Handbuch pfingstliche und charismatische Theologie 9783666522017, 9783525522011, 9783647522012

161 34 4MB

German Pages [568] Year 2014

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Handbuch pfingstliche und charismatische Theologie
 9783666522017, 9783525522011, 9783647522012

Citation preview

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Handbuch pfingstliche und charismatische Theologie Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Jörg Haustein und Giovanni Maltese

Mit einem Vorwort von Michael Bergunder

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Mit einer Abbildung und einer Tabelle

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-52201-1 ISBN 978-3-647-52201-2 (E-Book) Ó 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Inhalt

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Michael Bergunder Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Jörg Haustein / Giovanni Maltese Pfingstliche und charismatische Theologie Eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Danksagungen

Exegese und Hermeneutik Max Turner Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8 Das Waterloo pfingstlicher Soteriologie und Pneumatologie? . . . . . .

69

Gordon D. Fee Wege zu einer paulinischen Theologie der Glossolalie . . . . . . . . . .

93

Timothy B. Cargal Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus Pfingstliche Hermeneutik in einem postmodernen Zeitalter

. . . . . . 107

Geschichte und Identität Allan H. Anderson Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive Eine Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Cecil M. Robeck, Jr. Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts? Der Fall der Assemblies of God . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

6

Inhalt

Pneumatologie und Soteriologie Steven M. Studebaker Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie . . . . . . . . . . . . . . . 211 D. Lyle Dabney Die Natur des Geistes Schöpfung als Vorahnung Gottes

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Geisterfahrung und Glossolalie Frank D. Macchia Zungen als Zeichen Wege zu einem sakramentalen Verständnis pfingstlicher Erfahrung . . 249 James K.A. Smith Zungen als „Widerstandsdiskurs“ Eine philosophische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

Ethik und soziale Gerechtigkeit Murray W. Dempster Die Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik Sondierungen zur moralischen Bedeutung der Glossolalie . . . . . . . 297 Pamela M.S. Holmes Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen Ein Gespräch mit der Kritischen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Joel J. Shuman Pfingsten und das Ende des Patriotismus Ein Aufruf zur Wiederherstellung des Pazifismus unter pfingstlichen Christen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Inhalt

7

Ekklesiologie und Ökumene Terry L. Cross Sind Pfingstler evangelikale Christen? Eine Betrachtung der theologischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Simon Chan Die Kirche und die Entwicklung der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Veli-Matti Kärkkäinen Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität Ein Essay zur ökumenischen Ekklesiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 430

Mission, Eschatologie und interreligiöser Dialog Andy Lord Missions-Eschatologie Ein Grundgerüst für Mission im Geist

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

Amos Yong Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen Wege zu einer pneumatologischen Theologie der Religionen . . . . . . 464 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Autorenporträts

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 Bibelstellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Danksagungen

Dieses Buch ist das Ergebnis einer längeren gemeinsamen Reise in die vielseitigen Landschaften pfingstlicher Theologie, die von mehreren Personen aktiv unterstützt und geduldig begleitet worden ist. Danken möchten wir zuerst den Autoren der hier versammelten Aufsätze. Sie haben unser Projekt mit großem Interesse aufgenommen, uns bei der Akquisition der Rechte unterstützt und etwaige Rückfragen im Fortgang der Übersetzung geduldig beantwortet. Michael Bergunder hat uns nicht nur mit seinem freundlichen Vorwort und ermutigenden Worten unterstützt, sondern ihm ist es überhaupt zu verdanken, dass in Heidelberg ein Forschungsschwerpunkt zur Pfingstbewegung samt einer breiten Spezialbibliothek aufgebaut wurde, die diesem Buch zugrunde liegt. Jörg Persch und Christoph Spill vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht sei herzlich für ihre hilfreiche Unterstützung und geduldige Begleitung gedankt, ohne die dieses Buch kaum zu realisieren gewesen wäre. Dies gilt auch für die Rechteinhaber der jeweiligen Originalfassungen der übersetzten Texte, die uns in teilweise sehr entgegenkommender Weise die notwendigen Rechte eingeräumt haben. Auch ihnen sei herzlich gedankt. Klaus Simon danken wir für seine Unterstützung bei der Korrekturlesung des Manuskripts. Dirk Hoffmann hat uns bei der Erstellung der Register unterstützt, auch dafür danken wir herzlich. Ebenfalls gedankt sei Mariangela Di Martino, Carmen Galati, Melanie König, Naomi LoMascolo und Giosefina Petrosino für ihre Mithilfe. London und Heidelberg im Februar 2014

Jörg Haustein und Giovanni Maltese

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Vorwort

Die weltweite Pfingstbewegung ist ein schillerndes und zugleich faszinierendes Phänomen. Ohne Zweifel ist sie der gegenwärtig am schnellsten wachsende Zweig des Christentums und prägt viele Regionen der Welt in nachhaltiger Weise. Ihre Geschichte lässt sich kaum mehr als 100 Jahre zurückverfolgen, und doch ist die Pfingstbewegung für eine der einschneidensten Veränderungen des konfessionellen Gefüges in der gesamten Christentumsgeschichte verantwortlich. Auf der anderen Seite entzieht sie sich klaren und konventionellen Bestimmungsversuchen, so dass gegenwärtig sehr kontrovers diskutiert wird, was überhaupt alles unter Pfingstbewegung zu verstehen sei. Es ist noch nicht allzu lange her, als jedes Buch zur Pfingstbewegung betonte, dass diese bisher von der Forschung sträflich vernachlässigt sei. In den letzten 20 Jahren hat sich diese Situation zum Glück grundlegend geändert. Insbesondere aus den Disziplinen der Ethnologie, Religionswissenschaft und Theologie liegen mittlerweile hervorragende und überaus aussagekräftige Studien zu den weltweiten pfingstlichen und charismatischen Bewegungen vor. Internationale und interdisziplinäre Forschungsnetzwerke haben sich gebildet. Für Europa ist hier das European Research Network on Global Pentecostalism (www.glopent.net) besonders zu nennen, das regelmäßige Tagungen veranstaltet und eine eigene Zeitschrift, PentecoStudies, herausgibt. Dennoch gibt es noch viele Desiderate. Eines davon ist sicher das nur schleppend in Gang kommende theologische Gespräch zwischen pfingstlichen und protestantischen Kirchen im deutschsprachigen Raum. Reaktionen von Vertretern der protestantischen Kirchen zur Pfingstbewegung orientieren sich meist an empirisch-soziologischen Analysen zur gelebten Gemeindewirklichkeit. Die etablierten Kirchen stellen sich dagegen in der Regel auf dem Hintergrund ihrer theologischen Reflexion dar, die selbstredend mehr den Soll-Zustand als den Ist-Zustand ausdrückt. Für einen angemessenen Dialog müssen jedoch die Theologien beider Seiten auf einer Ebene miteinander verglichen werden, und auf einer anderen, davon getrennten Ebene die soziologische Wirklichkeit. Der hier angesprochene Verstoß gegen elementare Grundregeln des ökumenischen Dialogs wird in der Regel damit gerechtfertigt, dass es in der Pfingstbewegung keine den etablierten Kirchen entsprechende Theologie gäbe. Dies ist aber ein unbegründetes Vorurteil, wie der vorliegende Band eindrücklich belegt. Mit seinem Erscheinen geht das Stadium der Naivität in Deutschland endgültig zu Ende, in dem einfach behauptet

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

12

Michael Bergunder

werden konnte, dass die Pfingstler keine Theologie hätten. Mit besonderem Nachdruck sei dabei auf den umfassenden Überblick der gegenwärtigen Themen pfingstlicher und charismatischer Theologie verwiesen, den die beiden Herausgeber der Anthologie voranstellen. Die besonderen Verdienste dieses Überblicks können dem unkundigen Leser leicht verborgen bleiben. Es handelt sich nach meiner Einschätzung um die allererste umfassende und enzyklopädische Systematisierung der neueren theologischen Debatten innerhalb der Pfingstbewegung überhaupt. Auch in der englischsprachigen Literatur fehlt eine solche Gesamtdarstellung bisher. Die beiden Herausgeber sind in besonderer Weise dafür qualifiziert, eine derartige Gesamtdarstellung zu liefern. Jörg Haustein wurde über die Pfingstbewegung in Äthiopien promoviert und hat bereits einschlägig zur Pfingstbewegung publiziert. Er ist unter anderem Mitbegründer des European Research Network on Global Pentecostalism und hat maßgeblich an der Etablierung eines Forschungsschwerpunktes zur weltweiten Pfingstbewegung in der Abteilung Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Universität Heidelberg mitgewirkt. Gegenwärtig lehrt er Religionen in Afrika an der SOAS in London. Von Giovanni Maltese stammt eine Studie zu den beiden pfingstlichen Theologen Terry Cross und Amos Yong, die auch im Handbuch vertreten sind. Gegenwärtig arbeitet er an der Universität Heidelberg in einem Forschungsprojekt zur philippinischen Pfingstbewegung. Vor dem Hintergrund einer bewundernswerten Kenntnis der maßgeblichen Literatur und mit klarem Blick auf das Wesentliche bieten die Herausgeber einen faszinierenden Gesamteinblick in die pfingstliche Theologie. Das verhandelte Themenspektrum zeigt, dass inzwischen alle großen klassischtheologischen Loci behandelt werden. Pfingstliche Theologie beschäftigt sich keineswegs ausschließlich mit Pneumatologie, Geisterfahrung und Glossolalie. Ungeachtet ihrer schillernden Vielfalt und einer fehlenden verbindlichen Lehrautorität gelingt es den Herausgebern immer wieder rote Fäden zu entdecken und typische pfingstlich-theologische Anliegen zu markieren. Die einleitende Übersicht hat weiterhin den Vorteil, dass sie die Auswahl der einzelnen Texte bereits ausführlich begründet, denn es handelt sich bei den ausgewählten Texten durchweg um gewichtige Beiträge zu den referierten zentralen Themenstellungen. Angesicht des skizzierten Diskussionsstandes ist klar, dass eine repräsentative Auswahl von vornherein ein Ding der Unmöglichkeit war. Jedoch kann ohne Einschränkung festgehalten werden, dass alle in diesem Handbuch vertretenen Beiträge von Autoren und Autorinnen stammen, die sowohl unter pfingstlichen Theologinnen und Theologen hohes Ansehen genießen als auch selbst in pfingstlichen und charismatischen Gemeinden aktiv sind und dabei oft auch in Leitungsämtern ihrer Kirchen tätig sind. Zugleich zeichnen sich die Beiträge auch dadurch aus, dass sie neue theologische Perspektiven für die Pfingstbewegung zu erschließen suchen. Ihre Zusammenstellung ist damit also in gewisser Weise eine eigene theologische Stellungnahme der beiden Herausgeber. Letzteres macht diesen Band

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

13

Vorwort

auch zu einer besonderen theologischen Herausforderung für die deutsche Pfingstbewegung, deren Vertreter sich bisher erstaunlich wenig an den internationalen theologischen Debatten beteiligt haben. Auch in diesen Kreisen ist dem Band eine lebendige Rezeption zu wünschen. Ein Grund für die fehlende Bekanntheit der englischsprachigen pfingstlichen Theologie in Deutschland hat auch mit dem Übersetzungsproblem zu tun. Obwohl die Übersetzung vom Englischen ins Deutsche meist als weitgehend unproblematisch angesehen wird, ist dies in der Praxis keineswegs trivial. In ihren Übersetzungen haben die Herausgeber versucht, Begrifflichkeiten zu verwenden, die sowohl für die etablierte protestantische Theologie als auch für die deutsche Pfingstbewegung verständlich ist. Von daher ist zu erwarten, dass das Handbuch auch sprachbildend für die deutschsprachigen Debatten zur pfingstlichen Theologie wirkt. Auffällig an der Auswahl des Handbuchs ist, dass mit Ausnahme von Simon Chan (Singapore) alle Autoren an angelsächsischen Institutionen tätig sind. Wie die protestantische wird auch die pfingstliche Theologie stark von Vertretern aus Nordamerika und Europa dominiert. Für die Pfingstbewegung ist dies besonders bedauerlich, weil ihre gegenwärtigen Zentren eindeutig in Afrika, Asien und Lateinamerika liegen. Es kann kein Zweifel bestehen, dass theologische Stimmen aus diesen Regionen sich zunehmend Gehör verschaffen und vielleicht die Diskussion noch einmal in herausfordernder Weise verschieben werden. Doch zunächst besteht die begründete Hoffnung, dass mit diesem Band das Gespräch zwischen pfingstlicher und nicht-pfingstlicher akademischer Theologie in Deutschland überhaupt erst einmal in Gang kommt. Heidelberg im Januar 2014

Michael Bergunder

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

Pfingstliche und charismatische Theologie Eine Einführung

Die weltweite Pfingstbewegung1 hat in den letzten Jahren immer stärker die Aufmerksamkeit der Wissenschaft auf sich gezogen, was zum einen mit dem unbestreitbaren Wachstum ihrer Kirchen in Afrika, Teilen Asiens und Lateinamerika zu tun hat2 und zum anderen mit der Etablierung wissenschaftlicher Netzwerke, Theorien und Methoden zur Erforschung dieses Teils der Weltchristenheit.3 In der Sozialwissenschaft und Religionswissenschaft gehört die 1 In der klassischen Terminologie wird gewöhnlich zwischen drei Gruppen oder „Wellen“ der Pfingstbewegung unterschieden: (1) der klassischen Pfingstbewegung (Kirchen in historischer Kontinuität mit der Azusa-Street-Erweckung von 1906 bzw. der mit ihr verbundenen Bewegungen), (2) der charismatischen Bewegung (von der klassischen Pfingstbewegung inspirierte Kreise in den etablierten Kirchen), und (3) der neo-pfingstlichen Bewegung (neuere theologische Entwicklungen wie z. B. die Wort-des-Glaubens-Bewegung). Diese historische Dreiteilung lässt sich jedoch nur auf die USA und Teile Europas anwenden, zudem wurde sie zuerst von den sog. „Neo-Pfingstlern“ vorgebracht, die sich somit selbst als die „dritte Welle“ der pfingstlichen Erweckung bezeichneten. Aufgrund der Fluidität und Dynamik der Pfingstbewegung ist die Frage ihrer genauen Bestimmung umstritten, etwa im Hinblick auf afrikanisch-unabhängige Kirchen. Der hier verwendete Begriff von Pfingstbewegung orientiert sich an den von Michael Bergunder vorgelegten Überlegungen zu einer formalen Definition des Gegenstands und umfasst somit alle der sog. „drei Wellen“, s. v. a. Bergunder, Michael: Der “Cultural Turn” und die Erforschung der weltweiten Pfingstbewegung. In: Evangelische Theologie 69, Nr. 4 (2009), S. 245 – 269. 2 Wenngleich lokale Statistiken vielerorts das Wachstum der Pfingstbewegung erkennen lassen, existieren bislang keine verlässlichen Globalstatistiken. Die aus der World Christian Database hervorgehende und immer wieder zitierte Zahl von 614 Millionen „renewalists“ (Johnson, Todd M. (Hg.): Atlas of Global Christianity. 1910 – 2010. Edinburgh: Edinburgh University Press, 2009, S. 103) ist nicht frei von Problemen. Für eine einführende kritische Diskussion der verfügbaren Statistiken, s. Haustein, Jörg: Die Pfingstbewegung als Alternative zur Säkularisierung? Zur Wahrnehmung einer globalen religiösen Bewegung des 20. Jahrhunderts. In: Archiv für Sozialgeschichte 51 (2011), S. 533 – 552, hier S. 10 – 14. 3 In den USA besteht bereits seit 1970 die Society for Pentecostal Studies (SPS) als Organisation pfingstlicher Akademiker, die als relativ kirchennahe Organisation ihre Zwischenposition zwischen akademischer Forschung und kirchlicher Verantwortlichkeit häufig neu justieren muss. Die interdisziplinäre Forschung zur Pfingstbewegung hat in jüngeren Jahren mit der Begründung des European Research Network on Global Pentecostalism (GloPent) neue Impulse erfahren, da sich hier regelmäßig Sozialwissenschaftler, Religionswissenschaftler und Theologen gemeinsam versammeln, um aktuelle Forschungsfragen zu diskutieren. Im deutschsprachigen Raum wird eine ähnliche Rolle durch den Interdisziplinären Arbeitskreis Pfingstbewegung (IAKP) eingenommen, der jedoch neben der interdisziplinären Diskussion auch das ökumenische Gespräch mit der Pfingstbewegung anzuregen versucht.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

16

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

Erforschung der globalen Pfingstbewegung und ihrer lokalen Ausprägungen daher schon seit geraumer Zeit zu einem der wichtigeren Terrains der gegenwartsbezogenen Christentumsforschung. Doch auch in der internationalen Theologie hat sich in Bezug auf die Pfingstbewegung in den letzten Jahren viel bewegt. Pfingstliche Autoren sind mittlerweile fest etabliert und leisten anerkannte Beiträge zu traditionellen theologischen Debatten oder legen dezidiert pfingstliche Entwürfe zu klassischen theologischen Loci vor. Die Pfingstbewegung hat namhafte Lehrstuhlinhaber wie den Neutestamentler Gordon Fee oder den systematischen Theologen Miroslav Volf hervorgebracht, und es gibt mehrere etablierte Fachzeitschriften, in denen die Debatten zur pfingstlichen Theologie stattfinden (Asian Journal of Pentecostal Studies, Journal of Pentecostal Theology, PentecoStudies, Pneuma). Die Konvergenz zwischen der pfingstlichen und der etablierten akademischen Theologie findet dabei in beide Richtungen statt: pfingstliche Ansätze werden in klassischen Debatten rezipiert und pfingstliche Theologen arbeiten mit dem Theorie- und Methodenkanon der etablierten historisch-kritischen Theologie. Die deutschsprachige theologische Diskussion scheint von diesen Debatten jedoch weitgehend abgekoppelt zu sein. Das liegt zum einen daran, dass maßgebliche Lehrbücher akademisch etablierter Theologen mit einer Betonung der erfahrungsbetonten Spiritualität der Pfingstbewegung einsetzen und dann versuchen, den theologischen Dialog auf Basis einer phänomenologischen Beschreibung derselben zu initiieren, ohne die theologischen Artikulationen der Pfingstbewegung in ausreichender Tiefe zu rezipieren.4 Zum anderen hat aber auch die pfingstliche Theologie in Deutschland die internationalen Debatten in der Vergangenheit kaum zur Kenntnis genommen und nur wenige eigene Beiträge dazu geleistet.5 Dies mag auch damit zu tun haben, dass die Pfingstbewegung hierzulande nur sehr klein ist und in ihrer eigenen Pastoralausbildung vor allem an praktischen Fragen orientiert ist. So gibt es in Deutschland bislang nur wenig Überschneidungen zwischen pfingstlicher

4 Vgl. v. a. Hollenweger, Walter J.: Charismatisch-pfingstliches Christentum: Herkunft, Situation, Ökumenische Chancen. (The Pentecostals ). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1997; Zimmerling, Peter : Charismatische Bewegungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009 (UTB 3199). Während Hollenweger die ihm sehr gut vertrauten internationalen Theologen in seine Beschreibung punktuell einbaut, verzichtet Zimmerling völlig auf eine Auseinandersetzung mit der englischsprachigen theologischen Diskussion. Zur Kritik des Erfahrungsbegriffs im Kontext pfingstlich-charismatischer Theologien, s. Neumann, Peter D.: Pentecostal Experience: An Ecumenical Encounter. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2012 (Princeton Theological Monograph Series 187); Maltese, Giovanni: Geisterfahrer zwischen Transzendenz und Immanenz: Die Erfahrungsbegriffe in den pfingstlich-charismatischen Theologien von Terry L. Cross und Amos Yong im Vergleich. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2013 (Kirche – Konfession – Religion 61). 5 Etwas anders sieht die Lage in der Schweiz aus, wo mit Walter Hollenweger, Jean-Daniel Plüss, Matthias Wenk u. a. pfingstliche Theologen kontinuierlich zur internationalen pfingstlichen Debatte beigetragen haben.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

17

und universitärer Theologie und wo ein solches Gespräch stattfindet, geschieht dies eher in einem internationalen Kontext.6 Der vorliegende Band will diesem Mangel abhelfen und einen Beitrag zur Vertiefung des Dialogs mit der Pfingstbewegung leisten, indem er Schlüsseltexte pfingstlicher Theologen zusammenstellt und ins Deutsche übersetzt vorlegt. Die Auswahl der Texte orientiert sich dabei an Debatten und Themen, die aus Sicht der Herausgeber relevant für etablierte theologische Fragestellungen sind und darin zugleich neue Perspektiven eröffnen. Somit wird keine Repräsentativität bezüglich der großen Bandbreite pfingstlicher Theologien angestrebt, insbesondere hinsichtlich der theologisch wenig interessanten Extreme der Bewegung. Vielmehr soll der Sammelband für große Gebiete der Theologie zeigen, wie pfingstliche Theologen die etablierte Theologie mit originellen und akademisch fundierten Beiträgen bereichern können. Die Auswahl besteht aus insgesamt siebzehn Aufsätzen einflussreicher Theologen pfingstlich/charismatischen Hintergrunds aus den Jahren 1993 bis 2010, die sich auf die folgenden Themenfelder verteilen: Hermeneutik und Exegese; Geschichte und Identität; Pneumatologie und Soteriologie; Geisterfahrung und Glossolalie; Ethik und soziale Gerechtigkeit; Ekklesiologie und Ökumene; sowie Mission, Eschatologie und interreligiöser Dialog. Diese Einführung wird im Folgenden die pfingstlich-theologischen Debatten der letzten Jahrzehnte in den genannten Themenbereichen vorstellen, um die vorliegende Textauswahl in ihren größeren Kontext zu stellen. Dies ist der erste Versuch einer solchen Gesamtschau überhaupt und wird darum in manchen Details den jeweiligen Entwürfen nur unzureichend gerecht werden können. Denn es ist bereits heute unmöglich, die wachsenden Anzahl von pfingstlich-theologischen Veröffentlichungen, Zeitschriften und Konferenzen vollständig zu überblicken, geschweige denn zu systematisieren. Die vorliegende Einführung konzentriert sich daher vor allem auf Monographien und Herausgeberwerke aus den letzten beiden Jahrzehnten, die Teil einer in Heidelberg über zehn Jahre hinweg systematisch aufgebauten Bibliothek zur Pfingstbewegung sind. Wie in dieser Einleitung deutlich werden wird, bietet bereits diese Auswahl ein reichhaltiges Tableau theologischer Entwürfe, Anregungen und Diskussionsbeiträge, das – wahrscheinlich auch für die deutsche Pfingstbewegung selbst – weite Horizonte pfingstlicher Theologie öffnet und zum Gespräch herausfordert. Zugleich werden theologische Themenfelder sichtbar, in denen die Pfingstbewegung herausgefordert ist, sich im Dialog mit anderen Traditionen neuen theologischen Einsichten zu öffnen, blinde Flecke wahrzunehmen und eigene Lehraussagen neu zu begründen. Somit möchte der Sammelband zum einen eine Art vorläufige und einführende Zustandsbeschreibung des theologischen Diskurses der englischsprachigen 6 Insbesondere der Heidelberger Systematiker Michael Welker hat den internationalen Dialog mit der Pfingstbewegung gesucht, vgl. z. B. Welker, Michael (Hg.): The Work of the Spirit: Pneumatology and Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2006.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

18

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

pfingstlich-theologischen akademischen Landschaft bieten, um deren Rezeption zu befördern. Zum anderen liegt ihm ein kritischer Impetus zugrunde, der an einem fortgesetzten und vertieften theologischen Dialog mit der Pfingstbewegung interessiert ist und darum bestimmte Richtungen der pfingstlichen Theologie in einer programmatischen Auswahl und Kommentierung ins Gespräch bringen will.

