäßig nicht mit der gleichen Überzeugungskraft wie bei dem Tatmittel Feuer sprechen. Endgültig aufgegeben war die klassische Deliktsstruktur gemeinge-

387

Finger, Festgabe für v.Frank, Ì.Band, S. 230, 248 f.

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fährlicher Tatbestände mit der Ausdehnung der - als gemeingefährlich verstandenen - Verkehrsdelikte von Massen- auf Individualverkehrsmittel. (d) Die bis dahin aufweisbare generelle Gefährlichkeit für eine Vielzahl von Rechtsgütern/Rechtsgutsträgern pro Tathandlung reduzierte sich auf eine Gefährlichkeit für typischerweise wenige Rechtsgüter bzw. ein einzelnes Rechtsgut pro Tathandlung. Da ein Allgemeinheitsbezug der Tathandlung über die Gefährlichkeit für eine Vielzahl von Rechtsgütern nicht mehr herzustellen war, bedurfte es eines Zusammenhanges zwischen Begehung der Tat und den Auswirkungen auf die Allgemeinheit, wenn an der Gemeingefährlichkeit als einer auf die Allgemeinheit bezogenen festgehalten werden sollte. Dieser andersartige Zusammenhang wurde für die Verkehrsdelikte über die Anhebung des Abstraktionsniveaus der betroffenen Rechtsgüter erreicht. Neben die ab 1952 konkrete Gemeingefahr und ab 1964 konkrete Individualgefahr trat nach überwiegender Auffassung als geschütztes Rechtsgut im Sinne eines werthaften Zustandes die „Sicherheit der Allgemeinheit" und für die Verkehrsdelikte spezifisch die „Sicherheit des Straßenverkehrs". 388 (e) Der Dissens über ein monistisches oder dualistisches Rechtsgutsverständnis bei den Straßenverkehrsdelikten lenkt den Blick auf ein durchgängiges Dilemma der gemeingefährlichen Delikte: die Bestimmung des bzw. der geschützten Rechtsguts/Rechtsgüter. Seit sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Vorstellung durchgesetzt hatte, Gemeingefährlichkeit ausschließlich auf die Individualrechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum zu beziehen, war eine Klärung gefordert, in welcher Hinsicht trotz der Gefährlichkeit für Individualrechtsgüter ein Gemeinschaftsbezug gemeingefährlicher Delikte existiert, der von einer Gefährdung oder wenigstens einer generellen Gefährlichkeit für individuelle Rechtsgüter verschieden ist. Oder von der anderen Seite betrachtet: Welcher Aspekt der genannten den Individuen zugewiesenen Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum, der nicht bereits über die wenigstens nach der Schutzrichtung teilidentischen tatmitteloffenen Verletzungsdelikte abgesichert ist, wird eigentlich über die (abstrakten) gemeingefährlichen Tatbestände geschützt? Eine befriedigende Antwort auf diese Frage bietet die Dogmengeschichte nicht. Die Antworten gehen über die wenig inhaltsschwere Aussage, gemeingefährliche Delikte schützten in erster Linie die Allgemeinheit und nicht die dem einzelnen Bürger zugewiesenen Rechtsgüter, kaum hinaus. 389 Wenn es aber nicht gelingt, das Verhältnis zwischen (auch) geschütztem Individualrechtsgut und der Allgemeinheit aufzuklären, haben Forderungen nach teleologischer Reduktion, gar nach Abschaffung abstrakter (gemeingefährlicher) Tatbestände leichtes Spiel. Kann der Allgemeinheitsbezug gemeingefährlicher 388

Nachw. oben Fußn. 372. Etwa Geppert, Jura 1989, S. 417, 418; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 205 f. 389

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Delikte nicht mit ausreichend Inhalt versehen werden, verliert die hier aufgestellte These, für die Bestrafung wegen der Vornahme generell gefährlichen Tathandlung eine von konkreter Rechtsgutsgefährdung bzw. Rechtsgutsverletzung abgelöste eigenständige und auch aus einer spezifischen Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte abgeleitete Legitimation begründen zu können, an Überzeugung. b) Gemeingefährliche Delikte und Rechtsgüterschutz Die Gegensätzlichkeit der Vorstellungen darüber, was das Spezifische gemeingefährlicher Delikte im Hinblick auf die von ihnen geschützten Rechtsgüter ist, kann kaum größer sein, als es in den beiden nachfolgenden Aussagen zum Ausdruck kommt. Dabei wird vorausgesetzt, daß die Straßenverkehrsgefährdung trotz der zuvor geäußerten Zweifel (oben a.) an der Richtigkeit der äußeren Systematik des Gesetzes ein gemeingefährliches Delikt ist. Der Bundesgerichtshof hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 1976 intensiv mit dem durch die Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 c) geschützten Rechtsgut auseinandergesetzt. 390 Zu entscheiden war, ob die Gefährdung (ausschließlich) des vom Dieb gestohlenen Pkw eine konkrete Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert herbeiführt und damit die Anwendbarkeit von § 315 c gestattet. Seine verneinende Antwort stützt der Bundesgerichtshof zuvörderst auf die Bestimung des geschützten Rechtsgutes. Straßenverkehrsgefährdung habe Handlungen, die gegen die Allgemeinheit gerichtet seien und das Funktionieren des Verkehrs insgesamt und damit die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer 391 beeinträchtigten, zum Gegenstand. Der zusätzlich bewirkte Schutz des einzelnen Verkehrsteilnehmers sei lediglich reflexiv. Ein (gegenüber der Sachbeschädigung, H.R.) erhöhter Eigentumsschutz sei nicht angestrebt. 392 Der Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung erfordere daher stets eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs; die bloße Gefährdung des Fahrzeugs auf der Straße reiche nicht aus. 393 Die Gegenposition findet sich bei Horn. Die „amorphe Allgemeinheit" sei als solche überhaupt nicht schutzfähig, sondern allein der einzelne in den ihm zugewiesenen Rechtsgütern. Auch die Verkehrssicherheit sei kein (Rechts-)Gut, sondern bei ihr handele es sich lediglich um den Ausdruck normgerechten Verhaltens. 394 Dementsprechend diene 390

BGHSt 27, 40, 42 ff. Hervorhebungen H.R. 392 BGHSt 27, 40, 42 unter Berufung auf Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt im Verkehrsstrafrecht, S. 11 ff 393 BGHSt 27, 40, 44; Hervorhebungen im Original. 394 Horn, in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 1 a; in diese Richtung zuvor auch bereits ders., JZ 1964, S. 646, 649 bezüglich der Unmöglichkeit, von einer konkreten Gefährdung der Allgemeinheit sprechen zu können. 391

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§ 315 c dem Schutz der Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum gegen Verletzung. 395 Die Besonderheit wenigstens der in den 27. (jetzt 28.) Abschnitt eingestellten Straßenverkehrsdelikte bestehe allein in der Beobachtung, daß die dort inkriminierten Handlungen häufig das Leben und die Gesundheit vieler Menschen oder bedeutende Sachwerte vernichteten. 396 Beide Positionen werden dem spezifischen Rechtsgutsbezug gemeingefährlicher Delikte nicht vollauf gerecht. Die Behauptung vom Schutz der Allgemeinheit, wie sie der Bundesgerichtshof aufgestellt hat, erklärt nicht, warum bei einem derartigen Schutzzweck die Erfüllung des Tatbestandes von dem Eintritt konkreter Rechtsgutsgefahr für einen einzelnen konkreten Rechtsgutsträger abhängig gemacht wird. Das sowohl in § 316 als auch in § 315 c strafbewehrte Fahren in fahruntüchtigem Zustand wird hinsichtlich des Funktionierens des „Systems Straßenverkehr" nicht weniger gefährlich für das vermeintlich geschützte Rechtsgut „Allgemeinheit", falls eine konkrete Gefährdung tauglicher Tatobjekte ausbleibt. Wenn der Schutz des einzelnen Verkehrsteilnehmers bestenfalls eine Nebenwirkung, ein Reflex, des von § 315 c vermittelten Schutzes sein sollte, ist die Unrechtssteigerung von § 316 zu § 315 c, die gerade von der Verursachung konkreter Gefahr für einzelne Rechtsgutsträger abhängt, nicht plausibel. Sollte der Schutz des einzelnen Verkehrsteilnehmers nicht wenigstens auch und nicht lediglich nachrangig gewährleistet sein, kann der Eintritt konkreter Gefahr für einen individuellen Rechtsgutsträger das gegenüber § 316 gesteigerte Unrecht der Straßenverkehrsgefährdung nicht begründen. Anderenfalls würde behauptet, die konkrete Gefährdung eines vom Tatbestand bestenfalls am Rande geschützten Rechtsgutes bilde das eigentliche Unrecht der Straßenverkehrsgefährdung. Ein vom Schutzzweck des Tatbestandes losgelöstes oder zumindest nur lose mit ihm verbundenes Unrecht kann es jedoch nicht geben. Da § 315 c die konkrete Gefahr für Leib, Leben oder im Wert bedeutendes fremdes Eigentum voraussetzt, sind diese den jeweiligen Verkehrsteilnehmern zugewiesenen Rechtsgüter als Individualrechtsgüter dem Schutz der Allgemeinheit zumindest gleichrangige Schutzgüter. Das entspricht auch der überwiegenden Sichtweise zur Rechtsgutsbestimmung bei § 315 c. 3 9 7 Es bleibt die Frage, was es mit dem Schutz der „Allgemeinheit" auf sich hat und ob dieses vom Bundesgerichtshof 398 in den Vordergrund gerückte „Rechtsgut" seine Berechtigung hat. Daß es nicht um den Schutz „der Allgemeinheit" vor konkreter Gefährdung ihrer selbst gehen kann, hat sich bereits im

395

Horn, in: SK-StGB, § 315 c Rdnr. 2. Horn, in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. la. 397 Nachw. bei Cramer, in: Schönke/Schröder, § 315 c Rdnr. 36; siehe aber auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 50 Rdnr. 2 ff.; ausschließlich Individualrechtsgüterschutz, kein duales Rechtsgut „Sicherheit der Allgemeinheit". 398 BGHSt 27, 40, 42. 396

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Rahmen der Darstellung der Dogmengeschichte der Gemeingefährlichkeit gezeigt. 399 Insoweit ist Horn zuzustimmen; 400 die „amorphe Allgemeinheit" als solche kann weder verletzt noch konkret gefährdet werden. Jedenfalls kann sie dies nicht durch Tatbestände, die sich nicht auf Angriffe gegen den Bestand der Allgemeinheit richten, wie dies bei manchen Staatsschutzdelikten der Fall sein mag. Verbreitet zur Erklärung des „Schutzes der Allgemeinheit" ist die Sichtweise, daß die Allgemeinheit als von verbotenen und gefährlichen Handlungen freizuhaltendens System oder bezogen auf die Straßenverkehrsgefährdung als störungsfreies Subsystem „Sicherheit des Straßenverkehrs" geschützt wird. 4 0 1 Die Wendung von Horn, die Verkehrssicherheit sei lediglich Ausdruck normgerechten Verhaltens, 402 meint in der Sache dasselbe. Das intendierte Freihalten des Systems oder Subsystems von gefährlichen Handlungen soll den Schutz der (zusätzlich oder ausschließlich) geschützten Individualrechtsgüter bewirken. D.h. Schutz der „Allgemeinheit" in einem so verstandenen Sinne bedeutet im Ergebnis die Gewährleistung von Bedingungen für die (einigermaßen) sorgenfreie Ausübung individueller Freiheiten. 403 Überspitzt formuliert: Nur weil das Straßenverkehrsrecht mit seinen Verkehrsregeln existiert und ein Teil seiner Regeln strafbewehrt ist, kann jedes einzelne Mitglied der Allgemeinheit seine Freiheit auf Teilnahme am Straßenverkehr ausüben, ohne stets eine Verletzung oder wenigstens konkrete Gefährdung seiner Rechtsgüter in diesem Lebensbereich gewärtigen zu müssen. Vor diesem Hintergrund wäre die Beibehaltung der Einordnung der Straßenverkehrsdelikte unter die gemeingefährlichen Delikte trotz Aufgabe des Tatbestandsmerkmals konkreter Gemeingefahr zugunsten konkreter Individualgefahr immerhin verständlich. Der Gemeinschädlichkeitsaspekt der gemeingefährlichen Tatbestände läßt sich bei einer solchen Sichtweise erkennen 404. Ähnlich wie etwa nur der störungsfreie, von verbotenen Handlungen verschonte Fernmeldeverkehr das „Recht" auf Kommunikation mittels dieses Mediums ermöglicht, erlaubt der von verbotenen, weil für individuelle Rechtsgüter gefährlichen Verhaltensweisen befreite Straßenverkehr die (unbesorgte) Teilnahme daran.

399

Oben l.Kap.C.II.3.a.(5) am Ende. in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 1 a; ders., JZ 1964, S. 646, 649. 401 Cramer , in: Schönke/Schröder, § 315 Rdnr. 1 m.w.N. 402 in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 1 a. 403 Siehe auch Hassemer, ZRP 1997, S. 316, 318: „Das Strafgesetz nämlich schützt die Rechtsgüter, ohne deren Anerkennung wir nach unserer normativen gesellschaftlichen Verständigung und nach unserer demokratisch verfaßten Meinung heute nicht miteinander leben können: die fundamentalen Sicherungen der Voraussetzungen menschlicher Würde, vor allem Leben, Freiheit, Gesundheit, Ehre, Vermögen und die notwendigen Bedingungen einer zugleich freiheitlichen und gelingenden Vergesellschaftung." 404 Dazu oben l.Kap.C.II.3.a.(5). 400

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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Das skizzierte „Rechtsgutsmodell" gemeingefährlicher Straßenverkehrsdelikte der überwiegenden Ansicht in der Literatur, Individualrechtsgüterschutz qua Gewährleistung der Bedingungen für die Ausübung der entsprechenden Rechte, ist zwar partiell mit den hier herausgearbeiteten Grundprinzipien gemeingefährlicher Straftatbestände vereinbar. Dennoch ist das Verhältnis zwischen dem Tatbestandstypus gemeingefährliches Delikt und dem durch ihn bewirkten Rechtsgüterschutz noch nicht ausreichend geklärt. Es mangelt am spezifisch „Gemeingefährlichen" des Rechtsgutsbezuges. Das Erklärungsmodell des durch die Straßenverkehrsgefährdung bewirkten Rechtsgüterschutzes „paßt" bei entprechendem Verständnis des Rechtsgutes auf sämtliche abstrakten Gefährdungsdelikte unabhängig davon, ob sie gemeingefährliche Delikte sind. Einige Formulierungen im vorstehenden Absatz haben jedoch bereits auf das Gemeinte hingeführt. Wenn der Zweck des § 315 c Schutz von Individualrechtsgütern mittels Aufrechterhaltung der allgemeinen Verkehrssicherheit sein sollte, liegt diese Sicht im Ergebnis schon sehr nahe an der Bestimmung des Rechtsgutes der abstrakten Gefährdungsdelikte durch Kindhäuser: abstrakte Gefährdungsdelikte als „Verbote, die zur sorgelosen Verfügung über Güter notwendigen (heteronomen) Sicherheitsbedingungen zu beeinträchtigen." 405 Ist die zum Schutzgut abstrakter Gefährdungsdelikte erhobene Sicherheit die „berechtigte Sorglosigkeit bei der Verfügung über Güter", 406 dürfte die parallele Konstruktion beim Rechtsgutsbezug deutlich werden. Im Ergebnis geht es damit um die Umsetzung einer als personal verstandenen Rechtsgutslehre, die die Entfaltungsmöglichkeiten des Individuums in einer Gemeinschaft als zentralen Gegenstand des Rechtsgüterschutzes ansieht. 407 Ob ein solches Rechtsgutsverständnis „verfassungsrechtlich nahegelegt" ist, wie dies jüngst Vogel anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Strafrechtsgütern und zum Rechtsgüterschutz nachzuweisen versucht hat, 408 bedarf keiner näheren Untersuchung. Für das Verständnis des durch gemeingefährliche Delikte bewirkten Rechtsgüterschutzes kommt es entscheidend auf den Allgemeinheitsbezug der durch diese Delikte geschützten Individualrechtsgüter Leben, Leib und Eigentum an. Welche Gestalt kann ein Allgemeinheitsbezug der jeweiligen Rechtsgüter haben, der nicht bereits durch schutzrichtungsgleiche konkrete Gefährdungsdelikte und/oder Verletzungsdelikte erfaßt ist? Die Antwort darf sich nicht darin 405

Gefährdung, S. 280. Kindhäuser, Gefährdung,'S. 282. 407 Vgl. Kindhäuser, in: Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 125, 128 f., 130; siehe auch Hassemer (Fußn. 403); in gleicher Weise bezogen auf die Geldfälschungstatbestände jüngst Otto, Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 447, 457; Hefendehl, JR 1996, S. 153, 154 „Schutz der Ordnung des Geldverkehrs als essentiell für die Ermöglichung individueller Entfaltung". 408 StV 1996, S. 110, 111. 406

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

erschöpfen, auf die schlichte Summe aller Rechtsgutsträger eines bestimmten Rechtsgutes in einer Gemeinschaft hinzuweisen, obwohl die Argumentation mit einer solchen Summe beliebt ist. Ein nach wie vor aktuelles Beispiel für eine derartige Argumentationsweise ist das Festhalten am Rechtsgut der Volksgesundheit zur Begründung der Strafbewehrung des Verbots des Besitzes von Cannabis-Produkten zum Eigenverbrauch. 409 Geht man mit der wohl mittlerweile einhelligen Ansicht von einer auch für Beteiligte straflosen Selbstgefährdung des Rauschmittelkonsumenten aus, die ein strafbewehrtes Verbot des Erwerbs zum Eigenverbrauch nicht zu legitimieren vermag, kann der Perspektivenwechsel von der Gesundheit des einzelnen (sich selbst gefährdenden) Konsumenten auf die Gesundheit der Bevölkerung (Volksgesundheit) an dem Legitimationsdefizit nichts ändern. 410 Die Volksgesundheit ist - jedenfalls in ihrem traditionellen nicht um gesellschaftliche „Folgekosten" angereicherten Verständnis - 4 1 1 eben nichts anderes als die Summe der Gesundheit sämtlicher ihrer Angehörigen, für die jeweils das Autonomieprinzip gilt. 4 1 2 Wenn und soweit es um die Sanktionierung von Verhaltensweisen geht, die sich lediglich auf die Ermöglichung einer Selbstgefährdung oder Selbstverletzung beschränken, gewährt der Perspektivenwechsel vom Individualrechtsgut hin auf die als Summe der Individualrechtsgüter dieser Klasse verstandenen „Allgemeinheit" keine Berechtigung für die Bestrafung dieses Verhaltens, die nicht schon aus dem Schutz des Individualrechtsgutes selber folgte. Um mit dem letzten Absatz keine Mißverständnisse hervorzurufen, sei noch eine kurze Erläuterung angefügt. Die Behauptung, die strafrechtliche Sanktionierung des Erwerbs von Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch nicht mit dem

409

Siehe BVerfG, NJW 1994, S. 1577, 1581 Schutz „der Bevölkerung (Hervorhebung hier) vor den von der Droge ausgehenden Gesundheitsgefahren".; vgl. dazu auch Nelles/Velten, NStZ 1994, S. 366; ebenso BVerfG, NStZ 1997, S. 498 „Schutz der menschlichen Gesundheit des einzelnen sowie der Bevölkerung im Ganzen (Hervorhebungen H.R.) vor den von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren"; auf die Volksgesundheit als durch die Straftatbestände des Betäubungsmittelrechts geschütztes Rechtsgut stellt ausdrücklich BGH, NJW 1998, S. 168, 170 ab. Zur Argumentation mit der Volksgesundheit als „Rechtsgut" des Btm-Strafrechts und den Dimensionen des Begriffs der Volksgesundheit ausführlich Nestler, Betäubungsmittelstrafrecht, § 11 Rdnr. 20 ff. 410 Frisch, Festschrift für Stree u. Wessels, S. 69, 94; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 56 Rdnr. 6; Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, S. 172 ff. 411 Ober die Entwicklung des Begriffs der „Volksgesundheit" von dem traditionellen Verständnis als Gesundheit vieler hin zu einem „Sammelbegriff für vielfältige Interessen der Allgemeinheit" berichtet umfänglich Nestler, Betäubungsmittelstrafrecht, § 11 Rdnrn. 24-37. 412 Frisch, aaO.; Paulduro, aaO.; anders in Bezug auf den Begriff des Gemeinwohls Dürig, JZ 1953, S. 193, 197 - Gemeinwohl als Eigenwert, der nicht mit der Summe der Privatwohle identisch ist.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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Schutz der Volksgesundheit (mindestens nicht bei traditionellen Begriffsverständnis) legitimieren zu können, stellt nicht in Abrede, daß es legitim sein kann, den Erwerb zum Eigenverbrauch mit Kriminalstrafe zu belegen. 413 Für eine Strafbewehrung auch des Verbots des Erwerbs zum Eigenverbrauch mag es gute rechtspolitische Gründe geben, die hier nicht zu thematisieren sind. Festzustellen war hier lediglich, der Rekurs auf die „Volksgesundheit" ist kein guter Grund für ein solches strafbewehrtes Verbot. Das zum Betäubungsmittelstrafrecht gebildete Beispiel bedeutet allerdings nicht, daß der Perspektivenwechsel von der Individual- auf die Gemeinschaftsebene zur Erklärung des Rechtsgutsbezugs gemeingefährlicher Delikte stets irrelevant wäre. Anders als das vorstehende Beispiel inkriminieren gemeingefährliche Delikte typischerweise nicht Handlungen, die fremde Selbstgefährdungen bzw. -Verletzungen fördern bzw. ermöglichen, sondern fremdschädigende Verhaltensweisen. Die Besonderheit des durch gemeingefährliche Delikte verbotenen Verhaltens besteht - wie bereits mehrfach hervorgehoben - im tatsächlichen Bereich regelmäßig in der Unbeherrschbarkeit des Tatmittels und seiner hohen Wirkkraft. Diese tatsächlichen Besonderheiten wirken sich auf die geschützten Rechtsgüter dergestalt aus, daß bei generalisierender Betrachtungsweise im Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung durch den Täter weder sicher eingeschätzt noch sicher gesteuert werden kann, welche und wieviele Rechtsgutsträger eines geschützten Individualrechtsgutes durch seine Tathandlung beeinträchtigt werden können. Kürzer formuliert ist es also mindestens die individuelle Unbestimmtheit der präsumtiven Opfer, die die Struktur gemeingefährlicher Delikte kennzeichnet. Allerdings legt das Abstellen auf die individuelle Unbestimmtheit der Opfer nahe, die Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte ausschließlich auf Individualrechtsgüter zu beziehen. Unterschiede im Rechtsgutsbezug zu anderen schutzrichtungsgleichen Verletzungs- und Gefährdungsdelikten ergäben sich lediglich bei der Disponierbarkeit des bzw. der Gefährdeten über das Rechtsgut und damit bei Fragen von Einverständnis und Einwilligung. Weil bei gemeingefährlichen Delikten der Opferkreis bei Vornahme der Tathandlung regelmäßig individuell unbestimmt ist, kann ein Opfer, das im Einzelfall vorher von dem Täter „ausgesondert" worden sein mag (etwa der Eigentümer und Mitbewohner eines Wohnhauses i.S.v. § 306 a Abs. 1 Nr.l), nicht wirksam in die Vornahme einer schweren Brandstiftung einwilligen. Der Rechtsgutsbezug gemeingefährlicher Delikte weist jedoch noch einen weiteren Aspekt auf, der von dem Schutz einer unbestimmten Vielzahl Rechtsgutsträger der Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum unterscheidbar ist. Dedes hat vornehmlich hinsichtlich des griechischen Strafrechts die Vorstellung entwickelt, mit der Statuierung gemeingefährlicher Delikte habe der Gesetzgeber

413

Zur Legitimität des Drogenstrafrechts allgemein (kritisch) Nestler, Betäubungsmittelstçafrecht, § 11 Rdnrn. 230, 261, 279-283 (jeweils zusammfassend). 10 Radtke

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

„Faktoren des sozialen Lebens schützen (wollen, H.R.), die das Wesen der Gemeinschaft ausmachten."414 Nicht Schutz von Leben, Leib oder Vermögen eines einzelnen Bürgers sei das Anliegen dieser Deliktskategorie, sondern der Schutz dieser Rechtsgüter als Komponenten des Gemeinschaftslebens. 415 Die Vorstellung des Schutzes der kollektiven Komponenten der genannten Individualrechtsgüter durch gemeingefährliche Delikte bedarf der Erläuterung, trifft im Kern aber das Richtige. Die Erhaltung der Rechtsgüter Leben, Gesundheit (als Synonym für Leib) und Eigentum ist nach der Wertordnung des Grundgesetzes nicht nur im Interesse des einzelnen Rechtsgutsinhabers gewährleistet, sondern der Schutz dieser elementaren Rechtsgüter ist auch für das Bestehen und Funktionieren der Gemeinschaft selbst existentiell notwendig. Wie die lange Tradition gemeingefährlicher Delikte in deutschen Strafgesetzbüchern zeigt, 416 hat sich erwiesen, daß diese Rechtsgüter in bestimmten Lebensbereichen deliktischen Angriffen ausgesetzt sind, die wegen der angewendeten Tatmittel und deren Wirkungsweise die Existenz der geschützten Rechtsgüter besonders gewichtig beeinträchtigen, ohne daß die im Ergebnis von der Tat betroffenen Bürger selbst ausreichende Vorsorge gegen den Angriff treffen könnten. 417 Die Gründe für die mangelnde Gefahrenvorsorge sind unterschiedlich. Bei den Brandstiftungsdelikten ist es die typische Unbeherrschbarkeit des Tatmittels und seine für die geschützten Rechtsgüter verheerende Wirkkraft, die die regelmäßig unvollkommenen Möglichkeiten der präsumtiven Opfer, ihre Rechtsgüter zu schützen, begründen. Gleiches gilt für die Sprengstoffdelikte, aber auch die Delikte zum Schutz des Bahn- und Luftverkehrs. Dagegen liegt bei den Straßenverkehrsdelikten wie den Delikten, bei denen im Sinne von Gemeinschädlichkeit der Schutz des unbeeinträchtigten Funktionierens eines Systems im Vordergrund steht, der Akzent auf dem Schutz des Vertrauens eben in deren Funktionieren. Gerichtliche Entscheidungen besitzen eine höhere Chance auf Akzeptanz, wenn die tatsächliche Grundlage der jeweiligen Entscheidung nicht durch falsche Zeugenaussagen entwertet ist. Und Entscheidungen von Verwaltungsbehörden pflegen eher akzeptiert zu werden, wenn davon ausgegangen werden darf, daß sie auf sachlichen, nicht durch finanzielle Eigeninteressen des Amtsträgers beeinflußten Gründen beruhen. Straßenverkehr kann trotz der großen Verkehrsdichte nur deshalb stattfinden, weil jeder einzelne Teilnehmer von einer Regelbefolgung auch durch die übrigen ausgehen darf. Ohne Straftatbestände, die über Verletzungsdelikte hinausgehend, generell ge-

414

MDR 1984, S. 100, 101; vgl. auch ders., Festschrift für Oehler, S. 265, 269. Dedes, MDR 1984, S. 100, 101; Hervorhebung H.R. 416 Oben l.Kap.C.II.2.a. 417 Zur Opferperspektive und zur Schadensvorsorge aus Opfersicht bei den abstrakten Gefährdungsdelikten allgemein Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 280 ff., vor allem S. 292 ff. 415

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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fährliche oder grob gemeinschädliche Verhaltensweisen sanktionierten, wären nicht nur im Sinne personaler Rechtsgutslehren die Entfaltungsmöglichkeiten individueller Rechtsgüter beeinträchtigt, sondern die Gemeinschaft selbst, in der die Individuen leben, wäre in ihrer konkreten Ausgestaltung eine andere. Der Schutz der Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum gegen besonders gefahrträchtige Handlungen für eine unbestimmte Vielheit von Rechtsgütern unbestimmter Individuen ist eben nicht nur für die nach Vornahme der Tathandlung betroffenen Mitglieder der Gemeinschaft elementar, sondern auch für die Gemeinschaft selbst. 418 Dieser auf die Allgemeinheit bezogene Aspekt der geschützten Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum, der im Anschluß an Dedes 419 in ihrer Bedeutung als Faktoren des Gemeinschaftsleben bezeichnet werden soll, bildet den spezifischen Rechtsgutsbezug gemeingefährlicher Delikte. D.h. allgemein - ohne Berücksichtigung der Schutzrichtung der einzelnen Tatbestände - weisen gemeingefährliche Delikte einen zweifachen Schutzzweck auf. Sie schützen die Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum vor gemeingefährlichen Handlungen in ihrer Funktion als Faktoren des Gemeinschaftslebens und bewirken vorrangig 420 damit den Schutz dieser Güter in ihrer Funktion als dem einzelnen zugewiesene Rechtsgüter. 421 Die Besonderheit gemeingefährlicher Delikte hinsichtlich des Schutzes der genannten Individualrechtsgüter in ihrer Bedeutung als Komponenten des Gemeinschaftslebens besteht darin, die Rechtsgüter in Situationen gegen deliktische Angriffe zu schützen, die für die Wahrnehmung und Ausgestaltung der Güter in ihrer individuellen wie ihrer gesellschaftlichen Dimension von zentraler Bedeutung sind. So ist die Wohnung eines Menschen zwar nicht der einzige Ort, an dem sich das Leben jedes einzelnen Menschen „abspielt", aber die Wohnung ist der Ort, an dem das menschliche Leben am intensivsten vor externen Störungen abgeschirmt ist und abgeschirmt sein soll. Ein solcher privater Rückzugsraum liegt jedoch nicht allein im Interesse des einzelnen Menschen, sondern die Möglichkeit der extern unbeeinträchtigten Gestaltung individuellen Lebens weist einen gesamtgesellschaftlichen Bezug auf. In für die Wahrnehmung des geschützten Rechtsguts zentralen Situationen 418 Siehe auch Amelung, in: Recht und Moral, S. 269, 273 zum normativen Gehalt der Lehre von der Rechtsgutsverletzung. „Die moderne Gesellschaft muß Sozialprozesse in Gang halten und Zustände gewährleisten, die nicht individueller Verfügung unterliegen." 419 Fußn. 413. 420 Anders Dedes, MDR 1984, S. 100, 101: nur mittelbarer Schutz der Rechtsgüter des einzelnen. 421 Welche Auswirkungen meine Konzeption auf die Möglichkeiten, wirksam in die Vornahme gemeingefährlicher Taten einzuwilligen hat, soll im Rahmen der einzelnen Brandstiftungstatbestände erörtert werden. Pauschalierende Beurteilungen, daß Delikte die vornehmlich dem Schutz der Allgemeinheit dienen, mangels Dispositionsbefugnis einzelner Rechtsgutsträger nicht einwilligungsfähig sind, genügen nicht; richtungsweisend für eine differenzierende Betrachtungsweise bei § 315 c Geppert, ZStW 83 (1971), S. 947, 985 f.

10*

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

sollen gemeingefährliche Delikte Schutz der Güter gegen deliktische Angriffe gewährleisten, die - vor allem wegen der faktischen Besonderheiten der verwendeten Tatmittel - typischerweise nicht auf die Beeinträchtigung einzelner oder lediglich eines einzigen Rechtsgutsträgers beschränkt, sondern generell für eine Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger gefährlich sind. Die vorgestellte Konzeption des Rechtsgüterschutzes bei gemeingefährlichen Delikten nimmt bewußt Elemente auf, die Kindhäuser 422 zur Bestimmung des Normzwecks abstrakter Gefährdungsdelikte allgemein herangezogen hat. Das gilt vor allem für die Übernahme der Opferperspektive, um mittels derer die mangelnden individuellen Schutzmöglichkeiten in bestimmten Lebensbereichen und damit den behaupteten Gemeinschafts- oder Allgemeinheitsbezug der gemeingefährlichen Delikte zu verdeutlichen. Das Abstellen auf einen weiteren Schutzzweck bestimmter Rechtsgüter, ihre Funktion als Faktoren des Gemeinschaftslebens zu wirken, vermeidet aber eine Schwäche, die der Normzweckbestimmung Kindhäusers häufig zu Recht vorgeworfen worden ist: die Aufgabe des Rechtsgutsbezuges für den Unrechts- und Schuldvorwurf bei abstrakten (bzw. gemeingefährlichen) Delikten. 423 Unrecht und Schuld bei den gemeingefährlichen Delikten beziehen sich auf die geschützten Rechtsgüter. Allerdings unterscheiden sich die gemeingefährlichen Delikte insofern von den übrigen Tatbestandstypen als die tatbestandlichen Rechtsgüter in der beschriebenen Doppelfunktion geschützt werden. Gegenüber der herkömmlichen Sichtweise, gemeingefährliche Delikte pauschal als auf den Schutz „der" Allgemeinheit ausgerichtet zu sehen, erlaubt die Berücksichtigung des Gemeinschaftsbezuges der Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum ebenfalls eine stärkere Wahrung des Rechtsgutsbezuges. Wer offen bekennt, daß es um den Schutz der sozialen, auf die Gemeinschaft bezogenen Relevanz auch individueller Rechtsgüter geht, dem sind ohne weitere Umwege Quantifizierungen im Unrecht verschiedener gemeingefährlicher Delikte möglich. Wer dagegen vage vom Schutz der Allgemeinheit gegen gemeingefährliche Verhaltensweisen spricht, muß mit lediglich schwachen Rechtsgutsbezug zusätzlich erklären, welches (individuelle) Rechtsgut denn in dem jeweiligen (gemeingefährlichen) Straftatbestand mittelbar unmittelbar ist „die" Allgemeinheit Schutzgut - geschützt ist. Um Mißverständnisse zu vermeiden: das Heraustellen des Gemeinschaftsbezuges bestimmter Rechtsgüter ist kein Plädoyer für eine etatistisch-monistische

422

Gefährdung als Straftat, S. 280 ff. Kindhäuser, aaO., S. 290; zur Kritik Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 556 Fußn. 49; Frisch, Festschrift für Stree und Wessels, S. 69, 91 f.; Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 43 ff.; Roxin, StrafR AT 1, § 11 Rdnr. 123; siehe auch Kuhlen, GA 1990, S. 479 f. 423

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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Rechtsgutslehre. 424 Zugrundegelegt ist eine dualistische Rechtsgutslehre, die Raum für Individual- und Kollektivrechtsgüter läßt, ohne die Frage des Herkommens, der Quelle der Rechtsgüter klären zu müssen. Das Eintreten für die Berücksichtigung der Funktion bestimmter individueller Rechtsgüter als Faktoren des Gemeinschaftslebens bedeutet lediglich eine Erweiterung des Spektrums zur Erklärung des spezifischen Rechtsgutsbezuges bei gemeingefährlichen Delikten. Erweiterung heißt nicht, die im Verlaufe der Dogmengeschichte gemeingefährlicher Delikte herausgebildete Ausrichtung dieses Typus auf den Schutz der Individualrechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum vor gemeingefährlichen Handlungen durch eine kollektivistische Schutzrichtung (Schutz der genannten Rechtsgüter in ihrer Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens) zu ersetzen oder auch nur einen Vorrang des kollektivistischen Aspekts vor dem - angeblich nur reflexiven - 4 2 5 Schutz der jeweiligen Individualrechtsgüter zu behaupten. Umgekehrt bleibt die Sicherung des Individualrechtsgutes vorrangig. Erst der spezifische Bezug zwischen dem jeweiligen Tatobjekt und der jeweiligen Tathandlung, auf den im Rahmen der Überlegungen zu den einzelnen Brandstraftatbeständen einzugehen sein wird, konstituiert die generelle Gemeingefährlichkeit der Tatbegehung, d.h. die Möglichkeit der Beeinträchtigung von Rechtsgütern individuell unbestimmter und unbestimmt vieler Rechtsgutsträger. So ist es z.B. bei dem Inbrandsetzen einer Wohnräumlichkeit i.S.v. § 306 a Abs. 1 Nr.l das ex ante unvorhersehbare und unübersehbare Beziehungsgeflecht zwischen den Bewohnern, deren gewollten oder ungewollten Kontaktpersonen und dem Tatobjekt, 426 welches die aufgrund der ex ante quantitativen und individuellen Unbestimmtheit der beeinträchtigten Rechtsgüter/Rechtsgutsträger die generelle Gemeingefährlichkeit des Inbrandsetzens bzw. Zerstörens durch Brandlegung solcher Tatobjekte bestimmt. Aus dieser auf die individuellen Rechtsgüter gerichteten generellen Gemeingefährlichkeit lassen sich sowohl die Statuierung als auch die nicht durch teleologische Reduktionen eingeschränkte Anwendung von Delikten des Typus § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 legitimieren. Der überindividuelle Ansatz der geschützten (Individual)Rechtsgüter in ihrer Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens tritt als weitere spezifische Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte und als ergänzender Argumentationstopos in dem Disput um die Legitimität abstrakter (generell gemeingefährlicher) Gefährdungsdelikte hinzu.

424 Zur Unterscheidung der Rechtsgutslehren in monistisch-etatistische und monistisch-individualistische (personale) Auffassungen siehe Hassemer, in: AK-StGB, Vor § 1 Rdnr. 271 ff. 425 So Dedes, MDR 1984, S. 100, 101 und in der Sache diejenigen Stimmen zum Straßenverkehrsrecht, die bezogen etwa auf § 315 c eine lediglich mittelbare Schutzrichtung zugunsten der Individualrechtsgüter behaupten; Nachweise in Fußn. 372 und 392. 426 Dazu näher unten 2.Kap.A.I.

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte" c) Generelle Gemeingefährlichkeit

Zu Eingang des mit „Brandstiftung und generelle Gemeingefährlichkeit" übertitelten Abschnittes ist bereits auf die unterschiedlichen Begriffsbestimmungen der Gemeingefahr hingewiesen 427 und Vorbehalte gegen eine Individualisierung der Gemeingefahr durch Verwendung des Repräsentationsgedankens (Ein individuell unbestimmter an Stelle der Allgemeinheit) geäußert worden. 428 Die Erläuterung des eigenen Verständnisses der Begriffe Gemeingefährlichkeit und Gemeingefahr steht dagegen noch aus, auch wenn sich die einzuschlagende Richtung bei der Wiedergabe der Dogmengeschichte der gemeingefährlichen Delikte bereits angedeutet hat. Entsprehend der Individualgefahr ist auch für gemeingefährliche Delikte zwischen der Gemeingefährlichkeit der Handlung und der konkreten Gemeingefahr (§ 323 c, sowie §§ 312-314 a.F. mit der Differenzierung nach Gemeingefahr für unterschiedliche Individualrechtsgüter) zu unterscheiden. 429 Straftatbestände entsprechend den Brandstiftungdelikten, die ein Tatbestandsmerkmal konkreter Gemeingefahr nicht aufweisen, stellen Verhaltensweisen unter Strafe, die bei generalisierender Betrachtungsweise gemeingefährlich sind. Generell gemeingefährlich sind solche Tathandlungen, bei denen nach der Lebenserfahrung in einer Anzahl von Fällen eine Gefahr der Verletzung für eine unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger eintreten kann. Das Abstellen auf die generelle Möglichkeit der Verletzung einer unbestimmter Vielzahl und unbestimmter Individualität von Rechtsgütern bzw. Rechtsgutsträgern ist zum einen eine Konsequenz aus den faktischen Besonderheiten gemeingefährlicher Delikte unter ihrem Gefährlichkeitaspekt (im Unterschied zum Gemeinschädlichkeitsaspekt). Zum anderen ergibt sich die Forderung aus dem besonderen doppelten Rechtsgutsbezug gemeingefährlicher Delikte. Weil regelmäßig bei dem Anzünden bestimmter, im Gesetz genannter Tatobjekte ex ante im Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung nicht sicher bestimmt werden kann, welche Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger in Mitleidenschaft gezogen werden können, sind gemeingefährliche Delikte wesentlich durch die (generelle) individuelle Unbestimmtheit der Opfer charakterisiert. Der sich nach der Ausführung der Tathandlung entwickelnde Kausalverlauf ist für den Täter einer solchen Tat typischerweise nicht mehr steuerbar. 430 Die mangelnde Steuerbarkeit bedeutet bezogen auf potentielle Opfer eben auch - ex ante - mangelnde Bestimmbarkeit des Opferkrei-

427

Oben l.Kap.C.II.3. Oben l.Kap.C.II.3.a.(3).(b). 429 Vgl. Horn,, JZ 1964, S. 646, 649; Dreher, Niederschriften der Sitzungen der Strafrechtskommission, Band 8, S. 420; Gallas, Niederschriften der Sitzungen der Strafrechtskommission, Band 8, S. 423; siehe auch Dedes, MDR 1984, S. 100, 102. 430 Insoweit übereinstimmend Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363; ders., JuS 1994, S. 372, 379. 428

C. Strukturen der Brandstrafatbestände

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ses. Die im Zusammenhang mit der vermeintlich notwendigen teleologischen Reduktion des § 306 Nr.2 a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.l erörterten, in Bezug auf das geschützte Rechtsgut Leben angeblich sorgfältig vorgehenden Täter 431 mögen hinsichtlich des Lebens der im Tatobjekt befindlichen (oder in concreto gerade abwesenden) Personen wie auch immer bestimmten Sorgfaltsanforderungen genügen. Aber in diesem Bezug auf potentielle Opfer erschöpfen sich gemeingefährliche Delikte vom Typus etwa des § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) möglicherweise nicht. Die Unbeherrschbarkeit des Tatverlaufs als Grund für das Abstellen auf die unbestimmte Individualität erfaßt unter Umständen das Verhalten von Helfern, berufsmäßigen wie spontanen.432 Wenn das Feuer am oder im Tatobjekt eine bestimmte Größe erreicht hat - ob diese Größe mit der formellen Vollendung der Brandstiftung übereinstimmt, mag einstweilen noch dahinstehen -, kann regelmäßig selbst der Täter, der vor Ausführung der Tathandlung „sorgfältig" Lebensgefährdungen zu meiden gesucht hat, den weiteren Geschehensablauf nicht mehr steuern und in Richtung auf den Ausschluß von Rechtsgutsverletzungen lenken. Diesen faktischen Besonderheiten trägt die Anknüpfung der Definition der (generell) gemeingefährlichen Handlung an die unbestimmte Individualität der möglichen Opfer Rechnung. Warum kann es aber entgegen nach wie vor vertretener Auffassung 433 nicht bei der generellen Gefährlichkeit der Tathandlung für einen einzelnen individuell unbestimmten im Sinne des Repräsentationsgedankens bewenden? Einerseits weil der Verzicht auf die generelle Möglichkeit der Verletzung einer unbestimmten Vielzahl von Rechtsgutsträger dem auch auf die Allgemeinheit bezogenen Schutzzweck gemeingefährlicher Delikte nicht gerecht wird. Andererseits weil der Repräsentationsgedanke auf die Beschreibung genereller Gemeingefährlichkeit von Tathandlungen gar nicht zugeschnitten ist, sondern lediglich die praktische Handhabbarkeit von Straftatbeständen erleichterte, die ein Tatbestandsmerkmal konkreter Gemeingefahr verlangten. Es ist kein historischer Zufall, daß sich der Gedanke, für eine (konkrete) Gemeingefahr die „repräsentative" Gefahr für ein einziges individuell unbestimmtes Mitglied der Allgemeinheit genügen zu lassen, in einer Zeit zu entwickeln begonnen hat, in der die gesetzlich als gemeingefährlich statuierten Delikte entgegen ihrem Ursprung die Anknüpfung an den Einsatz von Naturgewalten als Tatmittel verlo-

431

Gedacht ist ersichtlich stets an die Fall des Täters aus BGHSt 26, 121. Dazu näher 2.Kap.A.I.3. 433 Horn,, in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 8; Spendel, in: LK, § 323 c Rdnr. 59; Nachw. zu entsprechenden Stimmen im älteren Schrifttum u.a. bei Kitzinger, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, S. 5 f.; v.Ullmann, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, S. 36 Fußn. 1; Frank, Vorbem. z. 27.Abschn. Anm.II; siehe auch die Übersicht bei Dedes, MDR 1984, S. 100. 102. 432

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

ren. 434 Mit dem Einsatz der klassischen Tatmittel war die - bei generalisierender Betrachtungsweise zutreffende - Einschätzung verbunden, daß das Ingangsetzen von Naturkräften unter bestimmten, im jeweiligen Tatbestand festzulegenden tatsächlichen Bedingungen in einer (nicht bekannten) Anzahl von Fällen zu einer Gefahr oder gar Verletzung mehrerer Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger führen kann. Spätestens aber mit der Erweiterung der (gemeingefährlichen) Transportgefährdung um den Transport durch Kraftfahrzeuge auf der Straße war das vorstehend beschriebene Verhältnis von Tathandlung und möglichen Gefährdungs- oder Verletzungsfolgen endgültig verlorengegangen. Die Entwicklung des Repräsentationsgedankens war insoweit lediglich eine Hilfskonstruktion, um die Einordnung bestimmter Tatbestände, wie etwa die heutige Straßenverkehrsgefährdung (§315 cStGB) und den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b StGB) sowie ihrer Vorgängerregelungen, unter die gemeingefährlichen Delikte im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Tathandlung zu erklären. Dabei findet die Lozierung dieser Straftatbestände im 28. (bisherigen 27.) Abschnitt über die gemeingefährlichen Delikte ihre Rechtfertigung nicht über den (Gemein-)Gefährlichkeitsaspekt dieses Deliktstypus, sondern über dessen Gemeinschädlichkeitsaspekt.435 Das gilt jedenfalls dann, wenn man entsprechend hier vorgeschlagenen Sichtweise bereit ist, für die Straßenverkehrsdelikte einen gleichrangigen Individualrechtsgutsschutz und einen kollektiven Systemschutz für das „System Straßenverkehr" anzuerkennen. 436 Einen zweiten leicht nachvollziehbaren Sinn erhält der Repräsentationsgedanke im Zusammenhang mit der Feststellung konkreter Gemeingefahr. Die verbreitet vertretene Gegenansicht, (konkrete) Gemeingefahr sei die konkrete Gefahr für eine (unbestimmte) Mehrzahl bzw. größere Anzahl von Menschen oder die Gefahr einer Schädigung bedeutender Sachwerte 437 steht vor der Schwierigkeit, im konkreten Fall die „Mehrzahl" oder „größere Anzahl" etc. genauer quantifizieren zu müssen. Anders war beispielsweise eine - allerdings zu keiner Zeit sonderlich praxisnahe - Verurteilung wegen Herbeiführens einer Überschwemmung gemäß § 312 a.F. nicht möglich. Welche unsäglichen und mit wertenden Argumenten schwer ausräumbaren Probleme die Angabe einer der konkreten Gemeingefahr genügenden Mindestzahl konkret gefährdeter Rechtsgüter/Rechtsgutsträger bereitet, zeigt die bereits erwähnte Diskussionslage zu §§ 169, 176, 177 ÖStGB. 438 Diese Schwierigkeiten zur Bestimmung konkreter Gemeingefahr überwindet die Beschränkung auf einen einzigen, allerdings in-

434

Oben l.Kap.C.II.3.a.(3).(b). Oben l.Kap.C.II.3.a.(4). 436 Oben l.Kap.C.II.3.b. 437 Vgl. etwa Cramer , in: Schönke/Schröder, Vor § 306 Rdnr. 19 und § 312 Rdnr. 4 (a.F.); Rudolphi, in: SK-StGB, § 323 c Rdnr. 10; Wessels, BT 1, Rdnr. 923; weit, umfassende Nachw. bei Küper, StrafR BT, Stichwort „Gefahr, gemeine", S. 92. 438 Oben Fußn. 308. 435

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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dividuell unbestimmten konkret Gefährdeten. Daß solcherlei Problemlösung allerdings nur scheinbaren Gewinn bedeutet, lassen die Betrachtungen zur Legaldefinition der Gemeingefahr in § 315 Abs. 3 (in der bis 1965 geltenden Fassung) erkennen. 439 Für die Bestimmung der generellen Gemeingefährlichkeit einer Tathandlung ist die Formel vom Genügen der Gefährdung eines einzigen individuell unbestimmten ohne Relevanz. Das entspricht selbst der Sichtweise derjenigen, die den Repräsentationsgedanken für die Beschreibung der (konkreten) Gemeingefahr heranziehen. Die Gefährlichkeit der Tathandlung beurteilen auch sie nach der generellen „Eignung" der Handlung zur Gefährdung vieler. 440 Diese Anknüpfung an die generelle Gefährlichkeit des Tathandlungstypus für eine unbestimmte Vielzahl von Rechtsgütern/Rechtsgutsträgern berücksichtigt den besonderen auf die Allgemeinheit ausgerichteten Charakter der gemeingefährlichen Delikte (unter ihrem Gefährlichkeitsaspekt). Es ist das Spezifikum der bei den gemeingefährlichen Delikten verwendeten Gesetzestechnik, durch die Anbindung der jeweiligen Tathandlung an bestimmte Tatobjekte die in einer ungewissen Anzahl von Fällen eintretende Gefährdung einer Vielzahl von Rechtsgütern/Rechtsgutsträgern zum Ausdruck zu bringen. Mit besonderer Deutlichkeit ließ sich die Gesetzestechnik an der ursprünglich angestrebten Auswahl der Tatobjekt in § 286 preuß. StGB, dem § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. und strukturell, wenn auch nicht in der Kasuistik der Tatobjekte § 306 Abs. 1 nachgebildet ist/war, aufzeigen. 441 Die Maxime des historischen Gesetzgebers bestand darin, das unmittelbare Anzünden lediglich solcher fremder Tatobjekte als (nicht menschengefährdende) Brandstiftung zu bestrafen, das zu einer Gemeingefährlichkeit für fremdes Eigentum, d.h. zu einer unbegrenzten Ausdehnung des Brandes über das Eigentum vieler, führen konnte. 442 Dabei ist dem Gesetzgeber durchaus bewußt gewesen, daß die (generelle) Gemeingefährlichkeit sich nicht mit jeder Tathandlung in einem Zustand konkreter Gemeingefahr für die fremdes Eigentum vieler realisierte. Um aber lediglich „echte Gefährdungsverbrechen" in einem Kriminal-Strafgesetzbuch zu statuieren, wollte der preuß. Gesetzgeber mit dem Inbrandsetzen der tatbestandlich geregelten

439

Oben l.Kap.C.II.3.a.(5). Horn, JZ 1964, S. 646, 649. Ob Horn aaO. mit der Geeignetheit eine konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung verlangen will oder es bei einer generellen Gefährlichkeit des entsprechenden Typus der Tathandlung bewenden soll, wird aus seinen Ausführungen nicht ganz deutlich. Die bei ihm aaO. nachfolgenden Formulierungen, daß der Gesetzgeber die „Gefährlichkeit einer bestimmten Handlung ... präsumiert" und „Die Frage der generellen Eignung zu einer Vielgefährdung hat somit der Gesetzgeber zu lösen." sprechen allerdings eher für eine generelle bzw. abstrakte Gefährlichkeit eines bestimmten Tathandlungstypus. 441 Oben l.Kap.C.II.2.a.(5).(c). 442 Goltdammer, Die Materialien zum StGB f.d. preußischen Staaten, Teil II, S. 643; teilweise abweichend Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1, 24 ff. 440

154

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

Tatobjekte den Eintritt konkreter Gemeingefahr unwiderleglich vermuten. 443 Auch wenn eine Präsumtion einer in concreto nicht vorliegenden (Gemein-) Gefahr nicht akzeptabel ist, 4 4 4 ändert sich nichts daran, daß die vorstehend nochmals skizzierte Gesetzestechnik in ihrem Ursprung mustergültig die generelle Gemeingefährlichkeit des Tathandlungstypus zum zentralen Element abstrakter gemeingefährlicher Delikte erhebt. Der Gesetzgeber des 6. StrRG mit § 306 Abs. 1 bewußt an diese überkommene Gesetzestechnik an. 445 In ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates hebt die Bundesregierung hervor, die Technik des bisherigen Rechts beibehalten und den Aspekt der Gemeingefährlichkeit mittels der Kasuistik der Tatobjekte konkretisieren zu wollen. 446 Der verwendete Begriff der generell gemeingefährlichen Tathandlung bedarf noch näherer Erläuterung. Weil die Gefährlichkeit der Tathandlung das Charakteristikum der hier betrachteten gemeingefährlichen Delikte unter ihrem Gefährlichkeitsaspekt ist, kommt es auf die ex post zu bestimmenden und feststellbaren Folgen, die die Vornahme der jeweiligen Tathandlung hinsichtlich der geschützten Rechtsgüter gezeitigt hat, nicht an. D.h. bei der Begriffsbildung genereller Gemeingefährlichkeit ist von dem Eintritt eines konkreten Gefahrerfolges, mag dieser konkrete Spezial(Individual-)gefahr oder konkrete Gemeingefahr sein, zu abstrahieren. Die nach wie vor im Fluß befindliche Diskussion um die berücksichtigungsfähigen bzw. auszublendenden Kriterien bei der Festlegung, ob ein Zustand konkreter Gefahr infolge der Tathandlung eingetreten ist, 447 bleibt daher für die Bestimmung der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung irrelevant. Über das Abstrahieren von den nach Vornahme der Tathandlung eintretenden Entwicklungen hinaus ist jedoch noch ein weiterer 443 Oben l.Kap.C.II.2.a.(5).(c). Daß bereits der preuß. Gesetzgeber die ursprüngliche „Systemreinheit" nicht vollständig beibehalten hat, sondern in § 285 auch Tatobjekte aufgenommen hat, mit deren Anzünden eine generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung nicht verbunden ist, ändert an der Richtigkeit der Anknüpfung an die generelle Gemeingefährlichkeit nichts. 444 Zu der sog. Präsumtionstheorie innerhalb der Dogmatik abstrakter Gefährdungsdelikte sowie zur Kritik dieser Theorie ausführlich Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 151 ff., 349 ff. 445 BT-Drucks. 13/8587, S. 87. 446 BT-Drucks. 13/8587, S. 87; das Abgehen von der ursprünglichen Konzeption des RegE, § 308 a.F. durch ein konkretes Gefährdungsdelikt zu ersetzen (§ 306 Abs. 2 RegE), dürfte auch auf die Kritik des Verf. in: Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 9 ff., 22 f. zurückzuführen sein. 447 Überblick zum Streit um die inhaltliche Ausfüllung der konkreten Gefahr zwischen normativen, modifiziert normativen Theorien u.a. bei Roxin, AT 1, §11 Rdnr. 115 ff.; Horn,, in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 4 ff.; Cramer , in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 306 ff. Rdnr. 5 f.; Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 189 ff.; vgl. auch Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 546 ff.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

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Abstraktionsschritt notwendig, um die generelle Gemeingefährlichkeit begrifflich zu erfassen. Wie bereits im Zusammenhang mit den faktischen Besonderheiten der Brandstiftungsdelikte erläutert, 448 verzichtet das geltende Recht - jedenfalls für § 306 a Abs. 1 Nr.l - auf die konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung im einzelnen Fall. Es wird nicht „aus der Sicht einer in der Situation des Handelnden befindlichen objektiven Maßstabsperson" 449 beurteilt, ob die einzelne Tathandlung konkret gefährlich oder riskant für das jeweils geschützte Rechtsgut ist, sondern es bewendet bei der Zugehörigkeit der Tathandlung zu einem Typus, dem die Eigenschaft zugeschrieben ist, in einer gewissen Zahl von Fällen zu konkreten Rechtsgutsgefährdungen oder gar Rechtsgutsverletzungen zu führen. 450 Den Grund, eine solche Zuschreibung genereller Gemeingefährlichkeit für einige Straftatbestände vornehmen zu können, liefert die überkommene und auch vom reformierten Brandstrafrecht verwendete Gesetzestechnik und die dieser Technik zugrundeliegenden faktischen Besonderheiten generell gemeingefährlicher Delikte. Es entspricht der Alltagserfahrung, daß bei Vornahme der Tathandlung an den Handlungsobjekten, die der Gesetzgeber etwa in § 306 a Abs. 1 Nr.l über das Kriterium der dem Wohnen dienenden Zweckbestimmung ausgewählt hat, mit einer gewissen Häufigkeit konkrete Gefahren für bzw. Verletzungen von Menschenleben eintreten. Grundlage des generalisierten, von einer konkreten Gefährlichkeit der einzelnen Handlung (ex ante) abstrahierenden Gefährlichkeitsurteils ist dabei nicht das Tatmittel allein, sondern die Koppelung von Tatmittel mit den kasuistisch normierten Handlungsobjekten.451 Im Unterschied zu den bisherigen Überlegungen zur generellen (Individual)Gefährlichkeit der Tathandlungen der Brandstiftungsdelikte stellt die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung auf die in einer gewissen Zahl von Fällen eintretenden Anzahl von Fällen eintretenden Gefährdung oder Verletzung einer unbestimmten Vielzahl individuell unbestimmer Rechtsgüter/Rechtsgutsträger ab. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: (a) Das Anzünden von Häusern, die Menschen zum Wohnen dienen, kann zu einer Gefährdung oder Verletzung derjenigen, die sich bei Vornahme der Tathandlung in dem Tatobjekt aufhalten, führen. Indem § 306 a Abs. 1 Nr.l nicht nach der Größe und dem Umfang der Wohnutzung (Stichwort: einräumige Hütte) 452 differenziert, werden auch Wohnhäuser erfaßt, die zahlreichen Menschen als Wohnung dienen. Allein die Möglichkeit der Gefährdung oder Verletzung zahlreicher Bewohner belegt die Existenz von Fallgestaltungen, in denen

448

Oben l.Kap.C.I. 1. Formulierung von Hirsch, (wie Fußn. 447), S. 545, 558 zur Bestimmung der von ihm sog. Geföhrlichkeitsdelikte. 450 Näher dazu oben 1 .Kap.C.1.1. 451 Oben l.Kap.C.2. 452 Vgl. BGHSt 26, 121, 125. 449

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1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

sich die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung des § 306 a Abs. 1 Nr.l im Einzelfall realisieren kann. Allerdings ließe sich entgegenhalten, daß eine solche Konstellation zwar die (Gemein-)Gefährlichkeit für eine Vielzahl von Rechtsgütern/Rechtsgutsträgern belegt, der hier kumulativ verlangte Aspekt der individuellen wie der zahlenmäßigen Unbestimmtheit der potentiellen Opfer jedoch unberücksichtigt bliebe. Denn bezogen auf eine konkrete Tathandlung könnte sich ex ante und erst recht ex post sicher feststellen lassen, welche und wieviele Individuen sich im Zeitpunkt der Tatbegehung in dem Tatobjekt befunden haben. 453 Ein solcher Einwand verkennt jedoch zweierlei: Die Möglichkeit der Bestimmbarkeit des Opferkreises, sei es zum Zeitpunkt der Tathandlung oder erst durch nachträgliche Erkenntnis, bezieht sich stets auf eine einzelne Tathandlung eines (generell) gemeingefährlichen Delikts. Generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung abstrahiert aber gerade von der einzelnen Tathandlung und stellt auf die Gefährlichkeit des Tathandlungstypws ab. Es ist nicht entscheidend, daß es im konkreten Fall bestimmte und ggf. im Tatausführungsstadium individuell wie quantitativ bestimmbare Rechtsgüter/Rechtsgutsträger getroffen hat, sondern daß die Vornahme der Tathandlung eine individuell unbestimmte Vielzahl von Rechtsgütern/Rechtsgutsträgern treffen kann, die mit den vom Tatbestand des § 306 a Abs. 1 Nr.l beschriebenen Handlungen (Inbrandsetzen von Wohnräumlichkeiten/Zerstörung von Wohnräumlichkeiten durch Brandlegung) in Kontakt geraten. Zum zweiten ist keineswegs zwingend und im Hinblick auf die Ausgestaltung der Erfolgsqualifikationen bzw. Gefahrerfolgsqualifikationen in §§ 306 c, 306 b Abs. 1 und Abs. 2 Nr.l nicht einmal mehr naheliegend, daß die Schutzrichtung etwa des § 306 a Abs. 1 Nr.l sich auf die zum Tatzeitpunkt im Tatobjekt befindlichen Rechtsgüter/Rechtsgutsträger beschränkt. Denkbar und dem Schutzzweck generell gemeingefährlicher Delikte möglicherweise eher entsprechend, ist die Einbeziehung des Schutzes eines „Gefahrenensembles", das den Schutz potentieller Helfer und Retter, gleich ob dazu verpflichtet oder nicht, umfaßt. 454 Bei einer solchen Schutzrichtung wird die individuelle und quantitative Unbestimmtheit des Opferkreises im Stadium der Ausführung der Tat noch deutlicher. (b) Das in § 306 Abs. 1 unter Strafe gestellte Inbrandsetzen von „Wäldern" ist - entsprechend auch der Vorstellung des preußischen Gesetzgebers zu der Vorbildcharakter tragenden Regelung in § 286 preuß. StGB („Waldungen") - 4 5 5 eine generell gemeingefährliche Tathandlung. 456 Sie ist dies nicht, weil sie unter

453

Siehe das Bsp. bei Dedes, MDR 1984, S. 100, 102 über die Bestimmbarkeit der Rechtsgüter (quantitativ und nach ihrer Individualität) bei dem durch eine Bombe ausgelösten Flugzeugabsturz. 454 Dazu näher unten 2.Kap.A.I.3. 455 Oben Text nach Fußn. 197. 456 Vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 87; siehe auch bereits oben Fußn. 445.

C. Strukturen der Brandstraftatbestände

157

bestimmten Umständen fremdes Eigentum in einem erheblichen Umfang verletzen kann, sondern sie ist generell gemeingefährlich, weil ein Waldbrand wenigstens im Falle entsprechender Witterungsverhältnisse typischerweise für Menschen nicht mehr kontrollierbar und selbst unter Einsatz moderner Löschtechnik (Flugzeuge etc.) kaum zu beherrschen ist. Ausdehung und Richtung des Brandes sind nicht sicher zu prognostizieren. In welchem Umfang fremdes Eigentum über das Eigentum am Wald hinaus verletzt oder konkret gefährdet wird, ist regelmäßig nicht absehbar, wenn der Waldbrand erst einen gewissen Umfang erreicht hat. Bilder beispielsweise von gewaltigen Waldbränden und in deren Folge brennenden Villen im Umland von Los Angeles erscheinen mit „schöner" Regelmäßigkeit jahreszeitlich bedingt auch auf deutschen Fernsehschirmen und belegen die Richtigkeit der Gemeingefährlichkeitsbeurteilung des historischen wie des Reformgesetzgebers. Die so beschriebene Unbeherrschbarkeit und besonders hohe Wirkkraft führt zu der Bewertung des Anzündens von Wäldern als generell gemeingefährliche Handlung. Allerdings gilt diese Bewertung selbstverständlich auch für das tatbestandlich nicht über § 306 Abs. lerfaßte Anzünden eines im Eigentum des Täters stehenden Waldes. Die Beschränkung des Tatbestandes auf täterfremde Tatobjekte blendet daher einen Teil generell gemeingefährlicher Handlungsweisen aus, nimmt dem tatbestandlich erfaßten Handlungstypus aber nicht den Charakter genereller Gemeingefährlichkeit. Die bisherigen Überlegungen beschränken sich auf den Nachweis der Existenz generell gemeingefährlicher Tathandlungen im Brandstrafrecht überhaupt. Damit ist nicht entschieden, ob eine solche Typusbeschreibung auf sämtliche Brandstraftatbestände zutrifft. Der kurze „Ausflug" in die Geschichte der Brandstiftung läßt vermuten, daß dem nicht so ist. Beispielsweise hat die Entstehungsgeschichte des § 286 preuß. StGB gezeigt, daß die Orientierung der Auswahl der Tatobjekte an der mit ihrem Anzünden verbundenen Gemeingefährlichkeit nicht vollständig aufrechterhalten worden ist, sondern teilweise zugunsten diffuser Strafwürdigkeitserwägungen durchbrochen worden ist. 4 5 7 I I I . Strukturelemente der Brandstiftung (Zusammenfassung) Die faktischen Gegebenheiten der Brandstiftung sind durch die typischerweise vorliegende Unbeherrschbarkeit des Tatmittels Feuer für den Täter und präsumtive Opfer sowie seine regelmäßig hohe Wirkkraft auf die beeinträchtigten Tatobjekte und Rechtsgüter/Rechtsgutsträger gekennzeichnet. Die vorgenannten Eigenschaften können dem Tatmittel Feuer jedoch nicht schlechthin

457

Oben l.Kap.C.II.2.a.(5).

158

1. Kapitel „Systematische Stellung der Brandstiftungsdelikte"

zugeschrieben werden, sondern sie kommen lediglich unter bestimmten tatsächlichen Bedingungen seiner Verwendung zum Tragen. Das geltende Brandstrafrecht beschreibt diese tatsächlichen Bedingungen in der Tradition des bisherigen Rechts durch eine besondere Gesetzestechnik, nämlich die Koppelung der einheitlichen Tathandlungen des Inbrandsetzens/Zerstörens durch Brandlegung an ausgewählte und im Gesetz abschließend benannte Tatobjekte. Die Auswahl der Tatobjekte hat der Gesetzgeber an der generellen Gemeingefährlichkeit der jeweiligen Tathandlung in Bezug auf die jeweils tatbestandlich geschützten Rechtsgüter/Rechtsgutsträger ausgerichtet. Generell gemeingefährlich sollen solche Tathandlungen genannt werden, bei denen nach der Lebenserfahrung in einer Anzahl von Fällen eine Gefahr der Verletzung für eine unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgüter bzw. Rechtsgutsträger eintreten kann. Die generelle Gemeingefährlichkeit der Brandstiftungsdelikte bezieht sich nicht auf den Schutz der als Rechtsgut bzw. Rechtsgutsträger konturlosen Allgemeinheit, sondern Tatbestände, die generell gemeingefährliche Verhaltensweisen unter Strafe stellen, weisen eine spezifische doppelte Schutzrichtung auf. Nebem dem Schutz der Individualrechtsgüter Leben, Leib und Eigentum in ihrer dem einzelnen Rechtsgutsträger zugewiesenen Funktion schützen sie (nachrangig) die genannten Rechtsgüter auch in ihrer überindividuellen Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens. Diese zweite, dem Individualschutz nachrangige Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte unter ihrem Gefährlichkeitsaspekt erfaßt den bisher inhaltlich unklar und sprachlich ungenau auf den Schutz der „Allgemeinheit" bezogenen Schutzzweck der Brandstiftungsdelikte als Tatbestände mit generell gemeingefährlichen Tathandlungen. Straftatbestände mit generell gemeingefährlichen Tathandlungen schützen nicht jeweils alle vorstehend bezeichneten Rechtsgüter. Welche Rechtsgüter durch welchen Brandstraftatbestand in der beschriebenen zweifachen Weise geschützt werden, ist eine Frage der Auslegung des einzelnen Tatbestandes.

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung 44 Die schwere Brandstiftung (§ 306 a) ist wie bereits nach bisherigem Recht in mehrfacher Hinsicht das „Herzstück" des Brandstrafrechts. Aus praktischer Sicht ist die schwere Brandstiftung allemal dann bedeutsam und medienwirksam, wenn es nicht bei der generellen Lebensgefährlichkeit der Tathandlung bewendet, sondern sich die generelle Gefährlichkeit in der Verletzung von Menschenleben realisiert hat. Das dogmatische Interesse verläuft in entgegengesetzter Richtung. Hat die Vornahme der Tathandlung aus § 306 a Abs. 1 Menschenleben wenigstens konkret gefährdet oder gar verletzt, erlischt das wissenschaftliche Interesse an dem Tatbestand. Untersucht werden vornehmlich die Fallkonstellationen ausgebliebener Rechtsgutsgefahr und Rechtsgutsverletzung.1 Bestrafung wegen schwerer Brandstiftung trotz fehlender konkreter Rechtsgutsgefahr und fehlender Rechtsgutsverletzung scheinen nicht mehr recht in die strafrechtswissenschaftliche „Landschaft", die spätestens seit den 80er Jahren die durch abstrakte Gefährdungsdelikte bewirkte Vorverlegung des Strafrechtsschutzes als besonders lohnenswerten Forschungsgegenstand entdeckt hat,2 zu passen. Bevorzugter konkreter Untersuchungsgegenstand dieser Forschung war die Brandstiftung an Wohngebäuden (§ 306 Nr.2 a.F.). Kaum ein Beitrag zur allgemeinen Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte verzichtet auf eine Stellungnahme bezüglich der schweren Brandstiftung an dem Wohnen dienenden Tatobjekten. Angesichts der lediglich marginalen und für die Legitimitätsfrage irrelevanten Änderungen der lex lata im Vergleich zu § 306 Nr.2 a.F. sind die von den zahlreichen Untersuchungen zu dieser Vorschrift erzielten Forschungsergebnisse weiter von Belang. Der Unmut größerer Teile der Strafrechtswissenschaft über sog. Vorverlegungen von Strafbarkeit

1

Kurioserweise gelangte manches Modell zur teleologischen Reduktion des § 306 Nr.2 a.F. selbst dann zu einem Ausschluß des Unrechts und damit auch zum Ausschluß der Strafbarkeit, wenn ein sich zum Zeitpunkt der Tat im Brandobjekt aufhaltender Mensch durch die Brandstiftung getötet wurde. Da für Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 182 die Strafbarkeit gemäß § 306 Nr.2 a.F. die Schaffung eines objektiv-adäquaten Lebensgefährdung'srisikos voraussetzte, schied § 306 Nr.2 a.F. trotz eingetretener Rechtsgutsverletzung aus, wenn sich aufgrund objektiv nachträglicher Prognose für den Tatzeitpunkt ergibt, daß die Anwesenheit des später durch den Brand Getöteten objektiv und subjektiv nicht erwartbar war. 2 Siehe die Nachw. oben Einl. Fußn. 4 sowie die Arbeiten von Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 751 und Weber, Die Vorverlegung des Strafrechtsschutzes durch Gefährdungs- und Unternehmensdelikte, Beiheft zur ZStW 1987, S. 1.

160

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

durch Statuierung abstrakter Gefährdungsdelikte wird in Bezug auf die Brandstiftung nicht dadurch gemildert werden, daß § 306 a Abs. 3 (auch) für die abstrakt menschengefährdende Brandstiftung einen minder schweren Fall vorsieht, der insbesondere bei sicher ausgebliebener Rechtsgutsgefahr zur Anwendung gelangen soll. 3 Basieren doch die Restriktionsmodelle auf der Vorstellung, daß der Täter durch die Vornahme der Tathandlung allein unter bestimmten im einzelnen streitigen Voraussetzungen ohne zusätzliches Unrechtsgründungsmerkmal kein Unrecht verwirklicht. 4 Da § 306 a Abs. 3 jedoch lediglich einen abgesenkten Strafrahmen anbietet, wo die Wissenschaft obligatorisch Unrechts- und damit StrafbarkeitstfwsscA/w/? fordert, kann den Vorstellungen der Vertreter solcher Restriltionen nicht genügt sein.

A. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten Brandstiftung an Wohngebäuden gemäß § 306 Nr.2 a.F. galt als der „klassische Fall", 5 als „Prototyp" 6 der abstrakten Gefährdungsdelikte und zugleich als „Vorreiter" der gesamten gemeingefährlichen und später abstrakt gefährlichen Delikte. 7 Wäre die Kennzeichnung vom „Prototyp" richtig, ließe sie sich auf das „Nachfolgemodell" § 306 a Abs. 1 Nr.l, der mit Ausnahme der Erweiterung der Tatobjekte um die „Räumlichkeiten" 8 vollständig § 306 Nr.2 a.F. nachgebildet ist, übertragen. Die genannten Bewertungen treffen jedoch lediglich partiell zu. Abstrakte Gefährdungsdelikte sind vielschichtig und lassen sich nach unterschiedlichen Aspekten systematisch ordnen. 9 Modellcharakter hat die Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten 10 für solche abstrakten Gefähr-

3 So die Begründung des RegE zu § 306 Abs. 3 in der ursprünglichen Fassung des Entwurfs (BT-Drucks. 13/8587 S. 48), die inhaltlich § 306 a Abs. 3 entspricht. Calliess, NJW 1998, 929, 934 f. hält die unbestimmten besonders schweren und minder schweren Fälle wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot für verfassungswidrig. Ob seine Prämisse, es handele sich bei den genannten Vorschriften um echte Tatbestandmerkmale, für die das Bestimmtheitgebot gelte, zutrifft, kann hier nicht näher untersucht werden. 4 Vgl. etwa Berz, Formelle Tatbestandserfüllung, S. 114. 5 Wolter, Objektive und personale Zurechung, S. 277. 6 Roxin, AT I, § 11 Rdnr. 120. 7 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 375. 8 Dazu Fußn. 10 und unten A.II.l.. 9 Oben Einl.B.II. 10 Die hier als Sammelbegriff verstandene Wendung „Wohnräumlichkeiten" bezieht sich auf sämtliche in § 306 a Abs. 1 Nr.l benannten Tatobjekte. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen die im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügten

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

161

dungsdelikte, die dem unmittelbaren Schutz von Individualrechtsgütern dienen. Um Institutionen- oder Systemschutz qua abstraktem Gefährdungsdelikt geht es nicht. Und eine Vorreiterrolle für die gemeingefährlichen Delikte kann die Brandstiftung an Wohngebäuden allein unter dem Gefährlichkeitsaspekt dieses Deliktstypus beanspruchen. 11 Allerdings ist die Erkenntnis, daß es sich bei § 306 a Abs. 1 Nr.l um eine Delikt mit einer generell gemeingefährlichen Tathandlung handelt, von erheblicher Bedeutung für das Verständnis dieses Tatbestandes. Das wird im folgenden unter unterschiedlichen Gesichtspunkten darzulegen sein.

I. Rechtsgut Fast scheint es müßig, über das von § 306 a Abs. 1 Nr.l geschützte Rechtsgut bzw. über die geschützten Rechtsgüter nachzudenken. Rechtsprechung und Literatur zu der Vorgängerregelung § 306 Nr.2 a.F. waren sich weitestgehend einig über dessen Schutzzweck. Die schwere Brandstiftung an Wohngebäuden bzw. Wohnräumlichkeiten schützt Leben und Gesundheit (Leib) 12 anderer (als des Täters und ggf. etwaiger Tatbeteiligter) Menschen.13 Eine solche Rechtsgutsbestimmung drängt sich angesichts der Auswahl der Tatobjekte mit ihrer Anknüpfung an den Wohnzweck und damit den typischen Lebensmittelpunkt von Menschen geradezu auf. Weil die Tatobjekte des § 306 a Abs. 1 Nr.l offenbar auf den typischen Lebensmittelpunkt von Menschen abstellen und damit eine auf menschliches Leben und menschliche Gesundheit bezogene Schutzrichtung abzielen, konnte hier von einem über den Angriff auf das Tatobjekt vermittelten Rechtsgutsangriff gesprochen werden. 14 Die Spannweite möglicher Schutzzwecke und geschützter Rechtsgüter ist jedoch erheblich weiter, als der weitgehend konsentierte Lebens- und Leibesschutz ahnen läßt. Bohnert hat die

„Räumlichkeiten" das zentrale Tatobjekt ausmachen, das durch die überkommenen Objekte Gebäude, Schiff und Hütte lediglich exemplarisch ausgeführt wird; BT-Drucks. 13/8587 S. 88. 11 Zur Unterscheidung von Gefährlichkeits- und Gemeinschädlichkeitsaspekt gemeingefährlicher Delikte oben l.Kap.C.II.3.a. 12 Für eine strikte Beschränkung auf Lebensschutz eindeutig Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 296; ebenso wohl bereits - aber nicht mit gleicher Deutlichkeit formuliert - Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7, 16. 13 BGHSt 26, 121, 123; BGH, NStZ 1982, 420, 421; BGHSt 34, 115, 118; Geerds, Brandstiftung, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 28; Geppert, Jura 1989, 417, 418; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftung, S. 204 f.; Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 3; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 2; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 218 Fußn. 433; Brehm, JuS 1976, S. 22; Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 378; vgl. aber auch Bohnert, JuS 1984, S. 182, 183 und 185 re.Sp. 14 Oben l.Kap.C.II.l.b. und c. 11 Radtke

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Menge nicht von vornherein absurder Schutzgüter einmal umrissen. 15 Die Vielschichtigkeit ist überraschend. Sie reicht von „Wohngebäude, Bewohner, Menschen innerhalb, Menschen außerhalb, Menschen von außerhalb, Sachen von bedeutendem Wert, Sachen allgemein" bis hin zu der „allgemeinen Sicherheit". 16 Wer über den vordergründigen Konsens der Rechtsgutsbestimmung hinaussieht, stellt recht schnell fest, daß in Rechtsprechung und Literatur Stimmen für beinahe alle diese denkbaren Schutzrichtungen der Brandstiftung an Wohngebäuden/Wohnräumlichkeiten in der einen oder anderen Form zu hören sind bzw. hinsichtlich § 306 Nr.2 a.F. zu hören waren. 1. Das „ Wohnen" als Schutzzweck Die der verwendeten Konstruktion nach radikalste Gegenposition zum individuellen Lebens- und Leibesschutz löst sich vermeintlich vollständig von der Ausrichtung des Schutzzwecks auf Rechtsgüter und bezog den Unrechts- und Schuldvorwurf des § 306 Nr.2 a.F. auf das Wohnen an sich. 17 Angesichts der tatbestandsstrukturellen Kontinuität des § 306 a Abs. 1 Nr.l darf angenommen werden, die auf das Wohnen an sich bezogene Schutzweckbestimmung habe auch für den neuen Brandstraftatbestand Gültigkeit. Trennt man - wie von Kindhäuser vorgeschlagen - 1 8 die abstrakten Gefährdungsdelikte insgesamt von der Aufgabe, Rechtsgüterschutz zu bewirken, ab, und weist ihnen stattdessen die Aufgabe zu, Sicherheit zu gewährleisten, kommt es für das einzelne abstrakte Gefährdungsdelikt lediglich noch darauf an, die deliktsspezifisch vermittelte Sicherheit festzulegen. Sicherheit soll die „berechtigte Sorglosigkeit bei der Verfügung über Güter sein". 19 Bezogen auf die Brandstiftung an Wohngebäuden/Wohnräumlichkeiten sieht Kindhäuser das Wohnen 20 als die durch diesen Tatbestand geschützte Verfügungsweise an. 21 Die Güter, deren sorgelose Verfügbarbeit durch § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) gewährleistet werden

15

JuS 1984, S. 182,185re.Sp. Bohnert, JuS 1984, S. 182, 185 re.Sp. 17 Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 295 ff. i.V.m S. 280 ff.; ders., StV 1990, S. 161, 163; sachlich übereinstimmend Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, §51 Rdnr. 7. 18 Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 277 ff. 19 Kindhäuser, aaO., S. 282. 20 Hervorhebung H.R.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, §51 Rdnr. 7 formulieren: „Der spezifische Unrechtsgehalt (des § 306 Nr.2 a.F., H.R.) liegt jedenfalls auch in der Vernichtung einer fremden menschlichen Wohnung als Lebensgrundlage und persönlicher Lebensbereich." 21 Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 295. 16

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

163

sollen, sind menschliches Leben und menschliche Gesundheit.22 Eine Ausdehnung auf fremde bedeutende Sachwerte erscheint ihm nicht ausgeschlossen.23 Der Perspektivenwechsel bei der Schutzrichtung der Brandstiftung an Wohngebäuden durch Kindhäuser hat ebenso wie sein allgemeines Verständnis abstrakter Gefährdungsdelikte - trotz weitgehender Ablehung im Schrifttum - 2 4 manches für sich. Abstrakte Gefährdungsdelikte als „Verbote, die zur berechtigten sorgelosen Verfügung über Güter notwendigen (heteronomen) Sicherheitsbedingungen zu beeinträchtigten", 25 zu interpretieren, lenkt den Blick berechtigterweise darauf, daß die Möglichkeit der Wahrnehmung und Ausübung von (Individual)Rechtsgütern die Gewährleistung von Bedingungen, die für die Verfügung über die jeweiligen Rechtsgüter notwendig sind, voraussetzt. 26 Für solche VerfÜgungs- oder Ausübungsbedingungen stellt Kindhäuser unter dem Begriff der „heteronomen Sicherheitsbedingungen" zutreffend heraus, daß der einzelne (Rechtsgutsträger, H.R.) nicht stets in der Lage ist, mit vertretbarem Aufwand Vorsorge für die ungefährdete sorgelose Verfügung über Güter zu treffen. 27 Dabei kann dahinstehen, ob Kindhäusers Verständnis abstrakter Gefährdungsdelikte für sämtliche Delikte, die diesem Tatbestandtypus bisher zugerechnet werden, tragfähig ist. Die Beschreibung mangelnder individueller Vorsorge zur Verfügung über Güter ist jedenfalls im Kern mit den hier herausgestellten Strukturprinzipien gemeingefährlicher Delikte verträglich. Der Grund für die mangelnde individuelle Vorsorge bei der Ausübung der Rechtsgüter liegt in den faktischen Besonderheiten des bei einer generell gemeingefährlichen Brandstiftung eingesetzten Tatmittels Feuer, der Unbeherrschbarkeit und seiner hohen Wirkkraft in Bezug auf das Rechtsgut/den Rechtsgutsträger. Wegen dieser Besonderheiten des Tatmittels bei seinem Einsatz unter bestimmten tatsächlichen Bedingungen betrifft die mangelnde Schadensvorsorge im übrigen den bzw. die über das Rechtsgut Verfügungsberechtigten wie den Täter in gleicher Weise. Auch insoweit besteht Übereinstimmung mit Kindhäuser, wie dessen scharfe und berechtigte Ablehnung solcher Reduktionsmodelle des § 306

22

aaO., S. 295. Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 162 angedeutet auch bereits ders., Gefährdung als Straftat, S. 295. 24 Vgl. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 43 ff.; Kuhlen, GA 1990, S. 479 f.; Frisch, in: Festschrift für Stree und Wessels, S. 69, 92 m. Fußn. 87; Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 123; Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 556 m. Fußn. 49. 25 Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 280. 26 Siehe auch Otto, in: Bausteine eines europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 447, 457. 27 Kiydhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 279. 23

II1

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Nr.2 a.F. (=§ 306 a Abs. 1 Nr.l), die an die Sorgfaltswidrigkeit der Vorgehensweise des Täters in Bezug auf das Rechtsgut anknüpfen, 28 zeigt. 29 Trotz mancher Übereinstimmung mit der Sichtweise Kindhäusers kann seiner Konzeption zur Bestimmung des Schutzzwecks der Brandstiftung an Wohngebäuden/Wohnräumlichkeiten nicht gefolgt werden. Die Skepsis betrifft die Deutung abstrakter Gefährdungsdelikte allgemein ebenso wie die speziell auf die Brandstiftung an Wohngebäuden bezogene Schutzzweckbestimmung. Die Schaffung eines den im Hintergrund geschützten (Individual)Rechtsgütern vorgelagerten Gutes wie der berechtigten Sorglosigkeit bei der Verfügung über Güter löst den eigentlichen Konflikt abstrakter Gefährdungdelikte, die bestrittene Legitimität der Bestrafung aus Tatbeständen solchen Typus bei ausgebliebener Rechtsgutsgefahr, nicht, sondern verlagert den Konflikt bestenfalls vollständig in die Rechtsgutslehre. 30 Die durch die Einführung des vorgelagerten Gutes bewirkte Kreation einer den sich selbst legitimierenden Verletzungsdelikten entsprechenden Selbstzwecknorm auf der Ebene der Verbotsnorm verschafft abstrakten Gefährdungsdelikten entgegen der Annahme von Kindhäuser 31 keinen „strukturellen Legitimationsvorsprung", weil der Frage nach Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit tatbestandmäßiger, aber rechtsgutsbezogen im Einzelfall ungefährlicher Verhaltensweisen auf der Ebene - in den Worten Kindhäusers - „tatbestandsüberschreitenden Begründung ihrer Schädlichkeit" 32 weiterhin nachzugehen ist. 33 Was also auf der Ebene der Bestimmung der tatbestandlichen Merkmale der Schädlichkeit einer Verhaltensweise durch die Deutung als Selbstzwecknormen an Legitimationsvorsprung gewonnen werden mag, geht im Rahmen der Rechtsgutslehre bei der Begründung der Schädlichkeit wieder verloren. Anders als (Rechtsgutsbezogen) Verletzungsdelikte weisen abstrakte Gefährdungsdelikte mit generell gefährlichen Tathandlungen eben nicht in jedem Fall tatbestandsmäßiger Handlungen eine Beeinträchtigung des wenigstens im Hintergrund geschützten Rechtsgutes auf. 34 Die eigentliche Le-

28 29 30

chen. 31

Dazu unten 2.Kap.A.III.l.b. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 296 f. sowie S. 256 ff. Das dürfte auch der eigenen Sichtweise von Kindhäuser, aaO., S. 274 entspre-

aaO. S.273. aaO. S. 273. 33 Siehe auch Otto, in: Bausteine eines europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 447, 457, der zutreffend aufzeigt, daß die Anerkennung abstrakter Gefährdungsdelikte nicht davon befreit, die Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit der durch diese verbotenen Verhaltensweisen nachzuweisen. 34 Ob die Möglichkeit einer im Einzelfall für das geschützte Rechtsgut ungefährlichen Verhaltensweise bereits die Aufgabenzuweisung Kindhäusers an abstrakte Gefährdungsdelikte, Sicherheit in Form von sorgeloser Verfügung über Güter zu gewährleisten, in Frage stellt, wie offenbar Frisch, in: Festschrift für Stree und Wessels, S. 69, 92 und Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 123 meinen, halte ich für zweifelhaft. Aber innerhalb der 32

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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gitimationsfrage wird daher durch die Einführung eines vorgelagerten Gutes „Sicherheit" nicht gelöst. In Bezug auf die Schutzweckbestimmung der Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten verstellt die Ablösung der Schutzrichtung von der Aufgabe des Rechtsgüterschutzes zugunsten der Schaffung eines vorgelagerten Gutes „Wohnen" den Blick auf die spezifische Tatbestandsstruktur generell gemeingefährlicher Delikte. § 306 a Abs. 1 Nr.l schützt nicht das Wohngebäude in seiner Funktion als Lebensmittelpunkt von Menschen als solches. Der Schutz der Wohnung erfolgt vielmehr, weil die Wohnung - generalisierend betrachtet - der zentrale Aufenthaltsort eines Menschen ist, an dem er und Personen, die in irgendeiner, im Vorhinein nicht bestimmbaren Beziehung zu dem Wohnnutzer stehen, sich zu Zeitpunkten aufhalten, die einer Festlegung - wiederum in generalisierender Sichtweise - nicht zugänglich sind. Die Wohnung ist der zentrale Ort menschlichen Lebens. An diesem Ort ist das menschliche Leben zugleich in besonderer Weise durch den Einsatz des Tatmittels Feuer gefährdet. Denn einerseits unterliegt die Ausgestaltung der Wohnnutzung auch in zeitlicher Hinsicht ausschließlich den individuellen Vorstellungen des jeweiligen Bewohners und schließt damit die Berechenbarkeit der Ausübung von Wohnnutzung für den Täter aus. Andererseits setzt der Täter bei der Brandstiftung ein Tatmittel ein, das bei Anwendung an Gebäuden jedenfalls ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle des Brandes weder für den Täter noch für präsumtive Opfer beherrschbar ist. Beide Momente kumuliert begründen die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung des § 306 a Abs. 1 Nr.l hinsichtlich der Rechtsgüter menschliches Lebens und - darauf wird noch einzugehen sein - menschliche Gesundheit. Einen deutlichen Beleg für die an der Relevanz des Tatobjekts für menschliches Leben und menschliche Gesundheit ausgerichtete Schutzrichtung der schweren Brandstiftung liefert auch der Vergleich der Tatbestandsstrukturen in § 306 a Abs. 1 Nr.l einerseits und Nr.3 andererseits. Während menschliches Leben in Wohnräumlichkeiten des gesonderten Schutzes gegen den Einsatz von Feuer als Tatmittel schon deshalb bedarf, weil Brandstiftung an Räumlichkeiten mit Wohnnutzung aus den genannten Gründen regelmäßig wegen der Unberechenbarkeit der Ausübung von Wohnnutzung generell gemeingefährliche Tathandlung ist, bedarf es bei den Räumlichkeiten im Sinne von § 306 a Abs. 1 Nr.3, die per se keinen Bezug zu den Rechtsgütern Leben und Gesundheit aufweisen, erst der im Gesetz verwendeten Tatzeitformel um einen solchen Rechtsgutsbezug herzustellen, der § 306 a Abs. 1 Nr.3 zu einem generell gemeingefährlichem Lebensgefährdungsdelikt werden läßt. Für die Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten gestattet bereits die Wohnnutzung selbst in Verbindung Normzwecktheorie (Rechtsgutslehre) muß Kindhäuser einen Grund für die Legitimität der Bestrafung von tatbestandsmäßigen Handlungen, die das im Hintergrund geschützte Rechtsgut nicht beeinträchtigt haben, angeben. Diese Begründung bleibt durch die Konstruktion der dem Rechtsgut vorgelagerten Sicherheit aber gerade ausgespart.

166

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

mit der durch das Inbrandsetzen erreichten Erheblichkeitsschwelle des Feuers, von genereller Lebensgefährlichkeit der Tathandlung zu sprechen. 35 Der Schutzzweck der Brandstiftung an Wohngebäuden ist daher nicht auf die sorgelose Verfügung über das Wohnen gerichtet, sondern das geschützte Rechtsgut, auf das sich auch Unrechts- und Schuldgehalt der Tat erstrecken, ist jedenfalls das menschliche Leben. Der berechtigte Kern der Schutzzweckbestimmung Kindhäusers besteht allerdings darin, daß das Abstellen auf den Schutzzweck „Wohnen" der Sache nach den doppelten Schutzzweck gemeingefährlicher Delikte gleichfalls erfaßt. § 306 a Abs. 1 Nr.l schützt das Rechtsgut Leben gerade nicht nur in seiner Funktion als dem einzelnen zugewiesenes Rechtsgut, sondern in Anbetracht der zentralen Bedeutung des Wohnens für die „Ausübung" von Leben innerhalb der Gemeinschaft überhaupt auch in seiner Funktion als Komponente des Gemeinschaftslebens. 2. Schutz „ überstaatlicher

Werte der Allgemeinheit"

Eine vielfach anzutreffende Beschreibung des Schutzzwecks der schweren Brandstiftung pflegt zu formulieren: Brandstiftung an Wohngebäuden/Wohnräumlichkeiten schütze Leib und Leben anderer Menschen vor den Gefahren des Feuers. Es handele sich aber nicht um eine Delikt gegen den Einzelnen, sondern um ein solches gegen die Allgemeinheit. 36 Entsprechend dem Charakter gemeingefährlicher Delikte, liege der „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit" der Brandstiftung nicht in der Schädigung individueller Rechtsgüter, sondern in ihrer Kollektivgefährlichkeit und „damit in der Gefährdung überstaatlicher Werte der Allgemeinheit". 37 Der in solchen Formulierungen enthaltene Gegensatz zwischen Schutz einzelner Rechtsgutsträger und Schutz der Allgemeinheit ist - bei aller Übereinstimmung über die Existenz eines Allgemeinheitsbezugs gemeingefährlicher 35

Entgegen Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 7 ließ sich für § 306 Nr.2 a.F. und läßt sich dementsprechend für § 306 a Abs. 1 Nr. 1 auch nicht von einer „sehr abstrakten Gefahr" sprechen. Wegen der mit der Wohnnutzung verbundenen Unberechenbarkeit des Aufenthaltes von Menschen in Wohngebäuden/Wohnräumlichkeiten und der unter bestimmten faktischen Bedingungen regelmäßigen Unbeherrschbarkeit des Tatmittels Feuer für Täter und Opfer ist ein erhebliches Maß an Konkretion der Gefährlichkeit der Tathandlung für das geschützte Rechtsgut Leben (und Gesundheit) erreicht, ohne daß allerdings berechtigterweise gesagt werden könnte, der Brandstiftung komme ein Handlungsunwert zu, der objektiv dem einer versuchten Tötung entspreche (so aber Kratzsch JR 1987, S. 160, 161 und ders., JuS 1994, S. 372, 379). 36 Geppert, Jura 1989, S. 417,418; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 205 f. 37 Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 211 f.; ähnlich Geerds, Brandstiftung, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 40 bezüglich gemeingefährlicher Delikte allgemein.

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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Delikte im Grundsätzlichen - nicht zutreffend. Und es wäre auch nicht richtig, wenn ein vorrangiger Schutz der begrifflich vagen „überstaatlichen Werte der Allgemeinheit" vor dem Schutz menschlichen Lebens behauptet werden sollte. Brandstiftung an Wohngebäuden enthält in zweierlei Weise einen Bezug zu „der Allgemeinheit". Angesichts der generell gemeingefährlichen Tathandlung sind regelmäßig die präsumtiven Opfer einer schweren Brandstiftung sowohl ihrer Anzahl wie ihrer Individualität nach unbestimmt. Wenn diese individuelle Unbestimmtheit der Träger des Rechtsgutes Leben mit der Formel „gegen die Allgemeinheit" gerichtet, gemeint sein sollte, ist in der Sache dagegen nichts zu erinnern. Sprachlich ist „die Allgemeinheit" nicht präzise, weil der Begriff verklärt, daß es nicht um den Bestand der Allgemeinheit selbst geht, sondern „nur" um den Schutz unbestimmter Mitglieder der Allgemeinheit in Bezug auf die Innehabung und Ausübung des jeweiligen tatbestandlichen Rechtsgutes. Der zweite Allgemeinheitsbezug der Brandstiftung an Wohngebäuden ergibt sich aus der doppelten Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte unter ihrem Gefährlichkeitsaspekt, dem Schutz individueller Rechtsgüter in ihrer Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens. Aus der individuellen wie zahlenmäßigen Unbestimmtheit der Opfer wie aus der gemeinschafisbezogenen zweiten Schutzrichtung erhellt, daß es keine rechtlich relevante Einwilligung in die Vornahme einer Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten geben kann. Selbst wenn es in einem Einzelfall möglich wäre, die an ihrem Leben gefährdeten Rechtsgutsträger zu bestimmen, wären sie über das geschützte Rechtsgut insgesamt nicht dispositionsbefugt, weil die Verfügungsbefügnis des Einzelnen auf sein Leben als Individualrechtsgut begrenzt ist. 38 Über menschliches Leben als Komponente des Gemeinschaftslebens kann ein Einzelner nicht disponieren. Wenn diese doppelte Schutzrichtung generell gemeingefährlicher Delikte mit der Formel „gegen die Allgemeinheit gerichtet" gemeint sein sollte, so ist auch dies trotz der begrifflichen Vagheit hinnehmbar. Nicht hinnehmbar ist aber die Behauptung eines vorrangigen auf die Allgemeinheit gerichteten Schutzzweckes der Brandstiftung. 39 Die Rangfolge besteht gerade in umgekehrter Reihung. 40

38

Erst recht gibt es für § 306 a Abs. 1 Nr.l keine die Tat rechtfertigende Einwilligung des Eigentümers des Wohngebäudes/der Wohnräumlichkeit. Der Angriff auf das Tatobjekt Wohnräumlichkeit vermittelt lediglich den Angriff auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit; das Eigentum an der Räumlichkeit selbst ist nicht geschütztes Rechtsgut, die Disposition über dieses Rechtsgut daher für § 306 a Abs. 1 Nr. 1 tatbestandlich irrelevant. 39 Die jedenfalls bei Bruch und Geerds (wie Fußn. 37) recht deutlichen Ausdruck gefunden hat. 40 Oben l.Kap.C.II.3.b.

168

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung" 3. Erweiterungen

und Begrenzungen

Die Festlegung des durch § 306 a Abs. 1 Nr.l geschützten Rechtsgutes auf menschliches Leben läßt Raum für Erweiterungen und Begrenzungen des Schutzzweckes. An Erweiterung denken Stimmen in der Literatur, bedeutende (fremde) Sachwerte in den Kreis der geschützten Rechtsgüter einzubeziehen.41 Eine solche Erweiterung ist nicht richtig. Soweit zum früheren Recht die Erstreckung auf bedeutende Sachwerte auf § 307 Nr.2 a.F. mit der Einbeziehung des Raubes als mittels Brandstiftung zu ermöglichender Tat gestützt wurde, 42 blieb unberücksichtigt, daß der erhöhte Unrechtsgehalt der Qualifikation aus der Begehung eines Raubes zu einem Zeitpunkt folgte, in dem das vom Täter ins Auge gefaßte Raubopfer wegen des vorhergehenden Brandes in seinen Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Folgetat typischerweise beeinträchtigt war. 43 Die Auswahl lediglich bestimmter schwerer gegen das Vermögen gerichteter Delikte in § 307 Nr.2 a.F. erklärte sich aus der gravierenden Strafdrohung und hatte im übrigen allein historische Gründe. 44 Gegen eine Ausdehnung des Schutzzwecks auf bedeutende Sachwerte spricht der systematische Vergleich mit § 306 Abs. 1. Die Beschränkung der in dieser Vorschrift aufgeführten Tatobjekte auf in fremden Eigentum stehende zeigt unabhängig von einer möglichen generellen Gemeingefährlichkeit in Bezug auf andere Rechtsgüter als das Eigentum am Tatobjekt - 4 5 unmißverständlich den vom Gesetzgeber primär intendierten Schutz an; Schutz des Eigentums am Brandobjekt. Das Eigentumsrecht an welchen Gegenständen sollte angesichts dessen von § 306 a Abs. 1 Nr.l geschützt werden? Um das an den Tatobjekten kann es sich kaum handeln. Deren Auswahl ist nicht nach ihrem wirtschaftlichen Wert - gerade um die Einbeziehung „bedeutender Sachwerte" ist es der Gegenansicht aber zu tun -, sondern anhand ihrer faktischen Nutzung als Behausung von Menschen erfolgt. Die tradierte Berücksichtigung von „Hütten" und die jüngst in §306 a Abs. 1 Nr.l vorgenommene Einbeziehung von „Räumlichkeiten" sprechen insoweit eine deutliche Sprache. 46 Bleibt der Schutz bedeutender Sachwerte außerhalb des Tatobjekts. Aspekte einer Übertragungs41

Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 162; Spöhr, MDR 1975, S. 193. Kindhäuser aaO. 43 Oben l.Kap.C.II.3.a.(7). 44 Dazu St. Cramer , Jura 1995, S. 347 ff.; vgl. auch Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 64 f. 45 Zur Gemeingeföhrlichkeit der Tathandlung bei § 306 Abs. 1 unten 4.Kap.B. 46 Die Einbeziehung der „Räumlichkeiten" geht auf eine Initiative des Bundesrates zurück. Die Ländervertretung hatte dabei menschliche Behausungen vor Augen, wie sie etwa von Obdachlosen benutzt werden und die in Größe und Festigkeit noch nicht einmal die in baulicher Hinsicht an eine Hütte erst recht aber nicht die an ein Gebäude zu stellenden Anforderungen erreichen; siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 68. 42

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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gefährlichkeit bzw. Übertragungseignung i.S.d. früheren § 308 Abs. 1 2.Alt (a.F.) sind in § 306 a Abs. 1 Nr.l jedoch ersichtlich nicht enthalten. Eine nicht lediglich extrem abstrakte Übertragungsgefährlichkeit auf fremdes Sacheigentum jenseits des Tatobjekts existiert generalisierend gesehen bei einigen Tatobjektsklassen des § 306 Abs. 1 (etwa Nrn.5 und 6) eher als bei § 306 a Abs. 1 Nr.l, so daß der hinsichtlich der Obergrenze gravierend erhöhte Sanktionsrahmen dieser StrafVorschrifi, wenn mittels seiner ebenfalls Eigentumsschutz angestrebt wäre, unverständlich bliebe. Bedeutende fremde Sachwerte sind daher über § 306 a Abs. 1 Nr.l nicht strafrechtlich geschützt. Eine Einschränkung der überwiegend auf Leben und Leib bezogenen Rechtsgutsbestimmung bedeutet im Gegensatz zum Vorstehenden die Ausklammerung des Gesundheitsschutzes.47 Naheliegend und überzeugend ist die Beschränkung des Schutzzweckes auf das Rechtsgut Leben nicht. Der Hinweis auf die Mindeststrafdrohung des § 306 a Abs. 1 von einem Jahr 48 verfängt nicht. Selbst der entweder als qualifizierte Sachbeschädigung49 oder als abstraktes Sachgefährdungsdelikt 50 oder als Kombination aus beidem zu verstehende § 306 Abs. 1 ohne direkten Bezug zu Leib oder Leben als Schutzgüter weist eine solche Mindeststrafe - berechtigt oder nicht - auf. 51 Nach der Betrachtung von Erweiterungen und Begrenzungen bleibt die Glättung der Kanten des Lebens- und Leibesschutz intendierenden Schutzzwecks. Ein solche Kantenglättung muß sich vor allem um eine Präzisierung der Schutzrichtung durch Beschreibung des generell geschützten Personenkreises bemühen,52 damit Vorgaben für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale gewonnen werden können. Ansätze zu einer Präzisierung finden sich in erheblichem Umfang in der Rechtsprechung zu den Brandstiftungsdelikten bisherigen Rechts. So hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen herausgestellt, daß § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) dem Schutz des Lebens der Bewohner dient, aber auch solcher Personen, die selbst nicht Bewohner sind,

47 Für eine Beschränkung des § 306 Nr.2 a.F. auf Lebensschutz Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 296. Ob der BGH, der in mehreren Entscheidungen (etwa BGHSt 26, 121, 123; BGHSt 34, 115, 118) lediglich den Lebensschutz anspricht, tatsächlich den Gesundheitsschutz aus dem Schutzzweck ausnehmen will, ist wenig wahrscheinlich. Andernfalls wäre zumindest eine Erwähnung der überwiegenden Gegenansicht zu erwarten gewesen. 48 Wolter aaO., S. 296 f. 49 Überwiegende Ansicht; siehe nur Cramer , in: Schönke/Schröder, § 308 Rdnr. 2. 50 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 378. 51 Wie hier Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 162. 52 Die Bestimmung scheint mir mehr zu sein als die von Bohnert, JuS 1984, S. 182, 185 re.Sp. behauptete „Spekulation" über das Rechtsgut, wenn die bereits gewonnenen Erkenntnisse über die spezifischen Strukturen des Brandstrafrechts Berücksichtigung finden.

170

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

das Gebäude aber deshalb aufsuchen, weil es anderen zur Wohnung dient (Besucher) oder sie aus anderen Gründen eine Beziehung zu dem Gebäude haben. 53 Diese Beziehungen seien nach Art und Zahl unübersehbar. Sie umfaßten gebetene Gäste in gleicher Weise wie ungebetene, die etwa als widerrechtlich eingedrungene Landstreicher oder Diebe die Wohnung als Unterschlupf gewählt hätten.54 Eine solche Skizzierung des von § 306 Nr.2 a.F.(§ 306 a Abs. 1 Nr.l) in seinen Rechtsgütern Leben und Gesundheit geschützten Personenkreises hat erhebliche Konsequenzen für die Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale der Brandstiftung an Wohngebäuden (Wohnräumlichkeiten). Wer bereit ist, widerrechtliche und damit häufig lediglich kurzzeitige Nutzer auf der Ebene der Rechtsgutsbestimmung in den Schutzzweck einzubeziehen, dem fällt es leicht, sich für das Tatbestandsmerkmal „zur Wohnung von Menschen dient" mit einer kurzzeitigen Wohnnutzung des Gebäudes zu bescheiden und die Strafbarkeit des Inbrandsetzens von Wohngebäuden/Wohnräumlichkeiten auch auf Abwesenheitszeiten der Wohnnutzer zu erstrecken. 55 Die Skizze des Bundesgerichtshofes über den von einer Brandstiftung nach 306 Nr.2 a.F. möglicherweise betroffenen Kreis von Trägern der geschützten Rechtsgüter Leben und Leib berücksichtigte zu Recht die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung des Inbrandsetzens von Wohngebäuden. Das Spezifikum der Tat besteht hinsichtlich präsumtiver Opfer in deren zum Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung typischerweise ausgeschlossenen Bestimmbarkeit nach Individualität und Zahl. Das Gericht hat richtigerweise auf die unabsehbaren Gründe für den Aufenthalt von Menschen in dem Wohngebäude abgestellt. Weil die Wohnung der Lebensmittelpunkt ihrer Bewohner ist, zieht dieser Lebensmittelpunkt zeitlich begrenzt und generell in den Einzelheiten nicht vorhersehbar eine Vielzahl weiterer Menschen an, die - ohne selbst Bewohner des Objekts zu sein sich aber wegen der Bewohner oder des Wohnobjekts als solchem für eine Zeit in diesem aufhalten. Diese Vielschichtigkeit des möglichen Aufenthaltes in Wohnungen nach Art und zeitlichem Umfang bringen die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung exakt zum Ausdruck. Um die Aufzählung Bohnerts zu Beginn dieses Teils aufzunehmen: 56 Der Kreis der geschützten Rechtsgutsträger läßt sich nicht auf Bewohner beschränken, sondern er erstreckt sich auf alle zum Zeitpunkt der Tathandlung innerhalb des jeweiligen Tatobjekts befindlichen Menschen.

53

BGHSt 26, 121, 123; BGHSt 35, 115, 118; ebenso Geppert, Jura 1989, S.417, 418; Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 3. 54 BGHSt 26, 121, 123. 55 Siehe zum Streitstand nach altem Recht überblicksartig Cramer, in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 7. 56 Oben Text nach Fußn. 15.

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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Mit dem so beschriebenen Personenkreis hat es allerdings nach der Konzeption des reformierten Brandstrafrechts nicht sein Bewenden. Durch die Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten können auch Personen geschützt werden, die zum Zeitpunkt der Tathandlung nicht in dem Gebäude anwesend sind, die aber im Verlaufe des Brandgeschehens bis zu dessen vollständigem Abschluß mit dem Brand in Kontakt geraten. D.h. auch um derjenigen Personen willen, die als Retter, gleich ob als berufsmäßige (Feuerwehr etc.) oder als spontane, in den Gefahrenbereich des an dem Tatobjekt bewirkten Brandes geraten, könnte § 306 a Abs. 1 Nr.l als gemeingefährliches abstraktes Lebens- und Leibesgefährdungsdelikt statuiert sein. Die Erstreckung des Schutzzweckes selbst auf Menschen außerhalb des den Rechtsgutsangriff vermittelnden Tatobjekts ist zwar an sich keine notwendige, aber immerhin eine doch recht naheliegende Konsequenz der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung. Die Unbeherrschbarkeit des Tatmittels ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle kann sich auch gerade dahingehend auswirken, daß Personen, die um der Rettung möglicher in dem inbrandgesetzten Wohngebäude verbliebener Menschen willen oder zur Bergung von Sachwerten oder zum Löschen, dieses betreten und dadurch in den Wirkbereich der Tathandlung geraten. Dabei ist es mehr als Spekulation, anzunehmen, die Bereitschaft von Rettern, sich in für sie selbst gefährliche Brandsituationen zu begeben, sei bei dem Brand von Wohnhäusern wenigstens solange, wie mit der Möglichkeit der Anwesenheit von Menschen im Brandobjekt gerechnet wird, größer als bei Bränden von Gebäuden, die nicht Wohnzwecken dienen. Auf der Ebene allgemeiner objektiver Erfolgszurechnung hat der Bundesgerichtshof kürzlich die Sinnhaftigkeit und das Maß des vom Retter eingegangenen Wagnisses zum Kriterium für eine - die Zurechnung zum Täter ausschließende - Selbstgefährdung des später zum Opfer gewordenen Retters erhoben und damit den Wert der zu rettenden Güter mit normativem Gehalt versehen. 57 Unabhängig von der Richtigkeit der Bewertung der durch den Täter einer Brandstiftung veranlaßten Selbstgefährdung des Retters (Opfer) seitens des Bundesgerichtshofes 58 zeigen die Überlegungen des Urteils, daß ein Zusammenhang zwischen dem Wert des zu rettenden Gutes und der Intensität der Rettungsbemühungen der Alltagserfahrung durchaus entspricht. Auf die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung der Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l gewendet, spricht dieser Umstand für eine Erweiterung des Schutzzwecks auf Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Tat außerhalb des betroffe-

57 BGHSt 39, 322 ff. Ob die Überlegungen des BGH zur obj. Zurechnung des späteren Todes des Retters überzeugen, mag an dieser Stelle dahinstehen; vgl. zu der genannten Entscheidung die Anm. und Bespr. von Alwart, NStZ 1994, S. 84; Amelung, NStZ 1994, S. 338; Sowada, JZ 1994, S. 663; Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S,775; Klaus Günther, StV 1995, S. 78. 58 Berechtigte Kritik an Ergebnis und Begründung des BGH-Urteils bei Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775, 776 ff.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

nen Wohngebäudes aufhalten. Darüber hinaus ist es ein Phänomen der Unbeherrschbarkeit, daß durch die Einwirkung des Feuers das Tatobjekt zerstört oder so stark beschädigt werden kann, daß Gebäudeteile herausbrechen, abstürzen etc. und bisher von dem Brand nicht durch Anwesenheit im Gebäude betroffene Personen (konkret) gefährden oder gar verletzen. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Erstreckung des geschützten Personenkreises auf Menschen außerhalb des Tatobjekts ergibt sich aus der Gestaltung der Erfolgs- und Gefahrerfolgsqualifikationen (§§ 306 b Abs. 1, 306 b Abs. 2 N r . l , 306 c) des geltenden Brandstrafrechts. Gestattete § 307 Nr.l a.F. aufgrund der Tatzeit- und Tatortkonkretion bezüglich des getöteten Brandopfers einen beinahe zwingenden Schluß gegen die Einbeziehung von zum maßgeblichen Zeitpunkt außerhalb des Tatobjekts sich aufhaltenden Personen, deuten die in der Reform neugestalteten Vorschriften in die entgegengesetzte Richtung. Sämtliche genannten Erfolgs- und Gefahrerfolgsqualifikationen enthalten tatbestandlich keine Beschränkung des Kreises der Rechtsgüter/Rechtsgutsträger, bei denen sich der jeweilige Verletzungs(§§ 306 b Abs. 1, 306 c) bzw. konkrete Gefahrerfolg (§ 306 b Abs. 2 N r . l ) realisiert. Die sachgerechte, weil den Bezug zur generellen Gemeingefährlichkeit des Grunddelikts (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) wahrende bis kurz vor Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens in § 3 0 6 b Abs. 2 Nr.l (in der Fassung des RegE) enthaltene Restriktion auf die Herbeiführung konkreter Todesgefahr eines sich zum Zeitpunkt der Tat im Objekt befindlichen Menschen59 ist auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages gestrichen worden. 60 Der Wegfall der Tatort-/Tatzeitkonkretion in § 306 b Abs. 2 Nr.l ist zwar durch die Intention des Rechtsausschusses motiviert, die Fälle des § 306 a Abs. 2 (Tatbegehung an Objekten gem. § 306 Abs. 1 + konkrete Gefahr der Gesundheitsschädigung) in die besonders schwere Brandstiftung einzubeziehen,61 steht daher nicht im Zusammenhang mit der hier untersuchten Fragestellung, die im Gesetzgebungsverfahren gar nicht reflektiert worden ist. Dessen ungeachtet legt die Konzeption der Erfolgs- und Gefahrerfolgsqualifikationen im geltenden Brandstrafrecht aber wegen des nicht eingegrenzten Opferkreises nahe, die Rechtsgüter Leben und Gesundheit unabhängig vom Aufenthalt des Rechtsgutsträgers innerhalb des Tatobjekts in den Schutzbereich des § 306 a Abs. 1 Nr.l einzubeziehen.Und nicht zuletzt könnte die (abstrakte) Möglichkeit der Übertragung des Brandes auf andere (Wohn)Gebäude einen Anhaltspunkt für die Ausdehnung des Schutzzwecks des § 306 a Abs. 1 Nr.l auch auf menschliches Leben und menschliche Gesundheit außerhalb des Tatobjekts bieten.

59 Siehe BT-Drucks 13/8587 S. 87 zu § 306 b Abs. 2 Nr.l in der Fassung der Gegenäußerung der Bundesregierung. 60 Bericht des Rechtsausschusses auf BT-Drucks. 13/9064 S. 22. 61 BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp. unten/re. Sp. oben.

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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Die Versuchung einer solchen Ausweitung des Schutzzweckes liegt auf der Grundlage des hier vertretenen Ansatzes und der Gesamtkonzeption des reformierten Brandstrafrechts nahe. Im Ergebnis muß ihr nachgegeben werden, obwohl gewichtige Gründe gegen eine Einbeziehung von Rechtsgutsträgern außerhalb des Tatobjektes sprechen. Leben und Gesundheit von Personen außerhalb des Tatobjektes in den Kreis der von schwerer Brandstiftung an Wohngebäuden geschützten Rechtsgutsträger einzubeziehen, wird den Tatbestandsstrukturen der Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l nicht vollauf gerecht. Zwar belegen die vorstehend gezeichneten denkbaren Abläufe, daß das Anzünden von Wohnhäusern auch zu Rechtsgutsbeeinträchtigungen außerhalb des Tatobjekts führen kann. Die beschriebenen Fallgestaltungen sind in praktischer Hinsicht auch nicht zu vernachlässigen. Nur nahm die Tatbestandsstruktur der schweren Brandstiftung an Wohngebäuden in Gestalt des bisherigen Rechts auf gebäudeexternen Rechtsgutsbeeinträchtigungen keinerlei Bezug. Der besondere Wert der verwendeten Gesetzestechnik der Koppelung der Tathandlung des Inbrandsetzens an einen numerus clausus von Tatobjekten besteht gerade darin, über die Auswahl der Tatobjekt den Schutzzweck des jeweiligen Brandtatbestandes zu definieren. § 306 a Abs. 1 Nr.l richtet sich im Grundsatz nach der überragenden Relevanz des Tatobjekts Wohnräumlichkeit für die Ausübung und Wahrnehmung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit der sich in dem Gebäude aufhaltenden Rechtsgutsträger aus. Um ihrer willen bedarf es eines spezifischen und eigenständigen Schutzes vor Rechtsgutsbeeinträchtigungen an Leib und Leben an dem zentralen Ort der Gestaltung von Leben, der Wohnung. Diese spezifische allein auf den zwingend über das Tatobjekt vermittelten Rechtsgutsangriff (Inbrandsetzen) bezogene Schutzrichtung hat das reformierte Brandstrafrecht jedoch partiell aufgegeben. Das folgt nicht nur aus der angesprochenen Umgestaltung der Erfolgs- und Gefahrerfolgsqualifikationen, sondern vor allem auch aus der Ergänzung der Tathandlungen um die Brandlegung. Mit der Brandlegung stellt das Gesetz nicht zwingend auf eine für das geschützte Rechtsgut erhebliche Ausdehnung des Brandes des Tatobjekts ab. Vielmehr ist auch die von der Tatobjektswirkung unabhängige unmittelbare Rechtsgutbezogene Gefährlichkeit der Brandlegungshandlung selbst erfaßt (unten H.2.C.). Anders als bei dem Inbrandsetzen ist die mit „Zerstörung" beschriebene Tatobjektswirkung des Brandes nicht notwendig die Quelle der generellen Gefährlichkeit. Vor diesem Hintergrund und angesichts der neuen Konzeption der Erfolgs· und Gefahrerfolgsqualifikationen kann an der zum bisherigen Recht vorzugswürdigen Beschränkung des Kreises begünstigter Rechtsgutsträger auf Personen intra objectum nicht festgehalten werden.

II. Tatobjekte und Tathandlungen Die Verbindung der Tathandlungen des Inbrandsetzens bzw. des (partiellen) Zerstörens durch Brandlegung mit dem ausgewähltem engen Kreis tauglicher

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Tatobjekte konstituiert die spezifische generelle Gemeingefährlichkeit der Brandstiftung an dem Wohnen dienenden Räumlichkeiten. Der Bestimmung dessen, was als Räumlichkeit und diese exemplifizierend Gebäude, Schiff oder Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, zu verstehen ist, kommt daher wesentliche Bedeutung für das Verständnis des § 306 a Abs. 1 Nr.l zu. Der scheinbar einfach konstruierte Tatbestand verleitet zu der Annahme, seine Interpretation bereite kaum Schwierigkeiten. Das Gegenteil ist der Fall. Schon das methodische Vorgehen zur Lösung bekannter Problemfälle des Verständnisses von § 306 Nr.2 a.F., die angesichts der unveränderten Struktur in den neuen § 306 a Abs. 1 Nr.l transferiert sind, wie etwa die sog „Entwidmung" oder das Inbrandsetzen sog. „gemischt genutzter Gebäude" war umstritten. Während solcherlei Fragen methodisch teils der schlichten Auslegung zugeschlagen wurden, 62 verorteten sie andere bei der teleologischen Reduktion. 63 Methodisch handelt es sich bei den angesprochenen Konstellationen um Auslegung und nicht bereits um Rechtsfortbildung im Wege teleologischer Reduktion. Ob und unter welchen Voraussetzungen bei dem Inbrandsetzen/Zerstören einer verschiedenen Zwecken gewidmeten Räumlichkeit durch Brandlegung von der Vornahme der Tathandlung an einem Objekt, welches Menschen zur Wohnung dient, gesprochen werden kann, bedarf zunächst der Klärung anhand des insoweit keineswegs eindeutigen Wortlautes. 64 1. Taugliche Tatobjekte Zurückgehend auf eine Anregung des Bundesrates 65 hat der Kreis der tauglichen Tatobjekte der Brandstiftung an Wohnobjekten im Vergleich zu § 306 Nr.2 a.F. eine gravierende Veränderung erfahren. Die Menschen zu Wohnzwecken dienende „Räumlichkeit" ist als Zentralbegriff in den numerus clausus der Tatobjekte des § 306 a Abs. 1 Nr.l eingefügt; die gesetzeshistorisch überkommenen Objekte Gebäude, Schiffe und Hütten (mit entsprechender Wohn-

62 Cramer , in: Schönke/Schröder, §306 Rdnrn. 3 und 11; Wolff, in: LK, §306 Rdnr. 9. 63 Schneider, Jura 1988, S. 460, 464, Fußn.37; Geppert, Jura 1989, S. 417, 425 f. 64 Schneider, (wie Fußn. 63), hat Recht, daß ein Gebäude „unabhängig von seinen Funktionen in Brand gesetzt ist", sofern Gebäudebestandteile selbständig vom Feuer ergriffen sind. Aber § 306 Nr.2 a.F. verlangte eben das Inbrandsetzen eines - verkürzt formuliert - ffo/wgebäudes. Der Inhalt dieses Begriffes war unabhängig von teleologischen Reduktionen zu klären. Ob bei dieser Klärung im Rahmen der Wortlautgrenze für ein weites oder enges Verständnis votiert wird, hängt von der Rechtsgutsbestimmung ab. 65 Siehe die Stellungnahme des Bundesrates zu dem (ursprünglichen) RegE des 6. StrRG auf BT-Drucks. 13/8587 S. 68 re.Sp.

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nutzung) sind zu Beispielen einer „Räumlichkeit" herabgestuft. 66 Die Übernahme der aus § 306 Nr.3 a.F. (= § 306 a Abs. 1 Nr.3) stammenden „Räumlichkeit" als Tatobjekt ist mit im alten Recht bestehenden und im neuen Recht drohenden Strafbarkeitslücken begründet worden. Einerseits erhob der Bundesrat im Hinblick auf die vermeintlich unzulängliche Reichweite des Gebäudebegriffs, unter den etwa „Wohn- oder Künstlerwagen, Lastkraftwagen mit Schlafkoje und auch...Flugzeuge oder Eisenbahnwagen" nicht zu subsumieren seien, Bedenken. 67 Andererseits richtete sich die Kritik des Bundesrates gegen die von der Bundesregierung zunächst vorgesehene Streichung der „Hütte" aus dem Kreis der Brandobjekte, 68 der die Länderkammer brandstrafrechtliche Relevanz vor allem als Wohn- und Schlafstätte von Obdachlosen zusprach. 69 Die Wendung von der Räumlichkeit soll die angebliche Lückenhaftigkeit des früheren Rechts vermeiden. Die derart motivierte Entscheidung des Gesetzgebers, die „Räumlichkeit" zum zentralen Tatobjekt der gegen menschliche Behausungen gerichteten Brandstiftung zu erheben, läßt sich lediglich vor dem Hintergrund einer nicht ausreichenden Durchdringung der Schutztechnik gemeingefährlicher Delikte erklären und eröffnet Auslegungsschwierigkeiten, die sich nicht vollständig über ein sachgerechtes Verständnis der die Tatobjektsqualität konstituierenden Wohnnutzung lösen lassen. Das mit unzureichender Durchdringung der Spezifika der Gemeingefährlichkeit Gemeinte ist anhand der vom Bundesrat zur Illustrierung seiner Forderung nach Ausweitung des Kreises tauglicher Brandobjekte gebildeten Beispiele geradezu mit Händen zu greifen. Dabei geht es weniger um das dortige Insistieren auf einem absoluten Strafrechtsschutz für manche den Merkmalen Gebäude oder Hütte nicht zugehörige Wohn- und Schlafstätten von Obdachlosen. Hier mag es in praktischer Hinsicht ein gewisses Bedürfnis für einen uneingeschränkten Strafrechtsschutz gegen Angriffe mittels Feuer geben, 70 obwohl nicht zu übersehen ist, daß ein besonderes Schutzbedürfiiis in diesen Konstellationen weniger aus der generellen Gemeingefährlichkeit des Anzündens von Wohnraum (unübersehbares und unvorhersehbares Beziehungsgeflecht zwischen Wohnnutzern, Kontaktpersonen und Tatobjekt) 71 resultiert, als vielmehr aus einer erhöhten Anfälligkeit des betroffenen Personenkreises gegen Rechtsgutsangriffe jeglicher Art, die ihre Ursache gerade in dem Fehlen der schützenden eigenen vier Wände hat. Geradezu absurd ist die Bei66

Gegenäußerung der Bunderegierung, die die Anregung des Bundesrates (siehe Fußn. zuvor) aufgegriffen hat, BT-Drucks. 13/8587 S. 88. 67 BT-Drucks. 13/8587 S. 68! 68 BT-Drucks. 13/8587 S. 11; ausdrückliche Ausführungen zum Grund des Verzichts auf die „Hütte" enthält die Begründung des ursprünglichen RegE nicht. 69 BT-Drucks. 13/8587 S. 68 re.Sp. unter Buchstabe a. 70 Siehe etwa die Fallschilderung in SZ Nr. 251 vom 29. Oktober 1993, S. 28. 71 Oben 2.Kap.A.I.l.