Exegese und Hermeneutik Wenn man die thematische Bandbreite exegetischer Publikationen pfingstlicher Theologen überblickt, so fällt zunächst ihre deutliche Konzentration auf das lukanische Doppelwerk auf, das für die Pfingstbewegung von Anfang an zentral gewesen ist. Zum Alten Testament liegen vergleichsweise wenige Monographien oder Aufsatzsammlungen vor,7 und in der neutestamentlichen Exegese finden sich nur vereinzelt pfingstliche Werke zu Texten außerhalb des Lukas-Evangeliums und der Apostelgeschichte bzw. thematisch orientierte Studien, die mehrere Textbereiche umfassen.8 Die angesichts dieser Tatsache um so intensivere exegetische Diskussion des lukanischen Doppelwerks begann bereits recht früh, ausgelöst von zwei neutestamentlichen Publikationen aus dem Jahr 1970, die kritische Anfragen an die Pfingstbewegung richteten. Der Presbyterianer Frederick Dale Bruner studierte die zentralen Lehren der nordamerikanischen Pfingstbewegung und unternahm daraufhin eine exegetische Lektüre der für Pfingstler wesentlichen Textstellen in der Apostelgeschichte. Dabei erblickte er im biblischen Befund eine Christozentrik des Geistes und sprach sich gegen eine eigenständige Geisterfahrung aus, was ihn zu der anachronistisch anmutenden Schlussfolgerung führte, dass die Ermahnungen des Paulus im Korintherbrief im Grunde 7 S. v. a. Hildebrandt, Wilf: An Old Testament Theology of the Spirit of God. Peabody, MA: Hendrickson, 1995; MacQueen, Larry R.: Joel and the Spirit: The Cry of a Prophetic Hermeneutic. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1995 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 8); Martin, Lee Roy : The Unheard Voice of God: A Pentecostal Hearing in the Book of Judges. Dorset: Deo Publishing, 2008; Moore, Rickie D.: The Spirit of the Old Testament. Blandford Forum: Deo Publishing, 2011 (Journal of Pentecostal Studies Supplement Series 35). Aufsätze alttestamentlicher Exegeten finden sich gleichwohl in größerer Zahl, v. a. in den Zeitschriften Pneuma und Journal of Pentecostal Theology. 8 Soderlund, Sven; Wright, N. T. (Hg.): Romans and the People of God: Essays in Honor of Gordon D. Fee on the Occasion of His 65th Birthday. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1999; S. v. a. Grudem, Wayne A.: The Gift of Prophecy in the New Testament and Today. Rev. ed Aufl. Wheaton, IL: Crossway Books, 2000; Ndubuisi, Luke: Paul’s Concept of Charisma in 1 Corinthians 12: With Emphasis on Nigerian Charismatic Movement. Frankfurt am Main: Lang, 2003; Fee, Gordon D.: Der Geist Gottes und die Gemeinde: Eine Einladung, Paulus ganz neu zu lesen. Metzingen/Württ.: Franz, 2005; Waddell, Robby : The Spirit of the Book of Revelation. Blandford Forum: Deo Publishing, 2006.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

19

schon eine vorweggenommene Kritik an der Pfingstbewegung seien, weil dieser die Pneumatiker wieder zurück auf Christus und auf den Dienst an der Gemeinde orientierte.9 Die im gleichen Jahr erschienene Publikation des renommierten Neutestamentlers James D. G. Dunn zur Taufe im Heiligen Geist war ebenfalls direkt an die Pfingstbewegung gerichtet, wobei er im Unterschied zu Bruner einen Brückenschlag versuchte. Dunn argumentierte, dass die Pfingstbewegung in ihrer Betonung der Erfahrung des Heiligen Geistes durchaus eine wichtige Dimension der neutestamentlichen Frömmigkeit wiederentdeckt habe, zugleich kritisierte er aber die zentrale pfingstliche Lehre einer im ordo salutis von Bekehrung und Wassertaufe unterscheidbaren Geisttaufe als biblisch unhaltbar.10 Zahlreiche pfingstliche Exegeten setzten sich daraufhin in den Folgejahren mit Bruner und Dunn auseinander, wobei der Schwerpunkt auf der Kritik an Dunns Positionen lag, da seine Verbindung aus Sympathie für die pfingstliche Erfahrung und einer grundlegenden Kritik ihrer zentralen Lehre von der Geisttaufe ungleich wirkungsvoller als Bruners vollständige Ablehnung war.11 Die vorgebrachten Gegenargumente verliefen auf mehreren Ebenen. Insbesondere stritten die pfingstlichen Exegeten für eine im Unterschied zu Paulus deutlich zu profilierende lukanische Pneumatologie. Bei Lukas erkannten sie eine prophetisch-eschatologische Dimension des Geistes, die sich gegen die von Dunn behauptete Identität der Geisttaufe mit Bekehrung und Wassertaufe sowie gegen eine zu starke Parallelisierung der Taufe Jesu am Jordan und der Geisttaufe der Jünger zu Pfingsten ins Feld führen ließ. Im Jahr 1993 folgte Dunn der Einladung, im Journal of Pentecostal Theology eine detaillierte Replik auf die pfingstlichen Einwände zu veröffentlichen, in der er seine Thesen weiter präzisierte, die Bedeutung des Geistes in der Soteriologie deutlicher hervorhob und die prophetisch-missionarische Dimension des Geistes anerkannte, zugleich jedoch an seiner These von der Identifikation der Geisttaufe mit der christlichen Bekehrung bzw. Initiation festhielt. Die Antworten der hier angesprochenen pfingstlichen Exegeten zogen sich noch 9 Bruner, Frederick D.: A Theology of the Holy Spirit: The Pentecostal Experience and the New Testament Witness. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1970. 10 Dunn, James D. G.: Baptism in the Holy Spirit: A Re-Examination of the New Testament Teaching on the Gift of the Spirit in Relation to Pentecostalism Today. Naperville, IL: Alec R. Allenson, Inc., 1970 (Studies in Biblical Theology 15). 11 S. Hunter, Harold D.: Spirit-Baptism: A Pentecostal Alternative. Lanham, MD: University Press of America, 1983; Ervin, Howard M.: Conversion-Initiation and the Baptism in the Holy Spirit: A Critique of James D. G. Dunn, Baptism in the Holy Spirit. Peabody, MA: Hendrickson, 1984; Stronstad, Roger: The Charismatic Theology of St. Luke. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1984; Arrington, French L.: The Acts of the Apostles: An Introduction and Commentary. Peabody, MA: Hendrickson, 1988; Menzies, Robert P.: The Development of Early Christian Pneumatology with Special Reference to Luke-Acts. Sheffield: JSOT Press, 1991 (Journal for the Study of the New Testament Supplements 54); Shelton, James B.: Mighty in Word and Deed: The Role of the Holy Spirit in Luke-Acts. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

20

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

durch zwei weitere Jahrgänge des Journals12 und im Jahr 2010 wurde die Debatte anlässlich des 40-jährigen Jubiläums von Dunns Buch in der gleichen Zeitschrift neu aufgenommen und erweitert, ohne dass allerdings die grundlegende Differenz zur Geistausgießung als soteriologisches bzw. zusätzliches Heilsereignis überbrückt werden konnte. Stellvertretend für diese Debatte zur exegetischen Verortung der Geisttaufe im ordo salutis steht in diesem Sammelband der Aufsatz des charismatischen Neutestamentlers Max Turner, mit dem Titel Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8: Das Waterloo pfingstlicher Soteriologie und Pneumatologie?13 Turner beginnt seine Exposition der Samaritaner-Perikope in Apg 8 mit dem Verweis auf eine ungeklärte Problemstelle pfingstlicher Theologie: Während einige Exegeten von einer Mitwirkung des Geistes bei der Bekehrung ausgehen und somit eine Art zweistufigem Geistempfang postulieren (Bekehrung und Geisttaufe, wobei das eigentliche pneumatologische Moment die Geisttaufe ist), sehen andere die Bekehrung lediglich als Voraussetzung für den (einstufigen) Empfang des Geistes bei der Geisttaufe, welche vor allem zu einem dynamischen und missionarischen Dienst bevollmächtigt. Turner nimmt dies zum Anlass, die Frage von Soteriologie und Geisttaufe bei Lukas grundsätzlich zu diskutieren, und weist nach, dass für Lukas Heil nicht einfach in Rechtfertigung und Eingliederung in die Kirche besteht, sondern im „Hinaufgezogenwerden in die lodernde, freudvolle und transformierende trinitarische Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn durch den Geist“. Damit erntet Turner in gewisser Hinsicht die Früchte der pfingstlichen Diskussion mit Dunn, indem er die exegetischen Grundlagen für eine ganzheitliche pfingstliche Theologie legt, welche die Geistbegabung nicht nur als eine zusätzliche Befähigung zu Mission und christlicher Heiligung ansieht, sondern von ihr aus die Frage des christlichen Heils überhaupt neu denkt (für die systematisch-theologische Diskussion zu dieser Frage s. u. Pneumatologie und Soteriologie).14 Wenngleich die exegetische Diskussion des lukanischen Doppelwerks längst auf andere Themenkreise erweitert wurde,15 kann diese Debatte als 12 Menzies, Robert P.: Luke and the Spirit: A Reply to James Dunn. In: Journal of Pentecostal Theology 4 (1994), S. 115 – 138; Shelton, James B.: A Reply to James D. G. Dunn’s “Baptism in the Spirit: A Response to Pentecostal Scholarship on Luke-Acts”. In: Journal of Pentecostal Theology 4 (1994), S. 139 – 143; Atkinson, William: Pentecostal Responses to Dunn’s Baptism in the Holy Spirit: Pauline Literature. In: Journal of Pentecostal Theology 7 (1995), S. 49 – 72; Atkinson, William: Pentecostal Responses to Dunn’s Baptism in the Holy Spirit: Luke–Acts. In: Journal of Pentecostal Theology 6 (1995), S. 87 – 131. 13 Turner, Max: Interpreting the Samaritans of Acts 8: The Waterloo of Pentecostal Soteriology and Pneumatology? In: Pneuma 23, Nr. 2 (2001), S. 265 – 286. 14 Für eine Ausarbeitung von Turner’s Position, s. Turner, Max: Power from on High: The Spirit in Israel’s Restoration and Witness in Luke-Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 9). 15 Dies sind vor allem: narrative Theologie, Missiologie, Ethik, Heilung und Exorzismus, Stärkung der Rolle der Frau. Vgl. die von Mittelstadt vorgelegte Übersicht zu pfingstlichen Arbeiten

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

21

beispielhaft für die Art und Intensität gesehen werden, mit der pfingstliche Theologen die in ihrer Tradition gewachsenen Positionen im Gespräch mit der historisch-kritischen Exegese begründet, verteidigt und präzisiert haben. Dies trifft auch auf die zweite große exegetische Frage zu, die mit der Geisttaufe in Verbindung steht: die Zungenrede. Mit Ervin, Robert Menzies, Penney, Shelton und Stronstad16 argumentieren eine Reihe pfingstlicher Theologen vor allem unter Rückgriff auf das lukanische Doppelwerk für die Aufrechterhaltung der pfingstlichen Lehre von der Zungenrede als Anfangserweis der Geisttaufe. Gegen den Erweis der Geistbegabung durch Zungenrede allein argumentierte neben Max Turner17 auch der weithin anerkannte und wirkungsreiche Neutestamentler Gordon Fee,18 der mit seinem Beitrag Wege zu einer paulinischen Theologie der Glossolalie19 in diesen Sammelband aufgenommen wurde. Ähnlich wie Turner steht Fee hierbei für eine pfingstliche Theologie, die klassische Ansichten innerhalb der eigenen Tradition in kritischer Exegese überprüft und theologisch neu fasst. In Fees Beitrag geschieht dies auf zweierlei Weise: Zum einen folgt Fee hier nicht den ausgetretenen Pfaden der pfingstlichen Lukasexegese zu dieser Thematik, sondern begibt sich auf Spurensuche im paulinischen Korpus, um die exegetische Diskussion breiter im Neuen Testament zu verankern. Zum anderen erkennt Fee Glos-

16

17

18

19

zum lukanischen Doppelwerk, Reading Luke-Acts in the Pentecostal Tradition. Cleveland, TN: CPT Press, 2010. Auch Eschatologie ist neu in den Fokus der pfingstlichen Lukas-Exegese gerückt, s. z. B. Wenk, Matthias: Der Heilige Geist als Solidarität Gottes mit den Bedrängten und Ausgestoßenen. In: Forum Theologie & Gemeinde (Hg.): Das Evangelium den Armen. Die Pfingstbewegung im Spannungsfeld zwischen sozialer Verantwortung und klassischem Missionsverständnis. Erzhausen: Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, 2013, S. 95 – 124. Ervin: Conversion-Initiation; Ervin, Howard M.: Spirit-Baptism: A Biblical Investigation. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1987; Penney, John M.: The Missionary Emphasis of Lukan Pneumatology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1997 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 12); Menzies, Robert P.: Empowered for Witness: The Spirit in LukeActs. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1994 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 6); Special Issue: “Initial Evidence”. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 1, Nr. 2 (1998), S. 109 – 253; Menzies, Robert P.: Evidential Tongues: An Essay on Theological Method. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 1 (1998), S. 111 – 123; Shelton: Mighty ; Shelton: Reply ; Stronstad: Charismatic Theology ; Stronstad, Roger: The Prophethood of All Believers a Study in Luke’s Charismatic Theology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 16). Turner : Power from on High; Turner, Max: The Holy Spirit and Spiritual Gifts: Then and Now. Paternoster Press, 1996; Turner, Max: Tongues: An Experience for all in the Pauline Churches? In: Asian Journal of Pentecostal Studies 1, Nr. 2 (1998), S. 231 – 253; Turner, Max: A Response to the Responses of Menzies and Chan. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 2, Nr. 2 (1999), S. 297 – 308. Fee, Gordon D.; Stuart, Douglas K.: How to Read the Bible for All Its Worth: A Guide to Understanding the Bible. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1982; Fee, Gordon D.: Gospel and Spirit: Issues in New Testament Hermeneutics. Peabody, MA: Hendrickson, 1991; Fee, Gordon D.: God’s Empowering Presence: The Holy Spirit in the Letters of Paul. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1994. Fee, Gordon D.: Toward a Pauline Theology of Glossolalia. In: Crux 31, Nr. 1 (1995), S. 22 – 31.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

22

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

solalie nicht nur als Zeichen der ermächtigenden Begabung des Geistes, sondern auch als Ausdruck der Schwachheit der Kreatur, die in „unaussprechlichen Seufzern“ ihr Gebet artikuliert. Fee versteht somit das paulinische Konzept der Glossolalie als eine Position der „radikalen Mitte“ hinsichtlich der Geistesgaben, denn sie formt Menschen, die sich im vollen Bewusstsein ihrer kreatürlichen Schwachheit in der Ausübung der Geistesgaben der Kraft des Geistes anvertrauen. Wie anhand der bislang angeführten Debatten deutlich geworden ist, standen und stehen pfingstliche Akademiker dem historisch-kritischen Methodenkanon keineswegs ablehnend gegenüber. Selbst Theologen, die sich eher mit evangelikalen Positionen identifizieren, kritisieren deren althergebrachte Ablehnung historisch kritischer Methoden.20 Ein wichtiger Grund dafür lässt sich am Beispiel der Redaktionsgeschichte erkennen: Erst diese ermöglicht es nämlich pfingstlichen Theologen, das für sie zentrale lukanische Doppelwerk auch theologisch zur Gewinnung von Lehraussagen zu profilieren, während die klassische evangelikale Ablehnung der Redaktionskritik die Evangelisten als Historiker, aber nicht als Theologen verstanden hatte und theologische Lehrsätze daher allein aus den Episteln entwickeln wollte.21 Freilich zeigen sich im Vergleich der verschiedenen Exegeten durchaus Unterschiede in der Anwendungsbreite und Akzentuierung des historisch-kritischen Methodenkanons, doch hat es hierüber in der akademischen pfingstlichen Theologie keine Grundsatzdebatte gegeben. Das Problem der pfingstlichen Theologie bestand dagegen vielmehr im Hinblick auf die biblische Hermeneutik: Wie kann über die Erkenntnisse der historisch-kritischen Exegese hinaus der pfingstlichen Intuition einer unmittelbaren Zugänglichkeit und alltagsbezogenen Relevanz des Bibeltextes Rechnung getragen werden? Denn der Bibelzugang der frühen Pfingstler22 war 20 Vgl. hierzu Menzies, William W.; Menzies, Robert P.: Pfingsten und die Geistesgaben: eine Jahrhundertfrage im Horizont zeitgemäßer Auslegung. Metzingen/Württ.: Franz, 2001, die in vielerlei Hinsicht eine der konservativeren Positionen in der Pfingstbewegung vertreten. 21 Ebd., S. 48 – 54. Freilich darf man hier keine allzu progressiven Positionen erwarten. Bei aller Berufung auf Baur, Haenchen, Conzelmann und Marxsen betonen William und Robert Menzies, dass die Redaktionskritik „das historische Anliegen der Evangelisten drastisch herunter“ gespielt habe, ebd., S. 49. 22 Dies kommt in dem petrinischen Diktum von Apg 2,16 am besten zum Ausdruck, das seit Aimee Semple McPhersons Buchtitel zum Markenzeichen der frühen pfingstlichen Exegese gilt, vgl. McPherson, Aimee Semple: This Is That: Personal Experiences, Sermons and Writings of Aimee Semple Mcpherson. Los Angeles: Echo Park Evangelistic Association, 1923. Mit den Worten „Das ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist“, erklärt Petrus das Pfingstwunder als eschatologische Wirklichkeit, die exegetisch mit Joels Prophetie belegt wird. Die englische Version dieses Diktums in den Worten der King-James-Bibelübersetzung („this is that“) wurde zur geprägten Wendung: Unter „this-is-that-Exegese“ bzw. „this-is-that-Hermeneutik“ (je nachdem wie grundsätzlich angesetzt wird) tritt der prima-facie Schriftzugang der frühen Pfingstler zutage, sowohl im theologischen Sinne mit Blick auf die persönliche Bibellektüre, als auch im homiletischen Sinne mit Blick auf die von Unmittelbarkeit und Situationsbezogenheit gekennzeichneten Predigtpraxis, (vgl. Maltese: Geisterfahrer, S. 54).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

23

von einer Art bidirektionaler, geistgewirkter Unmittelbarkeit getragen, weil angenommen wurde, dass der Geist einerseits Bibelstellen verstehen helfe und andererseits die dort festgehaltenen Gottesbegegnungen auch in der Gegenwart wieder real werden ließe. Genau in dieser Vorstellung einer pneumatischen Präsenz des biblischen Zeugnisses liegt ein zentraler, vielleicht sogar der entscheidende Unterschied zwischen pfingstlicher und evangelikaler Theologie. Aus diesem Grund ist es wenig verwunderlich, dass innerhalb der akademischen pfingstlichen Theologie bald die Frage entstand, inwiefern die in der eigenen Tradition angelegte Betonung der Erfahrung des Heiligen Geistes einen eigenen hermeneutischen Interpretationsrahmen begründen könne, den weder liberale noch evangelikale Methoden abbildeten.23 So warb bereits in den 1980er Jahren der baptistische Charismatiker Howard Ervin in der Zeitschrift Pneuma für eine besondere illuminative Rolle des Heiligen Geistes in der Hermeneutik, welche den rationalen exegetischen Methoden nicht widersprechen könne, noch sie ersetzen solle, aber doch im Anschluss an eine historisch-kritische Exegese die numinosen Intentionen der biblischen Texte in existenzieller Weise mit der pfingstlichen Erfahrung zu verbinden vermöge.24 In ähnlicher Weise argumentierte Roger Stronstad, dass eine pfingstliche Hermeneutik geeignet sei, den von Hermann Gunkel in Anlehnung an Lessing diagnostizierten historischen Graben durch den Geist zu überbrücken, da sie neben einer literarischen und historisch-kritischen Exegese auch eine pneumatische Interpretation der Schrift kenne, die aufgrund ihrer auf Erfahrungen des Geistes basierenden Vorannahmen und Verifikationen mit dem weltanschaulichen Horizont der Bibel korrespondiere.25 Im Nachgang zu diesen ersten, eher assoziativen Versuchen haben zahlreiche andere Theologen die Rolle des Geistes in der Hermeneutik genauer zu fassen versucht, und zwar als eine weitere Dimension der Textinterpretation, die historisch-kritische Methoden zwar voraussetzt und doch zugleich die dadurch aufgeworfene historische Distanz zum Text wieder zu überbrücken sucht. So erkennt Brown in seiner Untersuchung des Heiligen Geistes im Neuen Testament einen rezeptionsästhetischen Prozess, in dem Text und Leser aufgrund des beiden innewohnenden Heiligen Geistes in einer gegenseitigen Horizonterweiterung in-

23 Für eine konzise Zusammenfassung der pfingstlichen Diskussion zur Hermeneutik, s. Archer, Kenneth J.: A Pentecostal Hermeneutic for the Twenty-First Century. Edinburgh: T&T Clark, 2004, S. 127 – 155. 24 Ervin, Howard M.: Hermeneutics: A Pentecostal Option. In: Pneuma 3, Nr. 2 (1981), S. 11 – 25; für seine Durchführung der Verbindung historisch-kritischer Exegese mit pfingstlicher Hermeneutik, s. Ervin: Spirit-Baptism. Dunn verhielt sich überaus positiv zu diesem Brückenschlag, s. Baptism in the Holy Spirit: Yet Once More – Again. In: Journal of Pentecostal Theology 19, Nr. 1 (2010), S. 32 – 43, hier S. 41 – 43. 25 Stronstad, Roger: Spirit, Scripture and Theology: A Pentecostal Perspective. Baguio City : Asia Pacific Theological Seminary Press, 1995, insbes. S. 53 – 78.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

24

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

volviert sind.26 John Wyckoff wiederum legte eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Rolle des Heiligen Geistes in der Hermeneutik vor und definiert diese als die eines Lehrers, dessen Handeln weder komplett im rationalen Erkenntnisprozess des Lesers aufgeht, noch in einer pneumatischen Illumination, welche den Exegeten nur als Gefäß gebrauchen würde.27 Robby Waddell legte in seiner Exegese der Johannesapokalypse einen intertextuellen Zugang vor, in dem die Pfingstbewegung selbst als Text konzipiert wird, der mit dem biblischen Text in Offenbarung, Nachfolge, Gemeinschaft und Anbetung interagiert,28 während John Christopher Thomas das Ethos pfingstlicher Hermeneutik in praktischen Spezifika erkennt, wie der Verortung in einer Gemeinschaft, der Bemühung um die Integration von Verstand und Gefühl, sowie der Anerkennung verschiedener kontextueller Prägungen.29 Die in einigen dieser Ansätze deutlich werdende Konvergenz von pfingstlicher Hermeneutik mit modernekritischen Ansätzen zu Wissen, Textualität und Interpretation ist auch den pfingstlichen Theologen nicht entgangen und hat zu der Diskussion geführt, ob der pfingstliche Zugang zur Bibel nicht eher mit dem Anliegen der sogenannten „Postmoderne“ konvergiere. Als deutlichstes Beispiel für dieses Postulat steht der in diesem Band aufgenommene Text von Timothy Cargal mit dem Titel Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus: Pfingstliche Hermeneutik in einem postmodernen Zeitalter30. Cargal argumentiert einerseits, dass sowohl die klassische historische Kritik wie auch deren Ablehnung von ein und demselben modernistischen Geschichts-Paradigma geleitet sind („nur was historisch ist, ist wahr“), und andererseits skizziert er Grundzüge einer „postmodernen Hermeneutik“, die von der Kritik an der Hegemonie der reinen Vernunft, der Betonung der dialogischen Rolle von Erfahrung und Interpretation, sowie dem Plädoyer für plurale Perspektiven und für systemisches Denken gekennzeichnet ist. Dieser Text erschien als Teil eines Themenheftes der Zeitschrift Pneuma, das der Frage nach einer pfingstlichen Hermeneutik gewidmet war. Die Debatte setzte sich in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift in kontroverser Weise fort, wobei die große Bandbreite pfingstlicher Positionen erkennbar wurde.31 Wenngleich 26 Brown, Paul E.: The Holy Spirit: The Spirit’s Interpreting Role in Relation to Biblical Hermeneutics. Fearn: Christian Focus, 2002. 27 Wyckoff, John W.: Pneuma and Logos: The Role of the Spirit in Biblical Hermeneutics. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2010. 28 Waddell: Spirit. 29 Thomas, John C.: The Spirit of the New Testament. Blandford Forum: Deo Publishing, 2005. Dieser Ethos wird auch in der von ihm herausgegebenen “Pentecostal Commentary”-Serie als pfingstliches Spezifikum hervorgehoben. 30 Cargal, Timothy B.: Beyond the Fundamentalist-Modernist Controversy : Pentecostals and Hermeneutics in a Postmodern Age. In: Pneuma 15, Nr. 2 (1993), S. 163 – 187. 31 Auf der einen Seite standen Beiträge, die den Essays des Themenheftes eher affirmativ gegenüber standen und weitere Theorien testeten (Harrington, Hannah K.; Patten, Rebecca: Pentecostal Hermeneutics and Postmodern Literary Theory. In: Pneuma 16, Nr. 1 (1994), S. 109 – 114; Sheppard, Gerald T.: Biblical Interpretation After Gadamer. In: Pneuma 16, Nr. 1

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

25

die Debatte zu einer pfingstlichen „postmodernen“ Hermeneutik seither etwas abgeklungen zu sein scheint, ist auch in neueren Entwürfen das Anliegen erhalten geblieben, das Verhältnis von Schrift, Geist und Gemeinschaft im Prozess der Auslegung im Dialog mit neueren Wissenstheorien systematisch und konstruktiv zu durchdenken.32 Besonders in den Arbeiten von Amos Yong und William Oliverio beschränkt sich die Diskussion nicht nur auf die Erschließung von (Bibel-)Texten, sondern zielt grundsätzlicher auf die sinnvolle Erfahrung der Wirklichkeit, die z. B. bei Amos Yong grundsätzlich als geistgewirkt verstanden wird, und damit auf die Bedingungen der Möglichkeit theologischer Erkenntnis überhaupt.