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spielsbildung in der Stellungnahme der Länderkammer, wenn die vermeintliche Lückenhaftigkeit des früheren Rechts im Hinblick auf „Lkw mit Schlafkoje, Flugzeuge und Eisenbahnwagen" beklagt wird. 7 2 Derartige Beispiele gehen an der Schutztechnik generell gemeingefährlicher Delikte völlig vorbei. Nicht jeder Ort, an dem Menschen sich aufhalten können, bedarf im Hinblick auf die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung des Inbrandsetzens/der Brandlegung des uneingeschränkten Strafrechtsschutzes durch § 306 a Abs. 1 Nr.l, sondern allein solche, an denen wegen der Nutzung als Wohnung das angesprochene charakteristische Beziehungsgeflecht zwischen Nutzern und Tatobjekt typischerweise besteht.73 Davon kann hinsichtlich der genannten Beispiele, die vornehmlich durch einen temporären und der Begründung eines Lebensmittelpunktes nicht dienenden Aufenthalt bestimmt sind, nicht die Rede sein. Die Kritik der Erwägungen des Bundesrates zur Neugestaltung des numerus clausus der Brandobjekte des § 306 a Abs. 1 Nr.l, die letztlich in das geltende Recht Eingang gefunden haben, leitet über zu den angedeuteten Auslegungsschwierigkeiten des neuen Rechts. Solche Schwierigkeiten mit dem Terminus „Räumlichkeit" sind bereits zu § 306 Nr.3 a.F. offenbar geworden. Vornehmlich beziehen sie sich darauf, daß der Begriff der „Räumlichkeit" Überlegungen zuläßt, die Anforderungen an die Größe eines solchen Tatobjekts auf ein niedriges Niveau abzusenken. Die Stichworte der Diskussion um die Räumlichkeit i.S.v. § 306 Nr.3 a.F. sind die streitige Objektseigenschaft von Kraftfahrzeugen und Telefonzellen. 74 Versteht man entsprechend allgemeiner Auffassung Räumlichkeiten als allseits abgeschlossene Räume,75 sind selbst Telefonzellen und Pkw zugehörig, die jedoch über die Formel von der Wohnnutzung als Tatobjekte gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l ausscheiden. Erst diese Zweckbestimmung, Menschen als Wohnung zu dienen, verleiht, weil der (nicht unbedingt intentional) gegen die Rechtsgüter Leben und Leib gerichtete Rechtsgutsangriff über die Tatobjekte vermittelt wird, den Brandobjekten ihre spezifische Schutzaufgabe.76 Der Zweckbestimmung kommt daher maßgeblicher Einfluß auf die Auslegung der Begrifflichkeiten der Tatobjekte zu. Aber auch dieses Korrektiv schließt das mit dem Merkmal „Räumlichkeit" verbundene, jedoch mit der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung nur bedingt kompatible Absen-

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Oben Text bei Fußn. 67 mit Nachw. in Fußn. 67. Oben 2.Kap.A.I.l. 74 Jeweils ablehnend BGHSt 10, 208, 213 ff.; BGH bei Holtz, MDR 1977, S. 638; anders fìir Telefonzellen OLG Düsseldorf, MDR 1979, S. 1042; anders für Pkw, wenn in ein Dauerquartier verwandelt OLG Stuttgart, Die Justiz, 1976, S. 519, wie die letztgenannten Entscheidungen auch Spöhr, MDR 1975. S. 193 f.; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 8. 75 Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 8; Wolff in: LK, § 306 Rdnr. 11; Geppert, Jura 1989, S. 417, 421. 76 Vgl. insoweit auch Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363. 73

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ken der Anforderungen an die Größe des Tatobjekts nicht vollständig aus. Das Inbrandsetzen bzw. Zerstören durch Brandlegung von lediglich auf einen sehr engen Raum begrenzten Räumlichkeiten läßt sich noch nicht einmal bei einem sehr hohen Grad an Generalisierung als gemeingefährliche Tathandlung verstehen. Anders als bei Wohngebäuden i.S.v. §306 a Abs. 1 Nr.l, die in einem konkreten Fall so klein sein mögen, daß konkret eine Gefährlichkeit für eine unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger nicht zu gewärtigen ist, sind Pkw u.ä. bereits als Tatobjektsklasse, nicht lediglich in einem Einzelfall, von so geringer räumlicher Ausdehnung, daß die Tathandlung bezogen auf eine solche Tatobjektsklasse nicht (generell) gemeingefährlich ist, weil eine mögliche Gefährdung unbestimmt vieler Rechtsgutsträger ganz unwahrscheinlich ist. Senkt man die Anforderungen an die zum zeitweiligen Aufenthalt von Menschen dienenden Räumlichkeiten zu sehr bezüglich ihrer räumlichen Ausdehnung ab, geht zudem die Notwendigkeit der Normierung der Tat als abstraktes Gefährdungsdelikt weitgehend verloren. BGHSt 26, 121 ff. hatte durchaus einen plausiblen Ausgangspunkt gewählt, indem mögliche teleologische Reduktionen des § 306 Nr.2 a.F. (= § 306 a Abs. 1 N r . l ) auf besonders kleine Tatobjekte beschränkt werden sollten. Trotz aller Kritik (auch) an den Reduktionsüberlegungen des Bundesgerichtshofes in der vorgenannten Entscheidung und trotz des Insistierens auf der Existenz eines nicht ausschließbaren Irrtumsrisikos 77 ist nicht zu übersehen, daß die Wahrscheinlichkeit einer (nicht intendierten) Rechtsgutsverletzung bei räumlich kleineren Tatobjekten sinkt. Weil kleinere Tatobjekte tendenziell besser überschaubar sind und daher typischerweise die Abwesenheit wie aber auch die Anwesenheit von Rechtsgutsträger besser beurteilt werden kann, sinkt das Bedürfnis für die Wahl der Deliktsform abstraktes Gefährdungsdelikt. Auf der einen Seite ist wegen der regelmäßig besseren Überschaubarkeit die rechtsgutsbezogene Gefährlichkeit der Tathandlung geringer, wenn der Brandstifter die Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen anstrebt. Andererseits liegt wegen der regelmäßig besseren Überschaubarkeit der Anwesenheit von Menschen die vorsätzliche Begehung von konkreten Gefährdungsdelikten oder Verletzungsdelikten mit § 306 a Abs. 1 Nr.l entsprechender Schutzrichtung (§§ 212 ff., 223 ff.) nahe. Das mindert die Notwendigkeit der Vorschaltung eines generellen Gefährdungsdelikts. Im Ergebnis können daher allein solche „allseits abgeschlossenen Räume" 78 als Räumlichkeit in Betracht kommen, die unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des jeweiligen Raumes einem Menschen, die Möglichkeit eröffnen, dort seinen wenigstens zeitweiligen Lebensmittelpunkt zu bilden. Dafür ist ein gewisses Maß an räumlicher Ausdehnung des Objekts notwendig, das über über die Ausübbarkeit jeweils nur einer Bewegungsart (z.B. lediglich liegen)

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Unten 2.Kap.A.III.2. Fußn. 75.

Radtke

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hinausgeht. Einschlägig sind mithin etwa Wohnwagen, gleich ob von Schaustellern oder Campern benutzt. In Bezug auf letztgenannte Nutzer ergeben sich Einschränkungen der Tatobjektsqualität erst über die Wohnnutzung.79 Auch wenn die übrigen Tatobjekte lediglich als Beispiele der Räumlichkeit im Gesetz aufgeführt werden, kann auf eine Begriffsbestimmung nicht verzichtet werden. Gebäude ist nach allgemeiner Auffassung, ein Bauwerk, welches durch Mauern bzw. Wände räumlich begrenzt, wenigstens durch sein eigenes Gewicht mit dem Erdboden fest verbunden ist, und das von Menschen betreten werden kann. 80 Die Anforderungen an die drei Elemente der Definition sind niedrig angesiedelt. Ein intaktes Bauwerk mit vollständig erhaltenen Mauern und Wänden als Begrenzung wird nicht gefordert. Ein Rohbau ohne Fenster und Türen soll ebenso genügen81 wie ein bereits teilweise beschädigtes Gebäude.82 Bei einem derart weiten Begriffsverständnis ergeben sich Einschränkungen der Objektsqualität erst aus dem Erfordernis der Wohnnutzung. Der angesprochene Rohbau wird zum tauglichen Tatobjekt lediglich bei vorhandener Zweckbestimmung als Wohnung. Auf die an eine solche Zweckbestimmung zu stellenden Anforderungen wird noch zurückzukommen sein. Begrenzungen aus der Definition des Gebäudes selbst sind lediglich in Extremfällen zu gewinnen. Ein beschädigtes „Gebäude" verliert seine Gebäudeeigenschaft jedenfalls dann, wenn es wegen der Beschädigungsgrades faktisch nicht mehr betreten werden kann. 83 Begnügt man sich für das Vorhandensein eines Gebäudes entprechend dem eben Gesagten mit geringen Anforderungen wird der Definitionsrahmen für die Hütte eng. Hütten sollen in einer mittlerweile etwas altertümlich klingenden Formulierung des Reichsgerichtes ein „selbständiges, unbewegliches Ganzes bilden, das eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und zum Schutz gegen äußere Einwirkungen in einer dem jeweiligen Zwecke genügenden Dauerhaftigkeit und Festigkeit, sei es durch Wand oder Dach oder sonst ausreichend abgeschlossen ist." 8 4 Überschneidungen mit der Definition der Gebäude sind unverkennbar. Die räumliche Begrenzung zählt ebenso zum Begriffsmerkmal beider wie die - in weiteren Entscheidungen des Reichsgerichts 79

Dazu unten 2.Kap.A.II.l.a. Wessels, BT 1, Rdnr. 929; Bruck, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 29; Geppert, Jura 1989, S. 417, 419 jeweils m.w.N. 81 BGHSt 6, 107; zustimmend Geppert, Jura 1989, S. 417, 419. 82 OGH, JR 1950, S. 404. 83 Unklar und mit der Definition nicht in Einklang, ist es daher, wenn BGH bei Holtz MDR 1977, S. 807, 810 bei einer Ruine darauf abstellt, daß diese nicht mehr „instandsetzungsfähig, wertlos (?) und einsturzgefährdert" ist. Bestenfalls die Einsturzgefahr mag ein - freilich schwaches - Anzeichen für den Ausschluß des Betretenwerdens durch Menschen sein. Wert und Instandsetzungsfähigkeit sind für die Gebäudeeigenschaft tatbestandlich irrelevant. 84 RGSt 17, 179, 184; Nachw. zur Kasuistik von Hütten bei Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 7. 80

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verlangte - 8 5 mehr oder wenig feste Verbindung mit dem Erdboden. Sucht man nach einem übergreifenden Unterscheidungsmerkmal beider Tatobjektsarten, drängt sich die größere Flüchtigkeit der Bauweise der Hütten im Vergleich zu Gebäuden auf. Hütten sind regelmäßig weniger groß, weniger stabil sowohl im Hinblick auf die verwendeten Baumaterialien als auch in ihrer Verbindung untereinander und sind typischerweise weniger dauerhaft genutzt, als dies bei Gebäuden der Fall zu sein pflegt. Die Abgrenzung ist nicht trennscharf. Das ist aber auch gar nicht notwendig. Der - bildlich gesprochen - obere Grenzbereich der Hütte, der solche erfassen soll, die sich hinsichtlich der genannten Merkmale bereits an dem Übergang zu einem Gebäude bewegen, bereitet keine Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung, weil mindestens eine Hütte vorliegt und der nahe Aufstieg zum Gebäude an der Tatbestandsmäßigkeit nichts ändert. Problematisch ist die Abgrenzung nach unten. Welche Dauerhaftigkeit und Festigkeit des „selbständigen, unbeweglichen86 Ganzen" und welche Mindestgröße ist erforderlich, um ein Raumgebilde als Hütte bezeichnen zu können? Ein Mindestmaß an Größe läßt sich aus der Zweckbestimmung der Hütte ableiten. Was nicht wenigstens durch Menschen betreten werden kann, kommt als Hütte im Sinne von § 306 a Abs. 1 Nr.l nicht in Betracht. Und wegen der Zweckbestimmung muß das Gebilde die Möglichkeit bieten, dort seinen mindestens vorübergehenden Lebensmittelpunkt zu begründen. D.h. die Hütte muß zulassen, daß ein Nutzer in ihr schlafen kann. Die so formulierten Minimalanforderungen an das Vorhandensein einer Hütte zeigen ihre Problematik als Tatobjekt im Hinblick auf die Gemeingefährlichkeit der Tathandlung. Hütten sind entsprechend dem zur Abgrenzung von den Gebäuden Gesagten kleine Raumgebilde, die selbst typischerweise nur wenigen Menschen (pro Tatobjekt) als Wohnung dienen. Generalisierend ist es daher kaum berechtigt, von Gefährlichkeit der Tathandlung für eine unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger zu sprechen. Mit der typischen geringen Zahl von Wohnnutzern vermindert sich auch die Anzahl der bei Wohngebäuden regelmäßig unberechenbaren Beziehungen anderer Rechtsgutsträger als der Wohnnutzer selbst zu dem Tatobjekt. 87 Selbstverständlich gibt es auch Wohngebäude, die in concreto lediglich von einer Person bewohnt werden. Das nimmt dem Inbrandsetzen von Wohngebäuden aber nicht den Charakter einer generell gemeingefährlichen Tathandlung. Denn generalisierend gesehen existiert eine Vielzahl von Wohnobjekten mit zahlreichen Wohnnutzer, bei denen sich die Zahl weite85

RGSt 73, 204. Die Formulierung vom „unbeweglichen" ist recht unpräzise. Darauf, daß die Hütte überhaupt nicht fortbewegt werden kann, kann es nicht ankommen. Mit entsprechendem technischen Aufwand sind in einem naturwissenschaftlich technischen Sinne auch Gebäude fortzubewegen. Gemeint ist mit der Formulierung vom unbeweglichen Ganzen eher das Erfordernis einer hinreichend (Eigengewicht) festen Verbindung mit dem Erdboden. 87 Oben 2.Kap.A.I.3. 86

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

rer Nutzer (Besucher etc.) entsprechend vergrößert. Für die Hütten ist im Gegensatz dazu Wohnutzung durch wenige oder gar Einzelne der Regelfall. Wenig Schwierigkeiten bereitet die Auslegung des Tatobjekts Schiff in § 306 a Abs. 1 Nr.l. Schiffe sind sämtliche Wasserfahrzeuge. Ihre Größe ist nach soweit ersichtlich allgemeiner Ansicht irrelevant. 88 Außer der Tautologie von Schiff und Wasserfahrzeug existiert keine eigenständige Begriffsbestimmung des Tatobjekts Schiff. Seine Tatobjektseigenschaft empfängt das Schiff einzig über die Widmung zur Wohnnutzung. Das Absehen von Differenzierungen nach Größe der zum Wohnen genutzten Wasserfahrzeuge ist vor dem Hintergrund genereller Gemeingefährlichkeit der Tathandlung akzeptabel. Im Gegensatz zu den Hütten besteht bei Schiffen keine auf die Wohnnutzung durch Einzelne weisende Typizität. Die Bandbreite von Umfang und Intensität der Wohnzwecke auf Schiffen unterscheidet sich nicht wesentlich von der bei Wohngebäuden. Generell ist auch das Inbrandsetzen von dem Wohnen dienenden Schiffen gemeingefährliche Tathandlung. a) Widmungen und Entwidmungen Die Begriffserklärungen der Tatobjekte selbst bleiben weitgehend inhaltsleer ohne die Berücksichtigung ihrer jeweiligen Zweckbestimmung. Generell gemeingefährlich in Bezug auf die Rechtsgüter menschliches Leben und Gesundheit ist nicht das Inbrandsetzen von Räumlichkeiten schlechthin, sondern die Zuschreibung genereller Gemeingefährlichkeit resultiert aus dem Inbrandsetzen einer Räumlichkeit, die (anderen) Menschen als Wohnung dient. Aus der gesetzlichen Formulierung „welche Menschen zur Wohnung dient" folgt: die auf das Wohnen gerichtete Zweckbestimmung des Objekts erfordert, daß eine solche Zweckbestimmung vorgenommen worden ist. Man kann von einem allerdings untechnisch verstandenen Widmungsakt sprechen. Dieser Widmungsakt ist faktischer Natur. Entscheidend ist allein, daß die Räumlichkeit wenigstens von einem Menschen zu dem Zeitpunkt der Tat tatsächlich als Wohnung genutzt wird. Darüber besteht Einigkeit. 89 Die Widmung, als Wohnung zu dienen, ist unabhängig von zivilrechtlichen Eigentums- und/oder Besitzrechten an der Wohnung. Selbst um des widerrechtlich (§ 123) in einem Gebäude Wohnenden willen greift der Schutz des § 306 a Abs. 1 Nr.l ein. 90

88 Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 5; Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 5 Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 45 jeweils m.N. 89 RGSt 60, 136, 137; BGHSt 23, 62; BGHSt 26, 121 f.; Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 6; Wolff, in: LK, 306 Rdnr. 9; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 44; Wessels, BT 1, Rdnr. 929; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 8; Geppert, Jura 1989, S. 417, 419; Meyer-Goßner, NStZ 1986, S. 103, 106 jeweils bzgl. § 306 Nr.2 a.F. 90 Geppert, Jura 1989, S. 417, 419 m.N.

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Weniger klar als das Postulat einer faktischen Widmung als Wohnung ist die Bedeutung des Begriffs der Wohnung selbst. Wohnen im Sinne von § 306 Nr.2 a.F. (= § 306 a Abs. 1 Nr.l), so liest man häufig, 91 sei - angesichts des Umkehrschlusses aus § 306 Nr.3 a.F. (= § 306 a Abs. 1 Nr.3) - mehr als der bloße Aufenthalt in dem Objekt. Wohnung bedeute, daß eine Person die fragliche Räumlichkeit wenigstens vorübergehend zum räumlichen Mittelpunkt seines Lebens gemacht habe. Anzeichen für die Bildung eines solchen Lebensmittelpunktes sei das regelmäßige Übernachten in der entsprechenden Räumlichkeit. 92 Eine indizielle Bedeutung regelmäßigen Übernachtens für die Bildung eines Lebensmittelpunktes in einem Gebäude bzw. einer Räumlichkeit ist kaum zu bezweifeln. Allein ist jedoch selbst das regelmäßige Übernachten kein starkes Indiz. Hinzukommen müssen weitere Umstände der Nutzung, die auf die Bildung eines wenigstens zeitweisen räumlichen Lebensmittelpunktes hinweisen. So ist ein weiteres Anzeichen für eine tatsächliche Wohnutzung, daß die persönliche Habe des Nutzers zumindest in dem Umfang, wie sie für den täglichen Bedarf benötigt wird, sich an dem Ort der Wohnung befindet. Für den Regelfall, den typischen Nutzer einer Wohnung, der mit Ausnahme von kurzeitigen Abwesenheiten wie Urlaub, Dienstreisen etc. mit einer gewissen Regelmäßigkeit an den zentralen Ort seiner Lebensgestaltung zurückkehrt, bereitet die Feststellung, es handele sich um seine Wohnung keinerlei Schwierigkeiten, ohne daß eine klare und scharf abgrenzbare Definition des Merkmals „Menschen zur Wohnung dienen" erforderlich wäre. Schon das Alltagsverständnis von dem, was Wohnen ausmacht, genügt, um ein Objekt aufgrund der entsprechenden Nutzung als Wohnräumlichkeit bezeichnen zu können. Schwierigkeiten bereiten - wie stets die untypischen Fallgestaltungen, die sich bezüglich des Tatobjekts Wohnräumlichkeit vor allem als Nutzungsverhältnisse von kurzer Dauer oder von vorherein auf einen bestimmten meist saisonalen Zeitabschnitt beschränkte darstellen. So hat der Bundesgerichtshof bezüglich typischer kurzzeitiger Wohnnutzung entschieden, daß ein als Hotel dienendes Gebäude, in dem (zum Zeitpunkt der Tat) kein Zimmer vermietet und das auch ansonsten (zur Tatzeit) nicht bewohnt war, kein taugliches Tatobjekt im Sinne von § 306 Nr.2 a.F. (= § 306 a Abs. 1 N r . l ) sein könne. 93 Hinsichtlich saisonal genutzter Räumlichkeiten entsprach es dagegen überwiegender Ansicht, Ferien- und Wochenendhäuserauch dann dem Schutz des § 306 Nr.2 a.F. (= § 306 a Abs. 1 N r . l ) zu unterstellen, wenn zum Zeitpunkt der Ausführung der Tat niemand in dem Objekt wohnt. 94 Die von Cramer verfochtene Gegenansicht beschränkt die Anwendbarkeit schwerer Brandstiftung an Wohngebäuden - entsprechend dann 91

Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 7; Geppert, Jura 1989, S. 417, 419. Cramer und Geppert jeweils wie Fußn. zuvor. 93 BGH, NStZ 1984, S. 455. 94 BGHR StGB § 306 Nr.2 Wohnung 10; Horn, in: SK-StGB, 306 Rdnr. 7; Geppert, Jura 1989, S.417, 420 f. 92

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

wohl auch an Wohnräumlichkeiten des neuen Rechts - hinsichtlich Wochenendund Ferienhäuser dagegen auf die Zeiträume tatsächlicher Wohnnutzung.95 Allerdings ist der Zeitfaktor bei der Wohnnutzung für Cramer gleichsam ambivalent. Entsprechend einhelliger Ansicht will auch er den Hauptwohnungen der periodischen Benutzer von Ferien-, Wochenend- und Sommerhäusern die Wohnungseigenschaft während der Abwesenheitszeiten der Bewohner von der Hauptwohnung nicht absprechen. 96 Man wird diese Sichtweise so deuten dürfen: Bei nicht lediglich saisonal genutzten Gebäuden ist die Abwesenheit die zeitlich gesehen - Ausnahme, während umgekehrt bei Ferienhäusern etc. gerade die Anwesenheit der Bewohner der Ausnahmefall ist. Das dürfte statistisch betrachtet durchaus zutreffen, sagt aber noch nichts darüber aus, ob dieser Umstand eine unterschiedliche rechtliche Behandlung von Ferienhäusern etc. einerseits und Hauptwohnungen andererseits erfordert oder auch nur gestattet. Entprechend den Strukturprinzipien der Brandstiftungstatbestände bietet sich eine Orientierung der Auslegung des Merkmals „welche zur Wohnung von Menschen dienen" an der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung in Bezug auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit an. Dabei sollen nicht Auslegungsentscheidungen unmittelbar aus den zur Tatbestandsstruktur herausgearbeiteten Grundsätzen deduziert werden. Aber die Besonderheiten der vom Gesetzgeber für die Statuierung generell gemeingefährlicher Delikte verwendeten Gesetzestechnik dürfen für das Detailverständnis der nach dem beschriebenen Muster statuierten Tatbestände nicht ohne Berücksichtigung bleiben. Von einer Räumlichkeit, die Menschen als Wohnung dient, kann nur dann gesprochen werden, wenn dieser Ort für eine im einzelnen nicht völlig unbedeutende Zeitspanne (arg. § 306 a Abs. 1 Nr.3) zum Mittelpunkt der (privaten) Lebensgestaltung eines Menschen gemacht worden ist. Der Lebensmittelpunkt darf sich nicht lediglich auf die Ausübung von Arbeit beschränken. Arbeitsstätten mögen ebenfalls für zahlreiche Menschen zentrale Orte ihres Lebens sein. 97 Sie sind aber gerade keine dem Wohnen dienenden Orte. Eine exakte und allgemeingültige

95 in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 7 und zuvor ders., Der Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt, S. 70 f. 96 Cramer, in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 7. 97 Überlegungen zur Reform des Brandstrafrechts haben daher Arbeitsstätten häufig neben den Wohnungen als gegen abstrakt menschengefährdende Brandstiftung geschützte Räumlichkeiten behandeln wollen; die Entwürfe von 1960 (BR-Drucks.270/60) und 1962 (BR-Drucks. 200/62) stellten in § 320 Abs. 1 der jeweiligen Entwürfe dem Wohnen dienende Gebäude und Arbeitsstätten vieler Menschen gleich. Der im Juli 1996 vorgelegte Referentenentwurf (RefE) zu einem 6. StrRG verfuhr in gleicher Weise, verzichtete jedoch auf das Erfordernis, vielen Menschen als Arbeitsstätte zu dienen. Diese zunächst auch noch in dem aus dem RefE hervorgegangenen RegE enthaltene Gestaltung (siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 11 und S. 47 f.) ist -richtigerweise (Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 11 ff.) - im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens verworfen worden.

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Beschreibung dessen, was den privaten Lebensmittelpunkt in Form von Wohnen charakterisiert, läßt sich nicht geben. Die Ausgestaltung von Leben und Wohnen ist derart individuell, daß sich generalisierende Aussagen nicht mit ausreichender Genauigkeit treffen lassen. Gerade diese Individualität der Ausgestaltung der geschützten Rechtsgüter Leben und Leib bestimmt die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l mit. In welcher Form der Bewohner sein Leben in seiner Wohnung „lebt", mit welchen weiteren Personen er aus welchen - von ihm gewollten oder ungewollten Gründen im Zusammenhang mit dem Wohnen in Kontakt gerät, ist generell unvorhersehbar und macht zusammen mit der typischen Unbeherrschbarkeit des eingesetzten Tatmittels die Tathandlung zu einer generell gemeingefährlichen. Mangels einer präzisen begrifflichen Erfassung des Wohnens bleibt der Rückgriff auf tatsächliche Umstände als Indizien für typische Vorkommen des Wohnens. Von Bedeutung sind das bereits angesprochene regelmäßige Übernachten in dem Gebäude, wie die Verbringung von persönlicher Habe in Form von Artikeln des täglichen Gebrauchs. Für den Regelfall kommen eine Fülle weiterer Anzeichen der Wohnnutzung hinzu: Ist eine Person etwa postalisch oder telefonisch als Privatperson in einem Gebäude zu erreichen, so spricht dies natürlich für eine Wohnnutzung; ebenso der Umstand, daß der Bewohner seine Besucher dort empfängt usw. Letztgenannte, lediglich beispielhaft aufgeführte Umstände sind aber keineswegs notwendige Voraussetzungen des Bestehens einer Wohnung. Anderenfalls wäre etwa die illegale Nutzung eines Objekt zur Wohnung zu Unrecht aus dem Schutz des 306 a Abs. 1 Nr.l ausgeschlossen. Selbst bei Heranziehen solcher auf Wohnnutzung hindeutender Indizien bleiben aber Unsicherheiten vor allem hinsichtlich der zeitlichen Nutzung von Räumlichkeiten zu Wohnzwecken. So deutet die Formulierung „Lebensmittelpunkt" ebenso wie das Beweisanzeichen „regelmäßiges Übernachten" auf eine länger dauernde Nutzung hin. Ein solches zeitliches Moment ist erforderlich. Bei lediglich sehr kurzzeitigen Nutzungen von Gebäuden/Räumlichkeiten zum Aufenthalt entsteht ein die Gemeingefährlichkeit der Tathandlung charakterisierendes Beziehungsgeflecht zwischen dem Nutzer und der Räumlichkeit nicht. Die ex ante gesehen Unberechenbarkeit des Aufenthaltes von Menschen in einer dem Wohnen (untechnisch) gewidmeten Räumlichkeit setzt eine gewisse zeitliche Konstanz gerade voraus. D.h. aber nicht, daß von einer dem Wohnen dienenden Räumlichkeit erst nach Ablauf einer bestimmten Frist der Wohnnutzung ausgegangen werden kann. Wohnutzung, gemessen an den vorgenannten Beweisanzeichen, erhebt eine Räumlichkeit vom ersten Augenblick des Wohnens zu einem tauglichen Tatobjekt gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l. Voraussetzung ist allerdings, daß sich im Stadium der erstmaligen Ausübung des Wohnens ausreichende Anhaltspunkte für eine auf eine gewisse Dauer angelegte Nutzung ermitteln lassen. So wird regelmäßig für das Bestehen einer Wohnräumlichkeit die Verbringung persönlicher Habe in das Objekt ausreichen, selbst wenn regelmäßige Übernachtungen dort (noch) nicht stattgefunden haben.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Die bisherigen Überlegungen zielen wesentlich auf eine Art von Wohnnutzung ab, die sich mit dem Terminus „Hauptwohnung" recht verläßlich kennzeichnen läßt. Gedacht ist an eine von vornherein auf Dauer angelegte Begründung eines räumlichen Lebensmittelpunktes und nicht an Typen von Wohnnutzung, die wie etwa regelmäßig der Aufenthalt in einem Hotel u.ä. auf eine mehr oder weniger überschaubare Zeitspanne angelegt sind. Für solche Hauptwohnungen liegt die einhellige Ansicht uneingeschränkt richtig: vorübergehende Abwesenheiten des bzw. der Wohnnutzer heben die Tat-objektsqualität der entsprechenden Räumlichkeit nicht auf. Kurze Abwesenheitszeiten (wenige Tage) verändern die typischerweise unvorsehbaren Möglichkeiten des Aufenthaltes von Menschen in dem betroffenen Tatobjekt nicht entscheidend. Das Festhalten an der Tatobjektsqualität gilt aber selbst dann, wenn die Abwesenheit sich über mehrere Wochen oder gar Monate erstreckt. Während der Dauer der Abwesenheit wird sich zwar die ansonsten für das Wohnen typische Beziehung zwischen den dort wohnenden und anderen wegen der dort wohnenden anwesenden Menschen verdünnen. Besuchskontakte, die vorübergehende Aufnahme von Gästen, aber auch der mehr oder weniger stark ausgeprägte geschäftliche Kontakt mit Handwerkern, Versicherungsvertretern und dergleichen mehr nehmen während längerer Abwesenheitszeiten gravierend ab oder bleiben gar vollständig aus. Unter dem Aspekt der generellen Gefährlichkeit der Tathandlung wird damit die Wahrscheinlichkeit einer konkreten Gefährdung oder gar Verletzung der geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit bei Vornahme der Tathandlung typischerweise geringer, weil wegen der temporären Abwesenheit die Wahrscheinlichkeit von Kontakten des dort wohnenden Menschen zu anderen Rechtsgutsträgern geringer wird. Aber das generell unvorhersehbare Beziehungsgeflecht zwischen Rechtsgutsträgern und Wohngebäude wird nicht vollständig aufgehoben. So tritt etwa an die Stelle des privaten oder geschäftlichen Besuchskontaktes mit dem Wohnnutzer die Beaufsichtigung der Wohnung durch Nachbarn, Verwandte, Freunde etc., die selbst nicht eine Form von Wohnen sein muß. Selbst in einer Situation längerer Abwesenheit der Bewohner gilt: Die Möglichkeiten des Aufenthaltes von Menschen als Träger der durch § 306 a Abs. 1 Nr.l geschützten Rechtsgüter mögen im Vergleich zu den Anwesenheitszeiten des Bewohners in Intensität und Umfang geringer sein. Sie bleiben jedoch bei generalisierender Betrachtung erhalten und gestatten es, an der Tatobjektsqualität aktuell nicht bewohnter „Hauptwohnungen" festzuhalten. Die nicht von vornherein auf begrenzte temporäre Nutzung angelegte Wohnung bleibt der zentrale Ort der Ausgestaltung menschlichen Lebens. Auf Objekte, bei denen die Anwesenheit des Bewohners bereits dem von ihm bestimmten Zweck nach auf begrenzte Zeiträume ausgerichtet ist (Wochenend-, Ferien- und Sommerhäuser etc.), lassen sich die vorstehenden Grundsätze nicht ohne weiteres übertragen.. Dabei ist es zunächst geboten, sich zu vergegenwärtigen, um welche tatsächlichen Konstellationen gestritten wird. Zwei Grundtypen der (möglichen) Handlungsobjekte Ferien- und ähnlicher Häuser lassen sich

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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recht verläßlich unterscheiden: Einerseits kann es sich um - untechnisch gesprochen - gewerblich zur entgeltlichen Überlassung an beliebige Interessenten vorgesehene Objekte mit einem im Regelfall beständig wechselnden Nutzerkreis handeln. Auf der anderen Seite geht es um privat genutzte und lediglich einem im Falle berechtigter Nutzung - überschaubaren Kreis von Personen zugängliche Gebäude.98 Eine solche Unterscheidung bietet sich schon deshalb an, weil die jeweilige Zweckbestimmung des Objekts für die beiden Objektstypen abweichenden Regel folgt und die Art der Nutzung regelmäßig eine andere ist. Im Falle einer gewerblichen Überlassung von Ferienhäusern u.ä. bestimmt der Betreiber des Ferienobjekts nicht nur das Ob der Nutzung als Ferienhaus, sondern dieser regelt auch die Modalitäten der Nutzung in zeitlicher wie sachlicher Hinsicht. Davon unterscheidet sich die Zweckbestimmung in rein privat genutzten Ferienhäusern u.ä. im Grundsatz erheblich. Die Zweckbestimmung erfolgt durch den Nutzer selbst und ist keinerlei Beschränkungen in der Art und der Zeit der Ausübung unterworfen. Auch im Hinblick auf die Ausübung von Wohnen divergieren die Objektstypen. Bei gewerblich überlassenen Ferienhäusern etc. begründet der turnus- und absprachegemäß wechselnde Nutzerkreis kein dem Wohnen in einer „Hauptwohnung" annähernd vergleichbares Beziehungsgeflecht zu dem Tatobjekt, sondern verlegt lediglich für eine höchst überschaubare Zeit einen geringen Teil seiner Habe in das Ferienobjekt, um dieses nach Ablauf der Überlassungszeit ohne fortbestehende Beziehungen zu dem Objekt wieder zu verlassen. Die Nutzung privater Ferienhäuser etc. geht dagegen tendenziell dahin, ein Beziehungsgeflecht zu dem Tatobjekt aufzubauen, das in allerdings schwächerer Form dem für Hauptwohnungen beschriebenen (Besuchskontakte, Beaufsichtigung bei Abwesenheit, Verbleib wenigstens eines Teiles der persönlichen Habe usw.) entspricht. Vor diesem Hintergrund ist es zutreffend, für privat genutzte Ferien-, Wochenend-, Sommerhäuser etc. von einer Wohnutzung auch außerhalb der im übrigen nicht ausreichend scharf zu bestimmenden Saison auszugehen und aktuelle Abwesenheitszeiten auf die Tatobjektsqualität nicht durchschlagend anzusehen. Dafür spricht weiterhin, daß ansonsten der im Einzelfall untypische Aufenthalt von Menschen im Ferienobjekt außerhalb der Saison über eine Einschränkung der Tatobjektsqualität aus dem Schutzbereich des § 306 a Abs. 1 Nr.l ausgenommen wird. Das ist wegen der aus den genannten Gründen nicht aufgehobenen generellen Gemeingefährlich-

98 Eine solche Unterscheidung mit einer daran anknüpfenden unterschiedlichen Bewertung der Tatobjektsqualität dürfte auch der überwiegend vertretenen Literaturansicht bezüglich der Tatobjektseigenschaft von Ferien- und ähnlichen Häusern zugrundeliegen. Anders wäre schwer erklärlich, warum die restriktive, auf tatsächliche Wohnzeiten beschränkte Ansicht von Cramer (Nachw. in Fußn. 95) verworfen wird, andererseits aber die Entscheidung BGH, NStZ 1984, S. 455, in der ein Hotel, in dem zur Tatzeit keine Zimmer vermietet waren und das auch ansonsten nicht bewohnt wurde, nicht als Objekt i.S. v. § 306 Nr.2 a.F. angesehen wurde, zustimmend zitiert wird. Geppert, Jura 1989, S. 417, 420 Fußn. 33 spricht denn auch explizit von einem „Sonderfall".

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

keit der Tathandlung aber nicht hinnehmbar. Die BGH NStZ 1984, S.455 zugrundeliegende Sachverhaltskonstellation folgt dagegen wie die Tatobjektsqualität von gewerblich überlassenen Ferienhäusern etc. anderen Regeln. Wegen der beschriebenen Abweichungen in der Art und Zeit der Nutzung als Wohnung sowie der unterschiedlichen Zuständigkeit bei der Zwecksetzung im Vergleich zu privat genutzten Ferienobjekten kann hier von einem „zur Wohnung dienen" lediglich dann gesprochen werden, wenn eine solche Wohnnutzung aktuell im Zeitpunkt der Tat stattfindet. Vorübergehende Abwesenheiten des Nutzers einer gewerblich überlassenen Ferienwohnung etc. sind jedoch irrelevant, wenn und soweit nach den allgemein geltenden Anzeichen von einem „Wohnen" in dem Ferienobjekt ausgegangen werden kann. Hält sich der Mieter einer Ferienwohnung tagsüber am Strand auf, wird durch diese zeitweilige Abwesenheit die Tatobjektsqualität der Ferienwohnung nicht aufgehoben. Außerhalb dieser Zeiten gibt es mangels fortbestehender Beziehungen zwischen Nutzer und Objekt keinen sachlichen Grund, von einer Räumlichkeit, die Menschen zur Wohnung dient, zu sprechen. Begründet die tatsächliche Nutzung einer Räumlichkeit als Wohnung seine Eigenschaft, Tatobjekt im Sinne von § 306 a Abs. 1 Nr.l zu sein, ist es konsequent, diese Eigenschaft mit dem Ende der Wohnnutzung wieder entfallen zu lassen. Entsprechend der als Widmungsakt bezeichneten Begründung der Tat-objektseigenschaft ist es gebräuchlich, deren Ende als Entwidmung zu bezeichnen." Im Grundsatz ist die Aufhebung der Tatobjektsqualität durch Entwidmung in neuerer Zeit Allgemeingut in Wissenschaft und Rechtspraxis. 100 Die an die Aufhebung der tatsächlichen Wohnnutzung zu stellenden sachlichen Anforderungen sind dagegen nicht vollständig geklärt. Aus der Umkehrung des rein faktisch verstandenen Begründungsaktes (tatsächliche Nutzung eines Objekts als Wohnung) folgt, daß auch für die Entwidmung die tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Nutzung des Tatobjekts maßgeblich sind. D.h. im Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung dient eine Räumlichkeit dann nicht mehr Menschen zur Wohnung, wenn dort faktisch kein Mensch mehr seinen Lebensmittelpunkt begründet hält. Die Rechtsprechung und Schrifttum unter dem Stichwort „Entwidmung" beschäftigenden Konstellationen sind einerseits der Tod des einzigen Bewohners vor Ausfüh99

Geppert, Jura 1989, S. 419, 420. Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 6; Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 9 a.E.; Cramer, in: Schönke/Schröder, §306 Rdnr. 6; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, §51 Rdnr. 8 a.E.; Wessels, BT 1, Rdnr. 930. Gegen Entwidmungen wenigstens in der Konstellation, die Entwidmung in der Vornahme der Tathandlung selbst zu sehen Goltdammer, Die Materialien zum StGB für die preuß. Staaten, Teil II, S. 643 unter Hinweis auf die „entfernte Möglichkeit der Gefahr für andere, ... die ohne ihr (der die Brandstiftung ausführenden Bewohner, H.R.) Wissen eingetreten sein können." Dabei wird aber übersehen, daß § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) nicht das Inbrandsetzen von Gebäuden/Räumlich-keiten schlechthin unter Strafe stellt, sondern lediglich das von dem Wohnen dienenden Objekten. Das Vorhandensein einer solchen Nutzung im Zeitpunkt der Tathandlung ist notwendige Bedingung der Strafbarkeit. 100

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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rung der Brandstiftung sowie andererseits die Brandstiftung am bisherigen Wohngebäude durch den bisherigen Wohnnutzer selbst oder die Tatausführung durch Dritte in seinem Auftrag. Der Satz, die Eigenschaft eines Gebäudes, Tatobjekt gemäß 306 Nr.2 a.F. (= § 306 a Abs. 1 N r . l ) zu sein, endet mit dem Tod des einzigen Bewohners, 101 scheint unumstößlich. Wie sollte von einer Wohnnutzung gesprochen werden können, wenn derjenige, der das Wohnen tatsächlich ausgeübt hat, nicht mehr am Leben ist? Und welcher Bezug zum geschützten Rechtsgut Leben sollte noch existieren, wenn der für die Zweckbestimmung des Gebäudes allein zuständige einzige Träger dieses Rechtsgutes tot ist? Trotz dieser eindeutig zu beantwortenden Fragen trifft die Formel „Tod des einzigen Bewohners = (sofortiges) Ende der Tatobjektseigenschaft" nicht ohne Einschränkung zu. Es gilt sich noch einmal die Grundstrukturen der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l zu vergegenwärtigen. Die Gemein-, d.h. die auf die mögliche Gefährdung einer unbestimmten Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger abstellende Gefährlichkeit der Tat resultiert aus dem unüberschaubaren Beziehungsgeflecht zwischen dem Bewohner und dem Tatobjekt sowie den damit verbundenen, nach Art und Umfang nicht sicher vorausbestimmbaren sozialen Kontakten des Bewohners mit anderen Menschen. Dieses Beziehungsgeflecht endet aber nicht abrupt mit dem Tod des Bewohners, sondern besteht in gewissem Umfang regelmäßig solange fort, bis das Ende der Wohneigenschaft eines Objekts auch äußerlich sichtbar wird. Daher ist es vor dem Hintergrund der Spezifika der generell gemeingefährlichen Tathandlung vorzugswürdig, einen nach außen wahrnehmbaren Akt des Endes der Wohneigenschaft im Falle des Todes zu verlangen. Teile des Schrifttums haben als einen solchen Akt den Abtransport der Leiche als äußeres Zeichen der Beendigung der Wohnungseigenschaft eines Menschen vorgeschlagen. 102 Dem ist mit der Maßgabe zuzustimmen, daß etwaige Neubegründungen der Wohnungseigenschaft etwa durch Erben bzw. sonstige Angehörige des Bewohners (Rechtsgedanke des § 569 a BGB für Mietwohnungen) zu berücksichtigen sind. Die Notwendigkeit eines nach außen wahrnehmbaren „Entwidmungsaktes" gilt auch für die Fallgestaltungen des Inbrandsetzens des Objekts durch den bzw. die Bewohner selbst oder in deren Auftrag. Überwiegendem Verständnis nach genügt für diesen „Entwidmungsakt" die Vornahme der Tathandlung selbst. Eines zeitlich vor dem Beginn des Inbrandsetzens (bzw. der Brandlegung) liegenden Umstandes bedarf es in heute überwiegender Sichtweise nicht, so daß die Ausführung der - allerdings dann tatbestandslosen - Tathandlung des

101

BGHSt 23, 114; Cramer , in: Schönke/Schröder, §306 Rdnr. 6; Horn, in: SKStGB, § 306 Rdnr. 6 a.E.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 8. 102 Geilen, Jura-Kartei, StGB § 306 Nr.2/1; zustimmend Geppert, Jura 1989, S. 417, 420.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

§ 306 a Abs. 1 Nr.l (bzw. § 306 Nr.2 a.F.) und das Ende der Tatobjektseigenschaft in einem Zeitpunkt zusammenfallen können. 103 Strengere Vorgaben des Reichsgerichts, die Aufgabe der bisherigen Nutzung als Wohnung durch Fortschaffen der persönlichen Habe des Bewohners aus dem Gebäude vor dem Inbrandsetzen zu dokumentieren, 104 finden in jüngerer Zeit keine Anhänger mehr. Dabei ist die Forderung nach einer der Tat vorausgehenden Manifestation der Aufgabe der Wohnnutzung im Hinblick auf das über die Gemeingefährlichkeit der Tathandlung Gesagte plausibel. Zudem ist das Verbringen bzw. der Verbleib von persönlicher Habe ein Indiz für die tatsächliche Nutzung einer Räumlichkeit als Wohnung. 105 Das die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung des § 306 a Abs. 1 Nr.l mit konstituierende Beziehungsgeflecht zwischen Bewohnern, Besucher etc. und dem Gebäude bedarf der Aufhebung, um selbst bei genereller Betrachtung die Gemeingefährlichkeit des Inbrandsetzens von Objekten gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l ausschließen zu können. Im Gegensatz zu der von Horn vertretenen Ansicht, 106 ist ein äußerlicher Manifestationsakt daher unverzichtbar. Jedoch muß dieser bei Entwidmungen durch den Bewohner nicht zeitlich vor der Tathandlung liegen. Im Unterschied zu den Fällen des Ablebens des Bewohner ist der entwidmende Bewohner, der die Brandstiftung selbst ausführt oder ausführen läßt, für diese und für die Entwidmung zuständig. Er kann durch das Inbrandsetzen/der Brandlegung das Beziehungsgeflecht zwischen Rechtsgutsträgern und Tatobjekt von sich aus mit ausreichender Außenwirkung aufheben. Die Dispositionsbefugnis über die Nutzung einer Räumlichkeit als Wohnung steht dem Bewohner bzw. den Bewohnern zu. Da die tatsächliche Nutzung die Tatobjektseigenschaft bestimmt und rechtliche Nutzungsbefugnisse nicht erforderlich sind, kommt es für die Aufgabe der bisherigen Nutzung - neben der äußerlichen Manifestation - auf den „natürlichen" Willen des bzw. der Bewohner an. 107 Eine an den Regeln über die Einwilligung orientierte Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung der Aufgabe der bisherigen Wohnung ist demnach nicht erforderlich. In der Konsequenz können auch Personen mit Defekten im Sinne von § 20 StGB über den Fortbestand einer von ihnen bewohnten Räumlichkeit disponieren. Ebenso können Willensmängel, gleich ob durch Täuschung oder

103

BGHSt 16, 394, 396 sowie jüngst BGH, NStZ 1994, S. 130 weitere Nachw. zur insoweit stdg. Rechtsprechung des BGH bei Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 9 m. Fußn. 10; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 6; Wessels, BT 1; Rdnr. 930; Horn, in: SKStGB, § 306 Rdnr. 6 will es gar genügen lassen, daß der Bewohner eine ohne seinen Auftrag durch Dritte verübte Brandstiftung lediglich geschehen läßt. 104 RGSt 60, 136 f. 105 Anders BGHSt 16, 394, 396, BGH bei Holtz, MDR 1981, S. 981, BGH, NStZ 1984, S. 455. 106 Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 6 a.E. 107 BGH bei Holtz MDR 1981, S. 981; Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 6.

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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durch Zwang herbeigeführt, das Ende der Tatobjektseigenschaft einer Räumlichkeit nicht beeinflussen, wenn und soweit der täuschungs- oder zwangsbedingt beeinträchtigte Wille des Bewohners eine nach außen erkennbare Beendigung der Zweckbestimmung des Gebäudes als zur Wohnung von Menschen dienend tatsächlich herbeigeführt hat. Grenzen der rein faktischen Betrachtungsweise der Tatobjektseigenschaft gemäß 306 Nr.2 a.F. hatte die Rechtsprechung bei minderjährigen (Mit-)Bewohnern gezogen. Für minderjährige Kinder sollten die Personensorgeberechtigten Eltern den bisherigen Wohnzweck aufgeben können. 108 Diese Rechtsprechung hat ihre Grundlage in dem Aufenthaltsbestimmungsrecht der Personensorgeberechtigten Eltern (§ 1631 Abs. 1 BGB). Wenn die Eltern nach den zivilrechtlichen Vorgaben Wohnung und Wohnort ihrer Kinder bestimmen dürfen, folgt im Umkehrschluß daraus, daß ihnen ebenfalls die Befugnis zukommt, die bisherige Wohnung mit für vom Strafrecht zu beachtender Wirkung aufzugeben. Allerdings hat die Relevanz des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für die Bestimmung der Tatobjektseigenschaft von Gebäuden für das Strafrecht aus den tatsächlichen Verhältnissen ableitbare Grenzen. Beugen sich etwa minderjährige Kinder dem Recht ihrer Eltern auf Bestimmung von Wohnung und Wohnort nicht, verbleiben sie etwa in der bisherigen Wohnung oder haben eine Wohnung im Sinne von § 306 a Abs. 1 Nr.l ohne den Willen ihrer Eltern begründet, ist der Elternwille für die Beurteilung der Handlungsobjektsqualität eines Gebäudes irrelevant. Entsprechende Regeln gelten für Erwachsene, wenn und soweit nach den Vorschriften über Betreuung und Vormundschaft, das Recht der Aufenthaltsbestimmung auf Dritte übertragen ist. b) Mischnutzungen Neben dem Nachdenken über Ob und Wie teleologischer Reduktionen des § 306 a.F. (vor allem dessen Nr.2), das wegen der Strukturgleichheit der nachfolgeregelung in § 306 a Abs. 1 unter der Geltung des neuen Rechts nicht enden wird, gab es kaum ein Thema innerhalb der Dogmatik der Brandstiftungsdelikte, das Rechtsprechung und Literatur in gleichem Umfang und in gleicher Intensität beschäftigte wie das Inbrandsetzen sog. gemischt genutzter Gebäude (bzw. Räumlichkeiten neuen Rechts). Die Fallgestaltungen sind angesichts des breiten Spektrums unterschiedlichster baulicher Gestaltung und tatsächlicher Nutzung von Räumlichkeiten vielfältig. Die Grundkonstellation ist jedoch stets identisch. Eine Räumlichkeit, von der angenommen werden soll, es ließe sich klar bestimmen, daß es lediglich ein (einheitliches) Gebilde ist, wird nicht nur von wenigstens einer Person als Wohnung genutzt, sondern dient zugleich noch anderen Zwecken, die sich nicht als Wohnen im Sinne von § 306 a Abs. 1 Nr.l 108

BGH, Beschl. vom 13.03.1984 - 4 StR 470/84, zit. nach BGH, NStZ 1988, S. 71; BGH, NStZ 1988, S. 71; BGH, NStZ 1992, S. 514.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

darstellen. Von Interesse sind allein solche Sachverhaltsgestaltungen, bei denen das Feuer sich - entsprechend dem regelmäßig auf die Zahlung der Feuerversicherungssumme für den nicht wohnlich genutzten Teil gerichteten Intention des Täters - auf ein Inbrandsetzen/Zerstören durch Brandlegung der Teile der Räumlichkeit beschränkt, die selbst tatsächlich nicht als Wohnung i.S.v. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 genutzt werden. Grundfall der streitigen Behandlung der Brandstiftung an sog. gemischt genutzten Gebäude ist die bereits in der Einleitung geschilderte Sachverhaltskonstellation aus BGHSt 34, 115. 109 Wenn der Brand die Wohnteile des Gebäudes erreicht und diese nach allgemeinen Regeln in Brand setzt, trat bei entsprechendem Tätervorsatz nach allgemeiner Auffassung Strafbarkeit aus § 306 Nr.2 ein. 1 1 0 Gleiches gilt für § 306 a Abs. 1 Nr.l. Die Darstellung des Inbrandsetzens gemischt genutzter Gebäude/Räumlichkeiten anhand des Tatobjektes statt anhand der Tathandlung ist beliebig. Sachlich läßt sich die Frage nach der Tatobjektsqualität gemischt genutzer Gebäude nicht vollständig ohne Rekurs auf die Tathandlung des Inbrandsetzens lösen. Der Schwerpunkt der Problematik liegt aber bereits auf der Ebene des Tatobjekts. Vorrangig vor den an das Inbrandsetzen zu stellenden Anforderungen ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein Gebäude bzw. eine Räumlichkeit, das/die nicht ausschließlich dem Wohnen von Menschen dient, Gegenstand einer Tathandlung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l sein kann. Die in Rechtsprechung und Schrifttum angebotenen Lösungen variieren im Grad der Abstraktion von der Beeinträchtigung eines Rechtsgutes/Rechtsgutsträgers durch die Tat. (a) Nach zuletzt gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entschieden die baulichen Verhältnisse eines Gebäudes mit verschiedenartiger Nutzung über seine Tatobjektseigenschaft gemäß § 306 Nr.2 a.F. (= § 306 a Abs. 1 Nr.l) insgesamt. Maßgeblich war allein, ob es sich bei dem Handlungsobjekt um ein nach seiner baulichen Beschaffenheit einheitliches Gebäude handelt. 111 Die Einheitlichkeit auf der Grundlage der baulichen Beschaffenheit beurteilt der Bundesgerichtshof vorrangig im Hinblick auf die (abstrakte) Möglichkeit einer Ausbreitung des Feuer innerhalb der unterschiedlicher Nutzung dienenden Gebäudeteile. So wird das Vorhandensein gemeinsamer (= vom Wohn- und Gewerbeteil aus gleichermaßen nutzbarer) Treppenhäuser, Flure oder Räume als Anzeichen für die Einheitlichkeit eines Gebäudes verstanden,

109

Oben Einl.A. Text vor Fußn. 31. Auf die weitere, allerdings mit der Tatobjektseigenschaft eng verknüpfte Frage nach teleologischen Reduktionen bei fehlender Gefahrschaffung für ein Rechtsgut/Rechtsgutsträger soll an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden. 110 Cramer, in: Schönke/Schröder, §306 Rdnr. 11; Horn, in: SK-StGB, §306 Rdnr. 11. 111 BGHSt 34, 115, 118; BGHR StGB § 306 Nr.2 Wohnung 7.

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

191

während die Existenz von Brandmauern (zwischen den Teilen) oder anderer Brandschutzvorrichtungen gegen ein einheitliches Gebäude sprechen. 112 War nach den vorgenannten Kriterien von einem einheitlichen, aber gemischt genutzten Gebäude auszugehen, genügt für den objektiven Tatbestand des § 306 Nr.2 a.F. das Inbrandsetzen des gewerblich genutzten Teiles. 113 Konsequenterweise brauchte sich der Tätervorsatz gleichfalls lediglich auf die Einheitlichkeit des Gebäudes, d.h. die Kenntnis der dafür relevanten baulichen Verhältnisse, und die partielle Wohnnutzung zu erstrecken. 114 Über das Kriterium der Einheitlichkeit des Gebäudes begnügte sich der Bundesgerichtshof mit einer sehr abstrakten Gefährlichkeit der Tathandlung für die geschützten Rechtsgüter. Anders als bei dem Inbrandsetzen von ausschließlich dem Wohnen dienenden Gebäuden ist der Zusammenhang zwischen Tathandlung und geschütztem Rechtsgut deutlich schwächer, weil der Brand von Gebäudeteilen genügt, die Menschen nicht zur Wohnung dienen und daher auch keinen spezifischen Bezug zu dem mit der Wohnung als menschlichem Lebensmittelpunkt verbundenen Beziehungsgeflecht aufweisen. (b) Einen Schritt hin zu einer stärkeren Konkretion der Gefährlichkeit der einzelnen Tathandlung für das Rechtsgut ging eine zeitweilig von einigen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs vertretene Auffassung. Aufbauend auf dem Erfordernis des einheitlichen Gebäudes wurde in unterschiedlicher Nuancierung zusätzlich zu dem sub (a) Dargestellten verlangt, daß das „sich das Feuer auf Teile des Gebäudes auszubreiten vermag, die für dessen Gebrauch als Wohnhaus von wesentlicher Bedeutung sind" 1 1 5 bzw. „nicht auszuschließen ist, daß das Feuer auf den Wohnbereich übergreifen kann". 116 Unabhängig von den Unterschieden in den Anforderungen an die Übertragbarkeit des Feuers von den Gewerbeteilen auf die Wohnteile des Gebäudes bedeutete das Abstellen auf eine solche wenigstens nicht ausschließbare „Übertragungsgefahr" eine erhebliche Konkretion der Gefährlichkeit der Tathandlung. Anders als für die Beurteilung der Einheitlichkeit des Gebäudes auf der Grundlage einer höchst abstrakten Übertragungsgefahr, die von den konkreten Verhältnissen der einzelnen Tathandlung vollständig absieht, ist für die „Übertragungsgefahr" der jeweilige Brand hinsichtlich seiner Ausbreitungsmöglichkeiten zu beurteilen. Eine Bestra-

112 113 U4 115

141. 116

BGHR StGB § 306 Nr.2 Wohnung 7; BGHSt 35, 283, 286 (zu § 306 Nr.3 a.F.). BGH, NStZ 1985, S. 455; BGHSt 34, 115,118 m.w.N. BGHSt, 34, 115, 119. BGH, Beschl. vom 15.04.1977 - 2 StR 140/77 zit. nach BGH, NJW 1987, S. 140,

BGH, NJW 1987, S. 140, 142. Die in dieser Entscheidung herangezogene Formel orientiert sich - bewußt oder unbewußt, mag dahinstehen - an der von § 151 Abs. 1 AEStGB vorgeschlagenen Ausschlußklausel bei fehlender Rechtsgutsgefahr, wendet diese Formel allerdings nicht auf die Rechtsgutsgefahr, sondern auf eine „Tatobjektsgefahr" an.

192

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

fung aus § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) kam nach dieser Variante der obergerichtlichen Rechtsprechung lediglich bei einem die Möglichkeit der Brandausdehnung umfassenden Tätervorsatz in Betracht. 117 (c) Eine weitere Stufe der Konkretion der Tathandlung in Bezug auf die geschützten Rechtsgüter erklommen diejenigen Stimmen in der Literaur, die das Inbrandsetzen gemischt genutzter Gebäude lediglich dann über § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) ahnden wollten, wenn das Feuer den Wohnteil selbst erreicht und diesen in Brand gesetzt hatte. 118 Subjektiv war die Möglichkeitsvorstellung des Täters von einem Inbrandsetzen des Wohnteils erforderlich. Damit wird der Tatausführung an gemischt genutzten Gebäuden der gleiche Abstraktionsgrad zugrundgelegt wie bei dem Inbrandsetzen ausschließlich zum Wohnen genutzter Objekte. 119 Abstrahiert wird lediglich von dem Erfordernis einer wenigstens konkreten Rechtsgutsgefahr, nicht aber zusätzlich von dem Inbrandsetzen eines dem menschlichen Wohnen dienenden Gebäudes. Zur Begründung verwiesen Kratzsch und Kindhäuser darauf, daß die Tatobjekte des § 306 (a.F.) insgesamt jeweils im Hinblick auf einen bestimmten Zweck charakterisiert werden und hinsichtlich § 306 Nr.2 a.F. mit der Formel „zur Wohnung dienen" gerade nur solche Orte dem Schutz dieses Tatbestandes unterstellt werden sollten, die diese Zweckbestimmung selbst aufwiesen. 120 Innerhalb dieser Auffassung variierten die Voraussetzungen an das vollendete Inbrandsetzen gemischt genutzter Gebäude, weil die Tathandlung des Inbrandsetzens selbst unterschiedlich verstanden wurde. Darauf ist in dem nächsten Abschnitt einzugehen (unten 2.). Die mittlere unter (b) zeitweilig vom Bundesgerichtshof vertretene Lösung einer mehr oder weniger konkreten Ausbreitungsgefahr auf den zum Wohnen genutzten Gebäudeteil trifft nicht zu. § 306 Nr.2 a.F. enthielt in seinem Tatbestand keinerlei Anknüpfung an die Möglichkeit der Ausbreitung eines Feuers innerhalb eines als einheitliches verstandenen Gebäudes ebensowenig wie § 306 a Abs. 1 Nr.l ein solches Element enthält. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum für die Sonderkonstellation der Mischnutzung eine solche

117

So auch Schneider, Jura 1988, S. 460, 464. Insoweit im Ergebnis übereinstimmend Cramer, in: Schönke/Schröder, §306 Rdnr. 11; Horn, in: SK-StGB, 306 Rdnr. 11; Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 f.; Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 163. 119 Anders Schneider, Jura 1988, S. 460, 464, der meint, daß die vorgestellte Ansicht den konkreten Fall in die strafrechtliche Würdigung einbeziehe. Die Abweichung von der hiesigen Sichtweise beruht auch auf einer unterschiedlichen methodischen Einschätzung. Entgegen Schneider, aaO. Fußn. 37 halte ich die Problemlösung des Inbrandsetzens gemischt genutzter Gebäude noch für eine Frage der Auslegung des Gebäudebegriffs und nicht bereits für eine der Rechtsfortbildung sub specie teleologischer Reduktion. 120 Kratzsch und Kindhäuser jeweils wie Fußn. 118. 118

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

193

konkrete Ausbreitungsmöglichkeit erforderlich sein sollte, die ansonsten für § 306 a tatbestandlich irrelevant ist bzw. für § 306 a.F. war. Zwischen den verbleibenden Lösungsmodellen sind die Unterschiede weniger groß, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Divergenzen in den Ergebnissen bestehen weniger in der Anwendbarkeit von § 306 a Abs. 1 Nr.l bei gemischt genutzten Gebäuden/Räumlichkeiten überhaupt, sondern beschränken sich vornehmlich auf die Frage nach Vollendungs- versus Versuchsstrafbarkeit. Die vom Bundesgerichtshof zuletzt durchgängig verfochtene Linie (a) kann wegen vollendeter schwerer Brandstiftung bestrafen, wenn nach baulichen Kriterien ein einheitliches Gebäude (bzw. eine einheitliche Räumlichkeit) vorliegt, das Feuer den zum Wohnen genutzten Teil aber nicht erreicht hat. Subjektiv reicht die Kenntnis des Täters von der Wohnnutzung und die der Einheitlichkeit des Objekts begründenden baulichen Verhältnisse. Bei ausgebliebenem Inbrandgeraten des Wohnteils scheidet zwar für die unter (c) dargestellte Auffassung eine Vollendungstrafbarkeit aus, regelmäßig liegt jedoch bei mit dem Vollendungstäter des Bundesgerichtshofes übereinstimmenden Vorsatz des Täters Versuch nahe. Denn kennt der Täter die baulichen Verhältnisse, die sich bezüglich der Einheitlichkeit des Gebäudes an der Ausbreitungsmöglichkeit (vorhandener Brandschutz etc.) orientieren sollen, und die Wohnnutzung, ist beweismäßig Tatentschluß zum Inbrandsetzen des Wohnteils naheliegend, selbst wenn der Täter einen auf den Wohnteil gerichteten Brandvorsatz leugnet. Wie vor allem in Fällen des dolus eventualis üblich, läßt sich bei Kenntnis der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse durch den Täter seine Einlassung aufgrund eines Schlusses von den objektiven Gegebenheiten her prozessual ausreichend sicher widerle„121 gen . Der Nachweis nur gering divergierender Ergebnisse enthebt nicht der Problemlösung. Der Wortlaut des § 306 a Abs. 1 Nr.l ist dafür weitgehend unergiebig. Es stellt eine deutliche Überhöhung der Formulierung „zur Wohnung dienen" im Gegensatz zu der möglichen Fassung „Gebäude/Räumlichkeiten, in denen Menschen wohnen" dar, aus ihr unmittelbar ableiten zu wollen, daß lediglich das Inbrandsetzen des Wohnteiles selbst die Strafbarkeit nach § 306 a Abs. 1 Nr.l auslöst. 122 Einer so weitgehenden Ableitung allein aus dem Wortlaut ist ebenso zu widersprechen wie der weiteren Annahme von Kratzsch, daß u.a. auch aus dem „zur Wohnung dienen" die Existenz eines Verletzungsdelikten nahekommenden Erfolgsunwertes der schweren Brandstiftung folge. 123 Trotz der Kritik ist aber anzuerkennen, daß das Insistieren auf der Zweckbe121 Zur Unterscheidung der begrifflichen Voraussetzungen des dolus eventualis einerseits und der beweismäßigen Anforderungen seines Nachweise andererseits siehe Cramer, in: Schönke/Schröder. § 15 Rdnr. 87. 122 So aber Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 f. zu § 306 Nr.2 a.F. 123 Kratzsch aaO. sowie ders., JuS 1994, S. 372, 379; zur Kritik siehe bereits oben l.Kap.BJV.

13 Radtke

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Stimmung des Gebäudes den richtigen Weg zur Problemlösung weist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 306 Nr.2 a.F. mit dem Kriterium der Einheitlichkeit des Gebäudes tendierte zu einer isolierten Betrachtung des Terminus „Gebäude" unter Vernachlässigung der tatsächlichen Nutzungsart. Die für die Beurteilung der Einheitlichkeit herangezogenen Kriterien des Gerichts sind wegen des partiellen Rechtsgutsbezuges über den Aspekt der gemeinsamen Nutzung und der baulichen Sicherungen gegen Brandübertragung durchaus nachvollziehbar. Nur bleibt unberücksichtigt, daß die eine Bestrafung aus § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) legitimierende generelle Gemeingefährlichkeit einen spezifischen Bezug zwischen dem Tatobjekt und den geschützten Rechtsgütern bzw. ihren Trägern voraussetzt. Dieser spezifische Bezug besteht aber lediglich für solche als Räumlichkeit verstandenen Örtlichkeiten, die als Wohnung den Lebensmittelpunkt von Menschen bilden. Darin stimme ich mit Kratzsch und Kindhäuser überein. Der Bezug geht aber vollständig verloren oder wird zumindest gravierend abgeschwächt, wenn auch solche Teile einer - nach den Kriterien des Bundesgerichtshofes - einheitlichen Räumlichkeit als Tatobjekt angesehen werden, die nach ihrer tatsächlichen Nutzung gerade nicht den Lebensmittelpunkt von Menschen bilden. Zur Verdeutlichung sollte man sich bewußt machen, daß selbst innerhalb einer Räumlichkeit, die ausschließlich Wohnzwecken dient, der spezifische Bezug zwischen Tatobjekt und Rechtsgut in verschiedenen Räumen des Objekts typischerweise unterschiedlich stark ausgeprägt sind. So dürfte wiederum für den Reglfall etwa der Keller eines Einfamilienhauses nicht in gleicher Weise der zentrale Ort der Lebensgestaltung innerhalb des Hauses sein, wie etwa das Wohnzimmer oder die Küche. Dennoch ist auch der lediglich auf den Keller des beispielhaft genannten Hauses beschränkte Brand grundsätzlich 124 das Inbrandsetzen einer Räumlichkeit i.S.v. § 306 a Abs. 1 N r . l . 1 2 5 Die entscheidende Abweichung zu dem Inbrandsetzen eines nicht wohnlich genutzten Teils einer einheitlichen Räumlichkeit besteht darin, daß die Nutzung dieses Teiles in keinerlei Zusammenhang mit der Wohnnutzung besteht und daher selbst ein schwacher Bezug zu der die Tatobjektseigenschaft begründenden Wohnnutzung nicht existiert. Statt auf die bauliche Beschaffenheit der einheitlichen Räumlichkeit zu rekurrieren, ist auch bei Mischnutzung strikt auf die tatsächliche Nutzung des jeweils in Brand gesetzten Teils abzustellen. Jeder Teil, der im Zusammenhang mit der ausgeübten Zweckbestimmung, als Wohnung zu dienen, steht, gilt als Räumlichkeit gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l. Ist dieser Teil in Brand gesetzt, greift der objektive Tatbestand des § 306 a Abs. 1 Nr.l ein. Die Anwendung des vorgeschlagenen Kriteriums kann sich mit der an der baulichen Beschaffenheit ausgerichteten Ansicht des Bundesgerichtshofes zu § 306 Nr.2 a.F. überschneiden. Wird etwa ein 124 Das Inbrandsetzen wesentlicher Gebäudebestandteile ist dabei vorausgesetzt, auf diese Voraussetzung bezieht sich die Einschränkung. 125 Wie hier Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 163 zu § 306 Nr.2 a.F.

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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Treppenhaus, das dem Zugang sowohl zu wohnlich wie gewerblich genutzten Teilen eines einheitlichen Gebäudes126 dient, in Brand gesetzt, richtet sich die Strafbarkeit des Täters nach § 306 a Abs. 1 Nr.l, weil das Treppenhaus einen funktionalen Zusammenhang mit der Wohnnutzung aufweist. Die vorgestellte Sichtweise wird nicht ohne Widerspruch bleiben. Die Diskussion um das Inbrandsetzen gemischt genutzter Objekte ist geprägt von Sachverhalten, in denen ein im Sinne der Kriterien des Bundesgerichtshofs einheitliches Brandobjekt sowohl Wohn- als auch gewerblichen Zwecken dient. Dabei gerät die Vielschichtigkeit der Fallgestaltungen leicht aus dem Blick. Denkt man sich ein Mehrfamilienhaus mit einem den Zugang zu allen Wohnungen ermöglichenden Treppenhaus und zwei Wohnungen pro Stockwerk, so ist es trotz tendenzieller Wohnungsknappheit nicht ausgeschlossen, daß eine der Wohnung für einen geraumen Zeitraum nicht bewohnt ist. Da es für die Tatobjektseigenschaft auf die tatsächliche Nutzung und nicht auf eine Eignung oder Bestimmung ankommt, ist, bei konsequentem Fortdenken des entwickelten Gedankens, das Inbrandsetzen der nicht bewohnten „Wohnung" zumindest nicht als vollendete Brandstiftung nach § 306 a Abs. 1 Nr.l strafbar, weil es an einem tauglichen Tatobjekt fehlt. Eine solche Lösung ist nicht unproblematisch, führt sie doch dazu, eine Tathandlung straffrei zu lassen, die - wegen der Einheitlichkeit des Objekts nach Maßgabe der Kriterien des Bundesgerichtshofs - in genereller und (jedenfalls bei Fehlen von Brandschutzeinrichtungen zwischen den einzelnen Wohnungen) konkreter Sichtweise als für die geschützten Rechtsgüter gefährlich anzusehen ist. Ein solches Defizit muß hingenommen werden. Einerseits bewirkt das Abstellen auf die bauliche Einheitlichkeit des Brandobjekts in echten Mischnutzungsfällen eine Strafbarkeitsausdehnung auf Sachverhaltskonstellationen, in denen die Tathandlungen noch nicht einmal generalisierend als gefährlich für das geschützte Rechtsgut anzusehen sind. Damit aber verlöre die Bestrafung aus § 306 a Abs. 1 Nr.l tendenziell ihre Legitimation, weil nicht nur einzelne Tathandlungen aus der Klasse der generell gemeingefährlichen in concreto nicht gefährlich wären, sondern ein ganzer Typus von Tathandlungen, der sich nach generellen Maßstäben beschreiben läßt, Gefährlichkeit für das Rechtsgut vermissen ließe. Andererseits bleiben die aufgerissenen Strafbarkeitslücken moderat. In der beschriebenen Sachverhaltsgestaltung liegt ein Versuch des § 306 a Abs. 1 Nr.l sehr nahe. Zudem wird regelmäßig eine Strafbarkeit wenigstens aus § 306 a Abs. 2 (Tatobjekt nach § 306 Abs. 1 N r . l ) eingreifen. Für das geschilderte Beispiel des Mehrfamilienhauses liegt selbst bei Brandlegung in dem aktuell nicht als Wohnung genutzten Teil eine konkrete Gesundheitsgefahr für die Bewohner der übrigen Wohnungen regelmäßig auf der Hand.

126 Der Zugriff des BGH auf die Einheitlichkeit des Gebäudes wird nach der hier vertretenen Lösung nicht obsolet, verliert aber seine ihm vom BGH beigelegte überragende Bedeutung.

1

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung" 2. Die Tathandlungen

Die Tathandlung des Inbrandsetzens markierte die Stärken wie die Schwächen des früheren Brandstrafrechts hinsichtlich des Rechtsgutsschutzes in besonderer Weise. Stärke in Relation zu schutzrichtungsgleichen Verletzungsoder konkreten Gefährdungsdelikten zeigt das Inbrandsetzen, weil die Tathandlung jedenfalls bei herkömmlichem Begriffsverständnis die Verlagerung des Vollendungszeitpunktes auf ein Stadium herbeiführt, in dem der Brand noch gelöscht (arg. § 306 e Abs. l/§ 310 a.F.) und damit eine konkrete Gefahr wie erst recht eine Verletzung der geschützten Rechtsgüter bzw. ihrer Träger ausgeschlossen werden können. Schwäche offenbart die Tathandlung aber dort, wo das Tatmittel Feuer an Tatobjekten angewendet wird, die zwar der Begriffsbestimmung der Objekte nach § 306 a Abs. 1 unterfallen, aber aus unbrennbaren Materialien bestehen und aus diesem Grund nicht als solche in Brand gesetzt werden können. 127 Bei dieser Schwäche des früheren Rechts setzt die Reform durch das 6. StrRG an und ergänzt das überkommene Inbrandsetzen durch die wenigstens partielle Zerstörung des Tatobjekts mittels Brandlegung (dazu unten c.). a) Inbrandsetzen und Tatvollendung Das Inbrandsetzen als alleinige Tathandlung aller Brandstiftungsdelikte früheren Rechts wurde soweit ersichtlich in allen Tatbeständen einheitlich verstanden. Ein Tatobjekt ist dann in Brand gesetzt, wenn das Objekt derart vom Feuer ergriffen ist, daß es auch nach Entfernen oder Erlöschen des Zündstoffs selbständig weiterbrennen kann. 128 Diese Definition wurde ergänzt um weitere Momente, die sich ersichtlich jedoch lediglich auf Brandstiftung an Gebäuden, Schiffen, Hütten sowie Räumlichkeiten bezogen und auf den größeren Teil der Tatobjekte nach § 306 Abs. 1 angesichts der tatsächlichen Beschaffenheit dieser Objekte nicht ohne weiteres gemünzt sein können und auch für einen großen Teil der Handlungsobjekte des § 308 a.F. nicht gemünzt sein konnten. Für Räumlichkeiten (und in der Beschaffenheit verwandte Objekte) gilt: Es genügt nicht das selbständige Weiterbrennen irgendwelcher Teile des Objektes, sondern das Inbrandsetzen muß solche Teile der Räumlichkeit betreffen, die „für dessen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung" sind. 129 Weiterhin findet sich in

127 Siehe dazu aus unterschiedlichen Perspektiven Breitfeld, Brandkriminalität, S. 18 f. sowie Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 10 a.E. 128 Insoweit allgemeine Meinung; vgl. nur Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 9 und Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 2 mit umfassenden Nachw. in Fußn. 1. 129 Stdg. Rspr. des BGH; etwa BGHSt 16, 109, 110; BGH NStZ 1981, S. 200; BGHSt, 34, 115, 117; weit Nachw. bei Wolff in: LK, § 306 Rdnr. 2 Fußn. 1.

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der Rechtsprechung eine von BGHSt 18, 363 geprägte Formel, die seitdem in nachfolgenden Entscheidungen häufig aufgegriffen worden ist. Danach ist es für die Tathandlung nicht ausreichend, daß „nur die Vernichtung eines unbedeutenden Teiles des Gebäudes" droht oder nur ein Gebäudeteil von „untergeordneter Bedeutung" brennt und lediglich seine Zerstörung eintreten kann. Stattdessen ist erforderlich, daß der „Brand sich auf Teile des Gebäudes ausbreiten kann, die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung sind". 130 Manche Stimmen im Schrifttum haben diese letztgenannten Formulierungen aufgenommen und erwecken nach der Art der Darstellung den Eindruck, es handele sich bei der dem Worte nach verlangten Ausbreitungs- bzw. Zerstörungsmöglichkeit („auf Teile des Gebäudes ausbreiten kann"/"mögliche Zerstörung wesentlicher Teile des Gebäudes ausreicht") um ein zusätzliches, das Inbrandsetzen wesentlicher Gebäudeteile ergänzendes Gefahrmoment. 131 Versucht man aus diesen Definitionen den Kern der Begriffsbestimmung des Inbrandsetzens zu extrahieren, gewinnt man zwei zentrale Aussagen: Erstens genügt ein Inbrandgeraten von wesentlichen Bestandteilen des Tatobjekts, wobei nochmals zu betonen ist, daß diese Sichtweise unmittelbar lediglich für Räumlichkeiten und diesen in ihrer Beschaffenheit verwandte Tatobjekte gelten kann. Die Wesentlichkeit ist an dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Objekts zu messen. Zweitens ist das Weiterbrennen des Tatobjekts bzw. seiner wesentlichen Bestandteile aus eigener Kraft unabhängig von dem Brennen des verwendeten Zündstoffs erforderlich. Dabei ist ein Brennen des Objekts in heller Flamme nicht notwendig, es genügen Glimm- und Schwelbrände. 132 Allerdings muß auch tatsächlich ein Brand entstanden sein, so daß das Ansengen oder Ankohlen des Objekts zutreffend für nicht ausreichend gehalten werden. 133 Dies ergibt sich bereits aus dem Erfordernis des selbständigen Weiterbrennens. Eine solche Erheblichkeitsschwelle ist bei Ansengen und Ankohlen noch nicht erreicht. Ob neben den genannten Merkmalen ein drittes Element, das sich als im konkreten Fall festzustellende Möglichkeit einer Zerstörung funktionswesentlicher Teile des Objekts darstellt, für notwendig gehalten wird, ist den Äußerungen deijenigen, die so formulieren, nicht eindeutig zu entnehmen. Wenn eine „Eignung" der konkreten Tathandlung zur Zerstörung funktionswesentlicher Bestandteile als Element der Tathandlung des Inbrandsetzens gemeint sein sollte, trifft diese Auffassung nicht zu. Ein solches Gefahrmoment, dessen Kriterien im übrigen weithin unklar wären, enthält das Inbrandsetzen nicht. Die Forderung nach - offenbar konkret verstandener - Eignung der Tathandlung zur wenigstens partiellen Zerstörung des Tatobjekts gibt den Charakter der schwe-

130 131 132 133

BGHSt 18, 363, 364 f.; vgl. auch BGHSt 34, 115, 117. Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 10. Nachw. bei Wolff, in: LK; § 306 Rdnr. 2 und Geppert, Jura 1989, S. 417, 422. BGH, NStZ 1982, S. 201.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

ren Brandstiftung als abstraktes Gefährdungsdelikt preis, ohne einen sachlichen Grund dafür benennen zu können. Für die geschützten Rechtsgüter intensiviert sich weder die generelle noch die konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung durch die im Einzelfall erforderliche Zerstörungseignung, weil dieses Kriterium allenfalls einen schwachen Bezug zum Rechtsgut enthält und sich in erster Linie an den Konsequenzen der Tathandlung für das Tatobjekt orientiert. Generell wie konkret - das Vorhandensein eines Rechtsgutsträgers im Wirkungsbereich der Tathandlung vorausgesetzt - lebensgefährlich ist das Inbrandsetzen unabhängig von den Möglichkeit einer Zerstörung des Tatobjekts durch die Tathandlung. Die Forderung, die Tathandlung des Inbrandsetzens müsse die Eignung zur Zerstörung funktionswesentlicher Teile des Brandobjekts aufweisen, läßt sich auch vor dem Hintergrund der neuen Tathandlungen des teilweisen oder gänzlichen Zerstörens des Objekts durch Brandlegung nicht halten. Diese Handlungen beziehen sich auf Konstellationen, in denen vor allem wegen der baulichen Beschaffenheit des Objekts dessen bestandswesentliche Teile nicht im Sinne eines Inbrandsetzens vom Feuer ergriffen werden können. Das Gefährlichkeitspotential solcher Handlungen ist daher gänzlich anders geartet als das des Inbrandsetzens. Bei dem Inbrandsetzen geht es a priori um die Rechtsgutsgefahren, die aus dem Inbrandgeraten des Brandobjekts resultieren. Bei der Zerstörung geht es dagegen (auch) um die Entwicklung gesundheits- oder gar lebensgefährlicher Gasverbindungen aufgrund des Brennens nicht bestandswesentlicher Teile (z.B. Teppichböden) und von Inventar, möglicherweise auch um die Explosionswirkung des zur Tatbegehung verwendeten Brandbeschleunigers, 134 wenn und soweit aus der Brandlegung sich eine mindestens partielle Zerstörung des Brandobjekts entwickelt hat. Quelle der Gefährlichkeit der Brandlegung für die geschützten Rechtsgüter ist aber nicht notwendig dieser Einwirkungsgrad auf das Tatobjekt (Zerstörung), sondern die von der Wirkkraft auf das Objekt unabhängige unspezifische Gefährlichkeit für die Rechtsgüter (Gasentwicklung, Explosion etc.). Will man dieses dem überkommenen Inbrandsetzen nicht entsprechende Gefährlichkeitspotential in seiner Wirkungsweise nicht unmittelbar auf die geschützten Rechtsgüter/Rechtsgutsträger beziehen - wie etwa mit § 306 Abs. 2 RegE 6. StrRG in dessen ursprünglicher Fassung vorgesehen - , 1 3 5 sondern an einer Vermittlung der Rechtsgutsbeeinträchtigung durch den Angriff auf das Tatobjekt festhalten, bedarf es außer der Festlegung, daß die Handlung auf das Tatobjekt eingewirkt haben muß, auch der Bestimmung des notwendigen Einwirkungsgrades der Tathandlung auf das Objekt. Dem Inbrandsetzen ist die Einwirkung auf das Tatobjekt mit einer gewissen Erheblichkeit (Möglichkeit seines selbständigen Weiterbrennens) dagegen immanent.

134 135

Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 69 f. - Stellungnahme des Bundesrates. Dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 ff.

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Bestritten ist, ob es mit dem Inbrandsetzen von funktionswesentlichen Teilen des Objekts sein Bewenden haben kann oder ob das Inbrandsetzen der Räumlichkeit selbst zu verlangen ist. 1 3 6 Der Wortlaut spricht für die letztgenannte Auffassung von Kratzsch. Das Gesetz sagt: Inbrandsetzen von Räumlichkeiten, Gebäuden, Schiffen, Hütten etc. Von einem Inbrandsetzen der - nach welchem Wesentlichkeitsmaßstab auch immer zu bestimmenden - Bestandteile ist nicht die Rede. Darüberhinaus „paßt" die Wesentlichkeitsformel ohnehin lediglich für einen Teil der Tatobjekt der Brandstiftung. Auch die aus der Unbeherrschbarkeit des Tatmittels Feuer ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle resultierende generelle Gemeingefährlichkeit des Inbrandsetzens ist mit einer höheren Vollendungsschwelle der Tat (Brennen des Gebäudes etc. selbst) besser zu vereinbaren als das zeitlich frühe und damit häufig noch für den Täter beherrschbare Inbrandsetzen von wesentlichen Bestandteilen. Zu folgen ist Kratzsch dennoch nicht. Abgesehen von den bereits geäußerten Vorbehalten gegen die Konstruktion eines objektivierten Gefahrurteils und der „vollendungsnahen Gemeingefahr" sowie des von ihm behaupteten verletzungsnahen Erfolgsunwertes der schweren Brandstiftung, auf der seine Bestimmung der Tathandlung und ihres Vollendungszeitpunktes aufbaut, 137 kann das Inbrandsetzen eines Objekts aus praktischen Gründen gar nicht ohne das Inbrandsetzen der das Objekt bildenden Bestandteile erfaßt werden. Die Räumlichkeit ist nichts anderes als die Summe ihrer Bestandteile und es gilt, um der Vorgabe des Gesetzes (Inbrandsetzens der Räumlichkeit) zu entsprechen, die Bestandteile nach generalisierbaren Kriterien herauszufiltern, die „die Räumlichkeit" gleichsam symbolisieren. Anderenfalls droht die zum alten Recht zu beobachtende weitgehend konturlose Kasuistik wesentlicher Bestandteile, bei der ein sicheres Urteil über die Wesentlichkeit kaum abzugeben ist. Die Vorstellung von Kratzsch, Vollendung der Tat erst mit dem Inbrandsetzen des Gebäudes selbst anzunehmen, ist zudem nur schwer mit den Anforderungen der tätigen Reue (§ 306 e Abs. 1 /§ 310 a.F.) in Einklang zu bringen. 138 Kratzsch knüpft, methodisch einleuchtend, 139 den Vollendungszeitpunkt an den Eintritt einer „vollendungsnahen Gemeingefahr", für deren Vorliegen wiederum der Verlust der Beherrschbarkeit des Brandes von entscheidender Bedeutung ist. Bevor der Täter die Kontrolle über den Brand verliert (damit kann allein die Möglichkeit, den Brand zu löschen, gemeint sein), fehlt es an einer menschengefährdenden Gemeingefahr und damit an der Vollendung

136 So Kratzsch, JR 1987, S. 360, 363 bzgl. Gebäude iSv. § 306 Nr.2 a.F.; auch Geppert, Jura 1989, S. 417, 422 spricht von einem Brennen des Gebäudes selbst, verbindet damit aber eine andere Vorstellung als Kratzsch, weil Geppert aaO. ausdrücklich den Brand bestimmungsgemäß wesentlicher Bestandteile für ausreichend hält. 137 Oben l.Kap.B.IV. 138 Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 163. 139 Oben l.Kap.B.III.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

der schweren Brandstiftung. 140 §306 e Abs. 1 legt wie zuvor §310a.F. die Rücktrittshandlung der tätigen Reue aber auf ein Stadium der Tatausführung fest, in dem der Täter den gelegten Brand noch löschen kann und damit auf ein Stadium, in dem nach Kratzsch die Vollendung der Tat noch nicht eingetreten sein soll. Die Unvereinbarkeit mit § 306 e Abs. 1 (§310 a.F.) wäre hinnehmbar, wenn der Rücktritt vom Versuch (§ 24) und die tätige Reue der Brandstiftung einander entsprechende Voraussetzungen sowie übereinstimmende Rechtsfolgen aufwiesen. Gerade das ist jedoch nicht der Fall. Zwar hat das 6. StrRG die Tatbestandsvoraussetzungen des Rücktritts einerseits und der tätigen Reue (§ 306 e) andererseits insoweit harmonisiert, als auch die tätige Reue - anders als zuvor § 310 a.F. 141 - auf die Freiwilligkeit der Erfolgsabwendung abstellt. Entgegen dem alten Recht divergieren nunmehr aber die Rechtsfolgen der Straffreiheitsvorschriften. Während der Rücktritt obligatorisch zum Strafausschluß fuhrt, gewährt § 306 e Abs. 1 fakultativ Straffreiheit oder gar nur Strafmilderung. An der vorherrschenden Sichtweise, das Inbrandsetzen von Räumlichkeiten und beschaffenheitsähnlichen Tat-objekten anhand der Auswirkungen des Feuers auf die funktionswesentlichen Bestandteile zu messen, ist daher im Grundsatz festzuhalten. Die geläufige Formel, nach der es auf das Inbrandsetzen der für den bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlichen Teile des Objekts ankommen soll, bietet nicht mehr als eine sehr grobe Leitlinie. Präzisierungen lassen sich aber unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte gewinnen. Weil der Wortlaut des § 306 a eindeutig auf das Inbrandsetzen der Räumlichkeit abstellt, kommt es auf die Auswirkung der Tathandlung an der Substanz der Räumlichkeit an. D.h. wesentliche Bestandteile, deren Inbrandsetzen den Brand des Objekts insgesamt ausmachen, können lediglich solche Teile des Objekts sein, die wegen ihrer baulichen Beschaffenheit und ihrer Funktion im Gesamtgefüge für dessen Bestand von Bedeutung sind. Aus der Orientierung an dem Wortlaut „Inbrandsetzen der Räumlichkeit" läßt sich weiterhin ableiten, daß es auf Teile der Räumlichkeit ankommt und nicht lediglich auf Gegenstände, die sich in dem Brandobjekt befinden. Solche Einrichtungsgegenstände sind zwar regelmäßig für die Art und Weise der Nutzung des Tatobjektes von Bedeutung und bestimmen diese mit, für das Verständnis der Tathandlung des Inbrandsetzens bleiben sie aber irrelevant. Die Nutzungsart sondert lediglich aus dem großen Kreis der Räumlichkeiten insgesamt diejenigen aus, die tatsächlich Wohnzwek-

140

Kratzsch, JZ 1987, S. 360, 363. Dazu Geppert, JR 1994, S. 72, 73 m.w.N sowie unten 7.Kap.B. Der RegE 6. StrRG harmonisiert zwar § 24 und § 306 e Abs. 1 (§ 310 a.F.) auf der Tatbestandsseite (stets „freiwillig"), gibt aber dafür - zu Unrecht - die Kongruenz auf der Rechtsfolgenseite auf (für tätige Reue im Grundsatz lediglich fakultativer Strafausschluß oder fakultative Strafmilderung); krit. dazu bereits Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 19 f., 30 ff 141

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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ken dienen und damit zu tauglichen Objekten gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l werden. Unter welchen Voraussetzungen von einem Inbrandsetzen der zum Wohnen tatsächlich genutzten Räumlichkeit gesprochen werden kann, hängt aber nicht von der Nutzungsart, sondern der baulichen Beschaffenheit des Objekts ab. Entscheidend für die Präzisierung der wesentlichen Bestandteile der Räumlichkeit ist allein deren Bedeutung für den Bestand des Objekts. Das folgt auch aus der spezifischen Gesetzestechnik der generell gemeingefährlichen Brandtatbestände. Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit werden wegen der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung in einer besonderen tatsächlichen Situation, dem Wohnen in einer Räumlichkeit, geschützt. Der Angriff gegen das Tatobjekt durch Feuer vermittelt den Rechtsgutsangriff. Ohne die Existenz eines den Rechtsgutangriff vermittelnden Tatobjekts bleibt nach geltendem Brandstrafrecht kein Raum für einen auf das Tatmittel Feuer beschränkten Schutz der genannten Rechtsgüter. Da nach dem Gesagten lediglich das Inbrandsetzen solcher Bestandteile der Räumlichkeit, die wesentlich für deren Bestand sind, mit dem Inbrandsetzen des Gebäudes als solchem gleichgesetzt werden kann, genügt der Brand von Einrichtungsgegenständen nicht für die Tathandlung des Inbrandsetzens. Das gilt unabhängig von der Art und Weise der Verbindung zwischen den Einrichtungsgegenständen und dem Objekt. Entgegen teilweise vertretener Ansicht 142 ändert daran auch ein fester Einbau des Gegenstandes nichts, wenn und soweit der (bisherige) Einrichtungsgegenstand durch den Einbau nicht zu einem bestandswesentlichen Teil der Räumlichkeit selbst wird. Die Abgrenzung zwischen Einrichtungsgegenständen und Teilen der Räumlichkeit, an denen das Inbrandsetzen vollzogen werden kann, richtet sich nach der Bedeutung des jeweiligen Teiles für den Bestand, die gegenständliche Existenz des Tatobjekts. Wesentliche Bestandteile der Räumlichkeit etc., mit deren Inbrandsetzen von einem Brand des Tatobjekts gesprochen werden darf, sind solche Teile, durch deren Zerstörung das Tatobjekt seine Funktion als Räumlichkeit usw. verlieren würde. Eine Orientierungshilfe für die tauglichen wesentlichen Bestandteile gewähren die in §§93, 94 BGB niedergelegten Grundsätze. 143 So bestimmt sich die Wesentlichkeit eines Sachbestandteils im Sinne von § 93 BGB danach, ob durch die Trennung eines Sachteiles der abgetrennte oder der zurückbleibende Bestandteil zerstört oder in seinem Wesen derart verändert ist, daß weder der abgetrennte noch der verbliebene Teil in seiner bisherigen Funktion sinnvoll zu nutzen sind. 144 Entsprechend wird auch für die Wesentlichkeit von Grundstücksbestandteilen auf die Beschädigung bzw. „Wesensänderung" der mit dem Grundstück verbundenen Sachen abgestellt.145

142 143 144 145

Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 2 m. Nachw. zu entsprechender Rechtsprechung. Skeptisch bezüglich § 94 Abs. 2 BGB Geppert, Jura 1989, S. 417, 422. Palandt-Heinrichs, § 93 Rdnr. 3. Palandt-Heinrichs, § 94 Rdnr. 2.

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

202

Ein weniger geeigneter Orientierungspunkt ist dagegen die Regelung in § 94 Abs. 2 BGB, 1 4 6 weil es für die Wesentlichkeit zur Herstellung eines Gebäudes eingefügter Gegenstände vor allem auch auf den Willen des Einfügenden ankommt, so daß durch dieses subjektive Moment für das Zivilrecht selbst solche Gegenstände zu wesentlichen Gebäudebestandteilen werden können, die tatsächlich für dessen Bestand und noch nicht einmal dessen spezifische Form erforderlich sind. 147 Mein Vorschlag, die Tathandlung des Inbrandsetzens auf den Brand von Teilen des Tatobjekts (Räumlichkeit und beschaffenheitsverwandte Objekte), die für dessen Bestand bedeutsam sind, zu beschränken, führt im Vergleich zu der bisherigen Sichtweise (bzgl. § 306 Nr.2 a.F.) zu einer erheblichen Einschränkung der Anwendbarkeit von § 306 a Abs. 1 Nr.l wie auch der übrigen Fälle schwerer Brandstiftung. Als wesentliche Bestandteile verbleiben die Wände und Mauern der Räumlichkeit ebenso wie das Dach einschließlich der dieses tragenden Konstruktion. Erfaßt sind aber auch etwa Treppen und Treppenhäuser, die der Verbindung zwischen verschiedenen Teilen oder Stockwerken eines Gebäudes dienen. Deren Einbeziehung folgt aus der Begriffsbestimmung des „Gebäudes", die das Element der „Eignung zum Betretenwerden durch Menschen" umfaßt. Besteht ein Gebäude aber aus mehreren Ebenen, die lediglich durch Treppen untereinander erreichbar sind, entfällt die Eignung, durch Menschen betreten zu werden, und damit das Tatobjekt Gebäude, wenn die Treppen etc. nicht mehr vorhanden sind. Auch das Brennen der Fußböden als solcher (nicht lediglich der auf den Boden aufgebrachten Beläge) genügt für ein Inbrandsetzen eines wesentlichen Gebäudebestandteiles, weil diese gleichsam die Abgrenzung des Gebäudes nach unten markieren oder bei Stockwerksbauten für die Eignung, betreten zu werden, faktisch notwendig sind. Dagegen kann das Inbrandsetzen etwa von Fenstern und Türrahmen nicht ausreichen. 148 Wenn entsprechend der von BGHSt 7, 107 ff. begründeten Sichtweise, der das Schrifttum zu Recht ganz überwiegend gefolgt war, das Vorhandensein von Fenstern und Türen keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Gebäudes gemäß § 306 Nr.2 a.F. sein sollte, ist es widersprüchlich, das Inbrandsetzen solcher Fenster- und Türrahmen mit dem Inbrandsetzen des Gebäudes gleichzusetzen. Entweder Fenster und Türen statuieren die Gebäudeeigenschaft mit, oder sie tun dies eben nicht. Für den neuen Zentralbegriff „Räumlichkeit" und die übrigen Tatobjekte des § 306 a Abs. 1 Nr.l gelten die vorstehenden Grundsätze ebenfalls, wenn und soweit dem „Gebäude" entsprechende bauliche Beschaffenheiten existieren.

146

Die Skepsis von Geppert (Fußn. 143) ist daher berechtigt. Palandt-Heinrichs, § 94 Rdnr. 6. 148 So aber die bisherige Sichtweise; vgl. die Übersicht bei Wolff, Rdnr. 2. 147

in: LK, § 306

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

203

Die vorgeschlagene Bestimmung der Tathandlung und daraus folgend des Vollendungszeitpunktes scheint auf die - kritisierte - Ansicht von Kratzsch über das Inbrandsetzen des Gebäudes bzw. nunmehr der Räumlichkeit selbst hinauszulaufen. Die Übereinstimmung ist jedoch nur scheinbar. Der gravierende Unterschied zu Kratzsch besteht darin, das Inbrandsetzen nicht von einer „vollendungsnahen Gemeingefahr", die letztlich die konkrete Unbeherrschbarkeit des Feuers erfordert, abhängig zu machen. Inbrandsetzen von bestandswesentlichen Teilen bedeutet lediglich, daß diese selbständig von dem Feuer ergriffen sein müssen, trifft aber keine Aussage über den Umfang des Inbrandsetzens. Der Brand einer die Räumlichkeit nach außen abgrenzenden Wand ist nicht generell unbeherrschbar, sondern die Möglichkeiten des Löschens und damit der Beherrschbarkeit des Brandes hängt von den konkreten Umständen insbesondere dem Umfang des Brandes ab. Für tätige Reue des Täters bleibt daher auch dann Raum, wenn abweichend von dem bisherigen Verständnis die als tatobjektsvertretend aufgefaßten wesentlichen Bestandteile der Räumlichkeit auf die bestandswesentlichen beschränkt werden. Das Abstellen auf bestandswesentliche Teile des Tatobjekts harmonisiert die Tathandlung des Inbrandsetzens mit den neuen Tathandlungen des vollständigen oder teilweise Zerstörens durch Brandlegung. Mit diesen Tathandlungen verfolgen die Reformer das Ziel, auch solche Fallgestaltungen als Brandstiftung zu erfassen, in denen die Tatobjekte und ihre wesentlichen Bestandteile aus unbrennbaren Materialien bestehen, mithin nicht in Brand gesetzt werden können. Zerstörung durch Brandlegung bezieht sich notwendigerweise auf den Bestand des Tatobjekts, so daß eine Ausrichtung der „klassischen" Tathandlung des Inbrandsetzens an den für den Bestand wesentlichen Teilen ebenfalls naheliegt. Dies gilt umso mehr als anderenfalls die Vollendungszeitpunkte der unterschiedlichen Tathandlungen vollständig auseinander zu laufen drohen. Das wäre aber angesichts der durch das neue Recht nur auf der Tatbestandsseite, nicht aber auf der Rechtsfolgenseite aufeinander abgestimmten Rücktrittsregeln (§ 24 einerseits/§ 306 e [tätige Reue] andererseits) nicht hinnehmbar. 149 Welche Konsequenzen sich aus dem zum Inbrandsetzen Gesagten für die Vornahme der Tathandlung an solchen Tatobjekten, die ihrer Beschaffenheit nach nicht mit Räumlichkeiten vergleichbar sind, ergeben, wird des Sachzusammenhanges wegen im § 306 betreffenden 4. Kapitel dargestellt.

149

Dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 19 f., 30 ff.; sowie bereits oben Text bei Fußn. 141.

204

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung" b) Inbrandsetzen am brennenden Tatobjekt

Auf der Grundlage der bestandsbezogenen Sichtweise der Tathandlung lassen sich auch besondere Fallgestaltungen des Inbrandsetzens eines Tatobjektes lösen, deren gemeinsamer Kern darin besteht, daß die (mögliche) Tathandlung an einem Tatobjekt vorgenommen wird, welches bereits in Brand gesetzt ist. Worin die konkrete Ursache des zeitlich ersten Inbrandsetzens besteht (nicht tatbestandlich durch Selbstentzündungen etc./tatbestandlich), ist für die Lösungsüberlegungen irrelevant. Die Fallgestaltungen der Vornahme der Tathandlung am bereits brennenden Objekt laufen bei der Art und Weise des Vorgehens des - untechnisch - „zweiten Täters" auseinander. Unterschieden werden das Hervorrufen eines neuen Brandherdes (1) und das bloße Verstärken des bereits vorhandenen Brandes (2). Dabei soll davon ausgegangen werden, daß die beiden Fallgestaltungen verläßlich voneinander unterscheidbar sind. Das ist weniger gesichert, als die bisherige Diskussion erahnen läßt. So ist in der stets als Schulfall des Verstärkens herangezogenen Entscheidung OLG Hamm JZ 1961, S.94 die Rede davon, daß durch Ausgießen von Öl in einem brennenden Haus sich das bereits vorhandene Feuer schneller ausbreitete, heftiger brannte als zuvor und Teile des Gebäudes erreichte, die bis zu dieser Verstärkungshandlung noch nicht vom Feuer erfaßt waren. Letzterer Umstand läßt sich möglicherweise auch in Richtung auf das Bewirken eines neues Brandherdes verstehen. (1) Das Inbrandsetzen einer bereits brennenden Räumlichkeit durch das Verursachen eines neuen Brandherdes bietet keine besonderen Probleme in der Rechtsanwendung. Solange ein Tatobjekt durch den ersten Brand seine Eigenschaft, Räumlichkeit, die tatsächlich Wohnzwecken dient, zu sein, aufgrund des durch das Feuer eingetretenen Zerstörungsgrades nicht verloren hat, besteht ein taugliches Handlungsobjekt an dem eine weitere Brandstiftung vollzogen werden kann. 150 Das Bewirken eines weiteren Inbrandsetzens an einem (noch) tauglichen Tatobjekt ist für den Handelnden (oder den pflichtwidrig unterlassenden Garanten) 151 stets Täterschaft, wenn und soweit er die Tathandlung selbst ausführt. Welche Intention der Zweittäter mit der Tat verfolgt (etwa Verstärkung des Brandeffektes zum Zwecke der Unterstützung des ersten Täters), ist für die Frage von Täterschaft und Teilnahme dann irrelevant. Voraussetzung ist jedoch stets, daß die zweite Tathandlung das Inbrandsetzen bestandswesentlicher Teile des Objekts hervorruft. Außer der Frage nach der fortbestehenden Existenz einer Räumlichkeit im Zeitpunkt der zweiten Tathandlung ist bei Zweithandlungen stets zu prüfen, ob die Räumlichkeit usw. in Folge des ersten Brandes tatsächlich noch Wohnzwecken dient. So kann die Wohnnutzung be150 Insoweit allg. Meinung; Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 2 m. Fußn. 3; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 13; ausführlich Klussmann, MDR 1974, S. 187 ff. 151 Dazu unten ó.Kap.A.

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reits zu einem früheren Zeitpunkt durch den Brand aufgehoben sein als die Gebäudeeigenschaft des jeweiligen Tatobjekts selbst. Im Einzelfall kommt daher für die zweite Tathandlung an einem (ursprünglich) Wohnzwecken dienenden Gebäude (Räumlichkeiten sind in § 306 Abs. 1 Nr.l nicht erfaßt) lediglich eine Strafbarkeit gemäß § 306 Abs. 1 in Betracht, wenn durch das erste Inbrandsetzen die Wohnnutzung tatsächlich beendet worden ist, bevor das zweite Inbrandsetzen erfolgt, und die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 306 Abs. 1 vorliegen. (2) Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich dagegen für solche Konstellationen, in denen ein bereits vorhandener Brand (im Sinne des Inbrandsetzens) durch Handlungen einer anderen Person in seiner Wirkung auf das Tatobjekt verstärkt wird, also die Konstellationen des sprichwörtlichen „Öl in das Feuer gießen", ohne daß die Verstärkungshandlung ihrerseits zu einem neuen von dem zeitlich ersten unabhängigen Brandherd geführt hat. Die Lösungen in Rechtsprechung und Schrifttum reichen von täterschaftlicher Begehung (entsprechend oben [ l ] ) , 1 5 2 über Beihilfe 153 bis hin zu Straflosigkeit. 154 Jedoch sind die Fallgestaltungen vielschichtiger als meist angenommen. Den üblichen Lösungsvorschlägen liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, daß ein bestehender Brand, der bereits zu einem vollendeten Inbrandsetzen geführt hat, durch die Zweithandlung verstärkt wird. Das muß nicht notwendigerweise so sein. Denkbar ist auch, daß die Verstärkungshandlung zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, in dem das zeitlich erste Feuer noch kein vollendetes Inbrandsetzen bewirkt hat. In einem solchen Fall kann das Verstärken dieser Tathandlung selbst täterschaftliches vollendetes Inbrandsetzen sein. Die Lösung richtet sich nach den allgemeinen Regeln über alternative oder kumulative Kausalität, wenn die Verstärkungshandlung im Zusammenwirken mit der Ersthandlung zu einem zeitlich früheren oder einem anders gearteten Inbrandsetzen geführt hat, als dies durch die Ersthandlung allein der Fall gewesen wäre. Hatte dagegen das zeitlich erste Feuer bereits die Vollendung der Tat durch Inbrandsetzen eines bestandswesentlichen Gebäudeteils herbeigeführt, kann das Verstärken dieses Brandes nach dem Wortlaut des „Inbrandsetzens" keine täterschaftliche Begehung des § 306 a Abs. 1 Nr.l mehr darstellen. Wie von Geppert bezüglich § 306 a.F. zutreffend vorgestellt, weist der Zusammenhang zwischen der Vorsilbe „in" und dem nachfolgenden „Brand setzen" eindeutig auf einen „initiativen Vorgang,

152

OGH, JR 1950, S. 404; Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 12; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 13; Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 2; Rudolphi, Festschrift für Jescheck, Band I, S,559, 561 ff. 153 OLG Hamm, NJW 1960, S. 1874 = JZ 1961, 94 m. zust. Anm. Stratenwerth JZ 1961, 95 ff.; RGSt 71, 193 m. die Beihilfe ablehnender Anm. von Gallas, ZAkDR 1937, S. 438. 154 Offenbar BayObLG, NJW 1959, S. 1885; Maurach/Schroeder/Maiwald; BT 2, § 51 Rdnr. 5; Stratenwerth, JZ 1961, S. 95 ff.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

d.h. auf die selbständige Schaffung des verbotenen Zustandes Brand hin". 1 5 5 Diese Wortlautgrenze läßt sich auch nicht mit Erwägungen zu Kausalität und objektiver Zurechnung der Brandverstärkung überspielen. Rudolphi 156 ist hinsichtlich des Sachverhaltes aus OLG Hamm JZ 1961, S.94 durchaus zuzustimmen, daß das „Öl in das Feuer gießen" sowohl eine gesetzmäßige Bedingung für die Ausbreitung des Feuers darstellt als auch die Gefahr des völligen Niederbrennens des Hauses in objektiv zurechenbarer Weise erhöht hat. Nur ist damit nichts darüber ausgesagt, daß das Verstärken eines Brandes ohne Überschreitung der Wortlautgrenze mit dem Inbrandsetzen in Einklang zu bringen ist. Es bleibt für die Fälle des Verstärkens eines bereits die Vollendungsschwelle erreichten Brandes lediglich eine gehilfenschaftliche Beteiligung an dem (ersten) Inbrandsetzen möglich, wenn man eine (sukzessive) Beihilfe in dem Stadium zwischen formeller Vollendung und materieller Beendigung der Tat für möglich hält. 157 Die materielle Beendigung der schweren Brandstiftung tritt erst mit dem Ende der Objektseigenschaft der Räumlichkeit oder - wenn das erfolgreiche Löschen in einem Stadium vor der Aufhebung der Objektseigenschaft gelingt - mit dem vollständigen Löschen bzw. Erlöschen des Feuers ein. Dieser Zeitpunkt markiert die zeitliche Grenze der Beteiligung an einer Brandstiftung. 158 Unterstützungshandlungen nach diesem Stadium, mögen sie sich auch auf noch brennende Reste einer vormaligen Räumlichkeit auswirken, sind nicht mehr als Brandstiftung bzw. Beihilfe dazu strafbar. Die Beschränkung auf eine gehilfenschaftliche Beteiligung durch das ausschließliche Verstärken eines bereits formell vollendet in Brand gesetzten Tatobjekts führt eingestandenermaßen zu Strafbarkeitslücken. Beruht der erste Brandherd auf natürlichem Vorgang im Wege der Selbstentzündung (Blitzschlag etc.) oder handelte der erste Brandstifter - nicht widerlegbar - lediglich fahrlässig, ist die Strafbarkeit des den Brand verstärkenden zweiten Handelnden 159 als Gehilfe mangels Haupttat ausgeschlossen. Eine solche Strafbarkeitslücke, deren praktische Relevanz sich ohnehin in höchst überschaubaren Grenzen halten dürfte, ist jedoch eine aus der Fassung der Tathandlung des Inbrandsetzens resultierende Konsequenz, die lediglich mittels Erweiterung der Tathandlungen, wie sie nunmehr erfolgt ist, aufgehoben werden kann.

155

Geppert, Jura 1989, S. 417, 423. in: Festschrift für Jescheck, Band I, S. 559, 564. 157 So im Ergebnis richtig OLG Hamm, NJW 1960, S. 1874. 158 Ähnlich Klussmann, MDR 1974, S. 187, 189, der allein auf das vollständige Abbrennen des Tatobjekts abstellt. 159 Unter welchen Voraussetzungen ein zunächst fahrlässiger Brandstifter anschließend an demselben Tatobjekt Brandstiftung durch Unterlassen verwirklichen kann, unten 7.Kap.A.; zum Problem ausführlich Klussmann, MDR 1974, S. 187 ff. 156

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c) Zerstörung durch Brandlegung Um die Grenze der Anwendbarkeit des bisherigen Brandstrafrechts im Falle der Verwendung von Feuer an bzw. in aus nicht brennbaren Materialien bestehenden Tatobjekten zu überwinden, erweitert das 6. StrRG die Tathandlung der Brandstiftung um das teilweise oder vollständige Zerstören des Brandobjekts durch Brandlegung. 160 In welchem Umfang die Beschränkung des früheren Rechts auf das Inbrandsetzen zu gravierenden - nicht über tatmitteloffene Verletzungsdelikte oder schutzrichtungsgleiche konkrete Gefährdungsdelikte behebbaren - Strafbarkeitslücken führte, ist empirisch nicht aufgeklärt. Die Begründung des Regierungsentwurfs spricht vorsichtig von „möglichen Strafbarkeitslücken". 161 Äußerungen von Polizeipraktikern vermitteln gelegentlich den Eindruck, der größte Teil von Fallgestaltungen der Anwendung von Feuer mit einem deliktischen Hintergrund sei nicht durch das überkommenee Brandstrafrecht zu erfassen gewesen.162 Derartige Einschätzungen beruhen allerdings auf der unzutreffenden Prämisse, jeden Fall des vorsätzlichen Einsatzes von Feuer als Brandstiftung sanktionieren zu müssen. Bedarf eigenständiger Sanktionierung als Brandstiftung besteht dagegen lediglich unter den Voraussetzungen der Vornahme einer generell gemeingefährlichen Tathandlung. Mit diesem Einwand gegen überzogene Diffamierungen des bisherigen Brandstrafrechts von Seiten der Strafrechtspraxis soll allerdings nicht geleugnet werden, daß ein nicht völlig zu vernachlässigendes Quantum an Fallgestaltungen existiert, bei denen „Brände" in aus nicht brennbaren Materialien bestehenden Tatobjekten zu erheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigungen führen, auf die jedoch §§ 306 ff. a.F. wegen der Beschränkung auf das Inbrandsetzen nicht paßten. Denkt man sich etwa den verheerenden Schwelbrand auf dem Düsseldorfer Flughafen im Jahre 1996 als vorsätzliche Tat, wären trotz der dortigen Todesfälle weder §§211 f. noch § 306 a.F. zwingend einschlägig. Nach dem in den Medien mitgeteilten Brandszenarium beschränkte sich das Feuer auf Teile des Flughafengebäudes (vor allem Kabelschächte), die nicht als wesentliche Bestandteile des Gebäudes anzusehen waren. Vor diesem Hintergrund ist die Aufnahme der Tathandlungen des vollständigen oder partiellen Zerstörens durch Brandlegung im Grundsatz berechtigt. 163

160

Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 69 f. (Bundesrat); BT-Drucks. 13/8587 S. 86 (Bundesregierung); BT-Drucks. 13/9064 S. 22 (Rechtsausschuß). 161 BT-Drucks. 13/8587 S. 48 li.Sp. 162 Exemplarisch Breitfeld, Brandkriminalität, Brandstiftung, S. 24: 75% aller „vorsätzlichen Inbrandsetzungen" fielen aus der offiziellen Brandstatistik heraus. 163 Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 16 ff. bzgl. der zunächst vorgeschlagenen Fassung „Zerstören durch Feuer oder Beschädigen durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß".

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Die Neugestaltung der Tathandlungen der Brandstraftatbestände ist während des Gesetzgebungsverfahrens intensiv diskutiert worden. Der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung hatte in enger Anlehnung an § 185 StGB-DDR zunächst die „Zerstörung durch Feuer" bzw. unter Rückgriff auf den Entwurf von 1962 das „Beschädigen durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß" vorgeschlagen.164 Diese Konzeption war jedoch der Kritik des Bundesrates aus zwei Richtungen ausgesetzt. Einerseits befürchtete die Länderkammer die Entstehung von Strafbarkeitslücken, weil der Terminus „Feuer" das Brennen mit heller Flamme erfordern könnte und möglicherweise die „vom Täter nicht gewollte" (nicht vorsätzlich herbeigeführte?, H.R.) Explosion des Zündstoffs - statt dessen erwarteten Brennens - nicht umfasse. 165 Eine entsprechende Lückenhaftigkeit wurde wegen des Begriffs Feuer auch dem Beschädigen durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß zugeschrieben. 166 Andererseits bewertete der Bundesrat gerade die Wendung „erhebliches Ausmaß", zu dessen inhaltlicher Ausfüllung auf die Beherrschbarkeit des Brandes durch den Täter abzustellen sein sollte, zutreffend 167 als nicht hinreichend bestimmt. 168 Mittels des nunmehr in das Gesetz eingefügten Begriffs „Brandlegung" intendieren Bundesrat und Rechtsausschuß des Bundestages die Vermeidung der mit der Ursprungsfassung des Regierungsentwurfs vermeintlich verbundenen Strafbarkeitslücken. Namentlich die Stellungnahme des Bundesrates bringt deutlich zum Ausdruck, über die „Brandlegung" Konstellationen erfassen zu wollen, in denen eine nicht vorsätzliche Explosion („nicht gewollt") die Zerstörung des Objekts verursacht. 169 Trotz der recht ausführlich dokumentierten Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verfassungsorgane bzw. Organteile über die Reform der Tathandlungen und der Anleihe bei den aus §§ 303, 305 bekannten Termini („ganz oder teilweise zerstört") sind die nunmehr statuierten Handlungsvarianten mit gravierenden Unsicherheiten der Auslegung behaftet. Die Interpretationsschwierigkeiten rühren von der Formulierung „Brandlegung" her, mit der von Seiten des Bundesrates und des Bundestags-Rechtsausschusses Erwartungen im Hinblick auf die Reichweite seiner Anwendbarkeit verbunden sind, die sich mit den Tatbestandsstrukturen und dem Schutzzweck der schweren Brandstiftung nicht ohne weiteres vereinbaren lassen. Vergleichsweise sicheres Auslegungsterrain bilden dagegen die zur Beschreibung der durch die Brandlegung hervorgerufenen Wirkungen am Tatob104

Dazu Radtke , wie Fußn. zuvor. BT-Drucks. 13/8587 S. 69 li.Sp. unten, re.Sp. oben; ebenso Rechtsausschuß des Bundestages auf BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp. 166 BT-Drucks. 13/8587 S. 69 re.Sp. 167 Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 18 f. 168 BT-Drucks. 13/8587 S. 69 re.Sp. unten. 169 BT-Drucks. 13/8587, S. 69 li.Sp.; siehe auch BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp. 165

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jekt verwendeten Begriffe, die gänzliche oder teilweise Zerstörung. Nach bezüglich § 305 allgemein akzeptiertem Verständnis erfordert die Zerstörung eines Tatobjekts, daß dieses für eine nicht unbeträchtliche Zeit nicht entsprechend seiner bestimmungsgemäßen Verwendung benutzt werden kann. 170 Für eine teilweise Zerstörung genügt sowohl die Unbrauchbarmachung einzelner Teile eines Objekts, die dessen Zweckbestimmung dienen, als auch die Aufhebung einer von mehreren Zweckbestimmungen eines Objekts. 171 Ein so definierter Begriff wenigstens partieller Zerstörung des Tatobjekts läßt sich im Grundsatz auch auf die schwere Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l übertragen, bedarf aber gewisser Modifikationen, die aus der Bedeutung der die Tatobjekte charakterisierenden Nutzung (etwa: „der Wohnung von Menschen dient") resultieren. So ist der im Rahmen der §§ 303, 305 relevante „bestimmungsgemäße Gebrauch" aus den oben 172 zum Stichwort Widmung erörterten Gründen nicht auf einen Widmungsakt im Sinne der formellen Festlegung einer bestimmten Nutzungsart zu beziehen (z.B.: eine Räumlichkeit ist von ihrem Eigentümer und berechtigten Nutzer als Geräteschuppen bestimmt), sondern auf die faktische Nutzung (den genannten Schuppen benutzt ein Obdachloser seit längerem als Schlafstätte, an der er tagsüber auch einen Teil seiner Habe zurückläßt; § 306 a Abs. 1 Nr.l). Eine vollständige Zerstörung liegt dementsprechend vor, wenn das Tatobjekt in Bezug auf seine die Objektsqualität bestimmende tatsächliche Nutzung für einen nicht unerheblichen Zeitraum nicht mehr verwendet werden kann. Erst recht ist ein taugliches Tatobjekt zerstört, wenn dessen Substanz derart beeinträchtigt ist, daß - ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung die den Objektstypus konstituierenden Merkmale nicht (mehr) vorhanden sind. Schließt die Begriffsbestimmung des „Gebäudes" die Möglichkeit, von Menschen betreten zu werden, ein, 173 so endet die Tatobjektsqualität eines vormaligen Gebäudes mit dem durch die Tathandlung bedingten Fortfall dieser Möglichkeit. Betrifft die Tathandlung eine nach baulicher Beschaffenheit 174 einheitliche Räumlichkeit, die nicht allein als Wohnung, sondern partiell auch etwa gewerblich genutzt wird, kommt es entsprechend dem zum Inbrandsetzen von Wohnräumlichkeiten Gesagten175 auf die Zerstörung des wohnlich genutzten Teiles an. Dieser Teil ist eben wegen des Wohnzwecks einem umfassenden Strafrechtsschutz unterstellt. Auf ihn ist daher die Tathandlung bzw. deren Wir170 Wolff, in: LK, § 303 Rdnr. 16; Stree, in: Schönke/Schröder, § 305 Rdnr. 5; Tröndle, § 303 Rdnr. 10. 171 Tröndle, § 305 Rdnr. 2; Stree, in: Schönke/Schröder, § 305 Rdnr. 5. 172 2.Kap.A.II.l.a. 173 Oben Text vor Fußn. 80. 174 Entsprechend den Kriterien des BGH zum einheitlichen Gebäude oben 2.Kap.A.II.l.b. 175 Oben 2.Kap.A.II.l.b.

14 Radtke

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

kungsweise zu beziehen. Wird bei einer einheitlichen gemischt genutzten Räumlichkeit allein die Verwendungsfähigkeit des gewerblichen Zwecken dienenden Teils beseitigt, ist das Wohnen in den dafür genutzten Teilen aber weiterhin möglich, greift § 306 a Abs. 1 Nr.l in der Variante des Zerstörens nicht ein. Die Verwendbarkeit der Wohnpartien muß betroffen sein, weil allein die Einwirkung auf diese die generelle Gemeingefährlichkeit bezüglich der tatbestandlich geschützten Rechtsgüter vermittelt. Entsprechendes gilt auch für die ledigliche teilweise Zerstörung durch Brandlegung. Hinsichtlich des vorstehenden Beispiels der Mischnutzung kann selbst von einer partiellen Zerstörung einer dem Wohnen dienenden Räumlichkeit nicht gesprochen werden. Tatobjekt im Sinne von § 306 a Abs. 1 Nr.l wird eine Räumlichkeit erst durch die faktische Nutzung als Wohnung. Ist die Gebrauchsfähigkeit der als Wohnung verwendeten Partien nicht tangiert, liegt keine teilweise Zerstörung einer wohnlich genutzten Räumlichkeit vor. Die Zerstörung der Gewerbeteile der - nach baulicher Beschaffenheit - einheitlichen Räumlichkeit ist sub specie § 306 a Abs. 1 Nr.l irrelevant. Zerstörung und teilweise Zerstörung sind wie das Inbrandsetzen auch nicht auf das von seiner tatsächlichen Funktion isolierte Objekt (etwa Gebäude iSv. § 306 Abs. 1, das beliebigen Zwecken dienen kann) bezogen, sondern auf das durch die tatbestandlich vorausgesetzte Nutzungsart charakterisierte Objekt (dem Wohnen von Menschen dienendes Gebäude). Der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung ist mit der vorgeschlagenen Deutung ein klar umrissener Anwendungsbereich zugewiesen. Maßgeblich ist der Aspekt der Unbrauchbarmachung einzelner Teile eines Objekts, die dessen Zweckbestimmung dienen. 176 Zerstört etwa die Explosion des vom Täter als Brandbeschleuniger gedachten Benzins (BenzinLuft-Gemisch) das als Arbeitszimmer genutzte Dachgeschoß eines Einfamilienhauses, handelt es sich um die partielle Zerstörung eines Wohngebäudes, auch wenn Erdgeschoß und Keller unversehrt bleiben. Gleiches gilt für die durch Brandlegung bedingte Zerstörung von der Ausübung der Wohnnutzung dienenden Teilen einer Räumlichkeit. Beispielsweise genügt für ein partielles Zerstören die in zeitlicher Hinsicht nicht unbeträchtliche Aufhebung der Verwendungsfähigkeit eines Treppenhauses oder eines Fahrstuhls, die den Zugang (auch) zu den Wohnungen ermöglichen. Allerdings kann im Hinblick auf die generelle Gemeingefährlichkeit der schweren Brandstiftung nicht die Zerstörung jedes auf den Wohnzwecks bezogenen Teils eines iSv. § 306 a Abs. 1 Nr.l tauglichen Tatobjekts ausreichen. Wird etwa brandbedingt die Briefkastenanlage eines Mehrfamilienhauses zerstört, genügt dies nicht dem Taterfolg des teilweise Zerstörens des Wohngebäudes, weil mit einem derartigen tatbestandlichen Erfolg selbst generalisierend nicht die Möglichkeit einer Beeinträchtigung

176 Zu den beiden Aspekten der partiellen Zerstörung siehe die Def. oben Text vor Fußn. 171.

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der geschützten Rechtsgüter einer unbestimmten Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger verbunden ist. Entsprechend dem zum Inbrandsetzen Gesagten177 sind die Tatbestandserfolge gänzliches oder teilweises Zerstören ebenfalls auf die für den physischen Bestand des jeweiligen Tatobjekts maßgeblichen Teile zu beziehen. Ohne eine solche Beschränkung auf bestandswesentliche Teile geht die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung und damit die Legitimation für die enorme Vorverlagerung der Strafbarkeit vor eine Verletzung der geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit verloren. Diese Vorverlagerung des Eingreifens des Strafrechtsschutzes reicht bei den neuen Tathandlungen tendenziell sogar weiter als bei dem klassischen Inbrandsetzen. Zwar ist mit dem wenigstens partiellen Zerstören ein im Vergleich zum Inbrandsetzen höherer Einwirkungsgrad auf das Tatobjekt gefordert. Der tatobjektsbezogen höhere Einwirkungsgrad steht jedoch mit der Gefährlichkeit der Tathandlung für die geschützten Rechtsgüter unter Umständen lediglich in einem schwachen Zusammenhang. Die Gefährlichkeit für die Rechtsgüter/Rechtsgutsträger braucht nämlich nicht aus dem massiven Einwirkungserfolg der Handlung auf das Tatobjekt zu resultieren, sondern nach der Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe genügt die unspezifische und von der Einwirkung auf das Tatobjekt abgelöste Gefährlichkeit der Tathandlung (Brandlegung) etwa in Gestalt der Möglichkeit der Explosion des Zündstoffs u.ä. Das schließt im Einzelfall einem starken Zusammenhang zwischen intensiver Einwirkung auf das Objekt (Zerstörung) und der Gefährlichkeit für Leib und Leben von Menschen nicht aus (infolge Explosion des Zündstoffs stürzt das aus unbrennbaren Materialien bestehende Haus in sich zusammen). Notwendig ist ein solch starker Zusammenhang jedoch nicht. Die in ihrem Einwirkungsgrad am Tatobjekt divergierenden tatbestandlichen Erfolge des vollständigen oder teilweisen Zerstörens müssen ihre Ursache in einer Brandlegung finden. Mit der „Brandlegung" verwendet das 6. StrRG einen Begriff zur Beschreibung der Tathandlung der in deutschsprachigen Gesetzbüchern kaum historische Vorbilder hat und bei dessen Auslegung lediglich in geringem Umfang auf ein überkommenes Begriffsverständnis zurückgegriffen werden kann. Da auch die Vorstellungen des Bundesrates und des Rechtsausschusses des Bundestages, auf deren Initiative hin der Terminus Eingang in das reformierte Brandstrafrecht gefunden hat, über den Inhalt des vorgeschlagenen Begriffs insoweit nur recht knapp dokumentiert sind, ergeben sich erhebliche Unsicherheiten bei der Interpretation. Der Wortlaut gibt keine klaren Anhaltspunkte für das Verständnis des Begriffs. Brandlegung wird vielfach allein als der in Österreich für die Brandstiftung gebräuchliche Terminus verstanden, 178 so daß Brandstiftung und Brandle177 178

14*

Oben 2JCap. A.II. 1. Dualen, Die deutsche Rechtschreibung, 22.Aufl.