Geschichte und Identität Neben der biblischen Theologie liegt ein weiterer zentraler Referenzpunkt für alles systematisch-theologische Denken der pfingstlichen Theologie in der Geschichte der Pfingstbewegung, und dabei insbesondere in ihren Anfängen. Dieser historische Blick ist freilich eng verwoben mit Debatten über die Identität der Bewegung, was schon an den in der Literatur zu findenden historiographischen Schemata deutlich wird. Das in der amerikanischen Debatte bei weitem verbreitetste Schema ist das eines singulären Ursprungs der Bewegung, der sich im Laufe der Zeit entfaltet und in dem der wahre Charakter der Pfingstbewegung zu erkennen ist. Als solcher fungiert der Ursprung auch als der wichtigste Referenzpunkt oder die Richtschnur für spätere theologische Entwicklungen. Zumeist kommt der Azusa-Street-Erweckung von 1906 diese Rolle zu, womit sie gleichzeitig der historischen Datierung der Bewegung dient.33 Die geographische und historische Diversität der Pfingstbewegung kann in einem solchen Schema freilich auch nur am „Ursprung“ gemessen werden, was unvermeidlich zu geogra(1994), S. 121 – 141), während das Plädoyer von Robert Menzies, doch vom Zug der „Postmoderne“ und ihrem „Relativismus“ wieder abzuspringen, am deutlichsten den evangelikalen Flügel der Pfingstbewegung vertrat (Menzies, Robert P.: Jumping Off the Postmodern Bandwagon. In: Pneuma 16, Nr. 1 (1994), S. 115 – 120. 32 S. v. a. Archer: Hermeneutic; Noel, Bradley Truman: Pentecostal and Postmodern Hermeneutics: Comparisons and Contemporary Impact. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2010; Oliverio, L. William: Theological Hermeneutics in the Classical Pentecostal Tradition: A Typological Account. Leiden: Brill, 2012 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 12). 33 Besonders deutliche Beispiele für dieses historiographische Schema sind: Synan, Vinson: The Holiness-Pentecostal Movement in the United States. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1971; Blumhofer, Edith L.: The Assemblies of God: A Chapter in the Story of American Pentecostalism, Bd. 1: To 1941. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1989; Owens, Robert R.: Speak to the Rock: The Azusa Street Revival: Its Roots and Its Message. Lanham, MD: University Press of America, 2001; Robeck, Cecil M. Jr.: The Azusa Street Mission and Revival: The Birth of the Global Pentecostal Movement. Nashville, TN: Nelson Reference & Electronic, 2006.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

26

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

phisch zentrierten und oft verfallsgeschichtlichen Erzählungen führt, die eine kaum zu überschätzende normative Selbstdynamik entfalten. Dieses Schema geht nicht selten mit der eingangs erwähnten34 weit verbreiteten Dreiteilung der Pfingstbewegung in klassische Pfingstbewegung, charismatische Bewegung und neocharismatische Bewegung (oder auch „dritte Welle“ genannt) einher, die sich an der nordamerikanischen Entwicklung orientiert und zumindest außerhalb der westlichen Welt nur eingeschränkte Bedeutung hat.35 Explizit gegen dieses in Nordamerika zentrierte historiographische Schema ist eine historische Darstellung vorgebracht worden, die von mehreren Ursprüngen oder Anfängen ausgeht, die in der Pfingstbewegung zusammengekommen sind und an mehreren Orten der Welt lokalisiert werden. So postulierte der Schweizer Theologe Walter Hollenweger mehrere „Wurzeln“ der Pfingstbewegung, mit welchen er sie sowohl theologiegeschichtlich als auch geographisch mehrfach verankerte.36 Der Theologe Allan Anderson hat sich in mehreren historischen Studien mit den frühen Erweckungen im 20. Jahrhundert (v. a. in Wales, Korea, Indien, USA, Chile) befasst und zeichnet diese in eine von Anfang an globale Geschichte der Pfingstbewegung ein.37 Dieses historiographische Schema kann die geographische und historische Diversität der Pfingstbewegung leichter inkorporieren, indem der Pfingstbewegung von Anfang an mehrere kulturelle und theologische Identitäten mitgegeben werden. Doch führt dies hinsichtlich der Definition der Bewegung zu eher typologischen Bestimmungen, mit denen die Netzwerke der Pfingstbewegung entweder zu eng, zu weit oder mit inkommensurablen Kategorien gefasst werden.38 Zudem bleiben auch hier, wie im Modell des singulären Ursprungs, die (nunmehr pluralen) Anfänge der Pfingstbewegung normativ für die Bestimmung und Bewertung späterer Entwicklungen, was die Identitätsproblematik nicht vereinfacht. 34 S. Anm. 1. 35 Vgl. Anm. 1. Zu diesem Schema s. Johnson (Hg.): Atlas. Die dritte Gruppe ist aus Charles Peter Wagners heilsgeschichtlichen Konzept der „drei Wellen“ der Erweckung abgeleitet und fungiert oft als Residualkategorie für theologisch sehr unterschiedliche Strömungen, vgl. Wagner, C. Peter: The Third Wave of the Holy Spirit: Encountering the Power of Signs and Wonders Today. Ann Arbor, MI: Vine Books, Servant Publications, 1988; Burgess, Stanley M.; van der Maas, Eduard M. (Hg.): The New International Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Zondervan, 2002, S. 284 – 302. 36 Die fünf von ihm vorgebrachten Wurzeln sind: die „schwarze mündliche Wurzel“, die „katholische Wurzel“, die „evangelikale Wurzel“, die „kritische Wurzel“ und die „ökumenische Wurzel“, s. Hollenweger : Charismatisch-pfingstliches Christentum. 37 S. v. a. Anderson, Allan H.: An Introduction to Pentecostalism. Cambridge: Cambridge University Press, 2004; Anderson, Allan H.: Spreading Fires. The Missionary Nature of Early Pentecostalism. London: SCM Press, 2007; Anderson, Allan H.: Varieties, Taxonomies, and Definitions. In: Ders. u. a. (Hg.): Studying Global Pentecostalism. Theories and Methods. Berkeley, CA: University of California Press, 2010, S. 13 – 29. 38 Vgl. Rodr†guez, Dar†o Lop¦z; Waldrop, Richard E.: Pentecostal Identity, Diversity and Public Witness. A Critical Review of Allan Anderson’s An Introduction to Pentecostalism. In: Journal of Pentecostal Theology 16, Nr. 1 (2007), S. 51 – 57.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

27

Einem dritten Schema folgen Entwürfe, die keinen Ursprungsort der Pfingstbewegung suchen, sondern deren historische Kontinuität oder Verwobenheit mit vorgängigen Gruppen herausstellen. So hat Donald Dayton die theologischen Anleihen der Pfingstbewegung im Methodismus, der Heiligungsbewegung, der Heilungsbewegung und der prämilleniaristischen Eschatologie präzise nachgezeichnet.39 Der Heidelberger Theologe und Religionswissenschaftler Michael Bergunder hat die Bedeutung der Netzwerke der Glaubensmissionen für die schnelle globale Verbreitung der Pfingstbewegung herausgestellt, ohne welche die Pfingstbewegung möglicherweise ein amerikanisches Nischenphänomen geblieben wäre.40 Die Definition der Pfingstbewegung bzw. die Bestimmung ihrer Identität bleibt in diesem Schema freilich eine für jede historische Zeit neu zu klärende, womit die Variabilität der Pfingstbewegung besser erfasst werden kann.41 Neben der Frage der historischen Schemata liegt ein weiteres historiographisches Problem für die Theologie der Pfingstbewegung darin, wie das von pfingstlichen Quellen behauptete unmittelbare Handeln Gottes in historischen Darstellungen gefasst werden kann. Die Zentralität des Handelns Gottes in pfingstlichen Erzählungen steht dabei in einer Spannung zur üblichen historiographischen Beschränkung auf innerweltliche Abläufe. In gewisser Hinsicht liegt hier das historische Pendant des in vielen systematischen Ausarbeitungen zentralen Erfahrungsbegriffs vor.42 Pfingstliche historische Darstellungen greifen daher an zentralen Stellen gern auf Primärquellen zurück, wodurch die so mit bestimmten Namen verbürgte Erfahrung von Gottes Handeln an die Stelle einer geschichtlichen Behauptung göttlichen Eingreifens tritt. Andere Geschichtswerke behaupten eine Führung Gottes, aber bilden diese größtenteils in organisatorischen bzw. biographischen Entwicklungsverläufen ab, die ohne pneumatische Schlüsselereignisse auskommen.43 Der 39 Dayton, Donald W.: Theological Roots of Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Francis Asbury, 1987. 40 Bergunder, Michael: Die südindische Pfingstbewegung im 20. Jahrhundert: Eine historische und systematische Untersuchung. Frankfurt am Main: Lang, 1999 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 113); Bergunder, Michael: Mission und Pfingstbewegung. In: Dahling-Sander, Christoph u. a. (Hg.): Leitfaden Ökumenische Missionstheologie. Gütersloh: Chr. Kaiser, 2003, S. 200 – 219; Bergunder, Michael: Pfingstbewegung, Globalisierung und Migration. In: Zeitschrift für Mission 35, Nr. 1 – 2 (2005), S. 79 – 91. 41 S. hierzu vor allem Bergunder : “Cultural Turn”. Bergunder weist in diesem Aufsatz auch darauf hin, dass das heute übliche Verständnis der Pfingstbewegung als einer globalen und viele verschiedene Kirchen und Theologien umfassenden Bewegung gerade einmal auf die 1970er Jahre zurückgeht. 42 Hierbei wird eine Unmittelbarkeit postuliert, die direkt auf Gottes Handeln zurückgeführt und als solche erklärt wird, die ihre Plausibilität allerdings nur so lange aufrechterhalten kann, bis sie nicht von anderen Plausibilitäten herausgefordert wird, die sich aus derselben intersubjektiven Erklärungsnotwendigkeit speisen, etwa wenn bestimmte Erfahrungen (Geisttaufe, Wunder usw.) anders oder gar nicht erlebt werden, vgl. Neumann: Pentecostal Experience; Maltese: Geisterfahrer insbes. S. 205 – 216. 43 Ein deutsches Beispiel für dieses Vorgehen wäre Eisenlçffel, Ludwig David: Freikirchliche

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

28

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

britische Historiker William Kay hat hingegen unter Rückgriff auf Karl Popper für einen offensiveren Umgang mit „providential histories“ plädiert, da diese anders als historische Ursprungstheorien oder funktionalistische Erklärungen nicht dem historizistischen Irrtum anheim fallen könnten, größere theoretische Zusammenhänge über die Geschichte zu legen.44 Dagegen argumentiert Jörg Haustein, dass eine diskursive Analyse historischer Quellen ohne ein derartig spekulatives Ausgreifen über die Quellen hinaus auskommt und dabei dennoch die pfingstlich-theologische Zentralität der Gottesbehauptung in den Quellen erhalten kann, da sie an den in der pfingstlichen Geschichtsschreibung enthaltenen (und oft auch miteinander konkurrierenden) theologischen Narrativen als historische Artikulation und Identitätsbestimmung interessiert bleibt.45 Geschichtsschreibung wird somit nicht einfach als Ereignisgeschichte verstanden, sondern als eine genealogische Schichtung miteinander konkurrierender Erzählungen über die Vergangenheit, mit dem Ziel, die gegenwärtige theologische Identität der Pfingstbewegung auch in ihren Debatten über die Vergangenheit nachzuzeichnen. Die in diesen Sammelband aufgenommenen Aufsätze von Allan Anderson und Cecil (Mel) Robeck zeigen beide deutlich, wie die pfingstliche Geschichtsschreibung mit den erwähnten Identitätsdebatten verbunden ist. Allan Andersons Beitrag, überschrieben mit Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive – eine Revision46, steht als deutlichstes Beispiel für die oben erwähnte Kritik an einer auf Nordamerika und westliche Missionare zentrierten Globalgeschichtsschreibung der Pfingstbewegung. Ihm geht es dabei nicht nur um das historiographische Deutungsschema, sondern auch um die willentlich oder fahrlässig vergessenen Beiträge nicht-westlicher Protagonisten der Bewegung. Anderson, der an der University of Birmingham Missionswissenschaft und Pfingstliche Studien lehrt, fordert eine neue Art der Historiographie, die zwischen den Zeilen liest, und so einheimische Beiträge wieder entdeckt und die kulturellen Insensibilitäten und Vorurteile westlicher Pfingstbewegung in Deutschland. Innenansichten 1945 – 1985. Göttingen: V&R unipress, 2006 (Kirche – Konfession – Religion 50). 44 Kay, William K.: Karl Popper and Pentecostal Historiography. In: Pneuma 32, Nr. 1 (2010), S. 5 – 15. 45 Haustein, Jörg: Writing Religious History. The Historiography of Ethiopian Pentecostalism. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011 (Studies in the History of Christianity in the Non-Western World 17); Haustein, Jörg: Theorizing Pentecostal Historiography : Persecution and Historical Memory in Ethiopia. In: PentecoStudies 11, Nr. 2 (2012), S. 171 – 191. Ähnlich operiert auch Yan Suarsanas Arbeit zum Mukti Revival in Indien, die sich dezidiert als postkoloniale Religionsgeschichtsschreibung versteht, s. Suarsana, Yan: Pandita Ramabai und die Erfindung der Pfingstbewegung postkoloniale Religionsgeschichtsschreibung am Beispiel des „Mukti Revival“. Wiesbaden: Harrassowitz, 2013 (Studien zur außereuropa¨ ischen Christentumsgeschichte (Asien, Afrika, Lateinamerika) 23). 46 Anderson, Allan H.: Revising Pentecostal History in Global Perspective. In: Ders.; Tang, Edmond (Hg.): Asian and Pentecostal: The Charismatic Face of Christianity in Asia. London: Regnum Books, 2005 (Asian Journal of Pentecostal Studies Series 3), S. 147 – 173.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

29

Missionare aufdeckt. So eine „Geschichte von unten“ ist laut Anderson nicht nur näher an der Erfassung der eigentlichen Dynamik der frühen Pfingstbewegung, sie kann darüber hinaus auch Wege aufzeigen, gegenwärtige Tendenzen des Rassismus, Imperialismus, kirchlichen Provinzialismus und Ethnozentrismus zu überwinden. Der am Fuller Theological Seminary lehrende pfingstliche Kirchenhistoriker und Ökumeniker Cecil (Mel) Robeck liefert in seinem Aufsatz mit dem Titel Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts? Der Fall der Assemblies of God47 eine fundierte historische Kritik des für viele Pfingstkirchen grundlegenden Dogmas vom Anfangserweis der Geisttaufe, das besagt, dass die Zungenrede eine notwendige Begleiterscheinung der Taufe mit dem Heiligen Geist sei. Robeck geht es dabei nicht um eine theologische Kritik an der Lehre selbst sondern an deren Festschreibung als verbindliche Tradition, die sich theologischen Debatten und Abweichungen in der Glaubenspraxis nicht mehr stellen muss. Indem er diesen Prozess der institutionellen Gerinnung der Lehre vom Anfangserweis der Geisttaufe nachzeichnet, stellt Robeck auch die Frage nach dem ekklesiologischen Selbstverständnis seiner eigenen Kirche, den Assemblies of God. Gegen einen dogmatischen Traditionalismus, der durch Maßnahmen der Kirchenleitung und mit Hilfe eines historischem Revisionismus abgesichert wird, setzt Robeck auf eine Pfingstkirche, die Pluralität fördert und die Probleme der Glaubenspraxis analysiert und zu lösen versucht, anstatt sie unter vermeintlich universalen Lehrpostulaten zu verstecken. Damit plädiert er für eine Kirche, die der Versuchung widersteht, die Suche nach Wahrheit durch die Behauptung einer Tradition zu ersetzen. (Zur weiteren ekklesiologischen Debatte siehe Ekklesiologie und Ökumene.)

Pneumatologie und Soteriologie Obwohl der Geist in der pfingstlichen Praxis und Spiritualität eine zentrale Stellung einnimmt, hat er in der systematisch-theologischen Reflexion lange Zeit eine Nebenrolle gespielt. Das zeigt der Ort, der der Pneumatologie in den entsprechenden Dogmatiken zukommt. French Arringtons Dogmatik enthält beispielsweise gar kein Kapitel, das eigens dem Heiligen Geist gewidmet ist,48 und andere Dogmatiken, die dem Geist immerhin ein oder mehrere Kapitel einräumen, beschränken den Geist lediglich auf die Authentifizierung des Heils.49 Der erste dogmatische Entwurf, in dem die Pneumatologie in nahezu 47 Robeck, Cecil M. Jr.: An Emerging Magisterium? The Case of the Assemblies of God. In: Pneuma 25, Nr. 2 (2003), S. 164 – 215. 48 Arrington, French L.: Christian Doctrine: A Pentecostal Perspective, Bd. 1 – 3. Cleveland, TN: Pathway Press, 1992 – 1994. 49 Higgins, Dusing und Tallman widmen dem Heiligen Geist zwar ein eigenes Kapitel, das auf die Soteriologie folgt, beschränken seine Funktion aber auf das Authentifizieren des Heils, bevor sie

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

30

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

allen theologischen Loci deutliche Spuren hinterlässt, ist wahrscheinlich die Theologie des Heiligen Geistes des baptistisch-charismatischen Theologen Clark Pinnock. Dieser ging davon aus, dass Kirche, Geist und Heil nicht voneinander getrennt werden können und behandelte daher die Ekklesiologie vor der Soteriologie und im Anschluss an die pneumatologische Christologie.50 Die unterschiedliche syntaktische Stellung, die der Pneumatologie in den jeweiligen Entwürfen in der Reihenfolge der behandelten Themen zugewiesen wird, ist für die Gesamtkomposition der Dogmatik bedeutsam, weil sie Aufschluss über die unterschiedlichen Auslegungen des Dritten Glaubensartikels gibt und die verschiedenen Auffassungen zum Verhältnis von Geist, Erneuerung, Heiligung und Kirche innerhalb der (früheren) pfingstlich-charismatischen systematischen Theologien darstellt. Die sachliche Stellung des Heiligen Geist ist allerdings überall gleich: Alle haben gemeinsam, dass sie dann die Person des Geistes beschreiben (als ausgehend vom Vater und Sohn), um danach geradewegs die Frucht und die Charismen des Geistes zu behandeln, s. Higgins, John R.; Dusing, Michael L.; Tallman, Frank D.: An Introduction to Theology : A Classical Pentecostal Perspective. Dubuque, IA: Kendall, 1994. In der biblischen Dogmatik William Menzies’ und Hortons nimmt die Pneumatologie drei Kapitel ein, die nach der Soteriologie und der Sakramentenlehre folgt und damit in eine gewisse Nähe zur Ekklesiologie gerückt wird. Zwei dieser Kapitel handeln jedoch von der Geisttaufe und der Zungenrede als Anfangserweis, während das dritte die Heiligung beschreibt, in der der Geist als besonderer Agent auftritt. Die Heiligung wird hier als ein Akt der Trennung vom Bösen und der Hinwendung zu Gott verstanden, die dadurch stattfindet, dass sich der bereits zum Glauben gekommene Mensch im Alltag mit Christus identifiziert und kraft dieser Vereinigung sein Leben der Herrschaft des Geistes unterstellt (Menzies, William W.; Horton, Stanley M.: Bible Doctrines: A Pentecostal Perspective. Springfield, MO: Logion Press, 1993). Die von Stanley Horton herausgegebene Dogmatik räumt der Pneumatologie vier Kapitel ein, welche auf die Christologie und das Erlösungswerk Christi folgen. Die Rolle des Geistes wird hier akzentuiert, im ordo salutis findet sie aber lediglich in der Erneuerung einen Ort. Erneuerung definiert Horton als eine Veränderung der menschlichen Natur, auf die dann die Rechtfertigung folgt, in der der Heilige Geist jedoch keine Rolle spielt, s. Horton, Stanley M.: Systematic Theology : A Pentecostal Perspective. überarb. Aufl. Springfield, MO: Logion Press, 1994. Darin unterscheidet sich sein Entwurf kaum von einer der frühesten Dogmatiken, die 1937 von Myer Pearlman veröffentlicht wurde und ein Kapitel zum Heiligen Geist enthielt, in dem zuerst die Natur des Geistes, dann der Geist im AT und in Christus, traktiert wurden, bevor Pearlman zum Geist in der menschlichen Erfahrung, den Geistesgaben und erst am Schluss zum Geist in der Kirche kam, s. Pearlman, Myer : Knowing the Doctrines of the Bible. überarb. Aufl. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1937. Die Dogmatik des reformiert-charismatischen J. Rodman Williams widmet dem Geist ganze neun Kapitel und thematisiert ihn auch ausführlicher im Zusammenhang mit dem Heilsgeschehen, in dem der Geist jedoch lediglich für die subjektive Seite der Erlösung zuständig ist, s. Williams, J. Rodman: Renewal Theology : Systematic Theology from a Charismatic Perspective. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988 ff. Selbst Anthony Palma gelang in seiner Pneumatologie kein entscheidender Durchbruch. Zwar behandelte er jeden Locus ausgehend vom Heiligen Geist, brach aber an den entscheidenden Stellen in der Soteriologie einfach ab und reifizierte damit die Aussagen der zuvor genannten Arbeiten, s. Palma, Anthony D.: The Holy Spirit: A Pentecostal Perspective. Springfield, MO: Logion Press, 2001. 50 Pinnock, Clark H.: Flame of Love: A Theology of the Holy Spirit. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1996.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

31

mit den soteriologischen Paradigmen der protestantischen Scholastik operieren, woraus sich eine strukturelle Subordination des Geistes ergibt, welche die Rolle des Geistes auf die Aktualisierung der Erlösung bzw. auf ihre subjektive Komponente (Erneuerung) reduzieren. Die elaborierte Ausformulierung einer Lehre von der Geisttaufe hat diese strukturelle Subordination keineswegs behoben. Das Gegenteil ist der Fall: Sofern Geisttaufe innerhalb der Parameter der traditionellen protestantischen Theologie konzeptualisiert wird – wie dies bei der klassisch-pfingstlichen Theologie der Fall ist – steht sie in notwendiger logischer Nachzeitigkeit gegenüber dem soteriologischen Ereignis im Leben des Christen. In diesem Verständnis, das Geisttaufe nur als donum super additum betrachtet (siehe oben), driften Geisttaufe und Erlösung auseinander und der Geist wird zunehmend an die Peripherie der Soteriologie gedrängt. Eine systematisch-theologische Kritik an dieser strukturellen Subordination, die sich vor allem aus einer Übernahme traditioneller protestantischer Denkfiguren ergibt, wurde im Zusammenhang mit der Forderung geäußert, eine eigene pfingsttheologische Methode zu entwickeln. Clark, Lederle et. al. gaben einen Leitfaden mit kritischen Fragen an die Pfingsttheologie heraus, in dem sie schon sehr früh dazu aufriefen, das Spezifische der pfingstlichen Spiritualität in die Form des Theologisierens einfließen zu lassen.51 Dabei wiesen sie insbesondere auf die Rolle der Erfahrung in der Pfingstbewegung hin. Anfragen an eine Pfingsttheologie, die nicht über die Kategorien evangelikaler und traditionell-protestantischer Theologien hinauskommt und ihrer eigenen Erfahrung nicht gerecht wird, hatten zuvor auch Spittler52 und Nichols53 geäußert, Letzterer hatte gar eine „Spiritual-Ontologie“ eingefordert. Es gab jedoch auch Stimmen, die sich gegen ein solches Unternehmen aussprachen. Der finnische Ökumeniker Veli-Matti Kärkkäinen lehnte es beispielsweise ab, nach einem pfingstlichen Proprium im Sinne bestimmter methodischer Paradigmen zu suchen, da dies nur eine abermalige Zerrissenheit im Christentum markieren würde.54 Wolfgang Vondey äußerte ebenfalls Bedenken an der Suche nach einer exklusiven pfingstlichen Methode und

51 Clark, Mathew S.; Lederle, Henry I.: What Is Distinctive About Pentecostal Theology? Pretoria: University of South Africa, 1989 (Miscellanea Specialia 1). 52 Spittler, Russell P.: Suggested Areas for Further Research in Pentecostal Studies. In: Pneuma 5, Nr. 1 (1983), S. 39 – 56. 53 Nichols, David R.: The Search for a Pentecostal Structure in Systematic Theology. In: Pneuma 6, Nr. 2 (1984), S. 57 – 76. 54 Kärkkäinen zufolge sollte das besondere in der Pfingsttheologie vielmehr die hermeneutische und dogmatische Auseinandersetzung mit anderen Theologien sein, die von einer ökumenischen Offenheit getragen zu einer wahren Einheit der Christen führen kann, s. K•rkk•inen, Veli-Matti: Pentecostal Hermeneutics in the Making: On the Way from Fundamentalism to Postmodernism. In: Journal of the European Pentecostal Theological Association 18 (1998), S. 76 – 115.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

32

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

plädiert für eine Entgrenzung, welche die Pfingstbewegung aufgrund ihrer selbst „über die Pfingstbewegung hinaus“ führen soll.55 Im Wesentlichen haben diese ökumenischen Bedenken die Pfingsttheologen jedoch nicht davon abgehalten, Ansätze für eine spezifisch pfingstlichen Theologiemethode zu entwickeln, sondern eher den eigenen Anspruch im kreativen Austausch mit anderen Traditionen bei der Bewältigung dieser Aufgabe erhöht. So versucht zum Beispiel der ebenfalls im ökumenischen Dialog aktive Barth-Experte Terry Cross den pfingstlichen Erfahrungsbegriff in eine theologische Methode zu überführen, indem er, unter anderem im Dialog mit Calvin, Bonhoeffer und Barth, den Geist als die Bedingung der Möglichkeit des Endlichen (Mensch) begreift, das Unendliche (Gott) zu fassen.56 Dies steht aber nicht in der Verfügbarkeit des Menschen, sondern geschieht im souveränen göttlichen Akt der Geisttaufe, die einen ganzheitlichen und transformativen Charakter besitzt und eine unmittelbare Gotteserfahrung anzeigt, die es ermöglicht, sämtliche Loci systematischer Theologie neu zu denken.57 Die Entwürfe von Steven Land und Simon Chan entwickeln dagegen ihre pneumatologische Methode von einem bestimmten Konzept pfingstlicher Spiritualität aus, wobei Land die epistemologische Rolle von Affekten und der apokalyptischen Naherwartung betont,58 während Chan bei Liturgie und Tradition ansetzt und damit einem theologischen Unmittelbarkeitsanspruch, wie er etwa in Cross’ Entwurf zum Tragen kommt, unmittelbar entgegengesetzt ist. Chan zufolge hat pfingstliche Spiritualität ihren Ort in der Liturgie, welche die theologische Reflexion ebenso in-formieren soll, wie sie die Spiritualität in-formiert, damit Theologie eine positive Wissenschaft bleibt, ohne in Spekulation oder Apophatik abzugleiten.59 Eine weniger im 55 Vondey, Wolfgang: Beyond Pentecostalism: The Crisis of Global Christianity and the Renewal of the Theological Agenda. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2010. 56 Cross, Terry L.: The Rich Feast of Theology : Can Pentecostals Bring the Main Course or Only the Relish? In: Journal of Pentecostal Theology 8, Nr. 16 (2000), S. 27 – 47; Cross, Terry L.: “Can There Be a Pentecostal Systematic Theology?”: An Essay on Theological Method in a Postmodern World. Vortrag: 30th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Teaching to Make Disciples: Education for Pentecostal-Charismatic Spirituality and Life, Tulsa, OK, 2001; Cross, Terry L.: Are Pentecostals Evangelicals? Reviewing Theological Differences and Common Themes. Vortrag: Interdisziplinärer Arbeitskreis Pfingstbewegung, Verein für Freikirchenforschung (Veranst.): 100 Jahre Berliner Erklärung, Erzhausen, 28. März 2009. 57 Auf dieser Linie bewegt sich auch Keith Warringtons Kompendium pfingsttheologischer Themen, das jedoch methodische Fragen nur in der Einleitung und in einigen vereinzelten Abschnitten behandelt, s. Warrington, Keith: Pentecostal Theology: A Theology of Encounter. London: T&T Clark, 2008. 58 Land, Steven J.: Pentecostal Spirituality : A Passion for the Kingdom. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 1). 59 Die Gültigkeit des hermeneutischen Zirkels, den Chan hier skizziert und der von Spiritualität zu Liturgie und zur systematischen Theologie führt, belegt Chan mit der Beobachtung, dass jede Bibellektüre und Reflexion von den Kategorien der durch die Tradition geerbten theologischen Denkfiguren und -inhalten bestimmt wird. Diese würden ihrerseits aber hauptsächlich im Gottesdienst artikuliert und – jedenfalls innerhalb der Pfingstbewegung – verifiziert, wodurch

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

33

Sinne pneumatologischer Prolegomena zu Theologie formulierte, sondern dezidiert fundamentalpneumatologische Methode liegt Amos Yongs Arbeiten zugrunde. Der Heilige Geist stellt für Yong die Bedingung der Möglichkeit jedes wahren Erkennens dar, das jedoch stets von Stückwerkhaftigkeit gezeichnet ist.60 Damit relativiert Yong zwar das Unmittelbarkeitspostulat, doch die Offenbarung der Wahrheit ereignet sich nunmehr überall in der Welt, nicht nur in christlichen Kontexten – geschweige denn im exklusiven Raum der kirchlichen Tradition. Dadurch ist Theologie immer öffentliche Theologie. Eine grundsätzlich eschatologische Theologiemethode stellt Frank Macchias theologischer Entwurf dar. Macchia operationalisiert die Geisttaufe als Metapher für die immanente Trinität, die sich ad extra im eschatologischen Reich Gottes als Perichorese von Gott und Schöpfung verwirklicht und so den Menschen einbezieht.61 Mit dieser schon-und-noch-nicht-Figur, kann Macchia somit an einer Unmittelbarkeit festhalten, die qua Prolepse in vollster Weise erfahrbar ist, zugleich aber auch deren Vorläufigkeit bewahren.62 Die in allen genannten Entwürfen erkennbare fundamentaltheologische Zentralität der Pneumatologie hatte deutliche Implikationen für die anderen

ein dynamisches Element in die Theologiemethode Einzug findet, das diese als genuin pfingstlich ausweist, s. Chan, Simon: Spiritual Theology : A Systematic Study of the Christian Life. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1998; Chan, Simon: Pentecostal Theology and the Christian Spiritual Tradition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 21). 60 Yong, Amos: Spirit–Word–Community : Theological Hermeneutics in Trinitarian Perspective. Aldershot: Ashgate, 2002 (Ashgate New Critical Thinking in Religion, Theology and Biblical Studies). Die Wirklichkeit, die für Yong in Anlehnung an C. S. Peirce’ Rede von Erstheit, Zweitheit und Drittheit triadisch strukturiert ist, spiegelt somit die göttliche Trinität in der GottVater das Subjekt, Gott-Sohn das Objekt und Gott-Geist das Erschließungsmoment darstellen. Philosophie und Theologie schließen sich daher nicht aus, sondern liefern sich gegenseitige Erklärungsdienste. Dadurch ist Theologie für Yong immer öffentliche Theologie, deren letztes Ziel darin besteht, sämtliche Dichotomien und Trennungen zu überwinden und – ebenso wie dies bei den Zungen im Pfingstereignis der Fall ist – zu einer Verständigung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung pluraler Vielfalt zu streben. 61 Macchia, Frank D.: Baptized in the Spirit: A Global Pentecostal Theology. Grand Rapids, MI: Zondervan, 2006. Auf diese Weise versucht Macchia die Geisttaufe, die für ihn den Kronjuwel pfingstlicher Theologie und Spiritualität darstellt, als Organisationsprinzip für einen systematischen Entwurf zu operationalisieren, und entfaltet von der Geisttaufe aus sämtliche systematisch-theologische Loci, von der Gotteslehre und Christologie bis hin zur Soteriologie, Ekklesiologie und Ethik. 62 Die unlängst erschienene Arbeit von Christopher Stephenson vergleicht einige dieser theologischen Methoden miteinander und schlägt im Anschluss an Simon Chan einen eigenen Ansatz vor, der von einer gegenseitigen Befruchtung von „lex credendi lex orandi“ ausgeht, bei der sich Dogmatik und Liturgie gegenseitig bedingen und kritisieren. Die Dogmatik wird somit grundsätzlich an der Spiritualität gemessen, und somit wird ein größerer Raum für eine pneumatische Dynamik geschaffen, die verhindert, dass Theologie den Boden unter den Füßen verliert. Umgekehrt könne die Dogmatik die Liturgie ständig korrigieren und auf die ihr eigentümliche „Sachlichkeit“ verweisen, s. Stephenson, Christopher A.: Types of Pentecostal Theology : Method, System, Spirit. New York: Oxford University Press, 2013.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

34

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

dogmatischen Loci, allen voran für die Soteriologie.63 Durch die Betonung der Rolle des Geistes im subjektiven und im objektiven Heilsgeschehen zugleich, gelang es der pfingstlichen Theologie, eine von ihrem evangelikalen Erbe unterscheidbare Heilslehre zu entwickeln, die der Erfahrung des Geistes auch in der Reflexion der Erlösung voll und ganz Rechnung trägt. Ein Meilenstein bei der Formulierung einer pneumatologischen Soteriologie war D. Lyle Dabneys These der Kenosis des Geistes.64 Darunter verstand er die grundlegende, alle Diskontinuität zwischen Schöpfung und Erlösung umfassende, Kontinuität, die der Geist in seinem Werk der Selbstzurücknahme und Entäußerung darstellt. Die Abwesenheit Gott-Vaters am Kreuz und die Verlassenheit Jesu in der Kenosis ist die Anwesenheit des Geistes beim Sohn, der als dritte trinitarische Person eine begleitende aber nicht identische Kenosis erfährt. Von dieser Denkfigur aus konnte Dabney also eine Kontinuität zwischen creatio und salvatio im Werk des Geistes feststellen und die Rechtfertigungslehre von der in der Auferstehung stattfindenden Neuschöpfung aus (neu) formulieren. Diesen Impuls zu einer pneumatologischen Rechtfertigungslehre nahm Frank Macchia auf und ersetzte das forensische Rechtfertigungskonzept durch einen Begriff von Rechtfertigung als Erlösung, der sich nicht aus einer juristischen Statusveränderung des Menschen gegenüber Gott, sondern aus einer erlösenden geistgewirkten Neuschöpfung, speist.65 Der hier deutlich zum Vorschein kommende ganzheitliche Heilsbegriff, der sowohl individuelle somatische Heilung als auch die Transformation menschlicher Beziehungen sowie der ganzen Schöpfung einbezieht, wird durch eine pneumatologische Konzipierung überhaupt erst richtig möglich.

63 Ähnliches gilt auch für die Gotteslehre, s. hierzu am umfassendsten Studebaker, Steven M.: From Pentecost to the Triune God: A Pentecostal Trinitarian Theology. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2012 (Pentecostal Manifestos). Studebaker lässt sich die entsprechenden Kategorien von der pfingstlichen Erfahrung vorgeben, artikuliert ihre Implikationen für die Trinitätslehre im Austausch mit sämtlichen anderen Pfingsttheologen, diskutiert dies dann in einem weitem ökumenischen Feld von Trinitätstheologen und mündet dann allerdings in eine Religionstheologie. 64 Dabney, D. Lyle: Pneumatologia Crucis: Reclaiming Theologia Crucis for a Theology of the Spirit Today. In: Scottish Journal of Theology 4, Nr. 53 (2000), S. 511 – 524; Dabney, D. Lyle: “Justified by the Spirit”: Soteriological Reflections on the Resurrection. In: International Journal of Systematic Theology 1, Nr. 3 (2001), S. 46 – 68; Dabney, D. Lyle: He Will Baptize You with the Holy Spirit: Retrieving a Metaphor for a Pneumatological Soteriology. Vortrag: 30th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Teaching to Make Disciples: Education for Pentecostal-Charismatic Spirituality and Life, Tulsa, OK, März 2001; Dabney, D. Lyle: Die Kenosis des Geistes: Kontinuität zwischen Schöpfung und Erlösung im Werk des Heiligen Geistes, Bd. 18. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1997. 65 Macchia, Frank D.: Justification and the Spirit: A Pentecostal Reflection on the Doctrine by which the Church Stands or Falls. In: Pneuma 1, Nr. 22 (2000), S. 3 – 21; Macchia, Frank D.: Justified in the Spirit: Creation, Redemption, and the Triune God. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2010.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

35

Einer der frühesten Impulsgeber neben Walter Hollenweger66 war hierbei der aus der kroatischen (damals jugoslawischen) Pfingstbewegung stammende Miroslav Volf, dessen Überlegungen zur Materialität des Heils als Vorläufer einer pneumatologischen Verhältnisbestimmung von Heil und Heilung betrachtet werden können.67 Ähnliches gilt für die frühe Monographie des bereits erwähnten Frank Macchia über die Frömmigkeit und das Wirken der beiden württembergischen Pietisten Johann und Christoph Blumhardt, in deren Verkündigung und Dienst es um das Heilwerden von Leib, Seele und Gesellschaft gleichermaßen ging.68 Eine historische und systematische Studie zum Verhältnis von Heil und Heilung in soteriologischer und pneumatologischer Reflexion hat Kimberly Alexander vorgelegt.69 Sie untersucht Heilungsberichte und -literatur der frühen Pfingstbewegung und unterteilt diese in zwei Grundtypen: ein wesleyanisch-pfingstliches Heilungsmodell, das Heilung als Vorwegnahme der noch ausstehenden Vollendung der Erlösung im Eschaton ansieht, und ein finished-work-Modell, das Heilung als Aktualisierung der bereits am Kreuz vollendeten Erlösung auffasst. Während letzteres in der Praxis dazu führe, dass Krankheit und ihre Symptome geleugnet oder kontrafaktisch als überwunden deklariert wurden, können Heil und Erlösung nach dem wesleyanischen Modell als ein ständiger Prozess verstanden werden, der zwar durch Christus begründet wurde, aber vom Heiligen Geist vollendet wird. Damit wird eine ausbleibende Heilung als Prüfung der eigenen Standhaftigkeit im Glauben und der Krankheitstod des Gläubigen als das Bestehen jener Prüfung gedeutet.70 Eine stärker multidimensionale Be66 Hollenweger, Walter J.: Geist und Materie. München: Chr. Kaiser, 1988 (Interkulturelle Theologie 3). 67 Volf, Miroslav : Materiality of Salvation: An Investigation in the Soteriologies of Liberation and Pentecostal Theologies. In: Journal of Ecumenical Studies 26, Nr. 3 (1989), S. 447 – 467. 68 Macchia, Frank D.: Spirituality and Social Liberation: The Message of the Blumharts in the Light of Wuerttemberg Pietism. Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1993 (Pietist and Wesleyan studies 4). Die Ausstrahlungskraft und Inspiration, die ein so verstandenes und gelebtes Heilsverständnis für die Pfingsttheologie darstellt, hat Simeon Zahl zu einer erneuten Untersuchung der Predigt des jüngeren der beiden, Christoph Friedrich Blumhardt, veranlasst, die Wittenberg und Azusa Street korreliert und vor diesem Hintergrund nach einer pneumatologisch gefassten Kreuzestheologie fragt, s. Zahl, Simeon: Pneumatology and Theology of the Cross in the Preaching of Christoph Friedrich Blumhardt: The Holy Spirit Between Wittenberg and Azusa Street. London: T&T Clark, 2010 (T&T Clark Studies in Systematic Theology). Damit hebt er in dem für die Pfingsttheologie so attraktiven pneumatologischen Heilsbegriff die christologische und karfreitagliche Dimension hervor und leistet einen wichtigen Beitrag, um die Bedenken ernstzunehmen, die Kärkkäinen angesichts des starken Triumphalismus vieler pfingstlichen Pneumatologie-Theologien geäußert hatte, vgl. K•rkk•inen, Veli-Matti: Theology of the Cross: A Stumbling Block to Pentecostal/Charismatic Spirituality? In: The Spirit and Spirituality : Essays in Honour of Russell P. Spittler. London: T&T Clark, 2004, S. 150 – 163. 69 Alexander, Kimberly E.: Pentecostal Healing: Models in Theology and Practice. Blandford Forum: Deo Publishing, 2006. 70 Eine eingehende Behandlung der Frage nach der Theodizee scheint von pfingstlicher Seite noch nicht vorgelegt worden zu sein, vereinzelt finden sich aber Hinweise in Yongs ausführliche Untersuchung zum Verhältnis von Pfingstbewegung und Menschen mit körperlichen oder

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

36

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

deutung des Heils hat Yong in seinem Dogmatik-Entwurf vorgelegt, in dem er Heil als Transformation zu Christus und als Transformation der Schöpfung durch den dreieinigen Gott versteht.71 Im Zusammenhang mit dieser mehrdimensionalen und ganzheitlichen Soteriologie findet auch die Frage nach dem sogenannten Prosperitäts- bzw. Wohlstandsevangelium ihren Ort im pfingstlich-theologischen Fachdiskurs. Trotz deutlicher Kritik an gewissen Auffassungen und Praktiken dieser Strömung bzw. deren theologischen Grundannahmen,72 findet innerhalb der pfingstlichen Theologie der Versuch statt, sie im Kontext der sozialen Realität der post-kolonialen Länder differenziert zu betrachten und dies als Anlass für eine systematisch-theologisch reflektierte Annäherung an die Themen Ökonomie und globale Wirtschaftspolitik zu nehmen.73 Die in diesem Sammelband zu Pneumatologie und Soteriologie aufgenommenen Aufsätze beschäftigen sich sowohl mit den fundamentaltheologischen Überlegungen zum Geist als auch mit deren Implikationen für die Heilslehre und Gottes Gegenwart in der Welt. Studebakers Entwurf unter dem Titel Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie74 bietet zum einen eine

71

72

73 74

mentalen Beeinträchtigungen, insbes. im Zusammenhang mit einer Auferstehungstheologie s. Yong, Amos: Disability and the Love of Wisdom: De-Forming, Re-Forming, and Per-Forming Philosophy of Religion. In: Ars disputandi 9 (2009). Eine Fundamentalkritik an Yongs Ansatz findet sich bei Mullins, R. T.: Some Difficulties for Amos Yong’s Disability Theology of the Resurrection. In: Ars disputandi 11 (2011), die entsprechende Replik auf diese Anfragen hat Yong nachgeliefert in Yong, Amos: Disability Theology of the Resurrection: Persisting Questions and Additional Considerations – a Response to Ryan Mullins. In: Ars disputandi 12 (2012). Vgl. auch Yong, Amos: Theology and Down Syndrome: Reimagining Disability in Late Modernity. Waco, TX: Baylor University Press, 2007; Yong, Amos: Many Tongues, Many Senses: Pentecost, the Body Politic, and the Redemption of Dis/Ability. In: Pneuma 31, Nr. 2 (2009), S. 167 – 188; Yong, Amos: Disability and the Gifts of the Spirit: Pentecost and the Renewal of the Church. In: Journal of Pentecostal Theology 19, Nr. 1 (2010), S. 76 – 93; Yong, Amos: The Bible, Disability, and the Church: A New Vision of the People of God. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2011 und Rouse, Christopher D.: Scripture and the Disabled: Redeeming Mephibosheth’s Identity. In: Journal of Pentecostal Theology 17 (2008), S. 183 – 199. Das pfingstliche Motto „ich bin errettet/erlöst worden, ich bin errettet/erlöst, ich werde errettet/ erlöst sein“ deutet für Yong auf den prozessualen Charakter des Heils hin, der sich in einer zunehmenden Gleichgestaltung mit Christus zeigt, die sämtliche Dimensionen menschlicher Existenz umfasst und somit Dichotomien zwischen Seele/Leib; Cognitio/Emotio; materialer/ geistiger Theologie, usw. sprengt, s. Yong, Amos: The Spirit Poured Out on All Flesh: Pentecostalism and the Possibility of Global Theology. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2005. Etwa Cross, Terry L.: The Divine-Human Encounter Towards a Pentecostal Theology of Experience. In: Pneuma 31, Nr. 1 (2009), S. 3 – 34, hier S. 19 f. und die wiederholt geäußerte Kritik am pfingstlichen Triumphalismus, z. B. Anderson, Allan H.: A Global Pentecostal Theology? Amos Yong’s “The Spirit Poured Out on All Flesh”. In: Journal of Pentecostal Theology 16, Nr. 1 (2007), S. 97 – 102; Maltese: Geisterfahrer, S. 206 – 212. Zum Überblick s. Yong, Amos; Attanasi, Katy (Hg.): Pentecostalism and Prosperity : The SocioEconomics of the Global Charismatic Movement. 1st ed Aufl. New York: Palgrave Macmillan, 2012 (Christianities of the World). Studebaker, Steven M.: Pentecostal Soteriology and Pneumatology. In: Journal of Pentecostal Theology 11, Nr. 2 (2003), S. 248 – 270.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