212

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

gung Synonyme wären. Erkenntnisse für die Auslegung der Brandlegung als Tathandlung der Brandstiftung lassen sich daraus nicht gewinnen. Insbesondere der Bundesrat intendierte jedoch mit dem Übergang von dem zunächst vorgeschlagenen „Feuer" als Ursache der (wenigstens partiellen) Zerstörung zur „Brandlegung" eine Erweiterung des Regelungsbereichs der Tathandlung. Aus der knappen Stellungnahme des Bundesrates zum RegE 6. StrRG ist ablesbar, daß einerseits das Hervorbringen eines Feuers im Sinne eines Brandes mit heller Flamme nicht für notwendig erachtet wird und andererseits weder die Zerstörung des Tatobjekts noch die mögliche Gefährdung von geschützten Rechtsgütern ihre Quelle notwendig in einem tatbestandlichen Erfolg des Verursachens eines Feuers haben muß. Als Quelle der Tatobjekts- und der Rechtsgutsgefahr bzw. -gefährlichkeit soll auch die Entwicklung von Gasen oder von Hitze sowie die Explosion des Zündstoffs ohne dessen Brennen hinreichen. 179 Selbst diese Beispiele lassen aber nicht klar erkennen, in welchem Sinne die Länderkammer die Brandlegung verstanden haben möchte, zumal in der Stellungnahme die Termini „Brand" und „Brandlegung" weitgehend synonym verwendet werden. 180 Eine erste Orientierung des von Bundesrat und Bundestagsrechtsausschuß Gemeinten erlauben die Beispiele dennoch. Die Vorstellung, über die Brandlegung selbst Konstellationen der nicht vorsätzlichen - andernfalls wäre § 308 einschlägig - Explosion des vom Täter als Brandmittel vorgesehenen Stoffs erfassen zu können, läßt sich dahin deuten, daß mit der Brandlegung nicht auf eine Einwirkung des Tatmittels auf das Tatobjekt rekurriert wird, sondern daß mit dem Wortteil „legung" - unter Abstrahieren von der Wirkung am Tatobjekt - auf die Handlung abgestellt wird. Brandlegung ist, der Tathandlung von Unternehmensdelikten ähnlich, die das Verursachen eines Brandes intendierende Handlung. Ob ein Brand des Tatobjekts, seiner bestandswesentlichen Teile oder auch nur seines Inventars etc. eintritt, bleibt für die Brandlegung als solche tatbestandlich irrelevant. Maßgebend ist die Intention des Täters, mittels der Handlung einen Brand des Tatobjekts oder in dem Tatobjekt verursachen zu wollen. Die vorgeschlagene Deutung der Brandlegung als die - von der real eingetretenen Brandwirkung abgelöste - Vornahme einer auf das Verursachen eines Brandes abzielenden Handlung findet eine Stütze in den wenigen deutschsprachigen Gesetzbüchern, die den Terminus Brandlegung verwendeten. So definierte das österreichische Strafgesetz vom 17. Mai 1852: „Das Verbrechen der Brandlegung begeht deijenige, der eine Handlung unternimmt, aus welcher nach seinem Anschlage an fremden Eigenthume eine

179 BT-Drucks. 13/8587 S. 69 li.Sp. unten; siehe auch BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp. - Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages. 180 Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 69 re.Sp. Mitte und S. 70 re.Sp. Mitte.

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Feuersbrunst entstehen soll, wenn gleich das Feuer nicht ausgebrochen ist oder keinen Schaden verursacht hat." 1 8 1 Eine entsprechende Legaldefintion enthielt nach der Mitteilung Osenbrüggens 182 auch das Strafgesetzbuch des Kantons Aargau. Österreich hat die genannte Legaldefiniton in § 166 des Strafgesetzes (StG) von 1945 beibehalten. Die Kommentierung dieses Gesetzes von Foregger/Serini 183 aus dem Jahr 1968 erläutert, die Vorschrift heiße Brandlegung und nicht Brandstiftung weil das „Absichtsdelikt" mit einer vorsätzlichen Handlung vollendet und ein tatsächlicher Ausbruch der intendierten Feuersbrunst gerade nicht erforderlich sei. Das geltende österreichische StGB enthält eine StrafVorschrift über die Brandlegung nicht mehr. §§ 169, 170 ÖStGB verlangen im Grundsatz das Verursachen einer Feuersbrunst. Die Strafrechtsdogmatik in Österreich unterscheidet aber weiterhin zwischen der früheren als „Versuchsdelikt" ausgestalteten Brandlegung ohne Branderfolg am Tatobjekt und der modernen Brandstiftung mit einem derartigen tatobjektsbezogenen (nicht rechtsgutsbezogenen) Erfolg. 184 Vor dem Hintergrund der genannten Passagen in der Stellungnahme des Bundesrates und des Berichts des Rechtsausschusses kann davon ausgegangen werden, daß die am Gesetzgebungsverfahren des 6. StrRG beteiligten Organe bzw. Organteile den Begriff der Brandlegung in Entsprechung zum früheren österreichischen Recht bezogen auf das Verursachen eines Brandes als Unternehmenstatbestand verstehen wollen. Allerdings ist das Unternehmen der Brandlegung allein zur Tatbestandserfüllung nicht hinreichend. Für eine Tatvollendung muß eine wenigstens partielle und auf die Brand/egwîg ursächlich rückführbare Zerstörung des Tatobjekts hinzukommen. Nicht notwendig ist allerdings das erfolgreiche Hervorrufen eines Brandes. Ursache der Zerstörung kann allein die den Brand intendierende Täterhandlung sein. Ursächlichkeit eines - tatbestandlich irrelevanten - Branderfolges ist selbstverständlich hinreichend, aber nicht notwendig. Nicht genügend ist eine eingetretene Zerstörung die nicht durch die Brandlegung unmittelbar verursacht ist, sondern etwa auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirkungen der Brandlegung, z.B. Schäden durch Löschwasser, die zur zeitweiligen Unbewohnbarkeit einer Wohnräumlichkeit führen. Auch in dem entwickelten Verständnis entsprechen die Tathandlungen des teilweisen oder gänzlichen Zerstörens durch Brandlegung nicht vollständig den Anforderungen an die Statuierung generell gemeingefährlicher Tathandlungen der Brandstiftung. Zwar ist die vom historischen Gesetzgeber für § 306 Nr.2

181 182 183 184

Zitiert nach Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 35. Wie Fußn. zuvor. Das österreichische Strafgesetz, 3.Aufl., 1968, § 166 Anm.I. Dazu Mayerhofen in: Wiener Kommentar, § 169 ÖStGB, Rdnr. 8.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

a.F. vorzüglich entwickelte Gesetzestechnik zur Erfassung generell gemeingefährlicher Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem Tatmittel Feuer insofern gewahrt, als an einem numerus clausus von Tatobjekten festgehalten wird, bei denen der Angriff durch das Tatmittel Feuer auf der Grundlage der Lebenserfahrung für die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit in besonderem Maße bedrohlich ist. Insoweit ist es im Grundsatz legitim, den von schutzrichtungsgleichen Gefährdungs- und Verletzungsdelikten abgehobenen Strafrechtsschutz sub specie schwerer Brandstiftung sogar über die Anforderungen des Inbrandsetzens hinaus auszudehnen. Wenn eine solche Ausdehnungstendenz, die die Äußerungen von Bundesrat und Bundestags unmißverständlich belegen, 185 durch das Absenken der Anforderungen an den Einwirkungsgrad der Tathandlung auf das Tatobjekt - kein Brandstadium des Inbrandsetzens als Möglichkeit selbständiges Weiterbrennens des Objekts - umgesetzt werden soll, bleibt aber unverständlich, warum die Tatbestandsmäßigkeit der Brandlegung gerade von einem hohen Einwirkungsgrad auf das Tatobjekt (Zerstören) abhängig gemacht worden ist. Wenn Wertungswidersprüche des alten Rechts darin gesehen werden, daß § 307 Nr.l a.F. nach überwiegender Auffassung lediglich bei Tötung des Brandopfers durch brennenden Zündstoff nicht aber durch explodierenden Zündstoff Anwendung finden sollte, 186 ist es wenig durchdacht, 187 den Fall des explodierenden Zündstoffs über die Einführung der Brandlegung zu erfassen, deren Tatbestandsmäßigkeit aber von der im Hinblick auf die Rechtsgutsverletzung zufälligen Fortentwicklung der Explosion zu einer wenigstens teilweisen Zerstörung abhängig zu machen. Hält man bereits das Unternehmen, an einem bestimmten herausgehobenen Tatobjekt, Brand anzulegen, u.a. wegen der Möglichkeit der unvorsätzlichen Explosion des Zündstoffs für derart gemeingefährlich, daß bereits das Unternehmen unter Strafe gestellt werden muß, haben 185 BT-Drucks. 13/8587 S. 69 (Bundesrat) und BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp. (Rechtsausschuß des Bundestages). 186 Siehe das Beispiel in der Stellungnahme des Bundesrates auf BT-Drucks. 13/8587 S. 70 li.Sp. 187 Derartige Inkonsequenzen beruhen möglicherweise darauf, daß der Stellungnahme des Bundesrates erhebliche Mißverständnisse der abstrakten Gefährdungsdelikte zugrundeliegen. Bezeichnend scheint mir folgendes: Der Bundesrat rügt an dem ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung, daß diese in ihrer Begründung hinsichtlich der Tathandlungen „Zerstören oder Beschädigen durch Feuer" in Bezug auf § 306 a Abs. 1 (§ 306 Abs. 1 RegE) von dem Festhalten an einem abstrakten Gefährdungsdelikt spricht. Der Bundesrat wollte hinsichtlich Zerstören und Beschädigen - anders hinsichtlich des Inbrandsetzens - Erfolgsdelikte annehmen, die lediglich mittelbar den Rechtsgüterschutz für Leib und Leben gewährleisten. Diese Differenzierung zwischen den verschiedenen Tathandlungen ist evident falsch. Natürlich ist das Zerstören oder Beschädigen durch Feuer tatobjektsbezogen Erfolgsdelikt und rechtsgutsbezogen abstraktes Gefährdungsdelikt. Darin liegt aber keinerlei Unterschied zum Inbrandsetzen. Tatobjektsbezogen ist auch das Inbrandsetzen eines Wohngebäudes etc. Erfolgsdelikt; der Erfolg besteht darin, einen Zustand geschaffen zu haben, in dem das Tatobjekt selbständig weiterbrennen kann.

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die aus der Brandlegung resultierenden Wirkungen auf das Tatobjekt außer Betracht zu bleiben. Das gilt jedenfalls insoweit, als die besondere Gefährlichkeit für die geschützten Rechtsgüter bereits in der Explosion des Zündstoffs selbst und nicht erst in der durch die Explosion ausgelösten Zerstörung der Räumlichkeit etc. erblickt wird. Das Kuriosum der Tathandlungen des neuen Rechts besteht darin, einerseits mit der Brandlegung auf einen Zusammenhang zwischen Tathandlung und dessen Auswirkung auf das Tatobjekt (Wegfall des Gedankens des vermittelten Rechtsgutsangriffs) als Quelle der Gefährlichkeit des Vorgehens für die geschützten Rechtsgüter zu verzichten, andererseits das intendierte Verursachen eines Brandes (Brandlegung) jedoch lediglich dann für tatbestandsmäßig zu erklären, wenn die Brandlegung zu einer Zerstörung des Tatobjekts geführt hat. Eine solche Koppelung von Tathandlung und deren Wirkungsgrad auf das Tatobjekt wäre vor dem Hintergrund der Spezifika gemeingefährlicher Delikte allein dann sachgerecht, wenn die spezifische Gemeingefährlichkeit der Tathandlung in Bezug auf die geschützten Rechtsgüter ihre Ursache in dem erreichten hohen Wirkungsgrad an dem Tatobjekt findet. So aber ist das neue Recht nach dem zuvor Gesagten nicht konzipiert. Aus der Sicht der Schöpfer der Reform muß nicht die Zerstörung des Tatobjekts notwendig die Quelle der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung sein, sondern die Gemeingefährlichkeit beruht auf dem Unternehmen in bzw. an bestimmten - im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter für besonders schutzwürdig erachteten - Tatobjektstypen einen Brand zu verursachen. Zu den unterschiedlichen Vollendungszeitpunkten der verschiedenen Tathandlungen und den sich daraus für die Straffreiheitsvorschriften (Rücktritt/ tätige Reue) ergebenden Konsequenzen ist im 7. Kapitel über den Rücktritt von der Brandstiftung Stellung zu nehmen. 188

I I I . Von teleologischen Reduktionen Das Nachdenken über die Notwendigkeit der Einfügung tatbestandseinschränkender Unrechts- und Schuldbegründungsmerkmale ist kein spezifisches Problem der schweren Brandstiftung an Wohngebäuden, sondern Ausfluß der Diskussion um die Legitimität abstrakter Gefährdungsdelikte insgesamt. Wenn die angebotenen Modelle über Reduktionen abstrakter Gefährdungsdelikte bei ausgebliebener konkreter Rechtsgutsgefahr, fehlender Risikoschaffung, fehlender konkreter Gefährlichkeit der Tathandlung etc. nachfolgend im Zusammenhang mit § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) dargestellt werden, so hat das

188

Siehe weiterhin umfassend Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 19 f., 30 ff. bezogen auf die zunächst vorgeschlagenen Begriffe „Zerstörung bzw. Beschädigung durch Feuer".

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

daher vornehmlich einen pragmatischen Grund. § 306 Nr.2 war als Vorgänger des heutigen § 306 a Abs. 1 Nr.l - entsprechend dem in der Einleitung Ausgeführten - das bevorzugte Objekt der Erprobung der jeweils entwickelten allgemeinen Lehren der abstrakten Gefährdungsdelikte. Außer dem Pragmatismus ist die Darstellung und Diskussion von Reduktionsmodellen anhand von § 306 a Abs. 1 Nr.l sinnvoll, weil für diese Vorschrift offenbar wegen der Mindeststrafdrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe ein besonders starker Handlungsdruck in Richtung hin auf eine Einschränkung des Tatbestandes verspürt zu werden scheint. Real besteht ein solcher Handlungsdruck allerdings nicht. Angesichts der Schutzzwecks des § 306 a Abs. 1 Nr.l, menschliches Leben und menschliche Gesundheit in einer besonders schutzwürdigen Situation gegen generell gemeingefährliche Tathandlungen zu bewahren, ist die Strafdrohung keineswegs zu hoch gegriffen. 189 1. Die Modelle Die Vorschläge zu einer über eine einschränkende Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale hinausgehenden Reduktion abstrakter Gefährdungsdelikte sind mittlerweile derart vielschichtig, daß eine Rückführung auf allen Modellen gemeinsame Grundsätze kaum noch möglich ist. Aber einige Leitlinien, an denen sich der größte Teil der Modelle orientiert, lassen sich doch gewinnen. Auf objektiver Ebene knüpfen zahlreiche Überlegungen das Eingreifen tatbestandlicher Reduktionen an das objektiv absolut sichere Ausbleiben einer konkreten Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut bzw. einen Träger dieses Rechtsgutes an. Dieser Ausgangspunkt gilt für den von BGHSt 26, 121, 124 im Rahmen eines obiter dictum erwogenen Tatbestandsausschluß bei leicht überschaubaren Brandobjekten 190 ebenso wie für die Fahrlässigkeitslösungen, die bei ausgebliebenem konkreten Gefahrerfolg eine im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut sorgfaltswidrige Handlung verlangen, 191 wie auch für Ausschlußklauseln nach dem Vorbild des § 151 Abs. 1 AE-StGB oder sog. Minimaklauseln entsprechend § 326 Abs. 6. 1 9 2 Aber auch prozessuale Lösungen, die im Prozeß den „Gegenbeweis der Ungefährlichkeit" zulassen wollen, 193 setzen das (ex post) gesicherte Ausbleiben einer konkreten Rechtsgutsgefahr voraus, selbst wenn von einer - richtigerweise für die Beschreibung der Tathandlung reservierten -

189

Ebenso Kindhäuser, StV 1990, S. 161, 163 bezogen auf § 306 Nr.2 a.F. Zustimmend etwa Wessels, BT 1, Rdnr. 927; siehe auch Weber, Vorverlegung des Strafrechtsschutzes, S. 1, 34. 191 Überblick bei Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 121. 192 Allerdings führt die Minimaklausel zu einem Strafbarkeitsausschluß, während die übrigen Reduktionsmodelle bereits zu einem Unrechtsausschluß gelangen würden. 193 Rabl, Der Gefährdungsvorsatz, S. 20 f.; Schröder, ZStW 81 (1969), S. 7, 16 ff. 190

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„Ungefährlichkeit" der Tat die Rede ist. Für andere ist dagegen das Ausbleiben konkreter Rechtsgutsgefahr (und damit erst recht einer Verletzung) keine Voraussetzung der Unanwendbarkeit von § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.l). So hielt etwa Wolter § 306 Nr.2 a.F. explizit selbst dann für ausgeschlossen, wenn zwar ein Mensch in dem in Brand gesetzten Gebäude getötet worden ist, es sich aber aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose vom Zeitpunkt der Brandstiftungshandlung aus erweist, daß der Täter kein ihm objektiv und subjektiv zurechenbares Lebensgefährdungsrisiko geschaffen hat. 194 Denkbar sind solche - um das Ergebnis vorwegzunehmen - inakzeptablen Konsequenzen auch für Ansichten, die eine konkrete Gefährlichkeit der Handlung 195 bzw. ein Risikoeingehen seitens des Täters durch die konkrete Handlung 196 als unrechtsbegründendes Kriterium verlangen. Die Entscheidung, ob eine Handlung, die eine Rechtsgutsverletzung oder wenigstens eine konkrete Rechtsgutsgefahr hervorgerufen hat, auch aufgrund einer nachträglichen Prognose als konkret gefährlich oder riskant anzusehen ist, hängt maßgeblich vom Horizont des gedachten Beobachters ab, dessen Urteil über die Gefährlichkeit der Handlung ausschlaggebend sein soll. 1 9 7 Variantenreich wie die Voraussetzungen auf objektiver Ebene sind ebenso die vorgeschlagenen subjektiven Anforderungen an das dem objektiven Tatbestand implementierte Unrechts- und Schuldbegründungsmerkmal. Gerade die subjektive Seite des Unrechts- und Schuldbegründungsmerkmals zeigt aber eine gravierende Schwierigkeit aller Reduktionsmodelle. Wer für eine vorsätzliche Begehungsweise verlangt, daß der Täter das objektive Urteil etwa über die konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung nachvollzieht 198 oder gar Vorsatz hinsichtlich der Herbeiführung einer Rechtsgutsgefahr verlangt, wie dies etwa § 151 AE-StGB vorsah, 199 muß in Kauf nehmen, die Einlassung des Täters, die Gefährlichkeits- oder Gefahrprognose abweichend von der objektiven Sachlage vollzogen zu haben, mit den Mittel des Strafprozesses nicht widerlegen zu können 200 und daher u.U. trotz objektiv eingetretener Rechtsgutsgefahr oder kon194 195

f.

Objektive und personale Zurechnung, S. 281. Etwa Hirsch, in: Strafgerechtigkeit: Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 558

196 Etwa Volz, Unrecht und Schuld, S. 143 ff.; Rudolphi, Festschrift für Maurach, S. 51, 59 f. 197 Hirsch (wie Fußn. 195) stellt für die konkrete Gefährlichkeit beispielsweise auf die „nachträgliche Prognose eines am Standort des Handelnden befindlichen und zum Verkehrskreis, innerhalb dessen der Handelnde tätig geworden ist, gehörenden verständigen Dritten" (Hervorhebung, H.R.) ab. Im Interesse präsumtiver Brandstiftungsopfer in der konkreten Situation ist zu hoffen, daß der Dritte ausreichend verständig ist. 198 Hirsch aaO. S. 558. 199 Vgl. Begründung zu § 151 AE-StGB S. 57 f.; wie hier die Deutung des AE-StGB bei Schneider, Jura 1988, S. 460, 467. 200 Weber, Vorverlegung des Strafrechtsschutzes, S. 1, 34.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

kreter Gefährlichkeit der Tathandlung nicht wegen Vorsatzdelikts bestrafen zu können. Diese „Gefahr" der Unwiderleglichkeit einer Tätereinlassung mag zwar ein typisches „Prozeßrisiko" des Strafverfahrens sein und sie mag in Fällen hoher objektiver Gefährlichkeit der Tathandlung in der Praxis eine Quantité négligeable sein, weil die hohe objektive Gefährlichkeit einen die Einlassung widerlegenden ausreichend sicheren Rückschluß auf eine der objektiven Lage entsprechenden Vorstellung des Täters zuläßt. Bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt vom Typus des § 306 a Abs. 1 Nr.l, der zumindest nach dem eindeutig belegten Willen des Gesetzgebers weder objektiv noch subjektiv eine konkrete Rechtsgutsgefahr verlangt, 201 ist es aber erheblich begründungsbedürftig, warum die Anwendbarkeit der Vorschrift von der prozessualen Unsicherheit abhängig gemacht werden muß, die durch die Wahl des Typus abstraktes Gefährdungsdelikt - wiederum aus der Sicht des Gesetzgebers - gerade vermieden werden sollte. Nachfolgend werden anhand eines knappen Überblicks die in der jüngeren Dogmengeschichte der abstrakten Gefährdungsdelikte wichtigsten Vorschläge zur Erklärung und zur tatbestandlichen Einschränkung abstrakter Gefährdungsdelikte gewürdigt und daran anschließend die Legitimität eines generell gemeingefährlichen Delikts vom Typus des § 306 a Abs. 1 Nr.l (auch ohne ein über die Tatbestandsmerkmale hinausgehendes Unrechts- und Schuldbegründungmerkmal) untersucht. a) Die prozessualen Lösungsvorschläge (Rabl/Schröder) Die Darstellung der Überlegungen von Kurt O. Rabl 2 0 2 und Horst Schröder 203 zur Einschränkung abstrakter Gefährdungsdelikte unter der Überschrift „prozessuale Lösungsvorschläge" zusammenzufassen, knüpft an die im Grundsatz übereinstimmende methodische Vorgehensweise beider Autoren an. Um eine prozessuale Lösung der materiell-rechtlichen Problematik des (verfassungsrechtlich) zulässigen Abstraktionsgrades abstrakter Gefährdungsdelikte handelt es sich insoweit, als Rabl und Schröder aufbauend auf der Vorstellung, bei abstrakter Gefährdungsdelikten werde der konkrete Gefahrerfolg oder die konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung 204 präsumiert, eine Widerlegung dieser

201

BT-Drucks. 13/8587 S. 47 f.; siehe zu den Vorstellungen des Gesetzgebers des preuß. StGB von 1851 Goltdammer, Materialien zum StGB für die preuß. Staaten, Teil II, S. 642. 202 Der Gefährdungsvorsatz, S. 20 f. 203 ZStW 81 (1969) S. 7, 16 f. 204 Worauf sich die Präsumtion jeweils erstrecken soll, bleibt sowohl bei Rabl als auch bei Schröder jeweils aaO. offen; siehe dazu die vorzügliche Analyse der einschlägigen Textstellen durch Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 187 ff. und 199 ff.

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Vermutung im Strafverfahren zulassen wollen. Mit der Übereinstimmung in der Methodik endet die Gemeinsamkeit beider Ansätze bereits. Das Verständnis abstrakter Gefährdungsdelikte durch Rabl einerseits und Schröder andererseits weicht gravierend voneinander ab. Gravierend deshalb, weil Rabl einen eingetretenen (Rechtsguts)Erfolg wenigstens in Form eines (konkreten) Gefahrerfolges durchgängig als Voraussetzung der Verwirklichung von Unrecht ansieht und reine „Ungehorsamsdelikte" verwirft, 205 so daß eine Widerlegung der Gefahr- oder Gefährlichkeitspräsumtion bei sämtlichen als abstrakt statuierten Gefährdungsdelikten möglich sein muß, Schröder dagegen die Verwendung des Deliktstypus abstraktes Gefährdungsdelikt durchaus für (materiell) legitim hält und Einschränkungen lediglich unter bestimmten Voraussetzungen annehmen will. 2 0 6 Das zentrale Problem in der Auseinandersetzung mit den Ansichten von Rabl und Schröder besteht zunächst nicht auf der Ebene der Überzeugungskraft ihrer Argumente, sondern darin, verläßlich zu ermitteln, wie ihre Ausführungen zu verstehen sind. Die Unklarheiten beziehen sich sowohl auf den Gegenstand der Präsumtion (konkreter Gefahrerfolg oder konkrete Gefährlichkeit der Handlung oder beides?) als auch auf die Anforderungen an das Beweismaß der Widerlegung der Präsumtion (Gegenbeweis/Beweis des Gegenteils/Beweislast bei dem Angeklagten im Falle des non liquet bezüglich Gefahr oder Gefährlichkeit?). Um eine sichere Basis für die nachfolgenden Überlegungen zu gewinnen, seien die für das Verständnis beider Vorschläge wichtigsten Textpassagen genannt: Rabl: „Der Erfolg muß aber auch in Wirklichkeit eingetreten sein, wenn anders nicht - trotz Vorliegen von gegebenem Zustand und Ausführungshandlung! - Mangel am Tatbestand gegeben sein soll. Das will sagen, daß bei allen 207 Gefährdungsdelikten im Prozeß die Gefährlichkeit des täterischen Verhaltens festgestellt sein muß, um zur Bestrafung zu gelangen...208 In der Praxis brauchbare Resultate ergeben sich also nur dann, wenn man formuliert: bei allen Gefährdungsdelikten ohne Ausnahme wird der Erfolg vom Gesetzgeber präsumiert. Diese Präsumtion ist im Prozeß beweisbedürftig und widerlegbar. In der Terminologie des BGB: es wird vermutet, daß die Gefahr eingetreten sei, nicht aber gilt sie als eingetreten..." 209 Die Formulierungen in den beiden vorstehenden Absätzen stehen in einem kaum auflösbaren Widerspruch zueinander, dem sich soweit ersichtlich sämtliche Autoren, die sich auf die Diskussion der Ansicht von Rabl eingelassen ha205 206 207 208 209

Der Gefährdungsvorsatz, S. 19. ZStW 81 (1969), S. 7, 17. Hervorhebungen jeweils im Original. Der Gefährdungsvorsatz, S. 19. aaO. S. 20.

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ben, ausgesetzt sahen.210 Die zunächst erhobene Forderung, bei sämtlichen Gefährdungsdelikten die Gefährlichkeit des Täterverhalten im Verfahren festzustellen, deutet sehr stark in Richtung auf die Implementierung eines Tatbestandsmerkmals konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung („Gefährlichkeit des täterischen Verhaltens") oder gar konkreter Gefahrerfolg auch bei abstrakten Gefährdungsdelikten. Trotz der Wendung von der Gefährlichkeit des Verhaltens ist aber wohl ein konkreten Gefahrerfolg gemeint, weil Rabl zuvor den (auf ein Rechtsgut bezogenen) Erfolg 211 als notwendigen Bestandteil jeden Deliktstypus gefordert hat. 212 Mit einem solchen ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal „konkreter Gefahrerfolg" ist jedoch die Vorstellung von einer im Prozeß „beweisbedürftigen und widerlegbaren" Präsumtion unvereinbar. Abgesehen von der zusätzlich in sich widersprüchlichen Verbindung von „beweisbedürftig" und „widerlegbar" hinsichtlich einer gesetzlichen Vermutung wird eine gesetzliche Präsumtion in einem Prozeß nicht festgestellt - wie es aber der erste zitierte Absatz nahelegt -, sondern die vermuteten Tatsachen gelten bis zu dem Beweis des Gegenteils 213 als eingetreten. 214 Entweder also der konkrete Gefahrerfolg ist auch bei abstrakten Gefährdungsdelikten ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das dann wie alle geschriebenen Tatbestandsmerkmale auch beweisbedürftig ist, oder der Eintritt des konkreten Gefahrerfolges wird (widerleglich) gesetzlich vermutet (Präsumtion). Dann allerdings ist nicht die präsumierte Tatsache beweisbedürftig, sondern - wenn man einen Beweis des Gegenteils zulassen will - das Gegenteil der vermuteten Tatsache. Das allerdings hat zur für den Strafprozeß ungewöhnlichen Konsequenz, daß das Gegenteil der präsumierten Tatsache zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen sein müßte. 215 Ungewöhnlich ist die Konsequenz für das Strafrecht deshalb, weil das Beweismaß „Beweis des Gegenteils" notwendig die Frage nach der Beweislast für das Gelingen des Beweis des Gegenteils mit sich bringt. Wenn der konkrete Gefahrerfolg kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal sein soll-

210 Siehe etwa Cramer , Vollrauschtatbestand, S. 56, Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 23; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 187 ff. 2,1 Erfolg bezeichnet sowohl den konkreten Gefahrerfolg wie auch den Verletzungserfolg. 212 Der Gefährdungsvorsatz, S. 19. 213 Zu der ftir den Zivilprozeß und seine Beweisanforderungen zentralen Unterscheidung des „Gegenbeweises" vom „Beweis des Gegenteils" siehe ausführlich Radtke, in: Pape/Pape/Radtke, Ausgewählte Assessorklausuren im Zivilrecht, 5.Klausur, S. 85 f. mit Fußn. 15. 214 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 191. 215 Im Unterscheid zum bloßen Gegenbeweis, bei dem die Erschütterung der Überzeugung des Gerichts vom Gelingen des Hauptbeweises genügt; vgl. den Nachw. in Fußn. 213.

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te, sondern eine „beweisbedürftige und widerlegbare Präsumtion", 216 folgte daraus, daß der Angeklagte die Beweislast für das Gelingen des Beweis des Gegenteils der präsumierten Tatsache zu tragen hätte. 217 Denn Zweifel am Bestehen der gesetzlich vermuteten Tatsache seitens des Gerichts können nicht zugunsten des Angeklagten wirken, weil zwingende Voraussetzung für die Anwendung des in dubio-Satzes ist, daß das erkennende Gericht überhaupt die Überzeugung von der gesetzlich vermuteten Tatsache zu gewinnen hätte. Gerade das ist aber nicht der Fall. Eben wegen der gesetzlichen Vermutung gibt es keine gerichtliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der vermuteten Tatsache. Zwingend ist eine Interpretation Rabl's in Richtung auf eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht, weil der eingangs zitierte erste Absatz seiner Ausführungen nicht auf die widerlegliche Präsumtion, sondern ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal konkreter Gefahrerfolg weist. 218 Denkbar wäre neben dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal und der widerlegbaren Präsumtion mit einer Beweislastverteilung bei non liquet bezüglich der konkreten Gefahr contra reum auch eine - allerdings vom Zivilrecht abweichende - Vorstellung, für die Widerlegung der gesetzlich vermuteten Tatsache genüge der Gegenbeweis, d.h. die Erschütterung der Überzeugung vom Vorliegen der qua Hauptbeweis zu beweisenden Tatsache. Eine solche Vorstellung ist aber schon deshalb fehlerhaft, weil die Rechtsfigur des Gegenbeweises auf Präsumtionen nicht anwendbar ist. Denn wie bereits dargelegt existiert keine Überzeugung des Gerichts von dem Vorliegen der präsumierten Tatsache. Was gesetzlich präsumiert ist, braucht nicht bewiesen zu werden und daher auch nicht zur Überzeugung des Gerichts festzustehen. Angesicht der nicht aufklärbaren erheblichen Widersprüche ist das Urteil von Graul über die Auffassung von Rabl richtig: Was er tatsächlich gemeint hat, läßt sich auf der Grundlage seiner Schrift über den Gefährdungsvorsatz nicht klä219

ren. Unabhängig aber von dem Textverständnis Rabl's und unabhängig von der rechtspolitischen Frage, ob Strafrecht auf die Sanktionierung von (rechtsgutsbezogen) konkreten Gefahrerfolgen und Verletzungserfolgen beschränkt

216 Wenn es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal handelte, wäre gemäß § 244 Abs. 2 StPO nicht nur die Beweisführungslast bei dem erkennenden Gericht, sondern es gälte unzweifelhaft auch die allgemeine strafprozessuale Beweislastverteüung „in dubio pro reo". 217 So wird Rabl auch überwiegend und insbesondere von Schröder, JZ 1967, S. 522, 525 und ders., ZStW 81 (1969) S. 16 mit Fußn. 17, der sich mit seiner Ansicht auf Rabl stützt, verstanden; Nachw. bei Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 189 Fußn. 272. 218 Insoweit stimme ich mit Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 23, überein, daß Rabl aaO. nicht unbedingt in Richtung auf eine Beweislastverteilung zuungunsten des Angeklagten zu verstehen ist. 219 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 191.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

bleiben soll, 2 2 0 haben die vorstehenden Überlegungen deutlich werden lassen, daß das von Rabl vorgeschlagene methodische Vorgehen, eine wie auch immer geartete Widerlegung einer gesetzlichen Gefahr- oder Gefährlichkeitspräsumtion zuzulassen (wenn Rabl so zu verstehen sein sollte), nicht richtig ist. Falsch ist die Vorstellung, die aus dem Zivilrecht stammende und auf die Beweisgrundsätze des Zivilprozesses abgestimmte Figur der gesetzlichen Tatsachenvermutung selbst bei solchen Merkmalen, die das Unrecht der Tat begründen sollen, in das Strafrecht und nachfolgend das Strafprozeßrecht übertragen zu können. Die prozessuale Widerlegung von Präsumtionen setzt unterschiedliche Beweisformen wie Hauptbeweis, Gegenbeweis und Beweis des Gegenteils mit ihren unterschiedlichen Anforderungen an das Beweismaß und die Beweislastverteilung voraus. Das Strafverfahrensrecht kennt diese Beweisformen aber nicht und hält im Grundsatz auch lediglich an einer Beweislastverteilung, dem in dubio pro reo, fest. Sollte in der - allerdings nicht eindeutig ermittelbaren - Vorstellung Rabl's erst das Mißlingen der Widerlegung der Gefahrund/oder Gefährlichkeitspräsumtion das Unrecht eines abstrakten Gefährdungsdelikts konstituieren, steht die Aufbürdung der Beweislast hinsichtlich der Widerlegung der vermuteten Tatsache auf den Angeklagten, die nach dem im vorstehenden Absatz Gesagten eine zwingende Konsequenz der „Widerleglichkeitstheorie" ist, in Widerspruch zu dem Grundsatz in dubio pro reo, der wenigstens bei Unrechts- und schuldbegründenden Merkmalen 221 nicht eingeschränkt werden darf. 222 Entsprechende Vorbehalte bereits auf der Ebene des methodischen Vorgehens treffen den „prozessualen Lösungsvorschlag" von Horst Schröder ebenso. Und wie bei den einschlägigen Textpassagen von Rabl steht die Auseinandersetzung mit Schröder vor der Schwierigkeit, nicht verläßlich ermitteln zu können, was eigentlich vorgeschlagen wird. 220

Der zeitgeschichtlichen Einordnung der Schrift Rabl's durch Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 21 ff, sich verdienstvoll gegen eine Ausdehnung des Strafrechtsschutzes seitens der Nationalsozialisten durch eine erhebliche Aufweichung des Erfolgsstrafrechts gewandt zu haben, vermag ich zu folgen. Auch diese zutreffende zeitgeschichtliche Würdigung Rabl's ändert aber nichts darin, daß die Sichtweise von Rabl schon wegen der diffusen methodischen Vorgehensweise nicht überzeugen kann. 221 Die Nichterweislichkeit der Wahrheit in § 186 wird von der ganz überwiegenden Ansicht nicht als unrechtsbegründendes Tatbestandsmerkmal verstanden, sondern lediglich als objektive Bedingung der Strafbarkeit; Nachw. bei Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 186 Rdnr. 10. 222 Der verbreiteten Kritik an der Lösung Rabl's, gegen den in dubio-Grundsatz zu verstoßen (etwa bei Brehm, Dogmatik abstrakter Gefährdungsdelikte, S. 70; Vermander, Unfallsituation, S. 38 mit Fußn. 62; Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 295) stimme ich daher insoweit zu als Rabl das Mißlingen der Widerlegung der Präsumtion zu einem unrechtsbegründenden Merkmal erhoben haben sollte (insoweit wie hier Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 244); das allerdings ist angesichts der Unklarheiten des Textes nicht gesichert.

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Schröder: "Grund für die erhöhte Strafe (des § 306 a.F., H.R.) ist die durch die Tat herbeigeführte Gefährdung von Menschenleben. Eine solche festzustellen, ist jedoch dem Richter nicht aufgetragen...In einem derartigen Fall können aber die Beweisschwierigkeiten, die bei anderen abstrakten Gefährdungsdelikten auftreten, kaum als durchschlagend anerkannt werden. Man wird daher annehmen müssen, daß in solchen Fällen die gesetzliche Vermutung der Gefährlichkeit nicht unwiderleglich ist, vielmehr dem Gericht die Befugnis zusteht, den Gegenbeweis gegen die Gefährlichkeit im Einzelfall zu führen und den Tatbestand dann nicht anzuwenden, wenn festgestellt werden kann, daß die Tat zu keiner denkbaren Gefährdung von Menschenleben geführt hat... 223 In welchen Fällen eine einschränkende Anwendung abstrakter Gefährdungsdelikte geboten erscheint und wann man davon ausgehen muß, daß die gesetzliche Fixierung einer Handlung als abstrakt gefährlich den richterlichen Gegenbeweis ausschließt, ist eine Frage der Interpretation der einzelnen Tatbestände. Als Richtlinie läßt sich nur soviel sagen, daß das Bedürfiiis nach einer Zulassung des Gegenbeweises um so größer wird, je präziser sich die vom Gesetz gedachte Gefährdung im Einzelfall bestimmen läßt und daß das Bedürfnis nach rein abstrakten Gefährdungsdelikten um so größer ist, je weniger die genannten Voraussetzungen zutreffen." 224 Deutlich geht aus dem zweiten Absatz des Zitates hervor, daß Schröder mit seinen Überlegungen den Grundstein für die spätere Typusbildung 225 innerhalb des Gesamttypus abstraktes Gefährdungsdelikt mit jeweils unterschiedlichen Notwendigkeiten einschränkender Anwendung der Untertypen gelegt hat. Auch die Linie für die Unterscheidung zwischen den Untertypen ist klar vorgezeichnet und entspricht ziemlich exakt der auch von zeitlich späteren Beiträgen verfolgten Linie. Das Kriterium, welches über die einschränkende Anwendung entscheidet, ist schlichter Pragmatismus. Bei Schröder kommt das mit besonderer Deutlichkeit zum Ausdruck. Lediglich für solche Tatbestände, bei denen sich der Gefahrerfolg in Bezug auf ein Rechtsgut/Rechtsgutsträger oder wenigstens die konkrete Gefährlichkeit der Handlung in Bezug auf ein Rechtsgut präzise orten lassen und dadurch einem prozessualen „Gegenbeweis zugänglich werden, kann die prozessuale Lösung greifen". 226 Jüngere Werke sind in der Bereitschaft zuzugeben, sich mit den teleologischen Reduktionen abstrakter Gefährdungsdelikte an der praktischen Umsetzbarkeit des jeweils favorisierten Reduktionsmodells zu orientieren, weniger offen, in der Sache hängt aber auch bei ihnen die Frage des Ob der Reduktion allein davon ab, daß Modell praktisch anwendbar 223

ZStW 81 (1969) S. 7, 16. aaO. S. 17. 225 Zu den gebräuchlichen Untergruppen abstrakter Gefährdungsdelikte oben Einl.B.II. 226 Schröder, ZStW 81(1969), S. 7, 16. 224

224

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

ist. 2 2 7 Die praktische Anwendbarkeit wiederum - auch das hat Schröder zutreffend dargelegt - 2 2 8 richtet sich nach dem Abstraktionsgrad des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes. Je abstrakter ein Rechtsgut formuliert ist, desto weniger läßt sich praktisch feststellen, ob eine konkrete Tathandlung ein solches Rechtsgut in (konkrete) Gefahr gebracht hat oder die Tathandlung konkret gefährlich im Hinblick auf dieses Rechtsgut gewesen ist. Undeutlich ist dagegen das in dem ersten zitierten Absatz von Schröder Ausgeführte. Es ergeben sich drei Fragen, deren Beantwortung aus dem Text heraus nicht möglich ist. Undeutlich ist, ob der „Gegenbeweis gegen die Gefährlichkeit" gegen die konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung im einzelnen Fall oder gegen das Ausbleiben eines konkreten Gefahrerfolges zu führen ist. 2 2 9 Undeutlich ist auch, welche sachlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um von einem Gelingen des „Gegenbeweises" ausgehen zu können. Und weiterhin bleibt nach dem Text undeutlich, wie die Beweisführungslast und die Beweislast hinsichtlich des „Gegenbeweises", bei dem es sich der Sache nach um einen Beweis des Gegenteils handelt, 230 verteilt sein sollen. Graul, die die Ausführungen Schröders einer besonders sorgfältigen Textanalyse unterzogen hat, 231 hat mit Hilfe weiterer Fundstellen bei Schröder lediglich die letzte Frage klären können. Die Beweisführunglast für den „Gegenbeweis" liegt bei dem erkennenden Gericht. 232 Für eine gewollte Abweichung von § 244 Abs. 2 StPO bestehen keinerlei Hinweise. Die Beweislast im Falle des non liquet über Gefahr oder Gefährlichkeit soll der Angeklagte tragen. 233 Das ist aber nicht hinnehmbar. Zwar hat Schröder sein Votum für ein in dubio contra reum bezüglich des „Gegenbeweises" zum einen durch die Einordnung als Strafausschließungs- und nicht als Unrechtsausschließungsgrund 234 und zum anderen durch die Erwägung, daß durch diese Beweislastverteilung der Täter nicht schlechter (sondern eher besser, H.R.) stehe, als bei einer einschränkungslosen Anwendung abstrakter Gefährdungsdelikte, 235 abzusichern gesucht. Beide Argumente überzeugen 227

Dazu ausführlich oben Einl.B.II. ZStW 81 (1969), S. 7, 17 „In den Fällen dagegen, in denen das Gefährdungsdelikt sich gegen die Allgemeinheit oder gegen im Zeitpunkt der Tat noch nicht feststehende oder feststellbare Objekte richtet, wird man das gesetzgeberische Gefährlichkeitsurteil hinnehmen müssen." 229 Zutreffend Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 201. 230 Siehe oben bezüglich der entsprechenden Zweifelfragen bei Rabl Text nach Fußn. 213 sowie den Nachw. in Fußn. 213. 231 Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 199-211. 232 aaO. S. 205. 233 aaO. S. 206, Graul stützt sich - nach meinem Verständnis zutreffend - auf zwei Passagen aus der 13.Aufl. des von Schröder bearbeiteten Schönke/Schröder, Vor § 1 Rdnr. 148 und § 227 Rdnr. 1 234 Schröder, in Schönke/Schröder, 13. Aufl., Vor § 1 Rdnr. 148. 235 Schröder, in Schönke/Schröder, (Fußn. zuvor), § 227 Rdnr. 1. 228

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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jedoch nicht. Wenn das Kriterium für den Gegenbeweis die ausgebliebene Gefahr oder Gefährlichkeit ist, dann kann sich wegen des unmittelbaren Rechtsgutsbezuges dieses Merkmals der „Gegenbeweis gegen die Gefährlichkeit" nur auf das Unrecht der Tat beziehen 236 und der gelungene Gegenbeweis muß bereits das Unrecht und nicht erst die Strafbarkeit ausschließen. Für das Unrecht begründende Merkmale gilt aber der in-dubio-Satz uneingeschränkt. Auch der Verweis auf die Besserstellung des Täters ist nur scheinbar durchschlagend. Wer eine Einschränkung des Tatbestandes abstrakter Gefährdungsdelikte bei Gelingen des Gegenbeweises für geboten erachtet, weil anderenfalls kein Unrecht in Bezug auf das geschützte Rechtsgut verwirklicht würde, kann sich nicht mehr darauf zurückziehen, daß von der eigenen Ansicht abweichende Auffassungen den konkreten Angeklagten (noch) schlechter stellen würden. Wird der Schritt zur Einführung eines unrechtsbegründenden Merkmals vollzogen, gerät die auf dieses Merkmal bezogene Aufhebung der Beweislastverteilung entsprechend dem Grundsatz „in dubio pro reo" gerade mit diesem Satz in Widerspruch. Hinsichtlich der Anwendung des „Gegenbeweises gegen die Gefährlichkeit" auf § 306 a.F. (gemeint ist vornehmlich § 306 Nr.2 a.F.) ist gegen die Konzeption Schöders noch auf einen weiteren Umstand hinzuweisen. Die Zulassung des Gegenbeweises soll davon abhängen, daß die vom Gesetz vorausgesetzte Gefahr von vornherein in ihrer Richtung und Ausgestaltung feststeht. 237 D.h., weil § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) den Schutz menschlichen Lebens und menschlicher Gesundheit bezweckt, läßt sich die Richtung der Gefährlichkeit der Tathandlung besonders gut erfassen und eröffnet den Weg für die Zulassung des „Gegenbeweises" im Prozeß. Dahinter steht ersichtlich die Vorstellung, besonders verläßlich klären zu können, ob sich ein Mensch in dem inbrandgesetzten Gebäude aufgehalten hat oder nicht, wenn man unterstellt, daß dieser Umstand notwendige Voraussetzung eines konkreten Gefahrerfolges ist. Bei einer solchen Betrachtungsweise bleibt allerdings die spezifische Schutzrichtung des §306 a Abs. 1 Nr.l als generell gemeingefährliches Delikt unberücksichtigt. § 306 a Abs. 1 Nr.l schützt die genannten Rechtsgüter gerade nicht nur in ihrer dem Einzelnen zugewiesenen Funktion, sondern wegen der besonderen Bedeutung des Wohnens für die Ausgestaltung von Leben in einer Gemeinschaft auch in ihrer Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens. Die Auswirkungen auf die geschützten Rechtsgüter in dieser Funktion bleiben durch den „Gegenbeweis gegen die Gefährlichkeit" gänzlich unberücksichtigt. 238 236

Wie hier Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 283, der alle „für den Rechtsgüterschutz konstitutiven Merkmale dem Unrecht zuschlagen" will. 237 Schröder, ZStW 81(1969), S. 7, 16. 238 Schröder aaO. S. 17 selbst geht zutreffend davon aus, daß der Gegenbeweis bei abstrakten Gefährdungsdelikten zum Schutz der Allgemeinheit weder geboten noch möglich sei. Das gilt aber auch, wenn man sich von dem diffusen Schutz der AllgeRadtke

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Die im Verlaufe der Dogmengeschichte vorgeschlagenen prozessualen Lösungswege einer im Ergebnis tatbestandseinschränkenden Anwendung abstrakter Gefährdungsdelikte bieten daher aus den genannten Gründen schon aufgrund ihrer methodischen Vorgehensweise keine Grundlage teleologischer Reduktionen. b) Die Risikomodelle Hinter dem hier gewählten Sammelbegriff der Risikomodelle verbergen sich eine Fülle in den Details höchst divergierender Vorschläge darüber, wie abstrakte Gefährdungsdelikte eines bestimmten Untertypus, den man als die klassischen abstrakten Gefährdungsdelikte bezeichnen kann (Bsp.: § 306 a Abs. 1 Nr.l/§ 306 Nr.2 a.F.), zu verstehen sind, um diese mit einem ausreichenden Unrechts- und Schuldgehalt jeder einzelnen Tat zu versehen. Die Zusammenfassung als Risikomodelle greift zurück auf die gemeinsame Basis aller dieser Ansichten: Bei abstrakten Gefährdungsdelikte vom Typus des § 306 a Abs. 1 Nr.l/§ 306 Nr.2 a.F. 239 genügt allein die vorsätzliche Vornahme der tatbestandlichen Handlungen nicht für die Begründung eines die Strafdrohung legitimierenden Unrechts. Über die Tatbestandserfüllung hinaus soll erforderlich sein, daß der Täter objektiv ein „adäquates Risiko" für das geschützte Rechtsgut geschaffen und hinsichtlich dieses Risikos fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. 240 Die zusammenfassende, auf zahlreiche in den Einzelheiten höchst unterschiedliche Erklärungsmodelle bezogene Formulierung des vorstehenden Satzes ist notwendigerweise vergröbernd, gibt aber den gemeinsamen Kern der Auffassungen ausreichend exakt wieder. 241 Risikomodelle gehen von einem auf den

meinheit löst und auf die spezifische doppelte Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte blickt. 239 Es gilt zumindest für die Mehrzahl der Autoren solcher Riskomodelle das Wort von Horst Schröder (oben Text vor Fußn. 224), nach dem es eine Frage der Interpretation des einzelnen Tatbestandes ist, welche abstrakten Gefährdungsdelikte einer einschränkenden Anwendung unterworfen sind; vgl. etwa Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 279 mit Fußn. 786. 240 Als Beispiel Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 279 ff. und 296 ff., der allerdings alternierend zu der (folgenlos) fahrlässigen Schaffung eines adäquaten Risikos für das geschützte Rechtsgut die Kombination aus vorsätzlicher Brandstiftung und vorsätzlichem untauglichem Tötungsversuch annehmen will.Die Beschränkung auf den Tötungsversuch beruht bei Wolter darauf, daß er allein das Leben als durch § 306 Nr.2 a.F. geschütztes Rechtsgut ansehen will; dazu oben 2.Kap.A.I.3. 241 Reduktionsmodelle, die (außer der natürlich notwendigen vorsätzlichen Brandstiftung) auf die wenigstens fahrlässige Schaffung eines Risikos für das geschützte Rechtsgut bzw. die geschützten Rechtsgüter abstellen, finden sich etwa bei Rudolphe Festschrift für Maurach, S. 51, 59 f.; Volz, Unrecht und Schuld abstrakter Gefährdungsdelikte, S. 99 ff., 162 ff.; Brehm, Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, S. 126 ff.; Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 28, 94 f.; Wolter, Objektive und personale Zu-

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Schutz der Rechtsgüter Leben und (nach einem Teil der Vertreter solcher Modelle) Gesundheit gerichteten Zweck des § 306 a Abs. 1 Nr.l aus. Angesichts dieses Schutzzwecks würde der in § 306 Nr.2 a.F. enthaltene Normbefehl, dem der des neuen § 306 a Abs. 1 Nr.l entspräche, nicht als das Verbot, zum Wohnen dienende Gebäude etc. in Brand zu setzen, sondern als Verbot, Menschen zu töten oder (bei entsprechender Rechtsgutsbestimmung) zu verletzten, bestimmt. 242 (1) Fahrlässigkeitsmodelle: Wer das Unrecht einer schweren Brandstiftung nicht allein durch die vorsätzliche Vornahme der Tathandlung zu begründen können glaubt, sondern zusätzlich (wenigstens) Sorgfaltswidrigkeit im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut verlangt, für den ist von entscheidender Bedeutung zu klären, unter welchen Voraussetzungen von einer rechtsgutsbezogenen Sorgfaltswidrigkeit ausgegangen werden kann. Als Beispiel für die Vorgehensweise zur Bestimmung des aus der Sorgfaltswidrigkeit resultierenden Unrechts abstrakter Gefährdungsdelikte vom Typus des § 306 a Abs. 1 Nr.l/§ 306 Nr.2 soll die Auffassung von Brehm dienen. 243 Brehm setzt Fahrlässigkeitsdelikte und abstrakte Gefährdungdelikte in ihrer Konstruktion parallel. Bei beiden Deliktsformen genüge die schlichte Subsumierbarkeit der einschlägigen Verhaltensweise unter den Gesetzeswortlaut lediglich für die Annahme der Tatbestandsmäßigkeit nicht aber für die Begründung der Rechtswidrigkeit der Tat. Letztere folge erst aus der Nichteinhaltung der gebotenen Sorgfalt. 244 Diese Sorgfaltswidrigkeit oder Pflichtwidrigkeit in der Terminologie von Brehm ergebe sich lediglich dann, wenn das jeweilige tatbestandsmäßige Verhalten geeignet war, das geschützte Rechtsgut zu verletzten. 245 Grundsätzlich folgt diese Eignung bereits aus der Ausführung der Tatbestandshandlung selbst. Von diesem Grundsatz will Brehm jedoch eine Ausnahme zulassen, wenn der Täter über „Sonderkenntnisse" verfügt, aufgrund derer er sicherstellen kann, das durch die Tat das geschützte Rechtsgut bzw. ein Träger dieses Rechtsgutes nicht verletzt wird. Auf § 306 Nr.2 a.F. und entsprechend § 306 a Abs. 1 Nr.l gewendet, entfalle die Pflichtwidrigkeit und damit die Rechtswidrigkeit (das Unrecht) des Inbrandsetzens eines Wohnhauses, wenn der Täter sich vor der Tat ausreichend vergewissert hat, Menschen durch seine Tat nicht verletzen zu können. 246 Interessant für die Auseinandersetzung mit den Risikomodellen sind

rechnung, S. 279 ff., 296 ff. (s. aber auch Fußn zuvor a.E.); Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, S. 79 ff. 242 Siehe etwa Brehm, aaO., S. 153; zu dieser Sichtweise kritisch Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 256. 243 Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, S. 120 ff. 244 Brehm, aaO., S. 131. 245 aaO., S. 126. 246 aaO, S. 130 f. und ders., JuS 1976, S. 22, 24 f.; ganz ähnlich in der Vorgehensweise Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 94, fehlt es bei der konkreten Tathandlung 1

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

die Konsequenzen des jeweiligen Modells für Fallgestaltungen, in denen der Täter die Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung fehlerhaft beurteilt. Brehm bezog hinsichtlich § 306 Nr.2 a.F. eindeutig Stellung: War es für den konkreten Täter unerkennbar, „daß sich tatsächlich jemand in dem Gebäude befand, konnte der Täter davon ausgehen, daß er niemand gefährden wird. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht liege nicht vor und die Anwendung des § 306 (a.F.; entsprechend § 306 a Abs. 1, H.R.) scheidet aus, selbst dann, wenn jemand getötet wurde™ Die gleiche Konsequenz ergibt sich auch für Wolter, der abstrakte Gefährdungsdelikte nach der Art des § 306 Nr.2 a.F. (entspr. § 306 a Abs. 1 N r . l ) nicht ausschließlich über die (wenigstens) fahrlässige Schaffung eines adäquaten Lebensrisikos für begründbar hielt, sondern alternierend zu der tatsächlich vorhandenen fahrlässigen Risikoschaffung auf die - irrtumsbedingt - lediglich vermeintliche aber vorsätzliche Risikoschaffung, d.h. die Konstellation des unerkannt untauglichen Tötungsversuchs zurückgriff. 248 Auch durch die Hinzunahme des alternierenden Unrechtsbegründungsweges über den untauglichen Tötungsversuch kam Wolter aber nicht umhin, das vorsätzliche Inbrandsetzen eines Wohngebäudes, das im Ergebnis zu dem Tod eines zur Tatzeit im Objekt befindlichen Menschen geführt hat, nicht als Brandstiftung gemäß § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) sanktionieren zu können, falls sich auf der Grundlage einer „objektiv-nachträglichen Prognose vom Stand- und Zeitpunkt der Brandstiftungshandlung (spätestens: bei Beendigung des Brandstiftungsversuchs)" ergibt, „ daß kein Mensch in (Lebens-)Gefahr geraten kann". 249 Befand sich entgegen der „objektiven (;und 250 subjektiven) Erwartung (oder Erwartbarkeit) zur Zeit der Tat - dennoch ein Mensch in dem in Brand gesetzten Gebäude", der tödlich verletzt wird, scheide § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) dennoch aus, weil es „objektiv (wie subjektiv) an der zurechenbaren Schaffung eines (Lebens-)Gefährdungsrisikos" fehlt. 251 D.h. außerhalb der untauglichen Tötungsversuche hing die Strafbarkeit wegen schwerer Brandstiftung gemäß § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) für Wolter - wie auch für Brehm - von dem auf der Grundlage einer objektiv nachträglichen Prognose 252 zu treffenden Nachweis einer objektiven Verletzungseignung der einzelnen Tathandlung in Bezug

an der Verletzung einer auf das geschützte Rechtsgut bezogenen Sorgfaltspflicht, entfällt das Unrecht der Tat. 247 Brehm, aaO., S. 12 f.; Hervorhebungen H.R. 248 Wolter, Personale und objektive Zurechnung, S. 276 ff, vor allem S. 296 ff. 249 aaO., S. 281. 250 Hervorhebung im Original. 251 Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 281. 252 Deren Inhalte von Wolter und Brehm nicht einheitlich beurteilt werden; siehe Wolter, aaO., S. 181 einerseits und Brehm, Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, S. 25 andererseits.

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auf das geschützte Rechtsgut bzw. einen Träger dieses Rechtsgutes ab. 253 Unter Berücksichtigung identischer Struktur und Schutzrichtung von § 306 a Abs. 1 Nr.l und § 306 Nr.2 a.F. bleiben die näher vorgestellten Risikomodelle auch für die reformierte schwere Brandstiftung anwendbar. Die Konsequenz beider vorgestellter Fahrlässigkeitsmodelle öffnet den Blick auf die Schwächen der Ansichten von Brehm und Wolter, die aber zugleich immanente Schwächen jedes Unterfangens, § 306 Nr.2 a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.l teleologisch zu reduzieren, sind. Mit der Herausnahme der beschriebenen Fallkonstellation aus der Strafbarkeit des § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) trotz brandbedingter Tötung eines Menschen innerhalb eines tauglichen Tatobjekts wird die mit der Schaffung eines generell gemeingefährlichen Delikts verbundene Intention des Gesetzgebers, Lebensschutz in der besonderen Situation des Wohnens umfassend zu gewährleisten, in ihr Gegenteil verkehrt. § 306 a Abs. 1 Nr.l soll, das dürfte unbestreitbar sein, zumindest das Leben von Menschen, die sich zu der Tatzeit in dem Brandobjekt aufhalten, vor den aus der Brandstiftung resultierenden Gefahren für die Träger des Rechtsgutes schützen. Wenn - trotz dieser konsentierten Rechtsgutsbestimmung - 2 5 4 bei einer tödlichen, brandbedingten Verletzung eines im Tatobjekt befindlichen Menschen die Strafbarkeit wegen schwerer Brandstiftung entfallen soll, erweisen sich die genannten Reduktionsmodelle als inakzeptabel. Realisiert sich durch die (vorsätzliche) Ausführung der Tathandlung das Risiko, welches das dem Tatbestand zugrundeliegende Handlungsverbot (Inbrandsetzen etc. von Wohngebäuden wegen der generellen Gefährlichkeit für Menschen) gerade verhindern will, kann der Tatbestand schlechterdings nicht ausgeschlossen sein. Daß die betrachteten Risikomodelle zu untragbaren Ergebnissen führen, läßt sich auf drei Gründe zurückführen. (a) Bezüglich der praktischen Anwendbarkeit scheitern die jeweiligen Risikomodelle an der Unfähigkeit, einen plausiblen Sorgfaltsmaßstab für die die adäquate Risikoschaffung ausschließende Vorgehensweise des Brandstifters zu benennen.255 Abgesehen von dem durch Kindhäuser erhobenen Einwand, daß es Sorgfaltsnormen überhaupt nur für „explizit erlaubte oder sozial übliche Verhaltensweisen geben" kann, 256 kann die Suche nach dem für die Reduktionsmodelle maßgeblichen - überspitzt formuliert - „sorgfältigen Brandstifter" auch in praktischer Hinsicht nicht zu einem befriedigenden Erfolg führen. Entweder die Sorgfaltsanforderungen werden so angesetzt, daß sie auf der Grundlage einer 253

Vgl. auch Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 263. Kindhäuser, aaO., S. 295 stellt zwar nicht bei der Rechtsgutsbestimmung, immerhin aber bei der Festlegung der Güter, der sorgelose Verfügbarkeit gesichert werden soll, auf Leben (und Leib) ab. 255 Treffend Kindhäuser, aaO., S. 260 ff., vor allem S. 261 und 263 mit Fußn. 7. 256 aaO., S. 262. 254

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

nachträglichen Prognose ex ante selbst Minimalrisiken, die wegen der faktischen Besonderheiten der Brandstiftungen an Wohnungen - ex ante gesehen nicht sicher ausschließbar sind, als sorgfaltswidriges Vorgehen kennzeichnen. Dann jedoch ist nicht mehr ersichtlich, worin sich ein solches Reduktionsmodell von einer uneingeschränkten Anwendung des § 306 a Abs. 1 Nr.l unterscheidet, weil derartige Sorgfaltsanforderungen keinen Raum mehr für eine (rechtsgutsbezogen) „sorgfaltsgemäße" Brandstiftung an Wohngebäuden ließen. Oder aber der Sorgfaltsmaßstab wird so angesetzt, daß die bereits angesprochene Fälle (bei nachträglicher Prognose ex ante unerwartbare Risikorealisierung in Form eines Verletzungserfolges) als vermeintlich (in Bezug auf das Leben) sorgfaltsgemäße Brandstiftungen unter dem Ansatz § 306 a Abs. 1 Nr.l straffrei bleiben. Das jedoch ist nicht hinnehmbar. (b) Der grundlegende Fehler der Risikomodelle liegt allerdings bereits in ihrer Prämisse, daß es auf die (sorgfaltswidrige) Schaffung eines Lebens- oder Leibesrisikos durch jede einzelne Tathandlung überhaupt ankommt. Die Sichtweise ist ausschließlich an dem auf den Schutz der Rechtsgüter Leben und Leib in ihrer individuellen Funktion ausgerichteten Zweck orientiert. Sie verkennt, daß jedes Inbrandsetzen einer Wohnräumlichkeit, solange sie als solche existiert, eine Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter in ihrer zweiten Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens bewirkt. Die Wohnung eines Menschen ist der zentrale Ort der Ausgestaltung seines Lebens, den es vor Angriffen durch das Tatmittel Feuer unabhängig davon freizuhalten gilt, ob durch die einzelne Brandstiftung ein einzelner Träger der geschützten Rechtsgüter (individuell) konkret gefährdet oder verletzt wurde und verletzt werden konnte. 2 5 7 Um die Ausgestaltung von Leben an seinem zentralen Ort sinnvoll und unbeeinträchtigt durch Angriffe mittels des generell unbeherrschbaren und wirkmächtigen Tatwerkzeugs Feuer ermöglichen zu können, ist es für die wenn man so will - gesellschaftliche Dimension der geschützten Rechtsgüter irrelevant, ob ein einzelner Brandstifter sich (sorgfältig) um die Vermeidung einer Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leben und Leib in ihrer individuellen Komponente bemüht. Der Wert der Wohnung als Zentralort der LebensgestäXtung und als Rückzugsraum der einzelnen Menschen ist schon dann beeinträchtigt, wenn das Erlaubtsein der Vornahme einer Brandstiftung an einem Wohngebäude von der Beurteilung des Täters seiner Fähigkeiten, individuelle Rechtsgutsverletzungen oder konkrete Rechtsgutsgefährdungen zu vermeiden, abhängig gemacht wird. 2 5 8

257 Insoweit wie hier - allerdings auf der Basis einer abweichenden Rechtsgutsbestimmung - Kindhäuser, aaO., S. 295. 258 Daher vermag ich auch der von Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 123 und Frisch, Festschrift ftlr Stree und Wessels, S. 69, 92 geäußerten Kritik an der von Kindhäuser vorgestellten Dogmatik abstrakter Gefährdungsdelikte („Sicherheit als Rechtsgut") insoweit nicht zuzustimmen, als sie Kindhäuser vorwerfen, in concreto völlig ungefährliche Ver-

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(c) Der Gedanke der Auslieferung des Rechtsgutes unter die Gefahr- oder Gefährlichkeitseinschätzung des Täters selbst oder eines Dritten („verständiger Beobachter aus dem Verkehrskreis des Täters" u.ä.) leitet über zu einem weiteren Aspekt, der von den Risikomodellen nicht ausreichend berücksichtigt wird: dem Irrtumsrisiko. 259 Irrtumsrisiko läßt sich unter zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten: (aa) Irrtumsrisiko beschreibt die Möglichkeit, daß sich der konkrete Brandstifter, der sich „sorgfältig" um die Vermeidung von (individuellen) Rechtsgutsbeeinträchtigungen bemüht, seine Bemühungen entgegen der objektiven Sachlage für ausreichend hält oder daß seine Einlassung, ausreichende (im Sinne der Reduktionsmodelle) Vermeideaktivitäten entfaltet zu haben, prozessual nicht widerlegt werden kann. Das Ergebnis einer Vernachlässigung dieses als konkret verstandenen Irrtumsrisikos gerade auch im Hinblick auf die durch die teleologische Reduktion erhöhten Anforderungen an den Nachweis der subjektiven Seite in Folge der Risikomodelle ist bekannt: trotz eingetretener Verletzung eines individuellen Rechtsgutes durch die Brandstiftung bleibt die Tat nach § 306 a Abs. 1 Nr.l straffrei. Daß aber gerade die Sorge des historischen (preußischen) Gesetzgebers vor mit dem konkreten Irrtumrisiko verbundenen Schwierigkeiten des prozessualen Nachweises der subjektiven Seite der Tat diesen zur Statuierung der schweren Brandstiftung als abstraktes gemeingefährliches Delikt mit veranlaßt hat, ist bereits im Rahmen der Gesetzesgeschichte der Branddelikte dargelegt worden. 260 Durch die entsprechende Sorge motiviert, stützt die Begründung des RegE 6. StrRG das Festhalten an einem abstrakten Gefährdungsdelikt auf die mögliche Unwiderleglichkeit der Einlassung des Brandstifters, im Hinblick auf die Anwesenheit von Menschen zur Tatzeit im Tatobjekt „sorgfaltsgemäß" vorgegangen zu sein. 261 Nun mag man es für „methodisch verfehlt und sachlich unzulässig" halten, Probleme der Behandlung von Irrtumskonstellationen durch einen als objektiv zu weit und objektiv nicht ausreichend unrechtsbegründenden Tatbestand lösen zu wollen. 262 Die mit dieser Kritik an uneingeschränkt abstrakten Gefährdungsdelikten verbundene Erwartung, das Problem des (konkreten) Irrtumsrisikos durch eine

haltensweisen würden nicht nur die Rechtsgüter Leben und Leib nicht beeinträchtigen, sondern auch das Rechtsgut Sicherheit nicht berühren. Das ist nicht richtig, weil selbst bei ex post sich als „völlig ungefährlich" erweisenden einzelnen Tathandlungen die Einschätzung über die Gefährlichkeit der Tathandlung vor ihrer Ausführung dem Täter selbst oder - über den Maßstab der nachträglichen Prognose ex ante - dem mehr oder weniger verständigen Dritten überanwortet wird. Schon diese Unterwerfung des Rechtsgutes unter die Gefahr- oder Gefährlichkeitseinschätzung durch Täter oder verständigen Dritten beeinträchtigt aber die - im Sinne Kindhäusers - sorgelose Verfügung über das Leben in seiner Ausgestaltung in den eigenen Wohnräumen. 259 Siehe bereits oben l.Kap.C.1.2. sowie Hoyer, JA 1990, S. 183, 185 f. 260 Oben l.Kap.C.II.2.a.(5).(b). 261 BT-Drucks. 13/8587 S. 47. 262 Frisch, Festschrift für Stree und Wessels, S. 69, 93.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

„sachgerechte" Ausgestaltung von die Gefahr bzw. die Gefährlichkeit der Handlung ausschließenden Sachverhalten so zu lösen, daß kein Raum mehr für eine nicht prozessual widerlegbare subjektiv abweichende Bewertung des Ausschlußsachverhaltes bleibt, 263 vermag ich allerdings nicht zu teilen. Selbst wenn es gelingen sollte, die Anforderungen an Ausschlußsachverhalte 264 so zu formulieren, daß ein konkretes Irrtumsrisiko, welches sich in einer (individuellen) Rechtsgutsverletzung realisieren kann, ausgeschlossen ist, bleibt der zweite, nicht konkrete Aspekt des Irrtumsrisikos, der sich auch durch im Einzelfall als sicher bewertete Vermeideaktivitäten nicht umgehen läßt. (bb) Irrtumsrisiko bezeichnet nicht ausschließlich die Möglichkeit eines Irrtums des konkreten Täters über das Genügen seiner Vermeideaktivitäten, sondern Irrtumsrisiko bedeutet auch, daß die Einschätzung über die Auswirkungen der Vornahme der Tathandlung auf die geschützten individuellen Rechtsgüter bzw. die Träger dieser Rechtsgüter überhaupt auf den Täter übertragen wird. 2 6 5 Jedes Modell, das ein über die vorsätzliche Ausführung des Tatbestandes hinausgehendes, auf die durch § 306 a Abs. 1 Nr.l geschützten individuellen Rechtsgüter bezogenes unrechtsbegründendes Merkmal postuliert, erfordert einen subjektiven Bezug des Täters auf das Unrechtsbegründungsmerkmal. Damit ist zwangsläufig verbunden, die Beurteilung über die Konsequenzen der Tathandlung für das geschützte Rechtsgut/Rechtsgutsträger (auch) in die Zuständigkeit des Brandstifters zu verlagern. Gerade diese Übertragung der Zuständigkeit auf den Täter gilt es aber bei generell gemeingefährlichen Delikten auszuschließen. Es heißt, die tatsächlichen wie die tatbestandsstrukturellen Besonderheiten der Brandstiftung an Wohngebäuden aufzugeben, wenn bei einem Tatbestand, dem der Einsatz eines unter den im Tatbestand genannten tatsächlichen Bedingungen generell unbeherrschbaren und in seinen Auswirkungen auf die geschützten individuellen Rechtsgüter ex ante nicht vorhersehbaren Tatmittels zugrundeliegt, dem Täter die Kompetenz zugesprochen wird, im einzelnen Fall die rechtsgutsbezogenen

263 Frisch, aaO., S. 93 mit Fußn. 93, der sich de lege ferenda für eine Ersetzung uneingeschränkter abstrakter Gefährdungsdelikte durch materielle Eignungsdelikte ausspricht und bei objektiver Nichtausschließbarkeit (auf der Basis einer objektiven ex-ante Eignung) nicht bereits die (fehlerhafte) Annahme der Ausgeschlossenheit zum Vorsatzausschluß genügen lassen will, sondern erst die „Annahme ausreichender Ausschließungssachverhalte oder die Annahme solcher Sachverhalte auf der Basis ganz bestimmter Vorkehrungen" genügen lassen will. Obwohl die an die Ausschlußsachverhalte zu stellenden Anforderungen von Frisch, aaO. nicht näher formuliert werden, scheint mir sein Vorschlag auf Minimalrisikolösungen hinauszulaufen wie sie etwa BGHSt 26, 121 oder Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 114 mit Fußn. 77: Unrechtsausschluß, wenn der Täter auf der Grundlage „nach außen in Erscheinung tretender und somit nachprüfbarer Umstände" sicher weiß, daß eine Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht eintreten kann und diese auch tatsächlich ausgeblieben ist, formuliert worden sind. 264 Frisch, aaO., S. 93. 265 Siehe Hoyer, JA 1990, S. 183, 185; vgl. auch Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 191 ff.

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Auswirkungen seines Tuns so beurteilen zu können, daß er die allein gebotene Unterlassung der Tathandlung durch deren (vermeintlich) ausreichend (rechtsgutsbezogen) sorgfältige Vornahme substituiert. Die Zulassung der Substitution des Verzichts auf die tatbestandsmäßige Handlung durch die vermeintlich (rechtsgutsbezogen) sorgfaltsgemäße Ausführung der tatbestandsmäßigen Handlung verfehlt aber die besonderen Anforderungen an die Ausgestaltung der Tatbestandsstruktur bei Delikten mit einer generell gemeingefährlichen Tathandlung. Weil ein in dem zu Beginn von (c) beschriebenen Sinn konkretes Irrtumsrisiko des einzelnen Täters in Anbetracht der Spezifika der Brandstiftung nicht ausgeschlossen werden kann, darf die Zuständigkeit für die Gefahroder Gefährlichkeitseinschätzung überhaupt nicht auf den Täter übertragen werden. (2) Vorsatzmodelle: Aus den zu (1) genannten Gründen wäre daher der in § 151 AE-StGB unterbreitete Vorschlag, wegen vorsätzlicher Verursachung eines Brandes (§151 Abs. 1 Nr.l AE-StGB) lediglich dann zu bestrafen, wenn der Täter vorsätzlich im Hinblick auf die Schaffung einer Gefahr für andere an Leib und Leben gehandelt hat (§151 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AE-StGB), 266 als Modell teleologischer Reduktion - als der er natürlich auch nicht gemeint war nicht geeignet. Abgesehen von dem methodischen Einwand, daß der geforderte Vorsatzbezug hinsichtlich der Gefahr für die geschützten Rechtsgüter sich - wegen des auch möglichen Fahrlässigkeitsbezuges (oben [1]) - methodenwidrig zu weit von der lex lata entfernte, 267 treffen die gegenüber den Fahrlässigkeitsmodellen (oben 1) geäußerten Bedenken erst recht auf die Forderung nach einem Vorsatzbezug zu. Auch de lege ferenda ist die von § 151 AE-StGB erwogene Lösung über die Gefahrausschlußklausel („ohne daß im Zeitpunkt der Handlung eine Schädigung anderer an Leib oder Leben auszuschließen ist") mit dem für eine vorsätzliche Tatbegehung erforderlichen Vorsatz hinsichtlich der Möglichkeit der Schädigung nicht überzeugend. Die faktischen Besonderheiten gemeingefährlicher Tathandlung bleiben unberücksichtigt, wenn auf eine vorsätzliche Schaffung einer (wenigstens nicht ausschließbaren) individuellen Rechsgutsgefahr abgestellt wird. Das Problem des Irrtumsrisikos bleibt auch dann ungelöst, wenn über den Ausschluß der Möglichkeit einer Menschengefährdung auf objektiver Ebene das Urteil des „objektiven Beobachters" entscheidend sein soll. 2 6 8 Schon auf dieser Ebene ist unklar, welcher Umfang an Wissen über die möglichen Auswirkungen der Tathandlung dem Beobachter zu eigen sein soll. Je nach seinem Wissenshorizont bleiben - entsprechend dem zu den Risikomo266

Zum Verständnis der Klausel von der Nichtausschließbarkeit der Rechtsgutsgefahr und dem für eine vorsätzliche Brandstiftung gemäß § 151 AE-StGB notwendigen Vorsatzbezug hinsichtlich der Rechtsgutsgefahr ausführlich Schneider, Jura 1988, S. 460, 467. 267 Richtig Schneider, aaO., S. 467. 268 Begründung zu § 151 AE-StGB, S. 57.

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dellen von Brehm und Wolter Gesagten (oben [1]) - straffreie Brandstiftungshandlungen mit eingetretener Rechtsgutsverletzung jenseits der vom objektiven Beobachter erwartbaren Möglichkeit dieser Verletzung. Das ist aber nicht hinnehmbar. (3) Minimalrisikolösungen: Ob der von BGHSt 26, 121, 124 f. erwogene Ausschluß des Tatbestandes des § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) bei tatsächlich absolut ausgeschlossener Gefährdung von Menschenleben, der lediglich bei mit einem Blick überschaubaren Brandobjekten („einräumige Hütten oder Häuschen") in Betracht kommen soll, angesichts der nur sehr groben Skizzierung des Gemeinten als eigenständiges Modell teleologischer Reduktion verstanden werden kann, mag dahinstehen. Immerhin haben die Überlegungen des Bundesgerichtshofes in der Literatur einigen Anklang gefunden. 269 Von einer Minimalrisiko\ösung läßt sich sprechen, weil durch das Kriterium der absolut ausgeschlossenen Menschengefährdung, das zudem durch die formulierten Anforderungen an die in Frage kommenden Tatobjekte ausgeführt werden soll, 2 7 0 die Realisierung eines konkreten Irrtumsrisikos des Täters stark herabgesetzt werden könnte. Ob mit der Formulierung von der absolut ausgeschlossenen Menschengefährdung das hier angesprochene konkrete Irrtumsrisiko vermieden werden soll und kann, ist nicht zuverlässig zu beurteilen. Der Bundesgerichtshof läßt nicht recht erkennen, auf welchem Kenntnisstand in welchem Stadium der Tat der absolut sichere Ausschluß der (konkreten?) Gefahr für Menschenleben beurteilt werden soll. Da das Gericht aber in den weiteren Entscheidungsgründen auf Vermeideaktivitäten des Brandstifters vor Ausführung der Tathandlung abstellt (Nachschau nach in dem Objekt anwesenden Menschen), ist mit Bohnert 271 anzunehmen, daß der Bundesgerichtshof von einer objektiven Prognose auf der Basis des Kenntnisstandes im Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung ausgehen will. Dann aber kann es - ex post gesehen - keinen absolut sicheren Ausschluß der Rechtsgutsgefahr bzw. Rechtsgutsverletzung geben. 272 Bei den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an die (rechtsgutsbezogen) sorgfältige Vornahme der Tathandlung stellen will, mag daher die Realisierung des konkreten Irrtumsrisiko extrem gering sein. Ausgeschlossen ist das konkrete Irrtumsrisiko nicht. Das Unterwerfen der geschützten Rechtsgüter unter eine externe Risikoeinschätzung seitens des Täters selbst oder

269

Etwa Wessels, BT 1, Rdnr. 927; Hilger, NStZ 1982, S. 420 f.; Weber, Die Vorverlegung des Strafrechtsschutzes, S. 34 will de lege ferenda bei objektiv absoluter Ungefährlichkeit einen objektiven Strafbarkeitsausschluß annehmen. 270 Allerdings ist der Bezug zwischen der absolut ausgeschlossenen Menschengefährdung und den einräumigen Hütten und Häuschen nicht gelungen; dazu Bohnert, JuS 1984, S. 182, 186. 271 Bohnert, aaO. geht von einer - offenbar nachträglichen - Prognose seitens des BGH aus. 272 Bohnert, aaO.

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eines „objektiven" Dritten kann auch eine Minimalrisikolösung nicht auschließen. 273 (4) Modelle konkreter Gefährlichkeit der Handlung: Rechtsansichten, die abstrakten Gefährdungsdelikten (bzw. abstrakten Gefährlichkeitsdelikten) 274 das Erfordernis konkreter Gefährlichkeit der einzelnen tatbestandsmäßigen Handlung als einschränkendes Korrektiv beilegen wollen, 275 weisen Berührungen mit den bereits dargestellten Fahrlässigkeitslösungen auf. Die wesentliche Gemeinsamkeit besteht darin, einen über die Vornahme der Tathandlung hinausgehenden Bezug zwischen der Tathandlung und dem geschützten Individualrechtsgut herzustellen. So will etwa Hirsch die konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung nicht nur als Kriterium für ein System der Gefährdungsdelikte (konkrete Gefährdungsdelikte, konkrete und abstrakte Gefährlichkeitsdelikte) 276 einführen, sondern den von ihm so bezeichneten abstrakten Gefährlichkeitsdelikten, zu denen § 306 a Abs. 1 Nr.l zählt, das Erfordernis der konkreten Gefährlichkeit der einzelnen Tathandlung als (unrechtsbegründendes?) ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal implementieren. 277 Konkret gefährlich sollen solche Tathandlungen sein, „bei denen die Tatbestandsmerkmale durch eine Handlung ver-

273 Das gilt auch für die von Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 114 f. vertretene Ansicht. Berz aaO., will abstrakte Gefährdungsdelikte lediglich dann wegen mangelndem verwirklichten Unrecht nicht anwenden, wenn eine schädliche Folge (konkrete Rechtsgutsgefahr oder Verletzung) tatsächlich ausgeblieben ist und der Täter aufgrund objektiv manifester und damit (im Prozeß?, H.R.) nachprüfbarer Umstände sicher gewußt hat, daß sein Verhalten nicht zu einer Schädigung führen würde. An dieser Reduktionslösung ist richtig, daß bei Eintritt der individuellen Rechtsgutsverletzung gleich ob aufgrund einer (rechtsgutsbezogen) sorgfaltswidrigen oder sorgfaltsgemäßen Ausführung der Brandstiftung - die Strafbarkeit gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l ausgelöst wird; kritisch gegenüber Berz aber Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 359 f. (entgegen Berz [und der hier vertretenen Ansicht] begründe der Eintritt des Erfolgsunwertes kein Unrecht, wenn dieser nicht - wegen Rechtsgutsbezogen sorgfaltsgemäßen Vorgehen des Brandstifters - durch ein materielles Handlungsunrecht vermittelt werde). Die Lösung von Berz übergeht aber, daß selbst bei sicherem Wissen des Täters um das Ausbleiben der schädlichen Folge für das Rechtsgut und deren tatsächlichem Ausbleiben die unbeeinträchtigte Existenz des Rechtsgutes in die Beurteilungskompetenz (auch) des Täters gestellt wird. Der Brandstifter soll aber, ohne die Auswirkungen auf das geschützte indviduelle Rechtsgut zu beurteilen, die Tatbestandshandlung überhaupt unterlassen. Darüber hinaus führt die vorsätzliche Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung stets zu einer Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter in ihrer Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens. Die Ausführung der Brandstiftung ist selbst bei - objektiv nachprüfbarem - sicherem Wissen um das Ausbleiben schädlicher Rechtsgutsfolgen keine „vertrauensbildende Maßnahme" i.S. v. Berz, aaO., S. 114; siehe auch bereits oben Fußn. 258. 274 Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 550 f., 558 f.; A.H Meyer, Die Gefährlichkeitsdelikte, S. 153 ff. 275 Hirsch, aaO., S. 559. 276 Oben Einl.B.II. 277 Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 559.

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wirklicht werden, die aus der ex ante-Sicht eines in der Situation des Täters befindlichen objektiven Beobachters („zum Verkehrskreis des Täters gehörender verständiger Dritter") 2 7 8 in concreto einen Schadenseintritt wahrscheinlich macht, zu dem es dann aber glücklicherweise nicht kommt." 2 7 9 Für die subjektiven Voraussetzungen genügt zwar bei einem abstrakten Gefährlichkeitsdelikt (grundsätzlich) Vorsatz in Bezug auf die gesetzlich vertypten Umstände. Wenn aber wegen der möglichen Kollisionen mit dem Schuldprinzip die abstrakten Gefährlichkeitsdelikte um das Merkmal konkreter Handlungsgefährlichkeit angereichert werden müssen, bedarf es auch insoweit eines weitergehenden, von Hirsch für die konkreten Gefährlichkeitsdelikte postulierten Vorsatzbezuges, das bewußt und gewollt riskante Handeln. 280 Entsprechend dem zu dem objektiven konkreten Gefährlichkeitsurteil von Hirsch Vorgeschlagenen wird man annehmen müssen, daß bewußt und gewollt riskantes Handeln dann vorliegt, wenn der Täter das objektive Gefährlichkeitsurteil des verständigen Beobachters wenigstens in den wesentlichen Zügen subjektiv ebenfalls vollzogen hat. Das Maß der ex ante bestimmten objektiven Gefährlichkeit der einzelnen Handlung läßt einen jeweils (stärkeren oder schwächeren) Schluß auf die Gefährlichkeitseinschätzung des Täters zu. In der Konzeption der objektiven Gefährlichkeit der Handlung auf der Basis einer (nachträglichen) Prognose ex ante, bei der sich über den Umfang des der Prognose zugrundeliegenden Kenntnisstandes streiten lassen mag, stimmen weitere Ansichten mit dem Vorschlag von Hirsch weitgehend überein. So hatte bereits Volz 2 8 1 als das Handlungsunrecht abstrakter Gefährdungsdelikte konstituierendes Merkmal verlangt, daß der Täter durch die Ausführung der Tathandlung in Bezug auf die mögliche Verletzung des geschützten Rechtsgutes ein Risiko eingeht. Geht der Täter dagegen (ex ante betrachtet) kein Risiko für das Rechtsgut ein, soll das abstrakte Gefährdungsdelikt trotz tatbestandsmäßigem Handeln nicht zur Anwendung gelangen. 282 A.H. Meyer bewertet die (konkrete) Gefährlichkeit der Handlung als von ihm sog. negativen Rechtsgutsbezug, der eine ausreichende (verfassungsrechtlich begründete) Legitimation der Bestrafung aus abstrakten Gefährdungs- bzw. Gefährlichkeitsdelikten verschafft. (Konkret) gefährlich und damit wegen ausreichenden negativen Rechtsgutsbezuges strafbar, sei eine Tathandlung immer dann, wenn auf der Grundlage der bekannten Prognose ex ante, die das zum Zeitpunkt der Tat vorhandene nomologische Höchstwissen zugrundezulegen hat, die Verletzung eines Rechtsgutes

278 279 280 281 282

Hirsch, aaO., S. 558. Hirsch, aaO., S. 559. Hirsch, aaO., S. 558. Unrecht und Schuld, S. 143, 162 ff. Volz, aaO., S. 162 ff.

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über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehend als wahrscheinlich erscheint. 283 In der Sache handelt es sich m.E. auch bei der in manchem mißverständlichen und daher auch häufig mißverstandenen Lösung von Cramer, abstrakte Gefährdungsdelikte als Vorstufe konkreter Gefährdungsdelikte („Wahrscheinlichkeit konkreter Gefahr") anzusehen,284 um einen an die (konkrete) 2 8 5 Gefährlichkeit der Tathandlung anknüpfenden Vorschlag. 286 Die „Entdeckung" von Delikten, die konkret gefährliche Handlungen unter Strafe stellen und sich von konkreten sowie abstrakten Gefährdungsdelikten im Sinne der herkömmlichen Terminologie unterscheiden und deren Strafbarkeitsvoraussetzungen andere sind als bei abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten 2 8 7 erbringt einen Gewinn für die Dogmatik der (herkömmlich) abstrakten Gefährdungsdelikte, weil die Unterscheidung zwischen einem Zustand von (konkreter) Gefahr einerseits und (konkreter oder abstrakter) Gefährlichkeit der Tathandlung zutreffend als Ausgangspunkt für eine Systematisierung der Gefährdungs- bzw. Gefährlichkeitsdelikte gewählt wird. Diese neue Systematisierung enthebt von der bisher empfundenen Notwendigkeit, einzelne Tatbestände ihrem Deliktscharakter nach entweder als konkretes oder abstraktes Gefährdungsdelikt mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen an die Erfüllung der Tatbestandes (Gefahrurteil j a oder nein) einzuordnen. 288 Ob die Entdeckung der

283 Gefährlichkeitsdelikte, S. 187 ff., 207; im Gegensatz zu Hirsch und zu Volz hält Meyer, aaO., S. 209 ff., 212 f. jedoch keinen Vorsatzbezug hinsichtlich der objektiven Gefährlichkeit für erforderlich, sondern will es - entsprechend den Fahrlässigkeitsmodellen (oben a) - bei einer fahrlässigen subjektiven Zurechnung bewenden lassen. 284 Vollrauschtatbestand, S. 67. 285 Cramer , aaO., spricht zwar selbst von abstrakt gefährlichen Handlungen. Da er aber auf die Wahrscheinlichkeit einer konkreten Gefahr für ein Rechtsgut abstellt, aaO., S. 74 entspricht das Gemeinte der von Hirsch als konkrete Gefährlichkeit beschriebenen Eigenschaft der einzelnen Handlung. Das ergibt sich bereits daraus, daß Cramer aaO., für die Gefährlichkeit der Handlung auf die „Geeignetheit oder ihm gleichwertige Beschreibungen, H.R.) des Tatmittels" zurückgreifen will. 286 De lege ferenda (bezogen auf den Stand vor dem 6. StrRG) für die Ersetzung uneingeschränkt abstrakter Gefährdungsdelikte durch materielle Eignungsdelikte Frisch (oben Fußn. 263). 287 So ist die Urteilsbasis für die Feststellung konkreter Gefahr einerseits und konkreter Gefährlichkeit der Tathandlung andererseits unterschiedlich, vgl. Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 558 f. Nach herkömmlichem Verständnis ist der Eintritt eines Rechtsgutsträgers in den Gefahrenbereich der Tathandlung notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für das Vorliegen eines Zustandes konkreter Gefahr. Für die Beurteilung konkreter Gefährlichkeit einer Tathandlung ist dieser Umstand nicht relevant, A.H. Meyer, Gefährlichkeitsdelikte, S. 194. 288 So noch der Ausgangspunkt von Schröder, JZ 1967, S. 522 und ders., ZStW 81 (1969), S. 7, der zwar mit den von ihm sog. „abstrakt-konkreten" Gefährdungsdelikten durchaus eine Deliktskategorie zwischen abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten entdeckt hatte, aber bemüht war, diesen neu entdeckten Zwischentypus entweder dem einen oder dem anderen Haupttypus zuzuschlagen.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

konkreten Gefährlichkeit der Handlung über die Systematisierung hinaus eine neue Fundierung einer (modifizierten) objektiven Versuchstheorie bilden kann, wie von Hirsch angedeutet,289 ist in dieser Arbeit nicht zu entscheiden. Zu entscheiden und entschieden zu bestreiten ist aber, daß das Erfordernis konkreter Gefährlichkeit der Tathandlung ein durchgängig geltendes Unrechtsbegründungmerkmal bei abstrakten Gefährdungs- bzw. Gefährlichkeitsdelikten darstellen kann. Die Einwände gegen eine solche Lösung entsprechen den bereits gegen die Fahrlässigkeitsmodelle (oben [1]) erhobenen. Wegen des Erfordernisses der objektiv nachträglichen Prognose ex ante ist die konkrete Handlungsgefährlichkeit mit dem jeder Prognose anhaftenden Unsicherheitsmoment belastet, d.h. das Irrtumsrisiko in seiner konkreten wie in seiner normativen Gestalt (Unterwerfung des Rechtsgutes unter externe Risikoeinschätzung) werden nicht ausreichend beachtet. Ungesichert ist, ob Fallgestaltungen denkbar sind, in denen wegen der notwendig beschränkten (im Vergleich zu dem Erkenntnisstand ex post) Basis auch einer nachträglichen Prognose eine Handlung in dem Urteil des verständigen Dritten als in concreto ungefährlich bewertet werden muß, obwohl es zu einer Verletzung eines geschützten Rechtsguts/Rechtsgutsträgers gekommen ist. Hirsch geht lediglich auf Fallgestaltungen ausgebliebener Rechtsgutsverletzungen trotz konkret gefährlicher Tathandlung ein. 2 9 0 A.H. Meyer stellt klar, daß aus dem Eintritt der Verletzung nicht notwendigerweise die Gefährlichkeit der Handlung folgt. 291 Das ist insofern richtig, als für die Rechtsgutsverletzung auch Umstände ursächlich sein können, die dem Täter des abstrakten Gefährdungsdelikts nach allgemeinen Regeln nicht objektiv zurechenbar sind (etwa beachtliche, weil freiverantwortliche Selbstgefährdung). Maßgeblich ist aber, daß die Einfügung eines tatbestandseinschränkenden Korrektivs keinen Tatbestandsausschluß bewirken darf, wenn durch die vorsätzliche Brandstiftung kausal und nach allgemeinen Regeln objektiv zurechenbar eine Verletzung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit in ihrer individuellen Funktion bewirkt worden ist. Die Anknüpfung des Gefährlichkeitsurteils an die Prognose läßt aber Raum für ein (vielleicht nur Minimal-)Risiko jenseits des erwartbaren Geschehensablaufs. Darin besteht der entscheidende Dissens mit den Anhängern eines Merkmals konkreter Gefährlichkeit auch bei generell gefährlichen Tatbeständen. Entgegen A.H. Meyer ist eben nicht nur „in der weit überwiegenden Zahl der Fälle" die Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung eines Gefährlichkeitsdelikts (abstraktes Gefährdungsdelikts) „als gefährlich zu bezeichnen", 292 sondern in allen Fällen. Der besondere Schutz der Rechtsgüter Leib und Leben in der Situation des Wohnens ist beeinträchtigt, wenn an die

289 290 291 292

Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 560 f. aaO., S. 559. Gefährlichkeitsdelikte, S. 190. Gefährlichkeitsdelikte, S. 197.

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Stelle der Unterlassung der Tathandlung die Vornahme der Tathandlung kombiniert mit einem Urteil darüber gesetzt wird, ob Erfahrungssätze vorliegen, die „die Zukunft als vorhersehbar und den weiteren Verlauf der Dinge als beherrschbar erscheinen lassen". 293 Gerade einem solchem Urteil - weder des Täters noch eines objektiven Beobachters - sollen die geschützten Rechtsgüter nicht unterstellt werden. In Bezug auf den Rechtsgutschutz sind wegen der faktischen Besonderheiten der gemeingefährlichen Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten und des auch auf den Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit in ihrer Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens die Unterlassung der Tathandlung einerseits und die Vornahme der Tathandlung bei - auf der Basis einer nachträglichen Prognose ex ante zu beurteilenden - Ungefährlichkeit nicht gleichwertig. c) Vermeintliche Risikoschaffung Während die bisher vorgestellten Lösungsansätze eine tatsächlich bewirkte Risikoschaffung als Grundlage des Unrechtsvorwurfs bei (uneingeschränkt) abstrakten Gefährdungsdelikten herangezogen haben, läßt Schünemann neben der vorsätzlichen Ausführung des Tatbestandes die allein subjektive Sorgfaltswidrigkeit des Vorgehens im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut genügen.294Abstrakte Gefährdungsdelikte vom Typus des § 306 Nr.2 a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.l werden verstanden als eine Kombination aus vorsätzlicher Brandstiftung und fahrlässigem (auch untauglichem) Versuch eines Lebens- und/oder Leibesgefährdungs oder -Verletzungsdelikts.295 Wegen schwerer Brandstiftung macht sich demnach strafbar, wer die Tat ausführt und dabei die aus seiner Sicht gebotenen Vorsichtsmaßnahmen zur Sicherung der Vermeidung von Rechtsguts Verletzungen außer Acht läßt, obwohl „seine Maßnahmen bei objektiver Berücksichtigung aller Umstände als ausreichend erscheinen". 296 Das ist nicht plausibel. Ob der fahrlässige untaugliche Versuch die untere Stufe der Strafwürdigkeit einer Verhaltensweise begründet, ist bisher nicht umfassend untersucht und läßt sich mit beachtlichen Gründen bestreiten. 297 Zweifelhaft ist auch, ob sich die Lösung subjektiver Sorgfaltswidrigkeit von Schünemann und die Modelle objektiver Sorgfaltswidrigkeit etwa von Brehm und Horn (oben [1]) voneinander unterscheiden. Setzt man den objektiven Sorgfaltsmaßstab - an welchen Kriterien man ihn auch immer ausrichten mag - nur hoch genug an, ist

293

A.H. Meyer, aaO. Schünemann, JA 1975, S. 798; zustimmend Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 121. 295 Vgl. Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 288. 296 Schünemann, JA 1975, S. 798; sind die Sicherungsmaßnahmen des Täters bereits objektiv unzureichend, soll die Strafbarkeit erst recht eingreifen. 297 Siehe Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 290. 294

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

schwer ersichtlich, wo noch Raum für über die objektive Sorgfaltswidrigkeit hinausgehende vom Täter vorgestellte strengere Sorgfaltsanforderungen existieren soll. Und in praktischer Hinsicht: Welcher Brandstifter, dem ein Gericht in objektiv nachträglicher Prognose ex ante bescheinigt, sich in Bezug auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Bewohnern etc. sorgfaltsgemäß verhalten zu haben, wird einräumen, für sich selbst aber einen höheren Sorgfaltsmaßstab zugrundegelegt zu haben? Die bereits von dem untauglichen Versuch des Unterlassungsdelikts bekannten Beweisprobleme stellen sich bei einem untauglichen fahrlässigen Versuch in gleicher Weise. 298 Ein die Konzeption von Schünemann grundlegend in Frage stellender Einwand liegt zudem darin, daß die Überdehnung der Sorgfaltsanforderungen zu eigenen Ungunsten des Täters keineswegs sicher zu einem nicht näher ausgearbeiteten untauglichen fahrlässigen Versuch führt. Mindestens bei einem Teil der denkbaren Konstellationen dürfte die irrige Überhöhung der (vermeintlich) gebotenen Sorgfaltsanforderungen eher den Weg zu einem straflosen Wahndelikt eröffnen als den zu einem die Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Brandstiftung begründenden untauglichen fahrlässigen Versuch eines Gefährdungs- bzw. Verletzungsdelikts. 299 2. Unrechtsbegründung und teleologische Reduktionen Kritische Einwände gegen die zu § 306 Nr.2 a.F. vertretenen und auf § 306 a Abs. 1 Nr.l übertragbaren Modelle der Implementierung eines über die Tatbestandserfüllung hinausgehenden Unrechtsbegründungsmerkmals begründen weder die Legitimität der Statuierung abstrakter Gefährdungsdelikte vom Typus des generell gemeingefährlichen Delikts noch die der uneingeschränkten Anwendung dieses Typus im Falle (nach Maßgabe der Reduktionsmodelle) fehlender Risikoschaffung für die durch 306 a Abs. 1 Nr.l geschützten Rechtsgüter in ihrer individuellen Funktion. Aber die Auseinandersetzung mit den Reduktion fordernden Modellen hat deutlich werden lassen, daß nicht nur die Modelle in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht überzeugend sind, sondern daß die Notwendigkeit einer Ergänzung des § 306 a Abs. 1 Nr.l um ein Unrechtsbegründungsmerkmal überhaupt bestreitbar ist. Dabei kann sich die Forderung nach teleologischer Reduktion auf ein scheinbar gewichtiges Argument berufen: die (vermeintlich) verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Einschränkung ab-

298 Zu den Beweisproblemen bei dem untauglichen Versuch des Unterlassungsdelikts und den daraus für das materielle Recht zu ziehenden Konsequenzen jüngst Niepoth, Der untaugliche Versuch, S. 300 ff, 374 ff. 299 Zur Abgrenzung von Wahndelikt und untauglichem Versuch des Unterlassungsdelikts siehe Loos, JR 1994, S. 511, 512.

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strakter Gefährdungsdelikte wenigstens eines bestimmten Typus 300 , dem § 306 a Abs. 1 Nr.l zugehört. Zwei unterschiedliche Anknüpfungen der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit der Reduktionen lassen sich auffinden. 301 Der „klassische" Vorwurf gegen die uneingeschränkte Anwendung und gegen die Verwendung dieses Deliktstypus im Kriminalstrafrecht 302 ist der Verstoß gegen das Schuldprinzip. 303 Der zweite Kritikpunkt stellt auf die Nichtbeachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei uneingeschränkter Bestrafung aus abstrakten Gefährdungsdelikten ab. 3 0 4 Das Verhältnis zwischen den beiden Ableitungen der Verfassungswidrigkeit (uneingeschränkter) abstrakter Gefährdungsdelikte eines bestimmten Typus ist allerdings nicht recht deutlich. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird in der strafrechtlichen Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit von Strafgesetzen meist als Bestandteil des Schuldprinzips verstanden.305 Der Rekurs auf das Schuldprinzip ist dabei noch in weiterer Hinsicht verwirrend, weil nicht gemeint ist, daß bei abstrakten Gefährdungsdelikten sich die persönliche Vorwerfbarkeit (in Form von Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsschuld) nicht auf das verwirklichte Unrecht beziehen würde, 306 sondern bei fehlender konkreter Gefährlichkeit der Tathandlung, fehlender Risikoschaffung etc. es an der Verwirklichung von Unrecht mangeln soll, auf die sich die Schuld beziehen könnte. Das Argumentationsschema ist sowohl bei dem Operieren mit dem Schuldprinzip wie mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Wesentlichen gleich und vollzieht sich in drei Schritten: 307 (1) Die Statuierung strafrechtlicher Verbots- oder Gebotstatbestände und erst recht die Verhängung von Kriminalstrafe aufgrund dieser Tatbestände bedeutet einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Bürgers, Art. 2 Abs. 1 GG. (2) Ein solcher Eingriff ist verfassungsrechtlich lediglich dann legitim, wenn sich die Aufstellung des Ver- bzw. Gebotstatbestandes unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als Bestandteil der verfassungsmäßigen Rechtsordnung 300 Über die verbreitet vertretene Typenbildung abstrakter Gefährdungsdelikte, mit der eine unterschiedliche Notwendigkeit teleologischer Reduktion der einzelnen Typen verbunden sein soll, oben Einl.B.II. 301 Insgesamt zur Bedeutung des Verfassungsrechts für die Legitimität von StrafVorschriften Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, passim. 302 Bedenken bereits gegen die Verwendung des Typus überhaupt und nicht erst gegen dessen uneingeschränkte Anwendung bei Frisch, Festschrift für Stree und Wessels, S. 69, 91 ff.; siehe auch bereits oben Einl.A. 303 Arthur Kaufmann, JZ 1963, S. 425, 432; Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 119. 304 A.H. Meyer, Gefährlichkeitsdelikte, S. 62 ff.; siehe auch Hoyer, Eignungsdelikte, S. 36 f., 41 f. 305 Vgl. Hoyer, aaO., S. 36; Bohnert, JuS 1984, S. 182, 185; anders Atf. Meyer, Gefährlichkeitsdelikte, S. 53 ff., 77 ff. 306 Zur Kongruenz von Unrecht und Schuld in diesem Sinne vgl. BVerfGE 50, 205, 215; Arthur Kaufmann, JZ 1963, S. 425, 426. 307 Beispielhaft für ein solches Argumentationsschema Hoyer, Eignungsdelikte, S. 36 ff.

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Radtke

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verstehen läßt. (3) Als sich innerhalb des Rahmens der verfassungsmäßigen Ordnung haltend stellen sich Straftatbestände dann dar, wenn sie dem - verkürzt formuliert - Rechtsgüterschutz dienen, d.h. die Statuierung des Tatbestandes zur Gewährleistung werthafter, verfassungsrechtlich nicht mißbilligter, vom Gesetzgeber in Wahrnehmung seines Beurteilungsspielraums vertretbar für gesteigert schutzwürdig und schutzbedürftig erachteter, sozialer Funktionseinheiten notwendig ist. 3 0 8 Diese auf die Gewährleistung von Rechtsgüterschutz ausgerichtete Funktion kommt Straftatbeständen aber nur dann zu, wenn auch die einzelne Tathandlung einen ausreichenden Bezug zu dem geschützten Rechtsgut aufweist. Das ist jedenfalls bei konkret ungefährlichen Tathandlungen, d.h. solchen, die auf der Grundlage einer nachträgliche Prognose ex ante nicht zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung führen können, 309 nicht der Fall. Der für notwendig erachtete Rechtsgutsbezug wird erst über die Einfügung eines ungeschriebenen Unrechtsbegründungsmerkmals, dessen Einzelheiten entsprechend dem sub 1. Ausgeführten variieren, hergestellt. Spitz formuliert lautet der Vorwurf: Ohne einen durch konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsgutes bzw. - im Sinne moderner Deutungsversuche abstrakter Gefährdungen - ohne Risikoschaffung für das geschützte Rechtsgut handelt es sich bei abstrakten Gefährdungsdelikten um reine „Ungehorsamdelikte", die in ein Polizeistrafrecht (moderner: Ordnungswidrigkeitenrecht), nicht aber in das Kriminalstrafrecht gehören. 310 Die Argumentation über die (vermeintlich) verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer wenigstens einschränkenden Anwendung abstrakter Gefährdungsdelikte eines bestimmten Typus ist in sich stimmig. Die Argumentationsschritte (1) und (2) teile ich inhaltlich. Allerdings endet der Konsens bei dem letzten Argumentationsschritt. Die in diesem Schritt angestellten Überlegungen beruhen einerseits auf einer Prämisse, die nicht in vollem Umfang zutrifft und ziehen andererseits eine Konsequenz, die die spezifische Schutzrichtung generell gemeingefährlicher Delikte (unter ihrem Gefährlichkeitsaspekt) außer Acht läßt. Die Prämisse lautet: Die dem Strafrecht zugrundeliegende Unrechtskonzeption erfordert für jede einzelne Tathandlung einen Bezug zwischen dieser und dem geschützten Rechtsgut, der sich als konkrete Risikoschaffung bzw. als konkrete Gefährlichkeit der Handlung - aus der wiederum das Risiko für das Rechtsgut folgt („Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts") 311 - darstellt. Die Prämisse trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Sie beruht auf der Vorstellung eines Be308

Hoyer, aaO., S. 36; zum Schutz sozialer Funktionseinheiten als Bedingung für die Ausübung der (Rechts-)Güter des Individuums siehe auch Otto, in: Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 447, 456 f.; Kindhäuser, in: Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 125, 130 ff; Vogel, StV 1996, S. 110, 111 f.; Hefendehl, JR 1996, S. 353, 354. 309 Frisch, Festschrift für Stree und Wessels, S. 69, 91. 310 Siehe nur Binding, Normen I, S. 397 ff. 311 Hirsch, in: Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann, S. 545, 559.

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zuges zwischen Tathandlung und geschütztem Rechtsgut, der lediglich auf solche Tatbestände anwendbar ist, die dem Schutz individueller Rechtsgüter dienen. Straftatbestände zum Schutz hoch abstrakt formulierter überindividueller Rechtsgüter „passen" zu der Prämisse nicht, weil Aussagen über die (möglichen) Auswirken der einzelnen Tathandlung auf das geschützte Rechtsgut nicht ausreichend getroffen werden können. Das ist bereits im Rahmen der Klassifizierung verschiedener Typen abstrakter Gefährdungsdelikte aufgezeigt worden. 312 Beispielhaft sei lediglich auf die Aussagedelikte verwiesen, die sich einer Betrachtung der Beziehung zwischen einzelner Tathandlung und Rechtsgutsbeeinträchtigung, wie sie die genannte Prämisse voraussetzt, entziehen.313 Selbst aber bei Tatbeständen, die ausschließlich dem Schutz individueller Rechtsgüter, deren Verletzung naturwissenschaftlich nachweisbar ist, dienen, läßt die kritisierte Prämisse unberücksichtigt, daß entsprechend dem zu den faktischen Besonderheiten generell gemeingefährlicher Delikte und zu dem Irrtumsrisiko Gesagten eine Beziehung zwischen Tathandlung und geschütztem Rechtsgut auch dann besteht, wenn es auf der Basis der Reduktionsmodelle an einer realen Risikoschaffung bzw. einer konkreten Gefährlichkeit der Tathandlung fehlt. Die Beziehung besteht darin, daß in der konkreten Handlungssituation des Täters die Risiko- bzw. die Gefährlichkeitseinschätzung der Handlung auf diesen verlagert wird. An einer Verlagerung der Beurteilungskompetenz auf den Täter ändert auch die für die Bestimmung der objektiven Handlungsgefährlichkeit maßgebliche ex ante Prognose des verständigen Dritten etc. nichts. Eine Verlagerung auf den Täter liegt schon deshalb vor, weil sämtliche Reduktionsmodelle dem Täter in der konkreten Handlungssituation gestatten, das § 306 a Abs. 1 Nr.l zugrundeliegende Verbot des Inbrandsetzens dem Wohnen dienender Räumlichkeiten durch die Vornahme der Tathandlung bei Einhaltung unterschiedlich bestimmter Sicherheitsvorkehrungen zu substituieren. Schon die mit jeder Prognose verbundene (evtl. minimale) Unsicherheit über die reale Entwicklung des Geschehensablaufs, die wegen der Unterwerfung des Rechtsgutes unter die Risikoeinschätzung des Täters durchgängiges Phänomen ist, stellt eine Beziehung zwischen Tathandlung und geschütztem Rechtsgut (in seiner individuellen Funktion) dar, die das in § 306 a Abs. 1 Nr.l enthaltene Verbot und die Sanktionierung des Verstoßes gegen das Verbot legitimieren. 314 Das gilt jedenfalls für die von der Verfassung als hoch- bzw. höchstrangig bewerteten Rechtsgüter Leben und Gesundheit in der besonderen Situation des Wohnens,

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Oben Einl.B.II. Anders A.H. Meyer, Gefährlichkeitsdelikte, S. 218 ff., der aber verkennt, daß die von der überwiegenden Auffassung zu §§ 153 ff. vertretene Auslegung der „falschen Aussage" und die von ihm befürwortete durchgängige Implementierung eines Unrechtbegründungsmerkmals „konkrete Gefährlichkeit" methodisch nicht gleichwertig sind. 314 Im Ergebnis entsprechend Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 191 ff., 480 ff. (bzgl. der Rechtslage vor dem 6. StrRG). 313

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die für die Ausgestaltung der genannten Rechtsgüter von zentraler Bedeutung ist und deren Wert für den einzelnen Rechtsgutsträger bereits beeinträchtigt ist, wenn das Verbot des Inbrandsetzens durch eine (nicht ausschließbar) lediglich vermeintlich (rechtsgutsbezogen) ungefährliche Tatausführung ersetzt werden dürfte. Der Täter einer Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten verwirklicht Handlungsunrecht, weil er eine Tathandlung vornimmt, die einen Kausalverlauf in Gang setzt, dessen Auswirkungen auf die geschützten Rechtsgüter in ihrer individuellen Funktion ex ante nicht absolut verläßlich beurteilt werden können. 315 Eine unverhältnismäßige Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit ist mit dem Festhalten an dem nicht substituierbaren Verbot des Inbrandsetzens von Wohnräumlichkeiten und der Sanktionierung des Verstoßes dagegen nicht verbunden. Berechtigte Interessen des Täters 316 selbst an einer „ungefährlichen" Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l existieren nicht. Um eine Formulierung von Jakobs aufzunehmen, die dieser auch auf die Brandstiftung gemäß § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) bezogen hat: „Bei einer ersten Gruppe abstrakter Gefährdungsdelikte liegt ein eo ipso externes und störendes Verholteri 311 vor; ... Wer ein bestimmtes Verhalten vollzieht, soll sich weder darauf berufen können, das eingetretene Maß des Schadens sei nicht erkennbar gewesen, noch darauf, es sei überhaupt alles gut gegangen."318 Gelegentlich genannte Beispiele für tatbestandsmäßige gleichwohl aber nicht „störende" Handlungen, etwa das (rechtsgutsbezogen) absolut ungefährliche Abbrennen eines Tatobjekts als einfache Form des Abrisses, das nicht verboten sein dürfte, 319 begründen keinen Einwand gegen die verfochtene Lösung, sondern lassen sich zuverlässig über eine sachgerechte Auslegung der Tatobjektseigenschaft lösen. 320 Schon aufgrund der Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit in ihrer individuellen Funktion ist daher die Verwendung des Typus des generell gemeingefährlichen Delikts und die nicht durch teleologi-

315 Siehe auch Kratzsch, JuS 1994, S. 572, 579; den von Kratzsch aaO., behaupteten Erfolgsunwert vermag ich allerdings nicht zu erkennen; vgl. oben l.Kap.B.IV. 316 Zur Gewährleistung der berechtigten Freiheitsanspüche des Täters bei der Statuierung abstrakter Gefährdungsdelikte Schünemann, GA 1995, S. 201, 213 f. 317 Hervorhebungen H.R. 318 Jakobs, ZStW 97 (1985), S. 751, 768. 319 Berner, Lehrbuch, S. 639 (bzgl. § 306 Nr.3 a.F.): „Wenn ein Schäfer die nur von ihm benutzte Regenhütte, weil sie seinen Zwecken nicht mehr genügt, zerstören will und sie, um Arbeit zu sparen, anzündet, statt sie erst einzureißen und dann die Trümmer zu verbrennen, so kann die Brandstiftung mit mindestens einem Jahr Zuchthaus nicht mehr als das Ergebnis einer sinnvollen Gesetzesauslegung bezeichnet werden." 320 Oben 2.Kap.A.II.l.a. bezüglich § 306 a Abs. 1 Nr.l (Wohnungseigenschaft von Gebäuden bzw. Räumlichkeiten).

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sehe Reduktionen eingeschränkte Sanktionierung aufgrund eines solches Deliktes auch verfassungsrechtlich legitim. 321 Darüberhinaus weisen generell gemeingefährliche Delikte nach der hier vertretenen Auffassung eine doppelte Schutzrichtung auf und bewirken Rechtsgüterschutz von Leben und Gesundheit in der besonderen Situation des Wohnens (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) auch in deren Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens. In dieser zweiten Funktion sind die genannten Rechtsgüter mit der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung beeinträchtigt. Die Wohnung als der zentrale Ort der Ausgestaltung des Lebens der einzelnen Mitglieder der jeweiligen Gemeinschaft büßt ihren Wert für die private Lebensgestaltung, deren Beziehungsgeflecht für Externe unvorhersehbar und daher für eine (rechtsgutsbezogen) sorgfältige Ausführung der Brandstiftung unzugänglich ist, ein, wenn zur Disposition des Täters gestellt würde, ob er die Tathandlung unterläßt oder ob er diese bei (vermeintlich) sorgfältiger/ungefährlicher Vorgehensweise vornimmt. Daß ein Irrtum des Täters über die Gefährlichkeit/Sorgfältigkeit der Tatausführung auch bei Anwendung der (wenigstens der Mehrzahl) Reduktionsmodelle zur Strafbarkeit führt, hebt nicht den Einwand auf, überhaupt eine - von der generellen Einschätzung des Gesetzgebers u.U. abweichende - Risikoeinschätzung in einer Tatsituation zuzulassen, in der ausschließlich das Unterbleiben der Tathandlung allein absolute Sicherheit für die geschützten Rechtsgüter in ihrer individuellen und kollektiven Funktion schafft. Dieses Streben nach sicher unbeeinträchtigter Ausgestaltung der geschützten Rechtsgüter, nach Beherrschung des Zufallsmomentes 322 ist legitim, wenn und soweit hochwertige Rechtsgüter in einer Situation, in der die Möglichkeiten des (möglichen) Opfers zum Selbstschutz wegen der Besonderheiten des Tatmittels (generelle Unbeherrschbarkeit für Täter und Opfer) typischwerweise stark reduziert sind, gewährleistet werden soll. 3 2 3 Der Verzicht auf Reduktion des § 306 a Abs. 1 Nr.l durch Einfügung eines unrechtsbegründenden Merkmals, dessen NichtVorliegen entsprechend zum Unrechtsausschluß führt, bedeutet nicht, daß die im Einzelfall von einem Standpunkt ex post festzustellende konkrete Ungefährlichkeit der Tathandlung und/oder das ex post sicher feststellbare Ausbleiben einer konkreten Gefahr für die geschützten Rechtsgüter in ihrer individuellen Funktion für die Bestrafung aus § 306 a Abs. 1 Nr.l irrelevant wären. Nur wirken sich fehlende Gefährlichkeit etc. allein auf der Strafzumessungsebene aus (dazu unten VI.)

321

480 ff. 322 323

Vgl. auch Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 191 ff. und Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 101 f., 116. Oben l.Kap.C.II.3.b.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung" IV. Die subjektive Seite

Zu näheren Ausführungen über die subjektive Seite der Brandstiftung sehen sich diejenigen veranlaßt, die die Einfügung eines objektiven Unrechtsbegründungsmerkmals befürworten. In Bezug auf das jeweils gewählte objektive Merkmal bedarf es einer diesem Merkmal korrespondierenden subjektiven Zurechnung. Ohne teleologische Reduktion ist die subjektive Seite der Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l denkbar einfach konzipiert. Auf jeglichen subjektiven Bezug zu einer Rechtsgutsverletzung oder konkreten Gefährdung des geschützten Rechtsgutes kann ebenso verzichtet werden wie auf ein subjektives Erfordernis bewußt riskanten Handelns. Für eine vorsätzliche Begehungsweise genügt neben dem auf das Inbrandsetzen gerichteten Vorsatz die Kenntnis derjenigen tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Tatobjektseigenschaft der angezündeten Räumlichkeit etc. ergibt. 324 Entsprechend dem zu den objektiven Anforderungen an das Inbrandsetzen etc. gemischt genutzter Räumlichkeiten Gesagten, erfordert die Bestrafung wegen vollendeter vorsätzlicher Begehung des § 306 a Abs. 1 Nr.l wenigstens die Möglichkeitsvorstellung auf Seiten des Brandstifters, daß die Vornahme der Tathandlung (auch) einen Brand des dem Wohnen dienenden Teiles bzw. der diesem Zweck dienenden Teile eines einheitlichen Objekts bewirken kann. Dafür sind regelmäßig Kenntnisse des Täters über die bauliche Beschaffenheit der Räumlichkeit und über die tatsächliche Art der Nutzung des Objekts erforderlich. Die insoweit zu stellenden Anforderungen hat der Bundesgerichtshof in einer § 306 Nr.3 a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.3) betreffenden Entscheidung herausgestellt. 325 Die dort genannten Grundsätze über den notwendigen Kenntnisstand des Täters sind trotz der hier befürworteten höheren Anforderungen an den objektiven Tatbestand des § 306 a Abs. 1 Nr.l bei Mischnutzung anwendbar, weil ohne Wissen um die bauliche Beschaffenheit einer Räumlichkeit auf der kognitiven Seite des Vorsatzes vorsätzliches Handeln hinsichtlich des Inbrandsetzen auch des zu Wohnzwecken genutzten Teiles schwer vorstellbar ist. Aus der Forderung, lediglich das Inbrandsetzen ftestawiswesentlicher Teile als Inbrandsetzen des Objekts selbst zu verstehen, folgt, daß sich der Vorsatz des Täters auf das Brennen solcher Teile beziehen muß. Hält man entsprechend der hier entwickelten Auffassung vermeintlich verfassungsrechtlich gebotene Reduktionen von Straftatbeständen des Typus § 306 a Abs. 1 nicht für erforderlich, genügt auch für die Tathandlungen des gänzlichen oder teilweise Zerstörens durch Brandlegung ein auf die Vornahme der Tathandlung und ihrer Wirkung am Tatobjekt bezogener Vorsatz. Reflexionen des Täters über die Auswirkungen der Tat auf die geschützten Rechtsgüter 324 325

Siehe nur Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 14. BGHSt 35, 283, 287; siehe auch BGHR StGB § 306 Nr.2 Wohnung 7.

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sind kein Bestandteil des Vorsatzes der schweren Brandstiftung. Der Vorsatz des wenigstens partiellen Zerstörens durch Brandlegung weist anders als der auf das Inbrandsetzen gerichtete allerdings zwei unterschiedliche Bezugspunkte auf. Da die Brandlegung als das Unternehmen der Verursachung eines Brandes in bzw. an dem Tatobjekt definiert ist, bedarf es insoweit eines auf das Verursachen eines solchen Brandes gerichteten wenigstens bedingten Vorsatzes. Anders als bei Delikten mit überschießender Innentendenz gibt der Tatbestand keine Anhaltspunkte, Eventualvorsatz in Bezug auf den Brand auszuschließen.326 Über den auf das Verursachen eines Brandes zielenden Vorsatz hinaus, bedarf es einer zweiten Vorsatzkomponente, die sich auf die (wenigstens teilweise) Zerstörung des Brandobjekts infolge der das Verursachen des Brandes intendierenden Handlung bezieht. Insoweit genügt die Vorstellung des Täters, es könne im Sinne des dolus eventualis möglicherweise zu einer partiellen Zerstörung des Objekts durch Umstände kommen, die unmittelbar auf die Brandstiftungshandlung rückführbar sind. In der praktischen Handhabung dieser Vorsatzkomponente wird man angesichts der in objektiver Hinsicht geringen Anforderungen an das teilweise Zerstören häufig mit einem Rückschluß von einer typischerweise (auf das Objekt bezogen) gefährlichen Brandstiftungshandlung auf einen „Zerstörungsvorsatz" arbeiten können.