37

dogmengeschichtliche Analyse pfingstlicher Rechtfertigungslehre im weiteren Kontext der Gnadenlehre, der Heiligungslehre und des ordo salutis, wobei er die von der protestantischen Scholastik geerbten Paradigmen aufdeckt, die sich durch die gesamte klassische pfingsttheologische Soteriologie ziehen. Zum anderen formuliert er in Anlehnung an Macchia eine programmatische Lehre der „Rechtfertigung als Erlösung“, die sämtliche forensische Engführungen überwindet. Erst ein pneumatologisches Verständnis des Erlösungshandelns Gottes könne die Rolle des Geistes im objektiven und subjektiven Heilsgeschehen angemessen darstellen und ermögliche so eine wirklich pfingstliche Soteriologie, die im Gegensatz zu anderen protestantischen Entwürfen den Geist nicht dem Sohn subordiniert.75 Der Studebaker zur Seite gestellte Aufsatz des methodistischen Charismatikers Lyle Dabney, mit dem Titel Die Natur des Geistes: Schöpfung als Vorahnung Gottes76, steht exemplarisch für pfingsttheologische Entwürfe, die ausgehend von der aktiven Rolle des Geistes als Lebensspender einen universalen Heilsbegriff entwickeln.77 Folglich setzt Dabney mit dem priesterschriftlichen Schöpfungsbericht ein, der mit dem Heiligen Geist beginnt, und entfaltet daraus einen Entwurf von Schöpfung als Vorahnung Gottes, dessen heilbringende Absichten und Bestimmungen es zu verstehen gelte, um zu einer neuen Wertschätzung der Potenzialität zu gelangen, die eine Theologie der Hoffnung78 möglich macht. Das Verhältnis zwischen Gott und Welt braucht somit nicht mehr in den dichotomen Begriffen von Immanenz und 75 Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis gelangte auch Kärkkäinen, allerdings auf einem anderen Weg. Einige wichtige Impulse der neueren finnischen Lutherforschung aufnehmend unternahm Kärkkäinen eine erneute Betrachtung der lutherischen Rechtfertigungslehre und setzte diese mit der Theosis-Lehre der orthodoxen Ostkirche ins Verhältnis, s. K•rkk•inen, Veli-Matti: One with God: Salvation as Deification and Justification. Collegeville, MN: Liturgical Press, 2004. Die in der Ostkirche zentrale Rolle des Geistes ermöglichte es, auf diesem dezidiert ökumenischen Weg eine pneumatologische Soteriologie zu skizzieren, die er allerdings nicht weiter ausformuliert hat. Den Theosisbegriff verwendet auch Terry Cross in der fundamentaltheologischen Grundlegung seiner Ekklesiologie, wenn er von der Geisterfahrung spricht, die eine unmittelbare Erfahrung des dreieinigen Gottes bedeutet und somit notwendigerweise und quasi von selbst zu einer Transformation der Gläubigen und deren Gemeinschaft führt, die diesem relationalen Gott immer ähnlicher wird. Damit erhält die vom Geist her gedachte Soteriologie eine ekklesiologische Dimension und lässt die pfingstliche Heilslehre mit dem gesamten dritten Glaubensartikel interagieren, s. Cross, Terry L.: The Church: A People of God Presence and Power, Lee University im Erscheinen. 76 Dabney, D. Lyle: The Nature of the Spirit: Creation as a Premonition of God. In: Welker, Michael (Hg.): The Work of the Spirit: Pneumatology and Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2006, S. 71 – 86. 77 Pfingsttheologen haben hierbei sehr stark den Tübinger Systematiker und Befreiungstheologen Jürgen Moltmann rezipiert (die Theologen Dabney und Volf haben direkt bei Moltmann promoviert) und wurden insbes. von dessen Pneumatologie beeinflusst: Moltmann, Jürgen: Der Geist des Lebens: Eine ganzheitliche Pneumatologie. München: Chr. Kaiser, 1991. 78 Vgl. Moltmann, Jürgen: Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie. München: Chr. Kaiser, 1966 (Beitra¨ ge zur evangelischen Theologie 38).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

38

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

Transzendenz gefasst zu werden, sondern kann pneumatologisch in einer differenzierten Synthese konzeptualisiert werden. Daraus gewinnt Dabney auch eine erkenntnistheoretische Schlussfolgerung, die in einer Abkehr von einem starren Subjekt-Objekt-Denken und der Hinwendung zu einer Art „Transjektivität“ besteht, welche der Geist darstellt. Für die Ontologie bedeutet dies eine Abwendung von der aristotelischen Privilegierung der Faktizität, hin zu einer neuen Aufwertung der Potentialität, bei der der Geist als Möglichkeit genauso über der gefallenen Welt schwebt, wie er über dem primordialen Tohuwabohu schwebte, und somit für die seufzende und klagende Welt (Röm 8,23) die Hoffnung und Möglichkeit der eschatologischen Erlösung darstellt. Die gefallene Schöpfung braucht daher nicht als definitives Scheitern verstanden zu werden, sondern ist als Vorahnung Gottes hineingenommen in seine heilvollen schöpferischen Absichten.79

Geisterfahrung und Glossolalie Ein kursorischer Überblick über sämtliche pfingsttheologische Publikationen zeigt, dass beinahe jede Abhandlung an irgendeiner Stelle die pfingstliche Erfahrung des Geistes als Ausgangspunkt ihrer Reflexion nimmt, die oftmals auch sehr eng mit Begriffen einer oralen und narrativen Theologie in Verbindung steht.80 Eine explizite Reflexion des Erfahrungsbegriffs als solchem findet allerdings in den wenigsten Fällen statt. Terry Cross hat eine theologia experimentalis als spezifisch pfingstliche Methode der systematischen Theologie postuliert.81 Aus seiner Sicht besteht das Proprium der Pfingstbewegung in der Überzeugung, die unmittelbare Gegenwart Gottes im eigenen Leben erfahren zu haben. Diesen Anspruch gelte es theologisch zu reflektieren und zu operationalisieren. Wie bereits angedeutet ist der Geist Cross zufolge die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass das Endliche (Mensch) das Unendliche 79 Das Anliegen einer pneumatologischen Schöpfungstheologie wurde auch von Amos Yong aufgenommen. Dieser beschäftigt sich insbesondere mit der Rolle des Geistes in der creatio continua, die das Angesicht der Erde fortwährend erneuert. Damit versucht Yong die Soteriologie auch auf eine kosmologische Ebene zu heben, die überdies auch ökologische Theologie einschließt, s. Yong, Amos (Hg.): The Spirit Renews the Face of the Earth: Pentecostal Forays in Science and Theology of Creation. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2009. Zugleich sieht er darin ein großes Potential für den Dialog mit den Naturwissenschaften, dessen wissenschaftstheoretische Voraussetzungen ein mit James Smith herausgegebener Sammelband dokumentiert, s. Smith, James K. A.; Yong, Amos (Hg.): Science and the Spirit a Pentecostal Engagement with the Sciences. Bloomington, IN: Indiana University Press, 2010. Wenn der Geist als schöpferischer Geist die gesamte Schöpfung erhält und belebt – so die These des Sammelbandes – dann ist er auch die Kraft, die hinter den Naturgesetzen steht und als solcher aufgespürt werden kann. 80 Vgl. den Exkurs dazu in Maltese: Geisterfahrer, S. 64 – 67. 81 Cross: Can There Be; Rich Feast; Are Pentecostals Evangelicals.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

39

(Gott) unmittelbar erfahren kann. Dies sei allerdings ein unverfügbarer Akt des souveränen Gottes, von dem aus die Geisterfahrung zu denken ist und zu dem diese hinführt. Unmittelbare Erfahrung des dreieinigen Gottes impliziert jedoch eine Teilhabe am Wesen Gottes, weshalb Geisterfahrung dann aber auch notwendigerweise einen ganzheitlichen und transformativen Charakter besitzt – so die Denkfigur, von der aus eine pfingstliche Theologie sämtliche Loci systematischer Theologie neu beleuchten soll. Amos Yong hingegen behandelt den Erfahrungsbegriff im Rahmen seines Entwurfs einer pneumatologischen und trialektischen Hermeneutik, in der Erfahrung synonym für jedes Erschließungsgeschehen steht, das grundsätzlich vom Geist gewirkt ist (der allerdings auf unterschiedlich intensiver Weise gegenwärtig ist) und daher stets den Charakter einer Begegnung mit Gott als der alles bestimmenden Wirklichkeit hat.82 Von einer ritualtheoretischen Perspektive nähert sich Daniel Albrecht der im Gottesdienst stattfindenden Geisterfahrung an und weist ebenfalls auf ihren konkreten transformativen Charakter hin.83 Steven Studebaker definiert christliche Erfahrung als besondere Aneignung von kirchlichen Praktiken durch spezifische Individuen, wobei kirchliche Praktiken außerhalb der individuellen Gläubigen und ihrer Gemeinschaften gar nicht existieren können, und nimmt diese als Ausgangspunkt für seine Untersuchung biblischer und systematisch-theologischer Texte um seine pfingstliche Trinitätslehre zu formulieren.84 Eine Untersuchung des Erfahrungsbegriffs, wie er in den systematischen Theologien pfingstlicher Denker operationalisiert wird, hat kürzlich Peter Neumann vorgelegt.85 Seine Arbeit vergleicht die Erfahrungsverständnisse von Frank Macchia, Simon Chan und Amos Yong, arbeitet deren jeweilige ökumenische Kontextualität innerhalb ihrer systematischen Theologien heraus und gelangt zur Auffassung, dass ein reifes Erfahrungskonzept die Mittelbarkeit der Erfahrung hervorheben müsse. Die nach den (impliziten) Erkenntnistheorien fragende Arbeit von Giovanni Maltese, die paradigmatisch Cross’ und Yongs Erfahrungskonzepte untersucht, deckt allerdings auch bei Erfahrungsbegriffstypen, die Neumann als reifer bezeichnen würde, einen latenten Triumphalismus auf, der in den jeweiligen philosophischen Denkfiguren angelegt ist.86 Der locus classicus der Geisterfahrung im pfingstlich-theologischen Diskurs ist die Frage nach der Geisttaufe. Die Beziehung zwischen Geisttaufe und

82 Yong: Spirit-Word-Community. 83 Albrecht, Daniel E.: Rites in the Spirit: A Ritual Approach to Pentecostal/Charismatic Spirituality. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series). 84 Studebaker: From Pentecost. 85 Neumann: Pentecostal Experience. 86 Maltese: Geisterfahrer.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

40

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

Zungenrede stellt hierbei die „enigmatischste und kontroverseste“87 Debatte der pfingstlichen Theologie dar. Für die klassische pfingstliche Position bezeichnet Geisttaufe die auf die Bekehrung folgende Bevollmächtigung zum missionarischen Dienst, mit der die Verleihung der unterschiedlichen Charismen des Geistes einhergeht.88 Die Glossolalie wird hierbei als exklusiver physischer Anfangserweis der Geisttaufe aufgefasst – sprich als sichtbares physisches Zeichen, das den Empfang der Geisttaufe als getrenntes Moment markiert und im Sinne einer conditio sine qua non authentifiziert. Dem stehen Theologen gegenüber, die die Geisttaufe näher an die Soteriologie rücken (siehe Pneumatologie und Soteriologie) und die Glossolalie als ein Zeichen unter vielen anderen – etwa prophetische Rede, überströmende Liebe – betrachten (siehe dazu auch Hermeneutik und Exegese). Eine sehr frühe Bibliographie zum Thema Glossolalie, die sämtliche pfingstliche Publikationen zum Anfangserweis auflistet, hatte bereits 1970 Ira Martin zusammengestellt.89 Einen besonders oft zitierten Überblick, der historische, exegetische und systematisch-theologische Beiträge einschließt, bot Gary McGee in seinem Aufsatzband von 1991.90 Erneut wurde die Frage nach dem Anfangserweis in zwei Themenheften des Asian Journal of Pentecostal Studies (1/2, 1998 und 2/2, 1999) diskutiert, wobei die jeweiligen Vertreter der unterschiedlichen Auffassungen direkt miteinander ins Gespräch traten und ihre Positionen dadurch genauer qualifizieren konnten. Neben der oben erwähnten exegetischen Auseinandersetzung gab es in der Debatte auch Versuche, die pfingstliche Zentralität der Glossolalie systematisch-theologisch zu begründen und fruchtbar zu machen. Simon Chan sah das Potential der Lehre vom Anfangserweis und der zeitlichen Nachfolge darin, die Unterscheidung zwischen initialer Bekehrung und fortwährendem Wachstum in die Intimität mit Gott aufrechterhalten zu können. Es käme darauf an, die logische Beziehung zwischen Zungenrede und Geisttaufe jenseits jeglicher Schematisierungen zu bestimmen um somit ein differenziertes Verständnis von Konversion und pfingstlicher Spiritualität zu entwickeln. Ein gänzliches Abrücken von der Lehre des Anfangserweises, führe hingegen dazu, wichtige pneumatologische Dimensionen des christlichen Lebens nicht mehr präzise genug in den Blick nehmen zu können. Dies würde faktisch die 87 Macchia, Frank D.: Tongues as a Sign: Towards a Sacramental Understanding of Pentecostal Experience. In: Pneuma 15, Nr. 1 (1993), S. 61 – 76, hier S. 64. 88 Für Exegeten, die diese Position vertreten, s. o. Hermeneutik und Exegese. Systematisch-theologisch argumentieren für die Zungenrede als Anfangserweis der Geisttaufe v. a. Pearlman: Knowing; Menzies/Horton: Bible Doctrines; Horton: Systematic Theology ; Tugwell, Simon: Did You Receive the Spirit? New York: Paulist Press, 1972; Hunter : Spirit-Baptism; Palma: The Holy Spirit. 89 Martin, Ira J.: Glossolalia, the Gift of Tongues: A Bibliography. Cleveland, TN: Pathway Press, 1970. 90 McGee, Gary B.: Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

41

Rückkehr zu einem evangelikalen Bekehrungsverständnis bedeuten, in dem der tiefgreifenden Dynamik des Geistes in der Persönlichkeit der Gläubigen eine deutlich untergeordnete Rolle eingeräumt werde.91 Einen weiteren Syntheseversuch stellte Macchias sakramentales Verständnis der Glossolalie dar, das auf der Grundlage des Begriffs vom Anfangserweis operiert, diesen jedoch grundlegend verändert. In einem ebenso herausfordernden wie viel beachteten Aufsatz mit dem Titel Zungen als Zeichen: Wege zu einem sakramentalen Verständnis pfingstlicher Erfahrung,92 der auch in diesem Band aufgenommen wurde, räumte Macchia ein, dass die Zungenrede in der Apostelgeschichte auf besondere Weise hervortritt, er wehrte sich jedoch dagegen, daraus ein normatives Muster für den Geistempfang abzuleiten. Im Rückgriff auf Karl Rahner und Paul Tillich hob er stattdessen den Zeichencharakter des Anfangserweises und der Zungenrede überhaupt hervor, und entwickelte aus der Glossolalie eine pfingstliche Theologie des sakramentalen Zeichens.93 Die Zungenrede offenbare des Menschen Begrenztheit in einer gefallenen Welt sowie die gnädige jedoch immer nur als Vorletztlichkeit erfahrbare Gegenwart Gottes im Heiligen Geist, die gemeinschaftlich, körperlich und materialiter spürbar ist. Über diese Art von Ansätzen hinaus ist in der systematischen Theologie die Lehre vom Anfangserweis nahezu aufgegeben worden und Zungen werden eher als Metapher für eine Verständigung über sämtliche (disziplinäre, Gender-, ethnische, religiöse) Grenzen verstanden, wie dies bei am deutlichsten Yong zu Tage tritt.94 Daneben gibt es Publikationen, die sich mit linguistischen, kulturwissenschaftlichen und verhaltenswissenschaftlichen Untersuchungen auseinandersetzen und auf welche die praktische Theologie und die interdisziplinäre Theologie zurückgreifen.95 Ein wichtiger Vertreter für die Rezeption dieser 91 Chan, Simon: Evidential Glossolalia and the Doctrine of Subsequence. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 2 (1999), S. 195 – 211; Chan, Simon: A Response to Max Turner. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 2, Nr. 2 (1999), S. 279 – 281. 92 Macchia: Tongues as a Sign. 93 Macchia, Frank D.: Sighs too Deep for Words: Towards a Theology of Glossolalia. In: Journal of Pentecostal Theology 1 (1992), S. 47 – 73; Macchia: Tongues as a Sign. Macchias Lesart von Rahner und Tillich ist stellenweise diskutabel und mag eklektizistisch wirken. Dies dürfte jedoch vor allem der programmatischen Natur des Artikels geschuldet sein, die ihrerseits das Innovationspotential pfingstlicher Theologien deutlicher hervortreten lässt. 94 Yong: Spirit Poured Out. 95 Frühere Versuche, sich der Zungenrede unter einer im weitesten Sinne kulturwissenschaftlichen Perspektive zu nähern, befassten sich mit dem Einwand, Glossolalie sei reiner Emotionalismus oder gar Hysterie, ebenso wie mit der Frage nach der Xenolalie. Einen sehr frühen Versuch stellt Morton Kelseys Monographie dar, der sich 1964 mit dem Vorwurf, Glossolalie sei reiner Emotionalismus, auseinandersetzte und versuchte, das Phänomen aus philosophischer (Platon), psychoanalytischer (Freud, Jung) und medizinischer Perspektive zu erörtern, s. Kelsey, Morton T.: Tongue Speaking: An Experiment in Spiritual Experience. New York: Doubleday, 1964. Diese streckenweise populärwissenschaftliche Züge aufweisende Untersuchung, wurde für die pfingstliche Debatte insofern wichtig, als Kelsey in gewisser Hinsicht eine Apologie der Zungenrede bot, die sich explizit mit den polemischen Begriffen wie Schizophrenie und Hy-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

42

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

Arbeiten in der praktischen Theologie ist Mark Cartledge, der Sozialwissenschaft und Theologie mit dem Ziel kombiniert, die Natur und Funktion der zeitgenössischen Glossolalie zu untersuchen.96 Sein empirisch-theologischer Ansatz ist stark an Johannes van der Ven angelehnt und greift sowohl auf quantitative, als auch qualitative Methoden zurück, die allerdings im historischen und biblisch-theologischen Kontext der von ihm untersuchten Church of England eingebettet sind. Auf kritische Weise und im Rückgriff auf einen Symbolbegriff arbeitet er das konstruktive Potential der Glossolalie heraus und schließt mit einem Ausblick für zukünftige empirisch-theologische Forschung in diesem Bereich. Einen früheren und anspruchsvollen Versuch, die Geisterfahrung der Zungenrede über einen komplexen Symbolbegriff für die praktische Theologie fruchtbar zu machen, stellt ein Artikel von Amos Yong dar,97 der mit seinem Symbol- und Zeichenbegriff Frank Macchia zu einer Replik veranlasste98 und in einem Rejoinder von Yong zusätzliche Differenzierung erfuhr.99 Obwohl sich Yong als systematischer Theologe hauptsächlich mit dem Wahrheitsbegriff auseinandersetzt, besteht das Ziel des Beitrags darin, eine Heuristik für Reifekriterien und Entwicklungsstadien von Glossolalisten zu bieten. Prägend für neuere systematisch-theologische Arbeiten ist ein von Cartledge herausgegebener Sammelband, der psychologische, soziologische, sprachwissenschaftliche und theologische Beiträge zur Glossolalie umfasst.100

96 97 98 99 100

sterie auseinandersetzte. Verhaltenswissenschaftliche bzw. ethnologische Studien im engeren Sinne, auf die in der theologischen Diskussion Bezug genommen wird, folgten dann Ende der 1960er und ab den 1970er Jahren, vgl. Pattison, E. Mansell: Behavioral Science Research on the Nature of Glossolalia. In: Journal of the American Scientific Affiliation 20 (1968), S. 73 – 86; Malony, H. Newton; Lovekin, A. Adams: Glossolalia: Behavioral Science Perspectives on Speaking in Tongues. New York: Oxford University Press, 1985; Goodman, Felicitas D.: Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia. Chicago, IL: University of Chicago Press, 1972. Besonders erwähnenswert ist die Arbeit des Soziolinguisten William Samarin, auf die in der einschlägigen Literatur immer wieder Bezug genommen wird. Samarin untersuchte darin das Postulat der Xenolalie und kam zum Schluss, dass keiner der von ihm untersuchten Fälle eine bekannte menschliche Sprache betraf, sondern nur glossolalische Äußerungen waren, in denen er jedoch eine höhere Offenheit bzw. Sensibilität für „Transnatürliches“ erblickte und ihnen somit einen sakramentalen Charakter zuschrieb, s. Samarin, William J.: Tongues of Men and Angels: The Religious Language of Pentecostalism. New York: Macmillan, 1972. Cartledge, Mark J.: Charismatic Glossolalia: An Empirical-Theological Study. Aldershot: Ashgate, 2002 Yong, Amos: “Tongues of Fire” in the Pentecostal Imagination: The Truth of Glossolalia in Light of R C Neville’s Theory of Religious Symbolism. In: Journal of Pentecostal Theology Nr. 12 (1998), S. 39 – 65. Macchia, Frank D.: Discerning the Truth of Tongues Speech: A Response to Amos Yong. In: Journal of Pentecostal Theology Nr. 12 (1998), S. 67 – 71. Yong, Amos: The Truth of Tongues Speech: A Rejoinder to Frank Macchia. In: Journal of Pentecostal Theology 13, Nr. 2 (1998), S. 107 – 115. Cartledge, Mark J.: Speaking in Tongues: Multi-Disciplinary Perspectives. Bletchley : Paternoster Press, 2006.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

43

Als paradigmatisch für das interdisziplinäre Gespräch über Glossolalie in diesem Band, aber auch für die kreative Konzeptualisierung der Zungenrede innerhalb einer langjährigen gesellschaftskritischen Tradition, kann der ebenfalls hier aufgenommene Artikel Zungen als „Widerstandsdiskurs“: Eine philosophische Perspektive101 gelten, der von dem theologischen Philosophen James K. A. Smith stammt. Seine in der Aufsatzüberschrift artikulierte These begründet Smith, indem er vorführt, wie sich Glossolalie erstens sprachphilosophischen Kategorien entzieht und zweitens kulturellen (sowie politischen) Konventionen widersetzt. Dazu zieht Smith die Phänomenologie Husserls, die Hermeneutik Heideggers und Gadamers, sowie die sprechakttheoretischen Überlegungen von Austin und Searle heran. Die politischen Implikationen der Zungenrede leitet er aus der politischen Philosophie ab, zunächst in Anlehnung an die kritische Theorie von Herbert Marcuse und dann an die politische Theorie Antonio Negris und Michael Hardts, um zu zeigen, wie Glossolalie im Sinne einer Sprache des urbanen Proletariats als „Widerstandsdiskurs“ betrachtet werden kann.

Ethik und soziale Gerechtigkeit Pfingstliche Theologen diskutieren eine große Bandbreite ethischer Themen,102 doch eine fundamentaltheologische Diskussion der Ethik aus pfingstlicher Perspektive ist bislang allenfalls in Ansätzen erkennbar. In historischen Werken wird in dieser Frage insbesondere auf das Erbe der Pfingstbewegung in der Heiligungsbewegung verwiesen, deren weltverneinende, eschatologische und individualistische Theologie als Grundlage für die radikale, aktivistische und dennoch apolitische Ethik der ersten Pfingstler gesehen wird, welche die Politik und die etablierten Kirchen als gleichermaßen korrupt empfand.103 Dabei dient der Ver101 Smith, James K. A.: Tongues as ‘Resistance Discourse’: A Philosophical Perspective. In: Cartledge, Mark J. (Hg.): Speaking in Tongues: Multi-Disciplinary Perspectives. Bletchley : Paternoster Press, 2006 (Studies in Pentecostal and Charismatic Issues), S. 81 – 110. 102 Einen ersten Überblick über die ethischen Debatten in der Pfingstbewegung bieten Sammelbände, die entweder in nordamerikanischer Perspektive ediert sind, s. Palmer, Michael D.; Horton, Stanley M. (Hg.): Elements of a Christian Worldview. Springfield, MO: Logion Press, 1998; Wilkinson, Michael; Studebaker, Steven M. (Hg.): A Liberating Spirit: Pentecostals and Social Action in North America. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010 (Pentecostals, Peacemaking, and Social Justice Series 2); oder in globaler Perspektive, s. Anderson, Allan H.; Hollenweger, Walter J. (Hg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999; K•rkk•inen, Veli-Matti (Hg.): The Spirit in the World: Emerging Pentecostal Theologies in Global Contexts. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2009. Vgl. auch das Themenheft der Zeitschrift Pneuma (9/1, 1987). 103 Anderson, Robert M.: Vision of the Disinherited: The Making of American Pentecostalism. Oxford: Oxford University Press, 1979; Robeck, Cecil M. Jr.: Pentecostalism and Social Ethics. In: Pneuma 9, Nr. 2 (1987), S. 103 – 107; Kenyon, Howard N.: An Analysis of Ethical Issues in the History of the Assemblies of God. Waco, TX, Baylor University, PhD Dissertation, 1988;

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

44

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

weis auf die Heiligungsbewegung in verfallsgeschichtlichen historischen Konzeptionen bisweilen auch der Kritik an bestimmten Flügeln der gegenwärtigen Pfingstbewegung und ihrer Allianz mit dem status quo der weißen amerikanischen Mittelschicht oder mit konservativen ordnungspolitischen Positionen. Im Gegensatz zu dieser historischen Debatte sind aber die ethischen und insbesondere die sozialethischen Implikationen der Heiligung in systematisch-theologischer Hinsicht kaum ausgearbeitet. Die spezifisch pfingstlich-theologisch argumentierenden Dogmatiken diskutieren Heiligung vor allem im Hinblick auf Soteriologie bzw. dem ordo salutis, und wenn ethische Dimensionen der Heiligung in den Blick genommen werden, handelt es sich eher um Fragen persönlicher Ethik.104 Eine systematische Entwicklung pfingstlicher Ethik wurde in der Vergangenheit dagegen eher von der Geisterfahrung her versucht. Bereits 1976 argumentierte der charismatische Theologe Larry Christenson für eine aus der charismatischen Erfahrung des Heiligen Geistes hervorgehende Ethik, die vor allem von einer durch den Geist begründeten Gemeinschaft getragen sei.105 Ausgehend von der lateinamerikanischen Pfingstbewegung sah Douglas Petersen in der Geisttaufe eine Bevollmächtigung, die sich auch auf ethische Fragen auswirken sollte, und entwarf so „Prolegomena“ einer pfingstlichen Ethik.106 In den letzten Jahren diskutierte der einflussreiche pfingstliche Systematiker Amos Yong ethische Fragen in mehreren seiner Publikationen, etwa Wacker, Grant: Heaven Below: Early Pentecostals and American Culture. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2001. Daneben hat Frank Macchia in seiner Dissertation über die Blumhardts auch die ethischen Einflüsse der Heilungsbewegung auf die Pfingstbewegung herausgestellt, s. Macchia: Spirituality and Social Liberation. 104 Vgl. v. a. Duffield, Guy P.; Van Cleave, Nathaniel M.: Foundations of Pentecostal Theology. Los Angeles: Life Bible College, 1983; Williams: Renewal Theology ; Arrington: Christian Doctrine, Bd. 1 – 3; Horton: Systematic Theology ; Higgins/Dusing/Tallman: An Introduction to Theology. 105 Christenson, Larry : Social Action, Jesus Style. 2. Aufl. Minneapolis, MN: Bethany Fellowship, 1976 (Dimension Books). 106 Petersen, Douglas: Not by Might, nor by Power : A Pentecostal Theology of Social Concern in Latin America. Oxford: Regnum Books, 1996. Vgl. auch die ethischen Entwürfe des lateinamerikanischen Pfingsttheologen Eldin VillafaÇe, die sich aus seiner Erfahrung der Gettoisierung und seiner Arbeit mit hispano-amerikanischen Pfingstlern speisen; The Liberating Spirit: Toward an Hispanic American Pentecostal Social Ethic. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1993; Seek the Peace of the City : Reflections on Urban Ministry. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1995. In analoger Weise haben einige Theologen noch expliziter als VillafaÇe den Brückenschlag zur Befreiungstheologie gesucht, s. v. a. Solivan, Samuel: The Spirit, Pathos and Liberation: Toward an Hispanic Pentecostal Theology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1998; Beckford, Robert: Dread and Pentecostal: A Political Theology for the Black Church in Britain. London: SPCK, 2000; Johns, Cheryl Bridges: Pentecostal Formation: A Pedagogy Among the Oppressed. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 2); vgl. auch Bergunder, Michael (Hg.): Pfingstbewegung und Basisgemeinden in Lateinamerika: Die Rezeption befreiungstheologischer Konzepte durch die pfingstliche Theologie. Hamburg: Evangelisches Missionswerk in Deutschland, 2000 (Weltmission heute 39).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

45

hinsichtlich der Politik, der Ökologie, der interkulturellen und interreligiösen Toleranz sowie des Umgangs mit Behinderungen.107 Sein Interesse liegt hierbei klar erkennbar auf der Diskussion der philosophischen und pneumatologischen Grundfragen zu diesen Themen, jedoch weniger auf der Ausarbeitung konkreter ethischer Entwürfe. Dagegen hat der Redeemed Christian Church of God Theologe Nimi Wariboko, eine ethische Methodologie vorgelegt, die zugleich als eine poststrukturalistische politische Theologie gelesen werden kann. Im Gespräch mit Hannah Arendt, Giorgio Agamben und Jean-Luc Nancy kontrastiert er die pfingstliche Betonung des Neuanfangs mit starren Sinnfixierungen und plädiert für eine pfingstliche Ethikmethode, die sich als radikale Kulturkritik versteht, die jedoch als ständige Verschiebung (Spiel) konzeptualisiert wird, weshalb es darauf ankomme, stets neue Zungen zu lernen, um den dynamischen Charakter der ersten Generation beizubehalten.108 Kürzlich hat auch Daniel Castelo einen grundlegenden ethischen Entwurf vorgelegt, der eine pfingstliche Moraltheologie am Bild der an der epikletischen Gemeinschaft entwirft, die auf Gottes Handeln in der Welt wartet und zugleich ihr eigenes Handeln darauf ausrichtet.109 Abgesehen von diesen neueren Arbeiten, hat sich vor allem Murray Dempster systematisch und kontinuierlich mit den Grundlagen pfingstlicher Ethik befasst, insbesondere ausgehend von der pfingstlichen Glossolalie und Eschatologie.110 In seiner in diesem Sammelband aufgenommenen fundamentalethischen Erörterung mit dem Titel Die Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik: Sondierungen zur moralischen Bedeutung der 107 Yong, Amos: Discerning the Spirit(s): A Pentecostal-Charismatic Contribution to Christian Theology of Religions. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000; Spirit Poured Out; Theology and Down Syndrome; Hospitality and the Other: Pentecost, Christian Practices, and the Neighbor. Maryknoll, NY: Orbis Books, 2008 (Faith Meets Faith Series); In the Days of Caesar : Pentecostalism and Political Theology. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2010. 108 Wariboko, Nimi: The Pentecostal Principle: Ethical Methodology in New Spirit. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2012 (Pentecostal Manifestos). 109 Castelo, Daniel: Revisioning Pentecostal Ethics: The Epicletic Community. Cleveland, TN: CPT Press, 2012. 110 S. v. a. Dempster, Murray W.: Soundings in the Moral Significance of Glossolalia. Vortrag: 13th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Pastoral Problems in the PentecostalCharismatic Movement, Cleveland, TN, 4. November 1983, S. 1 – 48; The Church’s Moral Witness: A Study of Glossolalia in Luke’s Theology of Acts. In: Paraclete 23, Nr. 1 (1989), S. 1 – 7; Reassessing the Moral Rhetoric of Early American Pentecostal Pacifism. In: Crux 26, Nr. 1 (1990), S. 23– 36; Evangelism, Social Concern, and the Kingdom of God. In: Ders.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): Called and Empowered. Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson, 1991, S. 22 – 43; Christian Social Concern in Pentecostal Perspective: Reformulating Pentecostal Eschatology. In: Journal of Pentecostal Theology 2 (1993), S. 51– 64; Pentecostal Social Concern and the Biblical Mandate of Social Justice. In: Pneuma 9, Nr. 2 (1997), S. 129 – 153; Social Concern in the Context of Jesus’ Kingdom, Mission and Ministry. In: Transformation. An International Dialogue on Mission and Ethics 16, Nr. 2 (1999), S. 43– 53; The Structure of a Christian Ethic Informed by Pentecostal Experience: Soundings in the Moral Significance of Glossolalia. In: Ma, Wonsuk (Hg.): Spirit and Spirituality. Essays in Honour of Russell P. Spittler. London: T&T Clark, 2004, S. 108 – 140.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

46

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

Glossolalie111 analysiert Dempster die metaethischen, normativen und sittlichen Implikationen der Zungenrede, wobei es ihm nicht darum geht, eine von einer allgemeinen christlichen Ethik unterschiedene pfingstliche Ethik zu entwickeln, sondern vielmehr darum, welche spezifischen Beiträge zur ethischen Diskussion die pfingstliche Erfahrung der Gottesbegegnung in der Glossolalie leisten kann – verstanden als Ausdruck der schöpferischen Kraft Gottes, die eine aktive Teilhabe an seinem befreienden und regenerativen Handeln in besonderer Weise ermöglicht und ermutigt. Wie in der fundamentalethischen Debatte lässt sich die relativ starke Präsenz historischer Argumentationsgänge auch bei drei ethischen Einzelthemen beobachten, die für die Pfingstbewegung zentral sind: Rassenversöhnung, Geschlechtergerechtigkeit und Friedensethik. Auch hier dienen die ethischen Impulse der frühen Pfingstbewegung als primäre Referenz, und eine systematische Erörterung folgt in unterschiedlich stark ausgeprägter Weise. Die Azusa-Street-Erweckung, die wie bereits erwähnt von weiten Teilen der Pfingstbewegung als historischer Ursprung verstanden wird, ist insbesondere für die Frage der Rassenversöhnung zentral, denn hier feierten zirka fünfzig Jahre vor der Bürgerrechtsbewegung im segregierten Los Angeles Schwarze und Weiße gemeinsam ihren Gottesdienst, wurden gemeinsam im selben Taufwasser getauft und beteten unter Handauflegung füreinander – wie der erste Chronist der Azusa-Street-Erweckung notierte: “The ‘color line’ was washed away in the blood.”112 Innerhalb weniger Jahre war dieses Merkmal der frühen Pfingstbewegung jedoch verloren gegangen und die Kirchen der Pfingstbewegung hatten sich in vorwiegend weiße bzw. schwarze Denominationen aufgespalten. Entsprechend spielt die Frage des Rassismus eine bedeutende Rolle in den geschichtlichen Werken über Seymour und die Azusa Street,113 über die Entwicklung der überwiegend weißen Assemblies of God114 und über die afroamerikanische Pfingstbewegung.115 Auch außerhalb der USA 111 Dempster : Structure. 112 Bartleman, Frank: Azusa Street. S. Plainfield, NJ: Bridge Publishing, 1980, S. 60. Bartleman schreibt hier, dass die Azusa-Street-Erweckung das „Blut Christi“ zur Reinigung von Sünde entdeckt habe. Er richtet diese Notiz auch gegen die „Verfolgungen“ der Presse, die für über gemischt-rassige Treffen spottete, und notiert, dass wesentlich mehr weiße als schwarze Teilnehmer zu den von einem schwarzen Prediger (Seymour) geleiteten Gottesdiensten kamen. 113 MacRobert, Iain: The Black Roots and White Racism of Early Pentecostalism in the USA. Basingstoke: Macmillan, 1988; Owens: Speak to the Rock; Sanders, Rufus G. W.: William Joseph Seymour : Black Father of the Twentieth Century Pentecostal/Charismatic Movement. Sandusky, OH: Xulon Press, 2003; Robeck: Azusa Street Mission. 114 Newman, Joe: Race and the Assemblies of God Church: The Journey from Azusa Street to the “Miracle of Memphis”. Youngstown, NY: Cambria Press, 2007. 115 Clemmons, Ithiel C.: Bishop C. H. Mason and the Roots of the Church of God in Christ. Centennial ed. Aufl. Bakersfield, CA: Pneuma Life, 1996; Noble, E. Myron: And They yet Speak: Historical Survey of African American Pentecostal-Holiness Churches in the Nation’s Capital, Washington, D. C., 1900 – 2006. Washington, DC: Middle Atlantic Regional Press, 2007; Yong, Amos; Alexander, Estrelda: Afro-Pentecostalism: Black Pentecostal and Charismatic Christianity in History and Culture. New York, NY: New York University Press, 2011.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

47

wurde dieses Thema historisch erörtert, vor allem hinsichtlich der südafrikanischen Pfingstbewegung und der frühen pfingstlichen Mission.116 Neben diesen historischen Werken gibt es jedoch kaum systematisch-theologische Ausarbeitungen zur Frage des Rassismus. Sogar die als “Memphis Miracle” gefeierte Vereinigung schwarzer und weißer Pfingstkirchen in den USA unter einem Dachverband wurde bis auf wenige Beiträge in der Zeitschrift Pneuma theologisch nicht aufgearbeitet.117 Anders sieht es beim Thema der Geschlechtergerechtigkeit aus. Zwar dominieren auch hier die historischen Studien, doch markieren diese deutlicher ihre systematischen Interessen. So gibt es zwar auch Biographien großer pfingstlicher Evangelistinnen,118 in denen die Frage der Geschlechterdiskriminierung eher als eine Art persönlich zu überwindendes Hindernis der Protagonistinnen dargestellt wird, doch finden sich zugleich mehrere historische Aufsätze, Monographien und Sammelbände, die an einer systematischen Erörterung der Rolle von Frauen in der Pfingstbewegung interessiert sind – entweder als Sichtbarmachung eines vergessenen bzw. verdrängten weiblichen Beitrags oder als Skizze der historischen Entwicklung der Geschlechterwahrnehmungen unter Pfingstlern.119 Ein kürzlich erschienener 116 Lapoorta, Japie J.: Unity or Division? The Unity Struggles of the Black Churches Within the Apostolic Faith Mission of South Africa. Kuils Rover : J. J. Lapoorta, 1996; Horn, J. Nico: South African Pentecostals and Apartheid: A Short Case Study of the Apostolic Faith Mission. In: Jongeneel, Jan A. B. (Hg.): Pentecost, Mission and Ecumenism: Essays on Intercultural Theology. Festschrift of Professor Walter J. Hollenweger. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1992 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 75), S. 157 – 167; Anderson, Allan H.: Dangerous Memories for South African Pentecostals. In: Ders.; Hollenweger, Walter J. (Hg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 15), S. 89 – 107; Anderson: Spreading Fires. 117 Macchia, Frank D.: From Azusa to Memphis. In: Pneuma 17, Nr. 2 (1995), S. 203 – 218; Daniels, David D.: Dialogue Between Black and Hispanic Pentecostal Scholars: A Report and Some Personal Reflections. In: Pneuma 17, Nr. 2 (1995), S. 219 – 228; Roundtable: Racial Reconciliation. In: Pneuma 18, Nr. 1 (1996), S. 113 – 140. 118 S. v. a. Warner, Wayne E.: The Woman Evangelist: The Life and Times of Charismatic Evangelist Maria B. Woodworth-Etter. Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1986 (Studies in Evangelicalism 8); Blumhofer, Edith L.: Aimee Semple McPherson: Everybody’s Sister. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1993 (Library of Religious Biography); Warner, Wayne E.: Kathryn Kuhlman: The Woman Behind the Miracles. Chichester: New Wine Press, 1994; Warner, Wayne E.: Maria Woodworth-Etter: For Such a Time as This. Gainesville, FL: Bridge-Logos, 2004; Sutton, Matthew Avery : Aimee Semple McPherson and the Resurrection of Christian America. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2007; Barfoot, Chas H.: Aimee Semple McPherson and the Making of Modern Pentecostalism, 1890 – 1926. London: Equinox, 2011. 119 Pope-Levison, Priscilla: Turn the Pulpit Loose: Two Centuries of American Women Evangelists. 1st ed Aufl. New York: Palgrave Macmillan, 2004; Alexander, Estrelda: The Women of Azusa Street. Cleveland, OH: Pilgrim Press, 2005; Butler, Anthea D.: Women in the Church of God in Christ: Making a Sanctified World. Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2007; Alexander, Estrelda: Limited Liberty: The Legacy of Four Pentecostal Women Pioneers. Cleveland, OH: Pilgrim Press, 2008; Alexander, Estrelda; Yong, Amos (Hg.): Philip’s Daughters: Women in Pentecostal-Charismatic Leadership. Eugene, OR: Pickwick Publications,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

48

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

Titel von Lisa Stephenson sucht das Gespräch zwischen diesen historischen Studien und der systematischen Theologie, indem sie das Thema der Geschlechtergerechtigkeit neben einer geschichtlichen Analyse von den soteriologischen und ekklesiologischen Implikationen einer pfingstlichen Pneumatologie her und im Gespräch mit der feministischen Theologie neu erörtert.120 Eine umfassende Behandlung des Themas aus biblisch-theologischer, historischer und systematisch-theologischer Perspektive ist auch das Anliegen etlicher Sammelbände zur Frage der Geschlechtergerechtigkeit. Der spezifisch pfingstlich-theologische Anteil an dieser Debatte besteht dabei zum einen in der Betonung der fundamentalen Egalität, die der Geisttaufe sowohl in ihrer allgemeinen Zugänglichkeit als auch in ihrer Wirkung eingeschrieben ist, sowie dem Anliegen, eine geschlechterspezifische Verteilung der Geistesgaben und Ämter zurückzuweisen.121 Aus einem dieser Sammelbände stammt auch der in diese Sammlung aufgenommene Beitrag Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen: Ein Gespräch mit der Kritischen Theorie122 von der Kanadierin Pamela Holmes. Holmes, die sich auch in historischen Studien mit der Rolle von Frauen in der nordamerikanischen Pfingstbewegung befasst hat,123 diskutiert hier die in der Pfingstbewegung beobachtbare Dialektik von Bejahung und Ablehnung des Dienstes von Frauen in Anlehnung an die Kritische Theorie der Frankfurter Schule. Mit Horkheimer und Adorno argumentiert sie, dass die in der Aufklärungsrationalität wurzelnde Idee der Beherrschung der Erde mit dem Konzept männlicher Dominanz verbunden ist und als solche auch die Pfingstbewegung durchdrungen hat. Doch gerade

120 121

122

123

2009 (Princeton Theological Monograph Series 104); Ruelas, Abraham A.: Women and the Landscape of American Higher Education: Wesleyan Holiness and Pentecostal Founders. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010; vgl. auch das Themenheft der Zeitschrift Pneuma zu “Women and Pentecostalism”, Jg. 17/1, 1995. Stephenson, Lisa P.: Dismantling the Dualisms for American Pentecostal Women in Ministry : A Feminist-Pneumatological Approach. Leiden: Brill, 2012 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 9). Baumert, Norbert: Frau und Mann bei Paulus: Überwindung eines Missverständnisses. Würzburg: Echter, 1992; Hyatt, Susan C.: In the Spirit We’re Equal: The Spirit, the Bible, and Women: A Revival Perspective. Dallas, TX: Revival & Renewal Resources by Hyatt Press, 1998; Alexander/Yong (Hg.): Philip’s Daughters; Clifton, Shane; Grey, Jacqueline (Hg.): Raising Women Leaders: Perspectives on Liberating Women in Pentecostal and Charismatic Contexts. Chester Hill, NSW: Australasian Pentecostal Studies, 2009. Holmes, Pamela M. S.: The Spirit, Nature, and Canadian Pentecostal Women: A Conversation with Critical Theory. In: Alexander, Estrelda; Yong, Amos (Hg.): Philip’s Daughters. Women in Pentecostal-Charismatic Leadership. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2009 (Princeton Theological Monograph Series 104), S. 185 – 202. S. Holmes, Pamela M. S.: The “Place” of Women in Pentecostal-Charismatic Ministry Since the Azusa Street Revival. In: Hunter, Harold D.; Robeck, Cecil M. Jr. (Hg.): The Azusa Street Revival and Its Legacy. Cleveland, TN: Pathway Press, 2006, S. 297 – 315; Holmes, Pamela M. S.: Ministering Women in the PAOC: A Feminist Exploration. In: Wilkinson, Michael (Hg.): Canadian Pentecostalism: Transition and Transformation. Montreal, QC: McGillQueen’s University Press, 2009 (McGill-Queen’s Studies in the History of Religion 49), S. 171 – 194.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

49

unter Pfingstlern entdeckt sie anhand eines Predigtbeispiels ein pneumatologisches Gegenkonzept von Verwobenheit und Beziehung, das ohne die Rationalitäten der Dominanz auskommt und in dem sie eine befreiende Perspektive für die Geschlechterbeziehungen und die Ökologie gleichermaßen erblickt. Im Hinblick auf die Friedensethik der Pfingstbewegung ist die Literatur weniger umfangreich als zur Geschlechterdiskriminierung, doch gibt es auch hier ein Nebeneinander von historischen und systematischen Analysen. Historiker haben die frühen pazifistischen Tendenzen in der Pfingstbewegung insbesondere im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg ausführlich diskutiert, und dies nicht selten als Anfrage an den gegenwärtigen Patriotismus unter amerikanischen Pfingstlern und deren Beteiligung an den jüngsten Kriegen der USA formuliert.124 Insbesondere der pfingstliche Theologe Paul Alexander hat sich mit der Verbreitung friedensethischer Kritiken und Denkweisen innerhalb der Pfingstbewegung beschäftigt und stellt mit der Zeitschrift Pax Pneuma und der Vereinigung Pentecostals and Charismatics for Peace and Justice ein Forum für die Vernetzung friedensethischer Diskussionen bereit. Der in diesem Sammelband aufgenommene Beitrag von Joel Shuman, Pfingsten und das Ende des Patriotismus: Ein Aufruf zur Wiederherstellung des Pazifismus unter pfingstlichen Christen125, kann als ein Beispiel für eine pfingstlich-theologische friedensethische Erörerterung gesehen werden, die historische und systematische Argumente miteinander verschränkt. Mit Dempster versteht Shuman die historische Pfingstbewegung als eine Restaurationsbewegung, die sich in einer gleichsam eschatologischen Kontinuität mit den Aposteln sah und sich darum als eine gegenkulturelle Bewegung im Unterschied zur Welt und anderen Christen verstand. In seiner historischen Untersuchung der offiziellen Verlautbarungen der Assemblies of God zu Krieg und Kriegsdienst, zeichnet Shuman die Entwicklung von einer eschatologisch-außerweltlichen hin zu einer innerweltlichen obrigkeitlichen Ekklesiologie nach und diagnostiziert mit dem mennonitschen Pazifisten John Howard Yoder eine neo-konstantinische Wende, in der sich die Assemblies of God in Abwesenheit der Fülle des Gottesreiches auf den Staat als Erhalter des Guten stützen. Doch gerade im Pfingstfest und der darauf folgenden Erzählung der Apostelgeschichte begegnet uns laut Shuman eine eschatologische Gemeinschaft, die bereits heute aus der Realität des kom124 S. v. a. Robins, Roger : A Chronology of Peace: Attitudes Toward War and Peace in the Assemblies of God, 1914 – 1918. In: Pneuma 6 (1984), S. 3 – 25; Beaman, Jay : Pentecostal Pacifism: The Origin, Development, and Rejection of Pacific Belief among the Penteostals. Hillsboro, KS: Center for Mennonite Brethren Studies, 1989; Wacker, Grant: Early Pentecostals and the Almost Chosen People. In: Pneuma 19, Nr. 2 (1997), S. 141 – 166; Alexander, Paul: Peace to War: Shifting Allegiances in the Assemblies of God. Telford, PA.: Cascadia Publishing House, 2009 (The C. Henry Smith Series 9). 125 Shuman, Joel J.: Pentecost and the End of Patriotism: A Call for the Restoration of Pacifism Among Pentecostal Christians. In: Journal of Pentecostal Theology 9 (1996), S. 70 – 96.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

50

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

menden Gottesreichs lebt und darum eine Friedensethik jenseits weltlicher Gewaltmonopole verkörpern kann. Dieses Bewusstsein gelte es wiederherzustellen, damit die Pfingstbewegung zu ihrer ursprünglichen Friedensethik zurückfinden könne.