V. Versuchskonstellationen Die Voraussetzungen des strafbaren Versuchs der Brandstiftung bieten wenig Anlaß zu einer ausführlicheren Diskussion. In Fällen einer Brandstiftung durch Schnellzündung, unter der die brandkriminalistische Literatur das vorsätzliche Inbrandsetzen mit der Folge eines sofortigen Brandausbruchs versteht, 327 besteht eine gewisse Unsicherheit allenfalls darüber, ob bereits das Ausbringen des Zündstoffes bzw. des zur Anwendung gelangenden Brandbeschleunigers für ein unmittelbares Ansetzen genügt oder ob erst das Anlegen des Feuers an den Zündstoff die Schwelle zum Versuchsbeginn überschreitet. Rechtsprechung und die überwiegende Auffassung im Schrifttum tendieren zu einem frühen Versuchsbeginn, der mit dem Ausbringen des Zündstoffes gegeben sein soll. 3 2 8 Dem ist im Hinblick auf den Aspekt der unmittelbare Gefährdung 329 des Tatobjekts (rechtsgutsbezogen ist eine konkrete Gefahr bei § 306 a Abs. 1 irrelevant) dann zuzustimmen, wenn der Täter unmittelbar nach dem Ausbringen des 326 Vgl. insoweit Foregger/Serini, StG, § 166 Anm.I. bezüglich § 166 des Österreichischen StG von 1945. 327 Meinert, Die Brandstiftung, S. 50; Kästle, Brandstiftung, S. 44. 328 OGHSt 2, 347; Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 14; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 15; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 5. 329 Dazu allgemein Eser, in: Schönke/Schröder, § 22 Rdnr. 42.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Zündstoffes diesen zünden will und er dazu aufgrund der vorhandenen Tatmittel auch in der Lage ist. 3 3 0 Entgegen OGHSt 2, 347 genügt das Auslegen des Zündstoffes daher bei fehlenden Mitteln, diesen selbst zu zünden (kein Feuerzeug etc.), nicht. 331 Keinesfalls reichen für den Versuchsbeginn Aktivitäten, die noch nicht in einem direkten Zusammenhang mit der Tathandlung stehen, aus. Das Eindringen in das Tatobjekt als solches ist evident noch Vorbereitung und nicht Versuch, 332 weil es mindestens noch des Ausbringen des Zündstoffs bzw., wenn solcher nicht verwendet werden soll, des Zündens des Zündmittels bedarf. Erst in dieser Situation ist das Brandobjekt - eine Rechtsgutsgefahr ist tatbestandlich irrelevant - unmittelbar gefährdet. In praktischer Hinsicht kann die vor allem bei sog. Eigenbrandstiftung (Täter ist Eigentümer oder Nutzungsberechtigter des Tatobjekts) vorkommende Verwendung von Zeitzündungen333 größere Schwierigkeiten für die Bestimmung des Versuchsbeginns bereiten. Allgemeingültige Aussagen lassen sich nur mit einer gewissen Zurückhaltung treffen, weil die bisher bekannt gewordenen Zeitzündungen eine erhebliche „Artenvielfalt" aufweisen 334 und die Gefahr besteht, nicht sämtlichen Fallgestaltungen gerecht werden zu können. Als Leitlinie gilt, daß der Versuch der Brandstiftung bereits mit dem Anbringen des vom Täter als tauglich bewerteten Zeitzünders beginnt. Ungeachtet der angedeuteten Vielfalt technischer Möglichkeiten besteht der gemeinsame Kern aller bei Brandstiftung zur Anwendung kommenden Zeitzündungen darin, daß der Täter den weiteren Geschehensablauf insofern aus der Hand gibt, als er sich vom Tatort entfernt, um den Zweck der Zeitzündung (Erschwerung der Aufklärung; Alibi durch „öffentliche" Anwesenheit an einem tatortfernen Ort etc.) zu erreichen. Auf den Tatablauf kann er bestenfalls lediglich durch Rückkehr zum Tatort und Entfernung des Zeitzünders einwirken, wenn und soweit eine Einflußnahme - abhängig von der Bauart des Zeitzünders - überhaupt noch möglich ist. Die Auslösung des Zeitzünders erfolgt durch dritte Personen, 335 durch Tiere (LandjägerBrandsatz) 336 oder durch den weiteren Vollzug bereits seitens des Täters in

330

Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 5. Vgl. auch Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 55, der möglicherweise - die Aussagen sind nicht eindeutig - sogar das Zünden des Zündmittels (Feuerzeug, Streichholz etc.) abwarten will. Das scheint mir wegen der Möglichkeit der sofortigen Explosion bei der - praktisch häufigen - Verwendung von Brandbeschleunigern jedoch zu eng. 332 Richtig Bruch aaO., gegen LG Frankenthal, NStZ 1981, S. 70 f. 333 Dazu Kästle, Brandstiftung, S. 48 ff. 334 Siehe Kästle, aaO. 335 Richtig die Annahme des Versuchsbeginns mit Anbringen einer Selbstentzündungsanlage zur Auslösung durch beliebige Dritte als Konstellation mittelbarer Täterschaft durch RGSt 66, 141 f. Entscheidend ist, daß der Brandstifter sich der Möglichkeit, den weiteren Ablauf des Geschehens zu beherrschen, vollständig gegeben hat. 336 Eindrucksvoll die Schilderung von Kästle, aaO., S. 54 f. mit Abb. 32 und 33. 331

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Gang gesetzter physikalischer, chemischer usw. Prozesse und daher unabhängig von weiteren auf die Ausführung der Tat gerichteter Aktivitäten des Täters, so daß es sich sogar um einen beendeten Versuch handelt. Vorbehaltlich nicht völlig auszuschließender besonderer tatsächlicher Fallgestaltungen beginnt der Versuch der Brandstiftung gemäß § 306 a bei Verwendung von Zeitzündungen wegen des Verlustes der Einwirkungsmöglichkeit seitens des Täters regelmäßig mit dem Anbringen des jeweiligen Zündmechanismus. Auf welche Weise der Zündmechanismus konkret ausgelöst wird bzw. werden soll, ist für die Bestimmung des Versuchsbeginns irrelevant. Das gilt für Fallgestaltungen mittelbarer Täterschaft jedenfalls dann, wenn der vom Täter eingeschaltete Tatmittler die Zeitzündung ohne Kenntnis davon durch eine bestimmte Handlung auslöst und dadurch die Entwicklung der Zeitzündung hin zu einem Inbrandsetzen entsprechend dem Tatplan des Hintermannes in Gang setzt. Der Tatmittler hat in einer solchen Konstellation, wie sie etwa RGSt 66, 141 zugrundelag, keine andere Funktion im Deliktsplan wie das den „Landjäger" fressende Tier bei Zeitzündungen nach dem Landjäger-Prinzip. 337 Einschränkend ist allerdings hinzuzufügen, daß Versuchsbeginn in diesen Fallgestaltungen voraussetzt, daß der mittelbare Täter das Geschehen bereits vollständig aus der Hand gegeben hatte. 338 Daran fehlt es, wenn der Täter das Geschehen jederzeit noch abbrechen kann. Soll der Tatmittler dagegen nach der Vorstellung des mittelbaren Täters noch vorsätzliche Handlungen vollziehen, die über die mechanische Auslösung der Zeitzündung hinausgehen, liegt Versuchsbeginn erst unter der Voraussetzung vor, daß durch die Aktivitäten des Tatmittlers das Brandobjekt unmittelbar gefährdet ist. 3 3 9

VI. Minder schwere Fälle Die lebhafte Diskussion um Notwendigkeit und Durchführung teleologischer Reduktionen bei § 306 a Abs. 1 Nr.l (bzw. § 306 Nr.2 a.F.; oben III.) könnte wegen der Einführung eines minder schweren Falles der schweren Brandstiftung in § 306 a Abs. 3 eine gewisse Beruhigung erfahren. Die Absenkung der Mindeststrafe auf sechs Monate mag Forderungen nach einem Tatbestandsausschluß leiser werden lassen, weil als Grund für die Notwendigkeit einer Reduktion des § 306 a.F. üblicherweise auch dessen angeblich „drastische Strafdro-

337

Nachw. wie Fußn. zuvor. Siehe dazu Zaczyk, Unrecht der versuchten Tat, S. 320 ff.; sowie jüngst nochmals knapp seine bisherige Position zusammenfassend Roxin, JZ 1998, S. 211 f. mit Nachw. in Fußn. 3. 339 Allgemein zum Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft Eser, in Schönke/Schröder, § 22 Rdnr. 54 a. 338

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

hung" 3 4 0 mit genannt wurde. Völlig verstummen werden Rufe nach teleologischer Reduktion aber selbst nach der Einfügung eines minder schweren Falles nicht. Die Lösung über eine Strafmilderung kann all denjenigen, die die Implementierung eines über die geschriebenen Tatbestandsmerkmale hinausgehenden Unrechtsbegründungsmerkmals für notwendig halten, 341 nicht genügen. Begründet die vorsätzliche Vornahme der Tathandlung ohne eine dadurch bewirkte rechtsgutsbezogene Risikoschaffung bzw. ohne eine konkrete Gefährlichkeit der Handlung kein (Kriminalstrafe legitimierendes) Unrecht, ist der Verweis auf die Möglichkeit der Milderung einer nicht genügend legitimierten Strafe unzureichend. Entsprechende Vorbehalte gegen eine bloße Strafrahmenverschiebung sind auch von denjenigen zu erwarten, die die „absolute Ungefährlichkeit" der Tat nicht als Unrechtsausschluß, sondern als (objektiven) Strafausschließungsgrund einordnen wollen. 342 Denn selbst bei - nach der Vorstellung der Modelle absoluter Ungefährlichkeit der Tat(handlung) bleiben Strafbarkeit und Strafe bestehen. Auf der Grundlage der hier vertretenen Ansicht, strafwürdiges Unrecht bereits durch die Ausführung der generell gemeingefährlichen Tathandlung anzunehmen, hat der Gesetzgeber mit der Ausdehnung des minder schweren Falls über die sog. einfache Brandstiftung gemäß § 308 a.F. hinaus auf die schwere Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 den richtigen Weg beschritten. Es entsprach ohnehin bereits herkömmlicher Rechtsprechung, (ex post betrachtet) ausgebliebene Rechtsgutsgefährdungen auf der Strafzumessungsebene strafmildernd zu berücksichtigen. 343 Die Absenkung der Mindeststrafe auf sechs Monate und die Begrenzung des Höchstmaßes auf fünf Jahre Freiheitsstrafe bieten einen ausreichenden Spielraum, um Unterschiede im Maß des durch die Tat verwirklichten Handlungsunrechts sachgerecht zu erfassen. Die Untergrenze von sechs Monaten ist nicht zu hoch angesetzt, weil der Täter jedenfalls in den Fällen des § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 eine für Leib und Leben generell gemeingefährliche Tathandlung vornimmt, ohne daß angesichts des Irrtumsrisikos in

340 Rudolphi, Festschrift für Mäurach, S. 51, 59 f.; Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 279. 341 Nachw. oben 2.Kap.A.III. 1.; das Nicht-Genügen gilt natürlich erst recht, wenn sich die jüngst von Callies, NJW 1998, S. 929, 934 f. nochmals dargelegte Position durchsetzen sollte, bei den unbenannten minder etc. schweren Fällen handele es sich um Tatbestandsmerkmale, die wegen ihrer völligen Unbestimmtheit selbst dann der Verfassungswidrigkeit verfallen, wenn sie zugunsten des Täters wirken. 342 Weber, Vorverlegung des Strafrechtsschutzes, S. 1, 34; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 361 f., 321 ff, die davon ausgeht, daß es aus verfassungsrechtlichen Gründen lediglich auf der Ebene der Strafausschließungsgründe zulässig ist, dem Täter (eines abstrakten Gefährdungsdelikts) die Beweislast dafür aufzubürden, daß sich von ihm zu erbringende ausreichende rechtsgutsbezogene Sicherheitsvorkehrungen in einem Strafverfahren feststellen lassen. 343 Etwa BGH, NJW 1982, S. 2329; siehe auch BT-Drucks. 13/8587 S. 48.

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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seiner konkreten und seiner normativen Ausprägung 344 aus der Perspektive ex ante eine Rechtsgutsbeeinträchtigung verläßlich ausgeschlossen werden kann. Welche Voraussetzungen für den minder schweren Fall (§ 306 a Abs. 3) bei Taten gemäß § 306 a Abs. 1 vorliegen sollen, haben dessen Schöpfer bestenfalls grob skizziert. In der Begründung des RegE 6. StrRG wird der Minimalrisikoerwägung von BGHSt 26, 121, 125 f. folgend darauf abgestellt, daß „nach den tatsächlichen Gegebenheiten eine Gefährdung von Menschenleben mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte und dem Täter dies bewußt war". 3 4 5 Der für das Urteil über den sicheren Ausschluß der Lebensgefährdung maßgebliche Zeitpunkt bleibt damit ebenso unklar wie der Maßstab für die „Sicherheit" des Ausschlusses. Der Rückgriff auf BGHSt 26, 121, 125 f. führt nicht weiter, weil der Bundesgerichtshof selbst keine ausreichenden Kriterien für die Ungefährlichkeit der Tat genannt hat und mit der Beschränkung auf mit einem Blick überschaubare einräumige Hütten eine mögliche Strafbarkeitseinschränkung ohne überzeugenden Grund auf eine bestimmte Tatobjektsart verkürzt. Erste Leitlinien für die Anforderungen an den minder schweren Fall (§ 306 a Abs. 3) der schweren Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 unter dem Aspekt der fehlenden Gefährlichkeit, Risikoschaffung etc. lassen sich aber durch Rückgriff auf die im Zusammenhang mit der Diskussion der Reduktionsmodelle angestellten Überlegungen gewinnen. Strafmilderung kommt nicht in Betracht, wenn aufgrund der Brandstiftung eine Verletzung eines geschützten Rechtsgutes/Rechtsgutsträgers eingetreten ist 3 4 6 und dem Täter diese nach allgemeinen Grundsätzen zurechenbar ist. 3 4 7 Das gilt unabhängig davon, ob die Verletzung im Sinne der Reduktionsmo%delle etwa von Brehm und Wolter (Oben III.2.b.[2]) auf der Grundlage einer nachträglichen Prognose ex ante erwartbar war oder nicht. Das bedeutet für die Frage des für die Beurteilung maßgebenden Zeitpunktes, daß die Perspektive ex post insoweit maßgeblich ist, als es um die Realisierung einer Rechtsgutsverletzung geht. Allerdings ist das Ausbleiben einer Rechtsgutsverletzung lediglich eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Vorliegen eines minder schweren Falles. Das Fehlen der Rechtsgutsverletzung wirkt sich auf das verwirklichte Handlungsunrecht nicht aus. Strafmilderung kann daher trotz ausgebliebener Rechtsgutsverletzung erst einsetzen, wenn Umstände vorliegen, aufgrund derer das Handlungsunrecht der Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l reduziert ist. Eine Senkung des Maßes des Handlungsunrechts setzt Aktivitäten des Täters, die auf die Vermeidung von 344

Oben 2.Kap.A.III.2. BT-Drucks. 13/8587 S. 48. 346 Siehe Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 114 f., dieser allerdings bezüglich eines Unrechtsausschlusses. 347 Zur Verantwortlichkeit des Brandstifters für sog. Retterschäden unten 2.Kap.B.II.2.c. 345

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Verletzungen der individuellen Rechtsgüter abzielen, in dem Stadium vor Ausführung der Tathandlung voraus. Notwendige Bedingung genügender Vermeideaktivitäten ist das Sicherstellen der Abwesenheit von Menschen in dem Tatobjekt bei Ausführung der Tathandlung; später vorgenommene Vermeideaktivitäten können zum Rücktritt oder (bei Inbrandsetzen) zu tätiger Reue führen. Entgegen BGHSt 26, 121, 125 f. ist die Gewährleistung der Abwesenheit von Menschen im Objekt grundsätzlich nicht lediglich bei einräumigen mit einem Blick überschaubaren Hütten (und Häuschen) möglich, sondern prinzipiell bei sämtlichen Tatobjekten denkbar. 348 Die tatsächlichen Anforderungen an die Qualität der Vermeideaktivitäten sind bei größeren Tatobjekten jedoch regelmäßig höher als bei kleineren. Die Abwesenheit von Menschen ist notwendige Bedingung des minder schweren Falles, weil andere Vermeideaktivitäten (Bereithalten von Rettungsleitern, Sprungtüchern etc.) nicht mit gleicher Verläßlichkeit, Rechtsgutsverletzungen ausschließen können. Welcher Art die Aktivitäten des Täters sein müssen, um die Abwesenheit von Menschen sicherzustellen, läßt sich allgemeingültig nicht sagen. Da die Überlegungen zum minder schweren Fall einer Tat gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l auf eine Minderung des aus der generellen (Gemein)Gefährlichkeit der Handlung folgenden Handlungsunrechts bezogen sind, bietet es sich an, auf die im Schrifttum zur konkreten Gefährlichkeit der Tathandlung entwickelten Lösungsansätze zu rekurrieren. 349 Ein aus der generellen Gefährlichkeit der Tathandlung gewonnenes Handlungsunrecht ist gemindert, wenn die Tathandlung sich im Einzelfall als nicht konkret gefährlich für die geschützten Rechtsgüter in ihrer individuellen Funktion erweist. Mehr als eine Minderung des Unrechts bewirkt jedoch auch eine (rechtsgutsbezogen) konkret ungefährliche Tathandlung nicht. Irrtumsrisiko und Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter in ihrer Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens werden auch bei konkret ungefährlichen Handlungen nicht ausgeschlossen.350 Eine Handlung ist im konkreten Fall ungefährlich, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände auf der Grundlage einer Prognose ex ante die Verletzung eines (geschützten) Rechtsgutes trotz der Vornahme der tatbestandlichen Handlung nicht wahrscheinlich ist. Die fehlende Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutsverletzung bzw. konkreten Rechtsgutsgefährdung beruht in den Fällen des § 306 a Abs. 1 Nr.l regelmäßig auf der Abwesenheit von Personen im Tatobjekt zum Zeitpunkt der Ausführung der Tathandlung. Ist der Täter entsprechend der objektiven Prognose in Kenntnis der ontologischen Tatsachenbasis und der einschlägigen Erfahrungssätze ebenfalls von der Unwahrscheinlichkeit der Rechtsgutsverletzung ausgegangen und ist eine solche auch

348 Anders etwa Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 114 Fußn. 77, Wessels, BT 1, Rdnr. 927. 349 Oben Hirsch und A.H Meyer; siehe 2.Kap.A.III.2.b.(4). 350 Oben 2.Kap.A.III.2.

Α. Brandstiftung an Wohnräumlichkeiten

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tatsächlich ausgeblieben, kommt ein minder schweren Fall gemäß 306 a Abs. 3 E bei schweren Brandstiftungen nach § 306 a Abs. 1 Nr.l E in Betracht.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

B. Schwere Brandstiftung und Tatzeitkonkretisierung Sieht man von der Erweiterung des Kreises der Tathandlungen351 und der Einführung des minder schweren Falles (§ 306 a Abs. 3) ab, ist die schwere Brandstiftung an dem zeitweiligen Aufenthalt von Menschen dienenden Räumlichkeiten im Zuge der Reform durch das 6. StrRG unverändert geblieben. Die vom RegE ursprünglich vorgesehenen weitreichenden Veränderungen 352 sind im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder aufgegeben worden.

I. Rechtsgut Die Tatzeitformeides § 306 a Abs. 1 Nr.3 gibt einen deutlichen Hinweis auf die tatbestandlich geschützten Rechtsgüter. Hängt die Strafbarkeit von der Ausführung der Tathandlung zu einem Zeitpunkt ab, zu dem sich Menschen üblicherweise in dem Tatobjekt aufhalten, bezweckt § 306 a Abs. 1 Nr.3 ersichtlich den Schutz von Menschen vor den Gefahren des Brandes. 353 Aus den zu § 306 a Abs. 1 Nr.l genannten Gründen sind die geschützten Rechtsgüter menschliches Leben und menschliche Gesundheit. 354 Für eine abweichende Bestimmung des Schutzzwecks, wie sie Kindhäuser für § 306 Nr.2 (a.F.; § 306 a Abs. 1 N r . l ) mit dem Schutz des Wohnens als solchem (Sorgelosigkeit bei der Verfügung über Güter) angeboten hat, 355 läßt § 306 a Abs. 1 Nr.3 keinen sinnvoll ausfüllbaren Spielraum. Die Annahme, der (zeitweilige) Aufenthalt in einer Räumlichkeit sei das Gut, dessen Verfügbarkeit gesichert werden soll, verfehlt die Tatbestandsstruktur des § 306 a Abs. 1 Nr.3. Aus einer solchen Rechtsgutsbestimmung ist nicht plausibel ableitbar, warum die Tatbestandsmäßigkeit von der Tatausführung zu einer bestimmten auf die Anwesenheit von Menschen bezogenen Tatzeit abhängig gemacht wird. § 306 a Abs. 1 Nr.3 ist ein generell gemeingefährliches Delikt. Für den Tatbestand kommt es nicht auf die die aktuelle Anwesenheit von Menschen an, sondern lediglich darauf, daß das Inbrandsetzen/die Brandlegung zu einer Zeit erfolgt, zu der sich aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in der Vergangenheit Menschen in dem Tatobjekt aufgehalten haben. Die Tatbestandsstruktur ist keineswegs „wenig gereimt". 356 Das Abstellen auf die typische Aufenthaltszeit 351

Siehe oben 2.Kap.A.II.2.c. Dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 11 ff. 353 Allg. Meinung; siehe nur Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 3; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 2; Geppert, Jura 1989, S. 417, 418 jeweils zu § 306 Nr.3 a.F. 354 Oben 2.Kap.A.I.3. 355 Oben 2.Kap.A.I.l. 356 Jäger, Fahrlässigkeitsbrände, S. 176. 352

Β. Schwere Brandstiftung und Tatzeitkonkretisierung

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von Menschen statt auf den aktuellen Aufenthalt entspricht den an einen Tatbestand, der - schutzrichtungsgleichen konkreten Gefährdungsdelikten und Verletzungsdelikten vorgelagert - Schutz hochwertiger Rechtsgüter vor generell gemeingefährlichen Tathandlungen bewirken soll, zu stellenden Anforderungen. Die Tatzeitformel vermittelt eine der Tathandlung des § 306 a Abs. 1 Nr.l vergleichbare Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutsverletzung bei Ausführung der Brandstiftung an einer als Objekt tauglichen Räumlichkeit. § 306 a Abs. 1 Nr.l stellt einen ausreichenden Zusammenhang zwischen der Tathandlung und den geschützten Rechtsgütern in ihrer individuellen Funktion bereits über die tatsächlich ausgeübte Nutzung des Wohnens her. Wegen der Wohnnutzung, deren Ausgestaltung zu einem in seiner konkreten Form unvorhersehbaren und damit hinsichtlich des Tatgeschehens unbeherrschbaren Beziehungsgeflecht zwischen den Bewohnern und dem Tatobjekt führt, das - generalisierend gesehen - stets die Anwesenheit von Menschen im Tatobjekt als möglich erscheinen läßt, kann bei dem Inbrandsetzen etc. von Wohnräumlichkeiten auf eine Teilkonkretisierung um eine bestimmte Tatzeit verzichtet werden. In Räumlichkeiten iSv. § 306 a Abs. 1 Nr.3 ist dagegen nicht die regelmäßige Anwesenheit von Menschen der übliche Zustand, sondern gerade die Abwesenheit oder bestenfalls die bestimmbare zeitweilige Anwesenheit sind der (statistische) Regelfall. Um zu einem der Tathandlung gemäß, § 306 a Abs. 1 Nr.3 entsprechenden Maß genereller Gefährlichkeit der Tathandlung zu gelangen, ist es für § 306 a Abs. 1 Nr.3 unabdingbar, ein Merkmal einzufügen, das einen Bezug zwischen der Tat und den geschützten Rechtsgütern herstellt. Dafür ist die überkommene Tatzeitformel bestens geeignet. Weil sich Menschen aufgrund der Erfahrungen mit dem konkreten Tatobjekt aus der Vergangenheit wegen bestimmter Gepflogenheiten der Nutzung des Tatobjekts zu einer der jetzigen Tatzeit entsprechenden Zeit darin aufgehalten haben, wird - der Wohnnutzung vergleichbar - die Anwesenheit von Menschen in höherem Maße wahrscheinlich und die Tathandlung zu einer generell gemeingefährlichen mit einem ausreichend starken Bezug zu den geschützten Rechtsgütern (in ihrer individuellen Funktion). Trotz der Tatzeitformel bewendet es aber bei einer generellen Gefährlichkeit der Handlung. Ein Übergang zu einer konkreten Gefährlichkeit der Handlung etwa im Sinne von Hirsch 357 findet nicht statt. Wegen der Anknüpfung an die Üblichkeit des menschlichen Aufenthaltes zur Tatzeit wird von der tatsächlichen Anwesenheit von Menschen vollständig abstrahiert.

357

Oben 2.Kap.A.III.l.b.(4).

256

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung" II. Tatobjekte und Tatzeitkonkretisierung

1. Tatobjekte § 306 a Abs. 1 Nr.3 eröffnet über die weitreichende Bestimmung des Tatobjekts mit den Merkmalen „Räumlichkeit" und dem „Aufenthalt von Menschen dienen" in zwei verschiedene Richtungen Auslegungsschwierigkeiten, die beide - allerdings in unterschiedlicher Weise - mit Grundfragen eines generell gemeingefährlichen Delikts verknüpft sind. Zum einen läßt der Begriff der „Räumlichkeit" die bereits im Zusammenhang mit § 306 a Abs. 1 Nr.l angesprochenen Erwägungen zu, die Anforderungen an die Größe des Tatobjekts auf ein besonders niedriges Niveau abzusenken.358 Bezüglich § 306 Nr.3 a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.3) war die Objektseigenschaft von Telefonzellen und Kraftfahrzeugen Gegenstand der Diskussion. 359 Zum anderen war und ist die Relevanz des mit „zum Aufenthalt von Menschen dienen" beschriebenen Nutzungszwecks der Räumlichkeiten umstritten. Die konträren Lösungen verstehen „dienen" entweder als eine Art Widmungsakt, bei dem die primäre Nutzungsbestimmung den Ausschlag geben soll und von dieser Zweckbestimmungen abweichende Nutzungen, die mit dem Aufenthalt von Menschen im Objekt verbunden sind, ausgeblendet werden oder - die Gegenposition - lediglich als ein „Merkmal tatsächlicher A r t " , 3 6 0 das sich entsprechend der Sichtweise zu § 306 a Abs. 1 Nr. 1 an der faktischen Nutzung orientiert. Für die tatsächliche Nutzung als Aufenthaltsort von Menschen soll der zeitweilige Aufenthalt von Menschen selbst dann genügen, wenn dieser durch die hauptsächliche Nutzung des Objekts (etwa Viehstall) veranlaßt war. Ausgetragen wurde der Streit an den Fällen des Inbrandsetzens von landwirtschaftlich genutzten Scheunen und Ställen, in denen sich aus unterschiedlichen Gründen (Knecht/Landstreicher) zeitweilig auch Menschen aufhielten. Der Bundesgerichtshof hat - gefolgt von dem ganz überwiegenden Teil des Schrifttums - Scheunen und Ställe unter Verweis auf den zeitweiligen Aufenthalt von Menschen § 306 Nr.3 a.F. (= § 306 a Abs. 1 Nr.3) zugeordnet. 361 Das Reichsgericht dagegen hatte wegen des Wortlautes „dienen" - im Gegensatz allerdings zu seinem eigenen Verständnis dieser Wen-

358

Oben 2.Kap.A.II.l. Jeweils zu Recht ablehnend BGHSt 10, 208, 213 ff; BGH bei Holtz, MDR 1977, S. 638; anders für Telefonzellen OLG Düsseldorf, MDR 1979, S. 1042; anders für Pkw, wenn in ein Dauerquartier verwandelt OLG Stuttgart, Die Justiz 1976, S. 519, wie die letztgenannte Entscheidung auch Spöhr, MDR 1975, S. 193 f.; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 8. 360 Geppert, Jura 1989, S. 417, 412. 361 BGHSt 23, 60 ff; Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 9; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 8; Geppert, Jura 1989, S. 417, 421; Wessels, BT 1; Rdnr. 931. 359

Β. Schwere Brandstiftung und Tatzeitkonkretisierung

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dung in § 306 Nr.2 a.F. - eine auf den hauptsächlichen Aufenthalt von Menschen gerichtete Widmung verlangt, die bei den angesprochenen Scheunen und Ställen gerade fehle. 362 Beide Streitfragen lassen sich von dem Ausgangspunkt eines generell gemeingefährlichen Delikts her verläßlich lösen. Die Forderung, Telefonzellen und Personenkraftwagen (wenigstens unter bestimmten tatsächlichen Bedingungen) als taugliche Tatobjekte des § 306 a Abs. 1 Nr.3 anzusehen, ist mit dem Wortlaut der Vorschrift noch vereinbar. Räumlichkeiten als allseitig abgeschlossene Räume umfassen auch Personenkraftwagen und Telefonzellen. Und ob, wie vom Bundesgerichtshof 363 und von Horn 3 6 4 angenommen, aus dem begrifflichen Zusammenhang von „Räumlichkeif' und „Aufenthalt" das Erfordernis einer gewissen Bewegungsfreiheit des sich im Objekt befindlichen Menschen folgt, die bei den streitigen (möglichen) Tatobjekten nicht gewahrt sein soll, erscheint höchst zweifelhaft. Die Notwendigkeit einer bestimmten Art von Bewegung (Gehen, Stehen) läßt sich dem Terminus „Aufenthalt" kaum entnehmen. Im Ergebnis ist dem Bundesgerichtshof dennoch zu folgen. Die Begründung ergibt sich aber aus den an eine generell gemeingefährliche Handlung zu stellenden Anforderungen. Aus den im Zusammenhang mit der Tatbegehung an Wohnräumlichkeiten (§306 a Abs. 1 N r . l ) erörterten Gründen 365 können als zum zeitweiligen menschlichen Aufenthalt dienende Räumlichkeiten lediglich solche allseits abgeschlossenen Raumgebilde in Frage kommen, die Menschen während des Aufenthaltes darin ein Maß an Bewegungsfreiheit gestatten, das über die Ausübung jeweils einer Bewegungsart (lediglich liegen etc.) hinausgeht. Entgegen der von RGSt 69, 148 vertretenen Auffassung gibt es keinen überzeugenden Grund, „dienen" in § 306 Nr.3 a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.3 abweichend von § 306 Nr.2 a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.l nicht als auf die faktische Nutzung des Tatobjekts bezogenes Merkmal zu deuten, sondern eine Zweckbestimmung für maßgeblich zu erklären, die die tatsächliche Nutzung des Objekts zumindest teilweise ausblendet. Die Verwendung der Tatzeitformel enthält einen unmißverständlichen Hinweis auf die Schutzrichtung des § 306 a Abs. 1 Nr.3: den Schutz von Menschen vor den Gefahren eines Brandes an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten. Das Gefährlichkeitspotential der Tathandlung ist aber nicht unterschiedlich bei Räumlichkeiten, die (primär) dem Aufenthalt von Menschen gewidmet sind einerseits und solche ohne eine entsprechende Zweckbestimmung, in welche sich Menschen dennoch zeitweilig begeben. Entscheidend für das Maß der Gefährlichkeit der Tathandlung ist der Umstand des 362 363 364 365

RGSt 69, 48 ff.; zustimmend Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 47. BGHSt 10, 208, 213 ff. in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 8. Oben Text nach Fußn. 74.

17 Radtke

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

regelmäßigen Aufenthaltes von Menschen als solcher und nicht der Umstand, daß eine auf den (primären) Aufenthalt von Menschen gerichtete Zweckbestimmung einer Räumlichkeit beigegeben worden ist. Wenn und soweit der Zweck sich allein auf den Aufenthalt von Personen beschränkt, ohne daß das Gesetz diesen Aufenthalt seinerseits mit bestimmten Zwecken verknüpft, ist nicht einsichtig, warum keine von der ursprünglichen Zweckbestimmung abweichenden Zwecksetzungen möglich sein sollten, die die ursprüngliche Widmung aufheben oder wenigstens modifizieren. Nutzen „Landstreicher" eine Scheune in einer solchen Weise etwa zur zeitweiligen Übernachtung - ohne bereits von einem Wohnen i.S.v. § 306 a Abs. 1 Nr.l sprechen zu können - , 3 6 6 daß ein zeitweiliger Aufenthalt vorliegt, hat sich die ursprüngliche Zweckbestimmung der Scheune seitens des Landwirtes aufgrund eines neuen faktischen Widmungsaktes der „Landstreicher" geändert. Das Kriterium der Rechtmäßigkeit der Nutzung ist für § 306 a Abs. 1 Nr.3 ebenso irrelevant wie für § 306 a Abs. 1 Nr.l. Der gegen die hier vertretene Auffassung erhobene Einwand, bei Einschluß auch lediglich zu bestimmten Verrichtungen kurzzeitig betretener Räumlichkeiten verwischten die Grenzen zwischen § 306 a.F. (§ 306 a Abs. 1) und § 308 a.F. (§ 306 Abs. 1), weil letztlich jeder von Menschen betretbare Raum zu einem Tatobjekt nach § 306 Nr.3 a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.3 werde, 367 unterschätzt die Bedeutung der Tatzeitformel des § 306 a Abs. 1 Nr.3 erheblich. Soweit Tatobjekte sich sowohl als Räumlichkeiten i.S.v. § 306 a Abs. 1 Nr.3 als auch als Gebäude, Hütten nach § 306 Abs. 1 Nr.l verstehen lassen, erfolgt die Abgrenzung nicht über die Tatobjektseigenschaft als solche, sondern über die Tatzeitformel. Als schwere Brandstiftung ist das Inbrandsetzen solcher Objekte lediglich dann strafbar, wenn es zu üblichen Aufenthaltszeiten erfolgt. Zweifelsfragen um die Anwendbarkeit des § 306 a Abs. 1 Nr.3 bei gemischt genutzten Räumlichkeiten gibt es in gleicher Weise wie bei § 306 a Abs. 1 Nr.l. Entsprechend § 306 a Abs. 1 Nr.l kann ein Teil einer einheitlichen Räumlichkeit die Voraussetzungen des § 306 a Abs. 1 Nr.3 erfüllen, während bei einem anderen Teil die sachlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die einigen Teilen fehlende Tatobjektsqualität haben im wesentlichen drei Gründe. (1) Die nicht unter § 306 a Abs. 1 Nr.3 fallende Partien sind solche gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l oder Nr.2. (2) Verschiedene Teile eines einheitlichen Objekts sind zwar jeweils Räumlichkeiten gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3, die einzelne Abteilungen weisen aber unterschiedliche übliche Aufenthaltszeiten auf. (3) Die übrigen Teile einer einheitlichen Räumlichkeit fallen überhaupt nicht unter § 306 a Abs. 1; in keiner seiner Varianten. Das dürfte wegen des weiten Verständnisses des § 306 a Abs. 1 Nr.3 aber eher ein seltener Fall sein. Auf der Basis der zu § 306 a Abs. 1 Nr.2 entwickelten Lösung ergibt sich folgendes: Zunächst ist 366 367

Sachverhalt aus BGHSt 23, 60 ff. Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 47; BayObLGSt 1967, 125.

Β. Schwere Brandstiftung und Tatzeitkonkretisierung

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nach den vom Bundesgerichtshof herausgestellten tatsächlichen baulichen Verhältnissen368 zu klären, ob eine einheitliche Räumlichkeit vorliegt. Eine Strafbarkeit gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3 kommt jeweils nur dann in Betracht, wenn der Teil des einheitliches Objekts in Brand geraten bzw. durch Brandlegung zerstört worden ist, der Räumlichkeit i.S.v. § 306 a Abs. 1 Nr.3 ist. 3 6 9 Das bedeutet für die unter (2) angesprochene Konstellation, daß der Tatbestand nur dann eingreift, wenn der Teil der Räumlichkeit selbständig vom Feuer ergriffen ist, in dem sich zur Tatzeit üblicherweise Menschen aufzuhalten pflegen. Beschränkt sich der Brand bzw. die Brandlegung auf Teile, die zwar grundsätzlich unter § 306 a Abs. 1 Nr.3 subsumiert werden können, die aber nach der Tatzeitformel mangels üblichen menschlichen Aufenthaltes zur Tatzeit als Tatobjekt ausscheiden, greift § 306 a Abs. 1 Nr.3 nicht ein, wenn und soweit nicht der wegen der Tatzeitformel taugliche Teil vom Feuer erreicht bzw. der intendierte Brand (Brandlegung) an ihm verursacht wird. Entsprechendes gilt auch für die sub (1) und (3) geschilderten Fallgestaltungen. Vollendete (vorsätzliche) Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3 verlangt, daß der zeitweilig von Menschen zum Aufenthalt genutzte Teil eines Gebäudes zu der üblichen Aufenthaltszeit dieser Menschen selbständig vom Feuer ergriffen worden bzw. das Verursachen eines Brand in oder an diesem Teil vom Täter angestrebt ist. Beschränkt sich der tatsächlich verursachte oder angestrebte Brand (wenn und soweit daraus eine Zerstörung des Tatobjekts resultiert) auf andere Teile, kommen §306 a Abs. 1 Nr.l oder Nr.2 (1) oder §306 Abs. 1 bzw. §303, §§306 a Abs. 1 Nr.l, 22 oder Straflosigkeit in Betracht (3). Entwidmungen sind in gleicher Weise wie für 306 a Abs. 1 Nr.2 herausgestellt möglich und vom Recht zu beachten. Entwidmung setzt auch für § 306 a Abs. 1 Nr.3 einen nach außen wahrnehmbaren Akt der Aufgabe der Nutzung als Aufenthaltsort voraus. Allerdings können die Verhältnisse sich bei § 306 a Abs. 1 Nr.3 schwierig gestalten, weil in Bezug auf ein und dasselbe Tatobjekt unterschiedliche Nutzungen als Aufenthaltsorte mit unterschiedlichen Aufenthaltszeiten und daraus resultierend unterschiedlichen Zuständigkeiten für die Vornahme der „Entwidmung" vorkommen können. Als Beispiel sei auf die landwirtschaftlich genutzte Scheune zurückgegriffen, die von einem - um die Dinge nicht weiter zu komplizieren - „Landstreicher" als gelegentlicher Schutzraum (bei Regen etc.) genutzt wird. Diese Scheune wird von dem Landwirt und seinen Helfern zeitweilig betreten, um dort zu arbeiten, Stroh einzulagern usw. und ist nach der hier vertretenen Auffassung schon aufgrund dieser Nutzung Tatobjekt gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3 zu den üblichen Aufenthaltszeiten der ge-

368

Dazu oben Text vor Fußn. 112. Anders BGHSt 35, 283, 285 mit abl. Anm. Kindhäuser, StV 1990, S. 161. Dem Bundesgerichtshof ist jedoch aus den zu § 306 a Abs. 1 Nr.l (oben 2.Kap.A.II.l.b.) erörterten Gründen nicht zu folgen. 369

17*

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

nannten Personen. Die Tatobjektseigenschaft ergibt sich zudem aus der Benutzung durch den „Landstreicher". Will dieser nun die Scheune abbrennen und entfernt vorher seine Habe aus der Scheune, so ist dies eine Entwidmung, die die Tatobjektseigenschaft im Hinblick auf seine Nutzung aufliebt. Die Strafbarkeit des Inbrandsetzens durch den „Landstreicher" aus § 306 a Abs. 1 Nr.3 entfällt trotz Entwidmung aber nur dann, wenn er das Inbrandsetzen zu einer Zeit vornimmt, die nicht die übliche Aufenthaltszeit des Bauern usw. umfaßt. Denn die Tatobjekteigenschaft aufgrund deren Verrichtungen in der Scheune kann der Brandstifter nicht aufheben. Umgekehrt gilt entsprechendes. 2. Tatzeitformel Die Ausführungen zu der Entwidmung von Tatobjekten gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3 haben die erhebliche Bedeutung der Tatzeitformel für das Verständnis des Tatbestandes deutlich werden lassen. In einem gewissen Gegensatz zu der Bedeutung stehen die knappen Ausführungen in Rechtsprechung und Literatur über das inhaltliche Verständnis der Formel. Meist gehen die Stellungnahmen über die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes nicht hinaus. 370 Bestenfalls wird noch erläuternd hinzugefügt, daß einerseits die tatsächliche Anwesenheit von Menschen für die Tatbestandsmäßigkeit nicht erforderlich ist, andererseits aber die tatsächliche Anwesenheit von Menschen dann nicht den Tatbestand des § 306 a Abs. 1 Nr.3 erfüllt, wenn der Zeitpunkt der Anwesenheit nicht in eine übliche Anwesenheitszeit fällt. 3 7 1 Um der „Üblichkeit" des Aufenthaltes zu genügen, wird eine „gewisse Regelmäßigkeit"der Nutzung gefordert, der ein lediglich einmaliger oder ein mehrmaliger, aber keinen feststellbaren Regeln folgender Aufenthalt nicht genügen soll. 3 7 2 Über die Tatzeitformel stellt sich die schwere Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3 als eine eigentümliche Mischung aus Abstraktion und Konkretion dar. Abstrahiert wird von der tatsächlichen Anwesenheit von Menschen vollständig, d.h. die tatsächliche Anwesenheit von Menschen ist grundsätzlich ebenso irrelevant für die Erfüllung des Tatbestandes wie umgekehrt deren Abwesenheit. Konkretion in einem beachtlichen Ausmaß verlangt der Tatbestand aber bei der Festlegung dessen, was als üblich anzusehen ist. Über die übliche Aufenthaltszeit von Menschen in der jeweiligen Räumlichkeit entscheidet nicht die typische Anwesenheitszeit in dem jeweiligen Objektstypus, sondern allein die Verhältnisse in dem konkreten einzelnen Objekt. Ob Landwirte sich allgemein um 5.00 Uhr morgens erstmals zu ihren Tieren in die Ställe begeben, ist 370 371

S. 176. 372

Etwa Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 9, Wessels, BT 1 Rdnr. 931. Horn, in: SK-StGB, §306 Rdnr. 9; vgl. auch Jäger, Fahrlässigkeitsbrände, Geppert, Iura 1989, S. 417, 422.

Β. Schwere Brandstiftung und Tatzeitkonkretisierung

261

unerheblich, wenn der Landwirt, dessen Stall in Brand gesetzt bzw. durch Brandlegung zerstört worden ist, dieses bereits um 4.00 Uhr oder erst um 7.00 Uhr zu tun pflegt. Es bedarf auf der Ebene des objektiven Tatbestandes genauer Aufklärung der tatsächlichen Gepflogenheiten bezüglich des konkreten Tatobjekts. Der Umstand, daß die Aufenthaltszeit in dem konkreten Tatojekt der Gepflogenheit in dem entsprechenden Objektstypus entspricht, kann lediglich als Indiz für die Kenntnis des Täters von den üblichen Aufenthaltszeiten in dem konkreten Tatobjekt Relevanz erlangen. Je stärker die Nutzungsverhältnisse in zeitlicher Hinsicht mit den üblichen Aufenthaltszeiten - soweit solche existieren - in dem zugehörigen Tatobjektstypus übereinstimmen, desto eher läßt sich auf den Tätervorsatz gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3 schließen. Da es auf die „übliche" Aufenthaltszeit in dem konkreten Tatobjekt ankommt, ist es erforderlich, daß zu der Zeit zu der das Gebäude in Brand gesetzt oder der Brand angelegt wird, sich bereits zuvor mehrfach Menschen in dem Tatobjekt aufgehalten haben. 373 Anders als bei § 306 a Abs. 1 Nr.l unterfallen Tatobjekte gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3 wegen der Tatzeitformel nicht mit Beginn der ersten Nutzung zum Aufenthalt dem Schutz des Tatbestandes. Allerdings sollten die Anforderungen an die Üblichkeit des Aufenthaltes auch nicht überspannt werden. Anderenfalls ginge der durch die Schaffung eines (weitgehend) abstrakten Gefährdungsdelikts angestrebte umfassende Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit zu einem Teil verloren. Für die Üblichkeit genügt es, daß zweimal zu der der jetzigen Tatzeit entsprechenden Tageszeit sich Menschen in der Räumlichkeit aufgehalten haben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Nutzung zu der fraglichen Zeit ohne die Brandstiftung regelmäßig fortgesetzt worden wäre. Von einer üblichen Aufenthaltszeit kann zudem nur gesprochen werden, wenn der Aufenthalt von Menschen im jeweiligen Tatobjekt bestimmbaren Regeln folgt. Darauf hat Geppert 374 zu Recht aufmerksam gemacht. Da § 306 a Abs. 1 Nr.3 von der aktuellen Anwesenheit von Menschen vollständig abstrahiert und anders als § 306 a Abs. 1 Nr.l keine Tatobjekte aufführt, die regelmäßig Aufenthaltsort von Menschen sind, kommt dem Inbrandsetzen eines Tatobjekts/der Brandlegung an einem Tatobjekt nach § 306 a Abs. 1 Nr.3 lediglich dann eine der Tathandlung des § 306 a Abs. 1 Nr.l vergleichbare generelle Gefährlichkeit zu, wenn vermittels der Tatzeitformel Bedingungen der Tatbegehung formuliert werden, zu denen sich typischerweise Menschen in der betreffenden Räumlichkeit aufhalten. Angesichts des allgemein benannten „Aufenthaltes" ohne nähere Bezeichnung des Aufenthaltszweckes läßt sich die Üblichkeit der Anwesenheit von Menschen lediglich über die Beobachtung der tatsächlichen Gepflogenheit der Objektsnutzung bestimmen. Erst wenn Regeln für die Nutzung als vom Gesetz nicht näher zweckbestimmten Aufenthaltsort von 373 374

Geppert wie Fußn. zuvor. Geppert, Jura 1989, S. 417, 421.

262

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Menschen existieren, können Zeiten bestimmt werden, von denen in Bezug auf das jeweilige Objekt gesagt werden darf, Menschen hielten sich dort üblicherweise auf. Erfolgt die Nutzung sporadisch - ohne Regelmäßigkeit -, existieren keine Zeiten, zu denen Menschen in diesem Objekt üblicherweise aufhalten.

I I I . Tatzeitkankretisierung und Legitimitätsfrage Von einem die Anwendbarkeit des Tatbestandes einschränkenden Verständnis des Tatbestandes war bei § 306 Nr.3 a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.3) weniger die Rede als bei § 306 Nr.2 a.F. (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) . 3 7 5 Wenn es entgegen der hier vertretenen Auffassung die Notwendigkeit einer über die einschränkende Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale des § 306 a Abs. 1 hinausgehenden teleologischen Reduktion der schweren Brandstiftung geben sollte, bestünde diese Notwendigkeit jedoch bei § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 in vergleichbarer Weise. Zwar enthält § 306 a Abs. 1 Nr.3 über die Tatzeitformel im Gegensatz zu § 306 a Abs. 1 Nr.l eine Konkretisierung der generellen Gefährlichkeit der Tathandlung. Doch ist § 306 a Abs. 1 Nr.3 dadurch im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit in ihrer individuellen Funktion nicht weniger abstrakt als dies bei § 306 a Abs. 1 Nr.l der Fall ist. Die Tatzeitformel stellt vielmehr erst einen ausreichend starken Bezug zwischen der Tathandlung und den geschützten Rechtsgütern her, der eine Statuierung als abstraktes Gefährdungsdelikt mit einer generell gemeingefährlichen Tathandlung legitimiert. Während § 306 a Abs. 1 Nr.l durch die als zur Wohnung von Menschen dienend im Gesetz beschriebene tatsächliche Nutzung die Verknüpfung zwischen Tathandlung und Rechtsgütern herstellt, weil Wohnung der tendenziell zeitlich unbeschränkt benutzte regelmäßige Aufenthaltsort von Menschen ist, bedarf es für § 306 a Abs. 1 Nr.3 wegen des Fehlens des (regelmäßig) zeitlich uneingeschränkten Aufenthaltes von Menschen der Festlegung einer Tatzeit, zu der mit Menschen in dem Objekt üblicherweise gerechnet werden kann. Erst die Tatzeitformel bewirkt eine sich bei § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 entsprechende generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung. Keinesfalls ist § 306 a Abs. 1 Nr.3 ein im Vergleich zu Nr.l weniger abstraktes Gefährdungsdelikt. 376 Wenn daher eine teleologische Reduktion des § 306 a Abs. 1 (§ 306 a.F.) durch Einfügung eines unrechtsbegründenden Merkmals für geboten erachtet wird, gilt dies für beide Tatbestandsvarianten.

375

Anders etwa Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, §50 Rdnr. 37 i.V.m § 51 Rdnr. 7, die die vermeintlich problematische Legitimation abstrakter Gefährdungsdelikte gerade an § 306 Nr.3 a.F. exemplifizieren, allerdings aaO.. § 51 Rdnr. 7 darauf verweisen, daß § 306 Nr.3 im Gegensatz zu § 306 Nr.l und 2 jeweils a.F. eine gewisse Konkretisierung über die Tatzeitformel aufweist. 376 So aber wohl Maurach/Schroeder/Maiwald, aaO.

Β. Schwere Brandstiftung und Tatzeitkonkretisierung

263

Aus den zu § 306 a Abs. 1 N r . l ausgeführten entsprechenden Gründen 377 besteht aber keine aus dem Verfassungsrecht abgeleitete Notwendigkeit der Implementierung eines Unrechts- und Schuldbegründungsmerkmals. § 306 a Abs. 1 Nr.3 dient dem Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit gegen die von einer Brandstiftung an Objekten, in denen sich Menschen zu bestimmten Zeiten aufhalten, ausgehenden Gefahren. Unter den durch die Tatzeitformel beschriebenen Voraussetzungen, sind die geschützten Rechtsgüter in einer mit § 306 a Abs. 1 Nr.l übereinstimmenden Weise der typischen Unbeherrschbarkeit und der typischen hohen Wirkkraft des Tatmittels Feuer ausgesetzt. Selbst wenn, wie sich ex post sicher feststellen läßt, eine Gefährdung oder gar Verletzung von Menschen ausgeschlossen war, bleibt als die Statuierung eines abstrakten Gefährdungsdelikts legitimierender Grund das Irrtumsrisiko in seiner konkreten (der Täter war entgegen eigener Einschätzung nicht ausreichend sorgfältig) wie seiner normativen (unabhängig von der Möglichkeit eines konkreten Irrtums war das Rechtsgut der Einschätzungskompetenz des Täters unterworfen) Gestalt. 378 Im Hinblick auf die Möglichkeiten die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit unbeeinträchtigt beizubehalten und sie auszuüben, kommt den Räumlichkeiten i.S.v. § 306 a Abs. 1 Nr.3 jedenfalls dann eine der Wohnung vergleichbare Funktion zu, wenn die Brandstiftung zu einer Zeit erfolgt, die entsprechend der Tatzeitfonnel der üblichen Aufenthaltszeit entspricht.

IV. Die subjektiven Voraussetzungen Der auf das Inbrandsetzen einer Räumlichkeit i.S.v. § 306 a Abs. 1 Nr.3 gerichtete Vorsatz umfaßt auch (wenigstens) die Möglichkeitsvorstellung, daß das Objekt zu einem Zeitpunkt in Brand gesetzt wird, 3 7 9 zu dem sich Menschen üblicherweise darin aufhalten. Bei dem allgemein formulierten Aufenthaltszweck der Räumlichkeiten nach § 306 a Abs. 1 Nr.3 ist ein solcher mindestens bedingter Vorsatz ohne nachweisbare Kenntnisse des Täters über die tatsächlichen Verhältnisse der Nutzung des konkreten Tatobjekts schwer vorstellbar. Schlüsse von allgemein üblichen Nutzungszeiten vergleichbarer Tatobjekte sind lediglich mit erheblicher Zurückhaltung möglich, weil gerade wegen der fehlenden

377

2.Kap.A.III.2. Zum Irrtumsrisiko oben 2.Kap.A.III.2. 379 Maßgeblich ist auch bezüglich des Vorsatzes der Zeitpunkt des Inbrandsetzens; die Vorstellung, lediglich der auf das Inbrandsetzen hinführende Kausal verlauf werde zu einem der Tatzeitformel entsprechenden Zeitpunkt angestoßen, genügt für eine vorsätzliche Begehungsweise des § 306 a Abs. 1 Nr.3 nicht; BGHSt 36, 221, 222 f.; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 14 jeweils bzgl. § 306 Nr.3 a.F.; zu dem maßgeblichen Zeitpunkt bei der Zerstörung durch Brandlegung siehe den folgenden Haupttext. 378

264

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Zweckbestimmung des Aufenthaltes die Verhältnisse bezüglich des konkreten Tatobjekts von den ansonsten für vergleichbare Tatobjekte üblichen Gepflogenheiten abweichen können. Lediglich unter der Voraussetzung, daß die üblichen Nutzungsverhältnisse des Tatobjektstypus und die des konkreten Tatobjekts annähernd gleich sind, ist ein Schluß vom Allgemeinen auf das Besondere zulässig. 380 Des Nachweises von Kenntnissen des Täters über die Gepflogenheiten in dem jeweiligen Tatobjekt im Hinblick auf die dort üblichen Aufenthaltszeiten bedarf es auch für die Tathandlung der Brandlegung. Allerdings ergeben sich angesichts der eigentümlichen Koppelung des Unternehmens der Brandlegung mit dem daraus resultierenden (tatobjektsbezogenen) Zerstörungserfolg zwei unter Umständen weit auseinanderliegende Zeitpunkte, auf die sich die übliche Aufenthaltszeit beziehen kann; die das Verursachen eines Brandes intendierende Handlung (Brandlegung) oder der Eintritt der wenigstens teilweisen Zerstörung des Tatobjekts. Der mit der Einfügung der Brandlegung verbundenen gesetzgeberischen Vorstellung entspricht das Abstellen auf den Zeitpunkt der Brandlegung. Soll die Vorverlagerung des Beginns des Strafrechtsschutzes vor das Inbrandsetzen gerade den Gefahren der Verwendung von Zündstoffen, die zur Verursachung eines Brandes eingesetzt werden, begegnen, ohne daß aus der Handlung ein Brand entstanden sein muß, 381 kann Bezugspunkt der üblichen Aufenthaltszeit lediglich die Brandlegung sein. Bereits in diesem Stadium der Vornahme der Handlung können für die geschützten Rechtsgüter/Rechtsgutsträger gefährliche Geschehensabläufe entstehen, die durch das Verbot der Brandlegung gerade verhindert werden sollen. Hinsichtlich der Anforderungen an den Vorsatz bei dem Inbrandsetzen/der Zerstörung durch Brandlegung gemischt genutzter Räumlichkeiten, die in Teilen Objekte gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3 sind, sei auf die Ausführungen zu § 306 a Abs. 1 Nr.l verwiesen. 382

C. Brandstiftung an Kirchen Die Brandstiftung an Kirchen oder anderen der Religionsausübung dienenden Gebäuden nimmt unter den Varianten der schweren Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 eine Sonderstellung ein. Sonderstellung deswegen, weil anders als bei § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 der Schutzzweck nicht plausibel ohne Hinzunahme weiterer alternierender oder kumulierender Schutzzwecke auf den

380

Siehe bereits Text nach Fußn. 372. Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 69 li.Sp. unten (Bundesrat); BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp. Mitte (Rechtsausschuß des Bundestages). 382 Oben 2.Kap.A.IV. 381

C. Brandstiftung an Kirchen

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Schutz von Leben und Gesundheit vor den Gefahren eines Brandes zurückgeführt werden kann. Daß Brandstiftung an Gotteshäusern in der Tradition des preuß. StGB von 1851 seinen Platz innerhalb der schweren Brandstiftung ohne Einschränkung etwa durch eine Tatzeitformel auch nach der Reform durch das 6. StrRG behauptet hat, ist lediglich mit den gravierenden Auswirkungen des vorsätzlichen Inbrandsetzens von Kirchen auf den öffentlichen Frieden zu erklä-

I. Rechtsgut Allgemein erkannt ist die angedeutete Sonderstellung der Brandstiftung an Gotteshäusern nicht. So nennen gängige Kommentare § 306 Nr.l a.F. (= § 306 a Abs. 1 Nr.2) hinsichtlich der geschützten Rechtsgüter in einem Zuge mit § 306 Nr.2 und Nr.3 jeweils a.F. (= § 306 a Abs. 1 Nr.l und 3) und vermitteln auf diese Weise den Eindruck eines allen Varianten des § 306 a.F./§ 306 a Abs. 1 zugrundeliegenden einheitlichen Schutzzwecks.384 Überzeugend ist die damit zum Ausdruck gebrachte Auffassung, § 306 a Abs. 1 Nr.2 (bzw. § 306 Nr.2 a.F.) diene (allein) dem Schutz von menschlichem Leben und menschlicher Gesundheit, nicht. Wenn dem so wäre, handelte es sich bei der Brandstiftung an der Religionsausübung dienenden Gebäuden um den Schutz vor „sehr abstrakten Gefährdungen". 385 § 306 a Abs. 1 Nr.2 abstrahierte nicht nur von der aktuellen Anwesenheit von Rechtsgutsträgern zur Tatzeit im Tatobjekt, sondern verzichtete auch auf Tatbestandsmerkmale, die einen ausreichenden Bezug zwischen den geschützten Rechtsgütern und der Tathandlung herstellen. Geppert hat zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß § 306 Nr.2 und Nr.3 a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3) Räumlichkeiten schützten, die ihrer konkreten Verwendung nach dem Aufenthalt von Menschen dienten, während §306 Nr.l a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.2) Räumlichkeiten erfasse, die lediglich ihrer „abstrakten Bestimmung' nach Aufenthaltsräume von Menschen sind. 386 Der Befund ist richtig, nur werden daraus nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen. Wenn der Tatbestand in § 306 a Abs. 1 Nr.2 so ausgestaltet ist, daß nicht nur von der konkreten Anwesenheit von Rechtsgutsträgern, sondern sogar von der konkreten Nutzung als Aufenthaltsort von Menschen lediglich zu bestimmten Zeiten abstrahiert wird, bedarf es einer Begründung, warum als Schutzzweck trotz des hohen Abstraktionsgrades von möglichen Beeinträchtigungen der (vermeintlich) geschützten Rechtsgüter dennoch die Bewahrung von Leben und 383

Maurach/Schr oeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 7. Etwa Wolff, in: LK, § 306 Rdnm. 3 und 4; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 2. 385 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 7. 386 Geppert, Jura 1989, S. 417, 419. 384

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Gesundheit als Schutzgut angesehen wird. Der Tatbestand des § 306 a Abs. 1 Nr.2 weist nicht auf einen starken Zusammenhang zwischen der Vornahme der Tathandlung und der (möglichen) Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit von Nutzern der Gotteshäuser hin. Ein Pendant zu der Wohnnutzung des § 306 a Abs. 1 Nr.l und der Tatzeitformel des § 306 a Abs. 1 Nr.3 als die diesen Zusammenhang vermittelnden Momente ist in § 306 a Abs. 1 Nr.2 gerade nicht existent. Der Umstand zeitweiligen Aufenthaltes - selbst ein solcher ist möglicherweise noch nicht einmal vorausgesetzt, weil zu § 306 Nr.l a.F. auf die Bestimmung und nicht die tatsächliche Nutzung abgestellt wurde - 3 8 7 von Menschen in einem der Religionsausübung dienenden Gebäude ist nicht geeignet, das Inbrandsetzen von bzw. die Brandlegung an Tatobjekten gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.2 als generell gemeingefährliche Tathandlung zu statuieren. Der Religionsausübung dienende Gebäude sind im Gegensatz zu als Wohnung genutzten keine Örtlichkeiten, die Menschen in unüberschaubarer und in ihrem Ablauf unvorhersehbarer Weise als Aufenthaltsort nutzen, sondern die Anwesenheit von Menschen in Gotteshäusern ist - ungeachtet der jeweiligen Regeln der einzelnen Kirchen und Religionsgemeinschaften - auf bestimmte oder wenigstens bestimmbare Zeiten festgelegt. Eine evangelische Kirche in Deutschland steht nicht (mehr) den ganzen Tag und jeden Tag in der Woche geöffnet und ist nicht für einen jederzeitigen Zugang offen. Gottesdienst und andere Veranstaltungen sind auf wenige Stunden begrenzt. Und die begrenzte Nutzungszeit und Nutzungsart folgt bestimmbaren Regeln. Katholische Kirchen mögen längere Anwesenheitszeiten von Gläubigen aufweisen. Es fehlt aber auch hier die für Wohnnutzung typische Unübersehbarkeit des Beziehungsgeflechts zwischen Bewohnern, deren Kontaktpersonen und der Wohnräumlichkeit. Weil ein solches unüberschaubares und unvorhersehbares Beziehungsgeflecht fehlt und daher die zeitlich uneingeschränkte Möglichkeit der Anwesenheit von Menschen im Tatobjekt deutlich unwahrscheinlicher ist als bei Wohnräumlichkeiten, ist die generelle Gefährlichkeit der Tathandlung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.2 auf der Basis der allgemeinen Lebenserfahrung erheblich geringer in Relation zu der Tathandlung nach § 306 a Abs. 1 Nr.l oder - wegen der Tatzeitkonkretisierung - nach § 306 a Abs. 1 Nr.3. Mangels ausreichender Beziehung zwischen den (vermeintlich) geschützten Rechtsgütern und der Tathandlung schützt die Brandstiftung an der Religionsausübung dienenden Gebäuden keinesfalls ausschließlich Leben und Gesundheit von Menschen. 388

387

Geppert, aaO.; zu den Anforderungen an die Tatobjektseigenschaft der der Religionsausübung dienenden Gebäude unten II. 388 Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 2; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 48; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 7; vgl. auch Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 41 m. Fußn. 287 sowie bereits Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 47 f.

C. Brandstiftung an Kirchen

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Die Vorgabe des preußischen Gesetzgebers des StGB von 1851, die Brandstiftung an Kirchen uneingeschränkt - ohne Tatzeitformel - als schwere Brandstiftung zu statuieren, gründet sich auf die „Berücksichtigung der für die übrigen Gebäude des Ortes aus dem Brande von Kirchen entstehende große Gefahr". 389 Die Begründung ist in zweierlei Hinsicht unklar und nicht geeignet, einen auf den Lebens- und Gesundheitsschutz ausgerichteten Zweck des § 306 Nr.l a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.2 zu belegen. 390 Zum einen erfaßt § 306 a Abs. 1 Nr.2 mangels jeglicher Einschränkung im Tatbestand auch Kirchengebäude, die sich außerhalb von Ortschaften befinden und bei denen der Schutz der „übrigen Gebäude" ersichtlich nicht der Grund für die abstrakte Fassung des Tatbestandes sein kann. 391 Die Vorschrift abstrahierte nicht nur von der Anwesenheit von Menschen im Tatobjekt überhaupt, sondern abstrahierte auch von der Existenz von umstehenden Gebäuden, denen Gefahren und in denen Menschen Gefahren von dem Kirchenbrand drohen könnten. Zum anderen enthält der Tatbestand noch nicht einmal die Andeutung der tatbestandlichen Berücksichtigung einer Übertragungsgefahr, wie sie in der Begründung der Materialien ersichtlich angezogen ist. Dabei entstammt die in § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. verwendete Formel von der Übertragungseignung nach „Beschaffenheit und Lage" des in Brand gesetzten Brandobjekts dem § 287 preuß. StGB. Im übrigen sind Überlegungen während der Entstehungsphase des preuß. StGB, den Brand von Kirchengebäuden in demselben Tatbestand wie die Brandstiftung mit Übertragungsgefahr zu regeln, gerade nicht Gesetz geworden. 392 Kein Argument für die „Rettung" eines auf Leben und Gesundheit gerichteten Schutzzwecks der Brandstiftung an Kirchen bietet auch die Erwägung, es handele sich bei den gottesdienstlichen Versammlungen dienenden Gebäuden regelmäßig um den Aufenthaltsort vieler Menschen. 393 Das Argument trifft zu, enthält aber keine Aussage über die Berechtigung des ganz erheblichen Abstraktionsgrads eines solchen Straftatbestandes, wenn auf eine Verbindung zwischen Tathandlung und geschützten Rechtsgut etwa über eine Tatzeitformel verzichtet wird. Der Umstand, daß eine Gefährdung vieler Menschen eintreten kann, wenn der Brand sich zu einer Tatzeit ereignen sollte, zu der sich (ausnahmsweise) viele Menschen dort aufhalten, legitimiert nicht die Strafandrohung und Strafverhängung ohne ein Tatbestandsmerkmal, das eine Verbindung zwischen dem typischen Aufenthalt von Menschen und der Tathandlung herstellt. Wäre allein die seltene Möglichkeit der konkreten Gefährdung oder 389

Goltdammer, Die Materialien zum StGB f.d. preuß. Staaten, Teil II, S. 643; ebenso Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Band II, S. 610 Fußn. 2. 390 Siehe auch bereits oben l.Kap.C.II.l.c. 391 Vgl. Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 47 f. 392 Nachw. wie l.Kap.C.II.l.c. Fußn. 139. 393 Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 4; Begründung der E 1960 und E 1962 BR-Drucks. 270/60 S. 462 und BR-Drucks. 200/62 S. 499.

268

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Verletzung vieler an hochrangigen Rechtsgütern ein ausreichender Grund für die Schaffung und Anwendung eines (sehr) abstrakten Gefährdungsdelikts, hätte etwa der RegE 6. StrRG in seiner ursprünglichen Fassung394 auf die Beibehaltung der Tatzeitformel für die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 Nr.3 RegE getrost verzichten können. Regelmäßig handelte es sich aufgrund der Nutzungszwecke der dort genannten Tatobjekte (Gebäude, die zu Versammlungen, Vorträgen etc. dienen) um Aufenthaltsorte vieler Menschen. Die entfernte Möglichkeit der Gefährdung oder Verletzung vieler Rechtsgutsträger allein bewirkt aber nicht die Schaffung einer generell gemeingefährlichen Tathandlung. Notwendig dafür ist die Beschreibung von Bedingungen, unter denen auf der Grundlage der Lebenserfahrung mit einer nicht völlig unerheblichen Wahrscheinlichkeit eine Rechtsgutsverletztung eintreten kann. Der Schutzzweck des § 306 a Abs. 1 Nr.3 läßt sich lediglich aus dem Aspekt der Aufrechterhaltung des öffentlichen Friedens erklären. 395 Öffentlicher Friede meint in Bezug auf die Religionsausübung des einzelnen Menschen die Aufrechterhaltung von Bedingungen in einer Gesellschaft, unter denen die Bekenntnisfreiheit nicht nur als interne Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch als externe Freiheit, seinen Glauben auszuüben,396 gewährleistet wird und die die ungestörte Religionsausübung (Art.4 Abs. 2 GG) umfassen. Das Recht auf ungestörte Religionsausübung gewährt nicht allein die Achtung dieses Rechtes durch den Staat, sondern enthält auch das Gebot an den Staat, Störungen der Religionsausübung durch Dritte abzuwehren. 397 Dieser Schutzpflicht ist der Staat unter der Geltung des Grundgesetzes nicht nur mit den Religionsschutzdelikten des 11. Abschnittes des StGB nachgekommen. §306 a Abs. 1 Nr.2 ist ebenfalls als Ausfluß dieser Schutzpflicht zu verstehen, wie etwa auch § 304 mit den dort genannten Tatobjekten, die sich auf die Religionsausübung beziehen. In einem weit verstandenen Sinn zielt § 306 a Abs. 1 Nr.2 auf den Schutz von Institutionen ab, d.h. auf die Sicherung von tatsächlichen Bedingungen, die für das Zusammenleben der Menschen in einer Gemeinschaft von erheblicher Bedeutung sind. Die Brandstiftung an Gotteshäusern ist mangels eines die Gefährdung von Menschen ausreichend vermittelnden Elementes kein generell gemeingefährliches Delikt unter dem Gefährlichkeitsaspekt dieses Deliktstypus, sondern ein gemeinschädliches Delikt. 3 9 8

394

BT-Drucks. 13/8587 S. 11 und Begründung S. 47 f. Ebenso Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 7; in der Sache übereinstimmend Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 2 Schutz des in einem Gotteshaus „manifestierten religiösen Tabus"; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 47 Schutz der „Heiligkeit solcher Stätten" jeweils bezogen auf § 306 Nr.l a.F. 396 Zur Bekenntnisfreiheit v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.4 Rdnr. 20. 397 v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.4 Rdnrn. 11 und 77. 398 Zu den Erscheinungsformen des gemeingefährliches Delikts oben l.Kap.II.3.a. 395

C. Brandstiftung an Kirchen

269

Der auf den Schutz des öffentlichen Friedens in der Gestalt ungestörter Religionsausübung abzielende Zweck des § 306 a Abs. 1 Nr.2 allein vermag aber in systematischer Hinsicht seine Gleichstellung mit den gemeingefährlichen Delikten § 306 a Abs. 1 Nr.2 und Nr.3 ebensowenig zu begründen wie im Hinblick auf eine unrechtsadäquate Strafe die Mindeststrafdrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe. Gemeinschädliche Delikte, die außer der Verletzung eines (eventuell vorhandenen) Tatobjekts keine auf individuelle Rechtsgüter bezogene generelle Gefährlichkeit der Tathandlung aufweisen, enthalten deutlich geringere Strafdrohungen als § 306 a Abs. 1 Nr.2. So ist die gemeinschädliche Sachbeschädigung (§ 304) trotz in der Intensität vergleichbaren Einwirkungsgrades auf das Tatobjekt als Vergehen mit einer Höchststrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe ausgestaltet. Die Religionsschutztatbestände des 11. Abschnittes sind gleichfalls durchgängig Vergehenstatbestände. Die gravierende Abweichung in der Strafdrohung des § 306 a Abs. 1 Nr.2 von § 304 läßt sich ausschließlich mit einem stärkeren Maß der Gemeinschädlichkeit der Brandstiftung an Gotteshäusern nicht erklären. Die Bedeutung des Kirchengebäudes als zumindest im Verständnis mancher Kirchen und Religionsgemeinschaften heiliger Ort 3 9 9 mag es zulassen, einen im Vergleich mit der Beschädigung oder Zerstörung der in § 304 genannten religiösen Gegenstände höheren Unrechtsgehalt anzunehmen, weil allein schon aus der historischen Erfahrung der Reichsprogromnacht 400 das Inbrandsetzen von Gotteshäusern als ganz erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens zu bewerten ist. Nur kann auch dieses erhöhte Maß an Gemeinschädlichkeit nicht die Unterschiede in den Strafrahmen der genannten Straftatbestände erklären. Ebensowenig bietet das bei § 306 a Abs. 1 Nr.2 eingesetzte Tatmittel Feuer eine ausreichende Begründung für die Divergenzen in der Strafdrohung. Dessen Anwendung ist nicht per se für die geschützten Rechtsgüter gefährlicher als das mit anderen Mitteln bewirkte Beschädigen oder Zerstören des den Rechtsgutsangriff vermittelnden Tatobjekts, sondern lediglich dann, wenn bestimmte tatsächliche Bedingungen der Tatbegehung existieren, die die Gefährlichkeit für die Rechtsgüter ausmachen. An der Formulierung solcher Bedingungen fehlt es im Hinblick auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit aber aus den bereits genannten Gründen im Tatbestand des § 306 a Abs. 1 Nr.2. Es bleibt die Überlegung, die Schutzrichtung des § 306 a Abs. 1 Nr.2 als kumulativ auf den Schutz von Leben sowie Gesundheit vor den Gefahren des Brandes und den Schutz des öffentlichen Friedens in der Gestalt des Religionsfriedens ausgerichtet anzusehen. In diese Richtung lassen sich Stimmen in der

399 Zu Kirchengebäuden als heilige Orte vgl. v. Campenhausen, Münchener Gutachten, S. 154; die evangelischen Kirchen in Deutschland kennen keine Unterscheidung in heilige und profane Räume, dazu A.Radtke/H.Radtke, ZevKR 42 (1997), S. 22, 39. 400 Zutreffend der Hinweis bei Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 7.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

Literatur deuten, die ergänzend neben dem Zweck des Lebens- und Gesundheitsschutzes auf den Friedensschutzaspekt abstellen. 401 Nun sind die einschlägigen Äußerungen insofern nicht eindeutig, als sie auch die Annahme eines abgestuften Rechtsgüterschutzes mit einem Vorrang des Lebens- und Gesundheitsschutzes vor dem Friedensschutz zulassen. Aber ein kumulativer Rechtsgüterschutz erscheint nach den entsprechenden Aussagen im Schrifttum nicht ausgeschlossen. Plausibel ist jedoch weder ein gestufter Schutzzweck noch der kumulative Rechtsgüterschutz. In § 306 a Abs. 1 Nr.2 fehlt - darauf sei nochmals hingewiesen - ein ausreichender Zusammenhang zwischen der Tathandlung und den (vermeintlich) geschützten Rechtsgütern Leben und Gesundheit. Wenn die Tathandlung der Brandstiftung an Gotteshäusern nicht wenigtens in dem hier zugrundegelegten Sinn generell gemeingefährlich ist und diese generelle Gemeingefährlichkeit nicht in einer entsprechenden Tatbestandsstruktur ihrer Ausdruck findet, läßt sich eine auf den Schutz der genannten individuellen Rechtsgüter bezogene Schutzrichtung nicht annehmen. Daran ändert die Existenz eines möglichen „zweiten" gänzlich anders konzipierten Schutzzwecks nichts. 402 § 306 a Abs. 1 Nr.2 schützt demnach ausschließlich den öffentlichen Frieden in der Gestalt des Religionsfriedens. Auf die aus diesem Befund zu ziehenden Konsequenzen bei der Anwendung des § 306 a Abs. 1 Nr.2 sowie auf Vorschläge für eine systematisch stimmige und unrechtsangemessene Fassung der Brandstiftung an Gotteshäusern wird noch einzugehen sein (unten III.)

II. Kirchen und entsprechende Gebäude Die gesetzliche Formulierung der Nutzung des Gebäudes gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.2 ist im Zuge der Reform in einem Punkt deutlich den in § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 gewählten Formulierungen angeglichen worden. Anstelle der „Bestimmung" zu gottesdienstlichen Versammlungen ist nunmehr ebenfalls das der Religionsausübung „dienen" maßgeblich. Aus der nach früherem Recht abweichenden Formulierung wurden weitreichende Konsequenzen gezogen. Ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude sollte bereits dann vorliegen, wenn dem Objekt durch einen formalen als Widmung zu verstehenden Rechtsakt diese Zweckbestimmung beigegeben worden war. 403 D.h. offenbar, daß die tatsächliche Nutzung zu gottesdienstlichen Versammlungen keine

401

Geppert, Jura 1989, S. 417, 419 mit Nachw. in Fußn. 16. Siehe auch bereits Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 13 ff. 403 Geppert, Jura 1989, S. 417, 419; Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 4 vgl. auch Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 4 a.E. dessen Verweis auf aaO. § 243 Rdnr. 25 insoweit mißverständlich ist, als in § 243 Abs. 1 Nr.4 das Gebäude lediglich der Religionsausübung dienen muß und lediglich die gestohlenen Gegenstände dem Gottesdienst gewidmet sein müssen. 402

C. Brandstiftung an Kirchen

271

Voraussetzung der Tatobjektseigenschaft sein sollte. Für eine solche Deutung spricht auch die Wendung von Geppert, Tatobjekte i.S.v. §306 Nr.l a.F. (§ 306 a Abs. 1 Nr.2) dienten lediglich ihrer „abstrakten Bestimmung" nach dem Aufenthalt von Menschen. 404 Die Verwendung des Begriffs der „Bestimmmung" mag einen Anhaltspunkt für das vorgestellte Verständnis der Tatobjektseigenschaft gemäß § 306 Nr.l a.F. geboten haben. Überzeugen konnte die zum bisherigen Recht vertretene Auffassung nicht. Unklar blieb, welche Anforderungen an den formalen Rechtsakt der Widmung (anders als die faktische „Widmung" durch tatsächliche zweckentsprechende Nutzung in § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3) zu stellen waren. Eine Weihe oder Segnung nach dem Ritus der jeweiligen Religionsgesellschaft wurde nach allgemeiner Auffassung als Voraussetzung einer Widmung gerade nicht verlangt. 405 Was aber bleibt zwischen der nicht verlangten Weihe o.ä. und der offenbar nicht genügenden faktischen Nutzung eines Gebäudes zu Gottesdiensten als formaler Widmungsakt? Nicht alle Religionsgemeinschaften, deren gottesdienstliche Räumlichkeiten von § 306 Nr.l a.F. erfaßt wurden und von § 306 a Abs. 1 Nr.2 erfaßt werden, haben in Kirchenverfassungen, Kirchengemeindeordnungen und entsprechenden Rechtsvorschriften statuierte Regeln über die Nutzung und über die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Nutzung kirchlicher Räume (Bsp. etwa § 57 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 der Kirchengemeindeordnung der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers). 406 Ob ein Gebäude zu gottesdienstlichen Versammlungen einer Religionsgemeinschaft bestimmt war, ließ sich verläßlich allein anhand der tatsächlichen Benutzung entscheiden. Die überkommene Sichtweise des „formalen Rechtsaktes der Widmung" konnte ohne die wenigstens indizielle Wirkung der faktischen Nutzung eines Raumes zu „gottesdienstlichen Versammlungen" (§ 306 Nr.l a.F.) weder über den Beginn der Widmung eines Tatobjekts noch über das Ende der entsprechenden Bestimmung entscheiden. In der bisherigen Sichtweise scheint die tatsächliche Verwendung als Gottesdienstraum noch nicht einmal notwendige, geschweige denn hinreichende Bedingung der Tatobjektseigenschaft gemäß § 306 Nr.l a.F. gewesen zu sein. Gerade letzteres ist aber der Fall. Lediglich dann, wenn entsprechend dem zu § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 Gesagten, ein Gebäude von einer Religionsgemeinschaft als Raum für die Religionsausübung genutzt wird, besteht ein taugliches Tatobjekt. Die Gegenansicht zum alten Recht geriet in Erklärungsnot, dachte man die Behauptung der Maßgeblichkeit der formalen Bestimmung unter Abstrahieren von der faktischen Lage weiter. Nehmen wir an, es ließe sich ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse ein formaler Widmungsakt ausmachen, aufgrund dessen das angezündete Ge404

Geppert, aaO.; in der Sache übereinstimmend Wolff, in: LK, aaO. Eser, in: Schönke/Schröder, § 243 Rdnr. 34 zu den dem Gottesdienst gewidmeten Sachen. 406 in der Fassung vom 07. Dezember 1993 (KAB1. 1994, S. 1., berichtigt S. 39). 405

272

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

bäude zum Zwecke der Religionsausübung benutzt werden soll. Nehmen wir aber weiter an, daß die Umsetzung dieses Widmungsaktes unterblieben ist und auch weiter unterbleiben wird, d.h. keine Religionsausübung in dem Gebäude stattgefunden hat und absehbar nicht stattfinden wird. Vorausgesetzt sei weiter, daß zur Aufhebung der Tatobjektsqualität eines Gebäudes iSv. § 306 a Abs. 1 Nr.2 (§ 306 Nr.l a.F.) entsprechend dem formalen Widmungsakt ein ebenso formaler Entwidmungsakt erforderlich ist, der jedoch nicht vorliegt. Wird bei einer solchen Ausgangslage das Tatobjekt in Brand gesetzt, welche Rechtsgüter könnten möglicherweise beeinträchtigt werden? Der öffentliche Friede in Gestalt des Religionsfriedens kaum, denn das Gebäude dient nicht der Religionsausübung irgendwelcher Religionsgemeinschaften. Die Möglichkeit der Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit der Nutzer des gewidmeten Gebäudes kommt gleichfalls nicht in Betracht. Denn Menschen, die das Gebäude entsprechend dem Widmungszweck nutzten, gibt es nicht. Mit der Neuregelung der Brandstiftung an Kirchengebäuden durch § 306 a Abs. 1 Nr.2 wird der zum bisherigen Recht vertretenen Ansicht von der „abstrakten Bestimmung" des Nutzungszwecks endgültig die Grundlage entzogen. Abgesehen von der weltanschaulich neutralen (durch die Aufnahme der „anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude") an § 243 Abs. 1 Nr.4 orientierten Umformulierung der Vorschrift, ist die „Bestimmung" durch das „Dienen" ersetzt. Aus den Gründen des vorstehenden Absatzes ist „dienen" i.S.v. § 306 a Abs. 1 Nr.2 in gleicher Weise zu verstehen wie die identische Wendung in § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3. Für § 243 Abs. 1 Nr.4, dem die jetzt in das Gesetz eingefügte Formulierung entnommen ist, entspricht es allgemeiner Auffassung, auf die tatsächliche Nutzung als Kirche etc. statt auf eine von den faktischen Verhältnissen abstrahierende Bestimmung abzustellen.407 Für das Inbrandsetzen bzw. die Zerstörung durch Brandlegung von Gebäuden gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.2 gelten die zu § 306 a Abs. 1 Nr.l entwickelten Grundsätze entsprechend. 408 D.h. in Fällen der Mischnutzung bedarf es des Inbrandsetzens bzw. der Zerstörung durch Brandlegung des Gebäudeteils, der selbst als Raum der Religionsausübung benutzt wird. 4 0 9 Allgemeine Regeln darüber, welche Gebäude bzw. Gebäudeteile der Religionsausübung dienen, lassen sich angesichts der Unterschiedlichkeit der Vorschriften und Riten der Religi407

Eser, in: Schönke/Schröder, § 243 Rdnr. 33 m. Nachw. Oben 2.Kap.A.II.2.a. 409 Die von § 306 a Abs. 1 Nr. 1 abweichende Rechtsgutsbestimmung ändert daran nichts, weil das Rechtsgut des öffentlichen Friedens in Gestalt des Religionsfriedens allein mit den Teilen kirchlicher Objekte verbunden ist, in denen die entsprechenden rituellen Handlungen vorgenommen werden. Entprechend der allg. Kontroverse bei Brandstiftung an gemischt genutzten Gebäude auch für Tatobjekte gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.2 anders BGH, Urt. vom 23.07.1985 - 5 StR 125/85 (bzgl § 306 Nr.l a.F.), zit. nach Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 4. 408

C. Brandstiftung an Kirchen

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onsgemeinschaften kaum formulieren. Mit der Übernahme der Formulierung „ianderer der Religionsausübung dienender Gebäude" ist klargestellt, daß die Gebäude sämtlicher Religionsgemeinschaften Schutz genießen, die Stätten der Religionsausübung sind. Eine Orientierung an der typischen baulichen Beschaffenheit christlicher Kirchen und Kapellen gibt es nicht. Ob und in welchem Umfang ein Ort der Religionsausübung besteht, läßt sich allein nach dem Ritus der jeweils betroffenen Religionsgemeinschaft bestimmen. Einige sehr grobe Leitlinien können jedoch am Beispiel der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland entwickelt werden. So ergibt sich aus dem Begriff „Kirche" als Beispiel für ein der Religionsausübung dienendes Gebäude und aus dem Schutzzweck des § 306 a Abs. 1 Nr.2, den öffentlichen Frieden in der Gestalt des Religionsfriedens zu sichern, eine Beschränkung des Kreises tauglicher Tatobjekte, die tatsächlich für den rituellen Teil, den Kernbereich der Religionsausübung genutzt werden. D.h. es unterfallen solche Objekte nicht dem Schutz des § 306 a Abs. 1 Nr.2, die zwar einen Bezug zu den diakonischen und karitativen Aktivitäten der (evangelischen oder katholischen) Kirche aufweisen, jedoch nicht als Räume zur Feier des Gottesdienstes benutzt werden. So finden in einer Familienberatungsstelle zwar auch seelsorgerliche Gespräche statt, die Teil der Religionsausübung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 GG sind, und in einem in kirchlicher Trägerschaft befindlichen Kindergarten wird (hoffentlich) Religionspädagogik und damit auch Religionsausübung betrieben. Dennoch sind diese Räumlichkeiten keine mit einer erhöhten Friedensfunktion versehenen Gebäude, wie sie für die Tatobjektseigenschaft gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.2 maßgeblich ist. 410 Versucht man das Charakteristikum der der „Religionsausübung dienenden Gebäude" in eine vielleicht nicht völlig präzise aber handhabbare Formel zu bringen, so handelt es sich bei den Tatobjekten um solche, die nach dem Ritus der jeweiligen Religionsgemeinschaft sakral sind, d.h. der Ausübung der eigentlichen rituellen Handlungen der Gemeinschaft dienen.

I I I . Brandstiftung an Kirchen und teleologische Reduktionen Reduktionen der Tatbestände § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 durch Einfügung eines Unrechts- und schuldbegründenden Merkmals haben sich als nicht geboten erwiesen. Allein die vorsätzliche Vornahme der jeweiligen generell gemeingefährlichen Tathandlung begründet Handlungsunrecht, das sowohl die Statuierung der Vorschriften als abstrakte Gefährdungsdelikte als auch die Sanktionierung aus diesen Delikten legitimiert, selbst wenn die generelle Gefährlichkeit der Handlung sich nicht in konkreter Gefährlichkeit der einzelnen Tathandlung 410 Zur erhöhten Friedensfunktion bestimmter kirchlicher Räume im Zusammenhang mit der Gewährung von sog. „Kirchenasyl" A.Radtke/H.Radtke, ZevKR 42 (1997), S. 23, 48'f. mit weit. Nachw.; siehe auch den weiteren Nachw. oben Fußn. 399.

18 Radtke

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

realisiert hat. 411 Für die schwere Brandstiftung nach § 306 a Abs. 1 Nr.2 ist eine Reduktion dagegen unumgänglich. Die Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens durch das Inbrandsetzen von Gebäuden, die Stätten der Religionsausübung sind, bzw. deren Zerstörung durch Brandlegung berechtigt nicht zu einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe. Die Abweichung im Unrechtsgehalt gegenüber anderen gemeinschädlichen Delikten, die sich auf den Schutz der Religionsausübung beziehen, ist nicht derart gravierend, daß die erheblichen Unterschiede bei den Strafrahmen einen sachlich berechtigten Grund hätten (oben I.). Auf die generelle Gefährlichkeit der Tathandlung für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit läßt sich nicht abstellen. Der Tatbestand entbehrt der Elemente, die eine Zuschreibung der Handlung als generell gemeingefährliche zulassen würden (oben I.). Den Weg, auf dem § 306 a Abs. 1 Nr.2 ein die Strafdrohung und -verhängung legitimierendes Element beigefügt werden kann, zu finden, bereitet nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Eine Erhöhung der Anforderungen an die Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens kommt nicht in Betracht. Dieses Rechtsgut ist mit der Vornahme jeder Tathandlung jedenfalls dann verletzt, wenn es sich um Objekte handelt, die zum Zwecke der Religionsausübung genutzt werden (oben II.). 4 1 2 Möglich bleibt die Einfügung eines Merkmals, das sich auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit (in ihrer individuellen Funktion) der Gebäudenutzer bezieht. Zwar ist sub I. aufgezeigt worden, daß nach der Struktur des Tatbestandes die genannten Rechtsgüter lediglich vor sehr abstrakten Gefahren geschützt werden, weil in § 306 a Abs. 1 Nr.2 ein ausreichend starker Zusammenhang zwischen Tathandlungen und (möglicherweise) geschützten Rechtsgütern fehlt. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß der Gesetzgeber des preuß, StGB wie in seiner Nachfolge die Gesetzgeber des StGB für den norddeutschen Bund, des RStGB und jüngst der Bundesgesetzgeber des 6. StrRG mittels der Brandstiftung an Kirchengebäuden auch den Schutz menschlichen Lebens und menschlicher Gesundheit intendiert haben, wenn ihnen auch die gesetzestechnische Umsetzung dieses Vorhabens nicht gelungen ist. Die Einstellung des Kirchenbrandes in den ansonsten (§ 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3) auf Lebens- und Gesundheitsschutz abzielenden § 306 a Abs. 1 sowie die knappen und und inhaltlich nicht völlig klaren Äußerungen in den Materialien zum preuß. StGB 4 1 3 sind für eine solche Vorstellung ein ausreichender Beleg. Im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. StrRG ist die Frage der Lozierung des Kirchenbrandes innerhalb der schweren Brandstiftung sowie die Schutzrichtung dieses

411

Oben 2.Kap.A.III.2. Zur Rechgsutsverletzung bei abstrakt formulierten Rechtsgütern, die den Schutz von Institutionen bezwecken, oben Einl.B.II. 413 Goltdammer, Die Materialen zum StGB f.d. preuß. Staaten, Teil II, S. 643; zu deren Verständnis oben l.Kap.C.II.l.c. 412

C. Brandstiftung an Kirchen

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Tatbestandes kaum diskutiert worden. Sowohl der Regierungsentwurf als auch die Stellungnahme des Bundesrates und der Bericht des Rechtsauschusses stellen die Beibehaltung als Fall schwerer Brandstiftung selbst ohne Tatzeitformel entsprechend § 306 a Abs. 1 Nr.3 nicht in Frage. Aus diesem „Schweigen" wird man - zumal ich während des Gesetzgebungsverfahrens nachdrücklich für eine Ergänzung des Kirchenbrandes um eine Tatzeitformel geworben habe - 4 1 4 schließen düfen, daß der Gesetzgeber mit § 306 a Abs. 1 Nr.2 selbst ohne eine solche Formel an der für das alte Recht vielfach angenommenen Schutzrichtung auch auf Leben und Gesundheit festhalten will. Nur hat der Gesetzgeber die Schaffung eines Tatbestandes mit einer Struktur, die einen zur Unrechtsbegründung aufgrund genereller Gefährlichkeit der Tathandlung genügenden Bezug auf diese zu schützen beabsichtigten Rechtsgüter verfehlt. Die Herstellung eines solchen Zusammenhanges mit den Rechtsgütern Leben und Gesundheit durch Übernahme der zu § 306 Nr.2 a.F./§ 306 a Abs. 1 Nr.l vertretenen Reduktionsmodelle, die entweder an die (sorgfaltswidrige) Schaffung einer adäquaten Rechtsgutsgefahr oder die konkrete Gefährlichkeit der einzelnen Tathandlung anknüpfen, 415 kommt nicht in Betracht. Abgesehen von den gegen diese Modelle erhobenen Vorbehalten bewirken die gängigen Reduktionsmodelle eine erhebliche Abkehr von der gesetzgeberischen Konzeption, generell gemeingefährliche Tathandlungen unabhängig von einer weiteren Konkretion der Gefährlichkeit der Tathandlung zu sanktionieren. Das Maß der Konkretion im Falle der Schaffung eines adäquaten Lebensrisikos etc. wäre höher als bei Heranziehung der Tatzeitformel des § 306 a Abs. 1 Nr.3. Bei Anwendung letzterer wird von der aktuellen Anwesenheit von Menschen im Tatobjekt zur Tatzeit vollständig abstrahiert. Dagegen bleiben die Anwesenheit von Rechtsgutsträgern im Tatobjekt und die Aktivitäten des Brandstifters zur Sicherstellung deren Abwesenheit bei den Reduktionsmodellen ein wesentliches Kriterium im Rahmen der objektiv nachträglichen Prognose, die über die Schaffung eines adäquaten Rechtsgutsrisikos wie über die konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung letztlich entscheiden soll. 4 1 6 Um bei weitestgehender Aufrechterhaltung der gesetzgeberischen Konzeption § 306 a Abs. 1 Nr.2 einen die Strafdrohung legitimierenden Unrechtsgehalt zu verleihen, bietet es sich an, auf die Tatzeitformel des § 306 a Abs. 1 Nr.3 zurückzugreifen. Aus § 306 a Abs. 1 Nr.2 würde lediglich dann bestraft, wenn ein Gebäude, das tatsächlich (wenn auch nicht aktuell im Moment des Inbrandsetzens/der Brandlegung) zur Religionsausübung ge-

414

Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 13 ff.; die Einschätzung, daß es sich um ein „beredtes Schweigen" jedenfalls der Bundesregierung handelt, beruht darauf, daß ich das Manuskript der in dieser Fußn. angegebenen Schrift sehr frühzeitig dem Bundesministerium der Justiz übersandt hatte und in Bezug auf das Brandstrafrecht in Kontakt mit dem zuständigen Referenten stand. 415 Oben 2.Kap.A.III.l. 416 Zu* den Einzelheiten der verschiedenen Modelle oben 2.Kap.A.III.l. 18*

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

nutzt wird, zu einem Zeitpunkt in Brand gesetzt/Brand angelegt wird, zu dem sich üblicherweise Menschen an diesem Ort zum Zwecke der Religionsausübung aufzuhalten pflegen. Strafbarkeitslücken infolge der Reduktion sind nicht zu befürchten. Brandstiftungshandlungen an Kirchengebäuden etc. sind - selbst wenn die Voraussetzungen der Tatzeitformel nicht erfüllt sein sollten - gemäß § 306 Abs. 1 Nr.l strafbar. Tritt aufgrund der Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr.l eine konkrete Gesundheitsgefahr (§ 306 a Abs,2) oder Gesundheitsschädigung (§ 306 b Abs. 1) ein, gelangen die vorgenannten Qualifikationen (auch) der einfachen Brandstiftung zur Anwendung.

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr Das Brandstrafrecht ist in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens des 6. StrRG um eine weitere Variante der schweren Brandstiftung bereichert worden. § 306 a Abs. 2 normiert die Tatausführung an Objekten der „einfachen" Brandstiftung iSv. § 306 Abs. 1 als schwere Brandstiftung, wenn durch die Tat die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen geschaffen worden ist. Die Vorschrift enthält eine eigentümliche und dem deutschen Brandstrafrecht bisher unbekannte 417 Kombination der Tatausführung an einem numerus clausus von Tatobjekten, die keinen unmittelbaren Bezug zu dem Rechtsgut Gesundheit von Menschen aufweisen, und einer aus der Tat resultierenden konkreten Rechtsgutsgefahr (Gefahr der Gesundheitsschädigung). Angesichts der Einordnung der Tat als schwere Brandstiftung in § 306 a ist ein Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitstrafe eröffnet. Eine derart gravierende Strafdrohung ist vor dem Hintergrund einer lediglich verlangten konkreten Gefahr der Gesundheitsschädigung bei der Brandstiftung an Tatobjekten, die im Grundsatz keinen starken Zusammenhang mit dem offenbar geschützten Rechtsgut Gesundheit aufweisen, legitimierungsbedürftig.

I. Rechtsgutbestimmung Die neu geschaffene Vorschrift schützt die Gesundheit von Menschen vor der (generellen) Gefährlichkeit der Verwendung des Tatmittels Feuer an oder in bestimmten Brandobjekten. Eine auf den Gesundheitsschutz beschränkte Schutzrichtung folgt außer aus dem auf die Gesundheit eines Menschen bezo417

Lediglich § 258 Abs. 2 des Reformentwurfs von 1913 (Text bei Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 200) enthielt eine vergleichbare Struktur eines Brandstraftatbestandes.

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

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genen Erfordernis konkreter Rechtsgutsgefahr auch aus der Einordnung des § 306 a Abs. 2 als Fall schwerer Brandstiftung. Jedenfalls die in § 306 a Abs. 1 Nr.l und Nr.3 normierten Tatbestände schützen die Rechtsgüter Gesundheit und Leben vor den Wirkungen einer Brandstiftung an bzw. in den jeweiligen Tatobjekten. 418 Aus - allerdings nicht zutreffender - 4 1 9 Sicht des Gesetzgebers dient selbst der Kirchenbrand dem Schutz von Leben und Gesundheit. Im Hinblick auf die auf dieser Basis einheitliche Schutzrichtung des § 306 a Abs. 1 kann davon ausgegangen werden, daß der offenbar im Maß des verwirklichten Unrechts als gleichgewichtig bewertete Abs. 2 auch einen entsprechenden Schutzzweck aufweist. Dafür spricht zusätzlich die zwar kurze aber höchst wechselvolle Entstehungsgeschichte des neuen Straftatbestandes. Die nunmehr gesetzlich niedergelegte Fassung und vor allem die Einordnung des § 306 a Abs. 2 als schwere Brandstiftung geht zurück auf eine Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages.420 Nach der ursprünglichen Konzeption des Regierungsentwurfs sollte das Brandstrafrecht einen zentralen als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestalteten Straftatbestand erhalten, der außer dem Hervorrufen eines „Feuers von erheblichem Ausmaß" die Verursachung konkreter Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert erforderte. 421 Mit einer solchen Gestaltung lehnte sich die Bundesregierung an die in zahlreichen Reformvorschlägen seit 1909 - zuletzt in den Entwürfen von 1960 und 1962 - enthaltene Tatbestandsstruktur einer als konkretes Gefährdungsdelikt gefaßten Brandstiftung an: Verzicht der Beschränkung der Tathandlung auf bestimmte Tatobjekte, stattdessen die Verursachung eines Brandes oder eines Feuers unabhängig von einem numerus clausus von Brandobjekten verbunden mit einer Schaffimg einer Rechtsgutsgefahr nach der mittlerweile klassischen Gefahrformel. 422 Der Bundesrat befürwortete in seiner Stellungnahme diese Konzpetion im Grundsatz, mahnte aus den bereits erörterten Gründen 423 aber eine Änderung der Formulierung der Tathandlungen an. 4 2 4 In ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme der Länderkammer schlug die Bundesregierung sodann eine dem jetzigen § 306 a Abs. 2 strukturell weitgehend gleichende Fassung vor, 4 2 5 die jedoch als § 306 Abs. 2 (in der Fassung der Gegen418

Oben 2.Kap.A.I.l. und 3. Oben 2.Kap.C.I und III. 420 Siehe BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp. unten. 421 BT-Drucks. 13/8587 S. 11 und Begründung ebendort S. 48; zur Bewertung dieser Vorschrift (§ 306 Abs. 2 RegE) siehe Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 ff. 422 Dazu ausführlich oben l.Kap.C.II.2.a. 423 Oben Text zwischen Fußn. 164 und 169. 424 BT-Drucks. 13/8587 S. 70 re.Sp. oben. 425 BT-Drucks. 13/8587 S. 86 und Begründung S. 88. 419

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

äußerung) nicht der schweren Brandstiftung, sondern der einfachen Brandstiftung zugeordnet war und statt der Beschränkung auf konkrete Gesundheitsgefahren noch die klassische Gefahrformel beinhaltete. § 306 Abs. 2 in der Fassung der Gegenäußerung (jetzt § 306 a Abs. 2) sollte an die Stelle des früheren § 308 Abs. 1 2.Alt., der einfachen Brandstiftung mit Übertragungsgefahr treten, aber im Hinblick auf die zum alten Recht bestehenden Auslegungsschwierigkeiten 4 2 6 keine Beschränkung auf tätereigene Objekte mehr erhalten. 427 Erst in „letzter Minute" empfahl der Rechtsausschuß des Bundestages den bis dahin als Fall „einfacher" Brandstiftung behandelten § 306 Abs. 2 in der Fassung der Gegenäußerung als § 306 a Abs. 2 in die schwere Brandstiftung zu übernehmen, weil die „Herbeiführung einer Leibes- oder Lebensgefahr...schwerer gewichtet" werden müsse. 428 Aus dieser Bewertung wird deutlich, daß allein Gesundheitsschutz mit § 306 a Abs. 2 intendiert ist. Erst die Ausklammerung der konkreten Gefahr für fremdes im Wert bedeutendes Sacheigentum aus dem neuen Tatbestand gestattete eine Lozierung der Vorschrift als schwere Brandstiftung mit einem von § 306 Abs. 1 nach oben abweichenden Strafrahmen. § 306 a Abs. 2 schützt damit das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit vor der generellen (Gemein)Gefährlichkeit der Ausführung einer Brandstiftung an oder in den Tatobjekten des § 306 Abs. 1.

II. Tatobjekte und konkrete Gesundheitsgefahr Die neu geschaffene schwere Brandstiftung bei Verursachung konkreter Gesundheitsgefahr fügt sich unter den Blickwinkel der Tatbestandsstrukturen in das hier als allgemeines Kennzeichen der Brandstraftatbestände herausgestellte Charakteristikum der Vermittlung der Rechtsgutsbeeinträchtigung durch den Angriff auf das Tatobjekt ein. Anders als noch § 306 Abs. 2 RegE 6. StrRG, der das Verursachen konkreter Rechtsgutsgefahr auch durch den unmittelbaren Rechtsgutsangriff (etwa Anzünden eines ausreichend wertvollen im fremden Eigentum stehenden Gegenstandes) normierte, 429 muß die konkrete Gefahr für die Gesundheit eines anderen Menschen ihre Ursache in der auf das Verursachen eines Brandes am/im Tatobjekt gerichteten Handlung bzw. der Zerstörung des Gebäudes infolge Brandlegung haben. Die Beeinträchtigung des Rechtsgu426

Dazu ausführlich Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 194 ff. BT-Drucks. 13/8587 S. 87 re.Sp. unten/S. 88 Ii Sp. oben. 428 BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp. 429 Kritisch dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 f. Eine derartige Tatbestandsgestaltung mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe war geradezu absurd, wenn es um eine konkrete Gefahr für fremdes Sacheigentum ging, ohne daß die Bedingungen der Tatbegehung tatbestandlich so ausformuliert waren, daß mit der Vornahme eine Tathandlung eine generelle Gemeingefährlichkeit verbunden war. 427

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

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tes in Gestalt konkreter Gesundheitsgefahr ist daher notwendig durch den Angriff auf das Rechtsgut vermittelt. Allerdings besteht bei der Tathandlung, die im Ergebnis zu einer wenigstens partiellen Zerstörung des Brandobjekts geführt hat, insofern eine im Vergleich zum Inbrandsetzen schwächere Beziehung zwischen der Rechtsgutsbeeinträchtigung und dem Tatobjektsangriff als die Rechtsgutsgefahr bereits aus dem Unternehmen der Tathandlung ohne Berücksichtigung der brandtypischen Auswirkungen am Tatobjekt (Gefahr der Gesundheitsschädigung infolge der Explosion des Zündstoffs selbst, wenn dieser nicht in Brand gerät und einen Brand in/an dem Objekt verursacht) herrühren kann. Einen etwas anderen als den bisher betonten Akzent erlangt der Gedanke des über das Tatobjekt vermittelten Rechtsgutsangriff auch durch die mögliche Einbeziehung von konkreten Rechtsgutsgefahren die solchen Rechtsgutsträgern drohen, die zeitlich erst nach der Ausführung der Tathandlung mit dem Tatgeschehen in Berührung kommen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang vor allem an die sog. Retterschäden bei denen spontane, halbprofessionelle oder professionelle Retter wegen ihrer Hilfeleistung in den räumlichen Bereich des Tatgeschehens und damit in dessen Gefährlichkeitsbereich geraten. Bezüglich der Schaffung konkreter Gesundheitsgefahren für Helfende im Brandfall trägt mit der genannten Akzentverschiebung aber der Vermittlungsgedanke selbst in diesen Konstellationen. Die mögliche Gesundheitsbeeinträchtigung erfolgt nicht durch einen zielgerichtet gegen dieses Rechtsgut bzw. dessen Träger geführten Angriff sondern durch die Vornahme der Tathandlung am Tatobjekt, vermittels dessen die Gefahr für die Gesundheit droht. Die Einbeziehung solcher Retterschäden in den Schutzbereich der Tatbestände war dem bisherigen Brandstrafrecht fremd. Konkrete Gefahr für menschliches Leben und menschliche Gesundheit war in keinem der früheren Brandstraftatbestände gefordert. 430 Allein die Todeserfolgsqualifikation des § 307 Nr.l a.F. setzte den Tod eines Brandopfers als schwere Folge voraus. Der für ein Brandstiftungeschehen durchaus nicht untypische Tod von Rettern (Feuerwehrleuten etc.) war über die Tatzeitund Tatortformel („zur Zeit der Tat in einer der in Brand gesetzten Räumlich-

430

Die Übertragungskonstellationen in § 308 a Abs. 1 2.Alt in beiden Unterfällen stellten auf eine teilkonkretisierte Übertragungsmöglichkeit („nach Lage und Beschaffenheit geeignet") ab. Diese Übertragungsmöglichkeit war zum einen tatobjektsbezogen, nicht rechtsgutsbezogen und zum anderen evident nicht auf die Schaffung einer konkreten Gefahr für das sekundäre Brandobjekt gerichtet, weil die berücksichtigungsfähigen Faktoren mit Lage und Beschaffenheit abschließend und abweichend von der umfassenden ex-post-Perspektive der konkreten Gefahr festgelegt waren. Entgegen nahezu allgemeiner Meinung war ein sachgerechter Maßstab für die Übertragungseignung lediglich zu gewinnen, wenn die Eignungsbeurteilung anhand der beiden maßgeblichen Faktoren auf der Grundlage des konkreten Tatumfeldes erfolgte. Das von der ganz herrschenden Meinung der Sache nach herangezogene „Null-Wetter" (keine Berücksichtigung von Wind- und Wetterbedingungen) existiert nicht. Jede Brandstiftung findet unter bestimmten Wind- und Wetterverhältnissen statt.

280

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

keiten sich befand") ausgeklammert. Zur Bedeutung der Retterschäden für § 306 a Abs. 2 unten II.2.C. /. Tatobjekte Welche Erwägungen die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe veranlaßt haben, von der ursprünglich vorgesehenen Konzeption abzugehen431 und auf die Kombination aus einem geschlossenen Kreis von Tatobjekten und dem Merkmal konkreter Rechtsgutsgefahr zuzugreifen, ist in den vorliegenden Materialien nicht klar ersichtlich. Schwache Anhaltspunkte eines Motivs finden sich in der Gegenäußerung der Bundesregierung, in der erstmals die jetzige Tatbestandsstruktur - wenn auch noch mit anderer Lozierung (nämlich in § 306 Abs. 2) - statuiert wurde. In Bezug auf die Überarbeitung des aus § 308 Abs. 1 a.F. bekannten numerus clausus tauglicher Tatobjekte will das neue Brandstrafrecht eine Modernisierung des Katalogs der Objekte vornehmen, davon abgesehen aber an der Technik des früheren Rechts, die Gemeingefährlichkeit der Tat über die Auswahl der Objekte zu konkretisieren, festhalten. 432 Entsprechend wird für § 306 a Abs. 2 (§ 306 Abs. 2 in der Fassung der Gegenäußerung) ausgeführt, die Eigentumsverhältnisse an den Tatobjekten seien für diese Variante irrelevant. Das Eigentum an ihnen würde nicht geschützt, sondern die Objekte dienten allein dazu, die Gemeingefährlichkeit der Tathandlung zum Ausdruck zu bringen. 433 Aufgrund dieser Ausführungen darf vermutet werden, daß die Bundesregierung der Kritik, die an der ursprünglichen Konzeption der konkret gefährdenden Brandstiftung geübt worden war, 4 3 4 Rechnung tragen und die die eigenständige Sanktionierung der Brandstiftung allein legitimierende generelle Gemeingefährlichkeit der Tatbegehung unter Nutzung » der seit dem preuß. StGB von 1851 überkommenen Gesetzestechnik435 stärker konturieren wollte. Dieses Vorhaben entspricht den in dem 1. Kapitel dieser Arbeit herausgestellten Strukturprinzipen der Brandstiftung und den vom Verfasser an anderer Stelle während der Entstehungsphase des 6. StrRG erhobenen Forderungen an die Gestaltung des neuen Rechts. 436 Die technische Umsetzung dieses begrüßenswerten Vorhabens ist jedoch nicht gelungen, weil entgegen den Beteuerungen in den Stellungnahmen der Bundesregierung die Auswahl der Tatobjekte in § 306 Abs. 1 und damit auch in § 306 a Abs. 2 weniger an der generellen Gemeingefährlichkeit ihres Inbrandsetzens etc. als vielmehr überwiegend an ihrer

431 432 433 434 435 436

Oben Text nach Fußn. 420. BT-Drucks. 13/8587 S. 87 re.Sp. BT-Drucks. 13/8587 S. 87 re.Sp. Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 ff. Oben 2.Kap.A.II.2.a. Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 ff. und passim.

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

281

ökonomischen Bedeutung in der heutigen Wirtschaftsordnung ausgerichtet erscheint. „Verräterisch" ist, daß sich in dem für § 306 a Abs. 1 maßgeblichen numerus clausus der Tatobjekte des § 306 Abs. 1 vornehmlich solche Brandobjekte finden, deren Fehlen im Katalog des § 308 Abs. 1 a.F. gerade als Beleg dafür gewertet worden war, daß der Tatobjektskreis der früheren sog. einfachen Brandstiftung einer längst überholten Wirtschaftsordnung angehörte. 437 So wurde seit längerem in der Literatur die Aufnahme wertvoller Maschinen, Landund Luftfahrzeuge usw. in den Kreis der Tatobjekte angemahnt.438 Gerade solche generell wirtschaftlich wertvollen Objekte haben nunmehr Aufnahme in § 306 Abs. 1 (Nr.2-4) gefunden. Vor diesem Hintergrund kann der Verweis auf die Auswahl anhand der Gemeingefährlichkeit nicht uneingeschränkt überzeugen. Zu den Einzelheiten über das Verständnis der Tatobjekte in § 306 Abs. 1 siehe 4.Kap.C. Die Eigentumsverhältnisse am Handlungsobjekt sind für die Tatbestandsmäßigkeit im Rahmen von § 306 a Abs. 2 irrelevant. Dem Täter gehörende Objekte sind ebenso zur Tatbegehung tauglich wie solche, die in niemandes Eigentum stehen oder die von dem Täter mit Einwilligung des Eigentümers in Brand gesetzt etc. werden. Zwar ergibt sich die Bedeutungslosigkeit der Eigentumslage nicht völlig eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes. Die Verweisung in § 306 a Abs. 1 ließe sich auf den Begriff „fremd" in § 306 Abs. 1 erstrecken. Da die Gefährlichkeit der Tathandlung des Inbrandsetzens bzw. der Brandlegung in Bezug auf die menschliche Gesundheit nicht davon beeinflußt wird, ob es sich um ein dem Brandstifter gehörendes Objekt handelt, läßt sich die Verweisung unter Berücksichtigung der Schutzrichtung des § 306 a Abs. 2 und seiner Einordnung in die in Abs. 1 ebenfalls nicht nach den Eigentumsverhältnisse differenzierenden Brandstiftung dahin verstehen, daß allein auf die Tatobjekte nicht aber auf die Kennzeichnung als „fremd" (§ 306 Abs. 1) verwiesen wird. 4 3 9 2. Konkrete Gesundheitsgefahr

und ihre Ursachen

Die einfache Struktur des Tatbestandes, der die Vornahme der Tathandlung (Inbrandsetzen/Brandlegung mit der Folge der Zerstörung) an einem Tatobjekt gemäß § 306 Abs. 1 als Ursache der Schaffung eines Erfolges konkreter Gesundheitsgefahr eines anderen Menschen benennt, täuscht über die Problematik der Verwendung des Deliktstypus konkretes Gefährdungsdelikt hinweg. Zwar ist die Vorschrift strukturell ersichtlich den bisherigen konkreten Gefährdungs437 438 439

BT-Drucks. 13/8587 S. 26 li.Sp. mit weit. Nachw. Siehe dazu die Nachw. auf BT-Drucks. 13/8587 S. 25 f. So die Gegenäußerung der Bundesregierung auf BT-Drucks. 13/8587 S. 87 f.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

delikten des 28. (früher 27.) Abschnittes (Sprengstoff- bzw. Kernenergiedelikte; Straßenverkehrsdelikte) nachgebildet. Aber das Vorhandensein von Vorbildern mindert die Schwierigkeiten der Handhabung derartiger konkreter Gefährdungsdelikte kaum, mangelt es doch auch den Vorbildern an klaren Kriterien zur inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs konkrete Gefahr. Abgesehen von der Notwendigkeit, den Kreis der ursächlichen Faktoren der Gesundheitsgefahr, der im Gesetz mit dem Rekurs auf die Tathandlungen des § 306 Abs. 1 nur rudimentär beschrieben ist, näher zu bestimmen, ist die schwere Brandstiftung mit konkreter Gesundheitsgefahr durch die fortbestehende Kontroverse um die in das Gefahrurteil einbeziehbaren Aspekte und Faktoren belastet. a) Konkrete Gefahr als Gefahrerfolg Die intensive und noch nicht zu einem Abschluß gelangte Diskussion über die Inhalte des konkreten Gefahrerfolges 440 erlangt damit auch für das Verständnis von § 306 a Abs. 2 Relevanz. Ohne den Streitstand in seiner gesamten Breite auch nur annähernd vollständig darstellen und untersuchen zu wollen, ist auf der Basis der nahezu allgemein anerkannten ex post-Bewertung des konkreten Gefahrerfolges, die u.a. von Schünemann441 und Roxin 4 4 2 vertretene häufig sog. „normative Gefahrerfolgstheorie" vorzugswürdig. Gelangt ein Rechtsgut bzw. ein Rechtsgutsträger in den Wirkbereich der Tathandlung, so kann von einem als konkretem Gefahrerfolg bezeicheten Zustand gesprochen werden, wenn in dieser Situation die (mögliche) Rechtsgutsverletzung lediglich zufällig ausbleibt. Normativ betrachtet sei von einem Zufall bei solchen (hypothetisch) das Ausbleiben des Verletzungserfolges erklärenden Umständen auszugehen, auf deren Eingreifen der Täter berechtigterweise nicht vertrauen dürfe. Als Beispiele werden auf besonderen Fähigkeiten des Bedrohten beruhende oder sonstige für den Täter nicht beherrschbare Umstände genannt.443 Für solche konkreten Gefährdungsdelikte, denen wie § 306 a Abs. 2 wenigstens tendenziell generell gemeingefährliche Tathandlungen zugrundeliegen, 444 entspricht eine solche Bestimmung des konkreten Gefahrerfolges den Spezifika dieser Tathandlungen eher als solche Auffassungen zum konkreten Gefahrerfolg, die auch überdurchschnittliche individuelle Erfolgsabwendungsfähigkeiten des Opfers berücksich-

440

Dazu ausführlich Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 189 ff.; zusammenfassend Roxin. AT 1, § 11 Rdnrn. 115 ff. 441 JA 1975, S. 783 ff., 797 442 AT 1, § 11 Rdnr. 117 443 Nachw. wie Fußn. zuvor; siehe auch Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 202; der darauf abstellt, daß von Gefahr gesprochen werden kann, wenn zur Vermeidung eines Schadens nicht gezielt in ein Geschehen eingegriffen werden kann. 444 Vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 87 re.Sp.

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

283

tigen wollen. 445 Vergegenwärtigt man, daß generelle Gemeingefährlichkeit durch die unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter präsumtiver Opfer bestimmt ist, 4 4 6 kann sich die Beurteilung eines aus einer solchen Handlung resultierenden konkreten Gefahrerfolges nicht an den individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten des konkreten Opfers orientieren. Wenn es - vereinfacht formuliert - jeden hätte treffen können, darf dem Täter nicht zugute kommen, daß das konkrete Opfer konnte, was jeder andere in der entsprechenden Tatsituation nicht gekonnt hätte. Die Ausrichtung des konkreten Gefahrerfolges an dem zufälligen Ausbleiben der Rechtsgutsverletzung und die Gleichsetzung des Zufalls mit solchen Rettungsursachen, auf deren Eingreifen nicht vertraut werden darf, kann keine völlig trennscharfen Kriterien für die Benennung solcher Umstände, auf die ein normativ berechtigtes Vertrauen des Täters nicht zu gründen ist, angeben. Der Verweis auf ihren durch den Täter nicht beherrschbaren Einsatz gibt zwar einen groben Anhalt für das mit den Umständen, auf deren Wirksamkeit nicht vertraut werden darf, Gemeinte, setzt aber voraus, daß festgelegt ist, auf welche Rettungsursachen Tätervertrauen nicht begründet sein kann. Gerade in dieser Notwendigkeit normativer Festsetzung der berücksichtigungsfähigen bzw. der nicht berücksichtigungsfähigen Umstände liegt aber der Vorzug der sog. „normativen Gefahrerfolgstheorie" - nochmals: jedenfalls für den Teil konkreter Gefährdungsdelikte, denen generell (gemein)gefährliche Tathandlungen zugrundeliegen. Wertungsaspekte der Auswahl in die Feststellung eines konkreten Gefahrerfolges einzubeziehender tatsächlicher Gegebenheiten lassen sich entprechend dem zuvor Ausgeführten aus der Deliktsstruktur ableiten. Auf die Beispiele über die ausgeschlossene Berücksichtigung überdurchschnittlicher Erfolgsabwendungsfähigkeiten des konkreten Opfers sei verwiesen. Unterstellt bei den Tathandlungen des § 315 c Abs. 1 Nr.2 handele es sich um gemeingefährliche Verhaltensweisen, entlastete es den falsch überholenden Täter in dem bekannten Bergkuppen-Fallnicht, wenn der hinter der Kuppe entgegenkommende Fahrer mit seinem Fahrzeug nur deshalb eine Kollision vermeiden kann, weil der einmal Formel 1- Weltmeister gewesen ist, während es bei jedem anderen Fahrer zu einem Zusammenstoß gekommen wäre. Das Maß des Abstrahierens von überdurchschnittlichen individuellen und daher vom Täter (normativ) nicht erwartbaren Erfolgsabwendungsmöglichkeiten präsumtiver Opfer erfährt eine gewisse Präzisierung im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit des Brandstifters für Gesundheitsgefahren von Personen, 445 Etwa Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 223 ff.; Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 202, 212 mit Fußn. 26, für den es darauf ankommt, ob die Schadensrelevanz des Täterverhaltens durch faktisch verfügbare Mittel oder die vom Organisationsbereich, dem das Rechtsgut angehört, beanspruchbare Hilfe abgeschirmt werden kann (aaO., S. 212); faktisch verfügbar sind eben auch die überdurchschnittlichen Schadensabwehrfähigkeiten des Opfers. 446 Oben l.Kap.C.II.3.c.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

die, durch die Tat herausgefordert, als Retter und Brandbekämpfer tätig werden (dazu unten sub c.). Auch insoweit bleibt es dabei: überdurchschnittliche Möglichkeiten sind für den Täter nicht erwartbar, auf ihr Eingreifen darf er normativ nicht berechtigterweise vertrauen. Aber das Maß dessen, was den unterschiedlichen Typen von Rettern durchschnittlich an Möglichkeiten und Fähigkeiten nicht nur zur Bekämpfung des Brandes, Rettung von Opfern etc., sondern auch zum Ausschluß einer Gefahr für die eigene Gesundheit zur Verfügung steht, ist höchst unterschiedlich. Begibt sich der Eigentümer eines Gebäudes (§ 306 Abs. 1 N r . l ) ohne besondere Schutzvorrichtungen in das bereits brennende Objekt, um wirtschaftlich wertvolle Gegenstände zu bergen, wird sich zumindest die nahe Möglichkeit einer Kohlenmonoxidvergiftung kaum ausschließen lassen. Unternimmt dagegen ein Feuerwehrmann ausgerüstet mit Atemschutzgerätschaften das gleiche Vorhaben, ist eine solche Gesundheitsbeeinträchtigung gerade nicht wahrscheinlich. 447 Auf derartige Unterschiede der Erfolgsabwendungsmöglichkeiten, die mit bestimmten Gruppen von Helfern/Rettern typischerweise verbunden sind, darf der Brandstifter vertrauen. Entscheidend ist, ob das Ausbleiben der Gesundheitsverletzung auf Umständen beruht, die erwartbar sind, weil sie den durchschnittlichen Fähigkeiten präsumtiver Opfer entsprechen. Der „durchschnittliche" Feuerwehrmann verfügt aufgrund Ausbildung und Ausrüstung über andere und überlegene Fähigkeiten zur Gefahrabschirmung als der unprofessionelle Helfer/Retter. Ist die Frage konkreter Gesundheitsgefahren für Angehörige dieser verschiedenen Typen zu beurteilen, darf der Täter etwa von einem durchschnittlich professionellen Eigenschutz eines Feuerwehrmannes ausgehen. Eine Kollision mit den Strukturprinzien generell gemeingefährlicher Tathandlungen besteht nicht. Die Auswahl berücksichtigungsfähiger Faktoren der Gefahrabschirmung bleibt daran orientiert, daß - es hätte ex ante jeden treffen können - überdurchschnittliche Fähigkeiten des Opfers nicht erwartbar sind. Kommen als „Gefährdungsobjekte" jedoch nicht allein solche Personen in Betracht, die sich bereits im Moment der Vornahme der Tathandlung in deren Gefahrenbereich befinden, sondern auch solche Personen, die erst durch die Tat zu einem Hineinbegeben in den Gefahrenbereich herausgefordert werden, darf nicht übersehen werden, daß zur Brandbekämpfung vornehmlich professionelle oder wenigstens semi-professionelle (freiwillige) Feuerwehren zuständig sind. Deren gegenüber anderen Rettern und Helfern deutlich überlegene Gefahrbekämpfungs- und Eigenschutzmöglichkeiten sind ein Faktum, das normativ nicht unberücksichtigt bleiben darf, wenn die Auswahl der bei der Bestimmung konkreter Gefahr berücksichtigungsfähigen Faktoren an dem Kriterium des normativ berechtigterweise Erwartbaren orientiert wird.

447

Vgl. auch Bernsmann, Festschrift für Blau, S. 23, 38 ff., 46.

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

285

b) Ursachen konkreter Gesundheitsgefahr Der Wortlaut des § 306 a Abs. 2 stellt unmißverständlich auf die Ausführung der Tat, sei es in Gestalt der Brandlegung mit der Folge der Zerstörung des Objekts, sei es in Gestalt dessen Inbrandsetzen, als Ursache der eingetretenen Gesundheitsgefahr ab. Durch die Erweiterung der Tathandlungen um die Brandlegung 448 ist als Quelle der Gesundheitsgefahr das Verhalten des Täters mit dem er bestrebt ist, einen Brand in oder an dem Tatobjekt zu verursachen, einbezogen. D.h. entsprechend der Intention des Reformgesetzgebers ist das Unternehmen, zum Zwecke des Hervorrufens eines Brandes den benötigten Zündstoff zu entzünden,449 mögliche Ursache des konkreten Gefahrerfolges. In den Konstellationen der Brandlegung hängt trotz Eintritts konkreter Gesundheitsgefahr (ein Passant mag durch die vom Täter unerwartete Explosion eines Benzin-Lufi-Gemisches verletzt worden sein; ein Brand in oder an dem als Tatobjekt vorgesehenen Gebäude entsteht nicht) die Tatbestandsmäßigkeit gemäß § 306 a Abs. 2 zusätzlich von der Bewirkung einer wenigstens partiellen Zerstörung des Tatobjekts ab. Die Wirkung der Tathandlung am Tatobjekt (Zerstörung etc.) braucht dabei nicht die Ursache der konkreten Gesundheitsgefahr zu sein. Durch die Zerstörung des Objekts verursachte Gesundheitsgefahr ist hinreichende aber nicht notwendige Voraussetzung. Die Ursächlichkeit der Tathandlung (Brandlegung/Inbrandsetzen) für die Schaffung eines Zustandes konkreter Gesundheitsgefahr reicht gleichfalls hin. § 306 a Abs. 2 ist stets anwendbar, wenn eine konkrete Gesundheitsgefahr gegenüber solchen Personen geschaffen wird, die sich im Zeitpunkt der Ausführung der generell gemeingefährlichen Tathandlung bereits in deren Einwirkungsbereich befinden. Intendiert der Brandstifter etwa die Zerstörung eines Polizeiwagens (§ 306 Abs. 1 Nr.4) durch das Hineinwerfen eines sog. Molotowcocktails und betätigt diesen Entschluß, obwohl sich Polizeibeamte in dem Fahrzeug aufhalten, ist die Bewirkung einer konkreten Gesundheitsgefahr eindeutig. Allgemeine Grundsätze über die Bedingungen konkreter Rechtsgutsgefahr in der Fallgestaltung des Vorhandenseins von Rechtsgutsträgern im Wirkbereich der Tathandlung bei deren Vornahme lassen sich angesichts der höchst unterschiedlichen gegenständlichen Zusammensetzung der Tatobjekte des § 306 Abs. 1 kaum formulieren. Anders als in dem Fall des gegen das Polizeifahrzeug gerichteten Brandsatzes ist der Brandsatzangriff gegen eine Polizeiwache nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefahr für die sich dort - in zeitlicher Hinsicht unüblich (ansonsten § 306 a Abs. 1 Nr.3) 4 5 0 - aufhaltenden Beamten 448

Zum Verständnis der Brandlegung oben 2.Kap.A.II.2.c. Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 69 li.Sp. (Bundesrat); BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp. (Rechtsausschuß des Bundestages). 450 Zum Verhältnis der von § 306 a Abs. 1 zu § 306 a Abs. 2 siehe unten 4.Kap.D. 449

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

verbunden. Ob das Ausbleiben einer Gesundheitsverletzung in der entsprechenden Tatsituation in dem oben (sub a) skizzierten Sinne zufällig war, kann auf der Grundlage der hier angebotenen Formel zur Bestimmung konkreter Gefahr ausschließlich anhand der konkreten Verhältnisse der Tat beurteilt werden. Als Stichworte für die maßgeblichen Faktoren im genannten Beispiel mögen die bauliche Beschaffenheit des Tatobjekts, die aktuell zur Brandbekämpfung zur Verfügung stehenden Mittel, der Ort der Einwirkung des Brandsatzes im Gebäude in Relation zum Ort des Aufenthaltes der Beamten innerhalb des betroffenen Gebäudes genügen. Ist der Eintritt konkreter Gesundheitsgefahr bei Personen, die sich im Zeitpunkt der Tathandlung in deren Wirkbereich befinden, ungeachtet der Schwierigkeiten der Bestimmung des konkreter Gefahrerfolges im Einzelfall dem Anwendungsbereich des § 306 a Abs. 2 ohne weiteres zuzuordnen, erscheint die Zugehörigkeit von Gesundheitsgefahren bei Personen, die erst nach der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung den von dieser hervorgerufenen Wirkungen ausgesetzt sind, weniger gesichert. Die Fragestellung ist von erheblichem praktischen Interesse im Hinblick auf die Gesundheitsgefahren, die möglicherweise Feuerwehrleuten oder anderen Helfern im Brandfall bei der Bekämpfung des Brandes oder Feuers drohen. Dabei geht es nicht um die Klärung, ob die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Brandstifters für etwaig eingetretene Gesundheitsgefahren unter dem Aspekt einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Retters oder Helfers ausgeschlossen sein kann, 451 sondern um die vorrangig zu beantwortende Frage, ob solcherlei Gefahrerfolge von dem Tatbestand des § 306 a Abs. 2 unabhängig von den Konsequenzen ggf. rechtlich relevanten Selbstgefährdung erfaßt sind. Nach dem Wortlaut ist es nicht ausgeschlossen, jede im Sinne der conditio-Formel mit der Ausführung der Tathandlung verknüpfte konkrete Gesundheitsgefahr unter den Tatbestand zu subsumieren. So könnte etwa die durch ein mit hoher Geschwindigkeit zum Einsatz fahrendes Löschfahrzeug bewirkte konkrete Gesundheitsgefahr eines Passanten weit ab vom Brandort die Strafbarkeit des Brandstifters an einem Gebäude iSv. § 306 Abs. 1 N r . l , dessen Tat den Löscheinsatz veranlaßt hat, wegen schwerer Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 2 begründen. Ohne seine Tat hätte es die für den Passanten gefährliche Fahrt nicht gegeben. Entsprechende Situationen lassen sich selbstverständlich nach dem Ende des Einsatzes denken. So mag es unverschuldet zu einem Unfall des Löschfahrzeugs kommen, aufgrund dessen die mitfahrenden Feuerwehrleute in ihrer körperlichen Integrität konkret gefährdet sind. Ebenso könnte ein durch den Brand angelockter „Gaffer" auf dem von der Feuerwehr verwendeten Löschschaum ausgleiten und eine Beeinträchtigung seiner Gesundheit zu gewärtigen haben. Die kuriosen Beispiele, die sich beliebig vermehren ließen, verdeutlichen eines: nicht jeder im genannten Sinne mit

451

Darauf ist sogleich noch einzugehen; unten C.

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

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der Brandstiftung in ursächlichem Zusammenhang stehende konkrete Gefahrerfolg kann die Strafbarkeit gemäß § 306 a Abs. 2 auslösen. Es bedarf, um ein der angedrohten Mindeststrafe annährend entsprechendes Unrecht zu verwirklichen, eines Kriteriums mittels dessen der Kreis berücksichtigungsfähiger Ursachen des Gefahrerfolges beschränkt werden kann. Bei dem gesuchten Kriterium handelt es sich um den sog. Unmittelbarkeitszusammenhang oder spezifischen Gefahrzusammenhang wie er von den erfolgsqualifizierten Delikten her bekannt ist. 4 5 2 Die dogmatische Einordnung dieses Gefahrzusammenhanges als eigener Zurechungstopos für die spezielle Tatbestandstypik des erfolgsqualifizierten Delikts sowie seine Notwendigkeit als die Zurechenbarkeit der schweren Folge begründender eigenständiger Aspekt mag weiterhin umstritten; seine Details mögen nicht vollständig geklärt sein. 453 Als begrifflich einigermaßen exakte Beschreibung der Bedingungen, unter denen ein gegenüber der einfachen Brandstiftung aufgrund der geschaffenen Gesundheitsgefahr gesteigertes Unrecht durch den Brandstifter verwirklicht worden ist, taugt das Kriterium des spezifischen Gefahrzusammenhanges jedoch allemal. Ursachen einer konkreten Gesundheitsgefahr iSv. § 306 a Abs. 2 können lediglich solche Faktoren sein, in denen sich die spezifische mit der Verwendung des Tatmittels Feuer - unter den im jeweiligen Tatbestand festgelegten Bedingungen seiner Anwendung - verbundene entweder unmittelbar auf das Rechtsgut Gesundheit wirkende Gefährlichkeit oder die über die Einwirkung auf das Tatobjekt vermittelte Gefährlichkeit der Vornahme der Tathandlung für das Rechtsgut verwirklicht. 454 Beide Aspekte des brandspezifischen Zusam-

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Dazu Cramer , in: Schönke/Schröder, § 18 Rdnr. 4; Sowada, Jura 1994, S. 643, 645 f. jeweils m. zahlr. Nachw.; entgegen der von Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 148 ff. entwickelten Auffassung soll an dem Kriterium des spezifischen Gefahrzusammenhanges festgehalten und dieses nicht durch allgemeine Lehren der objektiven Zurechnung ersetzt werden. Kritisch zum Unmittelbarkeitszusammenhang bzw. zum Element der Realisierung der spezifischen Gefahr auch Altenhain, GA 1996, S. 19, 30 der stattdessen darauf abstellen will, daß die Vollendung des Grunddelikts notwendiges Durchgangsstadium der schweren Folge ist. 453 Nachw. wie Fußn. zuvor. 454 Für einen Teil der im vorstehenden Absatz gebildeten Beispielsfälle ließe sich eine akzeptable, nämlich die Verantwortlichkeit des Brandstifters ausschließende Lösung wohl auch unter einem anderen Gesichtspunkt begründen. So stellt vor allem Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 488 ff. im Zusammenhang mit den Bedingungen einer strafrechtlichen Mißbilligung von Verhaltensweisen, die riskante Rettungsaktionen initieren, u.a. auch auf die Höhe des geschaffenen Risikos ab (aaO., S. 488). Verhaltensweisen, die nichts weiter als eine eilige Einsatzfahrt auslösten, schafften kein strafrechtlich mißbilligtes Risiko. Zwar beschränkt sich die Vornahme einer Brandstiftung nicht auf die Schaffung eines solchen „nicht mißbilligten Risikos", weil Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit dem Löschen entstehen können etc. Läßt sich ein Zustand konkreter Gesundheitsgefahr etwa im Passanten-Fall oder im Unfall-Fall lediglich im Zu-

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

menhanges lassen sich durch Beispiele illustrieren. Unter der unmittelbar rechtsgutsbezogenen brandspezifischen Gefährlichkeit sind Wirkungsweisen zu verstehen wie etwa die drohende Gesundheitsbeeinträchtigung durch Explosion des Zündstoffs, durch Übergehen des Feuers/Brandes auf die Kleidung des Opfers mit der Gefahr des regelrechten Verbrennens des Opfers. Über das Tatöbjekt vermittelte für die Gesundheit gefährliche Verhaltensweisen sind beispielsweise drohende Gesundheitsschäden durch den Brand/ die brandbedingte Zerstörung des Tatobjekts (herabfallender Balken etc.) oder die Möglichkeit der Rauchvergiftung sowie der Bildung gesundheitsgefährlicher chemischer Verbindungen aufgrund der Beschaffenheit des Tatobjekts und seines Inventars (im weiten Sinne). In Bezug auf § 306 a Abs. 2 existiert eine praktisch wirksame Restriktion der Vorwerfbarkeit eingetretener Gefahrerfolge zusätzlich auf der Ebene subjektiver Zurechnung. Das Hervorrufen der konkreten Gesundheitsgefahr bedarf, um den in § 306 a vorgesehenen Strafrahmen zu eröffnen, eines auf den Erfolg gerichteten Vorsatzes (arg. § 306 d Abs. 1); dazu sogleich unten III. Regelmäßig wird, je entfernter der Zusammenhang zwischen Gefahrerfolg und Brandgeschehen ist, der Nachweis des Gefährdungsvorsatzes prozessual kaum zu erbringen sein. Der für fahrlässige Gefahrschaffung statuierte Strafrahmen in § 306 d Abs. 1 divergiert nicht dramatisch von dem des fahrlässigen Verletzungsdelikts (§ 229; § 230 a.F.), so daß es mit der vorgeschlagenen Restriktion über den brandspezifischen Gefahrzusammenhang sein Bewenden haben kann. c) Über sog. Retterschäden Die Schaffung zahlreicher Brandstraftatbestände mit unterschiedlichen konkreten Gefährdungsdelikten, Erfolgsqualifikationen und Gefahrerfolgsqualifikationen im Zuge des 6. StrRG beschert dem Brandstrafrecht ein diesem bisher unbekanntes dogmatisches Problem, die Verantwortlichkeit des Brandstifters für sog. Retterschäden. Der bislang allein eine Rechtsgutsverletzung als Tatbestandsmerkmal erfordernde § 307 Nr.l a.F. Schloß mittels seiner Tatzeit- und Tatortformel (zur Tatzeit im Tatobjekt anwesend) die Berücksichtigung von Retterschäden tatbestandlich aus. Retterschäden im Zusammenhang mit Brandstiftungen waren zwar für die strafgerichtliche Praxis seit jeher von Bedeutung. 455 BGHSt 39, 322 ist dafür ein beredtes Beispiel, das ein besonders

sammenhang mit der nicht mißbilligten Einsatzfahrt feststellen, ist der Brandstifter für diesen Erfolg aus den für Frisch, aaO., S. 488 f. maßgeblichen Gründen nicht verantwortlich. 455 Klaus Günther, StV 1995, S. 78, 79 m.w.N.; siehe auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 472 f.

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

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starkes literarisches Echo gefunden hat. 4 5 6 Sub specie Brandstrafrecht waren Retterschäden aber irrelevant. Diskutiert wurde vor allem zu § 222 mit einer Höchststrafe von fünf Jahren. Nach neuem Recht eröffnet ein Retterschaden in Gestalt des Todes eines Brandhelfers im Falle der Verantwortlichkeit (mindestens leichtfertig) des Brandstifters dafür fakultativ die Verhängung lebenslänglicher Freiheitsstrafe mindestens aber zehnjähriger Freiheitsstrafe (§ 306 c). 4 5 7 Das verleiht der Diskussion um die Verantwortlichkeit des Täters für Retterschäden im Zusammenhang mit der Begehung einer Brandstiftung eine neue und völlig andere Dimension. Die weithin befürwortete großzügige Zurechnung von Schädigungen sowohl zur Rettung Verpflichteter als auch zur Rettung nicht Verpflichteter 458 erscheint angesichts der drastischen Strafdrohung jedenfalls bei der Todeserfolgsqualifikation (§ 306 c) in einem anderen Licht. Bezüglich § 306 Abs. 2 ist diese neue Dimension der Verantwortlichkeit für Retterschäden allerdings nicht erreicht. Zum einen ist allein ein Schaden in Gestalt einer konkreten Gesundheitsgefahr relevant, der zudem vom Tätervorsatz umfaßt sein muß. Ein solches subjektives Korrektiv besteht bei § 306 c nicht (Leichtfertigkeit genügt). Zum anderen droht keine derart drakonische Sanktion. Bedenkt man jedoch, daß selbst bei fahrlässiger Gefahrschaffung für die Gesundheit (§ 306 d Abs. 1) durch einfache Brandstiftung (§ 306 Abs. 1) der gleiche Strafrahmen wie bei der fahrlässigen Tötung zur Verfügung steht, enthebt das Strafmaßargument selbst für § 306 a Abs. 2 (ggf. iVm. § 306 d Abs. 1) nicht der Notwendigkeit, eine Verantwortlichkeit des Brandstifters für konkrete Gesundheitsgefahren bei Rettern tendenziell restriktiv zu begründen. Die Zuweisung von Verantwortlichkeit für Gesundheitsgefahren von Rettern an den Brandstifter enthält zwei unterschiedliche Aspekte. Einerseits geht es um die Bedeutung der freiwilligen oder unfreiwilligen Selbstgefährdung des Retters, der durch die Brandstiftung zur letztendlich schadenträchtigen Rettung herausgefordert ist. Dieser Aspekt ist Gegenstand der allgemeinen Diskussion um Retterschäden 459 speziell und um die Selbstveranwortung des Opfers allge-

456 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit Alwart, NStZ 1994, S. 84; Amelung,, NStZ 1994, S. 338; Sowada, JZ 1994, S. 663 ff.; Klaus Günther, StV 1995, S. 78 ff.; Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775 ff.; Derksen, NJW 1995, S. 240 f.; Roxin, AT I, § 11 Rdnm. 100 f. 457 Die praktische Relevanz der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe aufgrund erfolgsqualifizierter Delikte tendiert in neuerer Zeit gegen Null; stat. Material bei Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 120 f. mit Fußn. 12. 458 Dazu unten den Abschnitt nach Fußn. 467. 459 Nachw. wie Fußn. 456. Umfassend zu Retterschäden Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 472 ff.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

mein. 460 Andererseits müssen die Retterschäden bereits bei der Feststellung des Vorliegens konkreter Rechtsgutsgefahr Berücksichtigung finden. Der Begriff „Retter" auch im Zusammenhang mit der Brandstiftung erfaßt eine kaum überschaubare Vielzahl unterschiedlichstêr Personen einerseits und nach generalisierenden Kriterien zusammenfaßbarer Personengruppen andererseits, die aus Anlaß der Brandstiftung zum Zwecke der Rettung oder Brandbekämpfung mit der Tat und ihrem Wirkbereich konfrontiert werden können. Wenn und soweit in den Wirkbereich geratene Personen diesen unterschiedlichen Personengruppen (etwa professionelle und nicht-professionelle Helfer) zugeschlagen werden können, finden die zwischen den Gruppen erheblich divergierenden Fähigkeiten zum Selbstschutz vor den möglichen gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkungen der Brandstiftung Berücksichtigung bei der Feststellung des Vorliegens konkreter Gesundheitsgefahr. 461 Läßt sich auf der Basis eines solchen modifizierten normativen Gefahrerfolgsbegriffs die Schaffung konkreter Gefahr für die Gesundheit von Rettern, d.h. von Personen die wegen der Tatbegehung zu einem Hineinbegeben in den Wirkbereich des Feuers/Brandes herausgefordert worden sind, feststellen, bleibt die weitere Frage, ob und in welchem Umfang der Brandstifter für die Gesundheitsgefahr sub specie § 306 a Abs. 2 (entsprechendes gilt für die Erfolgs- und Gefahrerfolgsqualifikationen des neuen Brandstrafrecht) verantwortlich ist. Die Frage überhaupt zu stellen, beruht auf der mittlerweile im Grundsatz allgemein akzeptierten die Täterhaftung für vorhersehbare 462 Schäden begrenzende eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers. 463 Man mag es als zynisch empfinden hinsichtlich Personen, die sich einer Brandsituation gegenüber gesehen und sich aus deren Anlaß in den Wirkbereich der gefährlichen Handlung begeben haben, von Eigenverantwortlichkeit oder gar Freiwilligkeit einer Selbstgefährdung zu sprechen. 464 Das Faktum, daß Fallgestaltungen existieren,

460 Dazu monographisch in jüngerer Zeit etwa Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht; Susanne Walther, Eigenverantwortlichkeit; Berksen, Handeln auf eigene Gefahr; Zaczyk, Strafrechtliches Unrecht; sowie Frisch, wie Fußn. zuvor. 461 Oben 2.Kap.D.II.2.a. am Ende. 462 Die Vorsatzstrafe aus § 306 a Abs. 2 wird selbstverständlich allein verwirkt, wenn der Eintritt konkreter Gesundheitsgefahr vom Tätervorsatz umfaßt ist (arg. § 306 d Abs. 1). Bei fahrlässiger Gefahrschaffung (§ 306 d Abs. 1) muß es sich um einen vorhersehbaren Gefahrerfolg handeln. 463 Siehe nur BGHSt 32, 262 ff.; Roxin, AT I, § 11 Rdnrn. 91 ff.; NK-Puppe, Vor § 13 Rdnrn. 160 ff. jeweils mit zahlr. Nachw. 464 So in der Tendenz etwa Amelung, NStZ 1994, S. 338, der dem Brandstifter letztlich vorwirft, den Retter in eine Lage versetzt zu haben, in der dieser sich zu einer - die Freiwilligkeit ausschließenden - Selbstgefährdung genötigt sieht; zum Nötigungsaspekt auch Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775, 779.

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

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in denen sich Menschen (auch) 465 anläßlich eines Brandes/Feuers dessen Gefährlichkeit, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein, 466 aussetzen, läßt sich jedoch kaum leugnen. Mindestens für diese Konstellationen ist der Gedanke, die ggf. eigenverantwortliche Selbstgefährdung zugunsten des Täters haftungsbegrenzend zu berücksichtigen, keineswegs zynisch, sondern drängt sich geradezu auf. Ob und inwieweit der Selbstgefährdungsaspekt auch bei Gefährdungen von zum Handeln Verpflichteter 467 , bezüglich derer er weniger naheliegen mag, trägt, stellt ein weiteres Problem dar. Mit der Differenzierung zwischen zur Rettung verpflichteten und nicht verpflichteten Opfern ist bereits ein hilfreiches Kriterium bei der Systematisierung des Meinungsstandes benannt. Mittels dieses Kriteriums lassen sich die Grundpositionen in der Diskussion um die Verantwortlichkeit des Täters für Retterschäden herausbilden. Dabei ist die Systematisierung dadurch erschwert, daß bereits die dogmatische Verortung der Verantwortlichkeit für Retterschäden nicht einheitlich beurteilt wird. Geht es darum, daß der eingetretene Gefahrerfolg ein durch die Brandstiftunghandlung hervorgebrachten Erfolg ist, bei dem in Bezug auf § 222 oder auch § 306 a Abs. 2 etc. zu entscheiden ist, ob er noch von der Reichweite des jeweiligen Tatbestandes erfaßt ist? 468 Oder geht es um

465 Die Bandbreite des Problems der Retterschäden oder Herausforderungsschäden reicht selbstverständlich über die Brandsituation als herausforderndes Ereignis hinaus. Hier werden die Überlegungen zu den Retterschäden jedoch auf die Brandstiftung beschränkt. Die noch vorzustellenden Überlegungen tragen jedoch auch in anderen Konstellationen. 466 Auch dafür ist der Sachverhalt aus BGHSt 39, 322 ein Beleg. Geht man davon aus, daß der später Getötete nicht ausschließbar auch zum Zwecke der Rettung seines Bruders in das brennende Gebäude zurückgekehrt ist und er als Garant im Grundsatz zur Lebensrettung verpflichtet war, reichte der Umfang seiner Garantenpflicht jedenfalls nicht soweit, daß er ein besonders hohes Risiko für sein eigenes Leben zur Wahrung einer faktisch minimalen Rettungschance einsetzen muß. Angesichts der knappen und nicht widerspruchsfreien Sachverhaltsangabe in BGHSt 39, 322 läßt sich konkrete Situation nicht völlig verläßlich beurteilen. Einerseits behauptet der BGH aaO. S. 326 die Rettungshandlung sei nicht offenkundig unvernünftig gewesen. Der im nachfolgenden Satz als Beleg für diese Behauptung angeführte Umstand, weitere Personen hätten - offenbar erfolglos - ebenfalls versucht, das Obergeschoß, in dem sich die zu Rettenden befanden, zu erreichen, weist jedoch eher in die entgegengesetzte Richtung (so auch Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 101). Es lag daher nicht fem, bereits eine physisch-reale Erfolgsabwendungsmöglichkeit für den ohne Schutzvorkehrungen agierenden Retter zu verneinen, jedenfalls war angesichts des enormen Eigenrisikos die Rettungshandlung jenseits des Zumutbaren und damit - wenn man denn die Zumutbarkeit bei unechten Unterlassungsdelikten (auch) als pflichtenbegrenzend ansieht (siehe Stree, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnm. 155 f.; ausführlich Vogel, Norm und Pflicht, S. 182 ff., der zwischen Zumutbarkeit auf der Unrechts- und der Schuldebene trennen will, aaO. S. 184 f.) - auch jenseits der Garantenpflicht angesiedelt. 467 Es kann sich um im strafrechtlichen Sinne Garantenpflichten, aber auch außerhalb solcher Pflichten um zivil- oder öffentlich-rechtlich begründete Pflichten handeln. 468 So der Ansatz von Roxin, AT I, § 11 Rdnm. 90 ff.

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

die Qualität der Brandstiftung als „tatbestandsmäßige mißbilligte Risikoschaffung'' im Sinne der Tötungs- bzw. Körperverletzungsdelikte oder Brandstiftungsdelikte, für die der Täter im Falle der Realisierung des Risikos in dem jeweils tatbestandlich vorausgesetzten Erfolg (Verletzung oder Gefährdung des jeweiligen Rechtsgutes) verantwortlich ist? 469 Unabhängig von dieser unterschiedlichen Fragestellung 470 lassen sich jedoch die Divergenzen hinsichtlich des Haftungsumfangs und der dafür maßgeblichen Kriterien einigermaßen verläßlich beurteilen. Überwiegend wird dem Täter die Verantwortlichkeit für Verletzungen (oder Gefährdungen) von Rechtsgütern des Retters zugeschrieben, wenn dieser in Verfolgung einer Rechtspflicht die im Ergebnis selbstschädigende Rettungsaktion ausgeführt hat. 471 Ein unbegrenztes Einstehenmüssen des Täters für Schäden verpflichteter Retter im Sinne des „versari in re illicita" ist mit dieser Position allerdings nicht verbunden. Strafrechtlich mißbilligt im Sinne Frischs' und damit die Zurechnung begründend sind allein solche Verhaltensweisen des Täters, die Rettungshandlungen „mit einigermaßen erheblichem konkretem Risiko notwendig machen". 472 Zudem genügen herausgeforderte Rettungsaktionen, die lediglich eine unerhebliche Steigerung des allgemeinen Lebensrisikos bedeuten nicht. 473 Für selbstschädigende Rettungsunternehmen von rechtlich dazu nicht verpflichteten Personen ist der Täter in Relation zu der soeben für die verpflichteten Retter skizzierten Auffasung lediglich eingeschränkt zuständig. 474 Da die Gemeinschaft auch an der Vornahme rechtlich nicht gebotener Rettunghandlungen ein Interesse habe und diese als wertvoll beurteile, müsse der Täter im Grundsatz zwar selbst für Schäden freiwilliger Retter einstehen.475 Die sozialethisch positive Bewertung rechtlich nicht gebotener Rettungsaktionen betreffe allerdings lediglich nach der Gesamtlage „vernünftige" Rettungsunternehmungen. 476 Auf einen solchen Vernunftsmaßstab rekurriert offenbar auch BGHSt 39, 322, 325 und 326, wenn dem Täter der Retterschaden bei „von vornherein 469

Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 472 ff. Anders als bei Klaus Günther, StV 1995, S. 78, 79 anklingt, lassen sich die Kriterien der Verantwortlichkeit des Täter für die Retterschäden unabhängig von der verschiedenen Fragestellung lösen. 471 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 474-481; siehe auch Cramer , in: Schönke/Schröder, § 15 Rdnr. 156 f.; Jescheck/Weigend, AT, § 28 IV.4.; Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 344 f.; Sowada, JZ 1994, S. 663, 665 (These 1) jeweils mit Nachw. 472 Frisch, aaO., S. 488; Hervorhebungen im Original. 473 aaO., S. 488, 490 474 Anders Jakobs, ZStW 89 (1977), S. 1, 33, der eine Einschränkung auf „vernünftige" (dazu sogleich im Haupttext) Rettungshandlungen nicht dazu Verpflichteter negiert. 475 Frisch, aaO., S. 484 476 aaO., S. 484 f. 470

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sinnlosen oder mit offensichtlich unverhältnismäßigen Wagnissen verbundenen" Rettungsversuchen nicht zugerechnet werden soll. 4 7 7 Entsprechend einer vom Bundesgerichtshof 478 verwendeten Formel soll eine Verantwortlichkeit (auch bei nicht verpflichteten Rettern) des Täters begründet sein, wenn dieser durch eine deliktische Handlung die naheliegende Möglichkeit einer Selbstgefährdung des Retters schafft, weil er eine erhebliche Gefahr für ein Rechtsgut des Retters oder ihm nahestehender Personen und damit ein „einsichtiges Motiv" selbst für gefährliche Rettungsmaßnahmen schafft. 479 Der Rückgriff auf das „einsichtige Motiv" bzw. die „vernünftige Rettungshandlung" dient offenbar als normatives Korrektiv, um die Handlungsweise des Retters einer Plausibilitätskontrolle des Rechtsanwenders unterwerfen zu können und die Verantwortlichkeit des Täters hinter dem groben Filter der Vorhersehbarkeit des Erfolges nicht ausufern zu lassen. Die zivilrechtliche Rechtsprechung zu den sog. Herausforderungsfällen hat dieses normative Korrektiv deutlicher zum Ausdruck gebracht, in dem darauf abgestellt wird, ob der Herausgeforderte sich herausgefordert fühlen durfte. 480 Zur Ausfüllung des normativen Vernunfls- oder Plausibilitätsmaßstabes, der über den Umfang der Zurechnung der eingetretenen Folge entscheidet, wird überwiegend auf eine am Vorbild des § 34 orientierte Abwägung zurückgegriffen. Gesichert ist für die Vertreter der referierten Auffassung, daß eine Erfolgszurechnung jedenfalls greife, wenn anhand des Wertverhältnisses und des konkreten Gefährdungsgrades der einander gegenüberstehenden Rechtsgüter der mit der Rettung verfolgte Rechtsgutserhaltungszweck sich gegenüber den durch die Rettung gefährdeten Rechtsgütern des Helfers als höherrangig erweist. 481 Weitergehend wird von einigen die Erfolgszurechnung bereits bei sich gleichwertig gegenüberstehenden Rettungschancen und Rettungsrisiken befürwortet. 4 8 2 Die Gegenposition mit einem umfänglichen Zurechnungsausschluß bei Schädigung rechtlich zur Rettung Verpflichteter vertritt vor allem Roxin. 483 Entsprechend seinem Ausgangspunkt, daß es bei dem angesprochenen Fragen477

Zustimmend Alwart, NStZ 1994, S. 84; Cramer , in: Schönke/Schröder, §15 Rdnr. 157 a.E.; der Sache nach auch NK-Puppe, Vor § 13 Rdnr. 168; Präzisierung des Vernunftmaßstabes bei Sowada, JZ 1994, S. 663, 666, der einen Zurechnungsausschluß bei einer der groben Fahrlässigkeit entsprehenden Obliegenheitsverletzung des Geschädigten annehmen will (etwa Eingehen eines hohen Lebensrisikos zur Rettung von Sachwerten); kritisch zum Vernunftmaßstab Amelung, NStZ 1994, S. 338. 478 BGHSt 39, 322, 325. 479 BGHSt, aaO.; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 15 Rdnr. 157 a.E. 480 Richtig Klaus Günther, StV 1995, S. 78, 80 mit Fußn. 15. 481 Etwa Rudolphi, in: SK-StGB, Vor § 1 Rdnr. 80 f. 482 Etwa Sowada, JZ 1994, S. 663, 665 f.; NK-Puppe, Vor § 13 Rdnr. 179. 483 in: Festschrift für Honig, S. 133, 142 f.; ders., in: Festschrift für Gallas, S. 241, 247 f.; zusammenfassend ders., AT 1, § 11 Rdnm. 111 ff., vor allem 113 f.; siehe auch Schünemann, JA 1975, S. 722.

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kreis um die Bestimmung der Reichweite des jeweiligen Tatbestandes gehe, 484 will Roxin die Verursachung solcher Erfolge (Retterschäden) aus dem jeweils einschlägigen Tatbestand ausnehmen, deren Verhinderung in den Verantwortungsbereich eines anderen gehört. Mit den für die Erfolgsabwendung Verantwortlichen sind diejenigen Retter/Helfer angesprochen, denen die Vornahme der Rettungshandlung rechtlich geboten ist. Nachdem Roxin zur Begründung seiner „radikalen Position" 485 zunächst darauf verwiesen hatte, daß es schließlich die Rechtsordnung selber sei, die dem verpflichteten Helfer/Retter mit der Statuierung der Hilfspflicht das Risikos einer Rechtsgutsbeeinträchtigung aufbürde und sie dieses vor ihr selbst geschaffene Risiko nicht auf den Veranlasser des Rettungseinsatzes abwälzen dürfe, 486 hat er in jüngerer Zeit andere Aspekte in den Vordergrund gerückt. 487 Neben den Schwierigkeiten der Abgrenzung innerhalb des pflichtgemäß Gebotenen liegender Risiken von überobligationsmäßigen und daher selbst bei grundsätzlich verpflichteten Helfern qua Selbstgefährdung zum Ausschluß der Haftung des Täters führenden Risiken nennt er die Freiwilligkeit des verpflichteten Retters bei der Übernahme der Stellung, aus der in concreto die Hilfspflicht herrührt. Kriminalpolitisch spreche gegen eine Haftung des Verursacher der Gefahr für Retterschäden, daß die Verantwortlichkeit des Täter - neben der in den hier interessierenden Fällen bestehenden Haftung für das den Rettungseinsatz herausfordernde Delikt - auch für die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der Hilfspflichtigen im Zuge der Hilfeleistung den Täter wegen des zusätzlichen Bestrafungsrisikos von dem an sich gebotenen (und im Hinblick auf bereits bedrohte Rechtsgüter solcher Personen, die sich schon im Wirkbereich der Tathandlung aufhalten, erwünschte) Herbeiholen von Hilfe abhalten könnte. Das weitere Argument, die in § 307 Nr.l (a.F.) auf bestimmte Opfer begrenzte Erfolgszurechnung sei ein Hinweis auf die Richtigkeit der Position, Rechtsgutsverletzungen von verpflichteten Rettern nicht dem Veranlasser zuzurechnen, 488 hat seine Überzeugungskraft wegen des Wegfalls dieser Restriktion im Zuge des 6. StrRG verloren. Rechtsgutsverletzungen im Zusammenhang mit durch deliktisches Handeln des Veranlassers ausgelösten Rettungs- oder Erfolgsabwendungshandlungen sind durch die Einschränkung der Freiheit des Retters und späteren Opfers gekennzeichnet, sich in der konkreten Situation auch gegen das Eingehen eines Risikos für eigene Rechtsgüter zum Zwecke der Rettung anderer, seien es eigene oder seien es fremde, Rechtsgüter entscheiden zu können. Die Freiheitseinbuße ist evident im Fall des zur Rettung bestimmter Rechtsgüter Verpflichteten.

484 485 486 487 488

Siehe oben Text bei Fußn. 468. Schünemann, JA 1975, S. 722. in: Festschrift für Gallas, S. 241, 247 f. AT1,§ 111 Rdnr. 113. Nachw. wie Fußn. zuvor.

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

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Sie ist aber auch bei nicht zur Rettung Verpflichteten vorhanden. Wer sich etwa als Eigentümer in sein vom Täter in Brand gesetztes Geschäftshaus begibt, um wirtschaftliche wertvolle, vielleicht existentielle Geschäftsunterlagen zu bergen, und dadurch in konkrete Gesundheitsgefahr gerät, hat selbstverständlich keine Pflicht zur Sicherung des eigenen Vermögens und Eigentums. Aber der Täter versetzt den Eigentümer in eine Handlungssituation, in der dieser entweder- im Fall der Nichtintervention - Vermögenseinbußen riskiert oder - im Fall der Intervention - ein (wenigstens) Gesundheitsrisiko eingeht. Das Versetztwerden in eine solche Situation, die eine Entscheidung für das wirtschaftliche Risiko und gegen das Gesundheitsrisiko oder umgekehrt „erzwingt", bedeutet eine Einschränkung von Freiheit. 489 Weniger deutlich ist die Freiheitseinbuße in Fallkonstellationen, in denen kein Handlungsdruck im Sinne des vorstehenden Beispiels erzeugt wird und auch keine Handlungspflicht im Sinne der ersten Fallgruppe besteht. Solche Konstellationen zum Stichwort Retterschäden werden häufig unter der Überschrift „zu riskanten Rettungshandlungen nicht verpflichtete Personen" 490 diskutiert. Damit können nicht Personen gemeint sein, die institutionell kraft Übernahme besonderer Schutzpflichten gegenüber der Allgemeinheit (Gedanke des § 35 Abs. 1 S.2) zur Gefahrenabwehr verpflichtet sind (Feuerwehrleute etc.). Und auch Personen, denen für die durch die Brandstiftung bedrohten Güter eine Beschützergarantenstellung zukommt, können kaum angesprochen sein. Denn sie trifft eine Pflicht zur Vornahme (in Grenzen) riskanter Rettungshandlungen.491 Berücksichtigt man, daß es ohnehin lediglich um Retterschäden von Personen gehen kann, die sich am Ort des Geschehens befinden, bleiben als „nicht Verpflichtete" vor allem diejenigen, denen eine Hilfspflicht lediglich im Rahmen von § 323 c zukommt. Allerdings können lediglich Rechtsgutsverletzungen/-gefährdungen dieses Personenkreises erfaßt sein, die durch die eventuell eigenverantwortliche Ausführung solcher Rettunghandlungen verursacht sind, deren Unterbleiben nicht über § 323 c sanktioniert wäre, mithin um Handlungen jenseits des Erforderlichen und Zumutbaren. 492 Anderenfalls - bei Schäden aufgrund von Rettungshandlungen, die iSv. § 323 c erforderlich und zumutbar waren - handelte es sich wiederum um zum Tätigwerden Verpflichtete. Eine Freiheitseinbuße durch die vom Täter verursachte

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Amelung, NStZ 1994, S. 338 spricht von einem Setzen unter „rechtswidrigen Handlungszwang". Das ist sprachlich vielleicht nicht geglückt, denn nicht der „Zwang" des Eigentümers zu handeln, ist rechtswidrig, sondern das Handeln des Täters, das diesen Zwang auslöst. 490 So Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 481. 491 Zur Pflichtbegrenzung wegen Unzumutbarkeit der Vornahme der rechtlich erwarteten Handlung oben Fußn. 466. 492 Für die echten Unterlassungsdelikte - anders als bei unechten Unterlassungsdelikte (Nachw. oben Fußn. 466) - ist die tatbestandseingrenzende Bedeutung der Unzumutbarkeit weitgehend unbestritten, ausführlich Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 90 ff.

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Situation kann bei diesem Personenkreis lediglich in der Schaffung einer Situation gesehen werden, in der sich der rechtlich nicht Verpflichtete ethisch in eine „Hilfspflicht" genommen fühlen mag. Entsprechendes gilt für die Kraft institutioneller Zuständigkeit oder Garantenstellung Verpflichteten, die ein Risiko jenseits des vom Recht von ihnen Geforderten eingehen. Ist die für die betroffenen Gruppen unterschiedlich ausgestaltete Freiheitseinbuße erkannt, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang der Brandstifter (der deliktische Veranlasser einer Rettungssituation allgemein) sub specie Brandstiftung und/oder Körperverletzungs-/Tötungsdelikte für die jeweils tatbestandlich vorausgesetzten Verletzungs· oder Gefahrerfolge verantwortlich einzustehen hat. Umgekehrt formuliert ist zu fragen, ob und in welchem Umfang die mit einer Rettungssituation Konfrontierten dem auf sie ausgeübten Zwang, eine für eigene Rechtsgüter gefährliche Rettungshandlung auszuführen, zu widerstehen haben. In dem Umfang, in dem sie rechtlich gehalten sind, dem Druck der Situation zu widerstehen, sich also gegen die Vornahme der übermäßig riskanten und im Ergebnis schadenstiftenden Rettungshandlungen zu entscheiden, greift eine Verantwortlichkeit des Täter für den eingetretenen Erfolg nicht Platz. Welches sind die Kriterien, nach denen sich bestimmt, in welchem Umfang von dem späteren Opfer verlangt wird, dem von der Rettungssituation ausgehenden Zwang zu widerstehen und sich gegen das Eingehen eines übermäßigen Risikos zu entscheiden? Oder mit anderen Worten: Unter welchen Voraussetzungen gelten die sich selbst Gefährdenden als frei bzw. eigenverantwortlich handelnd?. Die hierzu vertretenen Konzepte reichen von einer extremen Unfreiheitsvermutung 493 bis hin zu einer weitreichenden Freiheitsvermutung. 494 Dazwischen bewegen sich die bekannten und bereits referierten Positionen mit der Differenzierung zwischen verpflichteten und nicht verpflichteten Rettern, die bezüglicher der Letzteren einen Vernunfts- oder Plausibilitätsmaßstab durch Abwägung der Risiken und Wertigkeit der jeweils betroffenen Rechtsgüter u.ä. zur Bestimmung der Grenzen der Freiwilligkeit heranziehen wollen. 495 Die extreme Unfreiwilligkeitsvermutung will als unfreiwillig grundsätzlich jeden, der die Rettung eigener Güter intendiert, ansehen, wenn er das eine Rechtsgut lediglich durch Gefährdung eines anderen retten kann, „obgleich ihm die Rechtsordnung die ungefährdete Existenz beider Güter garantiert". 496 Ein Teil der Konsequenzen der extremen Unfreiwilligkeitsvermutung mag über die Vorhersehbarkeit des Erfolges für den Täter bei krassem Mißverhältnis zwischen dem mit der Rettung eingegangenen Risiko und dem objektiven Wert des zu rettenden Gutes sowie der Höhe der Chance der Rettung dieses Gutes aufgefangen

493 494 495 496

Etwa bei Amelung, NStZ 1994, S. 338. Etwa Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775, 779. Oben Text bei Fußn. 477. Amelung, NStZ 1994, S. 338.

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werden können. Selbst mit einer solchen Korrektur läßt sich aber die auf den „rechtswidrigen Handlungszwang" 497 abstellende Lösung nicht aufrechterhalten. Zwar präferiert Amelung zunächst richtig die Regeln des § 35 als Kriterium der Freiwilligkeit, 498 verliert aber durch die von ihm angestellte Kontrollüberlegung zu den Einwilligungsregeln als Maßstab der Freiwilligkeit die Anforderungen des § 35 aus den Augen. Als Entschuldigungsgrund für fremde Rechtsgüter beeinträchtigendes Täterhandeln priviligiert die Vorschrift nicht jedes auf Erhalt eigener Rechtsgüter oder der von nahestehenden Personen gerichtete Verhalten, sondern allein das Tätigwerden zum Zwecke der Erhaltung von Leben, Gesundheit und (Fortbewegungs)Freiheit. 499 Überträgt man den Gedanken des § 35, ausschließlich den von einer Gefahr für die genannten eigenen Güter oder denen von Sympathiepersonen ausgehenden Handlungsdruck normativ berechtigt nicht aushalten zu müssen, auf die Situation des Retterschadens, lassen sich erste feste Konturen der Freiwilligkeit und damit des Umfang der Verantwortlichkeit des Täters gewinnen. 500 Zwar wird nicht übersehen, daß § 35 im Grundsatz 501 eine Konfliktregelung für solche Konstellationen trifft, in denen die Gefahrenabwehr zugunsten eigener oder Sympathiepersonen zustehender Güter durch Eingriff in fremde Rechte erfolgt, im Falle der Retterschäden dagegen stets eigene Rechtsgüter des Agierenden zugunsten fremder oder eigener durch die Tat bedrohter Güter wenigstens im Sinne eines Risikoeingehens aufgeopfert werden. Die Konfliktlage bei den Retterschäden ist aber jedenfalls bei dem Handeln zugunsten eigener Güter oder denen von nahestehenden Personen derjenigen des direkten Regelungsbereichs des § 35 vergleichbar. Stets sieht sich der Handelnde vor die Wahl gestellt, ein ihm nahes Gut lediglich auf Kosten mindestens der Gefährdung eines anderen bewahren zu können. Der in § 35 497

Siehe oben Fußn. 489. Damit ist nicht gesagt, daß der Rückgriff auf §§ 19, 20, 35 StGB in sämtlichen Fallgestaltungen der Selbstgefährdung einen tauglichen und der Heranziehung der Einwilligungsregeln vorzuziehenden Maßstab bildet (zum Streitstand ausführlich Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 108 ff.). Aus den Gründen des nachstehenden Haupttextes bietet § 35 aber sachgerechte Kriterien für die Beurteilung der Freiwilligkeit von Selbstgefährdungen im Zusammenhang mit Retterschäden. 499 Die Beschränkung auf Fortbewegungsfreiheit entspricht der überwiegenden Auffassung; vgl. Lackner/Kühl, § 35 Rdnr. 3 m.w.N. Die teilweise erwogene Ausdehnung auf die sexuelle Selbstbestimmung ist im hier interessierenden Zusammenhang irrelevant. 500 Wie hier der Ansatz von Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775, 779; ähnlich auch Klaus Günther, StV 1995, S. 70, 80, der zwar nicht ausdrücklich auf den Rechtsgedanken von § 35 abstellt, aber die Möglichkeit einer fahrlässigen mittelbaren Täterschaft erwägt. Geht man davon aus, daß die Erzeugung eines § 35 entsprechenden Motivationsdrucks die Täterschaft des Hintermannes begründet (siehe nur Lackner/Kühl, § 25 Rdnr. 4), dürfte dies dem hier vorgestellten Ansatz sehr nahekommen. Vgl. auch Derksen, Handeln auf eigene Gefahr, S. 239 und S. 233. 501 Zu möglichen Ausnahmefällen siehe Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 35 Rdnr. 33. 498

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normierte Gedanke, Verständnis dafür zu zeigen, daß der Handelnde dem von der Bedrohung hochwertiger Güter ausgehenden Handlungsdruck nicht hat standzuhalten vermocht, wenn es um eigene Güter (Leben, Gesundheit, Freiheit) oder solche von ihm eng verbundenen Personen geht, paßt auch auf die Konstellation des Retterschadens. Die normative Festlegung des § 35, allein die Bedrohung bestimmter Güter bestimmter Personen bewirke eine gewisse Unfreiheit 502 des Täters, bietet auch für den Retter, der sich in Bezug auf die Bedrohung von Gütern einer entsprechenden Zwangslage ausgesetzt sieht, einen verläßlichen Maßstab für die Bewertung von Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit seiner Selbstgefährdung. (a) Handelt der Retter zur Bewahrung iSv. § 35 notstandsfähiger Rechtsgüter, die ihm selbst oder im nahestehender Personen zustehen, gilt er wegen der vom Täter verantworteten Zwangslage, das bedrohte Rechtsgut nur unter Eingehen eines Riskos für die eigenen Rechtsgüter Leben und Gesundheit, im Hinblick auf die Selbstgefährdung als unfrei. 503 Realisiert sich das unfrei eingegangene Risiko in dem jeweils tatbestandlich vorausgesetzten Gefährdungsoder Verletzungserfolg, ist der Täter/Brandstifter für den eingetretenen Erfolg sub specie Brandstiftungsdelikt und/oder Körperverletzungs-/Tötungsdelikt verantwortlich. Diese normative Festlegung erscheint auch psychologisch plausibel, dürfte es doch alltagspsychologischer Erfahrung entsprechen, daß Personen die sich einem hier allein interessierenden Brandszenario gegenübersehen, das eine Bedrohung für ihnen nahe Güter bewirkt, nicht nüchtern und überlegt, Chancen und Risiken einer Rettung abwägen, sondern eine Tendenz zu panikartiger Fehlreaktion existieren dürfte. 504 Eine Einschränkung der insoweit bestehenden Unfreiwilligkeitsvermutung mittels eines Vernunftmaßstabs durch Abwägung der Risiken und Wertigkeiten der betroffenen Rechtsgüter (etwa: Gleichwertigkeit der durch die Rettung eröffneten Chance für das bedrohte Rechtsgut und des eingegangenen Risikos) 505 findet grundsätzlich nicht statt. Entscheidend ist der von der Bedrohung der Güter ausgehende Motivationsdruck, der auf dem Retter lastet. Ob in Umkehrung der unspezifizierter Gefahr-

502 Überwiegendem Verständnis entspricht es bekanntlich, die Entschuldigungsgründe auf die Kumulation zweier Schuldminderungsgründe zurückzuführen, von denen einer die Unrechtsminderung auf der Grundlage des Prinzips des überwiegenden Interesses und der andere der von der Zwangslage des Täters ausgehende „übermächtige Motivationsdruck" ist; siehe nur Hirsch, in: LK, Vor § 32 Rdnr. 195; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§32 ff. Rdnr. 111 jeweils mit zahlr. Nachw; vgl. auch A.Radtke/HRadtke, ZevKR 42 (1997), S. 23, 52 ff.. Von einer gewissen Unfreiheit läßt sich sprechen, weil die psychische Zwangslage die Fähigkeit zu ausreichend normgemäßer Motivation zwar nicht aufhebt, aber doch beeinträchtigt. 503 Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775, 779. 504 Sowada,, JZ 1994, S. 663, 666. 505 Nachw. wie in Fußn. 481.

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tragungsregel des § 35 Abs. 1 S.2 Halbs. 1 5 0 6 in Fällen eines krassen Mißverhältnisses zwischen den durch die Rettungshandlung eröffneten Chancen für das bedrohte Gut und dem dazu notwendigen Risiko fiir Gesundheit und Leben des Retters (Bsp.: Zur Abwehr von drohenden nur geringfügigen Gesundheitsgefahren seines Bruders geht der Retter ein extrem hohes Risiko für das eigene Leben ein.) die Unfreiwilligkeitsvermutung als widerlegt anzusehen ist, kann dahinstehen. Die wegen der Beschränkung des Katalogs rettungsfähiger Güter ohnehin seltene Fallgestaltung eines krassen Mißverhältnisses in dem beschriebenen Sinn ist für die Zurechnung von Retterschäden bei den Erfolgs- und Gefahrerfolgsqualifikationen über den Ausschluß der objektiven Vorhersehbarkeit des Eintritts der schweren Folge sachgerecht zu erfassen. Inhaltlich ausfüllen läßt sich der Aspekt des krassen Mißverhältnisses mittels einer von Sowada 507 geprägten Formel, nach der eine Zurechnung des Erfolges entfällt, wenn „das Handeln des Geschädigten als eine der groben Fahrlässigkeit entsprechende Obliegenheitsverletzung erscheint." Auf der Grundlage der entwickelten Unfreiheitsvermutung bei Selbstgefährdung zur Rettung eigener und in § 35 diesen gleichgestellter Güter widerlegt eine derart grob eigensorgfaltswidrige Rettung allerdings nicht die Unfreiheitsvermutung, sondern schließt die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges aus. Sind die unter den Rechtsgedanken des § 35 fallenden Retter zugleich Garanten für die Güter, zu deren Bewahrung sie tätig werden, kommt es auf eine Grenzziehung des Pflichtenumfangs des Garanten unterhalb der genannten Schwelle des grob Eigensorgfaltswidrigen nicht an. Die von Roxin geäußerte und im Ansatz berechtigte Sorge, rechtlich Gebotenes nicht von dem Überobligationsmäßigen abgrenzen zu können, 508 besteht insoweit nicht. Nimmt der Garant Eigenschäden stiftende Rettungshandlungen jenseits des ihm rechtlich Gebotenen vor, gilt er als unfrei, wenn und soweit er zugunsten in § 35 als schutzwürdig benannter Rechtsgüter ihm nahestehender Personen agiert. Lediglich für grob eigensorgfaltswidrige Rettungsaktionen, die den tatbestandlich jeweils vorausgesetzten Erfolg gezeitigt haben, haftet der Täter mangels Voraussehbarkeit nicht. (b) Nach dem Konzept von Bernsmann und Zieschang 509 stellt die Unfreiheitsvermutung von Rettern in der Situation des § 35 den Ausnahmefall dar. Retter, die nicht zur Bewahrung eigener oder ihnen verbundener Personen zustehenden iSv. § 35 rettungswürdigen Gütern das Risiko der Selbstgefährdung 506

Keine Entschuldigung, wenn dem Täter nach den Umständen zuzumuten ist, die Gefahr hinzunehmen. Zu den unter diese Formel subsumierbaren Fallgruppen vor allem im Hinblick auf das Verhältnis zwischen dem Grad der Gefahr für das bedrohte Rechtsgut und den Chancen seiner Bewahrung unter Verletzung anderer Rechtsgüter siehe Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 35 Rdnrn. 33-34 a. 507 JZ 1995, S. 663, 666. 508 AT1,§ 11 Rdnr. 113. 509 JuS 1995, S. 778 f.

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eingehen, gelten unabhängig davon, ob sie aufgrund berufsbedingter Pflichten oder auf der Grundlage der Jedermann treffenden Hilfspflicht iSv. § 323 c tätig werden, als frei. 510 Im Ergebnis trifft sich ihre Position daher insoweit mit der oben referierten Roxinschen Auffassung, 511 die Verursachung von Rechtsgutsbeeinträchtigungen zur Rettung verpflichteter Personen dem Täter, der deliktisch den Rettungseinsatz (fahrlässig) herausgefordert hat, nicht zuzurechnen. Für solche Personen soll in Umkehrung des sub (a) Gesagten eine wohl allein in Extremsituationen widerlegbare Freiwilligkeitsvermutung gelten. 512 Die Vermu513 tung der Freiwilligkeit führen Bernsmann/Zieschang darauf zurück, daß dem angesprochenen Personenkreis der aus unterschiedlichen Gründen zur Rettung Verpflichteteten „in Ansehung des § 35" durch ihre Rettungspflicht kein freiheitsrelevanter Handlungsspielraum genommen werde. Diese Argumentation überzeugt jedoch deshalb nicht, weil den betroffenen Personen bezüglicher solcher - ex post betrachtet - schadenstiftender Rettungshandlungen, die sich bei Beurteilung ex ante innerhalb des Pflichtenkreises bewegen, 514 gar kein „freiheitsrelevanter Handlungsspielraum" zur Verfügung steht. Ist ex ante eine Rettungspflicht gegeben, existiert für den Verpflichteten allein die Alternative, dieser Pflicht nachzukommen oder sich (auch) 515 strafrechtlich pflichtwidriges Unterlassen vorwerfen lassen zu müssen. Schafft der Täter - wegen der ex antePerspektive der Bestimmung der Rettungspflichten für ihn erkennbar - eine Situation, die das Tätigwerden des Retters in Befolgung seiner Pflicht erfordert, besteht im Vergleich zu den sub (a) erörterten Konstellationen erst recht eine Vermutung für die Unfreiwilligkeit der Selbstgefährdung. Bei demjenigen, der in den beschriebenen Grenzen eigene Güter etc. durch selbstgefährdendes Handeln bewahren will, nimmt das Gesetz (Rechtsgedanke des § 35) Rücksicht auf den von der Bedrohungssituation ausgehenden Handlungsdruck. Wer zur Rettung verpflichtet ist, steht jedoch unter ungleich höherem Handlungsdruck. Ihm verbleibt innerhalb der Reichweite der Rettungspflicht allein eine rechtmäßige Verhaltensalternative, das riskante Tätigwerden zum Zwecke der Rettung. Bejaht man daher im Grundsatz die Verantwortlichkeit des Täters für Retterschäden infolge ex ante gebotener Rettungshandlungen, gleich aus welcher Quelle die jeweilige Rettungspflicht fließt, 516 verlagert sich die Problematik auf 510

Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775, 779. Nachw. wie Fußn. 483. 512 Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 113 argumentiert in diesen Zusammenhang allerdings nicht mit dem Aspekt der Eigenverantwortlichkeit der Selbstgefährdung, sondern mit dem der „Zuordnung zumfremden Verantwortungsbereich". 513 Nachw. wie Fußn. 509. 514 Siehe Derksen, NJW 1995, S. 240, 241. 515 Mögliche disziplinarrechtliche Konsequenzen bei Rettern, die in einer entsprechenden Pflichtenstellung stehen, bleiben außer Betracht. 516 Insoweit wie hier die in Fußn. 471 Genannten. 511

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die Ebene der Grenzziehung der Rettungspflichten. Daß sich auf dieser Ebene erhebliche Schwierigkeiten einer hinreichend exakten Trennung des Pflichtgemäßen und damit Zurechenbaren vom Überobligationsmäßigen ergeben, ist Roxin 5 1 7 zu konzedieren. Aber die damit aufgeworfenen Abgrenzungsfragen sind für die Garantenpflichten wie für die Jedermann treffende Hilfspflicht iSv. § 323 c im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit518 der jeweiligen Unterlassungsstrafbarkeit ohnehin zu beantworten und weitgehend bereits beantwortet worden. Das Tätigwerden eines Garanten wird überwiegend als nicht mehr zumutbar bewertet, wenn der Wert der Eigeninteressen, die der Garant zum Zwecke der Erfolgsabwendung einsetzen muß, dem Wert der bedrohten Güter entspricht. 519 In den Abwägungsvorgang der Wertigkeiten der jeweils betroffenen Rechtsgüter sind die faktischen Möglichkeiten, die Chancen des Garanten, das bedrohte Rechtsgut zu bewahren, einzubeziehen.520 Bestehen nur geringe Chancen, selbst ein hochwertiges Gut wie das Leben des Schützlings zu retten, besteht qua pflichtbegrenzender Unzumutbarkeit kein rechtliches Gebot für den Garanten, unter Gefährdung des eigenen Lebens mit Erfolgsabwendungstendenz tätig zu werden. Im Kern scheint mir für die Bestimmung des Pflichtenmaßes des Garanten anerkannt, daß eine konkrete Gefährdung des eigenen Lebens nicht rechtlich gefordert ist. 5 2 1 Soweit der Garant nicht über die Anwendung des Rechtsgedankens des § 35 (oben [a]) ohnehin als unfrei gilt, sind im Bereich der Brandstiftung mit unterschiedlich ausgestalteten rechtsgutsbezogenen Gefahr- oder Verletzungserfolgen kaum Fallgestaltungen vorstellbar, in denen die jeweils tatbestandlich geforderten Erfolge (Minimum: konkrete Gesundheitsgefahr in § 306 a Abs. 2) auf Rettungshandlungen beruhen, zu deren Vornahme der Garant verpflichtet war. Denn bei dem Umfang der Rettungspflicht ex ante muß berücksichtigt werden, daß der nicht qua Rettungsberuf verpflichtete Garant regelmäßig über keine effektiven Möglichkeiten und Fähigkeiten der Brandbekämpfung wie zur Rettung von Gütern sowie nicht über Einrichtungen zum Eigenschutz vor den Brandgefahren verfügt. Diese strukturellen Defizite des nicht professionellen Retters bestimmen unter dem Aspekt der Chancen der Erfolgsabwendung das Maß des pflichtgemäß Gebotenen mit. Im praktischen Ergebnis besteht daher typischerweise ein eher zu vernachlässigendes Quantum von Fallgestaltungen, in denen nicht professionelle, aber eine Garantenstellung innehabende Retter tatbestandlich relevante Rechtsgutsbeeinträchtigungen er-

517

A T 1 , § 11 Rdnr. 113. Auch für die unechten Unterlassungsdelikte, wenn die Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens als pflichtenbegrenzend angesehen wird; siehe oben Fußn. 466. 519 Lackner/Kühl, § 13 Rdnr. 5 a.E.; Stree, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rdnr. 156. 520 Siehe Loos, JR 1994, S. 511 f. 521 NK-Seelmann, § 13 Rdnr. 65. 518

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leiden, die auf Rettungshandlungen rückfuhrbar sind, die innerhalb des Pflichtenkreises liegen. Das gilt erst recht fur diejenigen Retter, die ausschließlich auf der Grundlage der allgemeinen Hilfspflicht nach Maßgabe des § 323 c im Brandfall helfend, aber mit der Folge des Eintritts eigener Gefährdung oder Verletzung tätig geworden sind. Setzt die Jedermann-Hilfspflicht ein wesentliches Überwiegen des zu bewahrenden Interesses in Relation zu dem durch die Hilfeleistung beeinträchtigten Interesse des Helfers voraus, 522 sind aus den im vorstehenden Absatzes genannten praktischen Erwägungen kaum Konstellationen denkbar, in denen eine Hilfspflicht existiert, deren Befolgung einen Gefahr- oder Verletzungserfolg bei dem als Jedermann Hilfspflichtigen herbeifuhrt. 523 Eine andere Betrachtung könnte sich für berufsmäßige Helfer ergeben, bezüglich derer als in einem „besonderen Rechtsverhältnis" Stehende § 35 Abs. 1 S.2 in der Notstandssituation eine erhöhte Gefahrtragungspflicht statuiert, selbst wenn eigene oder Sympathiepersonen zustehende Güter bedroht sind. Geht man entsprechend dem oben Gesagten524 von einer Übertragbarkeit des Rechtsgedankens des § 35 auf die Konstellationen der durch deliktische Verursachung einer Notsituation herausgeforderten Retterschäden aus, ließe sich - ungeachtet aller Schwierigkeiten das besondere Rechtsverhältnis näher zu bestimmen und ungeachtet von Zweifeln an der verfassungsrechtlich Zulässigkeit der Regelung - 5 2 5 der erhöhten Gefahrtragungspflicht entnehmen, daß in einem besonderen Rechtsverhältnis stehende Personen sich über das zu den Garanten 526 Ausgeführte hinaus bei der Rettung sogar konkreten Lebensrisiken aussetzen müssen. Einer entsprechend umfänglichen Bestimmung ihres Pflichtenkreises korrespondierte eine entsprechend umfängliche Haftung des Brandstifters für im Zuge der rechtlich gebotenen Rettung eingetretene Gefahr- und Verletzungserfolge. Als in einem besonderen Rechtsverhältnis stehende und damit zu erhöhter Gefahrtragung verpflichtete Personen lassen sich solche Personen erfassen, die „über eine gewöhnliche Garantenstellung hinausgehende berufliche oder berufsähnliche Schutzfunktion für andere wahrnehmen, die typischerweise mit erhöhter Gefahr für sie selbst verbunden ist". 5 2 7 Zu welchem Grad an Eigengefährdung ist aber der betroffene Personenkreis, wenn er denn einigermaßen verläß-

522

^Y.-Seelmann, § 13 Rdnr. 63. Insoweit übereinstimmend Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775, 779. 524 Text nach Fußn. 499. 525 Zu beidem ausführlich Bernsmann, in: Festschrift für Blau, S. 23, 38-48; vgl. auch Roxin, AT 1, § 22 Rdnm. 39 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 35 Rdnm. 22 ff.; Hirsch, in: LK, § 35 Rdnm. 53 ff. 526 Diejenigen, die iSv. § 35 in einem besonderen Rechtsverhältnis stehen, können selbstverständlich auch für bestimmte Rechtsgüter Obhutsgaranten sein. 527 Hirsch, in: LK, § 35 Rdnr. 53. 523

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lieh faßbar sein sollte, 528 verpflichtet? Gesichert ist, daß nichts verlangt werden kann, was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zum Tod des „Sonderpflichtigen" führt. 529 Dabei ist in die ex ante-Beurteilung dessen, was angesichts des besonderen Rechtsverhältnisses an Risiko hinzunehmen ist, zu berücksichtigen, daß die Gefahrtragungspflicht nach ganz überwiegender Auffassung allein berufsspezifische Risiken erfaßt. 530 Gerade innerhalb dieses Risikobereichs sind die entsprechenden Personen aufgrund Ausrüstung, Ausbildung und Erfahrung in einer über den nicht professionellen Helfer hinausgehenden Weise in der Lage, die Realisierung des Risikos zu vermeiden. 531 Diese geringere Anfälligkeit gegen die aus der Rettungssituation resultierende Gefährlichkeit wirkt sich nicht nur auf die Feststellung eines Zustandes konkreter Gesundheitsgefahr aus, 532 sondern wirkt sich in Relation zum nicht professionellen Helfer auch auf den Kreis der innerhalb der Pflicht liegenden Handlungen aus. Nicht verschoben ist dagegen das Maß der einzugehenden Pflichten. 533 D.h. Rettungshandlungen, zu denen der nicht in einem besonderen Rechtsverhältnis stehende Garant nicht verpflichtet wäre, weil für ihn die Handlung aus der Sichtweise ex ante zu einer konkreten Lebensgefährdung führen würde, zu denen kann der professionelle in einem besonderen Rechtverhältnis iSv. § 35 stehende Retter verpflichtet sein. Er kann deshalb dazu verpflichtet sein, weil die entsprechende Rettungshandlung für ihn unter Berücksichtigung seiner besseren Möglichkeiten zur Bewahrung des bedrohten Guts einerseits und seinen erhöhten Möglichkeiten zum Selbstschutz nicht mit einer konkreten Lebensgefahr verbunden ist. Müßte auch der professionelle Retter unter Berücksichtigung seiner erhöhten Selbstschutzmöglichkeiten eine konkrete Gefahr für sein Leben gewärtigen, ist auch für ihn die Grenze der Rettungspflicht erreicht. Rettungshandlungen jenseits des vorstehend skizzierten Pflichtenkreises sind eigenverantwortliche Selbstgefährdungen auch des professionellen Retters, für die der Täter weder sub specie Brandstrafrecht noch sub specie Körperverletzung oder Tötung haftet. (c) Die hier vorgeschlagenen tendenziell eng gesteckten Pflichten der unterschiedlichen sub (b) behandelten Rettergruppen, die jeweils bei drohender konkreter Lebensgefahr enden und für Jedermann-Helfer sogar ein wesentliches Überwiegen der bedrohten Interessen gegenüber den Interessen des Retters erfordern, eröffnen einen scheinbar weiten Raum für Konstellationen der Vornahme von Rettungshandlungen, die zwar rechtlich nicht gefordert sind, aber als 528

Zu Recht zweifelnd Bernsmann, Festschrift für Blau, S,23, 39-41. Roxin, AT 1, § 22 Rdnr. 41·. 530 Hirsch, in: LK, § 35 Rdnr. 55 m.w.N. 531 Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775, 779. 532 Siehe oben 2.Kap.D.II.2.a. 533 Insoweit wie hier Bernsmann/Zieschang, JuS 1995, S. 775, 779 allerdings auf einer anderen Grundlage als diese verpflichtete Retter hinsichtlich der Selbstgefährdung von vornherein als frei ansehen. 529

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sozial erwünscht, vernünftig o.ä. bewertet werden. 534 Bei diesen rechtlich nicht gebotenen Rettungshandlungen, die im Ergebnis Beeinträchtigungen des Retters bewirken, liegt der Schwerpunkt der Diskussion um die Haftung des Täters für Retterschäden. 535 Überwiegendem Verständnis nach haftet der Veranlasser der Rettungsaktion, wenn die gebotene Rettung als vernünftig erscheint, 536 wobei die für die Vernunft maßgeblichen Kriterien schwanken. Mittlerer Linie entspricht es hier, Vernunft noch bei Ausgeglichenheit von Chancen und Risiken der Rettung anzunehmen.537 Im Rahmen dieser Diskussion bleibt jedoch - wie bereits im Rahmen der Jedermann-Helfer angedeutet - 5 3 8 weitgehend ungeklärt, über welche tatsächlichen Konstellationen gesprochen wird. Bezieht man in die Abwägung der Chancen und Risiken die bei jeweils höchst unterschiedlichen Rettungs- und Selbstschutzmöglichkeiten der Retter aufgrund Ausbildung, Ausrüstung etc. ein, vermag ich mir kaum Sachverhalte vorzustellen, in denen eine Handlungspflicht, gleich auf welcher rechtlichen Grundlage, nicht (mehr) besteht, gleichwohl die Vornahme der Handlung aber noch vernünftig im Sinne der Chancen-Risiko-Abwägung sein soll. Läßt man einmal den hohen Alkoholisierungsgrad des Retters aus BGHSt 39, 322 5 3 9 außer Betracht, so bestand zum Zeitpunkt der Vornahme des Rettungsversuchs folgende Konstellation: Der im Obergeschoß gelegte Brand hatte sich bereits rasch ausgebreitet und zu einer erheblichen Rauchentwicklung geführt. 540 Will ein nicht ausgebildeter und nicht mit Brand- und Atemschutz ausgerüsteter Helfer in dieser Situation gerade in das Obergeschoß gelangen, um dort Menschen zu retten, liegt auf der Basis einer Abwägung der Chancen und Risiken entgegen BGHSt 39, 322, 326 evident eine unvernünftige Rettungshandlung vor. Nicht nur das Hineingehen in das brennende Gebäude ist auf der Seite des Risikos zu berücksichtigen, sondern auch die Gefahren die mit dem Rückzug aus dem Objekt bei einem sich fortentwickelnden Brand verbunden sind. Entsprechend erhöht sich wegen der unabgeschirmten Gefährlichkeit des Rückzugs auch die Rettungschance für das bedrohte Gut trotz der intendierten Rettungshandlung nur marginal. Jedenfalls für den Regelfall kann daher davon ausgegangen werden, daß bei einer Festlegung der Reichweite der jeweiligen Rettungspflichten, die einerseits die Möglichkeiten des Retters zur Rettung und andererseits seine Fähigkeiten zum 534

Siehe dazu Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 481 ff. Siehe die Nachw. oben Fußn. 456. 536 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 481, 483 ff. 537 Sowada, JZ 1994, S. 663, 665; NK-Pwppe, Vor § 13 Rdnr. 179; Rudolphi, in: SK-StGB, Vo § 1, Rdnr. 80 a. 538 Oben Text bei Fußn. 522. 539 Soweit ich sehe, besteht wegen der Alkoholisierung und der dadurch typischerweise reduzierten Einsicht in die drohenden Gefahren sowie die Überschätzung der eigenen Möglichkeiten für den konkreten Fall Einigkeit, daß der Tod des „Retters" dem Brandstifter sub specie § 222 zuzurechenen war; vgl. nur Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 101. 540 BGHSt 39, 322, 323. 535

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Selbstschutz ernsthaft berücksichtigt, kein Raum für eine „vernünftige" Rettungshandlung jenseits des rechtlich Gebotenen bleibt. Kommt es - außerhalb der sub (a) behandelten Fallgestaltungen der Unfreiwilligkeitsvermutung - zu Retterschäden infolge rechtlich nicht gebotener Rettungshandlungen, handeln die geschädigten Retter im Hinblick auf das eingegangene Risiko eigenverantwortlich. Für die Realisierung des freiwillig eingegangenen Risikos haftet der deliktische Veranlasser der die Rettung herausfordernden Situation nicht. (d) Vorausgesetzt ist bei den vorstehenden Überlegungen jeweils die Risikoeinsichtsfähigkeit der sich Gefährdenden. Fehlt es an der Erkenntnis des eingegangenen Risikos etwa aufgrund des jugendlichen Alters, Alkoholisierung etc. geht dies entsprechend den allgemeinen Regeln für die Eigenverantwortlichkeit der Selbstgefährdung grundsätzlich zu Lasten des Täters.

I I I . Brand- und Geföhrdungsvorsatz Die Strafrechtsreform „beschert" mit der Einführung einer schweren Brandstiftung als konkretes Gefährdungsdelikt dem Brandstrafrecht nicht nur die nach wie vor ungelösten Probleme der Bestimmung des konkreten Gefahrerfolges (oben II.2.a.), sondern erfordert für die vorsätzliche Begehung der Tat auch die Klärung der für einen auf die Schaffung eines konkreten Gefahrerfolges gerichteten Vorsatzes (Gefährdungsvorsatz) maßgeblichen Inhalte. Vorsatzstrafe aus § 306 a Abs. 2 verdient der Täter, der mit Brand- und Zerstörungsvorsatz Brand an ein Tatobjekt iSv. § 306 Abs. 1 anlegt oder ein solches vorsätzlich in Brand setzt und dadurch die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung herbeiführt. Die Suche nach den Inhalten eines auf die Schaffung konkreter Rechtsgutsgefahr gerichteten Vorsatzes (Gefährdungsvorsatz) führt in ein Gebiet der Strafrechtsdogmatik, das nach meiner Einschätzung zu den bisher am wenigstens erforschten gehört. 541 Eine ausführliche Untersuchung des Gefährdungsvorsatzes setzt eine umfassende Einbeziehung der Lehren zum Vorsatz insgesamt (vor allem zu begrifflichen und sachlichen Anforderungen des dolus eventualis) und der konkreten Gefährdungsdelikte in ihrer gesamten Breite voraus. Damit würde der Rahmen des hier gesteckten Untersuchungsgegenstandes jedoch weit überschritten. Die nachfolgenden knappen Bemerkungen sind daher lediglich skizzenhaft und beziehen sich allein auf den Vorsatz der Herbeiführung konkreter Rechtsgutsgefahr mittels Brandstiftung. Der Hinweis in der Begründung des RegE 6. StrRG, die Strafbarkeit aus § 306 Abs. 2 (in der Fassung des RegE; nunmehr der Sache nach § 306 a Abs. 2) setze voraus, daß der Täter

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Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 215 mit Fußn. 1 hält eine Abgrenzbarkeit von Verletzungs- und Gefährdungsvorsatz nicht für erforderlich. Allein der Tatbestand sei als jeweiliger Gegenstand der Tätervorstellung relevant. Radtke

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2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

„wenigstens mit bedingtem Vorsatz" eine konkrete Rechtsgutsgefahr geschaffen habe, 542 ist geradezu treuherzig. Ob der Gefährdungsvorsatz als bedingter denkbar ist oder nicht vielmehr mit dem (bedingten) Verletzungsvorsatz identisch ist, ist Teil der ungeklärten Fragen des Gefährdungsvorsatzes. Einen konkreten Gefahrerfolg führt herbei, wer infolge der Vornahme der verbotenen Tathandlung ein Rechtsgut/Rechtsgutsträger in eine Situation bringt, in der das Ausbleiben einer Verletzung des Rechtsguts/Rechtsgutsträgers auf tatsächlichen Umständen beruht, auf deren Eingreifen der Täter berechtigterweise nicht vertrauen darf (oben II.2.a.). Die Schaffung einer derartigen Situation ist Gegenstand des Gefährdungsvorsatzes. 543 Wer die (auch) durch ein konkretes Gefährdungsdelikt sanktionierte Tathandlung ausführt und dabei vorsätzlich in Bezug auf die Verletzung des Rechtsgutes handelt, verwirklicht (auch oder ausschließlich) das konkrete Gefährdungselikt vorsätzlich. Das ist einhellig anerkannt. 544 Ob der Täter vorsätzlich hinsichtlich der Schaffung konkreter Rechtsgutsgefahr handeln kann, ohne daß wenigstens die Möglichkeit der Verletzung des geschützten Rechtsguts/Rechtsgutsträgers vom Vorsatz umfaßt ist, steht im Streit. 545 Dabei kommt es für die sachgerechte Auflösung nicht darauf an, die begrifflichen Voraussetzungen von Verletzungs- und Gefährdungsvorsatz klar voneinander zu unterscheiden. Daß diese Unterscheidung möglich ist, hat Frisch aufgezeigt. 546 Wesentlich ist, zu klären, ob die Notwendigkeit einer Möglichkeitsvorstellung über den Eintritt einer Rechtsgutsverletzung aus dem auf Schaffung eines Zustandes konkreter Gefahr gerichteten Vorsatzes eliminiert werden kann. Namentlich Horn, der in Teilen der Literatur im Ergebnis Gefolgschaft gefunden hat, 5 4 7 setzt (wenigstens bedingten) Verletzungsvorsatz und Gefährdungsvorsatz als identisch. 548 Wer als Täter eine Handlung vornimmt, bei der er davon überzeugt ist, daß eine Verletzung eines Rechtsgutes entweder von vornherein nicht eintreten könne oder es ihm gelingen werde, deren Eintritt zu verhindern, stellt sich keine Situation vor, die den Anforderungen eines konkreten Gefahrerfolges entspricht. 549 Fehle eine solche Überzeugung, sieht der Täter mithin die Möglichkeit des Erfolgseintritts, handelt er nicht nur

542

BT-Drucks. 13/8587 S. 48 re.Sp. in Bezug § 306 Abs. 2 in der Fassung des RegE. Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 296. 544 Horn, in: SK-StGB,Vor § 306 Rdnr. 13. 545 Umfassende Nachweise zum Streitstand bei Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 70 Fußn. 18; siehe auch Jakobs, AT, 6/79 m. Fußn. 168. 546 Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 299. 547 Etwa Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 208 ff.; Ostendorf, JuS 1982, S. 428, 431. 548 Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 204 ff, 208 und ders., in: SK-StGB, Vor § 306 Rdnr. 13 f. 549 Nachw. wie Fußn. zuvor. 543

D. Schwere Brandstiftung bei konkreter Gesundheitsgefahr

307

mit Gefährdungsvorsatz, sondern auch mit Verletzungsvorsatz. 550 Diese (partielle) Gleichsetzung von Verletzungs- und Gefährdungsvorsatz erscheint auf der Grundlage der von Horn verwendeten Begriffsbestimmung des konkreten Gefahrerfolges, als eines - verkürzt formuliert - solchen Zustandes, in dem naturwissenschaftlich nicht erklärt werden kann, warum eine Rechtsgutsverletzung im konkreten Fall ausgeblieben ist, 5 5 1 plausibel. Was objektiv nicht als „Ursache" der Rettung des Rechtsgutes erklärt werden kann, kann nicht Gegenstand des Tätervorsatzes sein. Legt man die hier im Anschluß an Schünemann und Roxin vertretenen Anforderungen an den Eintritt konkreter Rechtsgutsgefahr zugrunde (oben II.2.a.), läßt sich jedoch ein anderes Ergebnis erzielen. Ist der lediglich zufällige Nichteintritt einer Rechtsgutsverletzung in tatsächlichen Umständen begründet, auf deren Eingreifen der Täter normativ berechtigt nicht vertrauen darf, so läßt die normative Festlegung der bei der Bewertung eines konkreten Gefahrerfolges relevanten Gegebenheiten offen, daß der Täter zwar das Nichtvorhandensein von Rettungsursachen, auf die er sein Vertrauen nicht gründen darf, nachvollzogen hat, er dennoch (normativ nicht berechtigt) aber auf Umstände gehofft hat, deren Eingreifen eine Rechtsgutsverletzung ausschließen. Wer als Brandstifter durch Brandlegung ein Tatobjekt iSv. § 306 Abs. 1 vorsätzlich zerstört oder dieses Inbrandsetzen, obwohl in unmittelbarer Nähe feuerempfängliche Wohngebäude stehen, in denen Menschen mindestens im Falle des Übergreifens des Brandes an der Gesundheit gefährdet werden können, mag darauf „vertrauen", im nächsten Moment werde die Windrichtung drehen und eine Übertragung des Feuers auf die aktuell bewohnten Gebäude verhindern. Eine solche Vorstellung könnte, wenn sie prozessual nicht widerlegbar sein sollte, bedingten Tötungsvorsatz hinsichtlich der sich in den Gebäuden aufhaltenden Menschen ausschließen. Der Vorsatz auf Schaffung eines Zustandes konkreter Gesundheitsgefahr ist dagegen nicht ausgeschlossen. Der Brandstifter darf auf die für ihn nicht beherrschbare nachträgliche Änderung der Windrichtung nicht berechtigt vertrauen. Frisch hat die Unterscheidung zwischen Verletzungsvorsatz und Vorsatz auf Herbeiführung konkreter Rechtsgutsgefahr in vergleichbarer Weise beschrieben: Selbst wenn der Täter die objektive Bewertung, eine „brenzlige Situation" für ein Rechtsgut geschaffen zu haben, nachvollzieht, ist damit nicht ausgeschlossen, daß der Täter ,/wr sich (Hervorhebung im Original), und sei es auch ganz irrational, auf einen guten Ausgang, die Auflösung dieser Situation ohne (Verletzungs-, H.R.)Erfolgseintritt vertraut". 552 Ein auf 550

Horn, aaO., Rdnr. 14. Horn, aaO., Rdnr. 6 f. 552 Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 298; ähnlich Jakobs, AT, 6/79, der - wie ich meine zu Recht - im Grundsatz davon ausgeht, daß Gefährdungsvorsatz und Verletzungsvorsatz regelmäßig identisch sind, eine Ausnahme aber zuläßt, wenn der Täter zwar das objektive Gefahrurteil kennt, ohne daß es für ihn selbst einsichtig ist. Der Sache nach 551

20*

308

2. Kapitel „Die schwere Brandstiftung"

die Herbeiführung konkreter Rechtsgutsgefahr gerichteter Vorsatz setzt daher einen (bedingten) Verletzungsvorsatz nicht notwendig voraus. Gefährdungsvorsatz weist der Täter bereits dann auf, wenn er das objektive Gefahrurteil über den konkreten Gefahrerfolg kennt und nachvollzieht. Im Regelfall wird dies mit einem (wenigstens bedingten) Verletzungsvorsatz zusammenfallen. Notwendig ist das nicht.

ebenso - grundlegend - BGHSt 22, 67, 73 ff.; BGHSt 26, 176, 178 jeweils für Polizeisperrenfälle. Im Ergebnis wie hier auch Joerden, Strukturen des Verantwortlichkeitsbegriffs, S. 150 ff.; Küpper, ZStW 100 (1988), S. 758, 768 ff. mit zahlr. Nachw. S. 769 Fußn. 47.

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen 44 Sieht man von der Einführung einer schweren Brandstiftung als konkretes Gefährdungsdelikt (§ 306 a Abs. 2) einmal ab, sind die Eingriffe in das bisherige Brandstrafrecht durch das 6. StrRG in keinem anderen Bereich so gewichtig wie bei den Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen. Reform tat hier vor allem im Hinblick auf die gravierende Sanktionsdrohung des § 307 a.F. Not. Dessen Strafrahmen mochte für die Erfolgsqualifikation des § 307 Nr.l a.F. - zumindest bei Leichtfertigkeit im Hinblick auf den qualifizierten Erfolg - 1 berechtigt gewesen sein. Aber bei § 307 Nr.2 a.F. und erst recht bei dem kuriosen § 307 Nr.3 a.F. ließ sich das drakonische Strafmaß kaum durchgängig mit einer entsprechenden Höhe des verwirklichten Unrechts begründen. Die Mindeststrafe alten Rechts von zehn Jahren Freiheitsstrafe hatte denn auch in Rechtsprechung und Literatur Bestrebungen ausgelöst, insbesondere § 307 Nr.2 a.F. tendenziell restriktiv auszulegen. Die Reform führt zu einer im Grundsatz begrüßenswerten Flexibilisierung der Strafzumessungsmöglichkeiten bei erschwerten Fällen der Brandstiftung. 2 Zustimmung verdient im Grundsatz auch, daß in § 306 c die seit langem in der Wissenschaft erhobene Forderung 3 umgesetzt wird, einen Strafrahmen, wie sie die genannte Vorschrift vorsieht (lebenslängliche oder mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe), lediglich bei leichtfertiger und nicht bei einfach fahrlässiger Erfolgsverursachung zu statuieren. Die Einführung des Merkmals der Leichtfertigkeit in § 306 c entspricht einem durchgängigem Bestreben des 6. StrRG bei Todeserfolgsqualifikationen in Bezug auf die schwere Folge stets Leichtfertigkeit zu verlangen. 4 Ob mit der Leichtfertigkeit aber tatsächlich eine im Hinblick auf das verwirklichte Unrecht ausreichende Restriktion der Zurechnung des Todeserfolges erreicht werden kann, darf bezweifelt werden. Das Kriterium der Leichtfertigkeit ist alles andere

1

Vgl. Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 133 f., 292. Siehe Radtke, Das Ende der Gemeingeföhrlichkeit?, S. 26 ff. in Bezug auf den Stand der Reform entsprechend dem ursprünglichen RegE. 3 Hirsch, GA 1972, S. 65, 77; Wolter, JuS 1981, S. 168, 178 mit Fußn. 151; bereits nach bisherigem Recht legten Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 133 f., 292 und Paeffgen, JZ 1989, S. 220, 224 f. sämtlichen durch den Todeserfolg qualifizierten Delikten das Erfordernis der Leichtfertigkeit bei. 4 Vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 79 - Gegenäußerung der Bundesregierung. 2

310

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

als eine „Zauberformel" zur Gewährleistung einer dem verwirklichten Unrecht angemessener Strafzumessung bei Todeserfolgsqualifikationen. 5 Ingesamt weitet das neue Recht die strafrechtliche Haftung aufgrund von Qualifikationen, Erfolgsqualifikationen und Gefahrerfolgsqualifikationen der Brandstiftung erheblich aus. Die Absenkung der bisherigen Mindeststrafe des § 307 a.F. in § 306 b (zwei bzw. fünf Jahre Freiheitsstrafe) kompensiert diese Ausweitung lediglich teilweise. Hervorstechenste Kennzeichen dieser Extension sind zum einen die Eröffnung der Möglichkeit durch die Begehung einer sog. einfachen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1/anders als früher § 308 a.F.) bei Verursachung bestimmter Verletzungs- oder konkreter Gefahrerfolge wegen besonders schwerer Brandstiftung mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren (§ 306 b Abs. 1) oder bei leichtfertiger Todesverursachung mit mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 306 c) belegt werden zu können. Zum anderen ist der Anwendungsbereich der Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306 c/§ 307 Nr.l a.F.) trotz der Einfügung des Leichtfertigkeitsmerkmals bei unveränderter Mindeststrafe von zehn Jahren durch die Aufhebung der Beschränkung des Kreises tauglicher Tatopfer (bei Beginn der Tat im Tatobjekt befindlich) massiv erweitert worden. Nimmt man eine Gesamtschau der beiden Aspekte der Extension der Anwendbarkeit vor, erhellt, daß nach neuem Recht die Brandstiftung an einem - dem Täter als solchem bekannten - nicht wohnlich genutzten fremden Gebäude bei leichtfertiger Todesverursachung etwa eines zu mutigen Helfers 6 bei der Brandbekämpfung eine mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe erzwingen kann; ein bislang in der deutschen Rechtstradition wohl einmaliger Fall einer derart drakonisch sanktionierten Sachbeschädigung mit Todesfolge. Selbst § 285 des preuß. StGB von 1851, der bei Eintritt des Todeserfolges durch den Brand die Todesstrafe vorsah, wies trotz des Fehlens einer Tatzeitformel iSv. § 307 Nr.l a.F. keinen derart umfänglichen Regelungsbereich auf. Denn im Gegensatz zu § 306 c des neuen Rechts kam als Grunddelikt richtigerweise lediglich die Brandstiftung an Objekten infrage, bei denen es sich jedenfalls zur Tatzeit um typische Aufenthaltsräumlichkeiten von Menschen handelte.7

A. Gesamtsystem der Qualifikationen Das durch das 6. StrRG geschaffene Brandstrafrecht sieht ein nach unterschiedlichen Mindeststrafen gestuftes System verschiedenartiger Qualifikatio5

Dazu unten 3.Kap.B.III. Zu den Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Brandstifters für Retterschäden unter dem Aspekt der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung oben 2.Kap.D.II.2.c. 7 Text des § 285 preuß. StGB oben l.Kap. Text vor Fußn. 198. 6

Α. Gesamtsystem der Qualifikationen

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nen, Erfolgs- und Gefahrerfolgsqualifikationen vor. Gravierend ist die Abweichung vom früheren Recht insoweit als die gesteigertes Unrecht und/oder gesteigerte Schuld enthaltenden Tatbestände der Brandstiftung nicht mehr allein auf der schweren Brandstiftung (§ 306 a) als Grundtatbestand aufbauen, sondern die einfache Brandstiftung (§ 306 Abs. 1) partiell (§ 306 b Abs. 1, § 306 c) als Grunddelikt einbeziehen. Anders als bisher ist die schwere Brandstiftung nicht mehr lediglich Grundtatbestand der Qualifikationen, sondern in § 306 a Abs. 2 ihrerseits Qualifikation des § 306 Abs. 1, die eine durch die Tatbegehung der einfachen Brandstiftung verursachte konkrete Gesundheitsgefahr voraussetzt (§ 306 a Abs. 2; dazu oben 2.Kap.B.II). Genügt für die Qualifikation des § 306 a Abs. 2 als qualifizierender Umstand die konkrete Gesundheitsgefahr, enthält § 306 b Abs. 1 als Qualifikation von § 306 Abs. 1 und § 306 a Abs. 1 insofern ein im Vergleich zu § 306 a Abs. 2 gesteigertes Erfolgsunrecht als eine schwere Gesundheitsschädigung eines Menschen oder einfache Gesundheitsschädigungen einer großen Zahl von Menschen bewirkt worden sein muß (dazu unten F.). Im Gegensatz zu § 306 a Abs. 2 bedarf es für § 306 b Abs. 1 stets eines auf die Gesundheitsverletzung gerichteten Vorsatzes. Eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination wie in § 306 d Abs. 1 (bzgl. § 306 a Abs. 2) enthält das Gesetz insoweit überraschenderweise nicht (arg.: Umkehrschluß aus § 306 d). Im Vergleich zu § 306 a Abs. 1 ist die Mindeststrafe in § 306 b Abs. 1 um ein Jahr auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht. In der Tatbestandsstruktur § 307 a.F. nachgebildet normiert § 306 b Abs. 2 bei einer Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe drei unterschiedliche und nicht auf ein einheitliches Unrechtssteigerungsmerkmal rückführbare Qualifikationen bzw. Gefahrerfolgsqualifikationen. Die einzelnen Merkmale sind an § 307 a.F. orientiert, erweitern aber durchgängig den Regelungsbereich in Relation zum bisherigen Recht. § 306 b Abs. 2 N r . l läßt die Verursachung konkreter Todesgefahr genügen. Abs. 2 Nr.2 löst sich von der in § 307 Nr.2 a.F. enthaltenen Beschränkung der Ermöglichungsabsicht auf einige wenige unrechtsschwere Folgetaten zugunsten der aus § 211 Abs. 2 3. Gruppe bekannten unspezifizierten Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht. In Übereinstimmung mit § 307 Nr.3 a.F. stellt Abs. 2 Nr.3 auf das Erschweren oder Verhindern des Löschens ab, enthält aber richtigerweise nicht mehr die wenig sachgerechte und in der Anwendung unsichere Begrenzung der Erschwerungsgründe auf das Unbrauchbarmachen bzw. Entfernen von Löschgerätschaften. 8 Abweichend von den übrigen Qualifikationen bzw. (Gefahr)Erfolgsqualifikationen baut § 306 b Abs. 2 lediglich auf § 306 a als Grundtatbestand auf. Da die Verweisung in § 306 b Abs. 2 jedoch nicht auf § 306 a Abs. 1 beschränkt ist, sondern sich auf § 306 a insgesamt bezieht, ist die Tatbegehung aus § 306 Abs. 1 dennoch ein-

8

Zu § 307 Nr.3 a.F. ausführlich Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten.

312

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

bezogen, wenn und soweit dadurch eine konkrete Gesundheitsgefahr geschaffen worden ist (§ 306 a Abs. 2). Eine solche Regelung mag hinsichtlich § 306 b Abs. 2 Nr.l noch eine gewisse Plausibilität aufweisen. Die konkrete Gesundheitsgefahr aus § 306 a Abs. 2 ist Durchgangsstadium der in § 306 b Abs. 2 Nr.2 geforderten Todesgefahr. Welchen sachlichen Grund es allerdings hat, das Eingreifen von § 306 b Abs. 2 Nrn. 2 und 3 im Zusammenhang mit der Tatbegehung gemäß § 306 Abs. 1 von dem Eintritt konkreter Gesundheitsgefahr abhängig zu machen, bleibt schwer nachvollziehbar. Ein Zusammenhang zwischen der Gesundheitsgefahr und den jeweiligen Unrechtssteigerungselementen in § 306 b Abs. 2 Nrn. 2 und 3 drängt sich jedenfalls nicht auf. Die Todeserfolgsqualifikation des §307 Nr.l a.F. lebt mit identischem Strafrahmen aber dem Wegfall der Tatopferrestriktion (zur Tatzeit im Tatobjekt befindlich) in § 306 c fort. In Bezug auf den Tod als schwere Folge muß der Brandstifter zumindest leichtfertig handeln. Hinsichtlich der Unrechtssteigerung von der konkreten Gesundheitsgefahr (§ 306 a Abs. 2) über die Gesundheitsverletzung (§ 306 b Abs. 1) bis hin zu der Gefahr (§ 306 b Abs. 2 N r . l ) und dem Eintritt des Todes (§ 306 c) vermittelt die Neugestaltung der erschwerten Fälle der Brandstiftung ein recht geschlossenes Bild einer abgestuften und dem jeweiligen Unrecht entsprechenden Strafzumessung. Die Qualifikationen in § 306 b Abs. 2 Nrn. 2 und 3 sind dagegen historisch gewachsen und das Festhalten an ihnen lediglich mit der Tradition zu erklären. Trotz dieser partiellen Geschlossenheit und Folgerichtigkeit des Qualifikationssystems ist die offene Flanke des Systems die Einbeziehung der einfachen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1) als Grundtatbestand der Brandstiftung mit Todesfolge. Die Herstellung der Kongruenz von Unrecht und Strafe bedarf in diesen Konstellationen einer deutlichen Restriktion des nach dem Wortlauts möglichen Regelungsbereichs, die über ein enges Verständnis des spezifischen Gefahrzusammenhanges, einer vorsichtigen Zurechnung von Retterschäden sowie über das bisherige Verständnis hinausgehende Anforderungen an die Leichtfertigkeit erreicht werden kann.

B. Brandstiftung und Todeserfolgsqualifikation Die durch den Tod eines Menschen erfolgsqualifizierte Brandstiftung ist mit allen Schwierigkeiten belastet, die die Besonderheiten dieses Deliktstypus der Strafrechtsdogmatik immer noch bereiten. Elementares Problem ist und bleibt die Bestimmung des erforderlichen Zusammenhanges zwischen Grunddelikt und schwerer Folge, die unter den Stichworten des Unmittelbarkeitszusammenhanges bzw. des spezifischen Gefahrzusammenhanges diskutiert

Β. Brandstiftung und Todeserfolgsqualifikation

313

wird, 9 sowie die sich um die Strafbarkeit des Versuchs erfolgsqualifizierter Delikte - sei es in Form des erfolgsqualifizierten Versuchs oder des Versuchs der Erfolgsqualifikation - rankenden Zweifelsfragen. 10 Die an die Realisierung der spezifischen Gefährlichkeit des Grunddelikts in der schweren Folge zu stellenden Anforderungen sind für § 306 c von erheblich höherem Gewicht als dies bei § 307 Nr.l a.F. der Fall war. Durch die dortige Beschränkung des Kreises tauglicher Opfer der schweren Folge auf Personen im Tatobjekt zur Tatzeit stellte das Gesetz im Ansatz bereits selbst einen die Realisierung der Gefährlichkeit der Tathandlung beschreibenden Zusammenhang zwischen Grunddelikt und qualifiziertem Erfolg her. 11 Schützte etwa § 306 Nr.2 a.F. (wie nunmehr § 306 a Abs. 1 N r . l ) Leben und Gesundheit von Menschen vor der Gefährlichkeit des Inbrandsetzens von/der Brandlegung an Wohngebäuden wegen der Unvorhersehbarkeit und Unüberschaubarkeit der (aktuellen) Anwesenheit von Menschen im Objekt, verwirklichte sich exakt diese generalisierend umschriebene Gefährlichkeit der Brandstiftunghandlung bei der zurechenbaren und aus der Brandstiftung resultierenden Verursachung des Todes eines im Objekt befindlichen Menschen. Diese tatbestandliche Ausformung des spezifischen Gefahrzusammenhanges fehlt § 306 c. Darüberhinaus steigern sich die Schwierigkeiten der inhaltlichen Konkretisierung des Gefahrzusammenhanges durch die Ausweitung des Kreises der Grunddelikte. Knüpfte § 307 Nr.l a.F. allein an § 306 a.F., der jedenfalls in den Nrn. 2. und 3 einen starken Bezug zwischen der Tathandlung und der generellen Gefährlichkeit für die geschützten Rechtsgüter aufwies, kann für § 306 c auch eine einfache Brandstiftung iSv. § 306 Abs. 1 Grunddelikt sein. Der auf bestimmte fremde Tatobjekte beschränkte Tatbestand enthält jedoch keinesfalls einen solchen starken Zusammenhang mit dem Rechtsgut Leben wie etwa § 306 a Abs. 1 Nr.l/§ 306 Nr.2 a.F., weil die Tatobjekte anders als in § 306 a Abs. 1 (Nrn.l und 3) nicht als Aufenthaltsorte von Menschen typisiert sind. Von einer spezifischen Gefährlichkeit der Begehung des Grunddelikts bezüglich des Lebens von Menschen kann daher generell unter diesem Aspekt kaum gesprochen werden. Erst unter Berücksichtigung der für Brandstiftung ohne Zweifel typischen Gefahr von Rechtsgutsbeeinträchtigungen von Rettern/Helfern (Feuerwehrleute etc.) 12 gewinnt der Gedanke des spezifischen Gefahrzusammenhanges bei der einfachen Brandstiftung als Grunddelikt des § 306 c eine gewisse Plausibilität. Allerdings sind im Zusammenhang mit Retterschäden die sich aus der Selbstgefährdung ergebenden Schranken der Verantwortlichkeit des

9

Nachw. wie oben 2.Kap. Fußn. 452. Überblick bei Cramer , in: Schönke/Schröder, § 18 Rdnrn. 8 ff. 11 Geppert, Jura 1989, S. 473, 475. 12 Oben 2.Kap.D.II.2.c. 10

314

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

Brandstifters zu berücksichtigen. 13 Vor diesem Hintergrund ist die Abkehr in § 306 c von der ursprünglichen Konzeption des Referentenentwurfs zum 6. StrRG, der in § 306 a S.l RefE Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren bei leichtfertiger Todesverursachung ohne Anwesenheit des Opfers im Tatobjekt und in S.2 Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bei Opfern innerhalb des Tatobjekts vorschlug, bedauerlich. I. Tathandlung und schwere Folge Historisch betrachtet schreitet § 306 c zurück. Die Eingrenzung des Opferkreises auf Personen mit Aufenthalt im Tatobjekt zur Tatzeit (§ 307 Nr. 1 a.F) war erst durch das RStGB Gesetz geworden und fand in den Strafgesetzbüchern der deutschen Länder vor der Reichsgründung keine Entsprechung. 14 § 285 des preuß. StGB sah die Todesstrafe vor, wenn ein Mensch durch den Brand das Leben verloren hatte. Die Formulierung „durch den Brand" war ihrerseits bereits als Beschränkung auf einen „unmittelbaren Zusammenhang"15 gegenüber der in anderen Gesetzbüchern gebräuchlichen Formel „in Folge des Brandes" gemeint. Der erforderliche unmittelbare Zusammenhang sollte etwa Fallgestaltungen der schweren Strafe entziehen, in denen eine Person durch eine Feuerspritze auf dem Weg zum Einsatz überrollt wurde oder während des Löschens durch Ertrinken beim Wasserholen zu Tode kam. Ebenso sollte die todesursächliche Erkältung, die von durchnäßter Kleidung des Retters beim Löschen herrührte, in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Brand stehen.16 Die Zusammenstellung der teilweise kuriosen Fallgestaltungen, die deutsche Strafgerichte im 19. Jahrhundert unter dem Aspekt einer - modern formuliert Brandstiftung mit Todesfolge zu entscheiden hatten, macht die Vorteile der in §307 Nr.l a.F. getroffenen Herstellung eines spezifischen Gefahrzusammenhanges durch Tatzeit- und Tatortkonkretisierung für eine Unrechts- und schuldangemessene Haftung des Brandstifters für den Todeserfolg deutlich. Die Rechtsfolge des § 285 preuß. StGB, Todesstrafe bereits bei unmittelbarem Zusammenhang zwischen Brand und Todeserfolg wurde zu Recht bei der Schaffung des StGB für den Norddeutschen Bund, dessen ursprünglicher Entwurf noch am preußischen Vorbild festhielt und „nur" die Todesstrafe durch lebenslängliches Zuchthaus ersetzte, 17 ohne weitere Einschränkung der Zurechnung

13

Oben 2.Kap.D.II.2.c. Siehe die Darstellung bei Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 48 ff. 15 Übereinstimmend Goltdammer, Die Materialien zum StGB für die preuß. Staaten, Teil II, S. 650 und Osenbrüggen, aaO., S. 51. 16 Osenbrüggen, aaO., S. 51. 17 Siehe John, Entwurf mit Motiven zu einem StGB f.d. Norddeutschen Bund, 1868, S. 611 und S. 615 ff 14

Β. Brandstiftung und Todeserfolgsqualifikation

315

des Erfolges als nicht sachgerecht angesehen.18 In der Entstehungsphase des RStGB ist die Frage der Begrenzung auf den Aufenthaltsort erneut diskutiert worden. 19 Mit § 307 Nr.l a.F. sollte die Anwendbarkeit der durch den Todeserfolg qualifizierten Brandstiftung in solchen Fällen ausgeschlossen werden, in denen eine Person beim Retten oder Löschen zu Tode kam. 20 Die Aufgabe der Tatopferbegrenzung durch § 306 c ist daher nicht überzeugend, weil die limitierende Funktion der Tatortklausel in § 307 Nr.l a.F. durch allgemeine Kriterien des spezifischen Gefahrzusammenhanges und der allgemeinen Lehren von der objektiven Zurechnung übernommen werden muß. Gerade weil diese allgemeinen Lehren der Erfolgszurechnung bei erfolgsqualifizierten Delikten keineswegs ausreichend dogmatisch geklärt sind, 21 bietet der Rückgriff auf diese keinen adäquaten Ersatz der Tatzeit-/Tatortkonkretisierung in § 307 Nr.l a.F. 7. Kausalität Die Ursächlichkeit der Brandstiftung für die eingetretene schwere Folge ist neben dem spezifischen Gefahrzusammenhang (unten 2.) Voraussetzung der Brandstiftung mit Todesfolge. Ursächlichkeit der Brandstiftung meint nicht allein, den Tod durch Verbrennen in den Flammen, sondern sämtliche Todesursachen, in denen sich die Gefährlichkeit der Brandstiftung für das Rechtsgut Leben in einem Verletzungserfolg realisiert. Typische Beispiele sind das Ersticken durch die Rauchentwicklung u.ä., das Erschlagenwerden durch Teile des Tatobjekts, aber auch der tödlich endende Sprung, um sich aus dem brennenden Gebäude zu retten. 22 Daß ein Ursachenzusammenhang zwischen der Brandstiftung und der schweren Folge als Strafbarkeitsvoraussetzung existieren muß, ist nach dem Wortlaut eindeutig. Durch den Wortlaut nicht zwingend entschieden ist, zwischen welchen Faktoren der Ursachenzusammenhang bestehen muß. So war bereits entsprechend dem Grundproblem erfolgsqualifizierter Delikte für § 307 Nr.l a.F. umstritten geblieben, ob Kausalität zwischen der auf das Bewirken der Tatvollendung angelegten Handlung des Grunddelikts und der schweren Folge genügte oder ob der Todeserfolg aus dem Erfolg, d.h. dem Inbrandsetzen des jeweiligen

18

Häberlin, Kritische Bemerkungen zum Entwurf eines StGB f.d. Norddeutschen Bund, S. 97, bei dem die Beschränkung auf Opfer, die sich zur Tatzeit im Tatobjekt aufhielten, bereits enthalten ist. 19 Schwarze, StGB f.d. Deutsche Reich, Anm. zu § 307 Nr.l mit Nachw. in Fußn. *; Rüdorff, StGB f.d. deutsche Reich, 4.Aufl., § 307 Anm.2; vgl. auch Schütze, GA 20 (1872), S. 350, 370 f. 20 Rüdorff, aaO., m.Nachw. 21 Sowada, JZ 1994, S. 643. 22 Allg. Meinung; Wolff, in: LK, 307 Rdnr. 4.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

Tatobjekts, selbst herrühren mußte, ob mit anderen Worten die schwere Folge durch den Brandstiftungserfolg hindurch verlaufen sein mußte.23 Die Beantwortung der Frage nach den Faktoren des Kausalzusammenhanges beantwortet die Frage nach der Möglichkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs mit. 2 4 Wenn die Ursächlichkeit des Erfolges des Grunddelikts Anwendungsvoraussetzung des entsprechenden erfolgsqualifizierten Delikts ist, steht die Konstellation des erfolgsqualifizierten Versuchs (Grunddelikt bleibt im Versuchsstadium stecken, schwere Folge tritt aufgrund der Versuchshandlung dennoch ein) nicht unter Strafe. Es mangelt am Kausalzusammenhang zwischen Vollendungserfolg des Grunddelikts und dem Eintritt der schweren Folge. Der Stand der Meinungen zu den Faktoren der Kausalität und der zur Versuchsstrafbarkeit aus § 307 Nr.l a.F. war recht unübersichtlich. Der Bezug zwischen beiden Problemstellungen 25 wurde nicht immer erkannt oder jedenfalls beim Problemaufriß nicht immer beachtet. Für die Bestimmung der maßgeblichen Faktoren des Ursachenzusammenhanges bei § 306 c ist der frühere Diskussionsstand noch von Interesse. Denn die Neugestaltung der Tathandlungen vor allem die Einführung der einem Unternehmensdelikt ähnlichen Brandlegung werden in ihrer Bedeutung erst vor dem Hintergrund des streitigen Anwendungsbereichs des § 307 Nr.l a.F. verständlich. 26 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit den beiden Leitentscheidungen BGHSt 7, 37 und BGHSt 20, 230 sowie weite Teile des Schriftttums 27 hielten § 307 Nr.l a.F. im Grundsatz bereits bei Todesursächlichkeit der zur Vollendung führenden Handlung für anwendbar. Divergenzen innerhalb dieser Position bestanden hinsichtlich der an die todesursächliche Brandhandlung zu stellenden Anforderungen. Während BGHSt 20, 230, 231 und ihm folgende Schriftsteller 28 im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift als Todesursache wenigstens einen Brand des zum Zwecke des Inbrandsetzens verwendeten Zündstoffs forderten, 29 begnügte sich die dissentierende (Teil-)Ansicht mit der Todesursächlichkeit der intendierten Brandstiftungshandlung auch dann, wenn es noch nicht einmal zu einem Brennen des Zündstoffs kam, sondern die schwere Folge aufgrund eines durch die

23 Siehe Ulsenheimer, GA 1966, S. 257, 272 f.; Hirsch, Festschrift für Oehler, S. 111, 130 f.; Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 235 ff.; Laubenthal, JZ 1987, S. 1065, 1067 f.; Sowada, Jura 1994, S. 643, 652. 24 Rengier, aaO., S. 242 f. 25 Wie Fußn. zuvor. 26 Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 70 li.Sp. - Stellungnahme des Bundesrates. 27 Etwa Horn, in: SK-StGB, § 307 Rdnr. 3; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 307 Rdnr. 5; Geppert, Jura 1989, S. 473, 476; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 50. 28 Geppert, aaO.; Welzel, Dt. Strafrecht, S. 454. 29 Wobei davon ausgegangen werden soll, daß die entsprechenden Autoren in der Lage sind, die Anforderungen an den Brand des Zündstoffs näher zu bestimmen.

Β. Brandstiftung und Todeserfolgsqualifikation

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Explosion des Zündstoffes ausgelösten Einstürzen des Hauses bewirkt worden war. 30 Gerade auch dieser durch BGHSt 20, 230, 231 bewirkte vermeintliche Wertungswiderspruch aufgrund der Differenzierung zwischen brennendem und lediglich explodierendem Zündstoff als Ursachen des Todes des Brandopfers waren Anlaß für den Bundesrat auf die Einführung der Tathandlung der Brandlegung zu drängen. 31 Mit dem Begriff der Brandlegung, verstanden als das Unternehmen der Verursachung eines Brandes in oder an dem Tatobjekt, sollen Verhaltensweisen, die allein wegen der betätigten Intention, einen Brand zu verursachen, nicht nur dem Regelungsbereich der Brandstiftung und der schweren Brandstiftung, sondern auch dem deren Erfolgs- und Gefahrerfolgsqualifikationen unterstellt werden. 32 Versteht man den Terminus der Brandlegung in dem hier vorgeschlagenen Sinn als Unternehmen der Verursachung eines Brandes und berücksichtigt weiterhin, daß abweichend vom früheren Recht („der Brand den Tod verursacht hat") nunmehr auf die Ursächlichkeit der Brandstiftung abgestellt wird, bleibt allein die Deutung, § 306 c läßt als Ursache des Todes die auf die vorsätzliche Herbeiführung eines Brandes gerichtete Handlung ausreichen. Auch wenn diese Handlung noch nicht einmal bis zum Brand des Zündstoffs geschweige denn zum Brand in oder an dem Tatobjekt gedeiht, ist die von einer entsprechenden Intention getragene Handlung hinreichende Bedingung des Todeserfolges. Einer solchen Verknüpfung von tauglichen Ursachen und Todeserfolg steht die Ausgestaltung der Tatbestände des jeweiligen Grunddelikts nicht entgegen. Zwar genügt die Vornahme der die Verursachung eines Brandes intendierenden Handlung allein nicht, um Vollendungsstrafe nach dem Grunddelikt auszulösen. Dafür muß ein auf das Tatobjekt bezogener Erfolg hinzutreten, der als dessen Inbrandsetzen bzw. dessen gänzliche oder teilweise Zerstörung beschrieben ist. Hält man aber aus den Gründen des vorstehenden Absatzes einen Kausalnexus zwischen Tathandlung des Grunddelikts und schwerer Folge bei der Todeserfolgsqualifikation für hinreichend, so gilt es, sich zu verdeutlichen, daß die Be30 Eindeutig Cramer , in: Schönke/Schröder, § 307 Rdnr. 5; insoweit nicht eindeutig Horn, in: SK-StGB, § 307 Rdnr. 3, dessen Position nicht völlig präzise zu bestimmen ist, weil Horn, aaO. BGHSt 20, 230 in einem Punkt mißversteht. Entgegen seiner Annahme wollte der BGH aaO. bei lediglich versuchtem Grunddelikt keineswegs zu einer Vollendungsstrafe aus §307 Nr.l a.F. gelangen. Das Landgericht hatte ausdrücklich lediglich wegen „versuchter (Hervorhebung H.R.) besonders schwerer Brandstiftung" verurteilt. Selbst die Versuchsstrafbarkeit aus § 307 Nr.l a.F. hatte der BGH aber verneint, weil ihm die Todesursächlichkeit der Explosion ohne Brennen des Zündstoffs nicht genügte. 31 BT-Drucks. 13/8587 S. 70 li.Sp. Buchstabe d. 32 Eindeutig die Stellungnahme des Bundesrates (Nachw. wie Fußn. zuvor); siehe auch den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages auf BT-Drucks. 13/9064 S. 22 li.Sp.).

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

dingungen der Vollendung des Grunddelikts keine Aussage über die Faktoren des genannten Kausalnexus bei der Erfolgsqualifikation treffen. Die von der Festlegung der Faktoren des Ursachenzusammenhanges zu trennende Frage lautet hinsichtlich des erfolgsqualifizierten Delikts, ob Vollendungsstrafe aus diesem lediglich verhängt werden kann, wenn - unabhängig von Ursache und Zeitpunkt des Todeserfolges - im Verlaufe des Tatgeschehens ursächlich auf die Tathandlung rückführbar Vollendung des Grunddelikts eingetreten ist. Unter denjenigen, die bereits zum alten Recht die Todesursächlichkeit der Brandstiftungshandlung genügen ließen, 33 bestand Einigkeit, daß Vollendungsstrafe aus dem erfolgsqualifizierten Delikt außer dem Eintritt der schweren Folge die Vollendung des Grunddelikts voraussetzte. 34 Das gilt auch für § 306 c. Wer nicht das volle Unrecht des Grunddelikts verwirklicht, ist nicht der Vollendungsstrafe der auf dem Grunddelikt aufbauenden Erfolgsqualifikation unterworfen. Knapp zusammengefaßt bedeutet das: Die Vollendung des Grunddelikts ist eine (natürlich) hinreichende aber keine notwendige Ursache der schweren Folge; allerdings ist die Vollendung des Grunddelikts notwendige Bedingung der Bestrafung wegen vollendeten erfolgsqualifizierten Delikts. Bleibt die Vollendung des Grundtatbestandes trotz Eintritts der schweren Folge aus, bewendet es bei der Bestrafung wegen erfolgsqualifierzierten Versuchs. 2. Spezifischer Gefahrzusammenhang Auch wenn die Zeit der Feuerspritzen 35 vorbei ist und Löschwassser üblicherweise nicht mehr aus Brunnen geholt zu werden pflegt, 36 sind die mit dem Unmittelbarkeitszusammenhang des § 285 preuß. StGB verbundenen Auslegungschwierigkeiten 37 der Brandstiftung mit Todesfolge wieder lebendig geworden. Die Aufgabe der den spezifischen Gefahrzusammenhang konkretisierenden Tatzeit-/Tatortformel des § 307 Nr.l a.F. erfordert die Suche nach Kriterien zur inhaltlichen Ausfüllung dieses Zusammenhanges, die die Funktion der genannten Formel in § 307 Nr.l a.F. für § 306 c übernehmen können. Wesentliche Inhalte des spezifischen Gefahrzusammenhanges haben sich bereits im Verlaufe der bisherigen Überlegungen ergeben. Entsprechend den vorstehenden (1.) Ausführungen zum Kausalnexus genügt die Realisierung der spezischen Gefährlichkeit der Tathandlung des jeweiligen Grunddelikts. Eine Vermittlung des Eintritts der schweren Folge über den Brand- bzw. Zerstörungserfolg am Tatobjekt ist zwar hinreichend, aber nicht 33 34 35 36 37

Nachw. oben Fußn. 27 und 30. Siehe Fußn. 30. Oben Text zwischen Fußn. 15 und 16. Wie Fußn. zuvor. Oben Text bei Fußn. 16.

Β. Brandstiftung und Todeserfolgsqualifikation

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notwendig. Als Opfer der brandstiftungsbedingten Tötung kommen bei Tatbegehung gemäß § 306 a Abs. 1 sowohl Personen in Betracht, die sich im Moment des Versuchsbeginns innerhalb des Tatobjekts aufhalten (Anwendungsbereich des § 307 Nr.l a.F.) als auch Personen, die zu diesem Zeitpunkt oder später innerhalb oder außerhalb des Tatobjekts in den Wirkbereich des Tatgeschehens geraten. Gegenüber diesem Personenkreis realisiert sich die spezifische Gefährlichkeit der Brandstiftung aber lediglich dann, wenn der Tod durch solche Wirkungen der Brandstiftungshandlung und/oder des tatobjektsbezogenen Branderfolges verursacht ist, die entweder unmittelbar auf das Rechtsgut Leben einwirken oder deren Wirkungsweise auf das Leben über die Wirkung der Brandstiftung am Tatobjekt vermittelt wird oder wenn der Tod darauf beruht, daß sich das Opfer gerade den beiden beschriebenen Folgen (unmittelbar/über das Tatobjekt vermittelt) der Tatausführung auf sein Leben entziehen will. 3 8 Während die ersten beiden Ursachenkomplexe die typischen Brandszenarien des Todeseintritts durch Verbrennen, Ersticken, Einwirkung von Teilen des Tatobjekts auf den Körper (Erschlagenwerden etc.) beschreiben, sind mit der letztgenannten Wendung die brandtypischen Fluchttoten (Sprung vom Dach, Abseilen an Bettlaken und dergleichen „klassische" Beispiele mehr) einbezogen. Im Falle der Tatbegehung jedenfalls an Wohn- und Aufenthaltsräumlichkeiten iSv. § 306 a Abs. 1 Nrn.l und 3 handelt es sich bei dem auf der Flucht vor dem Brand sich ereignenden Tod um eine mit den Spezifika der Wirkweise des Feuers zusammenhängende Erscheinung. Die den spezifischen Gefahrzusammenhang kennzeichnenden drei Ursachenkomplexe gelten bezüglich sämtlicher in Frage kommender Opfer, d.h. gegenüber solchen, die sich bereits im Moment des Versuchsbeginns im Wirkbereich der Tathandlung befindlichen wie auch der im Verlaufe des Geschehens in den Wirkbereich gelangenden. Mittels Festlegung der den spezifischen Gefahrzusammenhang abschließend konstituierenden Ursachenkomplexe können Sachverhaltskonstellationen, wie sie zu § 285 StGB diskutiert wurden 39 und wie sie hier bezüglich des Gefahrzusammenhanges bei § 306 a Abs. 2 angesprochen worden sind, 40 verläßlich aus dem Regelungsbereich der Brandstiftung mit Todesfolge verbannt werden. Die Möglichkeit, von einem zum Einsatz fahrenden Rettungs- der Löschfahrzeug überfahren und getötet zu werden, ist kein mit der auf das Rechtsgut Leben bezogenen (Gemein)Gefährlichkeit der Brandstiftung verbundenes Risiko, sondern Ausfluß des allgemeinen Lebensrisikos, das mit der Zulassung von Sonderrechten im Straßenverkehr bei Einsatzfahrten (§ 35 Abs. 1 und Abs. 5 a StVO) allgemein erhöht ist. Der Grund der Einsatzfahrt als solcher ist für das Maß dieses Risikos irrelevant.

38 39 40

Siehe bereits oben 2.Kap.D.2.b. Text vor Fußn. 454. Oben Text zwischen Fußn. 15 und 16. Oben 2.Kap.D.II.2.b. Text nach Fußn. 451.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

Liegen nach Maßgabe des im vorstehenden Absatz näher beschriebenen spezifischen Gefahrzusammenhanges dessen Voraussetzungen vor, kommt bei dem Tod von Rettern bzw. solchen Personen, die nach dem von ihnen erkannten Versuchsbeginn des Grunddelikts in den Wirkbereich der Brandstiftung gelangt sind, eine strafrechtliche Haftung des Brandstifters nicht in Betracht, wenn diese Opfer ihr Leben eigenverantwortlich selbst gefährdet haben. Bezüglich der Kriterien der Selbstgefährdung sei auf das bereits Ausgeführte verwiesen. 41 Wegen der höchst unterschiedlichen generellen Lebensgefährlichkeit der beiden Grundtatbestände § 306 Abs. 1 einerseits und § 306 a Abs. 1 andererseits kommt im Hinblick auf die zur Rettung/Brandbekämpfung verpflichteten späteren Opfer der Bestimmung des jeweiligen Umfangs des von ihnen pflichtgemäß zu tragenden Risikos eine besondere Bedeutung zu. Sind Retter bei der Abwehr von Sachschäden grundsätzlich zu geringerem Eigenrisiko verpflichtet, erweitert dies tendenziell den Bereich der Selbstgefährdung, die die Haftung des Brandstifters für die Todesfolge restringiert. Entgegen verbreiteter Auffassung gibt es keinen Grund, an der Brandstiftung Tatbeteiligte aus dem Schutzbereich des § 306 c auszunehmen.42 Soweit die Gegenauffassung auf den in der Dogmatik der gemeingefährlichen Delikte verbreiteten Gedanken der Repräsentation der Allgemeinheit durch den einzelnen zurückzuführen sein sollte, 43 hat sich bereits im Rahmen der Darstellung der Dogmengeschichte dieses Deliktstypus die mangelnde Überzeugungskraft dieses Topos erwiesen. 44 Statt den Schutzbereich der Brandstiftung mit Todesfolge von vornherein zu beschneiden, ergibt sich die Lösung des bei Tatbeteiligten eintretenden Todeserfolges entsprechend den Retterschäden über die Lehren von freiverantwortlicher Selbstgefährdung bzw. einverständlicher Fremdgefährdung/-verletzung. 45 Insbesondere bei § 306 a Abs. 1 Nr.3, der sich mit einem beliebigen Zwecken dienenden schlichten Aufenthalt von Menschen im Objekt begnügt, ist nicht recht einzusehen, warum - ebenso wie bei § 306 a Abs. 1 Nr.l - die Rechtmäßigkeit oder Widerrechtlichkeit der Nutzung kein Kriterium der Bestimmung des Kreises geschützter Rechtsgutsträger sein soll, für § 306 c in Bezug auf an der Brandstiftung Tatbeteiligte dagegen eine andere Betrachtung Platz greifen soll.

41

Oben 2.Kap.D.II.2.c. So aber Wolff, in: LK, § 307 Rdnr. 3; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 307 Rdnr. 6 jeweils bezogen auf § 307 Nr.l a.F. 43 Die in diese Richtung gehende Vermutung von Geppert, Jura 1989, S. 473, 475 halte ich für richtig, auch wenn die Gegenansicht auf die Benennung von Argumenten verzichtet. 44 Oben l.Kap.C.II.3.a 45 Geppert, Jura 1989, S. 473, 475. 42

Β. Brandstiftung und Todeserfolgsqualifikation

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II. Tatvorsatz Die Anforderungen an den Tatvorsatz der Brandstiftung mit Todesfolge gemäß § 306 c sind denkbar gering. Der Vorsatz stimmt mit dem für den jeweiligen Grundtatbestand erforderlichen Vorsatz überein. Wie aus der Formulierung „wenigstens leichtfertig" folgt, ist die mit Tötungsvorsatz ausgeführte Brandstiftung ebenfalls von § 306 c erfaßt. Zum Verhältnis von Tötungsvorsatz und Vorsatz in Bezug auf den Todeserfolg in § 306 c siehe unten IV.

I I I . Eintritt schwerer Folgen und die Sorgfaltswidrigkeit Das bisherige Brandstrafrecht wies bei der Todeserfolgsqualifikation des § 307 Nr.l a.F. ein gravierendes Defizit auf; den Verzicht auf das Merkmal der Leichtfertigkeit in Bezug auf den Todeserfolg. Die mit diesem Defizit verbundenen Fragen und die aus den Antworten zu ziehenden Konsequenzen wurden im Schrifttum breit diskutiert 46 und brauchen an dieser Stelle daher nur knapp behandelt werden. In Tateinheit mit fahrlässiger Tötung begangene schwere Brandstiftung führte nach altem Recht zu einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe (§§ 306 a.F., 222, 52 Abs. 1 und 2). Besonders schwere Brandstiftung gemäß § 307 Nr.l a.F. war dagegen mit einer Mindeststrafe von zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Diese drastische Divergenz bei den Mindeststrafen der genannten Delikte bedurfte eines aus dem Maß des jeweils verwirklichten Unrechts ableitbaren Grundes. Bestand doch der Unterschied in den Fallgestaltungen allein darin, daß das Opfer sich in einem Fall bereits bei Versuchsbeginn im Objekt aufhielt und im anderen Fall etwa als Retter erst später mit dem Tatgeschehen in Berührung gekommen war. Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Schuldprinzips wurde angesichts der weitgehenden Übereinstimmung der Tathandlung und der daraus resultierenden Folgen die gravierende Divergenz bei den Mindeststrafen nicht ohne weiteres für legitimierbar gehalten. Zwar mag sich mehr als das Erfordernis eines gerechten Verhältnisses zwischen der Schwere der Tat und dem Verschulden des Täters einerseits sowie der Strafe andererseits dem wie auch immer im Einzelnen zu verstehenden verfassungsrechtlichen Schuldprinzip nicht entnehmen lassen.47 Sollte die Relation 46 Verwiesen sei auf Rengier, aaO.; Küpper, Der unmittelbare Zusammenhang, passim ; Paeffgen, JZ 1989, S. 220 ff. sowie die Kurzdarstellung der möglichen Kollisionen mit dem Verfassungsrecht unter den Aspekten der Unrechts- und schuldangemessenen Strafe (häufig sog. Schuldprinzip) einerseits und des allgemeinen Gleichheitssatzes (dazu vor allem Lorenzen, Rechtsnatur, S. 115 ff.) andererseits bei Roxin, AT 1, Rdnm. 110 f. 47 Reagier, aaO., S. 118.

2 1 Radtke

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

zwischen der jeweiligen Mindeststrafdrohung der beiden genannten Tatbestände zu dem jeweils verwirklichten Unrecht aber nicht als willkürlich erscheinen, bedurfte es bei der besonders schweren Brandstiftung gemäß § 307 Nr.l a.F. eines deutlich gegenüber §§ 306 a.F., 222, 52 erhöhten Unrechtsgehaltes. Denn der Fahrlässigkeitsschuldvorwurf stimmte in beiden Fällen überein. Deijenige Umstand, der den gravierend erhöhten Unrechtsgehalt der Tat aus § 307 Nr.l a.F. zumindest teilweise erklärte, war der spezifische Gefahrzusammenhang zwischen dem vollendeten Grunddelikt und der Realisierung der schweren Folge an einem Rechtsgutsträger, der wegen seiner Anwesenheit im Tatobjekt der aus der Tathandlung des Grunddelikts resultierenden generellen Gefährlichkeit konkret ausgesetzt war. 48 Aber der auf die spezifische Gefährlichkeit der Vollendung des Grunddelikts abstellende Gefahrzusammenhang konnte allein den drastischen Anstieg der Mindeststrafe in § 307 Nr.l a.F. nicht begründen. Immerhin sind auch die bisher unter §§ 306 a.F., 222, 52 subsumierbaren Retterschäden (der Tod des Feuerwehrmannes beim Löschen) typische Folgeerscheinungen einer Brandstiftung an Wohnhäusern u.ä. In dem Tod von Rettern realisiert sich zwar nicht die tatbestandlich erfaßte spezifische Gefährlichkeit einer Brandstiftung nach § 306 a Abs. 1 (§ 306 a.F.), aber daß es sich um die Realisierung einer mit dem Delikt typischerweise verbundenen Gefährlichkeit handelt, ist nicht zu bezweifeln. Um angesichts dessen den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Schuldprinzips zu genügen, wurde bereits zu § 307 Nr.l a.F. vielfach die leichtfertige Herbeiführung der schweren Folge gefordert. 49 Vor diesem Hintergrund kommt der Reformgesetzgeber in § 306 c den verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten - soweit diese denn reichen - nach. Die an sich begrüßenswerte, wenn auch angesichts der dramatischen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Brandstiftung mit Todesfolge als alleiniges einschränkendes Korrektiv unzureichende Einführung des Merkmals der Leichtfertigkeit erfordert die Bestimmung dessen, wie Leichtfertigkeit zu verstehen ist und welche Voraussetzungen vorliegen müssen, leichtfertiges Handeln in Bezug auf den Eintritt des Todeserfolges annehmen zu können. Ungeklärt ist, ob Leichtfertigkeit allein als eine besondere Schuldform anzusehen ist, die wesentlich an eine tadelnswerte Gesinnung des Täters anknüpft und nicht mit einer gegenüber der (einfachen) Fahrlässigkeit gesteigerten objektiven Sorgfaltswidrigkeit verbunden ist 50 oder ob Leichtfertigkeit objektiv erhöhtes Unrecht wegen objektiv erhöhter Sorgfaltswidrigkeit kumuliert mit einer gleichfalls erhöhten subjektiven

48 Zur Bedeutung der Anknüpfung des Gefahrzusammenhanges an die spezifische Gefährlichkeit des Erfolges des Grunddelikts als Element der einschränkenden Interpretation erfolgsqualifizierter Delikte Paeffgen, JZ 1989, S. 220, 225 ff. 49 Nachw. wie Fußn. zuvor. 50 So etwa Maiwald, GA 1974, S. 257, 262, 269; Maurach, Festschrift für Heinitz, S. 414, 417.