Ekklesiologie und Ökumene Bis vor kurzem waren systematisch-theologische Reflexionen zu einer pfingstlichen Lehre von der Kirche schlichtweg inexistent, da Pfingstler implizit einem freikirchlichen Kirchenbegriff gefolgt sind, der sich mehr für den lokalen als für den abstrakten oder theologisch begründeten Kirchenbegriff interessierte.126 Die Frage nach der Ekklesiologie hat sich in der pfingstlichen Theologie vor allem durch den ökumenischen Dialog ergeben und selbst dort nur in den späten Dialogrunden – nachdem man eine gegenseitige Vertrautheit erreicht hatte –, weil sie im Zusammenhang mit der von der römischkatholischen Kirche vorgebrachten Kritik an der als aggressiven Proselytismus wahrgenommenen Evangelisationsarbeit der Pfingstkirchen artikuliert wurde.127 Grundlegende ekklesiologische Entwürfe gingen aus der Pneumatologie hervor: Der entscheidende Paradigmenwechsel fand statt, als mit dem erstarkten Interesse an der Pneumatologie eine Aufwertung des Geistes, der ehedem als schweigendes Mitglied der Trinität behandelt worden war, einherging und sich infolge dessen das westliche Trinitätskonzept wandelte. Mit dem Abrücken von einer Trinitätslehre, die bei der Entfaltung der unterschiedlichen Loci (abgesehen von der Gotteslehre) einen latenten Binitarismus aufwies, hin zu einer konsequenteren Gleichstellung des Geistes, kam es zu einem Verständnis der Dreieinigkeit, das stärker auf relationalen und egalitären Begriffen beruhte. Neben dem sich für die Kirche daraus ableitenden Anspruch, dieser göttlichen Koinonia gleichgestaltet zu sein, lieferten die horizontalen und an den Charismen orientierten Strukturen der Pfingstkirchen den empirischen Impuls für eine Ekklesiologie, die von gegenseitiger Liebe und grundsätzlicher Egalität, bei gleichzeitiger Beibehaltung unter126 Eine implizite Ekklesiologie findet sich immerhin bei dem Missiologen Hodges, der den Sendungsauftrag der Kirche herausarbeitet und zugleich als exemplarisch für die frühen pfingstlichen Überlegungen zum Kirchenbegriff gelten kann, s. Hodges, Melvin L.: ATheology of the Church and Its Mission: A Pentecostal Perspective. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1977. 127 Perspectives on Koinonia: The Report from the Third Quinquennium of the Dialogue Between the Pontificial Council for Promoting Christian Unity and Some Classical Pentecostal Churches and Leaders 1985 – 1989. In: Information Service 75, Nr. 4 (1990), S. 179 – 191; K•rkk•inen, Veli-Matti: Ad Ultimum Terrae: Evangelization, Proselytism and Common Witness in the Roman Catholic Pentecostal Dialogue (1990 – 1997). Frankfurt am Main: Lang, 1999 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 117).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

51

schiedlicher Funktionen, geprägt ist. Dies hatte weitreichende Konsequenzen für den Amtsbegriff, ebenso wie für die urprotestantische Forderung nach einem Priestertum aller Gläubigen.128 Als Beispiel für eine solche Verschränkung einer relationalen Trinitätslehre mit einem dynamischen Kirchenbegriff kann Andy Lords kürzlich erschienene Arbeit angesehen werden, die fragt, wie ein Kirchenbegriff konzipiert werden kann, der Kirche sowohl als strukturierte Einheit als auch als kontextuelle Mannigfaltigkeit versteht. Lord entwickelt seine Ekklesiologie im Dialog mit Netzwerktheorien, deren Betonung von Relationalität er mit der perichoretischen Beziehungsstruktur der Trinität parellelisiert. Fluchtpunkt ist eine missionarische Kirche, die sich in ständiger Dynamik befindet und somit zwischen Pluralität und Uniformität vermitteln kann.129 Als eschatologische Ekklesiologie kann Frank Macchias Ansatz bezeichnet werden.130 Dieser nimmt stark auf Miroslav Volfs Arbeiten Bezug und bettet die Ekklesiologie in einen erweiterten Begriff der Geisttaufe und in eine ReichGottes-Theologie ein. Die geistgetaufte Kirche ahmt laut Macchia den geisttaufenden Gott nach, der sich als trinitarische Koinonia offenbart hat. Analog zur göttlichen Koinonia, die durch die perichoretische Koinhärenz der trinitarischen Personen konstituiert ist, wird die Kirche durch die in der Geisttaufe stattfindende Einwohnung Gottes im Menschen konstituiert, d. h. sie wird als Koinonia begründet, die Zeichen der Gnade in einer gefallenen Welt verkörpert. Ebenso wie in der Geisttaufe ein Untertauchen in den Strom des Geistes stattfindet, der alles benetzt, zugleich aber die individuelle Identität nicht auslöscht, so stellt die geistgetaufte Kirche eine vielseitige, differenzierte und polyphone Erneuerungsgemeinschaft dar. Als solche verkündigt die Kirche das Reich Gottes und ist Abbild der Trinität und des kommenden Reiches. Sie

128 Eine der einflussreichen Ekklesiologien, die zu dieser Art von Wandel im Kirchenverständnis führte, war Miroslav Volfs Entwurf einer Kirche „nach dem Ebenbild“ der Trinität, s. Volf, Miroslav : After Our Likeness: The Church as the Image of the Trinity. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1998 (Sacra Doctrina). Eine andere einflussreiche und noch stärker auf die Pneumatologie zurückgehende Ekklesiologie stammt von dem baptistisch-charismatischen Theologen Clark Pinnock. Weil Kirche, Geist und Heil nicht voneinander getrennt werden könnten, behandelte er die Ekklesiologie in seiner dogmatischen Skizze vor der Soteriologie und im Anschluss an die pneumatologische Christologie. Innerhalb dieser Verortung konnte er dann die Kirche vom Geist her definieren, der ihr innewohnt und in sakramentaler und charismatischer Gestalt in der Kirche gegenwärtig ist, um diese zur Mission zu bevollmächtigen, s. die entsprechenden Abschnitte in Pinnock: Flame of Love. 129 Anhand von Yongs fundamentalpneumatologischen Kategorien der Erstheit, Zweitheit und Drittheit versucht Lord eine Netzwerktheorie zu entwickeln, die auf einem pragmatischen Realismus basiert, der wiederum pneumatologisch fundiert ist (die Leitfigur hier ist Yongs Postulat der pneumatologischen Imagination), s. Lord, Andy : Network Church: A Pentecostal Ecclesiology Shaped by Mission. Leiden: Brill, 2012. 130 Macchia: Baptized in the Spirit, Kap. 5; Macchia, Frank D.: Signs of Grace in a Graceless World. In: Synan, Vinson (Hg.): Spirit-Empowered Christianity in the 21st Century. Charisma Media, 2011, S. 141 – 158.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

52

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

ist jedoch nicht mit der basileia tou theou identisch, weshalb ihr immer nur der Charakter des Vorletzten zukommt.131 In teilweise expliziter Kritik an diesen fundamentalen Entwürfen versuchen andere Autoren, anhand konkreter Kirchenforschungen zu Denominationen und Bewegungen die Möglichkeiten und Grenzen der pfingstlichen Ekklesiologie auszuloten. Clifton Shanes Monographie etwa wendet sich gegen Ekklesiologien die in abstracto formuliert werden und versucht, anhand von elaborierten sozialwissenschaftlichen Methoden die Ekklesiologiegeschichte der Assemblies of God in Australien nachzuzeichnen,132 während David Moore die charismatische Shepherding-Bewegung in den USA untersucht.133 Die beiden für diesen Sammelband ausgewählten Beiträge zur Ekklesiologie stammen zum einen von dem systematischen Theologen Terry L. Cross, der in Princeton zu Karl Barths Dialektik promoviert wurde, und zum anderen von dem in Cambridge promovierten Simon K. Chan aus Singapur. Damit sind zwei Ansätze gewählt worden, die kaum gegensätzlicher sein könnten. Während Cross eine Ekklesiologie der unmittelbaren Erfahrung des Geistes vorschlägt, formuliert Chans Ekklesiologie eine Ontologie der Kirche. Cross schlägt unter der Frage, Sind Pfingstler Evangelikale Christen? Eine Betrachtung der theologischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten134 eine von der 131 Grobe Züge einer Art ökumenischer Lehre von der Kirche findet sich in den Arbeiten Kärkkäinens, insbesondere in seiner als Lehrbuch veröffentlichten Einleitung zu zeitgenössischen Ekklesiologien. Hier diskutiert Kärkkäinen die notae ecclesiae, wie sie in den unterschiedlichen christlichen Traditionen verstanden werden, und versucht, diese dann in einem wesentlich knapperen Teil pneumatologisch umzudeuten, so dass sie möglichst viel Konsenspotential bieten – eine Methode, die allerdings eher für Pfingstler vorteilhaft ist als für andere Gemeinschaften, die eine längere geschichtsträchtige ekklesiologische Tradition berücksichtigen müssen; s. K•rkk•inen, Veli-Matti: An Introduction to Ecclesiology. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2002, vgl. auch K•rkk•inen, Veli-Matti; Yong, Amos: Toward a Pneumatological Theology: Pentecostal and Ecumenical Perspectives on Ecclesiology, Soteriology, and Theology of Mission. Lanham, MD: University Press of America, 2002. 132 Anhand der unterschiedlichen Phasen und Übergangsmomente zeigt er verschiedene kirchliche, soziokulturelle und autoritätsbedingte Dynamiken nach, die er mit den jeweiligen Ekklesiologien unter besonderer Berücksichtigung der pneumatischen Momente korreliert, und liefert somit eine konkrete Fallstudie zur Entwicklung der kontextuellen Ekklesiologie des größten pfingstlichen Kirchenbunds in Australien, s. Shane, Clifton: Pentecostal Ecclesiology : A Methodological Proposal for a Diverse Movement. In: Journal of Pentecostal Theology 15 (2007), S. 213 – 232; Clifton, Shane: Pentecostal Churches in Transition: Analysing the Developing Ecclesiology of the Assemblies of God in Australia. Leiden: Brill, 2009 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 3). 133 Moores Untersuchung kann als eine Art empirische Ekklesiologie bezeichnet werden. Sie fragt nach ekklesiologischen Konzepten, die zur Begründung und Leitung der Bewegung ins Feld geführt wurden, und analysiert die unterschiedlichen Brüche und Turbulenzen der Bewegung, auf der Grundlage abermals anderer ekklesiologischer Konzepte, die zur Erklärung und Überwindung jener Krisen hervorgetreten sind; s. Moore, S. David: The Shepherding Movement Controversy and Charismatic Ecclesiology. London: T&T Clark, 2003 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 27). 134 Cross, Terry L.: Sind Pfingstler Evangelikale? Eine Betrachtung der Theologischen Differenzen und Gemeinsamkeiten. In: Freikirchenforschung 19 (2010), S. 114 – 138.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

53

Geisterfahrung ausgehende genuin pfingstlich-theologische Methode vor, die sich von einer evangelikalen Art zu theologisieren unterscheidet, und führt diese in actu an der Formulierung einer Lehre von der Kirche vor.135 Die Kirche wird dabei als das Volk der unmittelbaren Gegenwart und Macht Gottes definiert, die wesentlich trinitarisch konzipiert und essentiell missionarisch ist. Die als Kirche versammelten Menschen, die eine direkte Begegnung mit Gottes Geist bezeugen, spiegeln Cross zufolge die Trinität, die sich in Liebe und Erbarmen zu den Ausgestoßenen der Gesellschaft ausstreckt. Mission sei somit nicht eine bloße Praxis, sondern ein konstitutiver Wesenszug der Kirche. Dennoch vermittle die Kirche aber nicht die Gegenwart Gottes, sondern diejenigen, die ihr angehören, haben Anteil an der Gegenwart Gottes, wodurch Cross trotz seiner ökumenischen Ausrichtung eine Distanz zum katholischen Kirchenverständnis aufbaut. Ein gänzlich anderer Ansatz liegt in Chans Entwurf Die Kirche und die Entwicklung der Lehre136 vor. Während alle bisher vorgestellten Ekklesiologien mit einem soziologischen Kirchenbegriff arbeiten und die Kirche als corpus permixtum verstehen, der die Zeichen seiner Unvollkommenheit trägt und darauf wartet, im Eschaton von der Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus abgelöst zu werden, geht Chan von einer Ontologie der Kirche aus, welche die Kirche als schon vor der Schöpfung geschaffen und darum auch als Ziel der Schöpfung ansieht. Die Kirche ist somit der totus Christus, und der totus Christus in der Welt ist die Kirche, die folglich im Besitz der göttlichen Wahrheit ist. Als solche sei sie dazu aufgerufen, um ihrer selbst und um der Welt willen Lehrsätze zu formulieren, die allerdings durch die Liturgie, Spiritualität und Praxis geerdet werden und über die gegenseitige Bedingtheit von Liturgie und Dogmatik (lex orandi lex credendi) in ständiger Erneuerung sind. Diese Wechselbeziehung führt somit eine entscheidende pneumatische Dynamik in einen ansonsten sehr ahistorischen und autoritär wirkenden Kirchenbegriff ein. Ähnlich wie bei der Ekklesiologie festgestellt, ist eine theologische Reflexion zur Ökumene, die über die Ebene der unmittelbaren Ortsgemeinde hinausgeht, noch relativ jung. Zwar hatte Hollenweger eine ökumenische Wurzel der Pfingstbewegung postuliert und ihr damit ab ovo ökumenischen Charakter zugesprochen,137 aber die akademisch-theologische Pfingstpubli135 Vgl. Cross, Terry L.: The Church: A People of God Presence and Power, im Erscheinen; Cross: Are Pentecostals Evangelicals. 136 Chan, Simon: The Church and the Development of Doctrine. In: Journal of Pentecostal Theology 13, Nr. 1 (2004), S. 57 – 77. Vgl. a. Chan, Simon: Mother Church: Toward a Pentecostal Ecclesiology. In: Pneuma 22 (2000), S. 177 – 208; Liturgical Theology : The Church as Worshiping Community. Downers Grove, IL: IVP Academic, 2006; Pentecostal Ecclesiology : An Essay on the Development of Doctrine. Blandford Forum: Deo Publishing, 2011; Chan, Simon: The Use of Prosper’s Rule in the Development of Pentecostal Ecclesiology. In: International Journal for the Study of the Christian Church 11, Nr. 4 (2011), S. 305 – 317. 137 Hollenweger : Charismatisch-pfingstliches Christentum.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

54

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

kationen hierzu setzen erst mit der wissenschaftlichen Untersuchung und Aufarbeitung der Dialogrunden zwischen der römisch-katholischen Kirche und einigen Vertretern der Pfingstbewegung ein.138 Veli-Matti Kärkkäinens Monographien stellen die bisher reifsten und gründlichsten Ausarbeitungen dazu dar. Unter dem Motto Spiritus ubi vult spirat trägt Kärkkäinen wichtige Gesprächsphasen von 1972 bis 1989 zusammen und untersucht die den Dialogrunden zugrunde liegende und in wandelnder Weise hervortretende Pneumatologie der Teilnehmer.139 Die zweite Monographie behandelt die vierte Dialogrunde, die das brisante Thema „Proselytismus“ zum Gegenstand hatte.140 Eine kompakte Darstellung der letzten Dialogrunde, welche die Frage „Wie wird man Christ?“ thematisierte, bietet ein Aufsatz von Cecil Robeck, der den Versuch einer rückblickenden Bewertung der gesamten Dialogrunden unternimmt und den Reife- und Entwicklungsprozess darstellt, den die pfingstliche Theologie aus seiner Sicht dabei durchlaufen hat.141 Dialogrunden 138 Überblicke zu den Dialogrunden und Abschlussberichten finden sich bei Arnold Bittlinger (inklusive der Vorgespräche für die Jahre 1972 – 1976), die Themen waren unter anderem Geisttaufe, Initiation und Geistesgaben, Taufe, Schriftverständnis, s. Bittlinger, Arnold: Papst und Pfingstler: Der Römisch Katholisch – Pfingstliche Dialog und seine ökumenische Relevanz. Frankfurt am Main: Lang, 1978; und bei Jerry Sandidge (das zweite Quinquennium 1977 – 1982), die Themen waren hier Zungenrede, Schrift und Tradition, Glaube und Vernunft, Heilung, Kirche und Gemeinde, Tradition und Traditionen, sowie erste Annäherungen an die besonders kontroverse Frage der Mariologie, s. Sandidge, Jerry L.: Roman Catholic Pentecostal Dialogue (1977 – 1982): A Study in Developing Ecumenism. Frankfurt am Main: Lang, 1987. Der Originalwortlaut sämtlicher Abschlussberichte findet sich z. B. in dem vom Pontifical Council for Promoting Christian Unity herausgegeben Information Service und in Pneuma 12/2 (1990). Eine deutschsprachige Sammlung der ersten vier Abschlussberichte ist von Norbert Baumert und Gerhard Bially herausgegeben worden, s. Baumert, Norbert; Bially, Gerhard: Pfingstler und Katholiken im Dialog: Die vier Abschlussberichte einer internationalen Kommission aus 25 Jahren. Düsseldorf: Charisma-Verlag, 1999. 139 K•rkk•inen, Veli-Matti: Spiritus Ubi Vult Spirat: Pneumatology in Roman Catholic-Pentecostal Dialogue (1972 – 1989). Helsinki: Luther-Agricola-Society, 1998 (Schriften der LutherAgricola-Gesellschaft 42). Von katholischer Seite ist insbesondere die Dissertation des Theologen Paul Lee zu nennen, die sich auch mit dem Dritten Quinquennium beschäftigt und die jeweiligen Ekklesiologieverständnisse der Gesprächspartner herausarbeitet, bisher aber noch nicht in Buchform erschienen ist (Lee, P. D.: Pneumatological Ecclesiology in the Roman Catholic-Pentecostal Dialogue: A Catholic Reading of the Third Quinquennium (1985 – 1989). (unveröffentl. Dissertation): Pontificia Studiorum Universitas a S. Thoma Aq. in Urbe, 1994). 140 K•rkk•inen: Ad Ultimum Terrae: Evangelization, Proselytism and Common Witness in the Roman Catholic Pentecostal Dialogue (1990 – 1997). 141 Robeck, Cecil M. Jr.: “On Becoming a Christian”: An Important Theme in the International Roman Catholic – Pentecostal Dialogue. In: PentecoStudies: An Interdisciplinary Journal for Research on the Pentecostal and Charismatic Movements 7, Nr. 2 (2009), S. 1 – 28. Mit dem Nestor des pfingstlich-ökumenischen Dialogs, dem in ökumenischen Kreisen als Mr. Pentecost bekannten David DuPlessis, hat sich neuerdings Joshua Ziefle beschäftigt. Anhand der unterschiedlichen Phasen des Verhältnisses zwischen DuPlessis und seiner Pfingstkirche, den Assemblies of God, gelingt es Ziefle, das ambivalente Verhältnis der Assemblies of God zur charismatischen Bewegung zu beschreiben. Ohne in Polemik abzugleiten, untersucht Ziefle die internen Kontroversen und die kirchenpolitischen Entscheidungen – von DuPlessis’ Ausschluss aus der Denomination, die ihn schon 1962 wegen seines hingabevollen Ökumene-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

55

mit anderen Kirchen sind ebenfalls dokumentiert, aber bislang in geringerem Maß aufbereitet.142 Auf der akademischen Ebene ist das Gespräch zwischen Engagements traf, bis hin zu seiner Wiederaufnahme, die 1980 eher geräuschlos stattfand, nachdem er sich einen wichtigen Namen gemacht hatte und mit internationalen Ehrenwürden mehrfach ausgezeichnet worden war. Ökumenische Hoffnungen und Visionen der frühen Pioniere eines pfingstlichen ökumenischen Dialogs werden hier ebenso in nüchterner Weise kontextualisiert und diskutiert, wie Meinungsverschiedenheiten und Desillusionierung angesichts der Macht der „Bürokratisierung und Denominationalisierung“, die sowohl im pfingstlichen Lager, als auch innerhalb der etablierten Kirchen vorherrschte; s. Ziefle, Joshua R.: David Du Plessis and the Assemblies of God: The Struggle for the Soul of a Movement. Leiden: Brill, 2012 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 13). 142 Der innerpfingstliche Dialog mit den antitrinitarischen Oneness-Pfingstlern wurde in einem von der Society of Pentecostal Studies herausgegebenen Konferenzband dokumentiert, s. 28th Annual Meeting: Toward Healing Our Divisions: Reflecting on Pentecostal Diversity and Common Witness, Springfield, MO, 11. März 1999. Die Dialogrunden des reformiert-pfingstlichen Dialogs sind, samt einiger Reaktionen dazu, das Thema einer Pneuma-Ausgabe (22/1, 2001). Ökumenische Gespräche zwischen Methodisten und Waldensern auf der einen Seite und Pfingstler auf der anderen haben 1998 in Italien begonnen. Diese Gesprächsrunden gehören europaweit zu den ersten dieser Art und sind in einer bisher kaum beachteten Dokumentation veröffentlicht worden, s. Valdesi, metodisti e pentecostali in dialogo II. Presentazione di Paolo Ricca. Torino: Claudiana, 2002 (Cinquantapagine 26). Weitere Reflexionen zu ökumenischen Verständigungen finden sich in Robecks Kommentar zur Versammlung des ÖRK in Canberra, s. Robeck, Cecil M. Jr.: A Pentecostal Reflects on Canberra. In: Nicholls, Bruce J.; Ro, Bong Rin (Hg.): Beyond Canberra: Evangelical Responses to Contemporary Ecumenical Issues. Oxford: Regnum Books, 1993, S. 108 – 120 und zum ÖRK-Papier „Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis und einer gemeinsamen Vision des Ökumenischen Rates der Kirchen“, s.Robeck, Cecil M. Jr.: A Pentecostal Assessment of “Towards a Common Understanding and Vision” of the WCC. In: Mid-Stream 37, Nr. 1 (1998), S. 1 – 36; oder in Kärkkäinens Veröffentlichung, die auf die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GER) abhebt und einige Impulse der neueren finnischen Lutherforschung aufnehmend eine erneute Betrachtung der lutherischen Rechtfertigungslehre im Dialog mit der Theosis-Lehre der orthodoxen Ostkirche vornimmt, s. K•rkk•inen: One with God. Für den deutschsprachigen Bereich ist insbes. die EPD-Dokumentation der 2006 in Bonn stattgefundenen Konsultationstagung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) zu nennen, s. Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (Hg.): Pfingstkirchen, Charismatische Bewegung und ACK-Kirchen im Gespräch: Was verbindet uns? Was trennt uns? Beiträge einer Konsultationstagung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) am 4.–5. September 2006 in Bonn. Frankfurt am Main: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, 2007 (Epd-Dokumentation 7), die in pfingstlichen Publikationen jedoch ebenso wenig Nachhall erfahren hat, wie die 2009 vom Verein für Freikirchenforschung (VFF) und dem Interdisziplinären Arbeitskreis Pfingstbewegung (IAKP) durchgeführte Tagung anlässlich des 100. Jahrestags der Berliner Erklärung, die im Jahresheft des VFF dokumentiert ist, s. Verein fìr Freikirchenforschung: 100 Jahre Berliner Erklärung / 20 Jahre „Vereinigung“ der deutschen Freikirchen in Ost und West: Versuch einer Bilanz. Münster, Westfalen: Verlag des Vereins für Freikirchenforschung, 2010 (Jahrbuch des Vereins für Freikirchenforschung 19). Einer der wenigen Texte, die sich von pfingstlicher Seite aus ausführlich mit Ökumene in Deutschland befasst haben, findet sich in Hampel, Dieter ; Krìger, Richard; Oertel, Gerhard: Der Auftrag bleibt: Der Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Erzhausen: Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, 2009, S. 487 – 542. Vereinzelt gibt es aber auch Sammelbände, wie der von Christoph Dahling-Sander herausgegebene Aufsatzband, der sich mit einzelnen Themen aus den ökumenischen Ge-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