Β. Brandstiftung und Todeserfolgsqualifikation

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Vorwerfbarkeit erfaßt. 51 Die auf die erhöhte objektive Sorgfaltswidrigkeit rekurrierende Ansicht verknüpft mit der Erhöhung der Sorgfaltswidrigkeit regelmäßig auch eine „hohe Wahrscheinlichkeit des Erfolges", wenn der Täter diese erkannt habe oder habe erkennen müssen.52 Ist Leichtfertigkeit vor allem ein Gesinnungsmerkmal, genügt im Falle der Verfolgung rechtswidriger Zwecke auf der Ebene der objektiven SorgfaltsWidrigkeit jede Voraussehbarkeit des Erfolges, um leichtfertiges Verhalten vorzuwerfen. 53 D.h. im Falle der Vorhersehbarkeit des Eintritts der schweren Folge leitet sich aus der Vornahme der Grunddelikts wegen des damit verfolgten rechtswidrigen Zwecks ohne weiteres die Leichtfertigkeit ab. Eine über den spezifischen Gefahrzusammenhang hinausgehende restringierende Funktion käme der Leichtfertigkeit bei einer solchen Betrachtungsweise nicht zu. Ob die Leichtfertigkeit hinsichtlich der schweren Folge allerdings den Anwendungsbereich durch den Todeserfolg qualifizierter Delikte restringiert, wenn das Merkmal auf eine gegenüber einfacher Fahrlässigkeit erhöhte objektive Sorgfaltswidrigkeit und erhöhte Wahrscheinlichkeit des Eintritts der schweren Folge bezogen wird, ist alles andere als gesichert. Die Antwort auf die Frage, worin die Steigerung der Sorgfaltswidrigkeit gegenüber der sog. einfachen Fahrlässigkeit bei der Leichtfertigkeit bestehen soll, bleiben die Vertreter der Ansicht, die dieses Merkmal als Unrechts- und schuldbezogen ansehen,54 weitgehend schuldig. Über dieses Schweigen hinaus wird die mindestens im Ergebnis bestehende Nähe zu der von Maiwald 55 vertretenen Konzeption vom Gesinnungsmerkmal eingeräumt. 56 Dieses Eingeständnis kommt nicht von ungefähr. Wird nämlich die objektive Komponente der Leichtfertigkeit wesentlich durch die besondere Gefährlichkeit der Handlung (gemeint ist die Tathandlung des Grunddelikts) bestimmt, so ist diese besondere Gefährlichkeit ohnehin jeder Tathandlung der Brandstiftung jedenfalls bei § 306 a Abs. 1 Nrn.l und 3 immanent. Bezieht man zudem die Bedeutung des durch die Tathandlung möglicherweise in Gefahr geratenden Rechtsgutes in den Sorgfaltswidrigkeitsgrad der Leichtfertigkeit ein und stellt bei Lebensgefährlichkeit der Tathandlung geringere Anforderungen an die Leichtfertigkeit als etwa bei bloßer Sachgefährlichkeit, 57 läßt sich über das Merkmal der Leichtfertigkeit selbst dann, wenn es als primär unrechtserhöhendes Element verstanden wird, keine Restriktion des § 306 c erzielen. Jede Brandstiftung an Tatobjekten gemäß § 306 a Abs. 1 Nrn. 1 und 3 läßt sich bei

51 52 53 54 55 56 57

21

So etwa Volk, GA 1976, S. 178 f.; Wegscheidel ZStW 98 (1986), S. 624, 653. Wegscheidel aaO. Vgl. Maiwald, GA 1974, S. 257, 262, 269. Nachw. wie Fußn. 51. Fußn. 53. Roxin,, AT 1, § 24 Rdnr. 82. Roxin, aaO.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

Herbeiführung der schweren Folge als leichtfertig bezeichnen. Das gilt sowohl für die Tötung von Opfern, die sich im Sinne von § 307 Nr.l a.F. bei Beginn des Versuchs des Grunddelikts im Tatobjekt aufhalten, als auch für die Tötung von Personen, die etwa als Retter und Helfer zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Tatgeschehen in Berührung kommen. Typischerweise führt eben jede Brandstiftung, die in der Ausdehnung des Tatgeschehens nicht völlig unerheblich bleibt, zu einem Lösch- und Rettungseinsatz. Handelt es sich bei dem Tatobjekt um ein solches, das Menschen als Wohnung oder als Ort nicht bloß ganz kurzzeitigen Aufenthaltes dient, darf wegen des Bestrebens, Leben und Gesundheit von Brandopfern zu bewahren, sogar von einer hohen Risikobereitschaft und tendenziell auch gesteigerten Risikopflicht zumindest der professionellen Retter ausgegangen werden. 58 Kommt im Zusammenhang mit der Brandbekämpfung an derartigen Brandobjekten ein innerhalb seines Pflichtenkreises agierender Feuerwehrmann zu Tode, dürften keinerlei Zweifel bestehen, dessen Tod als hoch wahrscheinlich und objektiv vorhersehbar, mithin leichtfertig anzusehen. Ohne Zweifel handelte auch der Brandstifter aus BGHSt 39, 322 in Bezug auf den Tod des „übermütigen" Retters leichtfertig, selbst wenn man auf eine objektiv erhöhte Sorgfaltswidrigkeit und eine hohe Wahrscheinlichkeit des Erfolges abstellt. 59 Geht man davon aus, daß der Retter in dem angesprochenen Sachverhalt auch zur Rettung seines Bruders tätig werden wollte, also nach dem oben Gesagten60 unfrei handelte und wegen seiner Alkoholisierung den Grad des eingegangenen Risikos nicht erkennen konnte, wäre der Brandstifter, dem als Gast der im Tatobjekt stattfindenden Feier die Alkoholisierung bekannt gewesen sein dürfte, gemäß § 306 c zu bestrafen gewesen. Resultiert die schwere Folge aus der Tatbegehung an Objekten iSv. § 306 Abs. 1, ist ein Automatismus zwischen Ausführung des Grunddelikts und Leichtfertigkeit in Bezug auf den Todeserfolg weniger offensichtlich. Die entsprechenden Tatobjekte weisen keinen derart starken Bezug zu dem geschützten Rechtsgut Leben auf, wie dies bei § 306 a Abs. 1 Nrn. 1 und 3 der Fall ist. Nimmt man aber die Aussage der Bundesregierung im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens des 6. StrRG ernst, die Festlegung des numerus clausus der Tatobjekte des § 306 Abs. 1 sei anhand der Gemeingefährlichkeit der Tataus-

58

Dazu oben 2.Kap.D.II.2.c. Immerhin hatte der Täter ein Wohnhaus zu einem Zeitpunkt in Brand gesetzt, zu dem sich zumindest 30 Personen in diesem aufhielten, von denen zwei schliefen und daher in besonderem Maße gefährdet waren. Läßt man die sub specie „Zurechnung" behandelten Fragen eines möglichen Verantwortungsausschlusses qua Selbstgefährdung des Opfers (dazu oben 2.Kap.D.II.2.c.) unberücksichtigt, ist der Tod einer Person, die sich wohl auch durch das Ziel der Rettung der Schlafenden zum erneuten Betreten des bereits brennenden Hauses motivieren ließ, hoch wahrscheinlich und selbstverständlich vorhersehbar. 60 2.Kap.D.II.2.c. 59

Β. Brandstiftung und Todeserfolgsqualifikation

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führung an bzw. in diesen Objekten erfolgt, 61 gestattet wegen dieses Gefährlichkeitsaspektes selbst der durch die Tat aus § 306 Abs. 1 verursachte Tod eines Menschen, von einer objektiv gesteigerten Sorgfaltswidrigkeit und damit Leichtfertigkeit zu sprechen. Ließe sich angesichts eines typischen Waldbrandszenarios ernsthaft in Zweifel ziehen, daß derjenige, der vorsätzlich einen Wald in Brand setzt, leichtfertig in Bezug auf den Tod eines bei der Brandbekämpfung umgekommenen Feuerwehrmannes handelt? Das Beispiel des Waldbrandes darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Einbeziehung der einfachen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1) als Grundtatbestand der Todeserfolgsqualifikation bedenklich ist, weil die Brandstiftung an Tatobjekten des § 306 Abs. 1 allenfalls sehr beschränkt durch die Gemeingefährlichkeit hinsichtlich Leben und Gesundheit von Menschen typisiert ist. Die bislang Leichtfertigkeit als erhöhte objektive Sorgfaltswidrigkeit vertretene Auffassung kann zwar in den problematischen Konstellationen eine gewisse Einschränkung der Anwendbarkeit des § 306 c über eine sachgerechte Handhabung des Adäquanzmaßstabes im Rahmen der objektiven Vorhersehbarkeit bewirken. So läßt sich als Faustformel formulieren, daß je weniger das jeweilige Tatobjekt als regelmäßiger Ort des Aufenthaltes von Menschen typisiert ist, desto weniger vorhersehbar die Anwesenheit und damit die Tötung eines Menschen im Zuge des Brandgeschehens ist. Aber diese Faustformel paßt auf die Fälle der tödlich endenden Retterschäden nur eingeschränkt. Die Brandbekämpfung und die damit verbundenen Risiken für das Leben der Brandbekämpfer/Retter sind prinzipiell unabhängig von einer Typisierung der Tatobjekte. Lediglich das Maß des Eigenrisikos der (verpflichteten) Retter, das diese im Zuge und zum Zwecke der Rettung einzugehen verpflichtet sind, differiert nach dem Wert der Güter, zu deren Rettung gehandelt wird. 6 2 Ist die Verletzung oder Tötung von Menschen zu gewärtigen, sind die einzugehenden Risiken höher als bei Abwehr von Gefahren für Sachwerte. 63 Lebensrisiken (außerhalb der Retterschäden) treten typischerweise aber vermehrt im Zusammenhang mit Brandstiftungen gemäß § 306 a Abs. 1 Nrn.l und 3 auf als bei solchen gemäß § 306 Abs. 1. Leichtfertigkeit als die Zurechnung eingetretener schwerer Folgen restringierendes Merkmal kann diese Funktion im Zusammenhang mit der Brandstiftung mit Todesfolge ausfüllen, wenn einerseits die unterschiedlichen Grunddelikte und andererseits die zur Zurechnung von Retterschäden herausgestellten Grundsätze beachtet werden. 64 Da die Tatobjekte des § 306 Abs. 1 im Gegensatz zu

61 62 63 64

BT-Drucks. 13/8587 S. 87 re.Sp. - Gegenäußerung der Bundesregierung. Oben 2.Kap.D.II.2.c. Oben 2.Kap.D.II.2.c. Oben 2.Kap.D.II.2.c.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

denen des § 306 a Abs. 1 (jedenfalls Nrn.l und 3) 6 5 im Grundsatz nicht durch den regelmäßigen Aufenthalt typisiert sind, läßt sich in Bezug auf die Tötung von Menschen, die sich bereits im Moment der Vornahme der Tathandlung in deren Wirkbereich befinden oder in diesen von ihnen selbst unerkannt (ansonsten Selbstgefährdung) nach diesem Zeitpunkt geraten, nicht sagen, die Ausführung des Grunddelikts sei in Bezug auf das Leben in einem erhöhten Maß sorgfaltswidrig. Anderes gilt, wenn objektiv erkennbare Anhaltspunkte bestanden, daß entgegen der Typisierung der Tatobjekte im Zeitpunkt der Ausführung der Tat Menschen sich im Wirkbereich der Tat befanden. Ist die Tötung von Menschen durch die Tatbegehung gemäß § 306 a Abs. 1 verursacht worden, liegt leichtfertiges Handeln ohne weitere Voraussetzungen vor. Diese Tatobjekte sind durch den Aufenthalt von Menschen charakterisiert, die Tatausführung daher stets gesteigert sorgfaltswidrig in Bezug auf das Leben der sich dort aufhaltenden Menschen. Betrifft die schwere Folge solche Personen, die durch die Begehung des Grunddelikts zum Eintritt in den Wirkbereich der Tat herausgefordert worden sind, entscheidet sich die Haftungsfrage des Täters bereits auf der Ebene der Zurechenbarkeit des Erfolges unter dem Aspekt der Selbstgefährdung. Liegen die Zurechnungsvoraussetzungen auf der Grundlage der hier vorgestellten Abwägung von Risiken und Chancen, oder weil es sich um grundsätzlich unfreiwillige Helfer in der von § 35 priviligierten Situation handelt, 66 vor, bewirkt das Merkmal der Leichtfertigkeit lediglich in den Fällen der krassen Eigensorgfaltswidrigkeit des Retters einen Ausschluß der Haftung des Täters. Derartig krasse Obliegenheitsverletzungen sind für den Täter des Grunddelikts nicht vorhersehbar.

IV. Erfolgsqualifikation und Versuch Eine Versuchsstrafbarkeit aus § 306 c kommt in der Konstellation des erfolgsqualifizierten Versuchs aus den genannten Gründen in Betracht (oben 1.1. am Ende). Auch die zu § 307 Nr.l a.F. streitig beantwortete Frage, ob der Versuch der Erfolgsqualifikation (Tätervorsatz erstreckt sich auch auf die schwere Folge, diese bleibt aber aus) mit Strafe bedroht ist, 67 hat sich durch die Umge65 Für § 306 a Abs. 1 Nr.2 gilt aber entsprechendes, wenn gemäß der hier erhobenen Forderung eine teleologische Reduktion durch Übernahme der Tatzeitformel aus § 306 Abs. 1 Nr.3 erfolgt. 66 Oben 2.Kap.D.II.2.c. 67 Maiwald, GA 1974, S. 257, 269 f.; Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 107 ff., 115 ff.; für §251 in jüngerer Zeit BGH, NStZ 1992, S. 230; BGH, NStZ 1993, S. 338; Lagodny, NStZ 1992, S. 490; Rengier, StV 1992, 496, 497; vgl. für § 251 auch Radtke, JuS 1995, S. 427, 428 f.

C. Brandstiftung mit konkreter Todesgefahr

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staltung des Tatbestandes im Zuge des 6. StrRG entschieden. Aufgrund des im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens der Leichtfertigkeit hinzugefügten „wenigstens" sind die Fallgestaltungen der (mindestens bedingt) vorsätzlichen Tötung erfaßt. Begeht der Brandstifter die Brandtat mit (wenigstens bedingtem) Tötungsvorsatz, ohne den intendierten oder für möglich gehaltenen Tod eines Opfers zu realisieren, macht er sich außer wegen versuchter vorsätzlicher Tötung idealkonkurrierend auch wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge strafbar. Die Höchststrafdrohung in § 306 c bezieht sich auf die vorsätzliche Herbeiführung der schweren Folge. 68

C. Brandstiftung mit konkreter Todesgefahr Das reformierte Brandstrafrecht weist eine Stufenfolge sich hinsichtlich der bewirkten Rechtsgutsbeeinträchtigungen steigernder Qualifikationen, Gefahrerfolgs- und Erfolgsqualifikationen auf (oben Α.). Angesiedelt zwischen den auf das Rechtsgut Gesundheit bezogenen §§ 306 a Abs. 1, 306 b Abs. 1 und der Todeserfolgsqualifikation § 306 c normiert § 306 b Abs. 2 Nr.l eine durch die Herbeiführung konkreter Todesgefahr (gefahrerfolgs)qualifizierte schwere Brandstiftung mit der für § 306 b Abs. 2 insgesamt geltenden Strafuntergrenze von fünf Jahren Freiheitsstrafe. Eine solche Gefahrerfolgsqualifikation hatte bereits der ursprüngliche Regierungsentwurf eines 6. StrRG vorgeschlagen, allerdings unter Rückgriff auf § 307 Nr.l a.F. als einschränkendes Merkmal den Opferkreis auf solche Personen begrenzt, die sich zur Zeit der Tat in dem jeweiligen Tatobjekt aufhielten. Auf den Aufenthalt einer Person im Objekt zum fraglichen Zeitpunkt sollte auch sich der Vorsatz des Brandstifters beziehen müssen.69 Bundesregierung und die Bundestagsfraktionen der Regierungskoalition haben an der Gefahrerfolgsqualifikation mit der genannten Strafuntergrenze trotz erheblicher Bedenken des Bundesrates („Mindeststrafe unangemessen hoch") 70 festgehalten. 71 Auf Initiative des Rechtsausschusses des Bundestages ist die Vorschrift durch den Wegfall der Tatzeit-/Tatortformel sogar gegenüber der ursprünglichen Konzeption trotz unverändert hoher Strafuntergrenze in ihrem Regelungsbereich deutlich erweitert worden. 72 Entgegen der Bewertung des Bundesrates ist die Einordnung der Todesgefahrerfolgsqualifikation als Fallgruppe der besonders schweren Brandstiftung mit der genannten Mindeststrafe 68

Wie hier etwa Paeffgen, JZ 1989, S. 220,223 für § 307 Nr.l a.F. BT-Drucks. 13/8587 S. 49 li.Sp.; dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 28 f. 70 BT-Drucks. 13/8587 S. 70 re.Sp. - Stellungnahme des Bundesrates. 71 BT-Drucks. 13/8587 S. 88 li.Sp. - Gegenäußerung der Bundesregierung. 72 BT-Drucks. 13/9064 S. 22 re.Sp. - Bericht des Rechtsausschusses. 69

328

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

im Grundsatz dennoch nicht unangemessen. Im Hinblick auf den Grad der für das jeweilige qualifizierende Merkmal maßgeblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung fügt sich § 306 b Abs. 2 Nr.l in die angedeutete Stufenfolge ein, obwohl der Sprung von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe bei vorsätzlich brandbedingt bewirkter Gesundheitsschädigung (§ 306 b Abs. 1) auf fünf Jahre bei vorsätzlich geschaffener konkreter Todesgefahr durchaus erheblich ist. Die angedrohte Mindeststrafe ist aber jedenfalls dann legitimierbar, wenn über eine sachentsprechende Bestimmung des Merkmals der konkreten Gefahr und über eine tendenziell restriktive Haftung des Brandstifters für gegenüber Rettern geschaffene Todesgefahren ein der Strafdrohung adäquater Unrechts- und Schuldgehalt der Tat verlangt wird. Der in Relation zum Grunddelikt § 306 a erhöhte Unrechtsgehalt ergibt sich aus der Konkretion der für das Rechtsgut Leben generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung in der Herbeiführung einer Situation, die mit der Gefahr des Todes für einen Rechtsgutsträger verbunden ist. D.h. zu dem aus der Gemeingefährlichkeit des Grunddelikts resultierenden Handlungsunrecht tritt das Erfolgsunrecht in Gestalt der Schaffung konkreter Todesgefahr hinzu. Allerdings ist das Handlungsunrecht der in Frage kommenden Grunddelikte unterschiedlich ausgestaltet. § 306 b Abs. 2 verweist pauschal auf den Täter in den Fällen des § 306 a. Aufgrund dieser Verweisungstechnik lassen sich daher auch die Konstellationen des § 306 a Abs. 2 als Grunddelikt der besonders schweren Brandstiftung erfassen. Damit hätte sich das neue Recht von der zunächst vorgesehenen Konzeption des RegE 6. StrRG gelöst, die inhaltlich weitgehend mit der jetzigen lex lata übereinstimmenden Fälle der besonders schweren Brandstiftung lediglich auf die schwere Brandstiftung an Tatobjekten gemäß § 306 a Abs. 1 (§ 306 Abs. 1 in der Fassung des RegE) zu beziehen.73 Die ursprüngliche Konzeption gestaltete die Qualifikationen (mit Ausnahme der Todeserfolgsqualifikation) der spezifischen Schutztechnik des Grunddelikts, des über das Tatobjekt vermittelten Rechtsgutsangriffs, entsprechend aus und knüpfte - an dem Ausschluß der nicht spezifisch lebensgefährlichen Brandstiftung (§ 306/§ 306 Abs. 2 RegE) deutlich sichtbar - die Todesgefahrerfolgsqualifikation an die Konkretion der generellen Lebensgefährlichkeit des Anzündens von Tatobjekten, die typischerweise dem Aufenthalt von Menschen dienen, an. Ob die von der Bundesregierung ursprünglich intendierte Herausnahme der Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 2 als Grunddelikt der Gefahrerfolgsqualifikation des § 306 b Abs. 2 Nr.2 entgegen der gewählten Verweisungstechnik für die jetzige Gesetzesfassung gilt, ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Tritt aufgrund einer Brandstiftung an Objekten des § 306 Abs. 1 eine vom Tätervorsatz umfaßte konkrete Todesgefahr ein, so haftete der Brandstifter stets aus der Gefahrerfolgsqualifikation. Denn die konkrete Todesgefahr beinhaltet notwen73

Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 49 re.Sp.

C. Brandstiftung mit konkreter Todesgefahr

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dig die konkrete Gesundheitsgefahr (§ 306 a Abs. 1) wie auch der auf den Tod bezogene Gefährdungsvorsatz den auf die Gesundheit bezogenen Gefährdungsvorsatz notwendig umfaßt. 74 Jede vorsätzliche Herbeiführung einer Todesgefahr durch eine Tat gemäß § 306 Abs. 1 eröffnete den Anwendungsbereich des § 306 b Abs. 2 Nr.l, weil stets auch die Voraussetzungen des § 306 a Abs. 2 gegeben wären. Damit wäre aber mittelbar ein Grunddelikt (§ 306 Abs. 1) einbezogen, hinsichtlich dessen von einer auf das Rechtsgut Leben bezogenen generellen Gemeingefährlichkeit wenigstens nicht durchgängig die Rede sein kann. Dennoch ist § 306 b Abs. 2 dahingehend auszulegen, nicht allein die Brandstiftung an Tatobjekten aus § 306 a Abs. 1 dem Regelungsbereich zuzuschlagen. Der Wortlaut spricht gegen eine Herausnahme der Taten gemäß § 306 a Abs. 2. Auch wenn über die referierte Passage aus der Begründung des Regierungsentwurfs hinaus in den veröffentlichten Materialien nicht mehr auf das Problem eingegangen worden ist, spricht gegen ein Redaktionsversehen bei der Gestaltung des Umfangs der Verweisung, daß die Problematik ursprünglich im Blick der an der Gesetzgebung Beteiligten gewesen ist und nicht recht ersichtlich ist, daß sie wieder aus ihrem Blickfeld geraten sein könnte. Gesetzessystematisch ließe sich eine Restriktion auch nicht mit der Todeserfolgsqualifikation in § 306 c vereinbaren. Diese Vorschrift mit einer intensiveren Rechtsgutsbeeinträchtigung bei ansonsten identischer Tatbestandsstruktur bezieht § 306 als Grunddelikt ausdrücklich ein. Die Verweisung in § 306 b Abs. 2 ist daher wörtlich zu nehmen und auch auf § 306 a Abs. 1 zu beziehen. Aus dem Verzicht auf die Tatzeit-/Tatortformel des § 307 Nr.l a.F. bzw. § 306 a Nr.l RegE zum 6. StrRG sowie der Gesamtkonzeption der Reform des Brandstrafrechts hinsichtlich der Gestaltung der Qualifikationen der schweren Brandstiftung folgt, 75 daß innerhalb der Grenzen des spezifischen Gefahrzusammenhanges76 sämtliche Träger des Rechtsguts Leben Objekt der konkreten Todesgefahr sein können, die mit dem Tatgeschehen bis zur Beendigung der Tat in Kontakt kommen. Gerät ein durch die Brandstiftung zur Hilfe bzw. Rettung Herausgeforderter infolgedessen in die konkrete Gefahr des Todes, hat der Brandstifter für die Schaffung dieses Gefahrzustandes lediglich insoweit einzustehen, als das Begeben in den Gefahrenbereich nicht freiverantwortliche Selbstgefährdung ist. Maßstab der Freiverantwortlichkeit bei Retterschäden bzw. hier Rettergefahren sind die in § 35 niedergelegten Grundätze. 77 Allein die zum Zwecke der Hilfe für die dort genannten Rechtsgüter zu eigenen oder zu Gunsten von Sympathiepersonen eingegangene Selbstgefährdung belastet den

74 Zum Verhältnis von Tötungs- und Körperverletzungsvorsatz nur Eser, in: Schönke/Schröder, § 212 Rdnr. 17 m.w.N. 75 Dazu oben 3.Kap.A. 76 Oben 2.Kap.D.II.2.b. und 3.Kap.B.I.2. 77 Oben 2.Kap.D.II.2.b.

330

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

Brandstifter. Tatbeteiligte sind gleichfalls taugliche „Opfer" der konkreten Todesgefahr. Ob der Brandstifter für die ihnen gegenüber bewirkte Todesgefahr haftet, entscheidet sich nach den allgemeinen Regeln der Lehre von der freiverantwortlichen Selbstgefährdung. Anders als bei den Retterschäden bestimmt sich der Maßstab über die Beachtlichkeit der Selbstgefährdung nach den Regeln über die Einwilligung. 78 Die inhaltlichen Anforderungen an die konkrete Rechtsgutsgefahr bestimmen sich anhand der normativen Gefahrerfolgstheorie. Konkrete Todesgefahr hat der Brandstifter - innerhalb der Grenzen des Gefahrzusammenhanges und der freiverantwortlichen Selbstgefährdung - lediglich verursacht, wenn und soweit in der konkreten Situation das Ausbleiben des Todes des Opfers auf Umständen beruht, auf deren Eingreifen der Brandstifter normativ nicht berechtigt vertrauen durfte. Überdurchschnittliche Fähigkeiten des konkreten Opfers zur Abwendung des Eintritts der Rechtsgutsverletzung entlasten den Brandstifter nicht. 79 Eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination sieht das Gesetz in § 306 d hinsichtlich der durch die Todesgefahr qualifizierten schweren Brandstiftung nicht vor. Wegen besonders schwerer Brandstiftung iSv. § 306 b Abs. 2 Nr.l macht sich daher lediglich der Brandstifter strafbar, der vorsätzlich hinsichtlich des Grunddelikts und hinsichtlich der Schaffung konkreter Todesgefahr handelt. Wegen der Grundsätze des Gefährdungsvorsatzes sei auf das zu § 306 a Abs. 1 Gesagte verwiesen. 80 Berücksichtigt man die erhebliche Strafdrohung des § 306 b Abs. 2 Nr.l bedürfen die bisherigen Überlegungen zum Gefährdungsvorsatz allerdings gewisser Konkretisierung im Hinblick auf die vorsätzliche Schaffung konkreter Todesgefahr. Zwar ist auf der Grundlage der hier vertretenen objektiven Voraussetzungen eines konkreten Gefahrerfolges das Vorhandensein eines bedingten Verletzungsvorsatzes keine notwendige Bedingung des Gefährdungsvorsatzes. Denn der Täter kann realiter auf das Eingreifen von (Verletzungs)Erfolgsabwendungsursachen vertrauen und dementsprechend ohne Verletzungsvorsatz handeln, auf deren Eingreifen er normativ nicht berechtigt vertrauen darf. Der Umstand, daß er - prozessual nicht widerlegbar - auf normativ nicht berechtigt Erwartbares vertraut hat, entlastet ihn von dem Vorwurf des Verletzungsvorsatzes, nicht aber von dem des Gefährdungsvorsatzes. 81 Obwohl daher Vorsatz konkreter Gefährdung nicht notwendig Vorsatz der (Rechtsgutsbezogenen) Verletzung erfordert, bedeutet dies umgekehrt nicht, allein aus der Ausführung einer generell lebensgefährlichen Tathandlung plus

78 Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 108 mit Nachw. auch zur Gegenansicht und überzeugenden Argumenten für die hier referierte Position. 79 Oben 2.Kap.D.II.2.a. 80 Oben 2.Kap.D.III. 81 Oben 2.Kap.D.III

C. Brandstiftung mit konkreter Todesgefahr

331

dem Eintritt eines tauglichen 82 Rechtsgutsträgers in den Wirkbereich der Tathandlung auf einen auf die Schaffung konkreter Todesgefahr gerichteten Vorsatz des Brandstifters schließen zu können. Außerhalb solcher Fallgestaltungen, in denen der Täter Tötungsvorsatz, der den Vorsatz konkreter Todesgefahr einschließt, einräumt oder in denen Tötungsvorsatz aus den objektiven Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Hemmschwelle der Tötung eines Menschen83 prozessual geschloßen werden kann, setzt der auf Schaffung konkreter Todesgefahr gerichtete Vorsatz voraus, daß der Brandstifter in Kenntnis solcher objektiver Umstände gehandelt hat, unter denen die brandbedingte Tötung eines Menschen unter Nichtberücksichtigung normativ nicht erwartbarer Rettungsursachen hochwahrscheinlich ist. Allgemeine Maßstäbe dafür lassen sich kaum formulieren, ein Verweis auf die tatsächlichen Bedingungen des jeweiligen Brandgeschehens ist unausweichlich. Eine Orientierung bietet aber die Berücksichtigung der normstrukturellen Besonderheiten des Grunddelikts § 306 a Abs. 1. Konkretisiert sich in der Gefahrerfolgsqualifikation des § 306 b Abs. 2 Nr.l lediglich die generelle Gemeingefährlichkeit des Anzündens von Tatobjekten, die zeitlich unbeschränkt (§ 306 a Abs. 1 N r . l ) oder nach Gepflogenheit zeitlich beschränkt (§ 306 a Abs. 1 Nr.2 und Nr.3) typische Aufenthaltsorte von Menschen sind, so spiegelt sich diese objektive Konkretion der Gefährlichkeit der Tatbegehung für das Leben der sich dort aufhaltenden Menschen subjektiv wieder, wenn der Brandstifter aktuelle Kenntnis von dem Aufenthalt von Menschen im Tatobjekt zum Zeitpunkt der Begehung der Tat hat. 84 Vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles, die eine nicht zufällige, d.h. normativ nicht berechtigt erwartbare Rettung nahelegen, darf als Faustformel Vorsatz der Schaffung konkreter Todesgefahr bei entsprechender Anwesenheitskenntnis des Täters postuliert werden. Auch über diese Faustformel hinaus korrelieren im Sinne des prozessualen Nachweises des Vorsatzes bezüglich konkreter Todesgefahr die objektive Lebensgefährlichkeit der Vorgehensweise bei Ausführung der schweren Brandstiftung und der entsprechende Gefährdungsvorsatz miteinander. Besonders hohe Anforderungen an den Nachweis des Gefährdungsvorsatzes bestehen für den Fall, daß die Brandstiftung an Tatobjekten des § 306 Abs. 1 (die über § 306 a Abs. 2 einbezogen sind) zu einer konkreten Todesgefahr geführt hat. Da diese Tatobjekte wenigstens nicht durchgängig als Aufenthaltsorte von Menschen typisiert sind, müssen - außerhalb eingeräumten Tötungs- oder Gefährdungsvorsatzes - tatsächliche Umstände vorliegen, die einen ausreichend sicheren Rückschluß darauf zulassen, warum trotz dieser fehlenden

82

Also ohne die sich freiverantwortlich selbst gefährdenden Retter. Zu diesem Kriterium der stdg. Rspr des BGH über den bedingten Tötungsvorsatz vgl. die Übersicht bei Cramer , in: Schönke/Schröder, § 15 Rdnr. 87. 84 Das entspricht der ursprüglichen Konzeption des RegE zum 6. StrRG (oben Text bei Fußn. 69 und Nachw. ebenda), ohne allerdings den Todesgefahrvorsatz auf diese Konstellation beschränken zu wollen. 83

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

Typisierung der Täter vorsätzlich hinsichtlich der Verursachung konkreter Todesgefahr gehandelt haben soll. Ein ausreichend sicherer Nachweis wird hier regelmäßig die Kenntnis des Brandstifters von der aktuellen Anwesenheit von Menschen voraussetzen.

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen Ausgelöst durch drei jüngere Entscheidungen des Bundesgerichtshofes 85 war die durch die verbrecherische Ausnutzungsabsicht des Brandstifters qualifizierte besonders schwere Brandstiftung (§ 307 Nr.2 a.F.) aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt worden. Im Gefolge der Judikatur hatte sich die Strafrechtswissenschaft aufgemacht, die jahrzehntelang vergessene Beschäftigung mit dem Tatbestand nachzuholen. Angeregt durch BGHSt 38, 309 und BGHSt 40, 251 richtete sich das Bemühen vor allem auf die Klärung des Verhältnisses zwischen der schweren Brandstiftung als Grunddelikt und der vom Brandstifter intendierten Folgetat. Die Rückführung des Strafgrundes der Qualifikation aus § 307 Nr.2 a.F. auf die Ausnutzung der durch den Brand geschaffenen gemeingefährlichen Situation mit reduzierten Schutzmöglichkeiten des Brandopfers gegen die Folgetat, wie sie der Bundesgerichtshof in den beiden vorgenannten Entscheidungen herausgearbeitet hatte, wurde im Schrifttum zu Recht weitgehend positiv aufgenommen. 86 Um in dem eingangs gewählten Märchenbild zu bleiben: Der Kuß des Prinzen aus Karlsruhe kam für § 307 Nr.2 a.F. jedoch ein wenig spät. Die Reform des Brandstrafrechts aufgrund des 6. StrRG hat die durch eine deliktische Ausnutzungsabsicht gekenzeichnete besonders schwere Brandstiftung erheblich umgestaltet. Der bisherige numerus clausus weniger aber im Unrechtsgehalt gravierender Folgetaten, deren Begehung die Brandstiftung nach der Intention des Täters dienen sollte, ist durch eine unspezifizierte Ermöglichungsabsicht bzw. Verdeckungsabsicht, wie sie aus §211 3.Gruppe bekannt ist, in § 306 b Abs. 2 Nr.2 abgelöst worden. Als Kompensation für die damit verbundene Expansion des Regelungsbereichs der Vorschrift ist das Mindeststrafmaß im Vergleich zu § 307 Nr.2 a.F. von zehn auf fünf Jahre Freiheitsstrafe abgesenkt worden. 87

85

BGHSt 38, 309; BGHSt 40, 106; BGHSt 40, 251. Siehe bereits oben l.Kap.C.II.3.a.(7); zweifelnd, daß die beabsichtigte Ausnutzung der reduzierten Schutzmöglichkeiten des Opfers der Brandstiftung erforderlich ist Graul, JR 1993, S. 295, 296; siehe auch Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 380, der negiert, daß die Ausnutzung der „gemeingefährlichen Situation" zu Raubzwecken die Strafbarkeit aus § 307 Nr.2 a.F. begründen könne. 87 Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 49 li.Sp. 86

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen

333

Die neugestaltete Qualifikation stellt darauf ab, daß der Täter 88 bei der Begehung einer schweren Brandstiftung gemäß § 306 a mit Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht in Bezug auf eine andere Straftat handelt. Infolge der Aufgabe des kleinen Kreises tauglicher Folgetaten und der Einbeziehung der auf Verdeckung einer - wenigstens in der Vorstellung des Täters - bereits begangenen Straftat erhält die Vorschrift einen weiten Anwendungsbereich. Die durch BGHSt 38, 309 und BGHSt 40, 106 eingeleitete Entwicklung, § 307 Nr.2 a.F. in einer Weise zu interpretieren, die jedenfalls bezüglich der als Folgetaten intendierten Delikte Raub und räuberische Erpressung praktisch zu deren Unanwendbarkeit führte, 89 wird sich für § 306 b Abs. 2 Nr.2 kaum fortsetzen, zumal das durch das drakonische Strafmaß des alten Rechts ausgelöste Bedürfnis einer tendenziell restriktiven Handhabung der Qualifikation infolge der Absenkung der Strafuntergrenze schwächer geworden ist. Trotz der Aufgabe der gravierenden Strafdrohung des bisherigen Rechts ist die Reform der Qualifikation bestenfalls teilweise gelungen. Über die Formel vom „Ausnutzen" der schweren Brandstiftung zur Begehung der Folgetat stellte das bisherige Recht einen starken Zusammenhang zwischen der generellen Gemeingefährlichkeit des Grunddelikts und der Begehung der Folgetat her. Dieser Zusammenhang blieb - legte man das im Ansatz richtige Verständnis des § 307 Nr.2 a.F. durch BGHSt 38, 309 und BGHSt 40, 251 zugrunde - kaum hinter der klassischen Formel einer durch Ausnutzungsabsicht charakterisierten Brandstiftung „unter Begünstigung derselben (der Brandstiftung, H.R.) Mord, Raub oder ein anderes schweres Verbrechen, worauf die Todesstrafe steht, zu begehen" aus § 1512 des 20.Titels des preuß. ALR zurück. 90 Welchen Inhalts dieser starke Zusammenhang zwischen Grunddelikt und Folgetat sein konnte, nämlich die finale Ausnutzung der infolge der Brandstiftung regelmäßig reduzierten Schutzmöglichkeiten der Brandopfer gegen weitere deliktische Angriffe, drückte das Schweizerische Militärstrafgesetzbuch von 1851 besonders prägnant aus. In der Darstellung von Osenbrüggen lautet der entscheidende Passus: „bei Gelegenheit der dadurch (durch die Brandstiftung, H.R.) entstandenen Verwirrung'. 91 Einen derartigen Zusammenhang, der plausibel den gegenüber dem Grunddelikt gesteigerten Unwertgehalt der Qualifikation erklären konnte, weist § 306 b Abs. 1 Nr.2 prima vista nicht auf. Dieser durch die Statuierung einer unspezifizierten Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht bedingte Verzicht auf eine derartige Verknüpfung zwischen Brandstiftung und Bezugstat ist bedauerlich, weil mittels der Anforderungen an den spezifischen Zusammenhang zwischen Grunddelikt

88

Zu Fragen der Tatbeteiligung siehe unten IV. Vgl. Laubenthal, JR 1996, S. 32, 33. 90 Über die historische Entwicklung des § 307 Nr.2 a.F. Steffen Cramer , Jura 1995, S. 347 ff. sowie zu Vorläufern in partikularstaatlichen Strafgesetzbüchern Osenbrüggen, Die Brandstiftung, S. 64 ff. 91 aaO., S. 65. 89

334

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

und Folgetat (generelle Reduktion der Opferschutzmöglichkeiten gegen die Folgetat) relativ verläßliche Kriterien über das raum-zeitliche Verhältnis beider Taten und über die jeweils erforderlichen subjektiven Voraussetzungen beim Täter zu gewinnen waren. Gerade die Bestimmung solcher Kriterien im Verhältnis von Mord- und Bezugstat bildet aber das zentrale Problem des Mordmerkmals der Verdeckungs- bzw. Ermöglichungsabsicht. Die wechselvolle Geschichte der BGH-Judikatur zu diesem Merkmal unter den Stichworten „Zäzurwirkung" oder „Mittel-Folge-Argument" ist dafür ein nachdrücklicher, aber leider nicht eindruckvoller Beleg. 92

I. Strafgrund Der auf die bei Begehung der schweren Brandstiftung vorhandene Absicht des Brandstifters, die Begehung einer anderen Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, abstellende Wortlaut der Vorschrift legt es nahe, den gegenüber dem Grunddelikt eigenständigen Strafgrund der besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.2 allein auf den Intentionsunwert wegen der verwerflichen Motivation des Brandstifters zu beziehen. Der Rekurs auf die verwerflichen Motive des Täters im Sinne eines gesteigerten Intentionsunwertes entspricht auch der bereits zu § 307 Nr.2 a.F. überwiegend vertretenen Auffassung.93 Die von Kratzsch zum bisherigen Recht verfochtene Gegenposition sah dagegen in dem wegen der Ausnutzungsabsicht gesteigerten Intentionsunwert lediglich eine Teilerklärung und führte - wohl kumulativ - ein gegenüber dem Grunddelikt erhöhtes Maß der Lebensgefährlichkeit der Brandstiftung als (Straf)Grund der Qualifikation an. 94 Ein solches Moment erhöhter Lebensgefährlichkeit der Tat als teilweise Erklärung der drastisch gegenüber dem Grunddelikt angehobenen Strafdrohung bot den Vorzug, das Bedürfnis für die Legitimierung eben dieser Strafdrohung zu vermindern. Dennoch vermochte die Bestimmung des Strafgrundes durch Kratzsch 95 selbst zu § 307 Nr.2 a.F. nicht zu überzeugen. Sein zentrales Argument, daß die von dem Grunddelikt betroffenen Opfer durch die Konfrontation mit der Folgetat von der gebotenen Abwehr der aus der Brandstiftung resultierenden (Lebens)Gefahren abgelenkt würden und sich dadurch das Maß der Lebensgefährlichkeit der Brandstiftung steigerte, konnte allenfalls für den intendierten Mord und eingeschränkt für panikbedingte Fehlreaktionen der Opfer auch bei den übrigen Folgetaten eine 92

Dazu nur Es er, in: Schönke/Schröder, § 211 Rdnrn. 32 a - 35; sowie Küper, JZ 1991, S. 761 ff., 862 ff, 910 ff.; Schroeder, JuS 1994, S. 294 ff. 93 So etwa Bruch, Vorsätzliche Brandstiftung, S. 52 f.; Geppert, Jura 1989, S. 473, 476; Zopfs, JuS 1995, S. 686. 94 JuS 1994, S. 372, 379 f. 95 JuS 1994, S. 372, 379 f.

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen

335

gewisse Plausibilität aufweisen. Die raubähnlichen Folgetaten in § 307 Nr.2 a.F. dienen nicht (in erster Linie) dem Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit, sondern zielen auf Schutz von Vermögen und Eigentum sowie auf Schutz der Willensfreiheit. 96 Für den Regelfall standen dem Brandopfer, das sich zusätzlich zu der Brandstiftung einem weiteren schweren deliktischen Angriff durch raubähnliche Folgetaten gegenübersah, Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, die zwar die Vermögenseinbuße und die Beeinträchtigung der Willensfreiheit nicht ausschloßen (etwa Zahlung des verlangten Schutzgeldes), aber selbst bei generalisierender Betrachtung die Kräfte und Fähigkeiten zur Abwehr der auf Leben und Gesundheit bezogenen Gefahren der Brandstiftung nicht derart vermindern, daß von einer Steigerung der Lebensgefährlichkeit des Grunddelikts gesprochen werden konnte. Für das geltende Recht kann von einer Steigerung der Lebensgefährlichkeit des Grunddelikts erst recht nicht mehr die Rede sein. Aufgrund der Umgestaltung der Qualifikation auf die unspezifizierte Absicht der Ermöglichung- bzw. Verdeckung einer anderen Straftat ist die Motivation des Brandstifters nicht mehr durchgängig auf die Ausnutzung der spezifischen Lebens- und Gesundheitsgefährlichkeit des Grunddelikts für die Begehung des Bezugstat gerichtet. Für die Absicht der Verdeckung einer bereits begangenen Straftat ist das evident. Dazu steht nicht in Widerspruch, daß der Reformgesetzgeber in § 306 b Abs. 2 - abweichend von § 306 b Abs. 1 und § 306 c - als Grunddelikt lediglich auf § 306 a nicht aber auf § 306 abstellt. 97 Die im Vergleich zu § 306 b Abs. 1 erhöhte Mindeststrafdrohung (fünf statt zwei Jahre Freiheitsstrafe) beruht zwar auf der erhöhten Schutzbedürftigkeit der in § 306 a aufgeführten Tatobjekte als Orte, an denen sich typischerweise Menschen aufhalten. 98 Abgesehen davon, daß der Gesetzgeber seine ursprüngliche Konzeption nicht durchgehalten hat, allein Objekte iSv. § 306 a in den Anwendungsbereich der Qualifikation des § 306 b Abs. 2 einzubeziehen,99 betrifft die Aussage in der Begründung des Regierungsentwurfs allein die wegen der generellen Lebens- und Gesundheitsgefährlichkeit gegenüber § 306 höhere Unrechtsschwere des Grunddelikts § 306 a. Daß gerade diese Gefährlichkeit im Hinblick auf die Bezugstat ausgenutzt werden müsse, ergibt sich daraus gerade nicht. Auf eine Begehung der Bezugstat „unter (konkreter, H.R.) Begünstigung" oder „unter (konkreter, H.R.) Ausnutzung der durch die Brandstiftung entstandenen Verwirrung" wie sie eingangs für historische Gesetzbücher des 18. und

96

Eser, in: Schönke/Schröder, § 249 Rdnr. 1. Da § 306 b Abs. 1 ingesamt auf § 306 a verweist, ist die Tatbegehung an Objekten gemäß § 306 Abs. 1 von den Qualifikationen des § 306 b Abs. 1 erfaßt, wenn die einfache Brandstiftung zu einer konkreten Gesundheitsgefahr eines anderen Menschen gefuhrt hat. In diesem Fall liegt als Grunddelikt § 306 a Abs. 2 vor, der von der Verweisung in § 306 b Abs. 2 nicht ausgenommen ist. 98 Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 49 re.Sp. 99 Siehe oben Text vor Fußn. 73. 97

336

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

19. Jahrhunderts geschildert wurde, kommt es für § 306 b Abs. 2 Nr.2 nicht an. Der Verzicht auf einen so gestalteten Zusammenhang zwischen Brandstiftung und Bezugstat macht die Erweiterung des Regelungsbereichs gegenüber § 307 Nr.2 a.F. aus. Entsprechend der zur Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht in § 211 ganz überwiegenden Sichtweise besteht der Strafgrund der Qualifikation gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.2 damit allein in einem gesteigerten Intentionsunwert. Im Falle Ermöglichungsabsicht erstrebt der Täter final den Einsatz der Brandstiftung 1 0 0 zum Zwecke der Begehung weiteren und von der Brandstiftung verschiedenen strafrechtlichen Unrechts. Der gesteigerte Intentionsunwert bei der Verdeckungsabsicht resultiert aus der Bereitschaft des Täters, zum Zwecke der Vereitelung eigener oder fremder Bestrafung wegen vermeintlich 101 oder tatsächlich begangener Straftaten final eine generell in Bezug auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit gemeingefährliche Brandstiftung auszuführen. Allgemeiner formuliert besteht der eigenständige Strafgrund bei der Verdeckungsvariante in der finalen Verknüpfung von Unrecht mit weiterem, wegen der generellen Lebens- und Gesundheitsgefährlichkeit erheblichem Unrecht. 102 Eine derart unspezifische Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht hebt sich deutlich von dem Strafgrund des § 307 Nr.2 a.F. ab. Dessen in Relation zum Grunddelikt der schweren Brandstiftung gesteigerter Unwert bestand in der planmäßigen (finalen) Ausnutzung der durch Brandstiftung bei generalisierender Betrachtung reduzierten Schutzmöglichkeiten der Brandopfer gegen die Folgetat. 103 Diese Bestimmung gesteigerten Unwertes gestattete, wie bereits eingangs erwähnt, eine verläßliche Festlegung des Verhältnisses von Brandstiftung und Bezugs- bzw. Folgetat. Für § 306 b Abs. 2 Nr.2 läßt sich eine über das im vorstehenden Absatz Gesagte hinausgehende Charakterisierung des Strafgrundes als planmäßige Ausnutzung der durch die Brandstiftung typischerweise reduzierten Schutzmöglichkeiten der Brandopfer nicht treffen. Als zentrales Argument für das referierte Verständnis des § 307 Nr.2 a.F. hat der Bundesgerichtshof - im Ansatz zutreffend - das systematische Verhältnis der drei Qualifi100

Über die Bedeutung der Finalität unten III. Zu Irrtumskonstellationen Eser, in: Schönke/Schröder, § 211 Rdnr. 33 m. Nachw. 102 Siehe BGHSt 41, 8, 9 zur Verdeckungsabsicht bei § 211. 103 So im Ansatz auch BGHSt 38, 309, 310 ff.; BGHSt 40, 251, 253 ff. Entgegen den Formulierungen in den vorgenannten Entscheidungen des BGH kam es allerdings nicht auf eine Ausnutzung konkret reduzierter Opferschutzmöglichkeiten in einer konkret gemeingefährlichen Situation an, sondern allein darauf, daß der Brandstifter eine generell gemeingefährliche Tathandlung in der Vorstellung bewirkte, die durch diese Tathandlung tatbestandlich Betroffenen - das hieß für § 306 a.F. die sich zum Zeitpunkt der Tat in dem Objekt aufhaltenden Personen - generell reduzierten Möglichkeiten, sich wegen des Betroffenseins durch die Brandstiftung gegen die Folgetat zu schützen, zur Ausführung der Folgetat ausnutzen; zweifelnd bzgl. der Ausnutzung der reduzierten Schutzmöglichkeiten Graul, JR 1993, S. 295, 296 re.Sp. 101

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen

337

kationen bzw. Erfolgsqualifikationen des alten Rechts angeführt. Weil sowohl § 307 Nr.l a.F. mit der Beschränkung auf im Tatobjekt befindliche Tatopfer als auch § 307 Nr.3 a.F. mit der schädigenden Einwirkung auf das Löschen an die konkrete Brandsituation anknüpften, sollte es auch in Bezug auf die Qualifikation aus Nr.3 einer solchen Verbindung mit dem konkreten Brandgeschehen bedürfen. 104 Bezüglich der Neugestaltung des § 306 b Abs. 2 Nr.2 trägt diese Argumentation jedoch nicht mehr. Sie trägt weder unter dem vom Bundesgerichtshof angesprochenen Auslegungscanon Gesetzessystematik noch unter dem Aspekt der tatbestandsstrukturellen Besonderheit der Brandstiftung, dem über das Tatobjekt vermittelten Rechtsgutsangriff, 105 aus dem sich der beschriebene Strafgrund für § 307 Nr.2 a.F. ableitete. Der systematische Vergleich mit § 306 b Abs. 2 Nr.l aber auch mit § 306 c weist nur noch bedingt auf eine Anbindung der zu ermöglichenden Tat an die konkrete Tatsituation. Denn wegen des Verzichts auf die Tatzeit- und Tatortformel aus § 307 Nr.l a.F. 106 in § 306 b Abs. 2 Nr.l und § 306 c sowie in § 306 b Abs. 1 sind Brandopfer, die erst nach der Vornahme der Brandstiftungshandlung und in Kenntnis der dadurch hervorgerufenen Gefährlichkeit mit dem Brandgeschehen in Kontakt geraten, einbezogen. Diese Ausweitung des Opferkreises schwächt den Zusammenhang zwischen der Gemeingefährlichkeit der Brandstiftung und der dadurch generell bewirkten Reduktion der Möglichkeiten des Selbstschutzes der Brandopfer gegen die Folgetat ab. Eine starke Verknüpfung mit der Gemeingefährlichkeit des Grunddelikts weist allein noch § 306 b Abs. 2 Nr.3 auf. Die bewirkte (wenigstens) Behinderung des Löschens erhöht die Wirkkraft des Brandes/Feuers auf das Tatobjekt und damit generell auch die Gemeingefährlichkeit in Bezug auf die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit während des konkreten Brandgeschehens. Trotz dieser Verknüpfung des Qualifikationsmerkmals in § 306 b Abs. 2 Nr.3 mit der Brandsituation kann aber an dem für § 307 Nr.2 a.F. herausgestellten Strafgrund nicht festgehalten werden. Der Gedanke der Ausnutzung brandbedingt reduzierten Opferselbstschutzes gegen die Folgetat könnte ohnehin allenfalls für die Ermöglichungsabsicht gelten. Die Verdeckungsabsicht erfaßt auch Konstellationen in denen die zu verdeckende Vortat vollständig abgeschlossen ist, die spezifische generelle Gemeingefährlichkeit der zeitlich nachfolgenden Brandstiftung daher in keinem Zusammenhang mit der Vortat steht, sondern diese dem Täter allein etwa wegen der Tatspuren vernichtenden Wirkung des Tatmittels Feuer als ein zur Verdeckung der Begehung der Vortat geeignetes Vorgehen erscheint. In derartigen Fallgestaltungen besteht der Intentionsunwert der Verdeckungsabsicht ausschließlich

104

BGHSt 38, 309, 310; BGHSt 40, 251, 256. Oben l.Kap.C.II.l.c. 106 Die nach der Fassung des RegE in einer auf die konkrete Gefahr des Todes abstellenden Qualifikation erhalten bleiben sollte; vgl. §306 a Nr.l RegE (BTDrucks. 13/8587, S. 11 f.); dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 28 f. 105

22 Radtke

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

in der vom Täter intendierten Verknüpfung des Unrechts der zu verdeckenden Tat mit dem zusätzlichen Unrecht der Brandstiftung. Es geht jedoch nicht um eine Nutzbarmachung der generellen Gemeingefährlichkeit der Brandstiftung hinsichtlich der Bezugstat. Soll daher der Strafgrund der in Ermöglichungsoder Verdeckungsabsicht begangenen schweren Brandstiftung nicht gänzlich unterschiedlich ausgestaltet sein - worauf die Zusammenfassung in einem Qualifikationstatbestand gerade nicht hindeutet -, bildet der erhöhte Intentionsunwert, der in der finalen Verknüpfung der Brandstiftung mit dem Zweck der Verdeckung oder Ermöglichung einer weiteren anderen Straftat zum Ausdruck kommt, den Strafgrund der Qualifikation. Auf eine situative Ausnutzung der durch die Brandstiftung reduzierten Selbstschutzmöglichkeiten der Brandopfer gegen die Folgetat kommt es nicht mehr an. Dieser Befund ist bedauerlich, als Konsequenz der Umgestaltung der Qualifikation im Zuge des 6. StrRG aber unvermeidlich. Ein Festhalten an der zu § 307 Nr.2 a.F. seit BGHSt 38, 309 weitgehend einheitlich vertretenen Konzeption - selbst hinsichtlich der Ermöglichungsabsicht - auch für § 306 b Abs. 2 Nr.2 liefe der gesetzgeberischen Intention, dessen Anwendungsbereich in Relation zu § 307 Nr.2 a.F. zu erweitern, 107 offen zuwider und koppelte die Anforderungen an die Ermöglichungsabsicht einerseits sowie die Verdeckungsabsicht andererseits voneinander ab. Die vom Reformgesetzgeber erstrebte Extension des Regelungsbereichs der Qualifikation hat in der Umgestaltung des Absichtsmerkmals und der als Kompensation dafür verstandenen deutlichen Absenkung der Strafuntergrenze ausreichend Ausdruck gefunden. Eine die Ermöglichungsabsicht auf das enge Verständnis des § 307 Nr.2 a.F. zurückführende Auslegung könnte allenfalls verfassungsrechtlich geboten sein, wenn die angedrohte Strafe in einem krassen Mißverhältnis zu dem mit der Tatbestanderfüllung verschuldeten Unrecht stehen würde. Davon kann angesichts des gegenüber dem Grunddelikt erheblich gesteigerten Intentionsunwertes und der in Relation zum alten Recht deutlich abgesenkten Mindeststrafe aber keine Rede sein.

II. Grunddelikt und Bezugstat § 306 b Abs. 2 Nr.2 stellt als Strafbarkeitsvoraussetzung nach dem unmißverständlichen Wortlaut auf die Absicht (dazu III.) des Täters einer schweren Brandstiftung gemäß § 306 a, eine andere Straftat als die Brandstiftung zu ermöglichen oder zu verdecken, ab. Der Begriff der Straftat ist mit der überwiegenden Ansicht zu § 211 3.Gruppe als eine nach Kriminalstrafrecht rechtswid-

107

BT-Drucks. 13/8587 S. 49 li.Sp.

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen

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rige Tat iSv. § 11 Abs. 1 Nr.5 zu verstehen. 108 Eine andere Straftat liegt nicht vor, wenn sich die erforderliche Absicht des Täters auf die Brandstiftung bezieht, die das Grunddelikt bildet. Hat der Brandstifter etwa ein Tatobjekt gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l in Brand gesetzt, so handelt er bei der Vornahme dieser Tat selbst dann nicht in Verdeckungsabsicht (oder Ermöglichungsabsicht), wenn er bereits im Moment der aktiven Ausführung der Brandstiftung entschlossen ist, den Brand nicht zu löschen, 109 obwohl er als Garant dazu verpflichtet ist, um zu verhindern, daß im Tatobjekt Spuren zurückbleiben, die auf seine Täterschaft hindeuten. Unter welchen Voraussetzungen allgemein von einer anderen Tat gesprochen werden kann, ist weitgehend ungeklärt. Für die Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht als Mordmerkmale wird die Frage der anderen Straftat meist unter dem Aspekt des Verhältnisses zwischen der Tötung und der Bezugstat diskutiert. Eine einheitliche Linie ist derzeit weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung des BGH erkennbar. 110 Da die Qualifikation allein an die finale Verknüpfung der Brandstiftung mit der nach der Täterintention zu verdeckenden oder zu ermöglichenden Bezugstat anknüpft, ist bezüglich der Folgetat (Ermöglichungsabsicht) deren Eintritt in das Versuchsstadium nicht erforderlich. Nach allgemeiner Auffassung kommt es noch nicht einmal darauf an, ob diese tatsächlich realisiert werden kann, wenn und soweit der Brandstifter sie im Zeitpunkt der Brandstiftung für realisierbar hält. 111 Allerdings besteht eine Grenze der Haftung wegen in der Absicht der Ermöglichung einer anderen Straftat begangenen schweren Brandstiftung, wenn die Vorstellung des Brandstifters die intendierte Folgetat realisieren zu können, grob unverständig iSv. § 23 Abs. 3 1 1 2 ist. Zwar besteht auch hier die finale Verknüpfung zwischen der Brandstiftung und der intendierten Bezugstat. Wenn das geltende Recht unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 den Willen zur Begehung eines Delikts als Strafgrund jedoch nicht genügen läßt, gilt diese Priviligierung des grob unverständigen Vorhabens auch hinsichtlich einer Folgetat. Das vorwerfbare Unrecht beschränkt sich bei einem derartigen angestrebten Folgedelikt auf die Verwirklichung des Grunddelikts. Allein die „böse Gesinnung" in Bezug auf die vermeintliche Bezugstat, die jeder durchschnittlich Verständige als offensichtlich nicht realisierbar erkennt, genügt entsprechend dem Rechtsgedanken des § 23 Abs. 3 gerade nicht für die Begründung vorwerf108

m.w.N. 109

Tröndle,

§211 Rdnr. 9 b; Eser, in: Schönke/Schröder, §211 Rdnr. 32 jeweils

Bzw. das Entstehen eines neuen Brandherdes nicht zu verhindern; über die Beschränkung des Inbrandsetzens auf das Verursachen neuer Brandherde oben 2.Kap.A.II.2.b. 110 Knapp zusammenfassend Eser, in: Schönke/Schröder, § 211 Rdnr. 32 a. 111 Eser, aaO., § 211 Rdnr. 33 m.w.N. 112 Ober die Anforderungen an den grob unverständigen Versuch siehe Radtke, JuS 1996, S. 878 ff. 22*

340

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

baren und strafbedürftigen Intentionsunwertes. Entsprechendes gilt für den Fall, daß es sich bei der vom Brandstifter intendierten Tat um ein strafloses Wahndelikt handelt. 113 Aus den sub I. erörterten Gründen kann für die Bestimmung des Verhältnisses von Brandstiftung und Bezugstat - selbst für die Ermöglichungsabsicht nicht auf die zu § 307 Nr.2 a.F. seit BGHSt 38, 309 entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. In Fortentwicklung des vom Bundesgerichtshof herausgearbeiteten Verständnisses des § 307 Nr.2 a.F. stellte sich das Verhältnis von Brandstiftung und intendierter Folgetat für diese Vorschrift sehr klar strukturiert dar. § 307 Nr.2 a.F. baute auf der Tatbestandsstruktur des § 306 a.F. (§ 306 a Abs. 1) und damit auf der generellen Gemeingefährlichkeit dessen Tathandlung auf. Anders als § 307 Nr.l a.F. enthielt § 307 Nr.2 a.F. kein Tatbestandselement, das eine Konkretion der abstrakten Gefährlichkeit des Grunddelikts erforderte. Es genügte entsprechend der Struktur von § 306 a.F. (§ 306 a Abs. 1) die Vornahme der Tathandlung des Grunddelikts in dem Bewußtsein, damit typischerweise wegen der generellen Gemeingefährlichkeit für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit reduzierte Schutzmöglichkeiten der Brandopfer zu bewirken und diese regelmäßig verminderten Schutzmöglichkeiten zur Begehung der Folgetat auszunutzen. Jedenfalls demjenigen, der sich zum Zeitpunkt der Brandstiftung in einem Tatobjekt gemäß § 306 a.F. (§ 306 a Abs. 1) aufhielt, drohten regelmäßig Gefahren aus der Tat, vor denen er sich schützen wollte und wegen derer er sich weniger zuverlässig gegen weitere deliktische Angriffe zur Wehr setzen konnte. Ob konkreten Brandopfern tatsächlich im Einzelfall Rechtsgutsbeeinträchtigungen aufgrund des Brandes drohten und ob dadurch ihre ohne den Brand bestehende Schutzsphäre beeinträchtigt wurde, erlangte für § 307 Nr.2 a.F. keine Bedeutung. Zu der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung des Grunddelikts kam lediglich die Absicht, diese zur Begehung der Folgetat auszunutzen. Die spezifische generelle Gefährlichkeit nicht die von der Brandstiftung auf das Opfer ausgehenden psychischen Wirkungen (Angst, Einschüchterung etc.) - der Brandstiftung nutzt der Täter zeitlich betrachtet solange aus, wie diese Gefährlichkeit der Brandstiftung für die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit besteht. D.h. der für § 307 Nr.2 a.F. zu Recht geforderte sehr nahe zeitliche Zusammenhang bestand lediglich in dem Zeitraum zwischen dem Beginn des Brandstiftungsversuchs und der Beendigung der schweren Brandstiftung mit dem Ende der Tatobjektseigenschaft oder dem vollständigen Erlöschen des Brandes. 114 Über die klare Bestimmung

113 Zu weiteren Irrtumskonstellationen hinsichtlich der Bezugstaten Eser, in: Schönke/Schröder, § 211 Rdnr. 33 m. Nachw. 114 Wie hier Geppert, Jura 1989, S. 473, 476; für eine Beschränkung des Zeitraums auf das Stadium zwischen Vollendung und Beendigung Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 380; unklar Graul, JR 1993, S. 295, 296 re.Sp., die zwar ausführt, daß die Vorstellung des Täters nicht erforderlich sei, während des Brennens die Folgetat auszuführen, im an-

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des zeitlichen Verhältnisses von Brandstiftung und Folgetat hinaus ermöglichte § 307 Nr.2 a.F. auch eine an der Schutzrichtung des Grunddelikts orientierte Bestimmung des Kreises „tauglicher" Opfer der intendierten Folgetat. Der Opferkreis war auf solche Personen beschränkt, deren Schutzmöglichkeiten sich aufgrund des der tatbestandsspezifischen generellen Gefährlichkeit des Grunddelikts Ausgesetztseins verminderten. Das sind entsprechend dem zu § 306 a Abs. 1 Ausgeführten diejenigen Personen, denen das in Brand gesetzt Tatobjekt als Aufenthaltsort dient. 115 Die generelle Gemeingefährlichkeit der Tathandlung des Grunddelikts § 306 a Abs. 1 (§ 306 a.F.) beruht auf der Anbindung des Inbrandsetzens an Tatobjekte, die zeitlich unbegrenzt (Nr.l/§ 306 Nr.2 a.F.) oder über die Tatzeitformel zeitlich eingegrenzt (Nr.3) typische Aufenthaltsorte von Menschen sind und an denen Menschen des Angriffs auf ihr Leben und ihre Gesundheit durch das Tatmittel Feuer in besonderer Weise ausgesetzt sind. Auf dieser generellen Gemeingefährlichkeit des Grundelikts bauten sämtliche Qualifikationen in § 307 a.F., wenn auch in jeweils unterschiedlicher Weise, auf. § 307 Nr.2 a.F. kam daher lediglich bei intendierter Folgetat gegenüber solchen Personen in Betracht, die sich in Ausübung des jeweiligen Nutzungszwecks bzw. im direkten Zusammenhang damit (z.B. Besucher der Bewohner) in dem jeweiligen Tatobjekt aufhielten. Die Bedeutung einer derart strukturierten Qualifikation läßt sich besonders eindrücklich am Beispiel einer räuberischen Erpressung als Folgetat illustrieren. Eine in der Praxis sicherlich nicht untypische Schutzgelderpressung spielt sich folgendermaßen ab: Der Täter tritt an das Erpressungsopfer heran und erhebt seine Forderung auf Zahlung eines Geldbetrages. Als das Opfer sich weigert, fordert der Täter den Betrag erneut und verweist darauf, zahle das Opfer nicht, werde er dessen Lokal in Flammen aufgehen lassen. Angesichts der fortbestehenden Zahlungsweigerung realisiert der Täter seine Drohung. Unterstellt sei, die Brandstiftung erfülle die Voraussetzungen gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.3 (§ 306 Nr.3 a.F.). Obwohl es sich bei der Bezugstat um eine räuberische Erpressung handelt und das Grundelikt sich als schwere Brandstiftung darstellt, lagen die Voraussetzungen des § 307 Nr.2 a.F. nicht vor, weil der Täter nicht im maßgeblichen Zeitpunkt die spezifische Gefährlichkeit der Brandstiftung in Bezug auf die situativ reduzierten Schutzmöglichkeiten des Opfers auszunutzen anstrebte. 116 Die Strafbarkeit gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.2 wegen einer in Ermöglichungsabsicht ausgeführten schweren Brandstiftung greift im Gegensatz dazu ein. Orientiert man die Auslegung der Ermöglichungsabsicht an dem derzeitigen Stand schließenden erläuternden Beispiel aber eine Konstellation schildert, in der gerade das hier geforderte zeitliche Verhältnis zwischen Grunddelikt und Folgetat besteht. 115 Oben 2.Kap.A.I.3. 116 Siehe die Sachverhaltsgestaltungen in BGHSt 38, 309 und 40, 251.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

der Rechtsprechung zum entsprechenden Mordmerkmal und an dem Stand der Rechtswissenschaft zu § 307 Nr.2 a.F. in dem Zeitraum vor BGHSt 38, 309, 117 genügt für das Handeln in Ermöglichungsabsicht, daß der Täter durch die Tötungs- bzw. Brandstiftungshandlung die Begehung der Bezugstat erleichtern bzw. beschleunigen will. 1 1 8 Das bedeutet der Sache nach, daß abgesehen von der schwachen Schranke der „anderen Straftat" 119 die klaren Konturen des § 307 Nr.2 a.F. der Ausgestaltung des Verhältnisses von Brandstiftung und Bezugstat sowohl hinsichtlich des Zeitmomentes als auch hinsichtlich des begrenzten Opferkreises im Zuge der Reform vollständig verlorengegangen sind. Die Brandstiftung kann mit der Bezugstat tateinheitlich zusammentreffen, 120 so etwa wenn die Brandstiftung zugleich die Nötigungshandlung einer räuberischen Erpressung darstellt, sie kann aber auch nur der Vorbereitung der Bezugstat dienen. 121 Das Verhältnis beider bestimmt sich entscheidend über die vom Täter angestrebte finale Verknüpfung beider (unten IV.). Zu den Anforderungen an das Verdecken der Begehung einer anderen Straftat sei auf den Erkenntnisstand zu § 211 verwiesen. 122 Da der Strafgrund der Qualifikation allein auf den durch die finale Verknüpfung von Brandstiftung und weiterem deliktischem Unrecht charakterisierten Intentionsunwert bezogen und eine objektive Steigerung der generellen Gefährlichkeit des Grunddelikts tatbestandlich nicht erforderlich ist (oben I.), kann wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung aus § 306 b Abs. 2 Nr.2 bestraft werden, wenn die schwere Brandstiftung im Versuchsstadium verbleibt,

117 Die Entscheidung markiert einen entscheidenden Umbruch in der Auslegung der Vorschrift; dazu Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 373 m.w.N. 118 BGHSt 39, 159, 161 mit zahlr. Nachw.; siehe auch BGH, NStZ 1996, S. 81; Tröndle, § 211 Rdnr. 9; Eser, in: Schönke/Schröder, § 211 Rdnr. 35; Thomas Fischer, NStZ 1996, S. 416, 417. 119 Dazu oben Text nach Fußn. 108. 120 BGHSt 40, 106, 107 hielt für den Fall eines als Folgetat intendierten Mordes ein tateinheitliches Zusammentreffen von § 211 und § 307 Nr.2 a.F. für möglich. Dieser Entscheidung - die in offenem Widerspruch zu den in BGHSt 38, 309 herausgestellten Grundsätzen steht - war zum alten Recht nicht zu folgen. Da die Ausnutzungsabsicht in § 307 Nr.2 a.F. darauf gerichtet war, die durch die Brandstiftung generell reduzierten Schutzmöglichkeiten gegen das weitere deliktische Vorhaben final zum Zwecke der Durchführung ebendieses Vorhabens einzusetzen, war eine Tätervorstellung notwendig, die bezüglich des Zeitmomentes darauf gerichtet war, zunächst die Brandstiftung auszuführen und daran anschließend die erst infolge der Brandstiftung abgesenkte Selbstschutzfähigkeit des Brandopfers zur Folgetat auszunutzen. An einer derartigen finalen Verknüpfung mangelt es, wenn die Brandstiftung und die Tötung durch die identische Handlung begangen werden sollen. Für das neue Recht ist bei vollständiger Identität der Ausführungshandlungen fraglich, ob es sich bei der durch die Brandstiftungshandlung unmittelbar intendierten Tötung um eine andere Straftat handelt. 121 So die Sachverhaltsgestaltung in BGHSt 38, 309. 122 Etwa Tröndle, § 211 Rdnr. 9; Eser, in: Schönke/Schröder, § 311 Rdnr. 34.

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen

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der Brandstifter bei Versuchsbeginn aber Ausnutzungsabsicht aufwies. 123 Anders als zu § 307 Nr.2 a.F. teilweise vertreten, bedarf es einer Vollendung des Grunddelikts als notwendige Voraussetzung der Strafbarkeit aus der Qualifikation nicht.

I I I . Ausnutzungsabsicht und Tatvorsatz Mangels über die Vornahme des Grunddelikts hinausgehender objektiver Umstände, die das Unrecht der Tat aus § 306 b Abs. 2 Nr.2 begründen, ist die durch die Ausführung der Brandstiftung betätigte Absicht, die Begehung einer anderen Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, der eigenständige Strafgrund der Qualifikation. Gewisser Erläuterung bedarf ausgehend von dem zu I. und II. Gesagten noch die Bestimmung des (vorgestellten) Zusammenhanges zwischen Grunddelikt und Bezugstat (1.) sowie die Festlegung der Vorsatzformen für Grunddelikt und Folgetat (2.). 7. Grunddelikt

und Bezugstat

Der Wortlaut des § 306 b Abs. 2 Nr.2 gibt wenig Anhalt wie - in der Tätervorstellung - der Zusammenhang zwischen Grunddelikt und Bezugstat ausgestaltet sein soll. Das Genügen einer auf die Ermöglichung einer anderen Straftat gerichteten Absicht gestattet, jede in der Vorstellung des Brandstifters im Sinne der Kausalität der Beihilfe die Begehung der intendierten Straftat fordernde Wirkung der Brandstiftung unter den Begriff der Ermöglichungsabsicht zu fassen. Ermöglichung ist nicht auf notwendige Bedingungen für die Begehbarkeit der Bezugstat beschränkt und wird für die Ermöglichungsabsicht als Mordmerkmal auch nicht in dieser Weise verstanden. 124 Auf das zeitliche Verhältnis zwischen der Brandstiftung und der angestrebten anderen Straftat kommt es ebenfalls nicht an. Die Brandstiftung kann die intendierte Tat auch dann im Sinne des Förderns ermöglichen, wenn zu dieser Tat bereits angesetzt worden ist (der Täter des § 255 hat seine erpresserische Forderung bereits erhoben und begeht zur Bekräftigung von deren Ernsthaftigkeit die Brandstiftung; Konstellation aus BGHSt 40, 251, 252) oder wenn zunächst die Brandstiftung vorgenommen wird, um - für das Opfer im Moment der Brandstiftung noch nicht erkennbar - dieses im Hinblick auf die erst in deutlichem zeitlichen Abstand vom Brand vorzunehmende Erpressung gefügig zu machen (Konstellation aus BGHSt 38, 309). Entsprechend der zu den Mordmerkmalen Verdeckungs- und

123 124

Wie hier Horn,, in: SK-StGB, § 307 Rdnr. 11 bereits zu § 307 Nr.2 a.F. Nachw. wie Fußn. 118.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

Ermöglichungsabsicht ganz überwiegend vertretenen Auffassung, 125 braucht sich die Vorstellung des Täters, durch die Brandstiftung die Begehung der Tat zu fördern, nicht auf den tatbestandlichen Erfolg der Brandtat (Inbrandsetzen/Zerstören infolge Brandlegung), sondern lediglich auf die Brandstiftungshandlung zu beziehen. Die finale Verknüpfung muß zwischen dem Handeln des Brandstifters und dem von ihm mit der Handlung verfolgten Zweck bestehen.126 Der Wortlaut des § 306 b Abs. 2 Nr.2 bringt dies deutlicher als bei den Absichtsmerkmalen des Mordes zum Ausdruck „wenn der Täter in der Absicht handelt,..." 2. Verdeckungsabsicht

etc. und Vorsatzformen

Der Gesetzeswortlaut, nach dem der Brandstifter in der Absicht handeln muß, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, ist lediglich entsprechend dem sub 1. Ausgeführten in einer Hinsicht eindeutig. Der Brandstifter muß final die Brandstiftung im Hinblick auf den Zweck der Verdeckung oder Ermöglichung einer anderen Straftat einsetzen wollen. Die an den Vorsatz bezüglich des Grunddelikts zu stellenden Anforderungen bleiben nach dem Wortlaut ebenso offen wie die für die Bezugstat notwendige Vorsatzform. Hinsichtlich der Anforderungen an den Tötungsvorsatz bei einem Mord zur Ermöglichung einer anderen Straftat hat sich konsequenterweise wegen des Abstellens auf die finale Verknüpfung von Tötungshandlung und angestrebten Zweck (oben 1.) im Grundsatz durchgesetzt, einen bedingten Tötungsvorsatz des Täters für ausreichend zu halten. 127 Dem ist im Hinblick auf die Festlegung, den Todes erfolg nicht als notwendige Bedingung der Ermöglichung der anderen Straftat zu verlangen, sondern sich mit einer Förderung im Sinne einer bloßen Erleichterung zu begnügen, zuzustimmen. Für § 306 b Abs. 2 Nr.2 in der Konstellation der Ermöglichungsabsicht reicht ein bedingter Vorsatz bezüglich der schweren Brandstiftung ebenfalls hin. Der gegenüber dem Grunddelikt gesteigerte Intentionsunwert besteht auch bei demjenigen Brandstifter, der lediglich mit einem (tatobjektsbezogenen) Brandstiftungserfolg rechnet, ohne ihn im Sinne der Absicht anzustreben, wenn er der Brandstiftung - unabhängig davon, ob sie zur Vollendung gelangt - eine die intendierte Tat fördernde Wirkung zumißt. Maßgeblich ist die Bereitschaft, eine generell in Bezug auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit anderer Menschen gemeingefährliche Tat auszuführen, um mittels ihrer die Begehung der Bezugstat zu fördern. Zu § 307 Nr.2 a.F. hatte BGHSt 40, 106, 108 aus Umstand, daß sich die in der Vorschrift geforderte

125 BGHSt 39, 159, 161 mit zahlr. Nachw.; BGHSt 41, 359, 360; Eser, in: Schönke/Schröder, § 211 Rdnr. 35; siehe auch Schroeder, JuS 1994, S. 294, 295. 126 Vgl. BGHSt 39, 159, 160. 127 BGHSt 39, 159, 160; Tröndle, § 211 Rdnr. 11 m.Nachw.

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen

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Absicht auf die Begehung, nicht auf den Erfolg der Begehung der Folgetat bezog, das Genügen von dolus eventualis hinsichtlich des Erfolges der intendierten Tat abgeleitet. 128 Zugleich hielt das Gericht bedingten Vorsatz in Bezug auf den tatbestandlichen Erfolg der Brandstiftung für ausreichend. 129 Ausnutzungsabsicht im Sinne des bisherigen Rechts wäre demnach bereits dann vorhanden, wenn der Täter die Wirkungen der bedingt vorsätzlich herbeigeführten Brandstiftung auf die Schutzmöglichkeiten des Folgetatopfers final zur Begehung der ebenfalls bedingt vorsätzlichen Folgetat einsetzen wollte. Anders als zu der jetzigen Rechtslage (§ 306 b Abs. 2 Nr.2) traf die Ansicht des Bundesgerichtshofs bezüglich § 307 Nr.2 a.F. nicht zu. Der Umstand, den der Täter zur Ausführung der Folgetat auszunutzen anstrebte, war die generelle Gemeingefährlichkeit der Brandstiftung in Bezug auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit der begünstigten Rechtsgutsträger. Die generelle Gefährlichkeit des Grunddelikts setzt aber eine gewisse Erheblichkeitsschwelle des Brandes voraus, die erst mit dem Inbrandsetzen bestandswesentlicher Tatobjektsteile erreicht ist. 1 3 0 Um die Wirkung der Gefährlichkeit der schweren Brandstiftung final zum Zwecke der Ausführung der Folgetat einsetzen zu können, war daher wenigstens sicheres Wissen des Brandstifters hinsichtlich der Vollendung der Brandstiftung gemäß § 306 erforderlich. 131 In Bezug auf § 306 b Abs. 2 Nr.2 kann dieses Postulat sicheren Wissens um den Eintritt des Brandstiftungserfolges aus den eingangs dieses Absatzes genannten Gründen nicht aufrechterhalten werden. Hinsichtlich der Erfolges der Folgetat genügt jede für das jeweilige Delikt rechtlich mögliche Vorsatzform. In deutlich größerem Umfang als die zur Verdeckung einer anderen Straftat vorgenommene Tötung eröffnet die in Verdeckungsabsicht begangene Brandstiftung eine Vielzahl von Fallgestaltungen, in denen der Brandstifter mit einer entsprechenden Intention handelt. Geht es bei dem Verdeckungsmord vornehmlich um die Ausschaltung von Tatzeugen oder Personen, von denen sonst eine Entdeckung der Tat bzw. die Identifizierung des Täters erwartet wird, ist die Brandstiftung als Instrument der Verdeckung außer auf die ebenfalls denkbare Eliminierung von Tatzeugen etc. sicher auch auf die Beseitigung von Tatspuren u.ä gerichtet. Angesichts der Bandbreite der möglicherweise ein-

128

aaO., S. 108 f. BGHSt 40, 106, 107. 130 Insoweit übereinstimmend Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 380, der jedoch - unter Vernachlässigung der ausreichenden überschießenden Innentendenz - für § 307 Nr.2 a.F. zu Unrecht sogar objektive Vollendung des Grunddelikts forderte. 131 Zopfs, JuS 1995, S. 686, 688 f., der aber unzutreffend auf mindestens sicheres Wissen hinsichtlich der Schaffung einer Gemeingefahr abstellt; auf das Herbeiführen eines Zustandes konkreter Gemeingefahr im Sinne eines konkreten Gefahrerfolges kommt es jedoch nicht an. Entscheidend war, daß der Brandstifter anstrebte, sich die generelle Gemeingefährlichkeit der schweren Brandstiftung für die Folgetat nutzbar zu machen. 129

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

schlägigen Konstellationen erlangt die Frage nach der für die Brandstiftung erforderlichen Vorsatzform erhebliche Bedeutung, wenn es darum geht, zu klären, unter welchen Voraussetzungen der Brandstifter in der Absicht der Verdeckung einer anderen Straftat agiert. So ist vorstellbar, der Brandstifter will bereits die Gefährlichkeit der Brandstiftungshandlung einsetzen, um die Begehung einer anderen Straftat zu verdecken. Dazu ein Beispiel: Der Täter hat sein Opfer im Zuge einer zunächst verbalen Auseinandersetzung in dessen Wohnung erheblich körperlich verletzt. Um zu vermeiden, daß das Opfer ihn als Täter der Körperverletzung benennt, gießt er Benzin in der Wohnung aus und zündet dieses an. Das Opfer stirbt infolge der Wirkung der Explosion des sich bildenden BenzinLuft-Gemisches. Hinsichtlich der Herbeiführung einer Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l handelte der Täter lediglich mit dolus eventualis. Absicht in bezug auf das Inbrandsetzen bzw. die brandbedingte Zerstörung soll ausgeschlossen sein. Dem Täter kam es nicht auf den tatobjektsbezogenen Branderfolg, sondern auf die Tötung des Opfers, von dem er Identifizierung befürchtete, an. Sicheres Wissen um den Branderfolg mag ebenfalls ausscheiden, weil sich der Täter angesichts der ihm bekannten baulichen Beschaffenheit der Wohnung der tatobjektsbezogenen Wirkung seiner Brandstiftungshandlung nicht sicher war. In einer solchen Fallgestaltung handelt der Täter iSv. § 306 b Abs. 1 Nr.2 (und bezüglich § 211) mit Verdeckungsabsicht, obwohl bezüglich des Grunddelikts genauer bezüglich des Erfolges des Grunddelikts lediglich dolus eventualis besteht. Die Absicht zur Verdeckung der vorangegangenen Straftat ergibt sich schon daraus, daß der Brandstifter die rechtsgutsbezogene Wirkung der Brandstiftungshandlung final zum Zweck der Verdeckung der vorangegangenen Körperverletzung einsetzt. Ein solcher hinreichender Konnex zwischen Absicht der Verdeckung und der Wirkung der Brandstiftungshandlung entspricht der Konzeption des reformierten Brandstrafrechts, die Gefährlichkeit der Tathandlungen im Falle schwerer Brandstiftungen - anders als nach altem Recht - nicht erst ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle ihrer tatobjektsbezogenen Wirkung, dem Inbrandsetzen, als tatbestandlich relevant zu statuieren und die Qualifikation auf das Erreichen dieser Erheblichkeitsschwelle aufzusetzen, sondern durch die Einfügung der Brandlegung bereits die von der TatobjektsWirkung partiell 132 abgelöste unmittelbar rechtsgutsbezogene Gefährlichkeit der Brandstiftungshandlung ausreichen zu lassen.133 Eine andere Bewertung ergibt sich in solchen Fallgestaltungen, in denen die Vorstellung des Täters dahin geht, allein durch eine Einwirkung auf das Tatobjekt der Brandstiftung die Verdeckung der Vortat erreichen zu können. Hat der 132 Vollendungsstrafe setzt selbst bei der Brandlegung eine vom Tätervorsatz umfaßte Tatobjektswirkung in Gestalt dessen wenigstens teilweiser Zerstörung voraus. Insoweit ist das Abstrahieren von der Wirkkraft des Tatmittels auf das Tatobjekt nicht vollständig. Darauf ist die Einschränkung im Haupttext gemünzt. 133 Ausführlich oben l.Kap.C.II. 1. und 2.Kap.A.II.2.

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen

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Täter einen Einbruchdiebstahl in einem Wohnhaus verübt und glaubt er, sowohl den Umstand, daß überhaupt Gegenstände gestohlen worden sind, als auch die möglichen auf seine Täterschaft hindeutenden Spuren lediglich durch einen erheblichen Zerstörungsgrad des Brandes verdecken zu können, ist dem Merkmal der Verdeckungsabsicht nicht genügt, wenn und soweit der Brandstifter (vermeintlich) lediglich mit bedingtem Vorsatz im Hinblick auf den tatobjektsbezogenen Branderfolg in Gestalt des Zerstörens oder Inbrandsetzens handeln sollte. 1 3 4 Denn die wenigstens der Vollendung der schweren Brandstiftung entsprechende tatobjektsbezogene Wirkung der Brandstiftung ist in der Vorstellung des Täters notwendige Bedingung der intendierten Verdeckung. Ist er sich der tatobjektsbezogenen Wirkung seiner Handlungsweise in diesen Konstellationen nicht gewiß, liegt jeweils Absicht hinsichtlich des Brandstiftungserfolges (nicht aber dolus ebentualis) und damit auch Verdeckungsabsicht vor. Sollte die Tätervorstellung wie skizziert ausgestaltet sein, ist die Annahme lediglich bedingten Brandstiftungsvorsatzes ausgeschlossen.135

IV. Tatbeteiligungen Das Gesetz hat bei der Anknüpfung der Qualifikation an die auf die Begehung oder Verdeckung einer anderen Straftat gerichteten Absicht den Täter erfassen wollen, der die Brandstiftung täterschaftlich („der Täter") verwirklicht und bei Ausführung der Tathandlung des Grunddelikts die geforderte Absicht aufweist. Dieses gesetzliche Leitbild ermöglicht nicht ohne Schwierigkeiten die Beurteilung vom Leitbild abweichender tatsächlicher Konstellationen. Vor einer Untersuchung unterschiedlicher Fallgestaltungen von Tatbeteiligungen soll zunächst das gesetzliche Leitbild klarer konturiert werden, um eine sichere Basis für die nachfolgenden Überlegungen zu gewinnen. Der Strafgrund der Qualifikation gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.2 besteht in dem Intentionsunwert, d.h. der finalen Verknüpfung zwischen der Brandstiftung und der Ermöglichung oder Verdeckung einer weiteren Straftat. Diesen Intentionsunwert weist ausschließlich derjenige auf, dem die Ausführung der Brandstiftung täterschaftlich (auch mittäterschaftlich) zuzurechnen ist und der im Moment des Inbrandsetzens bzw. der Brandlegung in der entsprechenden Absicht

134

Was aus den sogleich im Haupttext genannten Gründen in praktischer Hinsicht ausgeschlossen erscheint. 135 Insoweit ist die Problematik der zu § 211 „Verdeckungsabsicht" bekannten parallel. Die im dortigen Zusammenhang bekanntgewordenen Fallgestaltungen, in denen der Täter einerseits die Tötung des Opfers als einziges Mittel zur Straftatverdeckung gesehen haben, andererseits aber lediglich mit bedingten Tötungsvorsatz vorgegangen sein soll, beruhen entweder auf einer Verkennung der Absicht als Vorsatzform oder auf denkgesetzlichen Widersprüchen; vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, § 211 Rdnr. 35.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

handelt. Sukzessive Mittäterschaft dergestalt, daß eine Person erst nach dem Inbrandsetzen/der Brandlegung in Kenntnis dessen Verdeckungs- bzw. Ermöglichugsabsicht - angesichts der als günstig empfundenen Gelegenheit - faßt, kommt bei § 306 b Abs. 2 Nr.2 nicht in Betracht. Das gilt selbst dann, wenn die entsprechende Person zwar mittäterschaftlich an dem Grunddelikt beteiligt ist, aber während dessen Ausführung (noch) nicht im Hinblick auf den verfolgten Zweck absichtlich handelt. Es fehlt die finale Verknüpfung zwischen Grundelikt und Bezugstat, die den Strafgrund der besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.2 bildet. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt des Unterlassens der Abwendung des Brandstiftungserfolges durch einen an dem Grunddelikt Tatbeteiligten, der die Verdeckungs-/Ermöglichungsabsicht erst nach dem Inbrandsetzen/der Brandlegung bildet. Für den Finalzusammenhang beim Raub wird die Auffassung vertreten, diesen weise selbst deijenige Täter auf, der zwar im Moment der Gewaltanwendung nicht mit Wegnahmevorsatz handele, diesen Vorsatz aber in einem Zeitraum fasse, in dem er als Garant (meist aus Ingerenz) verpflichtet ist, die Wirkung der Gewaltanwendung (etwa Fesselung des Opfers) wieder aufzuheben und dies unterläßt. 136 Selbst wenn die Gleichstellung von Gewaltanwendung durch aktives Tun und durch Unterlassen für die Nötigungshandlung in § 249 überzeugend wäre, 137 kommt eine Übertragung des Gedankens auf die Ausnutzung einer Brandstiftung durch Unterlassen nicht in Betracht. Zwar ist eine Brandstiftung durch Unterlassen konstruktiv möglich (näher unten 6.Kap.A.), setzt aber entsprechend dem zum aktiven Tun Gesagten 1 3 8 bzgl. des Inbrandsetzens nach Eintritt der formellen Vollendung das Hervorrufen eines neuen Brandherdes voraus. Beschränkt sich der erst nach Inbrandsetzen mit Verdeckungs-/Ermöglichungsabsicht handelnde Mittäter der schweren Brandstiftung gemäß § 306 a auf die Nichtabwendung des Weiterbrennens des Tatobjekts ist dieses Verhalten strafrechtlich nicht als Brandstiftung gemäß §§ 306 a, 13 vorwerfbar und kann daher die Finalität der Vornahme der Brandstiftung zu Ermöglichung bzw. Förderung der weiteren Zwecks nicht vermitteln. Mit der Forderung nach dem Vorhandensein von Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht als täterschaftsbegründend bewegt sich die hier vorgeschlagene Lösung in den Bahnen der herkömmlichen Anforderungen an die Täterschaft in allen ihren Erscheinungsformen. Neuerdings ist bezüglich überschießender

136 Eser, in: Schönke/Schröder, § 249 Rdnr. 6; ders., NJW 1965, S. 377, 378ff.; Jakobs, JR 1984, S. 385, 386; Seelmann, JuS 1986, 201, 203; vgl. auch Lesch, Sukzessive Beihilfe, S. 277,311 f. 137 Beachtliche Gegengründe bei Joerden, JuS 1985, S. 20, 26 f.; siehe auch Otto, JZ 1985, S. 21, 26. 138 Oben 2.Kap.A.II.2.b.

D. Mit Bezugstaten verknüpfte Brandstiftungen

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Innentendenzen139 die Notwendigkeit, deren Vorhandensein in eigener Person als täterschaftsbegründendes Merkmal zu verstehen, in Abrede gestellt worden. 140 Lesch schlägt vor, auf die bisherige Bedeutung des gemeinsamen Tatentschlusses zu verzichten und stattdessen mittäterschaftliche Haftung als ein Moment der objektiven Zurechnung zu begreifen. 141 Für die Mittäterschaft bei Delikten mit überschießender Innentendenz soll - entsprechend den Regeln der Zurechnung objektiver Tatbeiträge - genügen, daß bei Handlungen eines sog. Kollektivs die tatbestandsspezifische besondere Absicht von einem Beteiligten eingebracht wird und „der kollektiven Leistung insgesamt ihren spezifischen Planungszusammenhang verleiht". 142 Lesch unterscheidet bei den überschießenden Innentendenzen zwischen deliktstypisierenden und täterbeschreibenden. Erstgenannte sollen als voll akzessorisch behandelt werden, so daß es genügt, wenn ein Tatbeteiligter (Täter oder Gehilfe) diese Tendenz in eigener Person aufweist und die übrigen Beteiligten davon Kenntnis haben. 143 Die Unterscheidung beider Typen überschießender Innentendenzen ist für Lesch eine Auslegungsfrage der einzelnen Tatbestände des Besonderen Teils. 144 Verstehe ich Lesch recht, entspricht die Differenzierung in deliktstypisierende und täterbeschreibende Merkmale im wesentlichen der zu § 28 gebräuchlichen Unterscheidung zwischen tat- und täterbezogenen Merkmalen. Ob der Paradigmenwechsel bei der Frage mittäterschaftlicher Haftung vom gemeinsamen Tatentschluß hin zu einer (weitgehend) objektiven Zurechnung der Tatbeiträge überzeugt, mag hier dahinstehen.145 Entgegen der etwa von Tröndle 146 vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht des Mordtatbestandes keinesfalls um tatbezogene, sondern um im Sinne von § 28 Abs. 1 be-

139 Die Einordnung der Ermöglichungsabsicht aber wohl auch der Verdeckungsabsicht in verschiedene Kategorien besonderer subjektiver Merkmale bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Mir scheint eine Einordnung der Merkmale als Absichtsmerkmale bei unvollkommen-zweiaktigen Delikten (eindeutig etwa bei § 307 Nr.2 |a.F.) möglich. Neuerdings werden Ermöglichungs- (etwa bei Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 373 mit Fußn. 1) aber auch Verdeckungsabsicht (etwa von BGHSt 35, 116, 120 ff.) den Gesinnungsmerkmalen zugeschlagen. Welche Konsequenzen daraus für die Frage der Tatbeteiligung zu ziehen sind, wird unterschiedlich beurteilt; Nachw. bei Stein, aaO., S. 379 f. mit Fußn. 2-4. 140 Lesch, Sukzessive Beihilfe, S. 288 ff.; ders., ZStW 105 (1993), S. 271, 287 f.; ders., GA 1996, S. 345, 347. 141 Lesch, ZStW 105 (1993), S. 271 ff., vor allem S. 281 ff.; vgl. auch Derksen, GA 1993, S. 163, 170 ff.; zur Kritik treffend Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295 ff. 142 Lesch, Sukzessive Beihilfe, S. 292. 143 Lesch, aaO. 144 aaO. 145 Beachtliche und für mich überzeugende Gegengründe bei Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295 ff. 146 §211 Rdnr. 14 m Nachw.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

sondere persönliche (täterbezogene) Merkmale, 147 Entsprechendes gilt auch für die Absichtsmerkmale der besonders schweren Brandstiftung. Die Merkmale kennzeichnen die spezifische Motivation des Brandstifters, bereit zu sein, um der Ermöglichung oder Verdeckung möglicherweise nur geringen kriminellen Unrechts eine für Leib und Leben anderer generell gemeingefährliche Brandstiftung auszuführen. Da es sich daher nicht um iSv. Lesch deliktstypisierende Merkmale handelt, können sie keinesfalls als voll akzessorisch behandelt werden. Die bloße Kenntnis einer entsprechenden Absicht eines (Mit)Täters und ihre Einbringung in den kollektiven Planzusammenhang begründen für diejenigen, die im Zeitpunkt der Ausführung des Grunddelikts nicht selbst die geforderte Absicht aufweisen, keine mittäterschaftliche Haftung. Ist die Existenz von Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht täterschaftsbegründend, können bei § 306 b Abs. 2 Nr.2 die gleichen Schwierigkeiten der Begründung mittelbarer Täterschaft bei Einsatz eines sog. absichtslosen dolosen Werkzeugs auftreten, wie sie von anderen spezifische Absichten aufweisenden Delikten bekannt sind. 148 Veranlaßt A den Β mit Mitteln unterhalb von Täuschung und Nötigung dazu, eine Brandstiftung gemäß § 306 a zu begehen (ohne weitere Beteiligung des A an der Ausführung der Brandstiftung), in der Absicht, die von Β bewirkte Brandstiftung zur Begehung einer Folgetat auszunutzen, ohne daß Β seinerseits in Ermöglichungsabsicht handelt, wäre A lediglich gemäß §§ 306 a, 26 zu bestrafen, wenn der Einsatz des dolosen, aber der spezifischen Absicht entbehrenden Werkzeugs Β nicht zur mittelbaren Täterschaft führte. 149 Eine abschließende Stellungnahme setzte eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Lehren von Täterschaft und Teilnahme voraus und kann hier nicht geleistet werden. Angedeutet sei jedoch, daß die Ansätze, mittelbare Täterschaft bei „Einsatz" eines absichtslosen dolosen Werkzeugs über eine Normativierung des Tatherrschaftgedankens zu begründen, 150 letztlich den Nachweis dafür schuldig bleiben, welches Moment bezüglich der Ausführung der Tat ein zur (mittelbaren) Täterschaft führendes Übergewicht des Hintermannes begründen soll, obwohl der Grad dessen Einflußnahme auf den Vordermann nicht über den einer Anstiftungshandlung hinausgeht.

147 Dazu knapp und überzeugend Jakobs, NJW 1970, S. 1089 re.Sp.; siehe aber auch oben Fußn. 139. 148 Siehe Jescheck/Weigend, AT, § 62 II 7 S. 670; Roxin, in: LK, § 25 Rdnr. 140. 149 Bejahte man mittelbare Täterschaft des A zu § 307 Nr.2 a.F, machte sich Β außer wegen unmittelbarer Täterschaft gemäß § 306 a.F. auch wegen Beihilfe zu § 307 Nr.2 a.F. strafbar, wenn er die Ausnutzungsabsicht des A kannte; richtig Paul Wolf, Betrachtungen über die mittelbare Täterschaft, S. 62 gegen Beling, ZStW 28 (1908), S. 589, 592, der die Möglichkeit tateinheitlicher Begehung von Täterschaft zum Grundelikt und Beihilfe zur Qualifikation in Abrede stellt. 150 Jescheck/Weigend, (wie Fußn. 148) mit zahlr. Nachw.

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens

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Da es sich bei der Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht im Moment der Ausführung der Brandstiftung um ein strafschärfendes besonderes persönliches Merkmal handelt, 151 können Teilnehmer des Grunddelikts, die selbst nicht mit entsprechender Absicht agieren, nicht aus dem Strafrahmen des qualifizierten Delikts bestraft werden. 152 Dagegen führt eigene Ausnutzungsabsicht des (nach allgemeinen Regeln) Teilnehmers an der Brandstiftung zur Strafbarkeit aus § 306 b Abs. 2 Nr.2 entsprechend der jeweils einschlägigen Beteiligungsform, selbst wenn der Täter der Brandstiftung aus § 306 a diese Absicht nicht aufweist (§ 28 Abs. 2).

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens § 306 b Abs. 2 Nr.3 stellt als Qualifikation der schweren Brandstiftung aus § 306 a neben der Ausführung der Brandstiftung im Sinne des Inbrandsetzens bzw. der Brandlegung als unrechtserhöhendes Merkmal auf die Herbeiführung eines weiteren 153 Erfolges, der Erschwerung oder Verhinderung des Löschens, ab. Damit unterscheidet sich die neugestaltete Vorschrift in zwei Merkmalen erheblich von ihrer Vorgängerin § 307 Nr.3 a.F. 154 Die bisher bestehende Beschränkung der Handlungen, die das Erschweren bzw. Verhindern des Löschens bewirken sollten, auf das Entfernen oder Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften 155 ist weggefallen. Zudem genügt nicht mehr die auf Erschwerung/Verhinderung des Löschens des Brandes gerichtete Intention des Brandstifters, sondern Voraussetzung der Vollendungsstrafbarkeit ist die reale Bewirkung einer solchen Beeinträchtigung des Löschens. Entsprechend der durchgängigen

151 Vgl. aber auch Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 373 Fußn. 1 iVm. S. 379; handelte es sich bei beiden Absichtsmerkmalen lediglich um sog. Gesinnungsmerlanale, entfiele die Strafbarkeit des absichtslosen Teilnehmers aus § 306 b Abs. 2 Nr.2, wenn man mit einer stark vertretenen Ansicht (Roxin, in: LK, §28 Rdnm. 11 und 16 m.Nachw.) auf derartige Merkmale § 29 anwendete. 152 Ob § 28 Abs. 2 zu einer Tatbestands- oder nur einer Strafrahmenverschiebung führt, ist bekanntlich umstritten; siehe nur Roxin, in: LK, § 28 Rdnm. 4 ff. mit Nachw. auch zur Gegenansicht. 153 Falls das Grunddelikt einen tatobjektsbezogenen Erfolg im Sinne des Inbrandsetzen oder der (wenigstens) teilweisen Zerstörung durch Brandlegung herbeiführt. Zu Versuchskonstellationen unten II.3. 154 § 307 Nr.3 a.F. war wissenschaftlich kaum erforscht worden. Eine Ausnahme bildetet lediglich die Dissertation von Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten, S. 13 ff., 66 ff.; die Verdienste der Arbeit um die Klärung der Struktur und der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 307 Nr.3 a.F. sind in der Rezension von Lesch, GA 1996, S. 345 ff. leider nicht berücksichtigt worden. 155 Über das Verständnis dieser Tathandlungen Woelk, aaO., S. 15 ff.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

Vorgehensweise der Reform des Brandstrafrechts im Zuge des 6. StrRG 156 bei den besonders schweren Fällen wurde die Strafuntergrenze auf fünf Jahre Freiheitsstrafe abgesenkt. Die Reform des früheren § 307 Nr.3 war überfällig. Die überkommene Fassung der Qualifikation legte als gesetzliches Leitbild tatsächliche Verhältnisse der Brandbekämpfung zugrunde, die sich in der heutigen Zeit nicht wiederfinden, ja die möglicherweise schon bei Aufnahme des § 307 Nr.3 a.F. in das RStGB nicht (mehr) bestanden haben. Das Entfernen und Unbrauchbarmachen von Löschgeräten knüpfte an einen räumlichen Zusammenhang von Tatobjekt und Brandbekämpfungsgerätschaften an, der in Zeiten weitgehender Übertragung der Brandbekämpfung auf professionelle oder wenigstens geschulte ehrenamtliche Löschmannschaften mit eigenem Löschgerät nicht mehr der Regelfall ist. Andererseits hat die moderne Technik vor allem bei großräumigen feuergefährdeten Tatobjekten (Fabrikhallen, Kaufhäuser, Lagerhallen etc.) durch lokale fest installierte Löschvorrichtungen (etwa Sprinkleranlagen) tatsächliche Verhältnisse geschaffen, die den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers über den Zusammenhang von Löschgeräten und Brandbekämpfung durchaus entsprechen. Der Verzicht des neuen Rechts auf die Statuierung lediglich bestimmter Vorgehensweisen der Erschwerung des Löschens hat den Vorzug, die Gesetzesanwendung von derlei Wandlungen der faktischen Verhältnisse des Löschens unabhängig zu machen.

I. Unrechtsgehalt Vor dem Hintergrund des Übergangs von der bloß intendierten schädigenden Einwirkung auf das Löschen zu einer realen Beeinträchtigung des Löschens läßt sich die zum früheren Recht vertretene Sicht, den gegenüber dem Grunddelikt § 306 a (§ 306 a.F.) gesteigerten Unrechts- bzw. Schuldgehalt und damit den Grund der Strafschärfung allein in dem - allerdings durch das Entfernen oder Unbrauchbarmachen betätigten - besonders intensiven verbrecherischen Willen des Brandstifters zu finden, 157 nicht mehr aufrechterhalten. Der Rekurs ausschließlich auf den intensiven verbrecherischen Willen des Brandstifters ließ bereits zum bisherigen Recht wesentliche Strukturmerkmale der Qualifikation außer Betracht und ist nunmehr vollständig obsolet geworden. Zu § 307 Nr.3 a.F. wies sowohl das objektive wie das subjektive qualifizierende Moment einen deutlichen Bezug zu der Einwirkungsintensität der schweren Brandstiftung 156 Zur Leitlinie des 6. StrRG bei der Ausgestaltung der Qualifikationstatbestände von Verbrechen Kreß, NJW 1998, S. 663, 668. 157 So etwa Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 13 a.E.; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 51 f.; Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 27.

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens

353

(Grundelikt) hinsichtlich der durch das Grunddelikt geschützten Rechtsgüter Leib und Leben auf. Durch die objektiv erforderliche Entfernung oder Unbrauchbarmachung von Löschgerätschaften erhöhte sich zumindest das Maß der generellen Gefährlichkeit der schweren Brandstiftung für die geschützten Rechtsgüter. Wenn Löschgerätschaften, die ohne den Zweitakt des Brandstifters zur Verfügung gestanden hätten, nicht zur Brandbekämpfung eingesetzt werden konnten, verstärkte sich regelmäßig die Wirkung der Brandstiftung auf die geschützten Rechtsgüter. In der Steigerung der rechtsgutsbezogenen generellen Gefährlichkeit des Grunddelikts lag damit der eigentliche Strafgrund der Qualifikationen des § 307 Nr.3 a.F. Zu dieser objektiven Verstärkung der Gemeingefährlichkeit des Grunddelikts trat als subjektives Moment der zielgerichtete und planmäßige (finale) Einsatz des Entfernens etc. der Löschgeräte, um die rechtsgutsbezogene Wirkung der schweren Brandstiftung zu erhöhen. 158 Das angesprochene objektive Unrechtserhöhungsmoment, die Verstärkung der generellen Gemeingefährlichkeit der Tathandlung des Grunddelikts (§ 306 a Abs. I ) , 1 5 9 ist nach der Umgestaltung der Qualifikation durch das 6. StrRG sehr viel schärfer als im bisherigen Recht konturiert. Da eine reale Beeinträchtigung der Brandbekämpfung bewirkt sein muß, hat sich die Wirkkraft des Feuers bzw. Brandes auf das Objekt und vermittels dessen typischerweise auch auf die geschützten Rechtsgüter erhöht. Dabei kommt es nicht auf ein Umschlagen der generellen Gefährlichkeit der Tatausführung in eine (rechtsgutsbezogen) konkrete Gefährlichkeit der Tathandlung (iSv. Hirsch) 160 oder gar eine durch die schädigende Einwirkung auf das Löschen hervorgerufene konkrete Rechtsgutsgefahr an. Die durch den Zweitakt 161 bewirkte Steigerung der generellen Gefährlichkeit des Grunddelikts in dem genannten Sinne genügt, so daß ein in Relation zu § 306 a erhöhtes Handlungsunrecht vorliegt. Außer dem derart erhöhten Handlungsunrecht bildet die mit der in der Erschwerungshandlung etc. betätigte besonders intensive kriminelle Energie des Brandstifters den Strafgrund der Qualifikation des § 306 b Abs. 2 Nr.3. Diese 158 Ähnlich wie hier bzgl § 307 Nr.3 a.F. Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten, S. 17, 20 f.; siehe auch Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 380. 159 Die Begehung der Brandstiftung an Tatobjekten gemäß § 306 Abs. 1 ist mittelbar über § 306 a Abs. 2 einbezogen. Voraussetzung ist aber, daß der Brandstifter, der die Brandlegung bzw. das Inbrandsetzen an Tatobjekten des § 306 Abs. 1 vollzieht, vorsätzlich eine ihm zurechenbare konkrete Gesundheitsgefahr für einen anderen Menschen verursacht. Die praktische Bedeutung der Einbeziehung des § 306 a Abs. 2 als Grunddelikt mag daher hier von geringerer Bedeutung sein als für § 306 b Abs. 2 Nr.l, da dort das Erfordernis konkreter Todesgefahr objektiv und subjektiv die konkrete Gesundheitsgefahr beinhaltet. 160 Oben Einl.B.I. Text nach Fußn. 53. 161 Damit ist eine zwingende zeitliche Abfolge für die Brandstiftungshandlung einerseits und die das Verhindern oder Erschweren des Löschens herbeiführende Handlung nicht gemeint.

23 Radtke

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

kriminelle Energie spiegelt sich in der Verhinderung oder Erschwerung des Löschens wider. Der die Qualifikation verwirklichende Täter beläßt es nicht bei der Ausführung der für die tatbestandlich geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit generell gemeingefährlichen Tathandlung, sondern verstärkt deren Gefährlichkeitspotential mittels einer in Bezug auf das Erschweren oder Verhindern des Löschens vorsätzlichen Handlung. Abweichend von § 307 Nr.3 a.F. erfordert § 306 b Abs. 2 Nr.3 jedoch keine finale Verknüpfung zwischen der erfolgreich schädigenden Einwirkung auf die Brandbekämpfung und der Verstärkung des Gefährlichkeitspotentials des Grunddelikts. 162 Das Erfordernis eines derartigen Finalzusammenhanges, Entfernung etc. der Löschgeräte zielgerichtet und planmäßig zur Erhöhung der rechtsgutsbezogenen Wirkung der schweren Brandstiftung, fand seine Rechtfertigung einerseits in der anders nicht legitimierbaren drakonischen Strafdrohung des § 307 Nr.3 a.F. und andererseits darin, daß das frühere Recht auf die Realisierung der Erschwerung/Verhinderung des Löschens verzichtete und sich stattdessen mit einer auf Erreichung dieser Ziele gerichteten Absicht (überschießende Innentendenz) begnügte. § 306 b Abs. 2 Nr.3 verlangt einen Erfolg der das Löschen beeinträchtigenden Handlung in Gestalt der Erschwerung oder Verhinderung und setzt daher eben wegen dieses Erfolges regelmäßig einen höheren Grad der Verstärkung der rechtsgutsbezogenen Wirkkraft der Brandstiftung voraus, als dies bei dem von der Wirkung auf den Löscherfolg abstrahierenden Entfernen oder Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften der Fall war. Dieses gegenüber § 307 Nr.3 a.F. gesteigerte Gefährlichkeitspotential begründet ein ebenso gesteigertes Handlungsunrecht, das die zudem drastisch abgesenkte Strafdrohung ohne ein zusätzliches subjektives Merkmal im Sinne eines Finalzusammenhanges legitimiert. II. Tathandlungen und Taterfolge § 306 b Abs. 2 Nr.3 hat die ebenso lückenhafte wie - hinsichtlich der Auswahl der Gründe für die Erschwerung des Löschens - zufällige Regelung in § 307 Nr.3 a.F. verabschiedet. Fallgestaltungen, die sowohl in Bezug auf die Erhöhung der Gefährlichkeit des Grunddelikts als auch in Bezug auf die zum Ausdruck gekommene kriminelle Energie des Brandstifters den mit der Formel „Entfernen oder Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften" erfaßbaren Fällen entsprachen, dennoch aber dem bisherigen Recht nicht unterfielen, sind mannigfaltig und in der Literatur häufig aufgezählt worden. Der beinahe klassische Fall einer Verhinderung oder Erschwerung des Löschens, der nicht unter § 307 Nr.3 a.F. subsumierbar war, ist das - auch heute zumindest bei Freiwilli162

Über den bei § 307 Nr.3 a.F. erforderlichen Finalzusammenhang Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten, S. 17, 20 f.

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens

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gen Feuerwehren kleinerer Gemeinden nicht absurde - Beispiel des Betrunkenmachens der Löschmannschaften. 163 Weniger lebensfremd ist das gleichfalls als Anwendungsfall des § 307 Nr.3 a.F. streitig gebliebene Abstellen der Wasserzufiihr. 164 § 306 b Abs. 2 Nr.3 nimmt diese Konstellationen in seinen Regelungsbereich auf. Relevant als zu der Vornahme der Brandstiftung hinzutretendes Tatbestandsmerkmal ist das (vorsätzliche) Verursachen eines auf das Löschen des Brandes bezogenen Erfolges, der sich als Erschweren oder Verhindern darstellt (dazu 2.). Die Vorschrift ist als zweiaktiges Delikt aus Brandstiftungshandlung und auf Erschwerung etc. des Löschens gerichteter Handlung ausgestaltet. 1. Tathandlungen Als Zweitakt, d.h. als auf die Erschwerung etc. des Löschens gerichteter Akt, 1 6 5 kommt jede Handlung des Täters aber auch jede garantenpflichtwidrige Unterlassung (dazu 6.Kap.B.) in Betracht, die Ursache für das Erschweren oder Verhindern des Löschens des Brandes ist. Die nach altem Recht hinsichtlich des Merkmals „Unbrauchbarmachen" feinsinnigen Differenzierungen nach Einwirkung auf die technische Funktionsfähigkeit einer Löschgerätschaft einerseits und auf seine bloße Verwendungsfähigkeit andererseits 166 sind hinsichtlich § 306 b Abs. 2 Nr.3 nicht mehr von Relevanz. Sowohl die Einwirkung auf die technische Funktionsfähigkeit des Löschfahrzeugs der Feuerwehr, wenn diese zur Behinderung des Löschens führt, wie auch das Absperren der Wasserzufuhr des für das Löschfahrzeug allein erreichbaren Hydranten lösen die Strafbarkeit den entsprechenden Erfolg vorausgesetzt - nach dem Qualifikationstatbestand aus. Maßgeblich ist allein die Ursächlichkeit des Brandstifters für den Erfolg, das Löschen der Brandes erschwert oder verhindert zu haben. 2. Taterfolge Offenbar weil für das bisherige Recht die auf Erschwerung bzw. Verhinderung des Löschens gerichtete Absicht des Brandstifters hinreichte, finden sich

163

Etwa Schaper, in: v.Holtzendorff, Hdb. des deut. Strafrechts, Band III, S. 886 Fußn. 5; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 51. 164 Das Abstellen des Wassers für die Löschmannschaften ist von der älteren Literatur ganz überwiegend nicht als gemäß § 307 Nr.3 a.F. strafbar angesehen worden; vgl. die zahlr. Nachw. bei Rüdorff RStGB, § 307 Anm.6 a.E.; im modernen Schrifttum stellen sich die Kräfteverhältnisse entgegengesetzt dar; vgl. Geppert, Jura 1989, S. 473, 477 einerseits und Horn, in: SK-StGB, § 307 Rdnr. 15 andererseits. 165 Siehe Fußn. 161. 166 Dazu Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten, S. 15 ff. 23*

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

im Schrifttum soweit ersichtlich keine Begriffsbestimmungen der beiden beeinträchtigenden Einwirkungen auf das Löschen. Auf einen gesicherten Erkenntnisstand kann bei der Interpretation der Merkmale daher nicht zurückgegriffen werden. Die Verhinderung des Löschens eines Brandes setzt einen in der konkreten Situation löschbaren Brand voraus. Wenn auch ohne eine von der Brandstiftungshandlung des Brandstifters verschiedene Handlung der durch diesen gelegte Brand nicht hätte gelöscht werden können, hat der Täter das Löschen nicht verhindert. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist eine vom Brandstifter verursachte Verhinderung notwendig. Konnte der Brand ohnehin nicht erfolgreich bekämpft werden, gab es keinen erzielbaren Löscherfolg, den der Täter hätte verhindern können. Die Prüfung des Merkmals „verhindert" erfordert damit eine Hypothese über die reale Möglichkeit, den gelegten Brand ohne die Manipulationshandlung des Brandstifters zu löschen. Entsprechendes gilt für die Erschwerung. Fehlt objektiv die physisch-reale Möglichkeit erfolgreicher Brandbekämpfung, kann die Herbeiführung eines (nicht erreichbaren) Löscherfolges, nicht erschwert werden. War etwa das zur Brandbekämpfung in der konkreten Situation, d.h. bis zur Beendigung der Brandstiftung, allein geeignete Löschmittel (etwa ein Feuerwehrfahrzeug zur Ausbringung von Löschschaum) wegen eines nicht vom Täter herbeigeführten Defekts nicht einsatzfähig, macht sich der Brandstifter nicht gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.3 strafbar, wenn er den Schlüssel für das entsprechende Tor der Fahrzeughalle der Feuerwache wegwirft. Kannte er die fehlende Einsatzfähigkeit des Fahrzeugs nicht, greift die Strafbarkeit wegen Versuchs des § 306 b Abs. 2 Nr.3 ein. Eine Verhinderung des Löschens durch den Brandstifter liegt vor, wenn er ursächlich und zurechenbar die Realisierung im Zeitraum bis zur Beendigung der Brandstiftung existenter und ohne seine Einwirkungshandlung wahrgenommener Möglichkeiten, den Brand bzw. das Feuer zu löschen, ausgeschlossen hat. Da es auf die tatsächliche Verhinderung und nicht lediglich auf die Intention des Verhinderns ankommt, gilt die zu § 307 Nr.3 a.F. allgemein akzeptierte Erkenntnis, daß die Frage, ob die Löschgerätschaften, auf die der Brandstifter schädigend einwirkte, ohne die Manipulationshandlung tatsächlich zum Löschen eingesetzt worden wären, für die Tatbestandserfüllung ohne Bedeutung sei, 167 für das neue Recht nicht mehr. Die hypothetische Prüfung des Verlaufs der Brandbekämpfung unter Wegdenken der Manipulationshandlung erstreckt sich auf die Existenz der Möglichkeit der Brandbekämpfung und die Nutzung dieser Möglichkeit. Denn verhindert kann nur ein solcher Erfolg werden, der ohne den störenden Eingriff des Täters erreicht worden wäre. Als Maßstab gilt die aus der Unterlassungsdogmatik bekannte Formel, nach der es im Rahmen 167 Geppert, Jura 1989, S. 473, 477; Horn, in: SK-StGB, § 307 Rdnr. 16; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 307 Rdnr. 10.

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens

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der Prüfung des hypothetischen Kausalverlaufs auf einen Eintritt des Löscherfolges mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ankommt. Soweit es um das Löschen durch technische Geräte, etwa Sprinkleranlagen, geht, bezieht sich die Prüfung auf deren - ohne die Manipulation - bestehende Einsatzfähigkeit. Größere Schwierigkeiten als der vollständige Ausschluß der an sich möglichen Brandbekämpfung bietet die schädigende Einwirkung auf das Löschen in der Gestalt der Erschwerung. Die Prüfung des hypothetischen Kausalverlaufs der Brandbekämpfung folgt den für das Verhindern genannten Regeln. Zu entscheiden ist, welchen Grades an Einwirkung auf die Möglichkeit des Löschens es für ein Erschweren der Brandbekämpfung bedarf. Berücksichtigt man den aus der Steigerung der rechtsgutsbezogenen Gefährlichkeit des Grunddelikts resultierenden Strafgrund der Qualifikation, lassen sich relativ verläßliche Anforderungen an die Erschwerung formulieren. Da die Erhöhung des rechtsgutsbezogenen Gefährlichkeitspotentials über die höhere Wirkkraft des Tatmittels Feuer auf das Handlungsobjekt vermittelt ist, können solche Beeinträchtigungen, die nach den tatsächlichen Verhältnissen des Brandes und den zur Verfügung stehenden Löschmöglichkeiten keine oder im Hinblick auf das Tatobjekt unerhebliche Auswirkungen auf das Ausmaß des Brandes/Feuers haben, nicht als Erschwerung des Brandes angesehen werden. Einwirkungen des Brandstifters auf die Möglichkeiten der Brandbekämpfimg, die im Hinblick auf das Gefährlichkeitspotential des Brandes/Feuers lediglich zu nicht relevanter zeitlicher Verzögerung des Löschens führen, genügen für eine Erschwerung nicht. D.h die vom Brandstifter bewirkte Erschwerung des Löschens muß so erheblich sein, daß infolge der schädigenden Einwirkung wenigstens typischerweise die Chancen des Löschens verschlechtert worden sind. Bagatellarische Einwirkungen auf die Brandbekämpfung, die lediglich zu kurzfristigen Verzögerungen des Löschens geführt haben oder die Brandbekämpfungsmittel betreffen, die ohne weiteres durch am Brandort vorhandene einsetzbare Mittel ersetzt werden können, ohne daß die Wirksamkeit des Löschens geschmälert ist, sind keine Erschwerung. Sperrt der Brandstifter etwa eine von zwei Feuerwehrzufahrten zum Tatobjekt, ohne daß der Zeitverlust durch die erforderlich gewordene Benutzung der anderen Zufahrt eine Ausdehnung des Feuers bewirkt, die im Hinblick auf dessen rechtsgutsbezogene Gefährlichkeit von Bedeutung wäre, ist der Qualifikationstatbestand nicht erfüllt. Der Sache nach geht es bei der Variante der Erschwerung damit um eine auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit bezogene Risikoerhöhung, wobei die Risikoerhöhung regelmäßig über die tatobjektsbezogene Wirkung des Brandes/Feuers vermittelt ist. Im Sinne einer Kontrollfrage für das Erschweren des Löschens des Brandes kommt es darauf an, ob durch die vom Täter verursachte Beeinträchtigung der existenten Löschmöglichkeiten, der Brand eine Ausdehnung erlangen konnte, die sich unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Brandgeschehens als nicht unerhebliche Erhöhung der von dem Brand ausgehenden Lebens- und Gesundheitsgefährlichkeit darstellt. Für die Beantwortung dieser Frage ist etwa maßgeblich,

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

ob infolge der Einwirkung auf das Löschen ansonsten bestehende Fluchtmöglichkeiten für Brandopfer abgeschnitten werden, die Rauchentwicklung ein höheres Maß erreicht, gesundheitsgefährliche Gasverbindungen sich bilden konnten oder das Feuer infolge des Eingriffs des Brandstifters in das Löschen eine größere Ausdehnung erreichen konnte, die sich in einer nicht völlig unerheblichen Verlängerung der für das Löschen ohne Manipulation benötigten Zeit niederschlägt u.ä. 3. Zeitliches Verhältnis von Grunddelikt

und Qualifikation

Für das objektive Unrechtsmoment ist der Zeitpunkt der Vornahme der Handlung, die die Verhinderung oder Erschwerung verursacht, in Relation zur Ausführung des Inbrandsetzens bzw. der Brandlegung nicht von Bedeutung. Tatbestandsmäßig ist das Handeln des Brandstifters zeitlich vor dem Inbrandsetzen/der Brandlegung wie zeitlich nach diesem. 168 Allerdings bedarf es bei vorausgehender Erschwerung/Verhinderung des Löschens im Sinne von § 306 b Abs. 2 Nr.3 mindestens des Versuchs des Inbrandsetzens bzw. der Brandlegung, um die (Versuchs)Strafbarkeit nach der Qualifikation auszulösen. Folgt die Tathandlung aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 der Brandstiftungshandlung nach, muß der Eingriff in die Möglichkeiten des Löschens spätestens bis zur Beendigung des Grunddelikts mit dem Ende der Tatobjektseigenschaft bzw. dem endgültigen Erlöschen des Brandes vorgenommen worden sein. 169 Andernfalls fehlt das objektive Unrechtsmoment. Eine Erhöhung der generellen Gefährlichkeit der Brandstiftung gemäß § 306 a ist nicht (mehr) zu erreichen. Zur Bedeutung des zeitlichen Zusammenhanges zwischen den Tathandlungen von Grunddelikt und Qualifikation für die subjektiven Merkmale des Tatbestandes siehe unten U L I . Der Umstand, daß die Ausführung der zur Verhinderung bzw. Erschwerung führenden Handlung (Unterlassung) zeitlich vor dem Inbrandsetzen bzw. der Brandlegung liegen kann, läßt unmittelbar keine Aussage darüber zu, welches Tatstadium das Grunddelikt erreichen muß, um zu einer Bestrafung wegen vollendeter besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.3 zu gelangen. Stellt man als Strafschärfungsgrund vor allem auf die Steigerung der generellen Gefährlichkeit des Grunddelikts ab, könnte außer dem zur Vollendung gelangten Verhindern bzw. Erschweren des Löschens die Vollendung des Grunddelikts Anwendungsvoraussetzung sein. Eine solche Forderung war al-

168

Allg. Meinung; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 306 Rdnr. 10. Unklar Graul, JR 1993, S. 295, 296, geht nur der Täter subjektiv davon aus, das Feuer sei noch nicht erloschen, während objektiv Beendigung der schweren Brandstiftung eingetreten ist, konnte sich der Täter lediglich wegen Versuchs des § 307 Nr.3 a.F. strafbar machen, weil es an der (objektiven) Steigerung der Gefährlichkeit des Grunddelikts fehlt. 169

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens

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lerdings lediglich für das alte Recht mit seiner Beschränkung auf die Tathandlung des Inbrandsetzens berechtigt. Die generelle Gefährlichkeit der auf diese Tathandlung begrenzten Brandstiftung aus § 306 a.F., deren (abstrakte) Steigerung § 307 Nr.3 a.F. wegen der generellen Verminderung der Brandbekämpfungsmöglichkeiten zur Voraussetzung hatte, erforderte eine Erheblichkeit der Ausdehnung des Brandes des Tatobjekts, die erst mit dem Inbrandsetzen bestandswesentlicher Gebäudeteile erreicht war. 1 7 0 Auf der so beschriebenen generellen Gefährlichkeit der schweren Brandstiftung baute § 307 Nr.3 a.F. auf und erhöhte diese generell mittels der schädigenden Einwirkung auf die Löschgeräte. Vollendungsbestrafung aus § 307 Nr.3 a.F. verlangte daher eine vollendete Brandstiftung gemäß § 306 a.F. Das neue Recht hat diese bisherige Schutztechnik jedoch in zweierlei Weise modifiziert. Einerseits ist nicht mehr allein die über den Brand bestandswesentlicher Objektsteile notwendig vermittelte rechtsgutsbezogene generelle Gefährlichkeit erfaßt, sondern auch die von der TatobjektsWirkung partiell 171 abstrahierende unmittelbare Gefährlichkeit für Leben und Gesundheit der auf Verursachung eines Brandes gerichteten Handlung (z.B. Explosion des Zündstoffs) einbezogen.172 Andererseits bauen die Qualifikationen der schweren Brandstiftung dementsprechend nicht mehr durchgängig auf dieser tatobjektsvermittelten generellen Gemeingefährlichkeit auf, sondern knüpfen auch an die unmittelbare rechtsgutsbezogene oder die nicht über Bestandteile des Tatobjekts vermittelte Gefährlichkeit (Entwicklung gefährlicher Gase durch den Brand von Materialien im Tatobjekt, die nicht dessen bestandswesentliche Teile sind) an. So genügt als Ursache der Schaffung konkreter Todesgefahr iSv. § 306 b Abs. Nr.l etwa die angesprochene Explosion des Zündstoffs ebenso wie diese taugliche Ursache für die Todeserfolgsqualifikation in § 306 c ist. 173 Aus diesen Modifikationen der überkommenen Schutztechnik des Brandstrafrechts folgt bezüglich § 306 b Abs. 2 Nr.3, daß nicht allein auf die über den Brand bestandswesentlicher Tatobjektsbestandteile vermittelte Gemeingefährlichkeit abgestellt werden kann. Vielmehr bedarf die aus der Brandlegung, die sich nicht auf einen Brand wesentlicher Teile des Tatobjekts beschränkt, unmittelbar resultierende Lebens- und Gesundheitsgefährlichkeit des Grunddelikts Berücksichtigung. Deren Gefährlichkeitspotential ist jedoch nicht erst ab dem Erreichen eines Brandstadiums erreicht, das eine auch 170

Oben 2.Kap.A.II.2.a. Die Tathandlung der Brandlegung ist zwar im Grundsatz unabhängig von den tatobjektsbezogenen Wirkungen des Brandes, die Tatbestandsmäßigkeit der Brandlegung ist aber dennoch an einen Tatobjektserfolg, das wenigstens partielle Zerstören, geknüpft. Allerdings braucht die von der Tathandlung der Brandlegung ausgehende generelle Gefährlichkeit für die geschützten Rechtsgüter Leib und Leben ihre Quelle - anders als bei dem Inbrandsetzen - ihren Ursprung nicht notwendig in dieser Tatobjektswirkung zu haben; dazu ausführlich oben l.Kap.C.II.l.c. und 2.Kap.A.II.2.c. 172 Nachw. wie Fußn. zuvor. 173 Oben 3.Kap.B.I.l. 171

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

nur teilweise Zerstörung des Tatobjekts hervorgerufen hat. Entsprechend dem sub II.2. Ausgeführten kommt es hinsichtlich der Verhinderung bzw. Erschwerung des Löschens auf die bezüglich der Rechtsgüter Leben und Gesundheit relevante Steigerung des Gefährlichkeitspotentials des Grunddelikts durch ein störenden Eingriff in ansonsten bestehende Möglichkeiten der Brandbekämpfung an. Der Brand des Tatobjekts oder in dem Tatobjekt braucht lediglich ein Stadium erreicht haben, in dem er sich - ohne Eingriff in den weiteren Geschehensablauf durch Löschen - selbständig fortentwickeln kann. Erst in diesem Stadium existiert ein Brand, der wegen der Möglichkeit der Fortentwicklung selbst nach Erlöschen des Zündstoffs als generell gemeingefährlich für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit beschrieben werden kann. Besteht das Tatobjekt aus brennbaren bestandwesentlichen Teilen und hat der Brand diese erfaßt, bleibt es dementsprechend bei der für § 307 Nr.3 a.F. entwickelten Sicht, daß ein vollendetes Inbrandsetzen notwendige Voraussetzung der Bestrafung aus der Vollendungsstrafe der Qualifikation ist. Hinsichtlich der Brandlegung genügt ein Brand von nicht bestandswesentlichen Teilen des Tatobjekts oder von in diesem befindlichen Inventar etc., der sich auch nach Erlöschen des Zündstoffs fortentwickeln kann. Dieses Brandstadium liegt regelmäßig weit vor der formellen Vollendung der Tat in Gestalt der vollständigen oder teilweisen Zerstörung des Tatobjekts. Der Eintritt der formellen Vollendung ist damit keine notwendige Anwendungsvoraussetzung der Qualifikation. Den entsprechendem Tätervorsatz vorausgesetzt, kann wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.3 bestraft werden, wenn das Grunddelikt über das Versuchsstadium nicht hinausgelangt ist, der Brandstifter das Löschen aber durch einen Zweitakt erschwert hat. 174 Die Versuchsstrafbarkeit trifft auch denjenigen Brandstifter, der ohne Erfolg vorsätzlich eine Erschwerung oder Verhinderung des Löschens herbeizuführen entschlossen war.

I I I . Subjektive Voraussetzungen Für die objektive Tatbestandsmäßigkeit hatte sich ergeben, daß die zeitliche Abfolge von Grunddelikt und Tathandlung aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 beliebig ist. Entsprechendes gilt für die subjektiven Voraussetzungen der Qualifikation ebenfalls. Zwei Konstellationen sind zu unterscheiden: (a) Der Brandstifter 174 In praktischer Hinsicht wird eine solche Versuchskonstellation im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Verhinderung des Löschens kaum auftreten. Denkbar erscheinen Fallgestaltungen, in denen der Brandstifter den Einsatz der zur Verfügung stehenden Löschmittel erfolgreich vereitelt hat, der Brand aber zeitlich vor einer auch nur teilweisen Zerstörung des Tatobjekts ohne eine von Menschen in Gang gesetzte rettende Ursachenkette - etwa infolge plötzlich einsetzenden Regens - erlischt.

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens

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fuhrt die Tat gemäß § 306 a aus, ohne Vorsatz zur Erschwerung oder Verhinderung des Löschens aufzuweisen. Diesen Vorsatz faßt der Brandstifter erst, nachdem die Brandstiftungshandlung bereits ausgeführt worden ist, 1 7 5 und realisiert diesen mit dem gewünschten (wenigstens für möglich gehaltenen) Erfolg, (b) Die Handlung, die im Ergebnis das Verhindern oder Erschweren der Brandbekämpfung verursacht, erfolgt ohne den Vorsatz, zeitlich nachfolgend eine Brandstiftung zu begehen. Praktisch dürfte eine solche Fallgestaltung vor allem bei stationären Brandbekämpfungseinrichtungen (z.B. Sprinkleranlagen) im Zusammenhang mit vorsätzlichem garantenpflichtwidrigem Unterlassen von Bedeutung sein. So mag es der für die Funktionsfähigkeit der Sprinkleranlage eines Kaufhauses zuständige Mitarbeiter unterlassen, den ihm bekannten zur Funktionsunfähigkeit führenden Defekt der Anlage zu beseitigen. 176 In der Konstellation (a) wäre die Strafbarkeit aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 zu verneinen, wäre das volle Unrecht der Qualifikation erst ausgeschöpft, wenn der Brandstifter bereits im Moment der Vornahme der Brandstiftungshandlung mit der Vorstellung handelt, deren generelle Gefährlichkeit durch den schädigenden Eingriff in den rettenden Kausalverlauf, d.h die Erschwerung oder Verhinderung eines ohne den Zweitakt erzielbaren Löscherfolges, zu erhöhen. Eine solchen Finalzusammenhang erfordert der Qualifikationstatbestand jedoch nicht. Grund der Strafschärfung ist die Verschlechterung oder gar Vereitelung der Möglichkeiten der Brandbekämpfung infolge des Zweitaktes. Vereitelung von Rettungschancen wird aber auch in dem genannten Tatstadium noch bewirkt. Dementsprechend genügt für die Strafbarkeit aus § 306 b Abs. 2 Nr.3, den Entschluß zur Vornahme der schädigenden Einwirkung zeitlich nach dem Inbrandsetzen bzw. der Brandlegung zu fassen (Konstellation [a]). 1 7 7 Der Täter der Konstellation (b) kann ebenso aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 sanktioniert werden. Die Qualifikation erfordert - wie bereits ausgeführt (oben I. am Ende) - anders als noch § 307 Nr.3 a.F keinen Finalnexus zwischen der Vornahme der das Löschen beeinträchtigenden Handlung und der Steigerung der generellen Gefährlichkeit des Grunddelikts. In objektiver Hinsicht beruht die Strafschärfung gegenüber § 306 a auf dem wegen des erhöhten Gefahrenpotentials gleichfalls gesteigerten Handlungsunrechts. Dieses erhöhte Gefahrenpotential besteht unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Handlung, die nach Ausführung der Brandstiftung einen physisch-real möglichen Löscherfolg verhindert oder erschwert, ausgeführt wird. Dem objektiven Unrechtsgehalt entsprechend reicht subjektiv daher hin, daß der Brandstifter die Brandtat in Kenntnis der Handlung vornimmt, die die - im Moment der Ausführung der 175

Aber vor Beendigung der Tat aus § 306 a. Siehe dazu das Beispiel von Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten, S. 74. 177 Im Ergebnis wie hier Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten, S. 22 bzgl. §307 Nr.3 a.F. 176

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

Brandstiftung - vom Vorsatz umfaßte Erschwerung oder Verhinderung des Löschens herbeiführt. Hinsichtlich des Erschwerens bzw. Verhinderns des Löschens genügt - wie für den Brandstiftungserfolg auch - bedingter Vorsatz. IV. Beteiligungsformen Die Zweiaktigkeit des § 306 b Abs. 2 Nr.3 wirft Fragen nach den Konstellationen strafbarer Beteiligung an der besonders schweren Brandstiftung auf. Der Wortlaut der Vorschrift stellt auf die Verhinderung oder Erschwerung des Löschens durch den „Täter", d.h. den Täter der schweren Brandstiftung nach § 306 a, ab, so daß vor allem die Strafbarkeit solcher Personen näherer Untersuchung bedarf, die lediglich an einem der beiden Teilakte täterschaftlich mit eigenen Tatbeiträgen beteiligt sind. a) Täter der besonders schweren Brandstiftung im Sinne von § 306 b Abs. 2 Nr.3 ist derjenige, der beide Teilakte (Brandstiftung + Löschbehinderung verursachende Handlung) selbst vornimmt oder dem diese beiden Teilakte nach allgemeinen Regeln täterschaftlich zurechenbar sind. Keine Voraussetzung ist die eigenhändige Ausführung beider Teilakte, um als Täter aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 bestraft werden zu können. 178 b) Sukzessive Mittäterschaft solcher Personen, die sich erstmals nach Vornahme der Handlung, die das Löschen verhindert oder erschwert, an der dieser Handlung zeitlich nachfolgenden Brandstiftung beteiligen, kommt trotz des zum Vorsatz des Alleintäters Gesagten (oben III. zu Konstellation [b]) selbst dann nicht in Betracht, wenn der Mittäter der Brandstiftung bei deren Ausführung vorsätzlich im Hinblick auf den Erfolg des Verhinderns oder Erschwerens des Löschens handelt. Zwar beteiligt er sich auch bezüglich der Erschwerung oder Verhinderung vorsätzlich an einer Brandstiftung, deren rechtsgutsbezogenes Gefährlichkeitspotential wegen der vorangegangenen schädigenden Einwirkung (etwa Herbeiführung der Funktionsunfähigkeit der Sprinkleranlage des Tatobjekts) generell erhöht ist. Insoweit verhält es sich objektiv und subjektiv nicht anders als bei dem oben III. zu Konstellation (b) erörterten Alleintäter. Abwei178 Den von Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten, S. 121 zu § 307 Nr.3 a.F. ausgemachten Streit innerhalb der Literatur über die Anforderungen an die täterschaftliche Begehung der Teilakte vermag ich nicht zu erkennen. Die etwa bei Wolff, in: LK, § 307 Rdnr. 7 und Tröndle, § 307 Rdnr. 5 u.a. vertretene Position, die schädigende Einwirkung könne auch durch einen Dritten geschehen, ist zwar unpräzise formuliert, unterscheidet sich aber in der Sache nicht von der bei Horn, in: SK-StGB § 307 Rdnr. 19 und Cramer, in: Schönke/Schröder, § 307 Rdnr. 10 vertretenen Position. Soweit ich sehe, ist unbestritten, daß die Vornahme beider Teilakte täterschaftlich erfolgen muß.

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens

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chend von diesem ist dem erst nach Ausführung der Erschwerungshandlung etc. eintretenden Mittäter die bereits ohne seine Beteiligung vorgenommene Handlung, die den ohne diese Handlung erreichbaren Löscherfolg vereitelt oder beeinträchtigt, aber nicht zurechenbar. 179 Dem steht nicht entgegen, daß sich der auf das Löschen bezogene Erfolg, der ohne seine Beteiligung ausgeführten und im Moment der Ausführung nicht von einem gemeinsamen Tatentschluß umfaßten Einwirkungshandlung erst in einem Tatstadium realisiert, hinsichtlich dessen er mittäterschaftlich für die schwere Brandstiftung (§ 306 a) verantwortlich ist. Der auf das Löschen bezogene Erfolg ist zwar notwendig von dem Verursachen eines Brandes, dessen Löschen erschwert oder verhindert werden kann, abhängig. Aber abweichend von dem sub III. Konstellation (b) behandelten Alleintäter ist der Mittäter der Brandstiftung mangels Tatherrschaft bezüglich der zur Vereitelung etc. des Löscherfolges führenden Handlung für diese nicht zuständig, sondern nutzt lediglich die durch andere geschaffene günstige Gelegenheit, eine im Gefährlichkeitspotential gesteigerte schwere Brandstiftung zu begehen, aus. Die bloße Ausnutzung der nicht durch einen eigenen (mit)täterschaftlichen Beitrag bewirkten Möglichkeit, eine hinsichtlich der Brandbekämpfung beeinträchtigte Brandstiftung zu begehen, entspricht nicht der gesteigerten kriminellen Energie des Brandstifters, die neben dem erhöhten Handlungsunrecht den Strafschärfungsgrund bildet (oben I.). Diese kriminelle Energie ist bei demjenigen Täter vorhanden, der das Grunddelikt begeht und die Beeinträchtigung des Löschens ihm zurechenbar verursacht hat. Andernfalls wäre selbst derjenige (Allein)Täter aus der Qualifikation zu sanktionieren, der in Kenntnis ihm nicht zurechenbarer Beeinträchtigungen des Löschens eine Brandstiftung begeht. Aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 wäre zu bestrafen, wer in einem Kaufhaus einen Brand verursacht und weiß, daß die Sprinkleranlage aufgrund eines technischen Defekt, für den er weder hinsichtlich der Herbeiführung noch der Beseitigung zuständig ist, funktionsunfähig ist und die Brandbekämpfung dadurch nicht unerheblich verzögert (erschwert) wird. Gleiches hätte selbst für den Brandstifter zu gelten, der eine Brandstiftung an einem örtlichen Wohngebäude verübt, obwohl er Kenntnis davon hat, daß sich sämtliche Mitglieder der örtlichen freiwilligen Feuerwehr aus Anlaß des gerade stattfindenden Feuerwehrballes im Zustand der Volltrunkenheit befinden. § 306 b Abs. 2 Nr.3 sanktioniert jedoch allein denjenigen, der das Erschweren oder Verhindern des Löschens verursacht 180 („der Täter das Löschen des Brandes verhindert..."), nicht denjenigen, der einen bereits in Gang gesetzten Geschehensablauf, der die Möglichkeiten, den Brand zu löschen, behindert oder erschwert, zur Begehung

179 Allgemein zur Ablehnung mittäterschaftlicher Zurechung für solche Tatteile, die bereits vor dem Eintreten des (sukzessiven) Beteiligten verwirklicht sind Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 290 ff.; ders., in: LK, § 25 Rdnr. 195; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 71 f.; Gössel, Festschrift für Jescheck, S. 555 ff. 180 Zur Unterlassung unten 6.Kap.B.

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3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

der schweren Brandstiftung ausnutzt. Das gilt jedoch nicht nur für den Alleintäter, sondern auch den Mittäter, der lediglich an der Brandstiftung, nicht aber an der zur Löschbeeinträchtigung führenden Handlung beteiligt ist. In der umgekehrten Konstellation mittäterschaftlicher Begehung (der Täter beteiligt sich erst an der der Brandstiftungshandlung zeitlich nachfolgenden Erschwerung oder Verhinderung des Löschens) kann sich der Täter grundsätzlich ebenfalls nicht als (sukzessiver) Mittäter strafbar machen. Die bereits ohne seine Beteiligung ausgeführte Brandstiftung ist ihm nicht zurechenbar, obwohl er durch seine mittäterschaftliche Beteiligung an der schädigenden Einwirkung die generelle Gefährlichkeit des Grunddelikts steigert. Diese Steigerung der abstrakten Gefährlichkeit führt jedoch nicht zur Begründung von Tatherrschaft für die bereits ohne seine Beteiligung ausgeführte Brandstiftung. Darin liegt kein Widerspruch zu der oben III. (dort Konstellation [a]) eingenommenen Position, den Alleintäter auch dann aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 zu bestrafen, wenn er den Entschluß zur Vornahme der schädigenden Einwirkung zeitlich nach der - in Bezug auf die Erschwerung vorsatzlosen - Brandstiftung faßt. Im Unterschied zu der hier betrachteten Fallgestaltung ist der Einzeltäter für die Brandstiftung anders als der (sukzessive) Mittäter - als Täter zuständig. Anderes gilt lediglich für solche die allgemeinen Mittäterschaftsvoraussetzungen erfüllenden Beteiligungen an der Brandstiftung, die erst durch den Beitrag des hinzutretenden Mittäters in das Vollendungsstadium geführt werden oder die hinsichtlich des Inbrandsetzens einen neuen Brandherd hervorrufen. 181 In solchen Konstellationen wirkt sich die Handlung des später in das Geschehen eintretenden Mittäters auf den Brand, dessen Löschen er (mit)täterschafilich erschwert oder verhindert, aus, so daß er nach allgemeinen Regeln über die täterschaftliche Begehung für die Brandstiftung haftet. Entsprechend dem zuletzt Ausgeführten verhält es sich für Beteiligte, die außerhalb der Sukzessivfälle nach allgemeinen Regeln Mittäter der Brandstiftung gemäß § 306 a sind. Wie beim Einzeltäter erfordert ihre Strafbarkeit aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 nicht bereits im Zeitpunkt des Inbrandsetzens/der Brandlegung Vorsatz hinsichtlich der Einwirkung auf das Löschen, wenn die Erschwerungshandlung etc. zeitlich nachfolgen soll. Es genügt diesbezüglicher Vorsatz im Zeitpunkt der (wenigstens) mittäterschaftlich begangenen schädigenden Einwirkung auf das Löschen. c) § 306 b Abs. 2 Nr.3 in mittelbarer Täterschaft ist in unterschiedlichen Gestaltungen denkbar: (a) Der Hintermann, der täterschaftlich § 306 a begeht, setzt zur Ausführung der das Löschen beeinträchtigenden Handlung einen insoweit ohne Kenntnis der Brandstiftung handelnden Vordermann ein. (b) In Umkeh-

181 Über das Verständnis des Inbrandsetzens als initiativer Vorgang oben 2.Kap.A.II.2.b.

E. Brandstiftung und Beeinträchtigung des Löschens

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rung der zu (a) geschilderten tatsächlichen Verhältnisse bewirkt der Hintermann die vorsätzliche Ausführung der Brandstiftung durch den Vordermann, dem aber Kenntnis von der durch den Hintermann bereits vorgenommenen oder noch vorzunehmenden schädigenden Einwirkung auf das Löschen des Brandes fehlt. Die Gemeinsamkeit beider Fallgestaltungen besteht darin, daß der Vordermann unvorsätzlich jeweils lediglich in Bezug auf einen Teilakt der Qualifikation handelt. Trotz der Einordnung der beiden Konstellationen ([a] und [b]) als solche eines unvorsätzlichen Vordermannes, die gemeinhin als klassischer Fall der mittelbaren Täterschaft gilt, 1 8 2 bedarf es einer Zwischenüberlegung, die belegt, daß der jeweils eingeschaltete Tatmittler hinsichtlich der Tat aus § 3 0 6 b Abs. 2 Nr.3 insgesamt unvorsätzlich handelt und ungeachtet der vorsätzlichen Ausführung jeweils eines Teilaktes nicht selbst täterschaftlich aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 sanktioniert werden kann. Ohne diese Zwischenüberlegung läßt sich der die (mögliche) Tatherrschaft des Hintermannes begründende Umstand nicht plausibel darlegen. Die Besonderheit bezüglich des Vorsatzes des Tatmittlers resultiert aus der Struktur des zweiaktigen Delikts. Der Tatmittler agiert jeweils hinsichtlich eines der beiden Teilakte der Qualifikation vorsätzlich. Eine Bestrafung der auf das Löschen einwirkenden Person als Täter des § 306 b Abs. 2 Nr.3 scheidet bei (a) wegen fehlendem Vorsatz sowohl hinsichtlich der Brandstiftung als auch hinsichtlich der Vereitelung/Erschwerung des Löschens aus. Ohne Kenntnis des Brandes ist ein auf die Beeinträchtigung der Möglichkeiten, diesen Brand zu löschen, bezogener Vorsatz nicht denkbbar. Für die Konstellation (b) fehlt dem das Inbrandsetzen vornehmenden (möglichen) Tatmittler gleichfalls der für eine täterschaftliche Begehung notwendige auf die Beeinträchtigung des Löschens bezogene Vorsatz, weil ihm die Erschwerung oder Verhinderung des Löschens seitens des Hintermannes unbekannt ist. Da eine eigene täterschaftliche Bestrafung der „Vorderleute" aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 an einem oder beiden Elemente des auf beide Akte bezüglichen Vorsatzes scheitert, sind beide als undolose Tatmittler zu bewerten. Daraus folgt allerdings nicht zwingend, den jeweiligen Hintermann in den Konstellationen (a) und (b) als mittelbaren Täter auf der Grundlage des Einsatzes eines in Bezug auf den Gesamttatbestand vorsatzlosen Tatmittlers. So wollte Woelk bei den Ergebnissen der genannten Fallgestaltungen zu § 307 Nr.3 a.F. differenzieren und lediglich für (a) zu einer mittelbaren Täterschaft des Hintermannes gelangen.183 Für (b) verneinte sie mittelbare Täterschaft, weil der die Brandstiftung ausführende Vordermann insoweit vorsätzlich handele und - so wird man ihr Argument verstehen dürfen - es deshalb an einer über den fehlenden Tatvorsatz des Vorder-

182 183

Siehe nur Cramer , in: Schönke/Schroeder, § 25 Rdnr. 15 m. zahlr. Nachw. Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten, S. 85 f., 121.

366

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

mannes vermittelten Tatherrschaft des Hintermannes fehle. 184 Daran ist richtig, daß die objektive Einwirkungsintensität des Hintermannes auf den Ausführenden bezüglich der Brandstiftung nicht über die für eine Anstiftung typische Einwirkung hinausgehen mag, so daß an der täterschaftlichen Beherrschung des Brandstiftungsgeschehens durch den Hintermann Zweifel bestehen könnten. Woelk verkennt jedoch, daß dem in Bezug auf die Erschwerungshandlung unvorsätzlichen Vordermann die Bedeutung seines Verhaltens als Teilakt eines Gesamttatbestandes verborgen bleibt und nach der Vorstellung des Hintermannes auch gerade verborgen bleiben soll. Gewendet auf die besondere Struktur des zweiaktigen Deliktes handelt es sich dabei um eine Konstellation, die dem Einsatz eines vorsatzlosen Tatmittlers bei einaktigen Delikten weitestgehend entspricht, wenn der Hintermann - wie hier - den Handlungsentschluß des Vordermannes bewirkt hat. Der Hintermann macht sich daher in den Konstellationen (a) und (b) als mittelbarer Täter gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.3 strafbar. Für die jeweiligen Vorderleute gilt: zu (a) kommen lediglich § 303 und ggf. § 145 Abs. 2 Nr.2 in Betracht, eine Beteiligung an § 306 a scheitert an der fehlenden Kenntnis von der Brandstiftung; zu (b) ist der Vordermann Täter aus § 306 a; für eine gehilfenschaftliche Beteiligung an § 306 b Abs. 2 Nr.3 des Vordermannes fehlt es an dem auf die Haupttat bezogenen Gehilfenvorsatz. d) Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß Fallgestaltungen, in denen eine dem (möglichen) Täter nicht nach allgemeinen Regeln täterschaftlich zurechenbare schwere Brandstiftung ausgenutzt wird, indem nach Ausführung der „fremden" Brandstiftung unabhängig vom Brandstifter das Löschen erschwert oder verhindert wird, nicht zu einer Strafbarkeit aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 führen. 185 Das gilt entgegen Cramer 186 zu § 307 Nr.3 a.F. vertretenen Ansicht auch dann, wenn die das Löschen beeinträchtigende Handlung in einem Stadium vorgenommen wird, in dem mit entsprechenden Löschmitteln bereits ein rettender Kausalverlauf (etwa durch Beginn der Löscharbeiten) in Gang gesetzt war. Der Wortlaut des neuen § 306 b Abs. 2 Nr.3 ist unmißverständlich. Es kommt darauf an, daß „der Täter in den Fällen des § 306 a, das Löschen verhindert ..." Aus der Bezugnahme auf der „Täter in den Fällen des § 306 a" ergibt sich eindeutig, daß mit Täter derjenige der schweren Brandstiftung des § 306 a gemeint ist und nicht etwa derjenige, der, ohne Täter der Brandstiftung zu sein, als Täter das Löschen verhindert oder erschwert. Diesem Auslegungsergebnis entspricht

184

aaO. S. 85 Wie hier Horn, in: SK-StGB, § 307 Rdnr. 15; Woelk, aaO., S. 78; anders Cramer, in: Schönke/Schröder, § 307 Rdnr. 10 jedenfalls für den Fall, daß das Entfernen bzw. Unbrauchbarmachen den Abbruch einer bereits in Gang gesetzten rettenden Kausalkette bedeutet (für die Beschränkung auf diese Fallgruppe spricht der Verweis bei Cramer aaO. auf die Kommentierung zu § 25 Rdnr. 56, in der die genannte Konstellation behandelt wird); beide jeweils zu § 307 Nr.3 a.F. 186 Siehe Fußn. zuvor. 185

F. Brandstiftung mit Körperverletzung

367

auch der Grund der Strafschärfung in § 306 b Abs. 2 Nr.3. Das Unrecht der besonders schweren Brandstiftung aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 verwirklicht allein derjenige, dem täterschaftliche beide Teilakte zurechenbar sind (oben I. und Ill.b.) Der besonders intensive verbrecherische Wille setzt voraus, daß der Täter die generelle Gefährlichkeit der Brandstiftung, für die er selbst täterschaftlich zuständig ist, durch Eingriff in die Löschmöglickeiten steigert. e) Teilnehmer einer Straftat gemäß § 306 b Abs. 2 Nr.3 ist, wer in Kenntnis der vollständigen (zweiaktigen) Ausführung der Tat durch den Haupttäter diesen im Sinne von §§ 26, 27 unterstützt und vorsätzlich in Bezug auf den auf beide Akte gerichteten Vorsatz des Haupttäters handelt. Weiß der Teilnehmer nicht um die Vornahme der schädigenden Einwirkung auf das Löschen, ist er lediglich als Teilnehmer der schweren Brandstiftung aus § 306 a zu bestrafen. Wirkt sich seine Beteiligungshandlung dagegen umgekehrt allein auf die Erschwerung oder Verhinderung des Löschens aus (etwa Hilfe bei der Deinstallation einer Sprinkleranlage) und mangelt es an der Kenntnis von der Brandstiftung, kann er sich wegen des fehlenden auf die jeweilige Haupttat bezogenen Beteiligungsvorsatzes weder als Teilnehmer aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 noch aus § 306 a strafbar machen. Möglich bleibt eine Teilnahme an der Handlung, die das Löschen erschwert oder verhindert, wenn und soweit diese selbständig mit Strafe bedroht ist (z.B. § 303).

F. Brandstiftung mit Körperverletzung Mit § 306 b Abs. 1 hat der Reformgesetzgeber eine Qualifikation der einfachen (§ 306) und der schweren Brandstiftung (§ 306 a) eingeführt, die durch die Merkmale „schwere Gesundheitsschädigung" oder „Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen" an qualifizierte Verletzungserfolge anknüpft, die sich mittlerweile in einer Vielzahl anderer StrafVorschrifien wiederfinden (etwa §§ 330 Abs. 2 und 2, 330 a Abs. 1). Das gegenüber § 306 a gesteigerte Unrecht, das die im Hinblick auf die erforderlichen Verletzungserfolge moderate Anhebung der Strafuntergrenze auf zwei Jahre legitimiert, folgt aus der Realisierung der generellen Lebens- und Gesundheitsgefährlichkeit (§ 306 a Abs. 1) bzw. der konkreten Gesundheitsgefahr (§ 306 a Abs. 2) in einer Verletzung der Gesundheit eines oder mehrer Menschen. Undeutlich ist der Grund für die Einbeziehung des § 306 als Grunddelikt. Da § 306 b Abs. 1 auf § 306 a insgesamt verweist, ist die Tatbegehung an Objekten nach § 306, die zu einer iSv. § 306 b Abs. 1 relevanten Gesundheitsschädigung führen, ohnehin über die § 306 a Abs. 2 einbezogen. Die in der letztgenannten Vorschrift erforderliche konkrete Gesundheitsgefahr ist in der weitergehenden Gesundheitsschädigung enthalten. Bezüglich der an eine schwere Gesundheitsschädigung zu stellenden Anforderungen wird allgemein darauf verwiesen, eine der in § 226 (§ 224 a.F.) ge-

368

3. Kapitel „Qualifikationen und Erfolgsqualifikationen"

nannten schweren Folgen müsse nicht herbeigeführt worden sei. Bezugnehmend auf eine in verschiedenen Begründungen von strafrechtlichen Reformgesetzen verwendete Formulierung soll für eine schwere Gesundheitsschädigung gemäß § 306 b Abs. 1 ein Verfall des Opfers in ernsthafte und langwierige Krankheit oder eine erhebliche (aber offenbar nicht unbedingt irreversible) Beeinträchtigung seiner Arbeitskraft hinreichen. 187 Kennzeichnend ist eine nicht unerhebliche Einbuße der Gebrauchsfähigkeit der Sinne oder von Teilen des Körpers. 188 Der weitere qualifizierende Erfolg, die einfache Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, fügt sich beinahe harmonisch in die Struktur des generell gemeingefährlichen Grunddelikts ein, ist doch Gemeingefährlichkeit durch die Gefährlichkeit für eine unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger charakterisiert. 189 Die Schwierigkeit besteht in der Dezision, eine Mindestzahl von an der Gesundheit geschädigten Opfern festzulegen. In der Literatur finden sich Untergrenzen von 20 aber auch von 50 Geschädigten. 190 Für § 306 b Abs. 1 scheint Letztgenanntes überzogen. Gibt man sich entsprechend allgemeiner Auffassung für die alternierende schwere Gesundheitsschädigung mit Folgen deutlich unterhalb der des § 226 zufrieden, kann - soweit eine Abwägung mehrerer nur leicht Beeinträchtigter gegen einen schwerer Betroffenen überhaupt trägt - die Zahl der nicht schwer gesundheitlich Geschädigten nicht übermäßig hoch angesetzt werden. Bedenkt man zudem, daß bereits die zu konkreter Gesundheitsge/àAr eines Menschen führende Brandstiftung an Objekten des § 306 Abs. 1 als schwere Branstiflung gemäß § 306 a Abs. 2 mit einem Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe gewertet wird, so spricht der nicht übermäßige Sprung bei der Strafuntergrenze auf zwei Jahre im Falle des § 306 b Abs. 1 ebenfalls eher dafür, die Anforderungen an die Zahl der Verletzten nicht zu überspannen. Auch aus der Gemeingefährlichkeit der zugrundeliegenden Tathandlung lassen sich jedenfalls keine zwingenden Schlüsse für eine besonders hoch angesetzte Mindestanzahl Geschädigter gewinnen. Rechtsordnungen, die wie etwa das österreichische StGB in einigen Vorschriften (§§ 169, 176, 177 ÖStGB) das auf einer typischerweise gemeingefährlichen Tathandlung aufbauende Tatbestandsmerkmal konkreter Gemeingefahr aufweisen, lassen eine unter zehn liegende Zahl konkret Gefährdeter für eine solche Gefahr ausreichen. 191 Eine bei zwanzig an der Gesundheit geschädig-

187

Tröndle, § 330 Rdnr. 3; Kreß, NJW 1998, S. 633, 638 mit Nachw. Tröndle, aaO. 189 l.Kap.C.II.3.c. 190 Siehe Tröndle, § 330 Rdnr. 4 einerseits und Cramer, in: Schönke/Schröder, § 330 Rdnr. 4 andererseits jeweils mit Nachw. 191 Dazu oben l.Kap.C.II.3.c. Text nach Fußn. 428. 188

F. Brandstiftung mit Körperverletzung

369

ter Brandopfer liegende Zahl reicht daher für die Qualifikation in jedem Fall 192

aus. Hinsichtlich der Zurechnung der eingetretenen Gesundheitsverletzungen sind die unter den Aspekten des spezifischen Gefahrzusammenhanges und der Verantwortlichkeit für Retterschäden bereist erörterten Anforderungen zu beachten (2.Kap.D.II.2.b. und c.). Durch die Brandstiftung ist aus den genannten Gründe etwa eine schwere Gesundheitsschädigung nicht verursacht, wenn das Opfer infolge der Einsatzfahrt eines zum Brandort gerufenen Feuerwehrfahrzeugs schwer verletzt wird. Der jeweils eingetretene Verletzungserfolg muß vom Vorsatz des Brandstifters umfaßt sein. Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen sind in § 306 d nicht vorgesehen.

192

Ob die vorgebrachten Argumente auf sämtliche Tatbestände, die die entsprechenden Merkmale aufweisen, paßt, sei dahingestellt. Nicht geglückt im Zuge der Strafrechtsreform durch das 6. StrRG ist jedenfalls, daß etwa in §§330 Abs. 2 Nr.l, 330 Abs. 1 die Fälle konkreter Todesgefahr und die hier untersuchten Qualifikationen mit identischem Strafrahmen geregelt werden, im Rahmen des Brandstrafrechts die Todesgefahrerfolgsqualifikation aber eine Strafuntergrenze von fünf Jahren (§ 306 b Abs. 2 Nr.l) aufweist. 24 Radtke

4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung 44 Wie kaum ein anderer Tatbestand innerhalb der Brandstiftungsdelikte in ihrer bisherigen Fassung hatte die häufig sog. einfache Brandstiftung Zweifelsfragen bei der Bestimmung des Normzwecks und des Deliktstypus wie bei Einzelheiten der Auslegung aufgeworfen. Und bei keinem anderen Tatbestand dieser Gruppe wurde der Reformbedarf als so dringlich empfunden wie bei der Brandstiftung gemäß § 308 a.F. Die Vorbehalte gegen die einfache Brandstiftung früheren Rechts sind jüngst in der Begründung des RegE 6. StrRG zusammengefaßt worden und lassen sich schlagwortartig wie folgt charakterisieren: (a) die Auswahl der Tatobjekte in § 308 a.F sei Ausdruck einer faktisch nicht mehr existenten Wirtschaftsordnung, die Vorschrift daher antiquiert; (b) angesichts der praktisch nicht mehr erheblichen Bedeutung einiger Tatobjekte für die heutige Wirtschaftsordnung sei die Mindeststrafdrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe überzogen; (c) weil in § 308 a.F. zwei völlig verschieden strukturierte Tatbestände in ziemlich willkürlicher Weise zusammengefaßt und durcheinander gemischt worden seien, sei es zu einer höchst komplizierten Struktur der Vorschrift gekommen, die Streitfragen geradezu provoziere und dementsprechend die Praxis vor Anwendungsschwierigkeiten stelle.1

A. Reform der einfachen Brandstiftung - Zwischenbilanz Mißt man die Reform der einfachen Brandstiftung im Zuge des 6. StrRG an den für das alte Recht als reformbedürftig bewerteten Aspekten, wird man dem Gesetzgeber Respekt zollen können. Der Katalog der als antiquiert empfundenen Tatobjekte ist entrümpelt und den Anforderungen der heutigen Wirtschaftsordnung angepaßt (oben [a]). Sogar der zentrale Gegenstand des Eigentumsrechts in unserer Gesellschaft, das Kraftfahrzeug, ist erfaßt. Wegen der Modernisierung der als Tatobjekte aufgeführten Gegenstände scheint auch die Statuierung der einfachen Brandstiftung als Verbrechen mit einer Mindeststrafdrohung von einem Jahr nicht mehr überzogen zu sein (oben[b]), haben doch in der heutigen Wirtschaftsordnung als wertvoll eingestufte Objekte in den Kreis der Handlungsobjekte Einzug gehalten. Und schließlich ist auch die angeblich

1

BT-Drucks. 13/8587 S. 25 f. mit zahlr. Nachw.

Α. Reform der einfachen Brandstiftung - Zwischenbilanz

371

„ziemlich willkürliche" Zusammenfuhrung unterschiedlicher Tatbestände in § 308 a.F. (oben [c]) überwunden. Die Brandstiftung mit Übertragungsgefährlichkeit (§ 308 Abs. 1 2.Alt a.F.) ist verabschiedet und im letzten Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. StrRG durch ein als Fall schwerer Brandstiftung eingestuftes konkretes Gefährdungsdelikt (§ 306 a Abs. 2) ersetzt. Übrig bleibt ein einfach strukturierter Tatbestand des § 306 Abs. 1, der nichts weiter voraussetzt als das Inbrandsetzen bzw. die Zerstörung infolge Brandlegung eines in fremden Eigentum stehenden Tatobjekts aus dem im Tatbestand abschließend benannten Kreis. Trotz des Erreichens der vom Reformgesetzgeber selbst gesteckten Ziele fällt die Bilanz der Reform des Brandstrafrechts in diesem Bereich janusköpfig aus. Einerseits ist die Aufgabe der ursprünglichen Konzeption des Regierungsentwurfs, an die Stelle des § 308 a.F. ein konkretes Gefährdungsdelikts mit der klassischen Gefahrformel (Leben, Gesundheit, fremde bedeutende Sachwerte) zu setzen, uneingeschränkt zu begrüßen. Ein solches Delikt entbehrte bei Festhalten an der Statuierung als Verbrechen mindestens bezüglich der brandbedingten Schaffung von Sachgefahren jeglicher Rechtfertigung und führte bei unmittelbarer Tatausführung an dem Gefährdungsobjekt zu absurden Ergebnissen.2 Andererseits weist auch der neugestaltete § 306 Abs. 1 strukturelle Defizite auf, die bereits § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. charakterisierten und die durch die Reform nicht gelöst sind. Das zentrale Problem der Legitimität eines möglicherweise auf die Verletzung von fremdem Eigentum beschränkten Verbrechenstatbestandes, der sich im Strafrahmen dramatisch von mit beliebigen Tatmitteln begangenen Sachbeschädigungen (vor allem §§ 304, 305, 305 a) abhebt, ist in den Materialien zum 6. StrRG zwar implizit angesprochen,3 seine Lösung ist aber nicht ausreichend betrieben worden. Die Aussage in der Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, es werde davon ausgegangen, auch der Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 hafte ein Element der Gemeingefährlichkeit bzw. -Schädlichkeit an,4 ist eine Behauptung, deren Richtigkeit angesichts eher auf Modernisierung ausgerichteter Auswahl der Tatobjekte der Vorschrift höchst zweifelhaft ist. Das Anlegen eines Brandes an ein Kraftfahrzeug ist trotz der darin enthaltenen Betriebsstoffe angesichts regelmäßig überschaubarer Größe des Objekts generalisierend nicht für eine unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Menschen an Gesundheit und Leben gefährlich. Und von einer Gemeinschädlichkeit in der hier verwendeten, dem überkommenen Verständnis entsprechenden Terminologie 5 kann bei dem Brand eines Pkw selbst dann kaum gesprochen werden, wenn man die besonde-

2 3 4 5

24*

Dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 f. BT-Drucks. 13/8587 S. 87 re.Sp. - Gegenäußerung der Bundesregierung. BT-Drucks. 13/8587 S. 87 re.Sp. Oben l.Kap.C.II.3.a.

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4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

re Bedeutung des Autos als Instrument der Ausübung exzessiver individueller Fortbewegungsfreiheit in unserer Gesellschaft in Rechnung stellt. Gerade weil das neue Brandstrafrecht vor allem mit § 306 Abs. 1 näher am bisherigen Recht bleibt, als zu Beginn der Aufnahme der Reformarbeiten angestrebt,6 stellt sich die Frage nach dem Deliktscharakter sowie damit zusammenhängend nach einem der angedrohten Strafe annähernd entsprechenden Unrechtsgehalt genauso nachdrücklich wie bereits zu § 308 Abs. 1 l.Alt a.F.

B. Sachbeschädigung versus gemeingefährliches Delikt Die Ausführungen im Rahmen der Überprüfung der zentralen These im 1.Kapitel dieser Untersuchung, dem gesamten Brandstrafrecht lägen einheitliche tatbestandliche Strukturen bezüglich der Technik des Schutzes der jeweiligen Rechtsgüter zugrunde, haben die Schwierigkeiten der Einbindung des § 306 Abs. 1 in eine solche den Delikten einheitliche Struktur bereits deutlich werden lassen.7 Von einem durch das Inbrandsetzen des Tatobjekts bzw. dessen Zerstötung durch Brandlegung lediglich vermittelten Rechtsgutsangriff und einer Ausrichtung der Auswahl der tauglichen Tatobjekte nach der generellen Gefährlichkeit des Brennens dieses Objekts in Bezug auf die geschützten Rechtsgüter kann berechtigt nicht gesprochen werden, wenn die einfache unmittelbare Brandstiftung allein Schutz des Eigentums an den Tatobjekten intendierte. Bei einer derartigen Schutzzweckbestimmung wäre die Einordnung des Tatbestandes in den Abschnitt über die gemeingefährlichen Delikte systematisch fragwürdig - die Lozierung im Anschluß an die qualifizierten Fälle der Sachbeschädigung (etwa als [fiktiv] § 305 b) vorzugswürdig - und vermutlich allein über die Identität des Tatmittels mit den echten gemeingefährlichen Brandstiftungen zu erklären. Als gemeingefährliches und damit strukturkonformes Delikt ließe sich § 306 Abs. 1 verstehen, wenn über die Verletzung fremden Eigentums am Objekt hinaus mit der Tathandlung tyischerweise die Möglichkeit der Beeinträchtigung weiterer vom Eigentumsrecht am Objekt verschiedener Rechtsgüter (Leben, Leib und Eigentum) verbunden wäre. Gerade eine solche zusätzliche Schutzrichtung im Sinne eines Kombinationsdelikts (Eigentumsverletzung plus daraus resultierende Gefährlichkeit für weitere Rechtsgüter einer Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger) 8 ist aber sowohl in Anbetracht der Beschränkung auf in fremdem Eigentum befindliche Objekte wie

6

Kreß, NJW 1998, S. 633, 640. Oben l.Kap.C.II.l.c. 8 Zum Aspekt des Kombinationsdelikts im Rahmen der Dogmengeschichte gemeingefährlicher Delikte oben l.Kap.C.II.3.a. 7

Β. Sachbeschädigung versus gemeingefährliches Delikt

373

auch im Hinblick auf die Beschaffenheit wenigstens eines Teils der in § 306 Abs. 1 benannten Tatobjekte zweifelhaft. Die beiden am Ende des vorstehendes Absatzes genannten Aspekte, die Beschränkung auf täterfremde Objekte und die wenigstens partiell (Gebäude, Hütten, Warenvorräte etwa) nicht an einer spezifischen Gefährlichkeit der Ausbreitung des Brandes ausgerichtete Auswahl der Objekte des § 306 Abs. l/§ 308 Abs. 1 l.Alt a.F. sprechen (zunächst) für die zum alten Recht nahezu einhellig vertretene Ansicht, die unmittelbare Brandstiftung sei ein allein durch das verwendete Tatmittel qualifizierter Fall einer Sachbeschädigung.9 Die Bundesregierung hat sich im Zuge der Arbeiten an dem 6. StrRG diese Sichtweise zueigen gemacht und § 306 Abs. 1 als einen Spezialfall der Sachbeschädigung bezeichnet, dem aber das Element der Gemeingefährlichkeit bzw. -Schädlichkeit anhaften soll. 10 Dem Tatbestandstypus nach handelte es sich dementprechend (rechtsgutsbezogen) um ein Verletzungsdelikt, 11 das eines über den Verletzungserfolg hinausgehenden Gefährdungs- oder Gefährlichkeitsmomentes entbehrte. Eine solche Deutung von Schutzzweck und Normtypus ist möglich, kann aber das angedrohte Strafmaß von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe in Relation zu anderen Delikten zum Schutz des Eigentums gegen Beschädigung oder Zerstörung der Sachsubstanz nicht erklären. Zieht man als Vergleich § 305, der mit der wenigstens teilweisen Zerstörung des Tatobjekts eine Einwirkungsintensität auf das Tatobjekt und damit das geschützte Rechtsgut Eigentum voraussetzt, die regelmäßig über die des Inbrandsetzens (formelle Vollendung der Brandstiftung) hinausgeht und der Wirkung der neuen Tathandlung der Brandlegung (partielle Zerstörung) entspricht, heran, sollte der bei § 305 wenigstens gleichgewichtige Beeinträchtigungsgrad des Rechtsgutes in einer § 306 Abs. 1 wenigstens angenäherten Strafdrohung Ausdruck finden. Das ist jedoch nicht der Fall. § 305 als Vergehen sieht nicht mehr als die allgemeine Mindeststrafhöhe (§§38 Abs. 1, 40 Abs. 1) vor. Die einfache Brandstiftung droht - nochmals: trotz möglicherweise quantitativ geringerer Einwirkung auf das Rechtsgut Eigentum - mindestens einjährige Freiheitsstrafe bis hin zu zehn Jahren an; eine Milderung über § 306 Abs. 2 ist zwar möglich, entbindet aber nicht der Legitimität der Mindeststrafdrohung ohne Berücksichtigung der Strafmilderung im 9 Wolff, in: LK, § 308 Rdnr. 1; Lackner/Kühl, § 308 Rdnr. 3; Tröndle, § 308 Rdnr. 2; Geppert, Jura 1989, S. 473, 474 u. 478; ders., Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187 und S. 194 f.; Geerds, Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 28; ders., Fahrlässigkeitsbrände, in: Grundlagen d. Kriminalistik, Band 8/1, S. 37, 49; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 203 f.; Wessels, BT 1, Rdnr. 937 a.E.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 19; vgl. aber auch Binding, Strafrecht, Bes. Teil 2.1., S. 11 10 BT-Drucks. 13/8587 S. 87 re.Sp.; siehe auch Kreß, NJW 1998, S. 633, 640. 11 Ausdrücklich Maurach/Schroeder/Maiwald, (wie Fußn. 9).

374

4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

Einzelfall. Ähnlich wie zu § 305 fällt der Strafrahmenvergleich mit § 305 a aus. Wie bei § 305 ist als Einwirkungsgrad das das Beschädigen aus § 303 übersteigende „teilweise Zerstören" vorausgesetzt, welches regelmäßig das fremde Eigentum nachhaltiger beeinträchtigt als das regelmäßig nur mit einem geringen Beeinträchtigungsgrad verbundene Inbrandsetzen und mit den tatbestandlich geforderten Wirkungen der Brandlegung übereinstimmt. Zudem sanktioniert § 305 a Angriffe gegen solche Tatobjekte, deren Integrität wegen ihrer Funktion für die Gemeinschaft nicht nur für den Eigentümer (§ 305 a Abs. 1 Nr.l), sondern für die Gemeinschaft selbst von Bedeutung sind. D.h. die § 303 übersteigende Strafdrohung des § 305 a ist durch den Gemeinschädlichkeitsaspekt des Delikts legitimiert. Selbst ein solcher Gemeinschädlichkeitsaspekt, der allerdings die Strafrahmendivergenz zwischen § 305 a und § 306 Abs. 1 nicht begründen könnte, läßt sich zumindest nicht für sämtliche Tatobjekte der einfachen Brandstiftung postulieren. Können daher weder der Einwirkungsgrad der Tathandlung auf das geschützte Rechtsgut noch die Gemeinschädlichkeit der Tat die Mindeststrafdrohung des § 306 Abs. 1 plausibel begründen, bleibt im Sinne des bereits angesprochenen Kombinationsdelikts der Gedanke an einen mit der Eigentumsverletzung verbundenen Gefährlichkeits- bzw. Gemeingefährlichkeitsaspekt der einfachen Brandstiftung wie er in den Materialien zum 6. StrRG behauptet wird. 12 Löst man sich von der Typisierung des § 306 Abs. 1 als (rechtsgutsbezogen) Verletzungsdelikt und geht über zum Typus eines wie auch immer im einzelnen zu bestimmenden Gefährdungs- oder Gefährlichkeitsdelikts zum Schutz anderer Rechtsgüter als des Eigentums (Leben, Gesundheit) oder vielleicht nur anderer Träger des Rechtsguts Eigentum als das des Eigentümers des unmittelbar angezündeten Tatobjekts, geht es nicht nur um die korrekte Schutzzweckbestimmung oder die korrekte Typisierung des Delikts, sondern die Umorientierung bei den geschützten Rechtsgütern bzw. dem geschützten Rechtsgut hätte Wirkungen für die Auslegung des Tatbestandes hinsichtlich eines Teils seiner Merkmale. Geradezu handgreiflich wäre die Konsequenz für die Relevanz einer Einwilligung des Eigentümers des inbrandgesetzten Tatobjekts. Handelte es sich bei § 306 Abs. 1 um ein abstraktes (gemeingefährliches) Delikt zum Schutz fremden Eigentums (evtl. gar Leben und Gesundheit) vor Gemeingefahr wenigstens aber vor gemeingefährlichen Handlungen, käme einer Einwilligung des Eigentümers des inbrandgesetzten Tatobjekts - entgegen beinahe allgemeiner Auffassung zu § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. - 1 3 keine rechtfertigende Kraft zu. Hinsichtlich möglicher Beeinträchtigungen einer Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger ist der Eigentümer des vom Täter unmittelbar angegriffenen

12

Nachw. wie Fußn. 10. Siehe nur Lackner/Kühl, Rdnr. 14 a. 13

§ 308 Rdnr. 3; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 308

Β. Sachbeschädigung versus gemeingefährliches Delikt

375

Tatobjekts - jedenfalls unter bestimmten Bedingungen der Tatbegehung - nicht dispositionsbefugt. Deutungen des § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F., die den Tatbestand als abstraktes (gemeingefährliches) Gefährdungsdelikt verstehen wollten, waren in jüngerer Zeit vor der Reform in der Literatur selten aufzufinden. Soweit ersichtlich hat allein Kratzsch diese Ansicht in allerdings lediglich knappen und teils einander widersprechenden Ausführungen vertreten. 14 Partiell widersprüchlich sind seine Ausführungen, weil er in einem früheren Beitrag zunächst von § 308 Abs. 1 1 .Alt (a.F.) als einem Delikt zur „Verhinderung einer Gemeingefahr für Eigentum, Leben und Gesundheit eines anderen" 15 spricht, in einer zeitlich später erschienenen Untersuchung allein noch von einem „abstrakten Gefährdungsdelikt zum Schutz von Eigentum" 16 die Rede ist. Beide Aussagen sind unabhängig von der offenbar jedenfalls hinsichtlich der geschützten Rechtsgüter divergierenden Sichtweise in ihrer Bedeutung schwer zu erfassen. Der Bezug zwischen Gemeingefahr und den genannten Rechtsgütern eines anderen paßt nicht zu den eigenen Aussagen Kratzschs' über die Schutzrichtung abstrakter (auch gemeingefährlicher) Delikte, die mit den Termini vom „Großregler" zur Abwehr einer „Großstörung" gerade an die typische Unbeherrschbarkeit der Kausalverläufe 17 bei Einsatz bestimmter Tatmittel wie etwa Feuer und damit die mögliche Gefährdung ex ante nicht bestimmbarer Rechtsgüter/Rechtsgutsträger anknüpfen. Mit dem Grundgedanken der Gemeingefährlichkeit als Gefährlichkeit für eine Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger läßt sich die Beschränkung auf die Gemeingefahr für einen ebenfalls nicht vereinbaren. 18 Nicht überzeugend ist auch die zweite Erklärung der unmittelbaren Brandstiftung als abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz von Eigentum und nicht auch zum Schutz der übrigen Schutzgüter gemeingefährlicher Delikte (unter ihrem Gefährlichkeitsaspekt), Leben und Gesundheit. Denn wenn es sich um ein abstraktes (gemeingefährliches) Gefährdungsdelikt handeln soll, kann die Gefährdung nicht mit der zur Tatbestandserfüllung notwendigen Eigentumsverletzung zusammenfallen, sondern muß aus einer Gefährlichkeit für weitere Rechtsgutsträger unabhängig von dem unmittelbar inbrandgesetzten Tatobjekt, d.h. einer ab-

14 JR 1987, S. 360, 364 Fußn. 38 und JuS 1994, S. 372, 378; dazu auch bereits oben l.Kap.C.II.l.c. 15 Kratzsch, JR 1987, S. 360, 364 Fußn. 38. 16 Kratzsch, JuS 1994, S. 372, 378; siehe auch Geerds, Die Brandstiftungsdelikte, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 15, 27 f. mit Fußn. 179, der - trotz der Einordnung als qualifizierte Sachbeschädigung - davon ausgeht, daß es sich bei § 308 Abs. 1 l.Alt. (a.F.) um ein gemeingefährliches Delikt handelt; die Tatbegehung sei lediglich typischerweise mit weiterer Gefährdung fremden Eigentums verbunden. 17 Zum Konzeption des Unrechtsbegriffs bei Kratzsch und seinem Verständnis abstrakter Gefährdungsdelikte oben l.Kap.B.II. und IV. 18 Zur Gemeingefährlichkeit oben l.Kap.C.II.3.b.

376

4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

strakten Möglichkeit der Weiterverbreitung des Feuers resultieren. Da § 308 Abs. 1 1 .Alt. aber anders als § 306 und § 308 Abs. 1 2.Alt in beiden Unterfällen (jeweils a.F.) kein Merkmal enthielt und § 306 Abs. 1 nicht enthält, das einen Bezug zu den von der generell gefährlichen Handlung bedrohten Rechtsgütern herstellt, ist die Beschränkung der behaupteten abstrakten Gefährlichkeit auf das Rechtsgut Eigentum nicht begründbar. Sollte sich § 306 Abs. 1 (§ 308 Abs. 1 l.Alt. a.F.) überhaupt als abstraktes Gefährdungsdelikt wegen der aus der Verletzung des Tatobjekts resultierenden Gemeingefährlichkeit erklären lassen, wäre die Schutzrichtung auf alle Schutzgüter gemeingefährlicher Delikte (unter ihrem Gefährlichkeitsaspekt), also Leben, Gesundheit und Eigentum, zu beziehen. Denn der Tatbestand bietet keinerlei Anhaltspunkte, auf welche weiteren Tatobjekte und im Rückschluß daraus, auf welche weiteren Rechtsgüter sich der Brand des für den Täter fremden primären Tatobjekts ausbreiten könnte. Die generelle Gefährlichkeit resultierte lediglich aus der allgemeinen, ohne Beschreibung der Bedingungen der Ausbreitung vagen Möglichkeit des Hinausgreifens des Feuers über das ursprüngliche Tatobjekt hinaus. Eine Stütze findet die Ansicht, §308 Abs. 1 l.Alt a.F. sei abstraktes (gemeingefährliches) Gefährdungsdelikt zum Schutz von fremdem Eigentum gewesen, in Teilen des älteren Schrifttums und in den Materialien zum StGB für die preuß. Staaten von 1851. 19 Da §306 Abs. 1 seinen Vorgängern (§308 Abs. 1 1 .Alt. a.F.; § 286 preuß. StGB) in den Strukturen vollständig entspricht, haben die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers auch für das reformierte Brandstrafrecht noch Bedeutung. Goltdammer - darauf war an anderer Stelle bereits hingewiesen worden - 2 0 führt in den Materialien für § 286 preuß. StGB (= § 308 Abs. 1 1 .Alt. a.F.) zwei Gruppen von Tatobjekten auf, bei deren einer (Waldungen, Torfmoore, Früchte auf dem Felde, Bergwerke) der Gesetzgeber die Vermutung des Eintritts einer gemeinen Gefahr im Falle des Inbrandsetzens unmittelbar verbinde. 21 Mit dem Anzünden der übrigen Tatobjekte sei die (präsumierte) Gefahr einer Weiterverbreitung vom Gesetz nicht verbunden 19

Goltdammer, Die Materialien zum StGB f. d. preuß. Staaten, Teil II, S. 643 bis 645; dazu auch Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 194 f. 20 Oben l.Kap.C.II.l.c. 21 Goltdammer, aaO., S. 644; ablehnend gegenüber der Differenzierung Geppert, aaO., S. 195, der aber m.E. übergeht, daß die Ausführungen Goltdammers allein auf der Grundlage des Präsumtionsgedankens überhaupt nachvollziehbar sind. Wenn Geppert, aaO., Wanjeck (unten Fußn. 24) als Kritiker der Differenzierung der Tatobjekte heranzieht, so ist daran richtig, daß Wanjeck aaO. die Berechtigung der Unterscheidung von Goltdammer bestreitet, die von Wanjeck selbst gezogene Konsequenz bleibt bei Geppert aaO. aber unerwähnt (siehe dazu den Haupttext nach Fußn. 23). Wanjecks Auffassung, daß es sich bei § 308 Abs. 1 1 .Alt. (a.F.) insgesamt um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (auf der Grundlage der Präsumtionstheorie) handelt, steht in fundamentalem Gegensatz zu der auch von Geppert vertretenen Auffassung der qualifizierten Sachbeschädigung ohne jeglichen (jedenfalls tatbestandlich nicht relevanten) Gefährdungs- bzw. Gefährlichkeitsaspekt.

Β. Sachbeschädigung versus gemeingefährliches Delikt

377

worden. Die Auswahl dieser zweiten Gruppe der Tatobjekte sei nach ihrer (wirtschaftlichen?) Bedeutung insoweit erfolgt, als eine Sanktionierung deren Beschädigung durch Feuer als einfache oder qualifizierte Sachbeschädigung (etwa gemäß § 305) nicht für ausreichend erachtet worden sei. 22 Ebenfalls auf der Grundlage einer echten Präsumtion der (konkreten) Gefahr 23 wandte sich Wanjeck gegen die von Goltdammer postulierte Differenzierung innerhalb der Tatobjekte des §308 Abs. 1 l.Alt. a.F. (die §286 preuß. StGB entsprechen) und sah eine gemeine Gefahr für fremdes Eigentum mit dem Inbrandsetzen jedes der im Tatbestand genannten Tatobjekte als eingetreten an. 24 Entsprechend dieser Präsumtion oder gar Fiktion der Gemeingefahr charakterisierte Wanjeck § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. als abstraktes Gefährdungsdelikt zum Schutz fremden Eigentums (Gemeingefahr für fremdes Eigentum).25 Konsequenterweise konnte die Einwilligung des Eigentümers für den Täter dann nicht rechtfertigend wirken. 26 Die Gefährlichkeit der Tat für die Allgemeinheit in Gestalt einer generellen Gefährlichkeit für eine unbestimmte Vielzahl individuell unbestimmter Rechtsgutsträger ist für den angegriffenen Eigentümer nicht disponibel. Dem im Grundsatz zutreffenden Einwand, die Beschränkung der Tatobjekte auf täterfremde sei für abstrakte Gefährdungsdelikte systemfremd, weil bei identischer Tatobjektsbeschreibung das Anzünden tätereigener Tatobjekte nicht weniger generell gefährlich sein könne als das Inbrandsetzen fremder Objekte,

22

Goltdammer, aaO., S. 644. Zur Präsumtionstheorie als Modell zur Erklärung abstrakter Gefährdungsdelikte ausführlich und mit überzeugenden Gründen diese Sichtweise ablehnend Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 151 ff., 349 ff. 24 Wanjeck, GS 31 (1879), S. 1, 24 und S. 27. 25 aaO. S. 24 mit Fußn. *, in der er darauf hinweist, daß sichfrühere Entwürfe zum preuß. StGB, die ein Tatbestandsmerkmal der Gemeingefahr (= konkrete Gemeingefahr) forderten, sich zu Recht nicht durchsetzen konnten, weil dies dem übrigen System des Gesetzes bei der Statuierung der Brandstiftung nicht entsprochen hätte. Wie Wanjeck auch Siebenhaar, ZStW 4 (1884), S. 245, 274; Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 612; Schaper, in: v.Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, Band III, S. 879; Frank, § 308 Anm.I bezeichnet die unmittelbare Brandstiftung ebenfalls als abstraktes Gefährdungsdelikt. 26 Wanjeck, aaO., S. 27; anders Oppenhoff, StGB f.d. preuß. Staaten, § 286 Anm.7; siehe auch Oppenhoff aaO., Anm. 11 i.V.m. Anm.I zum 27.Titel; der eine „Gemeingefährlichkeit" der einzelnen Tat gerade nicht für erforderlich hält. Wie sich aus Anm.I zum 27.Titel ergibt, ist mit der nicht erforderlichen Gemeingefährlichkeit gemeint, daß es des Nachweises des Eintritts konkreter Gemeingefahr nicht bedarf. Darin besteht kein Gegensatz zu Wanjeck aaO., der die Gemeingefahr als präsumiert oder fingiert ansieht und daher eine prozessuale Feststellung ebenfalls nicht für erforderlich hält. Das Fehlen eines Tatbestandsmerkmals konkreter Gemeingefahr läßt aber keinen zwingenden Rückschluß auf die rechtfertigende Wirkung einer Einwilligung des Eigentümers des inbrandgesetzten Gebäudes zu, weil die (mögliche) generelle Gefährlichkeit der Tathandlung in Bezug auf weitere Rechtsgüter/Rechtsgutsträger dadurch nicht beseitigtigt werden würde. 23

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4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

begegnet Wanjeck mit einem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 286 preuß.StGB. 27 Wie in den Materialien ausführlich dokumentiert ist, sahen die Entwürfe von 1843, 1845 und 1847 das Anzünden von Waldungen, Torfmooren, Früchten auf dem Felde und Bergwerken - systemkonform gleich, ob sie dem Täter gehörten oder nicht - als strafbare Brandstiftung an, wenn und soweit dadurch Gemeingefahr für fremdes Eigentum eingetreten war. 28 Gegen die Einbeziehung tätereigener Gegenstände wurde im weiteren Verlauf der Entstehung des preuß. StGB geltend gemacht, das Inbrandsetzen von eigenen Wäldern, aber auch von Torf usw. könne handgreifliche Gründe, wie etwa das Stoppen von Raupenfraß oder ähnliches, haben und sei in „vielen Gegenden" üblich. 29 Der spätere - im Gegensatz zu den vorgenannten Entwürfen stehende - Verzicht auf den Eintritt konkreter Gemeingefahr für fremdes Eigentum als Tatbestandsmerkmal war an der Tatbestandsstruktur des § 285 preuß. StGB (§ 306 a.F/§ 306 a Abs. 1), bei dem von dem Erfordernis konkreter Rechtsgutsgefahr von Leib und Leben abstrahiert und entsprechend der Präsumtionstheorie der Eintritt von Gefahr bzw. Gemeingefahr für die geschützten Rechtsgüter unwiderleglich vermutet wurde, orientiert. 30 Entsprechend dem zuvor Geschilderten blieb allein streitig, ob der preuß. Gesetzgeber eine Präsumtion gemeiner Gefahr mit dem Inbrandsetzen sämtlicher Tatobjekte verband (Wanjeck) oder die unwiderlegliche Vermutung lediglich mit der Tatbegehung an einem Teil der gesetzlich benannten Objekte verbunden war (Goltdammer). Die Entstehungsgeschichte des § 286 preuß. StGB legt trotz der Einschränkungen Goltdammers über die Reichweite der Gefahrpräsumtion die Einordnung des § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F., der mit § 286 preuß. StGB inhaltlich dekkungsgleichen Nachfolgevorschrift, als abstraktes (gemeingefährliches) Delikt nahe. Angesichts der unveränderten Grundstrukturen in § 306 Abs. 1 läßt sich Gleiches für den neuen Tatbestand erwägen. Die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt beruhte nicht auf der Möglichkeit einer Weiterverbreitung des Feuers etwa nach Maßgabe der für die Eignungsklausel in § 308 Abs. 1 2.Alt. a.F. maßgeblichen Kriterien, sondern auf der allerdings höchst abstrakten Möglichkeit, daß der Brand des unmittelbar betroffenen Tatobjekts andere Rechtsgüter/Rechtsgutsträger (Leben, Gesundheit und Eigentum) erreicht als das Eigentum an dem Tatobjekt selbst. § 306 Abs. 1 wäre nicht erst durch Einfügung ungeschriebener Tatbestandsmerkmale zum abstrakten gemeingefährlichen Delikt zu küren, sondern die Vorschrift wäre ein geborenes abstraktes Gefährdungsdelikt bereits auf der Grundlage der geschriebenen Merkmale. Entgegen den dar-

27 28

S. 24. 29 30

Wanjeck, aaO., S. 24 f. Goltdammer, Materialien zum StGB f. d. preuß. Staaten, S. 643 f.; Wanjeck, aaO., Goltdammer und Wanjeck jeweils aaO. Wanjeck, aaO., S. 24 Fußn. *

Β. Sachbeschädigung versus gemeingefährliches Delikt

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gestellten Ansichten innerhalb des Schrifttums des 19. Jahrhunderts bezöge sich die abstrakte Gefährlichkeit nicht allein auf das Rechtsgut Eigentum, sondern auf sämtliche Schutzgüter gemeingefährlicher Delikte (Leben, Gesundheit und Eigentum).31 Die Behauptung, ein gemeingefährliches Delikt schütze lediglich einen Teil der Rechtsgutpalette dieses Typus, läßt sich allein dann aufrechterhalten, wenn die tatbestandlichen Strukturen Anhaltspunkte für eine solche Beschränkung des Kreises geschützter Rechtsgüter bieten. So folgt die Ausklammerung des Rechtsgutes Eigentum aus dem Schutzzweck von § 306 a Abs. 1 Nr.l aus der Bestimmung der Tatobjekte nach ihrer tatsächlich ausgeübten Wohnnutzung und der Erfolgsqualifikation des § 306 c, die unmißverständliche Hinweise hinsichtlich des Schutzes von Menschen in ihrer physischen Existenz geben.32 Die generelle Gefährlichkeit, deren Abwehr außer der Sanktionierung der Eigentumsverletzung Schutzzweck des Tatbestandes sein würde, wäre die weitestgehend unspezifische Möglichkeit einer Verbreitung des Feuers auf beliebige weitere Rechtsgüter/Rechtsgutsträger außerhalb der Rechtsgutsverletzung am unmittelbar angegriffenen Tatobjekt. Daß der preuß. Gesetzgeber mit dem Inbrandsetzen wenigstens eines Teils 33 der gesetzlich benannten Objekte eine solche generelle Gemeingefährlichkeit verbunden hat, ist durch die Entstehungsgeschichte ausreichend belegt. Inakzeptabel ist lediglich die Sichtweise einer mit der Vornahme der Tathandlung verbundenen Präsumtion einer Gemeingefahr. 34 Anstelle der zur Zeit der Entstehung des preuß. StGB und auch noch des RStGB durchaus dem Stand der Dogmatik des Gefährdungsstrafrechts entsprechenden Präsumtion eines real nicht eingetretenen und tatbestandlich nicht geforderten Gefahrerfolges bleibt aber die generelle Gefährlichkeit der Tathandlung zur Erklärung des Deliktstypus. Gegen die erwogene Schutzzweckbestimmung und die damit verbundene Typisierung eines auf einem (rechtsgutsbezogen) Verletzungsdelikt aufbauenden abstrakten Gefährdungsdelikts (Kombinationsgedanke) läßt sich die Beschränkung des numerus clausus tauglicher Tatobjekte auf für den Täter fremde nicht anführen. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist bezogen auf den Tatbestandstypus zwar nicht konsequent, aber aufgrund der in der Entstehungsphase des preuß. StGB erhobenen Einwände unter Hinweis auf bestimmte Gepflogenheiten in der Land- und Forstwirtschaft gegen die Einbeziehung tätereigener Objekte erklärlich. Daß der preuß. Gesetzgeber in § 286 preuß. StGB nicht 31

So daß die ursprüngliche Charakterisierung Kratzsch, JR 1987, S. 360, 364 Fußn. 38 mit der Kennzeichnung „Verhinderung von Gemeingefahr für Eigentum, Leben und Gesundheit (allerdings nicht lediglich eines anderen; H.R., siehe oben Text bei Fußn. 17) zutreffen könnte. 32 Oben 2.Kap.A.I.3. 33 Siehe oben Text zwischen Fußn. 19-30. 34 Zur Ablehnung der Präsumtionstheorie als Modell zur Deutung abstrakter Gefährdungsdelikte Graul Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 151 ff., 349 ff.

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4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

auch die generelle Gemeingefährlichkeit, die mit dem unmittelbaren Anzünden bestimmter dem Täter gehörender Gegenstände verbunden ist, sanktioniert hat, läßt nicht darauf schließen, nicht wenigstens die generelle Gefährlichkeit des Inbrandsetzens dieser Tatobjekte unter Strafe zu stellen, wenn sie dem Brandstifter nicht gehören. Kein Einwand gegen die Typisierung als (auch) abstraktes gemeingefährliches Gefährdungsdelikt folgt aus § 287 preuß. StGB. 35 Wie bereits ausgeführt, 36 verbot § 287 preuß. StGB anders als nachfolgend § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. das Inbrandsetzen jeglicher eigener und fremder Gegenstände, wenn aufgrund Lage und Beschaffeinheit Übertragungseignung auf sekundäre Brandobjekte gemäß §285 preuß. StGB (entsprechend §306 a Abs. 1) oder §286 preuß. StGB (entsprechend §306 Abs. 1) bestand. §287 preuß. StGB normierte Tathandlungen, deren generelle Gefährlichkeit bezogen auf die mit den sekundären Brandobjekten verbundenen Rechtsgüter eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit der Verletzung aufwies als bei der gänzlich unspezifischen, nicht durch die Tatbestandsvoraussetzungen näher beschriebenen Gefährlichkeit für Rechtsgüter außerhalb des angegriffenen Tatobjekts in § 286 preuß. StGB. Mit anderen Worten: daß § 287 preuß. StGB Strafbarkeit bei Inbrandsetzen eigener und fremder Tatobjekte anordnete, § 286 preuß. StGB dagegen auf die Tatbegehung an fremden, zudem abschließend benannten Handlungsobjekten begrenzt war, folgt aus dem höchst unterschiedlichen Grad der Gefährlichkeit der Handlungen hinsichtlich des Eintritts von Rechtsgutsverletzungen außerhalb des unmittelbar betroffenen (bzgl. § 287 preuß. StGB primären) Brandobjekts. § 287 preuß. StGB formulierte mit der Eignungsklausel tatsächliche Bedingungen, unter denen eine Weiterverbreitung des Feuers auf Objekte und damit Rechtsgüter außerhalb des primären Brandobjekts wahrscheinlicher ist, als bei dem solche Bedingungen weitgehend entbehrenden § 286 preuß. StGB. Die übereinstimmende Strafdrohung beider Vorschriften lag darin begründet, daß § 286 preuß. StGB (§ 306 Abs. 1) außer der generellen Gefährlichkeit die Eigentumsverletzung am Tatobjekt notwendig voraussetzte und als weitere Unrechtskomponente sanktionierte, § 287 preuß. StGB dagegen eine Eigentumsverletzung nicht notwendig erforderte. Überwindbar ist auch der Einwand, Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 sei nicht auch abstraktes Gefährdungsdelikt, weil ein Moment genereller (Gemein)Gefährlichkeit für die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum wie es sich den Strukturen von § 306 a Abs. 1 entnehmen läßt, fehlt. Richtig ist, daß die Möglichkeit einer Ausdehung des Feuers über das intentional angegriffene Tatobjekt hinaus und damit eine mögliche Verletzung von weiteren bzw. anderen Rechtsgütern als das Eigentum am Handlungsobjekt selbst höchst abstrakt ist. Quelle der aus dem Inbrandsetzen der Objekte des § 306 Abs. 1 resultieren35 36

So aber Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 193. Oben l.Kap.C.II.2.a.

Β. Sachbeschädigung versus gemeingefährliches Delikt

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den generellen Gefährlichkeit ist außer der Beschaffenheit der Objekte allein die typische Unbeherrschbarkeit des Tatmittels Feuer. Diese zweite Quelle der generellen Gefährlichkeit gesteht auch die ganz herrschende Deutung der „Brandbeschädigung" zu. Anders ist die häufig zu lesende Formulierung vom „Spezialfall der Sachbeschädigung"37 oder von der „qualifizierten Sachbeschädigung" 38 nicht zu verstehen. Das qualifizierende Element besteht gerade in der Verwendung eines Tatmittels, dessen Einsatz wenigstens unter bestimmten tatsächlichen Bedingungen generell gemeingefährlich ist. Diese Bedingungen hat der Gesetzgeber bei Schaffung des preuß. StGB höchst lückenhaft und in der Auswahl der einzelnen Objekte wenig überzeugend in § 286 mit dem numerus clausus der Objekte dieses Tatbestandes zu bestimmen versucht. 39 Gelungen war dieser Versuch lediglich hinsichtlich der Objekte Bergwerke, Bau- oder Brennmaterialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen und Torfmoore, partiell bei Warenvorräten und Vorräten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, wenn sie im konkreten Fall von besonders feuerempfänglicher und damit auch feuergefährlicher Beschaffenheit waren, 40 weil wegen der tatsächlichen Verhältnisse dieser Tatobjekte typischerweise die Möglichkeit einer unkontrollierbaren Ausdehnung des Feuers drohte. Entsprechendes läßt sich für den modernisierten Tatobjektskatalog des § 306 Abs. 1 uneingeschränkt für Wälder, Heiden und Moore, eingeschränkt für landwirtschaftliche etc. Anlagen oder Erzeugnisse, ggf. (unter den vorgenannten Bedingungen) für Warenlager oder -Vorräte und Betriebsstätten oder die in Nr. 4 aufgeführten Fahrzeugarten sagen. Ist ein Delikt vom Typus des § 306 Abs. 1 mit einer Mindeststrafdrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe vor dem verfassungsrechtlichen Maßstab des Gebots Unrechts- und schuldangemessenen Strafens legitimierbar? Er ist es weder, wenn ausschließlich auf das durch die Eigentumsverletzung am Tatobjekt verwirklichte Unrecht abgestellt würde - der zu §§ 305, 305 a gezogene Strafrahmenvergleich belegt, daß § 306 Abs. 1 ohne Berücksichtigung eines Gefährlichkeitsaspekts willkürlich trotz identischer Schutzrichtung drastisch über die in den genannten Tatbeständen normierten Strafdrohungen hinausginge -, noch, wenn der Unrechts- und Schuldvorwurf ausschließlich auf die generelle Gefährlichkeit der Tathandlung gestützt würde. In Relation zu dem in der Mindeststrafdrohung übereinstimmenden § 306 a vermitteln die in § 306 Abs. 1 beschriebenen Bedingungen eine so schwache Wahrscheinlichkeit der Verletzung 37

Etwa Cramer , in: Schönke/Schröder, §308 Rdnr. 2; Lackner/Kühl, §308 Rdnr. 3.; ebenso die Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drucks. 13/8587 S. 87 re.Sp. 38 Binding, StrafR, Bes. Teil 2.1., S. 11. 39 Zu möglicherweise disparaten Kriterien bei der Auswahl der Objekte des § 286 preuß. StGB siehe Goltdammer (Fußn. 21) einerseits und Wanjeck (Fußn. 24) andererseits. 40 Über das Merkmal der Feuergefährdetheit unten 5.Kap.C.

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4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

der abstrakt gefährdeten Rechtsgüter, daß der Unrechtsgehalt bei isolierter Betrachtung des Gefährlichkeits(Handlungs-)unrechts gravierend hinter den genannten Tatbeständen zurückbleiben würde. Weder die Mindeststrafdrohung noch die Teilidentität bzw. vollständige Identität der Strafrahmen wären auf der Grundlage des Gefährlichkeitsunrechts allein legitimierbar. Die angedrohten Sanktionen gingen in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise über das verschuldete Unrecht hinaus. Legitimierbar ist § 306 Abs. 1 aber als Kombinationsdelikt, dessen Unrechtsgehalt kumulativ aus der Verletzung des Eigentums am Tatobjekt und der auf diesem Tatobjektsangriff beruhenden generellen Gemeingefährlichkeit bezüglich der Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum jenseits des Eigentumsrechts am Handlungsobjekt folgt. § 306 Abs. 1 entspricht damit exakt einem Deliktstypus, den Geppert in Bezug auf § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. zutreffend als „strafrechtsdogmatischen Zwitter" bezeichnet hat, die Brandstiftung an fremdem Eigentum „mit gemeiner Gefahr". 4 1 Korrekt geht es jedoch um die Kombination aus Verletzung und genereller Gemeingefährlichkeit, nicht um eine Präsumtion (konkreter) gemeiner Gefahr. Unrecht im Sinne von § 306 Abs. 1 verwirklicht derjenige Brandstifter, der rechtswidrig fremdes Eigentum verletzt und der mit dem Inbrandsetzen bzw. der Zerstörung durch Brandlegung des Tatobjekts verbunden eine generell gemeingefährliche Handlung vornimmt. Auf der Grundlage des aus Eigentumsverletzung und genereller Handlungsgefährlichkeit kumulierten Unrechtsgehaltes wird die von der nahezu einhelligen Ansicht angenommene Beachtlichkeit der Einwilligung des Eigentümers in die Brandstiftung im Grundsatz zutreffend bejaht. 42 Ist das Unrecht der Eigentumsverletzung wegen der Einwilligung des Eigentümers aufgehoben, hat der Täter nicht das volle Unrecht des § 306 Abs. 1 verwirklicht und kann nicht aus dieser Vorschrift bestraft werden (bei Kenntnis der Einwilligung auch nicht aus Versuch).43 Zwar ist der Eigentümer des betreffenden Tatobjekts im Hinblick auf die mit der Objektsverletzung verbundene generelle Gefährlichkeit nicht dispositionsbefiigt. Diese fehlende Dispositionsbefugnis führt aber nicht zur Unbeachtlichkeit der eigentumsbezogenen Einwilligung hinsichtlich des Gesamtunrechts der Tat.

41

in: Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187; 193. Für das neuere Schrifttum siehe nur Lackner/Kühl, § 308 Rdnr. 3 m. Nachw.; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 308 Rdnr. 14 a; auf der Grundlage der Typisierung ist dieses Ergebnis geradezu zwangsläufig, überraschender ist, daß - mit Ausnahme von Wanjeck GS 31 (1879), S. 1, 27 - auch die Stimmen im älteren Schrifttum, die im Zusammenhang mit § 308 Abs. 1 l.Alt (a.F.) von dem Schutz vor Gemeingefahr sprechen, ohne nähere Erläuterung eine Einwilligung des Eigentümers für rechtfertigend halten (so etwa Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 614 und 615). 43 Es soll davon ausgegangen werden, daß die Einwilligung rechtfertigend wirkt und der Rechtsgedanke aus § 228 (§ 226 a a.F.) nicht verallgemeinerungsfähig ist. 42

Β. Sachbeschädigung versus gemeingefährliches Delikt

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Führt die mit Einwilligung des Eigentümers ausgeführte Brandstiftung (vorsätzlich oder fahrlässig) eine zurechenbare konkrete Gesundheitsgefahr (§ 306 a Abs. 2) herbei, entfällt wegen der Einwilligung zwar die Rechtswidrigkeit der ebenfalls verwirklichten Tat aus § 306 Abs. 1, der Brandstifter bleibt aber aus § 306 a Abs. 2 - ggf. in Verbindung mit § 306 d Abs. 1 oder Abs. 2 strafbar. Insoweit entfaltet die Einwilligung keine rechtfertigende Wirkung. Der Eigentümer ist hinsichtlich des in § 306 a Abs. 2 geschützten Rechtsgutes nicht dispositionsbefugt und wäre bei eigener Tatausführung an einem ihm gehörenden Tatobjekt selbst aus § 306 a Abs. 2 strafbar. 44 Auch die Deutung des § 306 Abs. 1 als Kombinationsdelikt aus Eigentumsverletzung und (sehr) abstrakter Gefährlichkeit für weitere individuell unbestimmte Rechtsgüter/Rechtsgutsträger kann nicht verdecken, daß die angedrohte Strafe sowohl unter dem Aspekt der Eigentumsverletzungs als auch unter dem der generellen Gemeingefährlichkeit für Leben, Gesundheit und (weiteres) Eigentum sich an der oberen Grenze noch Unrechts- und schuldangemessener Sanktion bewegt. Bleibt doch die mit Inbrandsetzen beschriebene Eigentumsverletzung in ihrer Einwirkungsintensität hinter anderen weniger schwere Strafe androhenden Eigentumsdelikten (§§ 305, 305 a) zurück oder kommt ihr bei brandbedingter wenigstens teilweiser Zerstörung lediglich gleich und erfaßt der Gefährlichkeitsaspekt einen Grad der Gefährlichkeit der Tathandlung der von der rechtsgutsbezogenen Gefährlichkeit der Tat aus § 306 a Abs. 1 gravierend nach unten abweicht. Um dem Gefährlichkeitsaspekt ein stärkeres Gewicht zu verleihen, wäre im Zuge der Strafrechtsreform eine Orientierung der Auswahl der Tatobjekte an dem Grad der Feuerempfänglichkeit und Feuergefährlichkeit nach dem Vorbild des § 306 17310 a a.F. („feuergefährdete Betriebe und Anlagen") vorzugswürdig gewesen. Nicht von vorrangiger Bedeutung ist dagegen der wirtschaftliche Wert der Tatobjekte. 45 Leitlinie einer Reform der bisherigen einfachen unmittelbaren Brandstiftung, die an den bisherigen Tatbestandsstrukturen festhalten wollte, 46 mußte der Grundsatz sein, Brandstiftung lediglich

44

Über die Irrelevanz der Eigentumsverhältnisse am Tatobjekt im Fall der schweren Brandstiftung aus § 306 a Abs. 2 oben 2.Kap.D.II. 1. 45 BT-Drucks. 13/8587 S. 26 geht fehl mit dem Hinweis, die Reformbedürftigkeit des § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. ergebe sich auch aus der fehlenden Berücksichtigung „wertvoller Industrieprodukte und Maschinen". Eines besonderen Schutzes solcher Tatobjekte bedarf es nicht allein gegen Angriffe mittels Feuer, sondern gegen Beschädigung oder Zerstörung - gleich mit welchem Tatmittel - überhaupt. Das ist gesetzestechnisch über eine Änderung der Fälle qualifizierter Sachbeschädigung zu bewirken, nicht durch eine Reform des Brandstrafrechts. 46 Die Reform der einfachen Brandstiftung im Zuge des 6. StrRG hat diesen Weg lediglich zu einem Teil beschritten. Die Auswahl der Tatobjekte des § 306 Abs. 1 ist ersichtlich eher an ihrer wirtschaftlichen Bedeutung als an der Gemeingefährlichkeit ihres Brennens orientiert. Recht eindeutiger Beleg der Richtigkeit dieser These ist der Umstand, daß in der Begründung des ursprünglichen RegE als gravierendes Manko des frü-

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4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

dann eigenständig, d.h. neben anderen schutzrichtungsgleichen aber tatmitteloffenen Verletzungsdelikten, zu sanktionieren, wenn und soweit sie gemeingefährlich ist. 47 Das hätte sich über eine auf die Möglichkeit regelmäßig unbeherrschbarer Brandentwicklung rekurrierende Tatbestandsfassung (Stichwort: feuergefährdet) erreichen lassen.

C. Bemerkungen zu Tatobjekten des § 306 Abs. 1 Aus der Typologie des Kombinationsdelikts einschließlich seines das Unrecht der Tat mit konstituierenden Gemeingefährlichkeitsaspektes ergeben sich Konsequenzen für das Verständnis der einzelnen Tatobjekte des § 306 Abs. 1. Ist das Unrecht der unmittelbaren Brandstiftung an täterfremden Tatobjekten durch die Kumulation von Eigentumsverletzung am Tatobjekt und genereller Gemeingefährlichkeit des Inbrandsetzens/der Brandlegung dieser Objekte konstituiert, muß bei der Bestimmung dessen, was als Handlungsobjekt aufgefaßt werden kann, auf die generelle Gefährlichkeit der Tat Bedacht genommen werden. Da lediglich ein Teil der Objekte aufgrund ihrer typischen Beschaffenheit als besonders feuerempfänglich und damit auch besonders zur Weiterverbreitung des Feuers (untechnisch) geeignet sind, 48 bedarf es für die Tatobjekte, die nicht regelmäßig von solcher Beschaffenheit sind, der Formulierung von Bedingungen, unter denen die an ihnen begangene Brandstiftung als generell gefährlich bezeichnet werden kann. Verdeutlichen läßt sich die Umsetzung dieser Forderung an den Tatobjekten „Warenvorräte" und „landwirtschaftliche Erzeugnisse". Vorräte, so liest man in Kommentierungen des § 308 Abs. 1 l.Alt a.F., sind eine Menge von Gegenständen, die zum Zwecke künftiger Verwendung vereinigt seien. Die Menge müsse nach den Umständen des einzelnen Falles als erheblich angesehen werden können. Unter welchen Vorausetzungen dies der Fall sei, bestimme sich nach objektiven Maßstäben.49 Diese Maßstäbe heren Rechts der fehlende Schutz wertvoller Industrieprodukte und Maschinen sowie von Land- und Luftfahrzeugen beklagt wird (BT-Drucks. 13/8587, S. 26 li.Sp.). Um des Eigentumsschutzes solcher Objekte willen war zunächst die Einführung eines auch auf die konkrete Gefährdung wirtschaftlich bedeutenden fremden Eigentums abstellenden konkreten Gefährdungsdelikts (§ 306 Abs. 2 RegE) vorgesehen. Wenn nach der - wohl auch auf die Kritik des Verfassers (Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 22 f.) rückführbaren - Aufgabe dieses Vorhabens die bisher wegen ihres wirtschaftlichen Wertes als besonders schutzwürdig empfundenen Tatobjekte nunmehr als ausdrücklich benannte Objekte des § 306 Abs. 1 unter dem Tatbestandstypus eines Kombinationsdelikts vielleicht gar nur schlichten Verletzungsdelikts wiederkehren, ist die aufgestellte Behauptung keinesfalls aus der Luft gegriffen. 47 Siehe Goltdammer, Die Materialien zum StGB f.d. preuß. Staaten, Teil II, S. 639. 48 Siehe oben Text nach Fußn. 20. 49 Wolff, in: LK, § 308 Rdnr. 8.

C. Bemerkungen zu Tatobjekten des § 306 Abs. 1

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für die Erheblichkeit der Menge der versammelten Gegenstände können präzisiert werden, wenn die Rechtsgutsbestimmung des Tatbestandes berücksichtigt wird. Unter dem Aspekt der Eigentumsverletzung darf es sich nicht um einen Vorrat von wirtschaftlich völlig unbedeutenden Waren handeln, weil die drastische Mindeststrafdrohung bei bagatellarischen Eigentumsverletzungen keine Unrechts- und schuldadäquate Sanktion wäre. 50 Wegen der wenigstens abstrakten Möglichkeit der Ausbreitung des Brandes über das Tatobjekt hinaus bedarf es einer so erheblichen Menge von Waren, daß eine Feuerverbreitung über den unmittelbar inbrandgesetzten Vorrat hinaus möglich erscheint. Diese schwache Möglichkeit läßt sich auf sämtliche tatsächlichen Umstände des Brandes gründen, ist nicht auf die Lage und Beschaffenheit im Sinne von § 308 Abs. 1 2.Alt a.F. beschränkt und liegt unterhalb der Schwelle der Übertragungseignung des bisherigen Rechts. Die Forderung nach einer nicht völlig unerheblichen Menge dient lediglich dazu, dem Inbrandsetzen von/der Brandlegung an Tatobjekten wie den Warenvorräten oder landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine generelle Gefährlichkeit für weitere Rechtsgüter/Rechtsgutsträger zuzuschreiben, wie sie etwa den Objekten Wälder und Moore etc. bereits aufgrund deren typischer Beschaffenheit in Bezug auf die Feuerempfänglichkeit und Feuergefährlichkeit zukommt. Die Beachtung dieser Vorgaben führt in dem BGHSt 39, 128 zugrundeliegenden Sachverhalt, in dem der Täter einige Strohballen im Gesamtwert von etwa 10 D M angezündet hatte, dazu, eine vollendete Brandstiftung des Tatobjekts „landwirtschaftliche Erzeugnisse" bzw. „Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen" (nach altem Recht) zu verneinen, weil weder das Wertmoment noch das Gefährlichkeitsmoment der einfachen Brandstiftung aus § 306 Abs. 1/308 Abs. 1 l.Alt. a.F. erfüllt sind/waren. 51 Forderungen, §308 Abs. 1 l.Alt. a.F. restriktiv durch Erhöhung der Anforderungen etwa an die Quantitäten einiger Tatobjekte zu interpretieren, finden sich auch bereits in Teilen der Literatur. 52 Allerdings ist die Forderung auf der Grundlage der Typisierung als Sonderfall der Sachbeschädigung weniger plausibel. Erst die Erkenntnis der dualistischen Schutzrichtung der Vorschrift als Kombinationstatbestand aus Verletzungsdelikt und abstraktem (gemeingefährlichem) Gefährdungsdelikt be-

50

Im Ergebnis wie hier Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 197; ders., JR 1994, S. 72,73 oben Ii. Sp.; teilweise abweichend Cramer, in: Schönke/Schröder, § 308 Rdnr. 7, der in Bezug auf „Früchte auf dem Felde" einen wirtschaftlichen Wert nicht für erforderlich hielt, einer größeren Menge sollte es nach Cramer aaO. aber sowohl bei den Vorräten als auch bei den Früchten auf dem Felde bedürfen; jeweils bezüglich § 308 Abs. 1 1 .Alt. a.F. 51 Richtig Geppert, JR 1994, S. 72, 73 oben li.Sp., von dem auch die dem landgerichtlichen Urteil entnommene Wertangabe stammt; die Berücksichtigung des Wert- wie des Gefährlichkeitsaspektes fehlt dagegen bei Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 505, der für den genannten Fall - aber ohne nähere Begründung - zu einer Vollendung gelangen will. 52 Vor allem Geppert, Festschrift für Rudolf Schmitt, S. 187, 197 f. 25 Radtke

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4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

gründet die Notwendigkeit einer restriktiven und zugleich bezüglich des Verhältnisses der einzelnen Tatobjekte untereinander stimmigen Interpretation der Objekte. Welche Schwierigkeiten der Auslegung die zu Recht beklagte Antiquiertheit der Tatobjektsauswahl in § 308 a.F., die auch durch die vorgeschlagene Restriktion nicht ohne weiteres zu beheben sind, mit sich brachte, zeigt eine jüngere Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Begriff des „Magazins". 53 Der Angeklagte hatte an einen mehrere Tonnen fassenden mit Lecithin gefüllten Tank derart Feuer angelegt, daß die Isolierung des Tanks selbständig weiterbrannte, und war deshalb durch das Tatgericht wegen einfacher Brandstiftung an einem Magazin verurteilt worden. Der Bundesgerichshof hob die Verurteilung auf, weil der Tank nicht als „Magazin" angesehen werden könne. 54 Zwar habe das Reichsgericht in einer frühen Entscheidung als Magazine Räumlichkeiten angesehen, die dazu bestimmt sind, Vorräte von Waren, Kriegsbedarf, Gebrauchs· oder Verbrauchsgegenstände für längere Zeit aufzubewehren, wenn die Vorräte von größerem Umfang und erheblichem Wert seien.55 Unter diese weite Begriffsbestimmung lasse sich der Tank fassen. 56 Der historische Gesetzgeber habe aber nicht an Brandobjekte wie Tankbehälter für Chemikalien gedacht, so daß eine ausdehnende Auslegung des „Magazins" auf Tankbehälter verbotene Analogie sei. 57 Diese Begründung zur Ablehnung der Tatobjektsqualität ist ebenso kurios wie im Ergebnis unrichtig. Die reichsgerichtliche Definition, die in ihrem Kern auf eine Lagerung von Gegenständen in einer in einem weit verstandenen Sinne Räumlichkeit abstellt, deckt sich mit dem allgemeinen Wortsinn, den der Bundesgerichtshof unter Berufung auf das Lexikon von Brockhaus selbst mitteilt. 58 Die Arten der Lagerung von Produkten aber auf solche zu beschränken, die dem Gesetzgeber 1851 bekannt waren, ist grob fehlerhaft und auch mit einer sehr strikt subjektiv historischen Auslegungszielbestimmung nicht zu begründen. Ist Magazin eine Räumlichkeit, die nicht notwendig von Menschen betretbar sein muß, zur Lagerung - richtig von RGSt 13, 407 erkannt - in Wert und Umfang nicht unerheblicher Vorräte von Produkten, kamen ohne jegliche Kollision mit dem Wortlaut auch Lagerungsarten in Betracht, die dem preuß. Gesetzgeber 1851 nicht bekannt waren. Entscheidend ist die vom Reichsgericht zu Recht geforderte wert- und mengenmäßige Erheblich-

53 54 55 56 57 58

BGHSt 41,219. BGHSt 41,219, 220 f. Siehe RGSt 13, 407 und Wolf, in: LK, § 308 Rdnr. 7. BGHSt 41,219, 220. BGHSt 41,219,221. Siehe BÓHSt 41,219, 220.

D. Zum Verhältnis von § 306 a und § 306 Abs. 1

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keit der magazinierten Produkte. 59 Unproblematisch läßt sich der Lecithintank daher auch unter das Warenlager des § 306 Abs. 1 Nr.3 subsumieren. Die Tathandlungen Inbrandsetzen und Brandlegung gelten einheitlich für sämtliche Tatobjekte des § 306 Abs. 1. Soweit die in der Vorschrift benannten Handlungsobjekte - bis auf die entsprechende Nutzung - mit denen des § 306 a übereinstimmen, liegt ein Inbrandsetzen entsprechend dem zu § 306 a Ausgeführten mit dem selbständigen Brennen bestandswesentlicher Teile des Objekts vor. 60 Für die übrigen Tatobjekte paßt das Kriterium des „bestandswesentlichen Teils" nicht unmittelbar, weil dieses auf Tatobjekte zugeschnitten ist, die entsprechend dem Gebäude konfiguriert sind und deren physische Existenz sich in einem Zusammenspiel dafür notwendiger Teile darstellt. Bei dem Inbrandsetzen eines Waldes läßt sich nicht sinnvoll angeben, des Brennens wie vieler Bäume es bedarf, um von einem Inbrandsetzen des Waldes selbst ausgehen zu können. Eine Orientierung für die Bestimmung des Inbrandsetzen gibt allerdings auch hier - wie bei den Tatobjekten aus § 306 -, daß das Gesetz den Brand des jeweiligen Tatobjekts selbst fordert und der Rückgriff auf den Brand bestandswesentlicher Teile lediglich eine notwendige, aber dennoch eine Hilfskonstruktion ist, um das Brennen des Objekts selbst begrifflich und sachlich fassen zu können. 61 Überträgt man diesen Gesichtspunkt auf Tatobjekte, die nicht entsprechend Gebäuden gegenständlich konstituiert sind, liegt ein Inbrandsetzen vor, wenn Teile des Tatobjekts derart selbständig brennen, daß von ihnen ausgehend eine Fortentwicklung des Feuers auf das gesamte Objekt möglich ist. Für den Brand eines Waldes bedeutet dies etwa, daß Baumstämme oder Unterholz brennen müssen, der Brand von Laub dagegen nicht ausreicht. 62

D. Zum Verhältnis von § 306 a und § 306 Abs. 1 § 306 a Abs. 1 und die einfache Brandstiftung aus § 306 Abs. 1 weisen - abgesehen von der in § 306 Abs. 1 fehlenden Zweckbestimmung - einige übereinstimmende Tatobjekte auf (Gebäude, Schiffe [Wasserfahrzeuge], Hütten und ggf. Betriebsstätten, Warenlager sowie Anlagen iSv. Nr.4, soweit sie Räumlich-

59 RGSt 13, 407; zustimmend auch Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 7; vor diesem Hintergrund verblüfft es, daß Wolff, aaO., Rdnr. 13 für die „Früchte auf dem Felde" eine derartige Beschränkung im Hinblick auf Umfang und Wert leugnet; jeweils für § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. 60 Oben 2.Kap.A.II.2.a. 61 Oben 2.Kap.A.II.2.a. 62 Wie hier Cramer, in: Schönke/Schröder, § 308 Rdnr. 8; siehe auch Tröndle, § 308 Rdnr. 9; teilweise anders Wolff, in: LK, § 308 Rdnr. 14 a.E.; jeweils zu „Waldungen" iSv. § 308 Abs. 1 a.F.

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4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

keiten im Sinne von § 306 a Abs. 1 Nr.3 sind). Die Kongruenz der Objekte eröffnet die Möglichkeit, durch dieselbe Tathandlung sowohl die schwere als auch die sog. einfache Brandstiftung verwirklichen zu können und zwar bezüglich desselben Tatobjekts (der Brandstifter setzt ein ihm nicht gehörendes Wohnhaus in Brand). 63 Die im vorherigen Satz gewählte Formulierung impliziert, daß die mögliche Verwirklichung beider Tatbestände durch ein und dieselbe Handlung eine auf der Ebene der Konkurrenz zu klärende Frage ist. Die Einordnung als Konkurrenzproblem scheint denn auch der mittlerweile wohl allgemeinen Auffassung zu entsprechen. 64 Streitig ist allein die Antwort auf die Konkurrenzfrage. Das Schrifttum bot zum alten Recht, für das sich ganz parallele Fragen stellten, als Alternativen die auf die Verschiedenheit der Schutzgüter gestützte Idealkonkurrenz 65 einerseits und Konsumtion des § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. (§ 306 Abs. 1) als typische mitbestrafte Begleittat andererseits, an. 66 Die Position der Rechtsprechung läßt sich entgegen der Darstellung in den gängigen Kommentierungen nicht verläßlich ermitteln. Soweit die für Idealkonkurrenz votierende Auffassung sich auf RGSt 64, 273, 279 f. und RG, JW 1929, S.2735 beruft, trägt der Beleg nicht, weil in den zugrundeliegenden Sachverhalten jeweils verschiedene Gebäude durch mehrere Brandstiftungshandlungen im natürlichen Sinne in Brand gesetzt worden waren. Die Gesetzeskonkurrenz postulierende Gegenansicht findet in der vielfach zitierten Entscheidung BGH bei Holtz MDR 1984, S.443 ebenfalls keine sichere Stütze, weil die mitgeteilten Gründe keinen Aufschluß darüber geben, ob der Bundesgerichtshof eine Konkurrenzfrage entscheiden wollte oder nicht vielmehr eine Tatbestandslösung vertritt. Der zentrale Satz der Begründung lautet: „Für eine Anwendung (Hervorhebung, H.R.) des § 308 StGB [a.F.] ist daneben grundsätzlich kein Raum". Damit ist der eigentliche Kern des Problems angesprochen. Entgegen verbreiteter Sichtweise ist es keineswegs zwingend, die durch eine Tathandlung an einem Gebäude, welches sowohl unter § 306 a als auch unter § 306 Abs. 1

63 Eine andere Frage, die evident auf Konkurrenzebene zu erörtern ist, ist das Inbrandsetzen von zwei Tatobjekten - eines gemäß § 306 a Abs. 1, das andere gemäß § 306 Abs. 1 - durch dieselbe Handlung im natürlichen Sinne, wie sie etwa bei einem Übergreifen von einem Objekt auf das andere denkbar ist; dazu unten Text vor Fußn. 72. 64 Siehe etwa Cramer , in: Schönke/Schröder, §308 Rdnr. 18; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, §51 Rdnr. 23; Geppert, Jura 1989, S. 473, 482; Wolff, in: LK, § 308 Rdnr. 25; nicht eindeutig die Zuordnung zur Konkurrenzebene bei Tröndle, § 308 Rdnr. 12 a.E. keine Tateinheit zwischen § 308 (evtl. aber nur 2.Alt.) und § 306 (jeweils a.F.), wenn das Gebäude ausschließlich zum Wohnen von Menschen dient; diese Ausführungen lassen sich auch als Tatbestandslösung (dazu sogleich im Haupttext) verstehen. 65 Wolff, in: LK, § 308 Rdnr. 25, dessen Formulierung aber nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob die behauptete Tateinheit auch dann gelten soll, wenn die jeweilige Tatbestandsmäßigkeit sich auf dasselbe Tatobjekt bezieht („Tatobjekte"); Horn, in: SKStGB, § 308 Rdnr. 5; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 51 Rdnr. 23. 66 Geppert, Jura 1989, S. 473, 482.

D. Zum Verhältnis von § 306 a und § 306 Abs. 1

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Nr.l subsumiert werden kann, begangene Brandstiftung als Konkurrenzfrage anzusehen. Außer der Konkurrenzlösung kommt eine Tatbestandslösung dergestalt in Betracht, daß bereits ein Tatobjekt „Gebäude" im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr.l nicht vorliegt, wenn dieses Gebäude insgesamt tatsächlich zum Wohnen genutzt wird. Teilen des älteren Schrifttums ist eine solche Tatbestandslösung geradezu selbstverständlich gewesen. So sagt etwa Hälschner bezüglich der Tatobjekte des § 308 a.F.: „Gebäude, Schiffe, Hütten kommen selbstverständlich nur in Betracht, sofern sie nicht bewohnt sind, Bergwerke, die zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dienen, nur insoweit als sie zu einer Zeit in Brand gesetzt werden, während sich Menschen nicht in denselben aufzuhalten pflegen." 67 Eine solche Tatbestandslösung fand sich auch in dem ursprünglichen RegE 6. StrRG. Aus § 306 Abs. 2 RegE sollte lediglich bestraft, wenn die Tat nicht bereits gemäß § 306 Abs. 1 RegE als abstrakt menschengefährliche Brandstiftung strafbar ist. 68 Aus der Begründung des Entwurfs geht eindeutig hervor, daß als Tatobjekte im Sinne von § 306 Abs. 2 RegE solche unbeweglichen Sachen nicht in Betracht kommen, die nicht bereits dem Strafschutz nach Abs. 1 RegE unterliegen. 69 Eine solche auf der Ebene des Tatbestandes erfolgende Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 306 a Abs. 1 einerseits und § 306 Abs. 1 andererseits entspricht durchaus auch dem Schutzzweck der beiden Vorschriften. Dient ein für den Brandstifter fremdes Gebäude zu Wohnzwecken etc., ist das Gefährlichkeitsunrecht im Sinne genereller Gefährlichkeit des Inbrandsetzens solcher Gebäude für Leben und Gesundheit von Menschen, das das Unrecht der Tat aus § 306 Abs. 1 neben dem Unrecht der Eigentumsverletzung mit konstituiert (oben B.), über die Strafbarkeit aus § 306 a Abs. 1 Nr.l vollständig abgegolten. Wegen der tatsächlichen Nutzung des Gebäudes als Wohnung steigert sich die generelle Gefährlichkeit des Inbrandsetzens eines solchen Objekts über die rechtsgutsbezogen unspezifische Gefährlichkeit des Inbrandsetzens von Gebäuden ohne eine solche Wohnnutzung und läßt keinen Raum mehr für ein von der erhöhten Lebens- und Gesundheitsgefährlichkeit des Inbrandsetzen von Wohngebäuden nicht erfaßtes Gefährlichkeitsunrecht. Die verbleibende Eigentumsverletzung würde über § 303 (ggf. § 305) sanktioniert, der idealkonkurrierend verwirklicht ist. 70 Ein Ausschluß der Strafbarkeit gemäß § 306 Abs. 1 auf der Ebene des Tatbestandes, der anders als in der Fassung des Regierungsentwurfs durch den Wortlaut des geltenden Rechts nicht nahegelegt ist, und nicht erst auf der Kon67 in: Das gemeine deutsche Strafrecht, 2.Band, S. 613; Binding , StrafR, Bes. Teil 2.1., S. 14 „Gebäude, Schiffe und Hütten, die überhaupt nicht oder noch nicht oder nicht mehr zur Wohnung von Menschen dienen". 68 Vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 48 li.Sp. 69 Wie Fußn. zuvor. 70 Insoweit a.A. BGH vom 01.07.1993, 1 StR 329/93, zit. nach Tröndle, §306 Rdnr. 8.

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4. Kapitel „Die sog. einfache Brandstiftung"

kurrenzebene führt allerdings zu Lücken bei der Möglichkeit der strafbaren Beteiligung Dritter an den Verhaltensweisen, deren Strafbarkeit für den Haupttäter entweder wegen fehlender Tatbestandsmäßigkeit oder aus Gründen der Gesetzeskonkurrenz nicht zur Anrechnung kommt. Im Rahmen der angesprochenen teilweisen Kongruenz der Tatobjekte aus § 306 a Abs. 1 und § 306 Abs. 1 kommen solche Strafbarkeitslücken vor allem bei Irrtumskonstellationen in Betracht. Dazu ein Beispiel: A stiftet Τ zur Brandstiftmg an einem für Τ fremden Gebäude an, von dem allein Τ nicht aber A weiß, daß es sich nach seiner tatsächlichen Nutzung um ein Wohngebäude handelt. Τ wird wegen schwerer Brandstiftung bestraft, eine Strafbarkeit des A als Anstifter zu dieser Tat scheidet dagegen mangels eines auf die schwere Brandstiftung bezogenen Vorsatzes aus. Eine von dem Anstiftervorsatz in Bezug auf die mögliche Haupttat umfaßte Strafbarkeit des Τ aus §§ 306 Abs. 1, 26 scheiterte auf der Grundlage einer Tatbestandslösung an der fehlenden Haupttat. Τ verwirklichte dann neben § 306 a Abs. 1 Nr.l tatbestandlich nicht § 306 Abs. 1. Zwar bliebe das in § 306 Abs. 1 auch enthaltene Gefährlichkeitsunrecht A dennoch subjektiv zurechenbar. Neben der Anstiftung zur ggf. qualifizierten Sachbeschädigung machte er sich wegen versuchter Anstiftung zur Brandstiftung gemäß §§ 306 Abs. 1 Nr.l, 30 Abs. 1 strafbar. Auf der Basis einer Tatbestandslösung wäre jedoch unvermeidbar, A für die von ihm vorsätzlich angestiftete vollendete Tat aus § 306 Abs. 1 nicht bestrafen zu können. Mangels Anwendbarkeit von § 30 überhaupt nicht zu schließen, wäre die Lücke bei der gehilfenschaftlichen Beteiligung (und dem geschilderten Beispiel entsprechender Irrtumskonstellation). Bedenkt man zusätzlich das Abgehen des Gesetzgebers von der eine Tatbestandslösung nahelegenden Konzeption in § 306 Abs. 2 RegE ist für das geltende Brandstrafrecht eine Konkurrenzlösung vorzuziehen. Da das Gefährlichkeitselement des § 306 Abs. 1 vollständig über § 306 a Abs. 1 abgedeckt ist und die eingetretene Eigentumsverletzung über §§ 303 ff. erfaßt wird, läßt sich in Übereinstimmung mit der von Geppert 71 zum bisherigen Recht vertretenen Auffassung § 306 Abs. 1 als eine typische mitbestrafte Begleittat des § 306 a Abs. 1 verstehen. Führt die Brandstiftung an einem fremden Tatobjekt gemäß § 306 Abs. 1 zu einer konkreten Gesundheitsgefahr bei einem anderen Menschen, geht § 306 a Abs. 2 als spezielleres Delikt vor. Geraten durch eine Tathandlung im natürlichen Sinne zwei (oder mehrere) verschiedene Objekte, von denen eines allein unter § 306 a Abs. 1, das andere allein unter § 306 Abs. 1 subsumiert werden kann, in Brand, besteht wegen der in § 306 a Abs. 1 nicht erfaßten Eigentumsverletzung und des in § 306 Abs. 1

71

Fußn. 66.

D. Zum Verhältnis von § 306 a und § 306 Abs. 1

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eigenständigen Gefährlichkeitsmoments wegen des Brandes des zweiten Tatobjekts Idealkonkurrenz. 72

72 RGSt 64, 273, 279 f. (in einem obiter dictum); Lackner/Kühl, weils in Bezug auf § 306 und § 308 Abs. 1 a.F.

§ 308 Rdnr. 5 je-

5. Kapitel „Die konkrete Brandgefahr 44 Im Rahmen der Überlegungen zu allen Brandstiftungsdelikten des geltenden Rechts gemeinsamen tatbestandlichen Strukturen hatte sich gezeigt, daß § 306f schon aufgrund der Vorverlagerung der Strafbarkeit von der ansonsten erforderlichen Verletzung des Tatobjekts (nicht des Rechtsguts) auf dessen konkrete Gefährdung nicht ohne weiteres in die strukturellen Gemeinsamkeiten der übrigen Brandstiftungstatbestände eingepaßt werden kann.1 Weitere Unterschiede können sich auch bei der Rechtsgutsbestimmung und damit korrespondierend bei dem Deliktstypus ergeben, wenn § 306 f nicht auf den Schutz der individuellen Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum vor der Gemeingefährlichkeit der Tathandlung abzielt, sondern - im Sinne des Gemeinschädlichkeitsaspekts gemeingefährlicher Delikte 2 - den Schutz gemeinschaftswichtiger Objekte im Interesse der Allgemeinheit intendiert. Das neue Brandstrafrecht hat bei der Gestaltung des § 306 f die über Rechtsgut und Tatbestandsstruktur des § 310 a a.F. divergierenden Ansichten aufgenommen und der bereits bisher etwa von Horn 3 und Cramer 4 vertretenen Auffassung den Vorzug gegeben, indem § 306 f in Abs. 1 und Abs. 2 zwischen der konkreten Brandgefahr tätereigener und nicht tätereigener Objekte differenziert. Bei konkreter Brandgefahr für im Eigentum des Täters stehender Tatobjekte bedarf es zusätzlich einer weiteren (jetzt: rechtsgutsbezogen) konkreten Gefährdung von Leben, Leib oder fremder wirtschaftlich bedeutender Sachwerte.5 Die unterschiedlichen Anforderungen der brandbedingten Gefährdung tätereigener und nicht tätereigener Gefährdungsobjekte beruht auf angeblich intrasystematischen Notwendigkeiten, die konkrete Gefährdung von Tatobjekten durch Brand nicht von anderen Voraussetzungen abhängig zu machen als deren Verletzung in Gestalt des Inbrandsetzens oder Zerstörens durch Brandlegung. 6 Die Abstimmung des § 306 f auf die Regelungen in § 306 Abs. 1 und § 306 a

1

Oben l.Kap.C.II.l.c.(4). Oben l.Kap.C.II.2.a. 3 in: SK-StGB, § 310 a Rdnr. 3. 4 in: Schönke/Schröder, § 310 a Rdnr. 1. 5 Knappe Bewertung des Reformvorschlages § 306 c RegE betreffend bei Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 32 f. 6 Siehe BT-Drucks. 13/8587 S. 49 re.Sp., aber auch Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 32 f. 2

Α. Rechtsgut

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Abs. 2 ist handgreiflich. Das Inbrandsetzen/die Zerstörung durch Brandlegung dem Täter gehörender Objekte ist - außerhalb des Anwendungsbereichs von § 306 a Abs. 1 - sub specie Brandstiftung allein bei Schaffung einer konkreten Gesundheitsgefahr strafbar (§ 306 a Abs. 2; entspr. § 306 f Abs. 2 - allerdings mit Modifikationen bei den gefährdeten Rechtsgütern). Stehen Tatobjekte aus § 306 Abs. 1 nicht im Eigentum des Täters oder erfolgt die Tat nicht mit Einwilligung des Eigentümers, reicht die Eigentumsverletzung zur Begründung der Strafbarkeit wegen einfacher Brandstiftung hin. § 306 f Abs. 1 läßt dementsprechend die konkrete Eigentumsgefährdung (Brandgefahr) nicht dem Täter gehörender Objekte genügen. An dieser in sich stimmigen Konzeption irritiert die unreflektierte - wenn auch im Ergebnis zutreffende - Annahme einer für §§ 306 Abs. 1, 306 a Abs. 2 einerseits und § 306 f andererseits weitgehenden Kongruenz der Tatobjekte sowie einer weitgehend identischen Schutzrichtung der Tatbestände. Selbst wenn die Konzeption im Ergebnis akzeptabel ist, war es geboten, zu fragen, der Schutz welcher Rechtsgüter in § 306 f gewährleistet sein soll. Wenn das zentrale Charakteristikum - implizit oder explizit - der Tatobjekte des § 306 f deren „Feuergefährdetheit" ist, die mit deren wirtschaftlichen Wert keineswegs notwendig korreliert, sondern regelmäßig davon ganz unabhängig ist, drängt sich die Frage auf, ob in den Fällen des § 306 f Abs. 1 allein die Gefährdung fremden Eigentums den Strafgrund bildet oder ob es nicht vielmehr um das mit dem (drohenden) Brand des Tatobjekts verbundene Gefährlichkeitspotential geht. Dieses Gefahrenpotential ist von den Eigentumsverhältnissen am Handlungsobjekt aber natürlich unabhängig, so daß die Differenzierung nach den Eigentumsverhältnissen keineswegs aus Gründen systematischer Stimmigkeit zwingend geboten war. Reflexionen über Rechtsgut und Schutzzweck des § 306 f vor seiner Reform drängten sich auch deshalb auf, weil hinsichtlich des alten Rechts Schutzrichtung des § 310 a umstritten geblieben war. Kollektivistische und individualistische Orientierungen wurden gleichermaßen angeboten (unten Α.). Der jetzt vom Reformgesetzgeber gewählte Lösungsweg nach den Eigentumsverhältnissen am Gefährdungsobjekt differenzierender Ausgestaltung des Tatbestandes kann Plausibilität allein auf der Basis einer individualistischen Schutzzweckbestimmung beanspruchen.

A. Rechtsgut In Anbetracht der unterschiedlichen tatbestandlichen Anforderungen der konkreten Brandgefahr tätereigener oder nicht tätereigener Tatobjekte ist eine für den gesamten Tatbestand einheitliche Schutzrichtung zweifelhaft geworden. Die aus der tatobjektsbezogenen Brandgefahr resultierende Rechtsgutsgefahr für Leben, Gesundheit und fremde im Wert erhebliche Sachen in § 306 f Abs. 2 deutet einen auf diese Güter gerichteten Schutzzweck an. Dagegen weist Abs. 1 wegen des Verzichts auf eine aus der Brandgefahr hervorgehende Rechtsgutsge-

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5. Kapitel „Die konkrete Brandgefahr"

fahr auf eine ausschließlich Eigentumsschutz bezweckende Richtung hin. Gemeinsam ist beiden Varianten jedoch die Negierung einer kollektivistischen Schutzrichtung, wie sie zu § 310 a a.F. vielfach behauptet worden war. 7 Die Entstehungsgeschichte des § 310 a a.F. läßt keinen Zweifel an der Intention der nationalsozialistischen Gesetzgeber, mit dem genannten Straftatbestand eine Vorschrift zum Schutz der Volks- und Ernährungswirtschaft schaffen zu wollen. § 310 a a.F. wurde erstmals durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 28. Juni 19358 in das StGB eingefügt. Die Aufnahme einer solchen Vorschrift war motiviert durch eine als besonders hoch empfundene Zahl von fahrlässig herbeigeführten Waldbränden und war dementsprechend ursprünglich auf das Herbeiführen einer konkreten Brandgefahr für Wald, Moorund Heideflächen beschränkt. 9 Die Möglichkeit der Sanktionierung solcher „brandgefährlicher" Verhaltensweisen als fahrlässige Brandstiftung gemäß § 309 a.F. (§ 306 d Abs. 1) einerseits und - wenn ein Brand ausblieb, es aber etwa durch Rauchen oder offenes Feuer im Wald zu einer als abstrakt verstandenen Brandgefahr gekommen war - fortbestehenden landesrechtlichen Polizeiverordnungen andererseits wurde als unzureichend empfunden, weil § 309 a.F. das Herbeiführen eines Brandes verlangte, die Polizeiverordnungen, die sich mit einer „abstrakten Gefahr", d.h. der Vornahme einer als generell gefährlich betrachteten Handlung (Rauchen an bestimmten Orten etc.) begnügten, nur als zu geringfügig erachtete Sanktionen zur Verfügung stellten. 10 Die Ausdehung der tauglichen Tatobjekte auf „feuergefährdete Anlagen oder Betriebe" wurde durch das Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches vom 04. September 194111 vorgenommen. Die Erstreckung des Schutzes auf (besonders) feuergefährdete Betriebe und Anlagen erfolgte vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Mangelwirtschaft sowohl in der Volks- wie in der Ernährungswirtschaft. Schmidt-Leichner hob ausdrücklich hervor, daß die Kriegsverhältnisse den Schutz sämtlicher Betriebe, Anlagen, landwirtschaftlicher Einrichtungen und Erzeugnisse usw., bei denen die Vernichtung „wertvoller Volksgüter und wehrwichtiger Erzeugnisse" hervorgerufen werden konnte, erforderten. 12 Daß § 310 a a.F. in seiner Fassung von 1941 nach der Vorstellung des damaligen Gesetzgebers alternierend oder nachrangig auch dem (auf die konkrete Gefährdung vorverlagerten) Schutz individueller Rechtsgüter dienen sollte, kann ausgeschlossen werden. In Bezug auf den Eigentumsschutz ist in zeitgenössischen 7 Wolff in: LK, § 307 Rdnr. 1; Krumme, Anm. zu BGH, LM StGB § 310 a Nr.l; OLG Stuttgart, MDR 1994, S. 713, 714. 8 RGBl. I, S. 839, 841. 9 Siehe dazu Schäfer, JW 1935, S. 2478, 2481. 10 Schäfer, aaO.; siehe auch Schmidt-Leichner, DR 1941, S. 2145, 2149. 11 RGBl. I, S. 549, 550. 12 DR, S. 2145, 2149; ebenso Rietzsch, in: Pfundtner/Neubert, Das Deutsche Reichsrecht, Band 7, II c 6, S. 184 Anm.I a.E.

Α. Rechtsgut

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Bewertungen des (damaligen) neuen Rechts die Relevanz der Eigentumsverhältnisse an den in konkrete Brandgefahr geratenen Gegenständen ausdrücklich in Abrede gestellt worden. 13 Ungeachtet des Ergebnisses der subjektiv historischen Auslegung 14 konnte selbst bezüglich § 310 a a.F. auf den Schutz der Volks- und Ernährungswirtschaft im Interesse der Allgemeinheit als geschütztem Rechtsgut bzw. geschützten Rechtsgütern nicht abgestellt werden. Denn für eine solche Schutzrichtung gibt die Ausgestaltung des Tatbestandes keine Anhaltspunkte. Wenn §310 a a.F. dem Interesse der gesamten Volkswirtschaft am Schutz von Industriebetrieben und Industrieanlagen hätte dienen sollen, ist nicht zu erklären, warum dieses überindividuelle Interesse lediglich gegen (vorsätzliche oder fahrlässige) Angriffe mittels Feuer geschützt sein sollte. Die Auswirkungen einer Beeinträchtigung von Industriebetrieben durch andere Angriffsmittel als Feuer auf die Bedeutung solcher Betriebe für die Volkswirtschaft sind nicht von denen mittels Feuer verschieden. Wenn es um das (gesamtgesellschaftliche) Interesse der Volkswirtschaft ginge, ist auch nicht plausibel, daß die Auswahl der in konkrete Brandgefahr geratenen Tatobjekte nicht nach ihrem Wert für die Volkswirtschaft erfolgt ist, sondern - für die Objekte gemäß §310 a Abs. 1 Nr.l a.F. (§ 306 f Abs. 1 Nr.l) ausdrücklich, für die gemäß Abs. 1 Nr.2 a.F. (§ 306 f Abs. 1 Nrn.2-4) der Sache nach - am Maßstab ihrer Empfänglichkeit für Feuer („feuergefährdete" Betriebe etc.). Daraus erschloß sich die Rechtsgutsbestimmung des § 310 a a.F. Taugliche Tatobjekte im Sinne der Vorschrift waren solche, die aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse ihrer baulichen Beschaffenheit, ihres Nutzungszwecks, der in ihnen verarbeiteten oder gelagerten Stoffe u.ä. in stärkerem Maße der Wirkkraft des Feuers ausgesetzt sind, weil sie besonders leicht Feuer empfangen und korrespondierend wegen des Umfangs der Ausdehnung des Feuers auch besonders leicht weitergeben. 15 Tatobjekte im Sinne von § 306 f (§ 310 a a.F.) sind feuergefährdet und zugleich - im Sinne einer nicht näher konkretisierten Verbreitungsgefährlichkeit - feuergefährlich. Wegen dieser besonders hohen Empfänglichkeit für das Tatmittel Feuer und des regelmäßig vorhandenen Risikos, das Feuer weiterzugeben und der damit verbundenen Möglichkeit der Beeinträchtigung von weiteren Rechtsgütern außer dem mit dem Tatobjekt zusammenfallenden Rechtsgut (Eigentum am Tatobjekt selbst), ist die Strafbarkeit auf das Stadium der Schaffung einer konkreten Brandgefahr vorverlagert. Angesichts der spezifischen Feuerempfänglichkeit ist Unbeherrschbarkeit eines Brandes der Tatobjekte gemäß § 310 a (a.F./§ 306 f) regelmäßig zu einem frühen Zeitpunkt anzunehmen. Diese im Vergleich zu der

13

Rietzsch, aaO., Anm.5. Zur subjektiv-historischen Auslegungszielbestimmung Loos, in: AK-StPO, Einl. III. Rdnrn. 4 ff. 15 Treffend in Bezug auf die Begriffsbestimmung BGHSt 5, 190, 194. 14

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5. Kapitel „Die konkrete Brandgefahr"

Mehrzahl der Tatobjekte gemäß §306 und §308 Abs. 1 l.Alt a.F. (§§306 Abs. 1, 306 a Abs. 1) erhöhte Gefährlichkeit des Brennens des § 310 a a.F. abzuwehren, ist der Zweck dieses Tatbestandes. Damit erweist sich die von Horn 16 vorgenommene Bestimmung des geschützten Rechtsgutes als zutreffend. § 310 a a.F. schützte entsprechend der üblichen Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte die Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum vor der Gefährlichkeit des Brandes der im Tatbestand genannten Betriebe, Anlagen und land- bzw. forstwirtschaftlichen Flächen und Erzeugnisse. Gleiches gilt trotz der divergierenden tatbestandlichen Voraussetzungen in Abs. 1 und Abs. 2 auch für § 306 f insgesamt. Das zuvor für § 310 a a.F. beschriebene Gefährlichkeitspotential der Tat in Gestalt der besonderen Feuerempfänglichkeit und Ausbreitungsgefährlichkeit existiert vor dem Hintergrund der beinahe unveränderten Normierung der Tatobjekte auch bezüglich § 306 f. Die im Gesetz gewählte Technik zur Beschreibung der einschlägigen Handlungsobjekte orientiert sich eindeutig an diesem Gefährlichkeitspotential und nicht an einer hervorgehobenen Bedeutung - etwa ihrem besonderen individuellen oder kollektiven (vgl. §§ 305, 305 a) Wert - hinsichtlich des Eigentumsrechts. Letztere Ausrichtung wäre aber zu erwarten, intendierte § 306 f Abs. 1 ausschließlich Eigentumsschutz durch Verlagerung der Strafbarkeitsgrenze in ein Stadium vor der Rechtsgutsverletzung. Unmißverständliches Anzeichen für das dargelegte Rechtsgutsverständnis ist vor allem das Merkmal konkreter Rechtsgutsgefahr in § 306 f Abs. 2. In der Gefahr für Leben, Gesundheit und Eigentum an Sachen, die nicht mit dem gefährdeten Tatobjekt identisch sind, realisiert sich das mit Feuerempfänglichkeit und Ausbreitungsgefährlichkeit beschriebene Gefahrenpotential der Schaffung einer tatobjektsbezogenen Brandgefahr. Der Unrechtsgehalt des § 306 f Abs. 1 besteht daher in einer Kombination aus konkreter Eigentumsgefährdung bezüglich des Tatobjekts und einer damit verbundenen generellen Gefährlichkeit ftlr die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum - letzteres jenseits des Eigentums am Tatobjekt. § 306 f Abs. 2 ermangelt der auf das Tatobjekt bezogenen Eigentumsgefährdung. An die Stelle dieser Unrechtskomponente tritt die Konkretion der hinsichtlich § 306 f Abs. 1 lediglich generellen Gefährlichkeit in Gestalt eines Gefahrerfolges für die geschützten Rechtsgüter. § 306 f Abs. 2 entspricht insoweit exakt dem Deliktstypus eines gemeingefährlichen Delikts wie sie der Vorstellung der Mitglieder der Großen Strafrechtskommission anläßlich der Arbeiten an den Reformentwürfen von 1960 und 1962 entsprach, der Kombination einer gemeingefährlichen Tathandlung mit einer daraus resultierenden konkreten Gefahr für ein Rechtsgut.17

16

SK-StGB, §310 a Rdnr. 2. Lackner, Die Brandstiftungsdelikte nach dem E 1960, in: Brandermittlung und Brandverhütung, S. 289, 291. 17

Α. Rechtsgut

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Eine solche aus der Typik der geschützten Tatobjekte im Hinblick auf ihre Feuergefährdetheit und ihre Feuergefährlichkeit (Ausbreitungsgefährlichkeit) abgeleitete Rechtsgutsbestimmung ist an den in § 306 f Abs. 1 Nr.l (Nr.3 und partiell Nr.4) benannten Objekten deutlicher ablesbar als an den in Abs. 1 Nr.2 benannten. In der 1. Gruppe sind die für die zugrundegelegte Rechtsgutsbestimmung ausschlaggebenden spezifischen Objektseigenschaften gerade Merkmale der Begriffs- und Inhaltsbestimmung der Objekte selbst. Der Verzicht auf die ausdrückliche Statuierung des Merkmal „feuergefährdet" bei den land- und ernährungswirtschaftlichen Betrieben und Anlagen gemäß § 306 f Abs. 1 Nr.2 erklärt sich aus dem Umstand, daß die benannten Erzeugnisse aufgrund ihrer Eigenschaften im Fall der Lagerung generell in einem erhöhten Maß feuergefährdet sind. Anders als bei den hinsichtlich der Feuergefährlichkeit unspezifischen Betrieben und Anlagen der Nr.l bedurfte es daher eines die besondere Feuerempfänglichkeit ausdrückenden Elementes nicht. Für die Objekte in Nr.3 ist der Rückschluß von den an Feuergefährdung und Feuergefährlichkeit anknüpfenden Objektseigenschaften auf die Schutzrichtung des Tatbestandes gleichfalls wahrnehmbar. Wald-, Heide- und Moorflächen sind wenigstens temporär in einem besonderen Maße für die Einwirkung durch Feuer empfänglich und - wiederum jahreszeitlich bedingt - in besonderem Maße Katalysatoren der weitreichenden Verbreitung von Bränden. 18 Entsprechendes gilt aber auch für die auf Feldern lagernden leicht entzündlichen landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Ohne einen über das zusätzliche Merkmal „feuergefährdet" oder über die spezifischen Eigenschaften der Objekte erfaßten besonderen Charakter der Feuergefährdetheit und der Feuergefährlichkeit erweisen sich allein die „bestellten Felder" in Abs. 1 Nr.4. Eine Rückführung der letztgenannten Tatobjekte auf den Schutzzweck des § 306 f als gemeingefährliches Delikt erfolgt jedoch über ein einschränkendes Verständnis der Objekte dahingehend, diese lediglich dann als taugliche Gegenstände zu begreifen, wenn - unabhängig von der Bestimmung einer konkreten objektsbezogenen Brandgefahr - Bedingungen bestehen, unter denen die „bestellten Felder" als in einem über das Übliche hinausgehenden Maß feuergefährdet und feuergefährlich bewertet werden können. Die dafür relevanten Kriterien ergeben sich aus den Anforderungen an die feuergefährdeten Anlagen und Betriebe (unten C.).

18 Oben l.Kap.C.II.2.a.(5). ist bereits daraufhingewiesen worden, daß der Gesetzgeber des preuß. StGB von 1851 die Aufnahme der Tatobjekte Waldungen und Torfmoore in die einfache Brandstiftung (heute § 306 Abs. 1) am Maßstab der Gemeingefährlichkeit des Brandes vorgenommen hatte.

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5. Kapitel „Die konkrete Brandgefahr"

B. Deliktstypus § 306 f Abs. 2 ist tatobjekts- und rechtsgutsbezogen konkretes Gefährdungsdelikt. Dagegen trägt § 306 f Abs. 1 (rechtsgutsbezogen) sowohl Züge eines konkreten als auch eines abstrakten Gefährdungsdelikts (oben A.); konkretes Gefährdungsdelikt hinsichtlich des Eigentums am Tatobjekt, abstraktes Gefährdungsdelikt hinsichtlich der Gefährlichkeit für die geschützten Rechtsgüter außerhalb des Eigentums am Objekt. Allerdings handelt es sich bei § 306 f Abs. 1 insoweit um ein Gefährdungsdelikt mit einem besonders hohen Abstraktionsgrad im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Tathandlung und geschütztem Rechtsgut bzw. geschützten Rechtsgütern; nicht wegen des Verzichts auf eine Verletzung des Tatobjekts. Die erhebliche Abstraktheit ergibt sich aus der von § 306 a Abs. 1 abweichenden Gesetzestechnik des § 306 f Abs. 1, die generelle Gefährlichkeit der Tathandlung über die Tatbestandsmerkmale zu erfassen. § 306 a Abs. 1 erreicht die auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit gerichtete Gefährlichkeit des Inbrandsetzens der Tatobjekte - in Nr.l und Nr.3 - über die Anbindung der Tathandlung an Objekte die wenigstens temporär typische Aufenthaltsorte von Menschen sind. Entsprechendes fehlt bei § 306 f. Die über das Merkmal „feuergefährdet" zugewiesene oder aus den Eigenschaften des Objekts selbst folgende Feuergefährdetheit und Feuergefährlichkeit ist, auf die geschützten Rechtsgüt bezogen, völlig unspezifisch. Kriterien sind allein, daß Feuer besonders leicht empfangen und - bei Existenz entsprechender tatsächlicher Bedingungen - besonders leicht verbreitet werden kann. Welche Rechtsgüter von dieser Feuergefährdetheit und der Feuergefährlichkeit betroffen sein könnten, ist in § 306 f nicht über die Auswahl der Tatobjekte oder über weitere Kriterien wie etwa Übertragungseignung aufgrund Lage und Beschaffenheit (§ 308 Abs. 1 2.Alt a.F.) bestimmbar. Die Behauptung des sehr abstrakten Gefährdungsdelikts ist also gestützt auf die fehlende tatbestandliche Festlegung von Bedingungen, unter denen von einer generellen Gefährlichkeit der Tathandlung - im Falle der Realisierung der tatobjektsbezogen konkreten Brandgefahr - für bestimmte tatbestandlich geschützte Rechtsgüter gesprochen werden kann.

C. Feuergefährdete Anlagen oder Betriebe Was unter feuergefährdeten Anlagen oder Betrieben zu verstehen ist, erläutert das Gesetz - anders als noch § 310 a a.F. - nicht mehr anhand von Beispielen. Die Beispiele bisherigen Rechts lassen sich jedoch weiterhin zur Verdeutlichung des Gemeinten heranziehen, ist doch eine Änderung des sachlichen Gehalts mit dem Verzicht auf die Beispiele feuergefährdeter Anlagen etc. nicht

C. Feuergefährdete Anlagen oder Betriebe

399

verbunden. 19 Der gemeinsame Kern der bisherigen gesetzlich benannten Beispiele bestand darin, den Terminus „feuergefährdet" über die Gegenstände bzw. Materialien, mit denen in dem entsprechenden Objekt in der ein oder anderen Form umgegangen wird, zu bestimmen. Die Beispiele verhielten sich allerdings über das, was Betrieb oder Anlage ist, nicht und beschrieben auch den Grund für die „Feuergefährdetheit" nur unvollkommen. Der Begriff des Betriebes bzw. der Anlage, die zu Tatobjekten des § 306 f Abs. 1 Nr.l erst über die Eigenschaft „feuergefährdet" werden, sind von dieser Eigenschaft her zu verstehen. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat zu § 310 a a.F. auf der Grundlage einer von der hier vertretenen abweichenden Rechtsgutsbestimmung Betriebe auf betriebswirtschaftliche Funktionseinheiten, d.h. im Verständnis des Gerichts auf „eine gewerblichen Zwecken dienende Einrichtung..., in der eine aufeinander bezogene Gesamtheit von Gegenständen (Material, Hilfsstoffe, Geräte) für einen bestimmten Zweck bereitgehalten und verwendet wird", bezogen.20 Das Abstellen auf betriebswirtschaftliche Funktionseinheiten ist zwar vor dem Hintergrund der auf die gesamte Volks- und Ernährungswirtschaft gerichteten Rechtsgutsbestimmung seitens des Gerichts 21 verständlich, erweist sich aber als zu eng. Sieht man die Schutzrichtung des Tatbestandes in der Abwendung der generellen Gefährlichkeit des drohenden Inbrandgeratens der in § 306 f benannten Tatobjekte, orientiert sich die Bestimmung des feuergefährdeten Betriebs weniger an der betriebs- bzw. volkswirtschaftlichen Bedeutung der entsprechenden Einrichtungen, sondern an dem Maß ihrer Feuerempfänglichkeit und Feuergefährlichkeit. Eine Eingrenzung des Begriffs des feuergefährdeten Betriebs folgt aus der Gegenüberstellung der „feuergefährdeten Betriebe" mit solchen der Land- oder Ernährungswirtschaft. Feuergefährdete Betriebe im Sinne von § 306 f Abs. 1 Nr.l können lediglich solche sein, die nicht land- oder ernährungswirtschaftliche Betriebe sein, denen die Feuergefährdetheit nicht über ein ausdrücklich so benanntes Merkmal zugewiesen ist, sondern denen diese Eigenschaft über die typische Feuerempfänglichkeit der dort gelagerten Produkte eo ipso beigegeben ist. 22 Im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs läßt sich Betrieb als die Einheit von zusammenwirkenden Personen und Produktionsmitteln zum Zwecke des Hervorbringens von Gütern und Leistungen verstehen. 23 Bezogen auf den Betriebsbegriff des § 306 f und den hier angezogenen Schutzzweck genügt die näher bezeichnete Einheit unabhängig von einer gewerblichen Ausrichtung (unter 19

BT-Drucks. 13/8587 S. 49. MDR 1994, S. 713, 714. 21 Oben 5.Kap.A. 22 Vgl. auch BT-Drucks. 13/8587 S. 71 li.Sp. - Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung auf BT-Drucks. 13/8587 S. 88 re.Sp. 23 Wahrig, Deutsches Wörterbuch. 20

400

5. Kapitel „Die konkrete Brandgefahr"

Ausschluß der gesondert statuierten Land- und Ernährungswirtschafi) des Betriebes im engeren Sinne. Freiberufliche Tätigkeit als auf das Hervorbringen von Leistungen gerichtete Tätigkeit fällt gleichfalls unter den Betriebsbegriff. Abweichend vom genannten weiten Betriebsbegriff des allgemeinen Sprachgebrauchs ist der Begriff in § 306 f allerdings nicht auf die ideelle Einheit von Personen und Produktionsmitteln bezogen („der Betrieb"), sondern erstreckt sich auf die räumlich-technisch Anlage, die zur Hervorbringung der jeweiligen Güter und Leistungen notwendig ist. Allein an diese räumlich-technische Anlage knüpft die Feuerempfänglichkeit des Objekts an. Anlagen- und Betriebsbegriff fallen damit zusammen. Die Anforderungen an das „räumlich-technische" der Anlage sind gering, weil nicht der betriebs- bzw. volkswirtschaftliche Wert eines Betriebs bzw. einer Anlage die Tatobjektseigenschaft bestimmt, sondern der Maßstab der Feuergefährdetheit. Entgegen OLG Stuttgart MDR 1994, S.193 f. und den zustimmenden Kommentierungen 24 genügt etwa das Lagern von Möbeln, die wegen der Beschaffenheit der verwendeten Materialien typischerweise besonders feuerempfänglich sind, in einem Raum, wenn die Lagerung nicht ausschließlich privaten Zwecken dient. Die für das Merkmal „feuergefährdet" maßgeblichen Kriterien sind weitgehend geklärt. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1953 die Feuergefährdetheit treffend aus der besonderen Feuerempfänglichkeit des Objekts hergeleitet. 25 Feuergefährdet sind diejenigen Betriebe etc., die einer erhöhten,"d.h. über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Brandgefahr ausgesetzt sind, weil die vorhandenen Erzeugnisse oder Vorräte entweder sich leicht von selbst entzünden oder aber leicht Feuer fangen und, einmal vom Feuer erfaßt, wie Zunder brennen. 26 Außer aus den spezifischen feuerempfänglichen Eigenschaften der den Gegenstand des Betriebes bildenden Materialien kann die über das übliche Maß hinaus erhöhte Feuerempfänglichkeit auch aus der baulichen Beschaffenheit des Objekts selbst herrühren. Um jedoch entgegen dem Schutzzweck nicht bereits jedes in Holzbauweise errichtete Objekt als taugliches Tatobjekt aufzufassen, bedarf die das Merkmal feuergefährdet wesentlich bestimmenden Feuerempfänglichkeit einer tendenziell restriktiven an einer deutlichen Erhöhung der Feuerempfänglichkeit gegenüber in der Bauart vergleichbaren Objekten orientierten Auslegung. 27 Das Abstellen auf die in der Bauart vergleichbaren Objekte darf jedoch nicht zu dem Fehlschluß führen, bauartgleiche Tatobjektsklassen (etwa Tanklager, Tankstellen, Produktionsstätten für Chemikalien etc.), die aufgrund ihrer baulichen Beschaffenheit oder aufgrund der den Gegenstand bildenden Materialien als Tatobjektsklasse in beson-

24 25 26 27

Etwa Cramer , in: Schönke/Schröder, § 310 a Rdnr. 1 a.E. BGHSt 5, 190, 194 f. BGHSt aaO. Woljf, in: LK, § 310 a Rdnr. 3.

D. Dimensionen konkreter Gefahr

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derem Maße feuerempfänglich sind, aus dem Tatbestand auszunehmen. Auch für solche Tatobjektsklassen gilt, daß feuergefährdet solche Betriebe und Anlagen sind, die (aufgrund ihrer baulichen Beschaffenheit, der den Gegenstand der Produktion oder Lagerung bildenden Materialien oder des Zusammenwirkens beider Elemente) besonders leicht in Brand geraten und/oder ein Brand (wegen der spezifischen Eigenschaften des Objekts bzw. der Materialien) nur mit besonderen Schwierigkeiten bekämpft werden kann. 28 Für die praktische Arbeit mit dem Merkmal der feuergefährdeten Betriebe und Anlagen bietet sich eine Berücksichtigung der zivilrechtlichen Rechtsprechung über die die Feuergefahr erhöhenden Umstände im Sinne des § 6 AFB (1987) an. 29 Soweit den übrigen in § 306 f Abs. 1 genannten Tatobjekten die Eigenschaft besonderer Feuerempfänglichkeit nicht bereits über die spezifischen Eigenschaften der dort gelagerten Materialien (leicht entzündliche Erzeugnisse der Landwirtschaft) beigelegt oder das Objekt eo ipso als besonders feuerempfänglich anzusehen ist (Wald, Torfmoor), kann von einem tauglichen Tatobjekt lediglich unter der Voraussetzung ausgegangen werden, daß eine nach den Kriterien des vorstehenden Absatzes zu bestimmende Feuergefährdetheit existiert. So bedarf es etwa für die in § 306 f Abs. 1 Nr.2 unbenannten land- und ernährungswirtschaftlichen Erzeugnisse entsprechend den feuergefährdeten Betrieben und Anlagen der Prüfung dieses zusätzlichen Merkmals. Andernfalls liefe eine Bestrafung aus § 306 f dem Sinn und Zweck der Vorschrift (oben A.) zuwider. Die praktische Bedeutung einer solchen teleologischen Reduktion dürfte allerdings gering sein. Ohne eine spezifische (generelle) Feuergefährdetheit werden sich die Voraussetzungen des Bewirkens einer konkreten Brandgefahr (unten D.I.) kaum annehmen lassen.

D. Dimensionen konkreter Gefahr Als Konsequenz der Trennung in tätereigene und nicht tätereigene Gefährdungsobjekte erfordert § 306 f Abs. 2 eine auf zwei unterschiedliche Gefahrerfolge bezogenene Prüfung. Wegen der Schaffung einer konkreten Brandgefahr für ein in seinem Eigentum stehendes Tatobjekt ist der Täter lediglich strafbar, wenn der dadurch, daß er dieses Objekt in Brandgefahr bringt, eine konkrete Gefahr für die benannten Rechtsgüter bzw. deren Träger schafft.

28

BGHSt 5, 190, 194. Dazu Wussow, Feuerversicherung, § 6 AFB, Anm.2 und 4; Boldt, Die Feuerversicherung, Stichwort „Gefahrerhöhung". 29

26 Radtke

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5. Kapitel „Die konkrete Brandgefahr" I. Konkrete Tatobjektsgefahr (Brandgefahr)

Die Aufzählung möglicher Ursachen konkreter Brandgefahr für die geschützten Tatobjekte anhand von Beispielen in § 310 a a.F. erleichterte die Anwendung des Tatbestandes im Hinblick auf die Feststellung des Eintritts konkreter Gefahr nicht. Tathandlung ist die Verursachung konkreter Brandgefahr für ein Tatobjekt. Den als Beispiele tatbestandlich benannten Verhaltensweisen kam im Zusammenspiel mit den feuerempfänglichen Eigenschaften der Tatobjekte (oben C.) ledigliche eine schwache indizielle Funktion für die Feststellung konkreter Gefahr zu. Rauchen während eines Waldspazierganges und selbst das Wegwerfen einer noch glimmenden Zigarette ist nicht das Bewirkungen konkreter Brandgefahr für diesen Wald, wenn nicht weitere tatsächliche Bedingungen vorliegen, die den (möglichen) Ausbruch eines Brandes des Waldes begünstigen (z.B. längere Trockenheit). Dagegen wird Rauchen an einer in Betrieb befindlichen Tankstelle wenigstens im unmittelbaren räumlichen Bereich der Zapfsäulen wegen der Flüchtigkeit der Benzingase regelmäßig eine konkrete Brandgefahr bewirken, ohne daß - wie im vorgenannten Beispiel - zusätzliche über die Feuergefährdetheit des Objekts selbst hinausgehende, die Feuerempfänglichkeit begünstigende tatsächliche Umstände vorliegen müßten. Aus den beiden Beispielen wird deutlich, daß die in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, dieselben tatsächlichen Umstände dürften nicht sowohl für die Begründung des Merkmals „feuergefährdet" als auch für das Vorliegen konkreten Brandgefahr berücksichtigt werden, 30 als für § 306 f (§ 310 a a.F.) durchgängig geltender Satz nicht zutrifft. Die die Feuergefährdetheit begründenden Umstände sind Grundlage auch der Feststellung konkreter Brandgefahr, wenn die die Feuergefährdetheit bestimmenden spezifischen Eigenschaften in den Einwirkungsbereich einer Verhaltensweise gelangen, aufgrund derer sich die Feuerempfänglichkeit des Objekts in dem Ausbruch eines Brandes realisieren kann. Das ist die genannte Konstellation des Rauchens im räumlichen Bereich einer in Betrieb befindlichen Tankstelle. Die Voraussetzungen konkreter Brandgefahr für ein Tatobjekt im Sinne von § 306 f sind damit nicht von denen verschieden, die zu § 306 a Abs. 2 dargestellt worden sind. 31 Mindestvoraussetzung ist der Hineingelangen des feuergefährdeten Tatobjekts in den Wirkbereich der möglicherweise schädigenden Handlung. 32 Indiziell als schädigende Handlungen bei entsprechendem Kontakt mit dem Tatobjekt sind die als Beispiele in § 310 a a.F. aufgeführt gewesenen Verhaltensweisen anzusehen. Ist eine mögliche schädigende Handlung im nahen räumlichen Bereich des generell feuergefährdeten Tatobjekts vorgenommen, 30 31 32

BGHSt 5, 190, 197; Wolff, in: LK, § 310 a Rdnr. 3. Oben 2.Kap.D.II.2.a. und b. Vgl. nur Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 115 m.w.N.

D. Dimensionen konkreter Gefahr

403

liegt eine konkrete Gefahr des Inbrandsetzens des Tatobjekts auf der Grundlage der häufig sog. „normativen Gefahrerfolgstheorie" vor, wenn das Ausbleiben unter Berücksichtigung aller auch ex post bekannt gewordenen Umstände auf Bedingungen beruht, auf deren die Rechtsgutsverletzung verhindernde Wirkung berechtigterweise nicht vertraut werden darf. 33 Bei der Beurteilung konkreter Brandgefahr bedeutet dies, all diejenigen tatsächlichen Umstände, die sich auf den Ausbruch eines Brandes hemmend bzw. hindernd auswirken können, die der Täter nicht selbst zum Zwecke des Ausschlusses der Gefahrrealisierung beherrschbar einsetzen kann, als Faktoren der Feststellung konkreter Brandgefahr auszublenden. D.h. in die Bewertung der konkreten Brandgefahr ist bei dem Beispiel des Rauchens im Wald einzubeziehen, daß es vor der (möglichen) schädigenden Handlung des Täters wochenlang geregnet hat, und das Verursachen eines Waldbrandes daher ganz unwahrscheinlich ist. Auf diesen naturwissenschaftlich anerkannten Zusammenhang darf derjenige, der rauchend durch den Wald spaziert, vertrauen. Dagegen darf dieselbe Person nicht darauf vertrauen, daß die im trockenen Wald weggeworfene Zigarette nicht zum Brandausbruch führen wird, weil der Wetterbericht am vorherigen Tage Regen für die Tatzeit prognostiziert hat. Da die Tatobjekte des § 306 f explizit oder implizit durch eine besondere Feuerempfänglichkeit charakterisiert sind und innerhalb der Tatobjekte aufgrund der jeweiligen spezifischen Eigenschaften des Gegenstandes am Maßstab der Feuerempfänglichkeit differenziert werden kann, läßt sich eine unterschiedlich starke indizielle Wirkung der Vornahme möglicher (schädigender) Handlungen in Bezug auf die konkrete Brandgefahr konstatieren. Je höher die Feuerempfänglichkeit des jeweiligen konkreten Objekts zu bewerten ist, desto geringere - über die Existenz einer möglichen Brandursache hinausgehende - Anforderungen sind an den Nachweis konkreter Brandgefahr zu stellen.

II. Konkrete Rechtsgutsgefahr Die Neuregelung des Herbeiführens konkreter Brandgefahr läßt die Anforderungen an den Zusammenhang zwischen der zuvor (D.I.) betrachteten konkreten objektsbezogenen Brandgefahr und der Schaffung konkreter Lebens-, Leibesoder Sachgefahr im Sinne der üblichen Gefahrformel bei tätereigenen Brandobjekten (§ 306 f Abs. 2) weitgehend offen. Einen Zustand konkreter Gefahr als Ursache für eine weitere Gefahr zu statuieren, wie es der Wortlaut des Abs. 2 nahelegt („in Brandgefahr bringt und dadurch"), hat kaum historische Vorbilder. Die jetzige Fassung des Tatbestandes knüpft weitgehend an § 321 E 1962

33 Etwa Schünemann, JA 1975, S. 795 ff., 798; Roxin, AT 1, § 11 Rdnr. 117; siehe auch oben 2.Kap.D.II.2.a.

26*

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5. Kapitel „Die konkrete Brandgefahr"

an, 34 der gleichfalls zwei verschieden ausgestaltete Gefahrerfolge miteinander verband, jedoch darauf abstellte, daß mit der Brandgefahr „zugleich" die zusätzlich erforderliche Rechtsgutsgefahr geschaffen werde. 35 . Die Formulierung „zugleich" war zunächst auch in dem RegE 6. StrRG enthalten, auf Anregung des Bundesrates wurde das Wort jedoch „in Anpassung an den üblichen Sprachgebrauch" gestrichen. 36 Dem Hinweis in der Gegenäußerung der Bundesregierung auf die Anpassung an den üblichen Sprachgebrauch dürfte sich entnehmen lassen, eine sachliche Änderung der Anforderungen an den Zusammenhang zwischen Brandgefahr und Rechtsgutsgefahr (Abs. 2) sei nicht angestrebt gewesen. Damit verhalten sich die Gesetzesmaterialien aber kaum zu der Frage, wie dieser Zusammenhang zwischen den Gefahrerfolgen ausgestaltet sein soll. Denkbar sind zwei unterschiedliche Kausalzusammenhänge: (a) Ursache der konkreten Rechtsgutsgefahr kann die Verhaltensweise des Täters sein, die auch die konkrete Brandgefahr herbeiführt, (b) Möglich erscheint weiterhin, daß der tatobjektsbezogene Geiahrerfolg, der drohende Brand des Tatobjekts, Grund des rechtsgutsbezogenen Gefahrerfolges hinsichtlich Leben oder Gesundheit etc. anderer ist. Die Unterscheidung mag haarspalterisch klingen, ist daber durchaus von praktischer Bedeutung. Raucht der Täter des oben genannten Beispiels in unmittelbarer Nähe der Zapfsäule einer in Betrieb befindlichen und ihm gehörenden Tankstelle, so bewirkt dieser Täter die konkrete Gefahr des Brandes der Tankstelle durch Entzündung des an diesem Ort typischerweise nachweisbaren Benzin-Luft-Gemisches. Halten sich weitere Personen im Tankbereich auf, ließe sich von einer konkreten Gefahr für Gesundheit und Leben dieser Personen sprechen. Denn das Ausbleiben der Zündung des Gemisches infolge der brennenden Zigarette ist ein Umstand, den der Täter nicht beherrschen und auf den er nicht berechtigterweise vertrauen darf. Allerdings müssen die drohende Schädigung von Leib und Leben der Tankstellenkunden nicht notwendig, vielleicht nicht einmal naheliegend Folge des Brandes des Tatobjekts, der Tankstelle bzw. deren bestandswesentlicher Teile, sein, sondern bei Zündung eines Benzin-Lift-Gemisches Folge einer Explosion. Der Wortlaut des § 306 f Abs. 2 gibt keinen sicheren Aufschluß über den erforderlichen Zusammenhang beider Gefahrerfolge. Die Wendung „in Brandgefahr bringt und dadurch" bietet einen schwachen Anhalt für die Maßgeblichkeit des drohenden Brandes als Ursache der Rechtsgutsgefahr. Das schließt allerdings nicht zwingend die Einbeziehung der Konstellation aus, in der Tatobjektsgefahr und Rechtsgutsgefahr unmittelbar

34 BR-Drucks. 200/62; zum Vorbildcharakter des E 1962 für einen Teil der Reformen durch das 6. StrRG siehe die Begründung des RegE 6. StrRG auf BT-Drucks. 13/8587 S. 49. 35 Dazu BR-Drucks. 200/62 S. 501 li.Sp. 36 BT-Drucks. 13/8587 S. 88 re.Sp.

D. Dimensionen konkreter Gefahr

405

auf der die Brandgefahr des Objekts bewirkenden Verhaltensweise des Täters beruhen. Entscheidend ist die Klärung des mit der Brandgefahr Gemeinten. Nach bisherigem Recht mit der Beschränkung der Tathandlung des Inbrandsetzens bezog sich die Brandgefahr ebenfalls allein auf deren tatobjektsbezogenen Erfolg, so daß zu fragen war, ob es in der konkreten Situation lediglich noch vom Zufall abhing, daß es in Konsequenz des Täterverhaltens zu einem Inbrandsetzen des Tatobjekts kam. Indem die auf die Tatobjektsverletzung (Inbrandsetzen/Zerstören) bezogenen Tatbestände (§§ 306, 306 a) des neuen Brandstrafrechts aber die durch Brandlegung bewirkte Zerstörung des Tatobjekts als weitere Tathandlung aufweisen, kann der Begriff der Brandgefahr nicht mehr ausschließlich an dem drohenden Erfolg des Inbrandsetzens orientiert bleiben, sondern muß die drohende Zerstörung durch Brandlegung berücksichtigen. D.h. von einer Brandgefahr kann selbst dann gesprochen werden, wenn das gefährdete Tatobjekt in seinen bestandswesentlichen Teilen aus unbrennbaren Materialien besteht, aber etwa durch den möglichen Brand von Inventar oder aufgrund der Explosionswirkung des möglichen Zündmittels (etwa BenzinLuft-Gemisch in den obigen Beispielsfall des rauchenden Tankwartes) etc. zerstört werden kann. 37 Bezieht man die Tathandlung der Brandlegung in den Begriff der Brandgefahr des § 306 f mit ein, läßt sich die konkrete Gefährdung von Menschen infolge der drohenden Explosion eines Zündmittels usw., die auch zur Verursachung eines Brandes des Tatobjèkts oder in dem Tatobjekt (mit zerstörerischer Wirkung) führen kann, unter die durch die Brandgefahr verursachte Rechtsgutsgefahr subsumieren. Die Ursachen der rechtsgutsbezogenen konkreten Lebens-, Leibes- oder Eigentumsgefahr in § 306 f Abs. 2 sind damit auch auf die Gefährlichkeit der die konkrete Brandgefahr - in dem dargelegten Sinne - hervorrufende Verhaltensweise zu erstrecken. Die Anforderungen an die Bestimmung der konkreten Rechtsgutsgefahr richten sich nach den allgemeinen Regeln. 38 Zum Gefährdungsvorsatz sei auf das bereits bezüglich § 306 a Abs. 2 Gesagte verwiesen. 39

37 38 39

Zum Verständnis der Brandlegung oben 2.Kap.A.II.2.c.. Oben 2.Kap.D.II.2. Oben 2.Kap.D.III.

6. Kapitel „Brandstiftung als Unterlassungsdelikt44 Es existieren keine aus den spezifischen tatbestandlichen Strukturen und den Tatbestandsmerkmalen der Brandtatbestände ableitbaren Hindernisse, Brandstiftung als unechtes Unterlassungsdelikt zu verwirklichen. Der Wortlaut der klassischen Tathandlung des Inbrandsetzens verlangt zwar einen „initiativen Vorgang", 1 schließt aber die Tatbestandsmäßigkeit der Brandstiftung durch Unterlassen nicht aus. Inbrandsetzen als initiativer Vorgang meint die Vornahme einer Tathandlung, deren Erfolg sich in einem Inbrandsetzen des Tatobjekts, d.h. des vom verwendeten Zündstoff unabhängigen selbsttätigen Brennens wenigstens eines bestandswesentlichen Objektteils, realisiert. Ist dieser tatbestandsmäßige Erfolg im Zeitpunkt der Handlungspflicht des Garanten noch nicht eingetreten, kann das Unterbleiben der erwarteten Brandbekämpfung quasi-kausal für das Inbrandsetzen sein. Der Wortlaut „in Brand setzen" steht dem nicht entgegen. Tatobjektsbezogen handelt es sich bei den Brandstiftungsdelikten um Erfolgsdelikte, deren Erfolg - wie bei anderen Erfolgsdelikten auch - auf der Grundlage hypothetischer Kausalität durch das Unterbleiben eines (rechtsgutserhaltenden) Eingriffs in eine bereits in Gang gesetzte schädigende Kausalkette herbeigeführt werden kann. Die mittlerweile wohl allgemeine Auffassung, Brandstiftung könne als unechtes Unterlassungsdelikt verwirklicht werden, 2 trifft daher im Grundsatz zu. Grenzen der Verwirklichung der Brandstiftung durch Unterlassen folgen lediglich unter einem Aspekt aus den tatbestandlichen Anforderungen der Brandstiftungsdelikte selbst und ergeben sich im übrigen aus der allgemeinen Dogmatik der Unterlassungsdelikte, auf die im Rahmen dieser Untersuchung nicht in Details einzugehen ist (Α.). Ob und in welchem Umfang die einzelnen Brandstraftatbestände durch Unterlassen begangen werden können, läßt sich lediglich aus den Besonderheiten des jeweiligen Delikts heraus entscheiden. Schwierigkeiten der Verwirklichung als Unterlassungsdelikt ergeben sich vor allem bei der Qualifikation der schweren Brandstiftung aus § 306 b Abs. 1 Nr.3 (B.).

1

Oben 2.Kap.A.II.2.b. Siehe nur Cramer , in: Schönke/Schröder, §306 Rdnr. 10; Wolff, in: LK, §306 Rdnr. 2 a.E. jeweils m.w.N.; ausführlich Klussmann, MDR 1974, S. 187 ff. 2

Α. Grenzen der Brandstiftung durch Unterlassen

407

A. Grenzen der Brandstiftung durch Unterlassen Inbrandsetzen verlangt einen initiativen Vorgang. Das bedeutet für das im Rahmen von § 306 a Abs. 1 ausführlich behandelte Verstärken eines Brandes, daß im Falle des bereits vollendeten Inbrandsetzens eines bestandswesentlichen Teiles des Objekts das Verstärken lediglich dann selbst als Inbrandsetzen strafbar ist, wenn dadurch ein neuer Brandherd im Sinne eines eigenständigen Inbrandsetzens geschaffen wird. 3 Das entsprechende Erfordernis gilt auch für die Brandstiftung durch Unterlassen. Diese ist, wenn ein Inbrandsetzen bereits bewirkt worden ist, bevor der Garant die erwartete Erfolgsabwendung unterläßt, lediglich unter der Vorausetzung strafbar, daß das Unterlassen ein neues eigenständiges Inbrandsetzen hervorruft. 4 Besteht dagegen in Anbetracht der tatsächlichen Verhältnisse des Brandes die Erfolgsabwendungsmöglichkeit des Garanten bereits in einem Brandstadium vor dem Inbrandsetzen bestandswesentlicher Teile und ist dem Garanten die Abwendungsmöglichkeit bekannt, haftet er bei Ausbleiben der erwarteten Handlung ohne weiteres wegen Brandstiftung durch Unterlassen, weil seine Untätigkeit quasi-kausal für den Eintritt des (einzigen) Brandstiftungserfolges geworden ist. 5 Für die im Zuge der Reform des Brandstrafrechts neu eingefügten Tathandlungen des gänzlichen oder teilweise Zerstörens des Tatobjekts durch Brandlegung gilt die aus dem Wortlaut des Inbrandsetzens ableitbare Einschränkung auf das pflichtwidrige Verhindern des Entstehen eines (ersten oder neuen eigenständigen) Brandherdes nicht, weil schon die aktive Begehung der Tat in der Form dieser Tathandlungen einen im Sinne des Inbrandsetzens zu verstehenden Taterfolg nicht voraussetzen. Der Garant haftet für das pflichtwidrige Unterbleiben der ihm möglichen Abwendung des Zerstörungserfolges am Tatobjekt infolge Brandlegung. Diese Grundsätze gelten auch für die praktisch relevanten Fälle der fahrlässigen Verursachung 6 des Brandes, bei denen eine auf Ingerenz gestützte Unterlassungshaftung des fahrlässigen Brandstifters Gelegenheit bietet, die prozessualen Schwierigkeiten des Nachweises der vorsätzlichen Verursachung des Brandes durch aktives Tun mittels Ausweichen auf das unechte Unterlassungsdelikt zu umgehen. In welchem Umfang die Möglichkeit eines Ausweichens auf das unechte Unterlassungsdelikt allerdings von Zufälligkeiten der Brandentwicklung abhängig ist, verdeutlicht der BGHR StGB § 306 Nr.2 [a.F.] In3

Oben 2.Kap.A.II.2.b. Ebenso Geppert, Jura 1989, S. 417, 423. 5 Zur Unterscheidung des Verstärkens des Brandes nach dem Stadium des Brandes, in dem die Verstärkungshandlung vorgenommen wird, oben 2.Kap.A.II.2.b. 6 Die offenbar deshalb häufig als lediglich fahrlässige Brandstiftung gemäß § 309 a.F. (§ 306 d Abs. 1) bewertet wird, weil Vorsatz in Bezug auf die den Brand verursachende Handlung nicht nachweisbar ist; siehe Geppert, Jura 1989, S. 417, 423; Klussmann,, MDR 1974, S. 187. 4

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6. Kapitel „Brandstiftung als Unterlassungsdelikt"

brandsetzen 2 „Unterlassen" zugrundeliegende Sachverhalt: Der Brandstifter hatte nächtens „aus Verärgerung" eine Zigarette in dem Bett seiner abwesenden Bekannten ausgedrückt und anschließend ohne Nachschau, ob die Zigarette gelöscht war, die Wohnung verlassen. Als er acht Stunden (!) später zur Brandstelle zurückkehrte, drang noch Qualm aus der Wohnung. Obwohl der Täter den Qualm auf die Wirkungen der von ihm in dem Bett ausgedrückten Zigarette zurückführte, unternahm er nichts gegen den möglicherweise noch schwelenden Brand. Im Verlaufe der Brandentwicklung war es zu einem Inbrandsetzen zumindest von wesentlichen Teilen des Wohngebäudes gekommen. Zwei mehr oder weniger zufällig eintretende und zusammentreffende Umstände ermöglichten den Vorwurf durch vorsätzliches Unterlassen verwirklichter schwerer Brandstiftung gemäß § 306 Nr.2 (a.F.; § 306 a Abs. 1 N r l ) : die lang andauernde Brandentwicklung und die Rückkehr des Täters an den Ort der Tat, deren Gründe der Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht zu entnehmen sind.7 Ohne die Rückkehr an den Tatort wäre eine Unterlassungshaftung nicht in Frage gekommen. An das Ausdrücken der Zigarette trotz unterbliebener Nachschau hinsichtlich der Folgen ließ sich das Unterlassen nicht anknüpfen, weil entsprechend der in ihrer Berechtigung zweifelhaften, aber gleichwohl häufig verwendeten Formel vom Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit, die Unachtsamkeit beim Ausdrücken gerade den Vorwurf der fahrlässigen Brandstiftung durch aktives Tun trägt. Und auf das Verlassen der Wohnung, ohne sich vergewissert zu haben, ob die Zigarette tatsächlich erloschen war, konnte für den Unterlassungsvorwurf ebenfalls nicht abgestellt werden, weil jedenfalls der vom Bundesgerichtshof mitgeteilte Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür bot, daß der Täter die Möglichkeit eines Brandes durch seine Zigarette zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte. Bei dieser Lage bot die Rückkehr des zunächst fahrlässigen Brandstifters eine offenbar willkommene Gelegenheit, eine schwerere Strafbarkeit über die Unterlassungslösung zu begründen. Dabei hätte in dem konkreten Fall ein Rückschluß von der erheblichen objektiven Gefährlichkeit der Handlung des Täters (Ausdrücken der Zigarette in einem typischerweise besonders feuerempfänglichen und zur Weiterverbreitung des Feuers prädestinierten Bett) auf einen bedingten Vorsatz gemäß § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) durch aktives Tun durchaus nahegelegen. Wenn aus Beweisgründen dieser Schluß aber nicht gezogen werden kann, ist es wenig überzeugend, das über das aktive Tun nicht erzielbare Ergebnis auf dem hier eher zufällig gangbaren Weg des unechten Unterlassungsdelikts, der lediglich wegen der Rückkehr des Täters und der besonders lang dauernden Brandentwicklung ermöglicht wurde, nachzuholen. War ein Vorsatzvorwurf bezüglich der Brandstiftung durch aktives Tun nicht zu erheben, entsprach der Fahrlässigkeitsvorwurf dem schuldhaft verwirklichten Unrecht. Der Vorsatzschuldvorwurf durch Unterlassen wirkt ge-

7

Näher BGHR StGB § 306 Nr.2 Inbrandsetzen 2 „Unterlassen".

Α. Grenzen der Brandstiftung durch Unterlassen

409

künstelt, wenn das Unterlassen der Brandbekämpfung wie in dem betrachteten Fall nur noch einen schwachen Bezug zu dem die Ingerenz begründenden fahrlässigen Verhalten aufweist. Der Bundesgerichtshof hat die hier geäußerten Zweifel offenbar ebenfalls gespürt und durch den Übergang auf eine lediglich versuchte schwere Brandstiftung durch Unterlassen den Weg für eine Strafmilderung geebnet.8 Solcherlei Zufälligkeiten der Unterlassungshaftung lassen sich vermindern, wenn das Unterlassen an das pflichtwidrige Unterbleiben der Verhinderung des (ersten oder eines weiteren) Inbrandsetzens geknüpft wird. Die Pflicht des Garanten, das Entstehen eines neuen Brandherdes (Inbrandsetzen) durch Löschen des Feuers zu verhindern, kann aus jeder der bekannten Quellen der Garantenstellungen folgen. In praktischer Hinsicht kommt der Ingerenz eine nicht unerhebliche Bedeutung zu, wenn der Täter die Ursache für das Feuer infolge Fahrlässigkeit selbst geschaffen hat (siehe vorheriges Beispiel). 9 Wenn und soweit die Ingerenz aus der objektiv und subjektiv fahrlässigen Verursachung des Brandes eines tauglichen Tatobjekts herrührt, bezieht sich die Garantenpflicht auf die Brandbekämpfung zum Zwecke des Schutzes derjenigen Rechtsgüter, deren Beeinträchtigung durch den Brand des jeweiligen Tatobjekts vermittelt wird. Handelt es sich bei dem Tatobjekt um ein Wohnhaus, ist der Garant für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Bewohner und der übrigen Rechtsgutsträger, die dem Schutzbereich des § 306 a Abs. 1 Nr.l unterfallen, 10 zuständig. Verursacht der Täter fahrlässig den Brand eines Objektes gemäß § 306 Abs. 1, bezieht sich die auf rechtswidrigem Vorverhalten beruhende Garantenpflicht auch auf die Abwehr von Eigentumsverletzungen.11 Daß die Garantenpflicht sich auf die jeweils tatbestandlich geschützten Rechtsgüter beziehen muß, wird nicht immer ausreichend beachtet. So unterliegt es zwar keinem Zweifel, daß der Versicherungsnehmer eines Feuerversicherungsvertrages wegen der vertraglichen Beziehung zu der Feuerversicherung verpflichtet ist, den Brand des Gebäudes, für welches die Versicherung besteht, zu bekämpfen. 12 Das Löschen des Feuers dient zugleich der Vermeidung einer (weitergehenden) Inanspruchnahme der Feuerversicherung. Dafür ist der Versicherungsnehmer zuständig. Der Feuerversicherungsvertrag macht den Versicherungsnehmer dagegen nicht zum Garanten für Leben und Gesundheit der in dem

8

BGHR StGB § 306 Nr.2 Inbrandsetzen 2 „Unterlassen". Dazu insbesondere Klussmann, MDR 1974, S. 187 ff. 10 Dazu oben 2.Kap.A.I.3. 11 Zu den in § 306 Abs. 1 geschützten Rechtsgütern oben 4.Kap.A.I. 12 Vgl. RGSt 64, 273, 277; Wolff, in: LK, § 306 Rdnr. 2 a.E.; Geppert, Jura 1989, S. 417, 423. 9

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6. Kapitel „Brandstiftung als Unterlassungsdelikt"

Haus wohnenden Menschen.13 Aus dem Vertrag lassen sich lediglich solche Pflichten ableiten, die das Verhältnis zwischen den Vertragspartnern betreffen. Die Pflicht zur Brandbekämpfung im Interesse der Erhaltung von Leben und Gesundheit der etwaigen Bewohner kann sich allerdings aus dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit für bestimmte Räumlichkeiten oder der Verantwortlichkeit für bestimmte Gefahrenquellen ergeben. 14 Auch insoweit bedarf es differenzierter, den Umfang der jeweiligen Garantenpflicht berücksichtigender Argumentation. So ist zwar der Eigentümer eines Wohnhauses Garant für das brandbedingten Gefahren ausgesetzte Leben seiner Mieter; für das Verhältnis der Mieter untereinander gilt dies jedoch nicht uneingeschränkt, 15 weil letztere nicht für das Gesamtobjekt zuständig sind und grundsätzlich in keiner rechtlich relevanten Beziehung zu den Rechtsgütern ihrer Mitmieter stehen. Die Garantenstellung aus Verantwortlichkeit für bestimmte Räumlichkeiten kann dazu verpflichten, Verhaltensweisen Dritter, die typischwerweise zu einem Brand führen können, zu unterbinden. 16 Allerdings setzt eine solche Garantenpflicht voraus, daß die Brandgefahr gerade auch aus den Eigenschaften der Räumlichkeiten, für die der Garant zuständig ist, herrührt. Andernfalls würde die Garantenpflicht in einer solchen Fallgestaltung nicht auf die Verantwortlichkeit für bestimmte Räume gestützt, sondern auf eine Pflicht zur Schadensverhinderung aus der Verantwortlichkeit für andere Personen. Eine derartige Garantenpflicht kann im Hinblick auf das Autonomieprinzip jedoch lediglich in engen Grenzen anerkannt werden. 17 Insbesondere bei fahrlässigen Brandstiftungen oder fahrlässigem Herbeiführen einer Brandgefahr i.S.v. § 306 f bei feuergefährdeten Betrieben kann einer Garantenpflicht von Betriebsleitern - zusätzlich zur Zuständigkeit für eine Gefahrenquelle - in Bezug auf feuergefährliche Verhaltensweisen von Betriebsangehörigen Bedeutung zukommen. Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte bei sog. betriebsbezogenen Straftaten ist jedoch noch weitgehend im Fluß 18 und kann hier nicht weiter thematisiert werden.

13 Richtig Horn, in: SK-StGB, § 306 Rdnr. 15; Stree, in: Schönke/Schröder, § 13 Rdnr. 43; Geppert, Jura 1989, S. 417, 423; Rudolphi, NStZ 1991, S. 361, 364 jeweils gegen RGSt 64, 273, 276 f. 14 Dazu Stree, in: Schönke/Schröder, § 13 Rdnr. 54 sowie § 13 Rdnr. 43. 15 Geppert, Jura 1989, S. 417, 423. 16 Siehe BGH, NStZ-RR 1996, S. 1 f.; der BGH stellt aaO. auf einen Fahrlässigkeitsvorwurf offenbar durch aktives Tun ab. Da der Vorwurf gegen den Betreiber einer Gaststätte darauf gestützt wurde, ein Verbot feuergefährlichen Verhaltens gegenüber seinen Mitarbeitern nicht ausgesprochen zu haben, war aber der Sache nach ein Unterlassungsvorwurf zu erheben. 17 Allgemein zum Problem Stree, in: Schönke/Schröder, § 13 Rdnr. 51 ff. 18 Umfassend Bottke, Haftung aus Nichtverhütung von Straftaten Untergebener, passim.

Β. Qualifizierte Brandstiftungen und strafbares Unterlassen

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Mit der Pflicht zur Brandbekämpfung aus der Verantwortlichkeit für das Verhalten dritter Personen ist ein weiteres Problem der allgemeinen Unterlassungsdogmatik verknüpft, auf das hier ebenfalls lediglich hinzuweisen ist: die Frage nach täter- oder gehilfenschaftlichem Unterlassen, 19 die sich für die Brandstiftungsdelikte vor allem stellt, wenn die Brandursache nicht durch den Garanten, sondern eine dritte Person gesetzt worden ist.

B. Qualifizierte Brandstiftungen und strafbares Unterlassen Nicht der Umstand, daß es sich bei § 306 b Abs. 2 Nr.3 um eine Qualifikation der schweren Brandstiftung handelt, erfordert unter dem Aspekt des Unterlassens ein näheres Eingehen auf diesen Tatbestand, sondern sein Typus als zweiaktiges Delikt. Im Rahmen der Einzeluntersuchung dieses Qualifikationstatbestandes hatte sich ergeben, daß der spezifische Unrechtsgehalt, der allein die erhebliche Mindeststrafdrohung legitimieren kann, in der Verknüpfung der Brandstiftung mit der Steigerung der generellen Gefährlichkeit des Grunddelikts mittels schädigender Einwirkung auf das Löschen und der in dieser Einwirkung zum Ausdruck kommenden besonders intensiven kriminellen Energie (3.Kap.E.I.) besteht. Inwieweit dieser Unrechtsgehalt verwirklicht wird, wenn ein Teil der Tathandlung von einem Garanten durch Unterlassen „begangen" wird, bedarf näherer Untersuchung. Zwar handelt es sich bei der schweren Brandstiftung gemäß § 306 a um ein Erfolgsdelikt, bei dem nach ganz überwiegender Auffassung über die Festellung einer Garantenstellung hinaus eine eigenständige Entsprechungsprüfung im Sinne von § 13 Abs. 1 nicht erforderlich ist, um die Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen anzunehmen.20 Wegen der Zweiaktigkeit der angesprochenen Qualifikation folgt aus dem Charakter des Grundtatbestandes als Erfolgsdelikt jedoch nicht zwingend der Verzicht auf eine Entsprechungsprüfung bezüglich des gesamten qualifizierten Delikts. Bezogen auf den Gesamttatbestand der Qualifikationen ist eine Prüfung der Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen geboten.21 Die Möglichkeiten, die Qualifikation aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 partiell oder vollständig durch Unterlassen zu verwirklichen, sind vielfältig. Drei Grundkonstellationen sind denkbar: (a) Der Täter verhindert als Garant pflichtwidrig das Inbrandsetzen/die Zerstörung durch Brandlegung eines Tatobjekts gemäß 19 Überblick zum Streitstand bei Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 458 ff.; Cramer , in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§25 ff., Rdnrn. 101 ff.; Ranft, ZStW 94 (1982), S. 815, 828 ff. 20 Rudolphi, in: SK-StGB, § 13 Rdnr. 17; ders., Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte, S. 55 ff, 60; Stree, in: Schönke/Schröder, § 13 Rdnr. 2. 21 Vgl. Armin Kaufmann, Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 289.

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6. Kapitel „Brandstiftung als Unterlassungsdelikt"

§ 306 a nicht und verhindert oder erschwert durch aktives Tun das Löschen des Brandes. 22 (b) Der für bestimmte Löscheinrichtungen zuständige Garant unterläßt pflichtwidrig, diese in technisch funktionsfähigem und verwendungsfähigem Zustand zu halten und setzt in Kenntnis der mangelnden Einsatzfähigkeit der bestimmungsgemäßen Löscheinrichtungen das entsprechende Tatobjekt in Brand. 23 (c) Der in der Konstellation (b) genannte Garant verhindert wiederum in Kenntnis der von ihm pflichtwidrig nicht beseitigten Einsatzunfähigkeit der Löscheinrichtungen ebenfalls pflichtwidrig das Inbrandsetzen/die Zerstörung durch Brandlegung des entsprechenden Tatobjekts nicht. In der Variante (a) unterscheidet sich die Erhöhung der objektiven Gefährlichkeit des Grunddelikts infolge der aktiven Verhinderung oder Erschwerung des Löschens nicht von der Situation bei einem aktiven Inbrandsetzen/Zerstören durch Brandlegung des Tatobjekts seitens des Täters. Da der Täter als Garant gerade dafür zuständig ist, daß es zu dem tatbestandlichen Erfolg der Brandstiftung nicht kommt, weicht die aktive schädigende Einwirkung im Anschluß an ein garantenpflichtwidriges Unterlassen der Brandbekämpfung hinsichtlich des objektives Unrechtsgehaltes nicht von der aktiven schädigenden Einwirkung im Zusammenhang mit einer aktiven Ausführung der Brandstiftung ab. Allerdings könnte es an der besonderen kriminellen Energie fehlen, weil der Garant, der pflichtwidrig den Brandstiftungserfolg nicht verhindert, lediglich an eine bereits ohne eigenes aktives Handeln eingetretene Situation anknüpft und diese vorgefundene Situation zur Intensivierung der Wirkungen des Feuers, zu deren Bekämpfung er verpflichtet ist, ausnutzt. Bei einer solchen Betrachtungsweise bliebe aber unberücksichtigt, daß eine Brandstiftung durch Unterlassen (bzgl. des Inbrandsetzens) nach der hier vertretenen Auffassung ohnehin allein dann in Betracht kommt, wenn der Garant eine Abwendungsmöglichkeit bereits in einem Stadium vor dem Inbrandsetzen hat oder er - im Stadium nach dem erstmaligen Inbrandsetzen - durch seine Untätigkeit einen neuen Brandherd im Sinne des Inbrandsetzens bewirkt. Unter diesen Voraussetzungen ist aber der betätigte kriminelle Wille des Garanten nicht weniger intensiv als bei dem aktiv brandstiftenden Täter. Beide bewirken eine generell (gemein)gefährliche Tathandlung, deren Wirkkraft auf das jeweilige Tatobjekt und damit mittelbar auf die geschützten Rechtsgüter sie durch aktive schädigende Einwirkungen auf das Löschen vorsätzlich steigern. Das garantenpflichtwidrige Unterlassen der Brandbekämpfung bei aktivem Verhindern oder Erschweren der Brandbekämpfung entspricht daher einer aktiven Brandstiftung bei entsprechender schädigender Einwirkung auf das Löschen etc. 24

22 23 24

Beispielsfall bei Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten, S. 67. Beispiel bei Woelk, aaO., S. 74. Im Ergebnis ebenso Woelk, aaO., S. 73 f.

Β. Qualifizierte Brandstiftungen und strafbares Unterlassen

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Weniger deutlich als für die Variante (a) fällt das Ergebnis der Entsprechungsprüfung für die Variante (b) aus. Woelk, die die hier unter (b) dargestellte Konstellation bzgl. § 307 Nr.3 a.F. ebenfalls untersucht hat, konstatiert zwar, daß die Steigerung der objektiven Gefährlichkeit der Brandstiftung auch bei schädigender Einwirkung auf das Löschen (bzw. auf Löschgeräte nach bisherigem Recht) durch pflichtwidriges Unterbleiben der Wiederherstellung ihrer Einsatzfähigkeit vorliegt, negiert aber einen dem aktiven Einwirken auf die Löschmöglichkeiten entsprechenden besonders intensiven verbrecherischen Willen des unterlassenden Garanten. 25 Letztlich nutze der Garant nur eine günstige Situation aus, setzte aber gerade keine besondere Mühe ein, um das Löschen zu erschweren oder zu verhindern (bzw. Löschgeräte unbrauchbar zu machen).26 Das Argument überzeugt nicht. Auch in der Variante (a) nutzt der Garant lediglich eine für ihn günstige Situation aus, nämlich den Umstand, daß eine Kausalkette bereits in Gang gesetzt ist, die bei unbeeinträchtigtem Fortgang zu dem Erfolg führt, zu dessen Abwendung der Garant gerade verpflichtet ist, dem Inbrandsetzen bzw. die (teilweise) Zerstörung des Tatobjekts durch Brandlegung. Und nicht anders als in der Variante (a) wendet auch der Garant in der Konstellation (b) besondere Mühe auf, weil er die Brandstiftung durch aktives Tun bewirkt. Für das Vorhandensein eines besonders intensiven kriminellen Willens bedeutet es keinen Unterschied, ob sich der besondere Aufwand auf die Brandstiftung oder die Beeinträchtigung des Löschens bezieht, wenn das aktive Tun in Kenntnis etwa der Funktionsunfähigkeit von bestimmungsgemäßen Löscheinrichtungen erfolgt, für deren Funktionieren der Garant gerade zuständig ist. Der besondere kriminelle Wille des Täters aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 offenbart sich in dem Umstand, die Einsatzunfähigkeit, für die er zuständig ist, weil er sie aktiv herbeigeführt oder deren Beseitigung er pflichtwidrig unterlassen hat, zur (typischerweise eintretenden) Steigerung des Gefährlichkeitspotentials der Brandstiftung einzusetzen. In der Zuständigkeit für die Einsatzunfähigkeit von Löscheinrichtungen bzw. Personen, die zum Löschen bestimmt sind, besteht auch gerade der entscheidende Unterschied zu solchen Tätern, die zwar in Kenntnis der Einsatzunfähigkeit (defekte Sprinkleranlage; volltrunkene freiwillige Feuerwehr) 27 von Löscheinrichtungen die Brandstiftung ausführen, für dieses Defizit oder allgemeiner für die Ursache der Verhinderung oder Erschwerung des Löschens aber nicht zuständig sind. Wegen der Zuständigkeit für die Ursache der Beeinträchtigung des Löschens ist der Garant in der Konstellation (b) daher Täter der Qualifikation aus § 306 b Abs. 2 Nr.3 durch Unterlassen.

25 26 27

Woelk, aaO., S. 75 f. Woelk, aaO., S. 75 Siehe oben 3.Kap.E.IV. Text zwischen Fußn. 181 und 182.

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6. Kapitel „Brandstiftung als Unterlassungsdelikt"

Entsprechendes gilt auch für die Variante (c). Zwar wird im Moment der Untätigkeit hinsichtlich der Herstellung der Einsatzfähigkeit der Löscheinrichtungen regelmäßig noch kein Vorsatz bestehen, durch das Unterlassen der gebotenen Instandsetzung das Löschen eines (nicht vom Garanten vorsätzlich aktiv verursachten) Brandes zu erschweren oder zu verhindern. Aber der Garant unterläßt nach Ausbruch des Brandes die mögliche Verhinderung des Brandstiftungserfolges, zu dessen Abwendung er verpflichtet ist, vorsätzlich in Bezug auf das durch die zeitlich vorausgehende Unterlassung im Sinne einer QuasiKausalität „verursachte" Erschweren oder Verhindern des Löschens. Damit trifft auf diese Konstellation der der § 306 b Abs. 2 Nr.3 zugrundeliegende Strafschärfungsgrund, die Steigerung des objektiven Gefährlichkeitspotentials des Grunddelikts, zu. Übertragen auf die Unterlassungssituation offenbart die Verhaltensweise des Garanten auch einen intensiven kriminellen Willen, weil er den Brandstiftungserfolg pflichtwidrig nicht abwendet, obwohl bei ihm wenigstens bedingter Vorsatz hinsichtlich der Erschwerung oder Verhindern des Löschen besteht, für deren Ausbleiben er als Garant in Bezug auf die zur Brandbekämpfung vorgesehenen Löschmittel gleichfalls zuständig ist.

7. Kapitel „Der Rücktritt von der Brandstiftung" Für einen Rücktritt verstanden im technischen Sinn des § 24 läßt das Brandstrafrecht angesichts der höchst verschieden ausgestalteten Tathandlungen unterschiedlich breiten Raum. Bezüglich des Inbrandsetzens mit der Bestimmung des Vollendungszeitpunktes der Brandstiftung nach dem selbständigen Brennen funktionswesentlicher Teile des jeweiligen Tatobjekts1 schließt die zeitlich frühe Vollendung der Brandstiftung gemäß §§ 306 Abs. 1, 306 a die Anwendbarkeit des § 24 in Brandstiftungsfällen in einem erheblichen Umfang aus. Den Anwendungsbereich des Rücktritts vom Versuch erweitert der hier vorgeschlagene Vollendungszeitpunkt bei Inbrandsetzen bestandswesentlicher Teile des Tatobjekts2 nur moderat. § 306 e (tätige Reue) als persönlicher Strafaufhebungsgrund ist vor diesem Hintergrund als (notwendiger) Ausgleich für die weitgehende Unanwendbarkeit des § 24 3 wegen der Vorverlagerung der Vollendung der Brandstiftungsdelikte auf ein Stadium weit vor einer Rechtsgutsbeeinträchtigung zu sehen.4 Weil zum einen abstrakte Gefährdungsdelikte, dem Versuch strukturell ähnlich, die Sanktionierung von Verhaltensweisen im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung erlauben und zum anderen der Täter zeitlich nach der formellen Vollendung abstrakter Gefährdungsdelikte Aktivitäten entfalten kann, die die Rechtsgutsverletzung abwenden (§24 Abs. 1 S.l und Abs. 2 S.l) oder wenigstens von einer darauf gerichten Intention getragen sind (§ 24 Abs. 1 S.2 und Abs. 2 S.2), braucht es für den Wegfall des § 24 einer Regelung, die - nochmals: zeitlich nach der Vollendung stattfindende 5 - Verhaltensweisen des Täters abstrakter Gefährdungsdelikte, die auf Verhinderung einer Rechtsgutsverletzung abzielen, honoriert. Voraussetzung einer solchen Regelung sind allerdings Tatbestandsstrukturen und eine Schutzrichtung des abstrakten Gefährdungsdelikts, die eine Berücksichtigung nachträglicher rechtsgutsverletzungsverhindernder Handlungen des Täters zulassen. So ist etwa für § 316 angesichts der Ausrichtung des Rechtsgutes auf den Schutz der Allge-

1

Oben 2.Kap.A.II.2.a. Oben 2.Kap.A.II.2.a. 3 Zur Unanwendbarbeit des § 24 bei formell vollendeten Delikten Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 1-5. 4 Geppert, Jura 1989, S. 473, 480. 5 Zur Bedeutung von Aktivitäten des Brandstifters, die auf Ausschluß von Rechtsgutsbeeinträchtigungen gerichtet sind, vor oder im Zeitpunkt der Tathandlung im Rahmen der Modelle teleologischer Reduktion ausführlich oben 2.Kap.A.III. 1. 2

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7. Kapitel „Der Rücktritt von der Brandstiftung"

meinheit bzw. der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs nicht ersichtlich, woran eine Regelung tätiger Reue oder des Rücktritts sachlich angeknüpft werden könnte.6 Anders als bei dem Inbrandsetzen ist dagegen § 24 im Falle der Tathandlung des gänzlichen oder teilweise Zerstörens infolge Brandlegung in größerem Umfang anwendbar. 7 Da die gänzliche Zerstörung durch Brandlegung einen solch hohen Einwirkungsgrad auf das Tatobjekt voraussetzt, daß dieses in Bezug auf seine die Objektsqualität bestimmende Nutzung für einen nicht unerheblichen Zeitraum nicht mehr verwendet werden kann,8 lassen sich zahlreiche Fallgestaltungen denken, in denen ein gelegter Brand in dem Tatobjekt noch erfolgreich bekämpft werden kann (Vollendungsverhinderung), bevor Tatvollendung in Gestalt der Zerstörung eingetreten ist. Umgekehrt dürfte ausgeschlossen sein, nach Eintritt der Vollendung sub specie Zerstörung noch einen erfolgreich bekämpfbaren Brand vorzufinden, bevor ein erheblicher Schaden eingetreten ist (§306 e Abs. 1). Die tätige Reue ist auf die Zerstörung durch Brandlegung damit praktisch unanwendbar. Dagegen liegt die partielle Zerstörung durch Brandlegung auf einer mittleren Linie zwischen dem Inbrandsetzen und der gänzlichen Zerstörung, so daß abhängig vom Einzelfall grundsätzlich sowohl Rücktritt vom Versuch als auch tätige Reue in Frage kommen können. Tendenziell greift bei Löschaktivitäten des Brandstifters aber eher Rücktritt, weil regelmäßig nach Eintritt partieller Zerstörung des Objekts bereits ein erheblicher Schaden iSv. § 306 e Abs. 1 bewirkt ist, der die Anwendung des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue ausschließt. Mit dem Übergang von der objektiv zu verstehenden Entdeckung des Brandes in § 310 a.F. zu dem subjektiven „freiwillig" (§ 24) auch in § 306 e ist der Gesetzgeber einer seit langem in der Wissenschaft erhobenen Forderung 9 auf Angleichung der Voraussetzungen der verschiedenen Straffreiheitsvorschriften nachgekommen. Weitgehende Kongruenz der Straffreiheitsvoraussetzungen in § 24 einerseits und der tätigen Reue (§ 306 e) nach einer Brandstiftung andererseits hat das 6. StrRG hergestellt. Der Harmonisierung des strafbefreienden Rücktritts von der versuchten Tat und der tätigen Reue nach vollendeter Tat auf der Seite der Straffreiheitsbedingungen steht allerdings die Aufgabe der bisher auf der Rechtsfolgenseite existenten Kongruenz bei beiden Straffreiheitsinstituten gegenüber. Statt obligatorischer Straffreiheit in § 310 a.F. und in § 24 sieht § 306 e Abs. 1 Straffreiheit oder Strafmilderung lediglich fakultativ vor. Im

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Zutreffend Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 120. Siehe bereits Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 19 f., 30 ff. bzgl. der vom RegE 6. StrRG zunächst vorgesehenen Tathandlungen des Zerstörens durch Feuer bzw. Beschädigen durch ein Feuer von erheblichem Ausmaß. 8 Oben 2.Kap.A.II.2.c. 9 Vgl. Bottke, Strafrechtswissenschaftliche Methodik, S. 623 7

Α. Rechtsgüterschutz und tätige Reue

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Kontext der Neuregelung der Brandstiftung ist diese Dissonanz der Rechtsfolgen sich auf der Tatbestandsseite entsprechender Straffreiheitsregelungen verfehlt, weil infolge der Erweiterung der für die Brandstiftung möglichen Tathandlungen um das gänzliche oder teilweise Zerstören infolge Brandlegung die Vollendungszeitpunkte der jeweiligen Tathandlungen entsprechend dem im vorstehenden Absatz Gesagten extrem divergieren und dementsprechend typischerweise entweder weitestgehend Rücktritt (Zerstören) oder tätige Reue (Inbrandsetzen) für den zurücktretenden Brandstifter einschlägig sind. Auf die Unstimmigkeiten hat der Verfasser an anderer Stelle ausführlich hingewiesen.10 Dem Plädoyer für eine Abstimmung der Rechtsfolgen beider Institute ist der Gesetzgeber bedauerlicherweise nicht gefolgt. 11 Auf die aus der Disharmonie zu ziehenden Konsequenzen wird noch einzugehen sein (unten D.).

A. Rechtsgüterschutz und tätige Reue Auf die Frage, worin der eigentliche Grund für die Gewährung von Straffreiheit bei einem Rücktritt vom Versuch zu finden ist, sind zahlreiche und höchst divergierende Antworten gegeben worden. 12 Ungeachtet der letztlich ungeklärten Bestimmung von Sinn und Zweck der (untechnisch) Priviligierung des zurücktretenden Versuchstäters hat Berz nachgewiesen, daß die angebotenen Erklärungsansätze sich einheitlich auf den Gedanken des Rechtsgüterschutzes zurückführen lassen.13 Grund für die Gewährung von Straffreiheit (oder bzgl. tätiger Reue ggf. Strafmilderung) ist letztlich die freiwillige Abwendung des Eintritts einer Verletzung des Rechtsgutes bzw. Rechtsgutsträgers, dessen Verletzung durch eine Verhaltensweise des Täters ursprünglich, d.h. vor dem Abbruch der weiteren Ausführung der Tathandlung bzw. der Vornahme der erfolgsverhindernden Aktivität, drohte. 14

10

Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 19 f., 30 ff. Mit der Forderung nach Kongruenz auch auf der Rechtsfolgenseite war der Gesetzgeber nicht auf eine bestimmte Rechtsfolge festgelegt. Es sind gute Gründe aufgezeigt worden, selbst den Rücktritt vom Versuch nicht obligatorisch zur Strafbefreiung führen zu lassen; siehe Ulsenheimer, Grundfragen des Rücktritts, S. 346 f.; Burkhardt, Der „Rücktritt", S. 16, 184 ff. Unabhängig von der vom Gesetzgeber gewählten Rechtsfolge war allein die Stimmigkeit der Rechtsfolge bei einander entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen „Straffreiheits"vorschriften entscheidend. 12 Überblick und Bewertung bei Ulsenheimer, Grundfragen des Rücktritts, S. 33 ff., 64 ff; Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 19 ff; knapper Überblick bei Eser, in: Schönke/Schröder, § 24 Rdnm. 2-2 c 13 Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 32 ff., 51 14 Berz, aaO., S. 51 11

27 Radtke

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7. Kapitel „Der Rücktritt von der Brandstiftung"

Betrachtet man die Voraussetzungen der Straffreiheit aufgrund tätiger Reue gemäß § 306 e, läßt sich ein auf die Verhinderung von Verletzungen der geschützten Rechtsgüter bzw. ihrer Träger rekurrierendes tatbestandliches Merkmal wenigstens auf den ersten Blick nicht ausmachen. Die vom Gesetz verlangte Aktivität des Täters ist als - nicht notwendig eigenhändiges - Löschen des Brandes beschrieben. Das Löschen verhindert eine über das Inbrandsetzen 15 hinausgehende Beeinträchtigung des jeweils in den Brandstiftungstatbeständen benannten Tatobjekts, ist damit aber nicht unmittelbar rechtsgutbezogen. Tatobjekt und Rechtsgut/Rechtsgutsträger fallen bei den Brandstraftatbeständen (mit gewisser Ausnahme für § 306 Abs. 1) nicht zusammen, sondern der deliktische Angriff auf das Tatobjekt vermittelt lediglich den Angriff auf die geschützten Rechtsgüter. 16 Unmittelbar tatobjektsbezogen und lediglich mittelbar rechtsgutsbezogen ist auch die weitere Voraussetzung des § 306 e, das Löschen „bevor ein erheblicher Schaden entsteht", ausgestaltet. Der Schaden auf den das Gesetz abstellt, ist grundsätzlich nicht eine Schädigung der geschützten Rechtsgüter, sondern ein Schaden des angegriffenen Tatobjekts (näher unten B.[2]). Nun mag die Ausrichtung der tätigen Reue in § 306 e an den Auswirkungen der Brandstiftungen auf die jeweiligen Tatobjekte nicht sonderlich überraschen. Wenn in § 306 a von einem direkten Rechtsgutsbezug der Tathandlung wenigstens in der Gestalt einer konkreten Gefährlichkeit der Handlung vollständig abstrahiert wird und die Tatbestandsmerkmale an die Einwirkung der Handlung auf die Tatobjekte anknüpfen, erscheint es folgerichtig, die Straffreiheitsvorschrift ebenfalls spiegelbildlich allein an den tatobjektsbezogenen Konsequenzen der auf Verhinderung der weiteren Verletzung des Tatobjekts abzielenden Handlung des „zurücktretenden" Täters auszurichten. Doch ist eine solche Betrachtungsweise der tätigen Reue zu vordergründig. Der Grund der Gewährung von Straffreiheit im Falle tätiger Reue gemäß § 306 e läßt sich nicht anders vom Aspekt des Rechtsgüterschutzes her verstehen als dies für den Rücktritt vom Versuch der Fall ist. Der Angriff auf die in § 306 a geschützten Rechtsgüter erfolgt vermittelts des Brandes des entsprechendes Tatobjekts, indem diese aufgrund ihrer tatsächlichen Nutzung einen Zusammenhang zu den geschützten Rechtsgüter herstellen. Die generelle Gefährlichkeit der Brandstiftung für Leben und Gesundheit von Personen, die in einer bestimmten Beziehung zu den Tatobjekten stehen, folgt aus dem Brand des entsprechenden Tatobjekts ab einer gewissen Erheblichkeit seiner Ausdehnung, die mit dem Inbrandsetzen bestandswesentlicher Teile des Objekts erreicht ist. Diese besondere Gesetzestechnik der Konstituierung von Gefährlich15 In Bezug auf die Tathandlungen des gänzlichen oder teilweise Zerstörens durch Brandlegung spielt die tätige Reue als Strafaufhebungsgrund aus den im Haupttext des vorstehenden Absatzes genannten Gründen praktisch keine Rolle, so daß die Überlegungen sich auf das Inbrandsetzen konzentrieren können. 16 Oben l.Kap.C.II.l.c.

Α. Rechtsgüterschutz und tätige Reue

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keitsunrecht in den Brandstiftungstatbeständen nimmt § 306 e auf und stimmt die Straffreiheitsvoraussetzungen auf diese Gesetzestechnik ab. Auf das Löschen des Brandes allgemein kommt es an, weil mit dem Ende des Brandes die RechtsgutsbezogQne Gefährlichkeit des Inbrandsetzens vollständig neutralisiert ist. Und das Löschen vor einer Intensivierung des dem Inbrandsetzen immanenten Schadens ist maßgeblich, weil in diesem Stadium die generelle Gefährlichkeit der Brandstiftung sich noch nicht über das Maß hinaus erhöht hat, das die Vollendung der Tat erst bewirkt. Auf diesen Zusammenhang zwischen den unmittelbar tatobjektsbezogenen Voraussetzungen der tätigen Reue und den rechtsgutsbezogenen Auswirkungen der Voraussetzungen wird bei der Untersuchung der Tatbestandsmerkmale des § 306 e bedacht zu nehmen sein. Mit der Ausrichtung der Voraussetzungen der tätigen Reue an den tatbestandlichen Strukturen der korrespondierenden Brandstiftungsdelikte ist § 306 e im Hinblick auf die Erfassung von Rechtsgutsverletzungen inhibierenden Verhaltensweisen des Brandstifters nach Vollendung der Tat lückenhaft. Aktivitäten, die nicht mittelbar über die Erhaltung des Tatobjekts Rechtsgutsverletzungen ausschließen, werden nicht erfaßt. Rettet etwa der Brandstifter nach vollendetem Inbrandsetzen den einzigen Bewohner eines Wohnhauses mit Hilfe einer Leiter aus dem Haus, ohne den Brand des Hauses zu löschen, priviligiert diese Rettungsaktivität den Brandstifter nicht im Hinblick auf die Brandstiftung; weder über § 24 noch über § 306 e. Der Brandstifter bleibt aus § 306 a Abs. 1 Nr.l strafbar. Diese Lückenhaftigkeit ist jedoch eine Konsequenz des Typus des abstrakten Gefährdungsdelikt in der Form des (generell) gemeingefährlichen Delikts. Die Ausgestaltung der Straffreiheitsvorschrift ist in Bezug auf die tatbestandlichen Strukturen dieses Typus stimmig. Eine andere Frage ist, ob solcherlei nicht als tätige Reue erfaßten Rettungsaktivitäten des Täters als Strafmilderung in Gestalt eines minder schweren Falles beachtet werden sollten. Das neue Brandstrafrecht stellt mit § 306 Abs. 2 und § 306 a Abs. 2 Möglichkeiten zur Verfügung, auf Rechtsgutserhaltung angelegte Aktivitäten des Täter zu erfas17

sen. Allerdings hat sich der Gesetzgeber mit der ausschließlichen Geltung des Kriteriums des Löschen des Brandes auch hinsichtlich solcher Tatbestände, die ein Merkmal konkreter Rechtsgutsgefahr enthalten (§§ 306 a Abs. 2, 306 b Abs. 2 Nr.l), erheblich von der Konzeption des Regierungsentwurfs zum 6. StrRG aber auch der Gestaltung der tätigen Reue bezüglich solcher Delikte des 28. Abschnitts abgesetzt, die gleichfalls eine gemeingefährliche Tathandlung mit dem Tatbestandsmerkmal konkreter Rechtsgutsgefahr verbinden (z.B. § 307 Abs. 2; § 308 Abs. 1). § 320 Abs. 2 Nr.3 a RegE verlangte etwa bezüglich der geplanten konkret gefährlichen Brandstiftung in § 306 Abs. 2 RegE, 17 Zum minder schweren Fall der Brandstiftung auf der Grundlage des RegE 6. StrRG siehe Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 25 f.

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7. Kapitel „Der Rücktritt von der Brandstiftung"

daß der Täter freiwillig „die Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht".18 Entsprechend kommt es für das geltende Recht in § 314 a Abs. 2 Nr.2 a und b (ebenso § 320 Abs. 2 und Abs. 3) bezüglich der genannten Taten aus § 307 Abs. 2 und § 308 Abs. 1 darauf an, daß der Täter freiwillig die Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. Abgesehen von der verfehlten Formulierung der Abwendung der Gefahr, mit der gemeint ist, die Realisierung der konkreten Gefahr in einer Rechtsgutsverletzung müsse abgewendet werden, 19 hätte es der Konzeption der Reform, Brandstiftungsdelikte mit dem Erfordernis konkreter Rechtsgutsgefahr zu schaffen, entsprochen, für die einschlägigen Tatbestände an einer Gestaltung der Bedingungen tätiger Reue nach dem Muster des § 320 RegE bzw. §§ 314 a Abs. 2 und 3 , 320 Abs. 2 und 3 des geltenden Recht auch in § 306 e festzuhalten. Die Ausführungen in der Gegenäußerung der Bundesregierung, bei der redaktionellen Ausgestaltung des jetzigen § 306 e sei eine Anpassung an die Gesetzesfassung der §§ 306 bis 306 b erforderlich gewesen,20 verschweigen, daß hinsichtlich § 306 a Abs. 2 und § 306 b Abs. 2 Nr.l der Verzicht auf die Gefahrabwendungsformel keineswegs wegen der Gestaltung dieser Tatbestände geboten war, sondern aus den vorgenannten Gründe gerade das Festhalten an einer §§ 314 a Abs. 2 und 3, 320 Abs. 2 und 3 entsprechenden Formulierung der Straffreiheitsbedingungen der Konzeption des reformierten Brandstrafrechts entsprochen hätte. So ist kaum nachzuvollziehen, daß etwa dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs als Täter einer Brandstiftung gemäß § 306 a Abs. 2 iVm. § 306 Abs. 1 Nr.4 die Chance auf Straffreiheit, die ihm der minder schwere Fall aus § 306 a Abs. 2 nicht bietet, nicht eröffnet, obwohl er nach Anzünden seines Fahrzeugs die einzige im Gefahrenbereich des Brandes befindliche Person anders als durch das Löschen des Brandes davor bewahrt, daß eine konkrete Gesundheitsgefahr in eine Gesundheitsschädigung umschlägt. Bedenkt man, daß der Angriff auf das Tatobjekt Kraftfahrzeug sub specie Eigentumsrecht irrelevant ist, und das Ausbleiben des Umschlagens einer Rechtsgutsgefahr in eine Rechtsgutsverletzung auf eine freiwillige Aktivität des Brandstifters rückführbar ist, bleibt offen, worin das die Sanktionierung der Tat wenigstens als minder schwerer Fall der schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 3) legitimierende Unrecht liegt. Allerdings werden bei einem sachgerechten Verständnis des Merkmals der konkreten Rechtsgutsgefahr 21 dem gebildeten Beispiel entsprechende Fallgestaltungen kaum vor-

18 BT-Drucks. 13/8587 S. 14; siehe dazu Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 26, 30 f. 19 Der Eintritt der konkreten Gefahr für das Rechtsgut ist gerade Voraussetzung der Vollendung des jeweiligen Delikts, Vollendung aber wiederum Voraussetzung der Anwendbarkeit tätiger Reue, so daß die gewählte Formulierung im Gesetz schlicht unsinnig ist; siehe Radtke, Das Ende der Gemeingefährlichkeit?, S. 26 mit Fußn. 81, 30. 20 BT-Drucks. 13/8587 S. 88 re.Sp. 21 Dazu oben. 2.Kap.D.II.2.a. und b.

Β. Die Bedingungen der Straffreiheit

421

kommen können. Ist konkrete Gefahr für ein Rechtsgut dadurch charakterisiert, daß in einer bestimmten Situation das Ausbleiben einer Rechtsgutsverletzung lediglich vom Zufall abhängt und werden dem Zufall solche Rettungsursachen zugeschlagen, auf deren Eingreifen der Täter nicht normativ berechtigt vertrauen darf, sind kaum Konstellationen vorstellbar, in denen eine konkrete Gefahr bestanden hat, das Ausbleiben der drohenden Rechtsgutsverletzung aber auf Umständen beruht, die dem Täter als freiwillige Erfolgsabwendung gutgebracht werden können. Sollten sich in der Praxis - etwa bei abweichender Bestimmung der konkreten Gefahr - dennoch hinsichtlich §§ 306 a Abs. 2, 306 b Abs. 2 Nr.l Fallgestaltungen wie die beschriebene ergeben, ist bei Abwendung der Rechtsgutsverletzung durch freiwillige Aktivitäten des Täters, die sich nicht als Löschen des Brandes darstellen, eine Analogie zu §§ 314 a Abs. 2 und Abs. 3, 320 Abs. 2 und Abs. 3 zugunsten des Brandstifters zu erwägen. Die methodischen Voraussetzungen der analogen Anwendung dürften trotz der zitierten Passage aus den Materialen 22 vorliegen. Der dortige Hinweis auf die notwendigen Anpassungen an die jetzt geltende Fassung der §§ 306 bis 306 b schließt nicht aus, daß die Fälle der anders als durch Löschen abgewendeten Rechtsgutsverletzung hinsichtlich der Brandtatbestände mit konkreter Rechtsgutsgefahr nicht mehr im Blickfeld des Gesetzgebers gewesen sind.

B. Die Bedingungen der Straffreiheit Das Löschen (1) als tatobjekts- und mittelbar rechtsguterhaltende Rücktrittshandlung des Täters ist in § 306 e an zwei weitere Komponenten gebunden; das Löschen muß freiwillig (3) und (auch) zeitlich vor dem Eintritt eines erheblichen Schadens (2) bewirkt werden. (1) Die an den Erfolg des Löschens zu stellenden Anforderungen sind weitgehend geklärt und bieten keine Anlaß für eine ausführlichere Untersuchung. Löschen setzt die erfolgreiche Bekämpfung des Brandes aufgrund einer Initiative des Täters voraus. 23 Alleiniges und gar eigenhändiges Löschen seitens des Brandstifters ist nicht erforderlich. Das Herbeirufen der Feuerwehr oder die Hilfe beim Löschen durch andere dritte Personen genügen, wenn deren die erfolgreiche Brandbekämpfung bewirkende Tätigkeit durch den Brandstifter veranlaßt worden ist. 24 Das erfolgreiche Erlöschen des Brandes ist notwendige Bedingung 22

Oben Text bei Fußn. 20. Wolff, in: LK, § 310 Rdnr. 5; Bruch, Vorsätzliche Brandstiftungen, S. 228; Geppert, Jura 1989, S. 473, 481. 24 Wolff aaO.; Bruch, aaO.; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 310 Rdnr. 6 mit zahlr. Nachw. BGH, NStZ-RR 1997, S. 233, 234 „Wenn der zurücktretende Täter eine Ursache für die erfolgreiche Vollendungsverhinderung gesetzt hat, darf der strafbefreiende 23

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7. Kapitel „Der Rücktritt von der Brandstiftung"

der Straffreiheit. Die nicht erfolgreiche Entfaltung die Brandbekämpfung intendierender Aktivitäten des Brandstifters wird zu Recht für nicht ausreichend gehalten.25 Die rechtsgutsbezogene generelle Gefährlichkeit der Brandstiftung ist lediglich dann aufgehoben, wenn der in das Vollendungsstadium gelangte Brand des Tatobjekts als Quelle der generellen Gefährlichkeit versiegt ist. Daß das Löschen auf eine Initiative des Täters rückführbar ist, ist - anders als nach §310 a.F. - 2 6 keine notwendige Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 306 e. Gründe (etwa naturkausale wie starker Regen), durch die der Brand vor Entstehung eines erheblichen Schadens zum Erlöschen gekommen ist, die nicht vom Brandstifter initiiert worden sind, führen nicht zum Ausschluß der Priviligierung sub specie tätiger Reue, wenn der Brandstifter sich im maßgeblichen Zeitraum freiwillig und ernsthaft um das Löschen bemüht hat (§ 306 e Abs. 2). (2) Der Begriff des erheblichen Schadens bezieht sich grundsätzlich unmittelbar auf einen Schaden am jeweiligen Tatobjekt und enthält lediglich mittelbar einen Rechtsgutsbezug (oben Α.). Ein unmittelbar rechtsgutsbezogener Schaden, der die Anwendbarkeit von § 306 e ausschließen kann, liegt jedoch vor, wenn es zu Verletzungen von geschützten Rechtsgütern bzw. Rechtsgutsträgern in der Folge des Brandes gekommen ist. 27 Eine solche Fallgestaltung läßt sich an § 306 c, der zutreffend aus dem Regelungsbereich des § 306 e ausgenommen ist, illustrieren. Ist es brandbedingt und dem Täter objektiv zurechenbar zum Tod eines Menschen etwa infolge Explosion des Zündstoffs gekommen, bleibt der Brandstifter aus § 306 c strafbar, obwohl er den Brand freiwillig und vor dessen weiterer Ausdehnung über das Inbrandsetzen hinaus erfolgreich bekämpft hat. Der Rechtsgedanke in § 24 Abs. 2 S.2 2.Halbs. steht dem in § 306 e statuierten Ausschluß der todeserfolgsqualifizierten Brandstiftungen nicht entgegen. Straffreiheit trotz Vollendung erlangt nach dieser Vorschrift lediglich derjenige frühere Tatbeteiligte, dessen Tatbeiträge im Ausführungsstadium der Tat nicht mehr ursächlich fortwirken. In der hier betrachteten Konstellation der tätigen Reue ist es jedoch gerade die Tathandlung des Brandstifters, die die Rechtsgutsverletzung ursächlich und zurechenbar herbeigeführt hat. Nicht anders als beim Rücktritt vom Versuch trägt auch bei der tätigen Reue der Täter das Risiko der Realisierung des geschaffenen Risikos in einer Rechtsgutsverletzung trotz der Entfaltung von Rücktrittsaktivitäten.

Rücktritt nicht noch von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden; etwa der Täter habe noch mehr oder besseres tun können." 25 Wolff, in: LK, § 310 Rdnr. 5 a.E m.w.N.; Horn, in: SK-StGB, § 310 Rdnr. 3. 26 Ausführliche Nachw. bei Wolff, in: LK, § 310, Rdnr. 5 mit Fußn. 7; siehe auch Bernsmann, JZ 1988, S. 539, 542 mit Fußn. 34. 27 Siehe Rüdorff StGB f.d. Deutsche Reich, § 310 Anm.2; Schwarze, RStGB, § 310 S. 648 mit wörtlicher Wiedergabe der Motive bei Schaffung des RStGB.

Β. Die Bedingungen der Straffreiheit

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Mit der negativ formulierten Voraussetzung, daß zum Zeitpunkt des Löschens kein erheblicher Schaden eingetreten sein darf, ist - nicht anders als nach altem Recht der weitere Schaden - unmittelbar entsprechend der Struktur der Brandstiftung ein tatobjektsbezogener Schaden gemeint. 28 Die Ausdehnung des Feuers auf Gegenstände, die selbst nicht für den Bestand des Tatobjekts wesentlich sind, schließt die Anwendbarkeit des § 306 e daher nicht aus. Richtigerweise durchgesetzt hat sich mittlerweile auch die Erkenntnis, daß der Begriff des Schadens nicht wirtschaftlich gemeint ist, sondern auf die Brandgefahr zu beziehen ist. 29 Die in Literatur und Rechtsprechung zu § 310 a.F. häufig anzutreffende Begriffsbestimmung, das Feuer dürfe nicht weiter als zum Inbrandsetzen selbst notwendig um sich gegriffen und keinen Schaden angerichtet haben, der nach den Umständen des Falles als erheblich anzusehen ist, 30 verdeckt allerdings die eigentliche Bedeutung des weitergehenden (erheblichen) Schadens eher, als daß die Bedeutung des Begriffs geklärt würde. Verständlich wird der erhebliche Schaden erst bei Berücksichtigung der auf die besondere Gesetzestechnik der Brandstiftungsdelikte abgestimmten Struktur der tätigen Reue in § 306 e. Inbrandsetzen ist das selbsttätige, vom verwendeten Zündstoff unabhängige Brennen eines bestandswesentlichen Teiles des Tatobjekts. Diese Erheblichkeit des Brandes am Tatobjekt bewirkt die rechtsgutsbezogen generelle Gefährlichkeit der Brandstiftung. Ein weiterer tatobjektsbezogener Schaden, der regelmäßig die Gefährlichkeit der Brandstiftung erhöht und die Anwendbarkeit der tätigen Reue ausschließt, ist erst dann eingetreten, wenn weitere bestandwesentliche Teile im Sinne des Inbrandsetzens selbständig vom Feuer ergriffen sind. Von dieser Schwelle an ist - generalisierend - Gefahrerhöhung für die geschützten Rechtsgüter bewirkt, die eine tätige Reue ausschließt. (3) Durch die Aufgabe des Merkmals „entdeckt" 31 zugunsten des „freiwilligen" Löschens ist der zu § 310 a.F. geführte Streit 32 um Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Korrektur des objektiv verstandenen Entdecktseins des Brandes durch das subjektive Freiwilligkeitskriterium iSv. § 24 obsolet geworden. Hinsichtlich des Merkmals der Freiwilligkeit sei auf den Erkenntnisstand zu § 24 verwiesen. 33

28

Cramer , in: Schönke/Schröder, § 310 Rdnr. 4 b. Cramer , in: Schönke/Schröder, § 310 Rdnr. 4; Horn,, in: SK-StGB, § 310 Rdnr. 6; Geppert, Jura 1989, S. 473, 481; siehe auch Wolff, in: LK, § 310 Rdnr. 4, der allerdings weniger deutlich als die Vorgenannten formuliert, es komme nicht immer (?; H.R.) auf die wirtschaftliche Bedeutung des Schadens an. 30 Wolff in: LK, § 310 Rdnr. 4 m. zahlr. Nachw. 31 Zu dessen Verständnis durch die Rechtsprechung bzgl. § 46 a.F. ausführlich Bottke, Strafrechtswissenschaftliche Methodik, S. 126 ff. 32 Vgl. Otto, Jura 1986, S. 52, 54; Geppert, JR 1994, S. 72, 73. 33 Lackner/Kühl, § 24 Rdnm. 16 ff.; Eser, in: Schönke/Schröder, § 24 Rdnm. 42 ff. 29

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7. Kapitel „Der Rücktritt von der Brandstiftung"

C. Zur Reichweite des § 306 e Die in § 306 e eröffnete Rechtsfolge tätiger Reue bezieht sich unmißverständlich allein auf Brandstiftungen gemäß §§ 306, 306 a und 306 b. Straffreiheit oder Strafmilderung bezogen auf das Herbeiführen konkreter Brandgefahr gemäß § 306 f sub specie tätiger Reue ist auf der Grundlage des § 306 e ausgeschlossen. Das reformierte Brandstrafrecht schafft damit einen Rechtszustand, den herzustellen, bereits der Gesetzgeber bei der erstmaligen Statuiuerung des § 310 a a.F. (§ 306 f) bemüht war. Um sicherzustellen, daß Straffreiheit allein für die Brandstiftung gemäß §§ 306-309 a.F. gewährt und nicht auch auf das Herbeiführen einer Brandgefahr gemäß § 310 a (a.F./§ 306 f) bezogen wurde, hatte der Gesetzgeber bei Einführung des § 310 a (a.F.) 1935 die Formulierung der Rechtsfolge in die bisher geltende Fassung „wird nicht wegen Brandstiftung bestraft" geändert. Materialien und zeitgenössische Literatur belegen, ohne Raum für Zweifel zu lassen, die Intention des nationalsozialistischen Gesetzgebers, die Rechtsfolgen der tätigen Reue nicht auf § 310 a (a.F.) zu erstecken. 34 Diese im Gesetzeswortlaut unmißverständlich zum Ausdruck gebrachte Intention war auf der Grundlage der vom historischen Gesetzgeber intendierten Schutzrichtung des § 310 a (a.F.) plausibel. Wenn die Vorschrift - abweichend von den übrigen Brandstiftungdelikten - allein oder wenigstens vorrangig den Schutz der entsprechenden Tatobjekte im Interesse der Allgemeinheit, speziell das gesamtgesellschaftliche Interesse an der Volks- und Ernährungswirtschaft, bezweckte,35 wurde der gegen dieses Schutzgut gerichtete Angriff nicht revidiert, wenn der Täter die Erhaltung eines Tatobjekt, das den Angriff auf gänzlich anders ausgerichtete Rechtsgüter vermittelt, bewirkt. Weil aber diese Schutzzweckbestimmung des § 310 a (a.F.) von der überwiegenden Auffassung des Schrifttums nicht geteilt wurde, 36 wurde weithin eine Korrektur des § 310 a.F. dahin gefordert, die Straffreiheit auch auf das Herbeiführen konkreter Brandgefahr zu erstrecken. 37 Der Bundesgerichtshof hatte in zwei Entscheidun-

34

Siehe nur Karl Schäfer, JW 1935, S. 2478, 2481; vgl. auch Gropengießer, StV 1994, S. 19, 22 35 Oben 5.Kap.A. 36 Oben 5.Kap.A. 37 Etwa Vogler, Festschrift für Bockelmann, S. 715, 727 f.; Geppert, JR 1994, S. 72, 74 f.; Gropengießer, StV 1994, S. 19, 21 (allerdings analog § 24); Bottke, Strafrechtswissenschaftliche Methodik, S. 623 ff; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 310 a Rdnr. 4 a.E.; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechts, S. 499 f., 505 lehnt (methodisch zutreffend) eine Analogie schon deshalb ab, weil angesichts der bewußten Entscheidung des Gesetzgebers bezüglich der Unanwendbarkeit von § 310 keine Regelungslücke bestehe; Lagodny, aaO. S. 505 sieht aber dessen Unanwendbarkeit als auf einer grundrechtswidrigen Einschätzungsdivergenz des Gesetzgebers beruhend an; dabei verkennt er allerdings die fehlende Identität der Schutzrichtung in § 308 Abs. 1 l.Alt einerseits und § 310 a (jeweils a.F.) andererseits.

C. Zur Reichweite des § 306 e

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gen die gegenteilige Position eingenommen38 und konnte sich aus den vorgenannten Gründen auf den Wortlaut von § 310 a.F und auf dessen Entstehungsgeschichte berufen. Für das reformierte Brandstrafrecht in der Gestalt des 6. StrRG ist die (Un)Anwendbarkeit des § 306 e auf das Herbeiführen einer Brandgefahr (§ 306 f) entschieden. Wie bereits angesprochen, ist § 306 f in der Auflistung der Tatbestände, bei denen aufgrund tätiger Reue Straffreiheit oder Strafmilderung erlangt werden kann, nicht enthalten, obwohl Kenntnis des Reformgesetzgebers von dem zum früheren Recht bestehenden Streit vermutet werden darf. 39 Methodisch liegen damit die Voraussetzungen seiner Analogie nicht vor, so daß die Rechtsfolge des § 306 e auch auf diese Weise nicht für § 306 f fruchtbar gemacht werden kann. Trotz der Eindeutigkeit der gesetzlichen Konzeption sei knapp angemerkt, daß diese vor dem Hintergrund der Wandlung des Herbeiführens einer Brandgefahr von einem (rechtsgutsbezogen) abstrakten Gefährdungsdelikt (§310 a a.F.) zu einem weitestgehend (auch rechtsgutsbezogen) konkreten Gefährdungsdelikt (§ 306 f) 4 0 - anders als zu §§ 310, 310 a (jeweils a.F.) - nicht überzeugen kann. Der Gesetzgeber hat die Bedeutung des Problem der Wirkung tätiger Reue bezüglich eines (tatobjektsbezogen) Verletzungsdelikts auf ein vorgeschaltetes (tatobjektsbezogen) Gefährdungsdelikt mindestens nicht vollständig erfaßt. Parallel zum Problem der Anwendbarkeit des § 306 e auf das Herbeiführen einer Brandgefahr (§ 306 f) stellt sich die Frage nach der Reichweite der Strafbefreiung bei einem Rücktritt vom Versuch (etwa der Brandstiftung), wenn durch die Versuchshandlung ein weiteres formell vollendetes Delikt verwirklicht wird. 4 1 Bsp.: Der Täter zündet Strohballen in einer Scheune zu einer Zeit an, in der sich Menschen üblicherweise in der Scheune aufzuhalten pflegen. Bevor der Brand der Strohballen auf bestandswesentliche Teile der Scheune übergreift, löscht der Brandstifter freiwillig und erfolgreich. 42 Von dem Versuch einer schweren Brandstiftung § 306 a Abs. 1 Nr.3 ist der Täter gemäß § 24 Abs. 1 S.l strafbefreiend zurückgetreten. Entsprechendes gilt für den Versuch

38

BGH, NJW 1951, S. 726; BGHSt 39, 128. Allerdings gehen die mir bekannten veröffentlichten Materialien nicht auf den einschlägigen Streit ein. Darin ein Indiz zu sehen, der Gesetzgeber habe den Streitstand nicht zur Kenntnis genommen, geht fehl, durfte er doch wegen der eindeutigen Haltung des BGH (Nachw. Fußn. zuvor) zum Anwendungsbreichs des § 310 a.F. und dessen Wortlaut und Entstehungsgeschichte davon ausgehen, lediglich am bestehenden Rechtszustand festzuhalten. 40 Oben 5.Kap.B. 41 So die Konstellation in BGHSt 39, 128; die vom Tatgericht erwogene vollendete Brandstiftung gemäß § 308 Abs. 1 l.Alt a.F. (§ 306 Abs. 1 Nr.6) kam nicht emsthaft in Betracht; siehe Geppert, JR 1994, S. 72 f. 42 Sachverhalt auf der Grundlage von BGHSt 39, 128. 39

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7. Kapitel „Der Rücktritt von der Brandstiftung"

der einfachen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr.6. 43 Ob dieser Rücktritt auch die Strafbarkeit wegen des (vollendeten) Herbeiführens einer Brandgefahr gemäß § 306 f Abs. 1 beseitigt, war Gegenstand des Streits zum bisherigen Recht. Dieser Streit geht über die Frage des Verhältnisses von § 306 e und § 306 f hinaus und betrifft die Grundsätze zum sog. qualifizierten Versuch, bei dem neben dem (qua Rücktritt straffreien) Versuch eines schweren Delikts zugleich ein leichteres schutzrichtungsgleiches Delikt vollendet wird. Die für den Versuch gewährte Straffreiheit soll nach verbreiterer Auffassung das vollendete Delikt erfassen, wenn beide Tatbestände bei identischer Schutzrichtung im Verhältnis von (versuchtem) Verletzungsdelikt und konkretem Gefährdungsdelikt stehen.44 Werde dem Täter die im Versuch liegende Gefährdung des Rechtsgutes nicht mehr vorgeworfen, müsse dies auch für das schutzrichtungsgleiche konkrete Gefährdungsdelikt gelten. 45 Dagegen sei das Unrecht eines mit dem Versuch tateinheitlich verwirklichten abstrakten Gefährdungsdelikts weder durch Rücktritt noch durch tätige Reue zu neutralisieren, weil das Unrecht abstrakter Gefährdungsdelikte gerade unabhängig von einer Rechtsgutsbeeinträchtigung in Form wenigstens konkreter Gefährdung allein mit der Vornahme der generell gefährlichen Handlung verwirklicht werde. 46 Die Übertragung dieser Grundsätze auf die Frage des Anwendungsbereichs des § 306 e und die Reichweite des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch der Brandstiftungsdelikte stellt die Konzeption des § 306 e mit dem Ausschluß des § 306 f in Frage. Anders als zu § 310 a, bei dem es sich - entgegen beinahe allgemeiner Auffassung - 4 7 um ein abstraktes gemeingefährliches Delikt handelte, das mit § 308 Abs. 1 l.Alt. a.F. nicht vollständig schutzrichtungsgleich war, ist § 306 f als (auch rechtsgutsbezogen) konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Die unterschiedlichen Anforderungen an die Brandgefahr tätereigener und nicht tätereigener Objekte beruhen auf der vermeintlichen Notwendigkeit, die konkrete Gefährdung von Brandobjekten nicht anderen Regeln folgen zu lassen, als deren Verletzung. Diese Überlegung läßt sich lediglich auf der Grundlage einer bei § 306 Abs. 1 und § 306 f identischen Schutzrichtung deuten. Wenn dem aber so ist, wäre entsprechend des zum qualifizierten Versuchs Gesagten die Anwendbarkeit des § 306 e auf das vollendete Herbeiführen einer konkreten Brandgefahr gemäß § 306 f vorzugswürdig gewesen.

43

Vollendung dieses Delikts kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Strohballen im Wert von 10,- DM nicht den Wertanforderungen des § 306 Abs. 1 in bezug auf die Eigentumsverletzung entsprechen; dazu oben 4.Kap.C. 44 Eser, in: Schönke/Schröder, § 24 Rdnr. 110 mit zahlr. Nachw. 45 Eser, aaO. 46 Eser, aaO.; siehe auch Geppert, JR 1994, S. 72, 73 m.w.Nachw. in Fußn. 12 47 Richtig allein Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 109 f.

D. Rechtsfolgen tätiger Reue

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D. Rechtsfolgen tätiger Reue Die Konzeption des Gesetzes, Straffreiheit oder Strafmilderung aufgrund tätiger Reue hinsichtlich vorsätzlicher Brandstiftung gemäß §§ 306 bis 306 b lediglich fakultativ nach Ermessen des Gerichts zu gewähren (§ 306 e Abs. 1), bei Rücktritt von dem Versuch der genannten Brandstraftatbestände aber obligatorisch Straffreiheit vorzusehen, ist mangels eines die Differenzierung legitimierenden Grundes unhaltbar und zwingend zu korrigieren. Entsprechend dem eingangs dieses Kapitel Ausgeführten 48 eröffnet identisches Verhalten des Brandstifters, das freiwillige Löschen eines Brandes vor Entstehung eines erheblichen Schadens, die Anwendbarkeit unterschiedlicher Straffreiheitsvorschriften abhängig von der Subsumtion der Brandstiftungshandlung als Inbrandsetzen einerseits oder zerstörerisch wirkende Brandlegung andererseits. Bei entsprechendem Brandstiftungsvorsatz richtet sich das Vorliegen der einen oder der anderen Tathandlung wesentlich nach der für die Feuerempfänglichkeit relevanten Beschaffenheit der Materialien des jeweiligen Tatobjekts. Besteht etwa ein Gebäude in seinen bestandswesentlichen Teilen aus brennbaren Materialen, wird regelmäßig Inbrandsetzen vorliegen, andernfalls Brandlegung. Geht man mit dem Gesetzgeber davon aus, daß die Gefährlichkeit der Brandlegung z.B. aufgrund der Entwicklung gesundheits- und lebensgefährlicher Rauchgase oder anderer Gasverbindungen, Explosionswirkungen etc. der des Inbrandsetzens entspricht und ist die freiwillige Rettungsaktivität des Brandstifters unabhängig von der einschlägigen Brandstiftungshandlung jeweils identisch, so gibt es keinen Grund denjenigen Brandstifter, der im Falle des Inbrandsetzens allein noch tätige Reue üben kann, auf lediglich fakultative Strafmilderung oder Straffreiheit zu verweisen, denjenigen, der eine nicht bis zur Vollendung der Zerstörung gediehene Brandlegung verübt hat, aber sub specie Rücktritt mit obligatorischer Straffreiheit zu belohnen. Liegen die Voraussetzungen tätiger Reue gemäß § 306 e Abs. 1 vor, ist das richterliche Ermessen wegen der zwingenden Gleichbehandlung der Tathandlungen der Brandstiftung derart reduziert, daß um der Rechtsfolge des Rücktritts vom Versuch zu entsprechen - 1. § 306 e Abs. 1 zwingend zugunsten des Reuigen anzuwenden ist und 2. als Rechtsfolge von Strafe abgesehen werden muß. Damit entsprechen sich auch die in § 306 e Abs. 1 und Abs. 2 angeordneten Rechtsfolgen.

48

Text zwischen Fußn. 3 und 9.

Resümee „Die Brandstiftung könne also als ein besonderes Verbrechen nur in sofern aufgestellt werden, als sie gemeingefährlich sei."1

I. Dieser Satz aus den Materialien zum preußischen StGB von 1851 beschreibt präzise den Orientierungspunkt für die Gestaltung des Brandstrafrechts. Unabhängig davon, welche Deliktstypen das jeweilige Gesetz verwendet, schützen Straftatbestände über die Brandstiftung primär die individuellen Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum gegen mit dem Tatmittel Feuer regelmäßig verbundene Beeinträchtigungen. Keines dieser Rechtsgüter, das nicht auch über tatmitteloffene aber schutzrichtungsgleiche Gefährdungs- und/oder Verletzungsdelikte geschützt wäre. Soll Brandstrafrecht daher nicht allein aus Gründen der Tradition mit besonderen Straftatbeständen im Strafgesetzbuch erhalten bleiben, drängt sich die Frage nach dem spezifischen und von den tatmitteloffenen Tatbeständen verschiedenen Strafrechtsschutz sub specie Brandstrafrecht auf. Die Antwort liegt in der mit der Tatbegehung verbundenen (generellen) Gemeingefährlichkeit. Unzureichende Beschäftigung mit den Besonderheiten gemeingefährlicher Delikte hat dazu geführt, Brandstiftungsdelikte vom Typus etwa des § 306 a Abs. 1 Nr.l (§ 306 Nr.2 a.F.) in den heftigen Kampf um die Legitimität abstrakter Gefährdungsdelikte einzubeziehen und Reduktionsmodelle zu entwickeln, die die Anwendung entsprechender Tatbestände ausschließen soll, wo außer dem Vorliegen der geschriebenen Tatbestandsmerkmale nicht zusätzlich wenigstens fahrlässig ein Risiko für die geschützten Rechtsgüter herbeigeführt worden ist. Dabei wird verkannt, daß die generelle Gemeingefährlichkeit der Tat ausreichende Legitimität der Statuierung von und der Sanktionierung aus derartigen Straftatbeständen verschafft. II. Die tatsächlichen Bedingungen der Straftatbestände über die Brandstiftung sind durch die typischerweise vorliegende Unbeherrschbarkeit des Tatmittels Feuer für den Täter und präsumtive Opfer sowie seine regelmäßig hohe Wirkkraft auf die beeinträchtigten Tatobjekte und darüber vermittelt auf die geschützten Rechtsgüter/Rechtsgutsträger gekennzeichnet. Die vorgenannten Eigenschaften sind dem Tatmittel Feuer nicht schlechthin zugeschrieben, sondern

1

Goltdammer, Die Materialien zum StGB f. d. preuß. Staaten, Teil II, S. 639.

Resümee

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sie kommen lediglich unter bestimmten tatsächlichen Bedingungen der Verwendung von Feuer zum Tragen. Das im Zuge des 6. StrRG reformierte Brandstrafrecht beschreibt diese tatsächlichen Bedingungen - weitgehend in der Tradition deutscher Strafgesetzbücher seit dem preußischen StGB aus dem Jahre 1851 - durch eine besondere Gesetzestechnik, nämlich die Koppelung der Tathandlung des überkommenen Inbrandsetzens an ausgewählte und im Gesetz abschließend benannte Tatobjekte. Die Auswahl der Tatobjekte hat der historische Gesetzgeber wie im Grundsatz auch der des Jahres 1997 an der generellen Gemeingefährlichkeit der jeweiligen Tathandlung in Bezug auf die tatbestandlich geschützten Rechtsgüter/Rechtsgutsträger ausgerichtet. Generell gemeingefährlich sind solche Tathandlungen, bei denen nach der Lebenserfahrung in einer Anzahl von Fällen eine Verletzung einer (ex ante) unbestimmten Vielzahl unbestimmter Rechtsgüter bzw. nach ihrer Individualität unbestimmter Rechtsgutsträger eintreten kann. Die generelle Gemeingefährlichkeit der Brandstiftungsdelikte bezieht sich nicht auf den Schutz der als Rechtsgut bzw. Rechtsgutsträger konturlosen Allgemeinheit, sondern Straftatbestände, die generell gemeingefährliche Tathandlungen normieren, weisen eine spezifische doppelte Schutzrichtung auf. Neben dem Schutz der Individualrechtsgüter Leben, Leib und Eigentum in ihrer dem einzelnen Rechtsgutsträger zugewiesenen Funktion schützen sie die genannten Rechtsgüter auch in ihrer überindividuellen Funktion als Komponenten des Gemeinschaftslebens. Diese zweite dem Individualschutz allerdings nachrangige Schutzrichtung gemeingefährlicher Delikte unter ihrem Gefährlichkeitsaspekt erfaßt die bisher inhaltlich und sprachlich unpräzise auf den Schutz der „Allgemeinheit" bezogenen Schutzzweck der Brandstiftungsdelikte als Tatbestände mit generell gemeingefährlichen Tathandlungen. Straftatbestände mit derartigen Tathandlungen schützen nicht jeweils alle vorstehend bezeichneten Rechtsgüter. Welche Rechtsgüter durch welchen Brandstiftungstatbestand in der beschriebenen zweifachen Weise geschützt werden, ist eine Frage der Auslegung des einzelnen Tatbestandes. Gemeingefährliche Delikte in dem vorbezeichneten Sinne sind die Tatbestände des geltenden Brandstrafrechts - mit einer gewissen Ausnahme bei § 306 Abs. 1 - ingesamt. Die Schutztechnik der Tatbestände ist im Grundsatz einheitlich. Der Angriff auf die geschützten Rechtsgüter wird über den Angriff auf die Tatobjekte vermittelt. Mittels Auswahl der Tatobjekte hat der Gesetzgeber einen spezifischen Zusammenhang zwischen der Tathandlung und den jeweils geschützten Rechtsgütern hergestellt. Eine gewisse Ausnahmestellung innerhalb der ansonsten im Grundsatz einheitlichen Tatbestandsstruktur nimmt § 306 Abs. 1 ein, dessen Unrechtsgehalt lediglich als eine Kumulation aus Eigentumsverletzungsdelikt und hoch abstraktem Gefährdungsdelikt in Bezug auf die Rechtsgüter Leben, Leib und Eigentum jenseits des angegriffenen Tatobjekts erklärt werden kann. Entsprechend dem Vorbild des § 306 Abs. 1 ist § 306 f gebildet. Die dort benannten Tatobjekte, die implizit oder explizit über das

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Resümee

Merkmal feuergefährdet typisiert sind, vermittelten für den Fall der Realisierung der konkreten Brandgefahr in dem Ausbruch eines Brandes die Gefährlichkeit für die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und fremdes Eigentum - jenseits des Tatobjekts. III. Das Gesamtsystem des neuen Brandstrafrechts baut auf den beiden Grunddelikten § 306 Abs. 1 und § 306 a Abs. 1 auf. Die Qualifikationen, Erfolgs· und Gefahrerfolgsqualifikationen sind nach dem Grad der Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit gestuft und orientieren sich weitestgehend an dem System der Gestaltung der Qualifikation von Verbrechenstatbeständen, das dem 6. StrRG ingesamt zugrundeliegt. Die unterste Qualifikationsstufe im Brandstrafrecht bildet die durch Schaffung konkreter Gesundheitsgefahr qualifizierte Brandstiftung an Tatobjekten des § 306 Abs. 1, die in § 306 a Abs. 2 als Fall schwerer Brandstiftung normiert ist. Einheitlich für alle Varianten der schwerer Brandstiftung erfordert die nächst höhere Stufe die Verursachung der Gesundheitsschädigung vieler oder eine schwere Gesundheitsschädigung einer Person. Weitergehende StrafVerschärfimg tritt bei Schaffung konkreter Todesgefahr (§ 306 b Abs. 2 N r . l ) und Todesverursachung (§ 306 c) ein. Sämtliche an dem Grad der Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter orientierten Qualifikationen, Erfolgs- und Gefahrerfolgsqualifikationen setzen im Hinblick auf den jeweiligen Rechtsgutserfolg einen spezifischen Gefahrzusammenhang voraus, wie er für erfolgsqualifizierte Delikte allgemein gefordert wird. Tritt die tatbestandlich erforderliche Rechtsgutsgefahr oder -Verletzung an Rechtsgütern solcher Rechtsgutsträger auf, die aus Anlaß der Brandstiftung zu dem Hineinbegeben in den Gefahrenbereich herausgefordert worden sind (sog. Retterschäden), haftet der Brandstifter für derartige Rechtsgutsbeeinträchtigungen aus der einschlägigen Qualifikation etc. lediglich wegen des Aspekts der freiverantwortlichen Selbstgefährdung lediglich unter engen Voraussetzungen. Grundsätzlich besteht eine Vermutung der Eigenverantwortlichkeit der Selbstgefährdung. Anderes gilt lediglich für solche Personen, die die Gefährdung zum Zwecke des Schutzes der in § 35 genannten Rechtsgüter, wenn sie ihnen selbst oder ihren Sympathiepersonen zustehen, auf sich nehmen. Aus dem Rechtsgedanken des § 35 läßt sich insoweit die Vermutung der Unfreiwilligkeit entnehmen. Existiert außerhalb der genannten Fälle eine Rettungspflicht, muß der Brandstifter für einen bei dem Verpflichteten eingetretenen Erfolg zwar grundsätzlich einstehen. Bei der Bestimmung der Grenzen der Pflicht sind jedoch außer dem Grad der möglichen Eigengefahr die Möglichkeiten zum Selbstschutz (etwa professionell ausgerüsteter und ausgebildeter Feuerwehrmann) zu berücksichtigen. Übersteigen unter Berücksichtigung dessen die Chancen der Rettung die zu ihrer Nutzung notwendig einzugehenden Gefahren nicht, besteht keine Pflicht zur Rettung. Ein Bereich nicht Pflichtiger, aber gleichwohl sozial erwünschter Rettunghandlungen existiert bei sachgerechter Bestimmung der jeweiligen Pflichtenkreise nicht.

Resümee

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IV. Schwere Brandstiftung nach § 306 a Nr.l und Nr.3 schützt die Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Menschen an Orten, an denen sich Menschen mit einer nicht unerheblichen Häufigkeit aufzuhalten pflegen und an denen die genannten Rechtsgüter daher in besonderer Weise durch die generelle Gefährlichkeit des Tatmittels Feuer bedroht sind. Die generelle Gemeingefährlichkeit der Tatbegehung an Wohngebäuden ergibt sich aus dem extern unüberschaubaren und in seiner Ausgestaltung unvorhersehbaren Beziehungsgeflecht zwischen den Nutzern des Tatobjekts und dem Objekt selbst. Wegen dieses Beziehungsgeflechts darf der Täter seine eigene Gefährlichkeitseinschätzung über die rechtsgutsbezogenen Auswirkungen seiner Tathandlungen nicht an die Stelle der Gefährlichkeitseinschätzung des Gesetzgebers setzen, der über die Verwendung des Deliktstypus abstraktes (gemeingefährliches) Gefährdungsdelikt zum Ausdruck gebracht hat, eine Substitution des gebotenen Unterlassens der Tathandlung durch deren vermeintlich (rechtsgutsbezogen) sorgfältige Vornahme nicht zu gestatten. Dieses Verbot der Substitution, das zu einer uneingeschränkten Sanktionierung aus einem abstrakten Gefährdungsdelikt vom Typus der § 306 a Abs. 1 Nr. 1 und Nr.3 führt, ist verfassungsrechtlich entgegen vielfach vertretener Auffassung legitim. Der Brandstifter verwirklicht selbst dann die Sanktionierung legitimierendes Unrecht, wenn (im Sinne der vertretenen Modelle teleologischer Reduktion) weder ein adäquates Rechtsgutsrisiko geschaffen noch eine konkret gefährliche Handlung vorgenommen wurde, weil wegen der beschriebenen faktischen Besonderheiten des extern unvorhersehbaren Beziehungsgeflechts und der typischen Unbeherrschbarkeit des Tatmittels ein Irrtumsrisiko in einem konkreten (der Täter irrt über die Tauglichkeit seiner rechtsgutsbezogenen Sicherungsmaßnahmen) und einem normativen Sinn (die Integrität des Rechtsgut wird überhaupt der Beurteilungskompetenz des Täter oder eines verständigen Dritten unterworfen) nicht ausschließbar ist. § 306 a Abs. 1 Nr.2 dient dagegen nicht dem Schutz von Leben und Gesundheit, sondern bezweckt die Gewährleistung des öffentlichen Friedens in der Gestalt des Religionsfriedens. Der Tatbestand entbehrt eines ausreichenden Bezuges in Richtung auf die genannten individuellen Rechtsgüter. Als (gemeinschädliches) Friedensschutzdelikt ist allerdings § 306 a Abs. 1 Nr.2 mit seiner gravierenden Strafdrohung nicht uneingeschränkt legitimierbar. De lege lata bedarf es zur Begründung eines der Strafdrohung adäquaten Unrechtsgehaltes der Implementierung eines zusätzlichen Unrechtsbegründungsmerkmals. Dieses Merkmal ist die Tatzeitformel aus § 306 a Abs. 1 Nr.3, mittels derer § 306 a Abs. 1 Nr.2 zusätzlich zu dçm Friedensschutzaspekt mit einem ausreichenden Bezug auf die Rechtsgüter Leben und Gesundheit versehen wird. V. § 306 Abs. 1 stellt sich als ein Kombinationstatbestand aus (rechtsgutsbezogen) Eigentumsverletzungsdelikt und abstraktem (gemeingefährlichem) Gefährdungsdelikt dar. Der gemeingefährliche Aspekt des Delikts führt allerdings nicht dazu, die Einwilligung des Eigentümers in die Tatbegehung grundsätzlich für unbeachtlich zu halten. Allerdings ist die Reichweite der Einwilli-

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Resümee

gung auf solche Verhaltensweisen des Täters begrenzt, die der Eigentümer auch selbst rechtmäßig vornehmen dürfte. D.h. zündet der Brandstifter ein fremdes Tatobjekt mit Einwilligung des Eigentümers an, wirkt die Einwilligung lediglich insoweit rechtfertigend, als die Tat nicht eine konkrete Gesundheitsgefahr (§ 306 a Abs. 2) herbeiführt. VI. Eine die - mit Ausnahme des § 306 e (Herbeiführen einer Brandgefahr) Brandstiftungstatbestände insgesamt betreffende Neuerung ist die Erweiterung des Kreises der Tathandlungen um das gänzliche oder teilweise Zerstören durch Brandlegung. Die neu eingeführte Tathandlung überwindet die Schwäche des überkommenen Inbrandsetzens, das im Falle der Anwendung des Tatmittels Feuer im Zusammenhang mit Tatobjekten, die in den bestandswesentlichen Teilen aus nicht brennbaren Materialien besteht, ausgeschlossen ist, obwohl etwa durch den Brand von Inventar des Tatobjekts ein Gefährlichkeitspotential geschaffen ist, daß dem Brand von bestandswesentlichen Teilen mindestens entspricht. Brandlegung ist jede Handlung (oder Unterlassung), die auf das Verursachen eines Brandes des Tatobjekts oder in dem Tatobjekt gerichtet ist. Daß ein solcher Branderfolg herbeigeführt wird, ist keine notwendige Bedingung der (vollendeten) Brandlegung. Der tatbestandlich notwendige Zerstörungserfolg braucht nicht zwingend auf einem Brand in oder an dem Tatobjekt beruhen, sondern kann auch auf die Wirkung der Brandlegungshandlung rückführbar sein (Explosion des Zündstoffs), ohne daß ein Brand bewirkt sein muß. Insoweit löst sich der Reformgesetzgeber mit der Tathandlung Zerstörung durch Brandlegung partiell von der überkommenen Schutztechnik des Brandstrafrechts, allein den über den Angriff auf das Tatobjekt vermittelten Rechtsgutsangriff auf das Rechtsgut für tatbestandlich relevant anzusehen. VII. Die Ausdehnung der Tathandlungen auf die einem Unternehmensdelikt ähnliche Brandlegung markiert zugleich ein gravierendes Manko des reformierten Brandstrafrechts. Im Gegensatz zu dem traditionellen Inbrandsetzen tritt eine Vollendung der Tat sub specie Zerstörung infolge Brandlegung erst in einem späten Stadium des Brandgeschehens ein. Die Unterschiede bei den Vollendungszeitpunkten wirken sich auf das Eingreifen der Straffreiheitsvorschriften, Rücktritt vom Versuch (§ 24) einerseits und tätige Reue (§ 306 e Abs.l) andererseits, aus. Bezüglich des Inbrandsetzen kommt angesichts der Vorverlagerung des Vollendungszeitpunktes weitgehend allein tätige Reue in Betracht, während bezüglich gänzlicher und teilweiser Zerstörung durch Brandlegung praktisch allein der Rücktritt vom Versuch (§ 24) eingreifen kann. Die tätige Reue § 306 e ist wegen des Erfordernisses des Löschens, bevor ein erheblicher Schaden eingetreten ist, auf diese Tathandlungen unanwendbar. Da § 24 obligatorisch Straffreiheit gewährt, § 306 e Abs. 1 aber lediglich fakultativ Straffreiheit oder Strafmilderung, ist mangels eines die Differenzierung rechtfertigenden Grundes § 306 e Abs. 1 dahingehend auszulegen, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen obligatorisch von Strafe wegen der Brandstiftung abzusehen ist.

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Literaturverzeichnis

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