56

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

Pfingsttheologen und Gelehrten aus anderen Traditionen inzwischen selbstverständlich – ein Blick ins Inhaltsverzeichnis der erwähnten neueren Publikationen genügt, um dies zu belegen. Insbesondere fällt hier die Bezugnahme auf Theologien der orthodoxen Ostkirchen auf, was freilich an deren Pneumatologie liegt, der innerhalb der Trinitätslehre ein dynamischerer Raum zukommt.143 Einige Topoi, die im Rahmen der Dialogrunden aufgekommen sind, haben dazu geführt, dass überhaupt erst eine theologische Reflexion bestimmter Fragestellungen und dogmatischer Loci eingesetzt hat, wie sich paradigmatisch an der innerpfingstlichen Debatte um das Sakramentsverständnis zeigen lässt. Wurde besonders von römisch-katholischer und protestantisch-lutherischer Seite auf die Sichtbarkeit von Zeichen der Gnade bzw. Gnadenmittel Wert gelegt, waren Pfingstler meistens und auf Grund ihrer Nähe zur Freikirchentradition und ohne besondere theologische Einholung einem zwinglianischen Sakramentsverständnis gefolgt. Macchias bereits erwähnter Ansatz, die Zungenrede ausgehend von der klassischen pfingstlichen Lehre des Anfangserweises bzw. des anfänglichen Zeichens als sakramentales Zeichen zu verstehen, stellt einen Weg dar, sowohl die klassische pfingstliche Lehre zu irritieren und zu erweitern, als auch ein dynamisches Zeichenverständnis einzuführen, wodurch sein Sakramentsbegriff ökumenisch fruchtbar und anschlussfähig wird, ohne in ein ex-opere-operato-Verständns abzugleiten.144 Terry Cross hingegen lässt sich stärker von der reformierten Theologie inspirieren und nimmt dazu die Gegenposition ein.145 Obgleich auch aktiv im ökumenischen Dialog mit der römisch-katholischen Kirche engagiert, kommt der Sichtbarkeit der Gnade(nmittel) bei Cross kein besonderer Wert zu. Vielmehr bezeichnet er Stanley Grenz folgend Sakramente als „acts of commitment“ des Gläubigen und hebt somit – besonders im Gegensatz zur rösprächsrunden bzw. Begegnungen zwischen Pfingstbewegung und Ökumene beschäftigt und mitunter auch deutschsprachige Beiträge von Angehörigen der pfingstlich/charismatischen Bewegung enthält, s. Dahling-Sander, Christoph: Pfingstkirchen und Ökumene in Bewegung. Frankfurt am Main: Lembeck, 2001 (Beiheft zur Ökumenischen Rundschau 71). Ein Aufsatzband, der sich von der Außenperspektive mit der Pfingstbewegung befasst, ist Gemeinhardt, Alexander F.: Die Pfingstbewegung als ökumenische Herausforderung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2005. 143 Vgl. exemplarisch K•rkk•inen, Veli-Matti: Pneumatology : The Holy Spirit in Ecumenical, International, and Contextual Perspective. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2002. 144 Macchia: Tongues as a Sign. Die Statik und Tendenz zur Institutionalisierung, die bei der römisch-katholischen Sakramentenlehre besteht, welche Wert auf die Sichtbarkeit der Gnade legt, umgeht Macchia, indem er ausgerechnet ein verhältnismäßig irrationales und ikonoklastisches Zeichen, nämlich die Zungenrede, als dynamisches Zeichen mit sakramentalen Charakter konzipiert. Sakramentalität ist hier demnach im Sinne einer unberechenbaren und souveränen Theophanie zu verstehen, durch die Gott im Heiligen Geist seine Gnade realpräsentisch erfahrbar macht. Die in dieser Sakramentologie implizierte Dimension der Gemeinschaftlichkeit dient Macchia schließlich dazu, den an die Pfingstbewegung häufig herangetragenen Schwärmerei- und Subjektivismus-Vorwurf zurückzuweisen. 145 Cross: The Church.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

57

misch-katholischen und lutherisch-protestantischen Sakramentenlehre – die partizipatorische und im Rekurs auf Karl Barth auf eine Mündigkeit des Gläubigen abzielende Dimension des Sakramentsereignisses hervor. Gleichzeitig versucht Cross aber auch über Barth hinaus zu gelangen, indem er versucht, dessen vermeintliche noetische bzw. kognitive Engführung, die im aufklärerisch verstandenen Mündigkeitsbegriff eingeschrieben ist, zu sprengen und dabei auch die Dichotomie zwischen aktivem und passiven Sakramentsverständnis – sowohl auf der Seite des „Emfängers“ als auf jener der „res“ – aufzubrechen. In dieser Hinsicht war auch die von der Church of God (Tennessee) praktizierte Fußwaschung Gegenstand fruchtbarer Debatten. Der aus der Church of God stammende Theologe Christopher Thomas stellte in seiner Konzipierung der Fußwaschung als Sakrament faktisch einen Mittelweg zwischen Macchia und Cross dar, indem er in der als symbolisierende Erneuerungsaktion bzw. als wiederholte Reinigung verstandenen Fußwaschung den Aspekt der gespendeten Gnade bzw. des Gnadenaneignungsmoments bezeichnete, welcher weder im aktiven noch im passiven Modus restlos artikuliert werden kann.146 Ein weiteres Beispiel dafür, wie Pfingstler aus der Erfahrung der Dialogbegegnungen heraus die eigene pfingstliche Tradition und Praxis mit den Begriffen anderer Traditionen untersuchen, stellt der für diesen Band auswählte Beitrag Veli-Matti Kärkkäinens mit dem Titel Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität: Ein Essay zur ökumenischen Ekklesiologie147 dar, der sich an den Apostolizitätsbegriff heranwagt. Zugleich illustriert dieser Beitrag Kärkkäinens einen pfingstlich-ökumenischen Ansatz, der sich dadurch auszeichnet, dass er einen ökumenischen Ort wählt und ausgehend von diesem eine umfassende Relecture der Quellentexte sämtlicher Traditionen zu dem jeweiligen Ort vornimmt.148 Auf gelehrte Weise provoziert Kärkkäinen das durch starke Ablehnung geprägte pfingstliche Verständnis der römischkatholischen apostolischen Sukzession, indem er letztere in den Begriffen des urpfingstlichen Ideals einer Rückkehr zum apostolischen Christentum darstellt. Der Fluchtpunkt liegt darin, eine Komplementarität des auf charismatischer Begabung beruhenden Verständnisses von Apostolizität mit Konzepten der Apostolizität und Ämtersukzession herauszustellen. Kärkkäinen zieht dazu sowohl Dokumente beider Traditionen als auch die Ergebnisse aus den 146 Thomas, John C.: Footwashing in John 13 and the Johannine Community. Sheffield: JSOT Press, 1991. In einem Rezensionsaufsatz setzt sich Macchia kritisch mit Thomas auseinander und plädierte für eine erweiterte Sakramentologie unter Aufnahme der Zungenrede und Handauflegung, s. Macchia, Frank D.: Is Footwashing the Neglected Sacrament? A Theological Response to John Christopher Thomas. In: Pneuma 19, Nr. 2 (1997), S. 239 – 250. 147 K•rkk•inen, Veli-Matti: Pentecostalism and the Claim for Apostolicity : An Essay in Ecumenical Ecclesiology. In: Evangelical Review of Theology 25, Nr. 4 (2001), S. 323 – 336. 148 S. dazu auch der Sammelband pneumatologischer Abhandlungen zur Ekklesiologie, Soteriologie und Missionstheologie, den er zusammen mit Amos Yong herausgegeben hat (K•rkk•inen/Yong: Toward a Pneumatological Theology).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

58

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

ökumenischen Dialogsrunden zwischen der römisch-katholischen Kirche und Vertretern der pfingstlich/charismatischen Bewegung heran (an denen er selbst aktiv beteiligt war). Im abschließenden Teil formuliert Kärkkäinen ein Plädoyer für ein konziliares Verständnis von Apostolizität. Das Pfingsterlebnis der urchristlichen Gemeinde und die pfingstlichen Erfahrungen der Gegenwart des Geistes sind Kärkkäinen zufolge der Schlüssel für eine Überwindung konfessioneller Differenzen, unter Beibehaltung der jeweiligen Charakteristika, Traditionen und Ausdrucksweisen, denn die Auffassung der Freiheit im Geist dürfe – trotz aller Freude an der Spontaneität – eine besondere Geistbegabung bestimmter Ämter nicht a priori ausschließen. Als Gegenbeispiel für einen Ökumeneansatz, wie er bei Kärkkäinen zu finden ist, kann abschließend der bereits erwähnte Wolfgang Vondey angeführt werden, der für eine radikale Entgrenzung plädiert. Die Pfingstbewegung solle ihre Identität als Identitätsspiel verstehen, um ihren dynamischen Bewegungscharakter nicht zu verlieren. Um ihrer selbst willen sollte die Pfingstbewegung also „über die Pfingstbewegung hinaus[gehen]“.149 Das bedeutet im Hinblick auf eine ökumenisch-pfingstliche Ekklesiologie und Sakramentologie – so Vondey –, dass diese von der Eucharistie aus gedacht werden: Abendmahlstheologie bedeutet bei Vondey wiederum radikale Gastfreundschaft, die aus der Krise der eigenen Identität heraus zu einer grenzenlosen Offenheit gelangt.150

Mission, Eschatologie und interreligiöser Dialog Das Anliegen der Mission stand ohne Zweifel von Anfang an im Zentrum der Pfingstbewegung, die sich schnell entlang der bereits etablierten Netzwerke der Glaubensmissionen ausbreitete.151 Dabei war die pfingstliche Mission vor 149 Vondey : Beyond Pentecostalism. 150 Vondey, Wolfgang: Pentecostal Ecclesiology and Eucharistic Hospitality : Toward a Systematic and Ecumenical Account of the Church. In: Pneuma 32, Nr. 1 (2010), S. 41 – 55. Ein weiteres, etwas weniger radikales Gegenbeispiel stellt der Ansatz von Vondeys Fakultätskollegen Amos Yong dar. Seine Herangehensweise zeichnet sich durch eine gewagte, oftmals jedoch nur programmatische Kreativität aus. Yong versteht Ökumene – im Einklang mit seinem Grundaxiom, demzufolge Pfingsten unterschiedliche Zungen bedeutet, die durch den Geist jedoch zu einer geordneten Verständigung gelangen – als Überwindung jeglicher Grenzen, egal ob wissenschaftlich-disziplinäre Grenzen, Geschlechter- und ethnische Grenzen, religiöse Grenzen usw. Ökumene, und vor allem die vom Geist aufgetragene Verpflichtung zur Ökumene hat somit neben dem vereinigenden einen befreienden Charakter, s. Yong: Spirit Poured Out. 151 Die Geschichte und Theologie der pfingstlichen Mission ist in jüngerer Zeit vor allem von Allan Anderson und Gary McGee anhand von Primärquellen untersucht worden, wobei beide die von Anfang an globale Prägung der pfingstlichen Mission betonen, s. McGee, Gary B.: “This Gospel … Shall Be Preached”: A History and Theology of Assemblies of God Foreign Missions to 1959. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1986; McGee, Gary B.: “This Gospel … Shall Be

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

59

allem von zwei Ideen getrieben: erstens der Möglichkeit der Xenolalie, also der durch den Heiligen Geist für die Mission unmittelbar gegebenen Fähigkeit, eine fremde Sprache zu sprechen, und zweitens der Naherwartung der Parusie, die missionarisches Handeln umso dringender erscheinen ließ. Während das Postulat der Xenolalie zur zügigen Weltmission vor dem einbrechenden Gericht sich sehr bald als unrealistisch erwies und nur noch gelegentlich in Form von Anekdoten reaktiviert wurde, blieb die eschatologische Naherwartung lange erhalten und führte zu einem Missionsverständnis, das hauptsächlich an effektiven Methoden zur weltweiten Evangelisation in kürzester Zeit interessiert war. Die frühe pfingstliche Missionstheologie war darum vorrangig an funktionierender Praxis orientiert, was einen deutlichen pragmatischen Zug begründete, der in Teilen bis in die Gegenwart anhält. Bereits 1953 wurde von Melvin Hodges die erste Missionstheologie eines Pfingstlers vorgelegt, die sich zu einem mehrfach aufgelegten Handbuch für pfingstliche Mission entwickelte.152 Das Buch ist vor allem ein stark an Roland Allen angelehntes Plädoyer für indigene Kirchen, und nur das kurze letzte Kapitel trägt eine explizit pfingstliche Note in der Behauptung, dass die Ausgießung des Heiligen Geistes eine indigene Kirche besonders befördere. Ein ausgeprägter Pragmatismus fand sich auch in der deutlich späteren sogenannten Gemeindewachstumsbewegung, welche die Pfingstkirchen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zum Entwicklungsmodell für die westliche Kirchenwelt erhob, in Kombination mit einer triumphalistischen Missionstheologie und der Idee der „geistlichen Kampfführung“, durch welche die Mission eher als strategische und exorzistische Überwindung weltlicher Widerstände begriffen wurde.153 Paul Pomerville setzte diese Reihe der praxisorientierten Missionstheologie fort, war aber anders als Hodges und Wagner an einer stärkeren Reflexion des pfingstlichen Beitrags zur allgemeinen Missionstheologie interessiert, worPreached”: A History and Theology of Assemblies of God Foreign Missions Since 1959. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1989; McGee, Gary B.: Miracles, Missions, and American Pentecostalism. Maryknoll, NY: Orbis Books, 2010 (American Society of Missiology series, no. 45); Anderson: Spreading Fires; Anderson, Allan H.: To the Ends of the Earth: Pentecostalism and the Transformation of World Christianity. Oxford: Oxford University Press, 2013. 152 Hodges, Melvin L.: On the Mission Field: The Indigenous Church. Springfield, MO: The Gospel Publishing House, 1953. 153 S. v. a. McGavran, Donald A.: Understanding Church Growth. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1970; Wagner, C. Peter : Look Out! The Pentecostals Are Coming. 1st ed. Aufl. Carol Stream, IL: Creation House, 1973; Kraft, Charles H.: Christianity with Power : Your Worldview and Your Experience of the Supernatural. Ann Arbor, MI: Vine Books, 1989; Wagner: Third Wave; Wagner, C. Peter : Lektionen aus der weltweiten Erweckung Vollmacht im Gemeindeaufbau. Mainz-Kastel: Projektion J Verlag, 1990; Wagner, C. Peter ; Pennoyer, Fredrick Douglas (Hg.): Wrestling with Dark Angels: Toward a Deeper Understanding of the Supernatural Forces in Spiritual Warfare. Ventura, CA: Regal Books, 1990; Wagner, C. Peter : Breaking Strongholds in Your City. Tunbridge Wells: Monarch, 1993.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

60

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

unter er vor allem die Betonung einer strategischen Praxis gegenüber einem rationalistischen „Theologisieren“ verstand, sowie die Korrektur einer zu starken Betonung der sozialen Arbeit auf Kosten der Evangelisation und die Überwindung nationaler Partikularismen durch den Geist.154 In ähnlicher Weise warnte auch Grant McClung in seiner Anthologie pfingstlicher Dokumente zur Mission (Predigten, Zeugnisberichte usw.) vor einem „Abrutschen in die Theologie“ und fortschreitender Institutionalisierung;155 ebenso sind auch jüngere Publikationen eher an einer unmittelbaren Gewinnung missionarischer Praktiken aus der Bibel interessiert, als an einem Dialog mit der etablierten Missionstheologie.156 Doch neben diesen praxisorientierten und dezidiert antitheologischen Publikationen, entstanden seit den frühen 1990er Jahren auch grundlegende missionstheologische Erörterungen in der Pfingstbewegung, zunächst in Sammelbänden und seit der Jahrtausendwende auch verstärkt in Monographien. Neben etlichen geographisch oder thematisch zentrierten Aufsatzbänden,157 ist hier vor allem eine grundlegend konzipierte und vielfach rezipierte Anthologie pfingstlicher Missionstheologien zu nennen, die Murray Dempster, Byron Klaus und Douglas Petersen herausgegeben haben.158 Zentrales Anliegen des Bandes ist die Entwicklung der Lehre vom Gottesreich als Grundlegung der Missionstheologie, von der aus Fragen der kulturellen und religiösen Kontextualisierung sowie der ökumenischen Zusammenarbeit breiter entwickelt werden als in den praxisorientierten Ansätzen.159 In ähnlicher Weise sind die von dem finnischen Pfingsttheologen Veli-Matti Kärkkäinen herausgegebenen Aufsätze daran interessiert, die pfingstliche Missi154 Pomerville, Paul A.: The Third Force in Missions: A Pentecostal Contribution to Contemporary Mission Theology. Peabody, MA: Hendrickson, 1985. 155 McClung, Grant (Hg.): Azusa Street and Beyond: Pentecostal Missions and Church Growth in the Twentieth Century. South Plainfield, NJ: Bridge Publishing, 1986. 156 Vgl. Ma, Julie C.: Mission Possible: Biblical Strategies for Reaching the Lost. Milton Keynes: Paternoster Press, 2005; York, John V.: Missions in the Age of the Spirit. Springfield, MO: Logion Press, 2000. 157 Jongeneel, J. A. B. (Hg.): Pentecost, Mission, and Ecumenism: Essays on Intercultural Theology : Festschrift in Honour of Professor Walter J. Hollenweger. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1992 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 75); Ma, Wonsuk; Ma, Julie C. (Hg.): Asian Church and God’s Mission: Studies Presented in the International Symposium on Asian Mission in Manila, January 2002. Mandaluyong City : OMF Literature Inc., 2003; Anderson, Allan H.; Tang, Edmond (Hg.): Asian and Pentecostal: The Charismatic Face of Christianity in Asia. Oxford: Regnum Books, 2005; Brenneman, B.; Brookman, William Robert; Muhovich, N. (Hg.): Java & Justice: Journeys in Pentecostal Missions Education. Minneapolis, MN: North Central University Press, 2006; Kalu, Wilhelmina; Wariboko, Nimi; Falola, Toyin (Hg.): African Pentecostalism: Global Discourses, Migrations, Exchanges, and Connections. Asmara: Africa World Press, 2010 (The Collected Essays of Ogbu Uke Kalu 1). 158 Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): Called & Empowered: Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson, 1991. 159 Vgl. auch den späteren missionstheologisch zentrierten, aber breiter aufgestellten Band der selben Herausgeber : Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): The Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

61

onstheologie neu von verschiedenen Themen der kontextuellen Theologie her zu denken, und so eine globale pfingstliche Theologie zu entwickeln.160 Mit in diesen Themenkreis gehört zudem die gerade im Blick auf Pfingstkirchen lebhaft geführte Debatte zur sogenannten „reverse mission“, einer Missionsbewegung vom globalen Süden nach Europa und Nordamerika, deren Ausmaß und theologische Implikationen allerdings sehr unterschiedlich eingeschätzt werden.161 Der wahrscheinlich wichtigste systematisch-theologische Impuls für eine Neuformulierung pfingstlicher Missionstheologie kam aber aus der Eschatologie. Denn nachdem sich auch die Pfingstbewegung wie viele andere christliche Traditionen vor ihr auf das Ausbleiben der Parusie einstellen musste und zunächst in ihrer Eschatologie Formen des evangelikalen Dispensationalismus übernommen hatte, begannen pfingstliche Gelehrte seit den 1990er Jahren im Rückbezug auf das eigene Erbe, eine eigene pfingstliche Artikulation des Eschatons zu entwickeln. Dabei protestierten sie gegen die Übernahme der dispensationalistischen Reduktion des Eschatons auf die Wiederkunft Christi und wiesen darauf hin, dass die frühe Pfingstbewegung die Geistausgießung als einen proleptischen Einbruch des kommenden Gottesreichs in die Gegenwart verstanden hatte. So wies William Faupel auf die Zentralität der milleniaristischen Naherwartung für die frühe Pfingstbewegung hin, die in Geisttaufe, Zungenrede, Heilung und Versöhnung das Handeln Gottes in der letzten Zeit erblickte, und forderte die Rückkehr zu dieser milleniaristischen Vision.162 Ebenso arbeitete Steven Land die Spannung zwischen dem „schon jetzt und noch nicht“ als eschatologisches Zentrum der pfingstlichen Spiritualität heraus, nämlich als eine apokalyptische Vision, die schon jetzt eine durch den Geist vermittelte eschatologische Praxis des Gottesreichs ermöglicht.163 Peter Althouse legte zehn Jahre später einen wichtigen Überblick über die in diesem Sinne argumentierenden pfingstlichen Neuansätze zur Eschatologie vor, die er systematisch-theologisch profilierte und in einen Dialog mit Jürgen Moltmanns Eschatologie brachte.164 Zusammen mit

160 K•rkk•inen (Hg.): Spirit in the World. 161 S. zur Einführung W•hrisch-Oblau, Claudia: The Missionary Self-Perception of Pentecostal/ Charismatic Leaders from the Global South in Europe: Bringing Back the Gospel. Leiden: Brill, 2009 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 2); Quaas, Anna D.: Transnationale Pfingstkirchen: Christ Apostolic Church und Redeemed Christian Church of God. Frankfurt am Main: Lembeck, 2011; Kalu, Ogbu U.: African Pentecostalism in Diaspora. In: PentecoStudies 9, Nr. 1 (2010), S. 9 – 34. 162 Faupel, David W.: The Everlasting Gospel: The Significance of Eschatology in the Development of Pentecostal Thought. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996 (Journal of Pentecostal Studies Supplement Series 10). 163 Land: Pentecostal Spirituality. 164 Althouse, Peter : Spirit of the Last Days: Pentecostal Eschatology in Conversation with Jürgen Moltmann. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2003 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 25). Moltmanns Vorwort zu diesem Band ist ein wohlwollender Kommentar, der

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

62

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

dem pfingstlichen Exegeten Robby Waddell, der auch eine Untersuchung zur Johannesapokalypse vorgelegt hat,165 gab Althouse zudem einen programmatischen Sammelband heraus, der von einer Kritik an der dispensationalistischen Eschatologie und Apokalyptik getragen ist, sowie von dem Anliegen, Eschatologie in Verbindung mit Soteriologie zu denken.166 Auf der gleichen Linie liegt auch Frank Macchias eschatologische Pneumatologie der Geisttaufe, in der er die eschatologische Vollendung in Analogie zur Geisttaufe konzipiert: Die basileia tou theou, Gottes Reich, das Macchia als hingebungsvolle Selbstzurücknahme des Sohnes im Heiligen Geist und dessen Erhöhung durch den Vater im Geist definiert, werde am Ende der Zeit die gesamte Schöpfung umfassen. In einem bereits begonnenen und auf Vollendung harrenden Prozess werde die ganze Schöpfung in eine Teilhabe an Gottes Sein hineingenommen bzw. untergetaucht sein; und das ist es, was für Macchia Geisttaufe letztlich bedeutet. Zu Pfingsten wird laut Macchia das neue eschatologische Volk Gottes konstituiert, das im Eschaton auf „alles“ (1Kor 15,28b) ausgedehnt sein wird.167 Weitere neue Monographien greifen Moltmanns und Macchias Arbeiten auf und stellen sie in einen weiteren ökumenischen bzw. biblisch-theologischen Kontext. Hierzu ist insbesondere Matthew Thompsons Eschatologie zu nennen, der im Dialog mit dem russisch-orthodoxen Theologen Sergius Bulgakov eine holistische und pneumatologisch orientierte Zusammenschau von Soteriologie und Eschatologie entwarf,168 sowie die interdisziplinär vorgehende Monographie von Larry McQueen, der einerseits historisch vorgehend frühe pfingstliche Texte auf deren Eschatologie untersuchte und andererseits in einem exegetisch arbeitenden Kapitel die Johannesapokalpyse als systematisch-theologische Quelle für die eschatologische Pneumatologie erschloss.169 Der anglikanische Charismatiker Andy Lord war der erste, der diese eschatologischen Debatten für die pfingstliche Missionstheologie fruchtbar machte. Im Gegenzug zu den eher partikularen und pragmatischen Entwürfen seiner Vorgänger legte Lord einen Neuansatz einer ganzheitlichen Missions-

165 166 167

168 169

die Bedeutung der pfingstlichen Debatte zur Eschatologie für die etablierten Kirchen hervorhebt. Waddell: Spirit. Althouse, Peter ; Waddell, Robby (Hg.): Perspectives in Pentecostal Eschatologies: World Without End. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010. Macchia: Baptized in the Spirit, Macchia, Frank D.: Das Reich und die Kraft: Geistestaufe in pfingstlerischer und ökumenischer Perspektive. In: Evangelische Theologie 69, Nr. 4 (2009), S. 286 – 299, vgl. auch Macchia, Frank D.: Jesus Is Victor : The Eschatology of the Blumhardts with Implications for Pentecostal Eschatologies. In: Althouse, Peter ; Waddell, Robby (Hg.): Perspectives in Pentecostal Eschatologies. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010, S. 375 – 400; Macchia: Signs of Grace. Thompson, Matthew K.: Kingdom Come: Revisioning Pentecostal Eschatology. Dorset: Deo Publishing, 2010. McQueen, Larry R.: Toward a Pentecostal Eschatology: Discerning the Way Forward. Dorset: Deo Publishing, 2012.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

63

theologie vor, die in einem Verständnis des Heiligen Geistes als Vermittlungsinstanz zwischen dem Universalen (Gottes) und dem Partikularen (der Welt) begründet ist. Mission ist somit die geistgewirkte Bewegung zwischen dem eschatologischen Reich Gottes und dem unvollendeten Jetzt, zwischen Schöpfung und Kirche, zwischen Evangelium und Kontext.170 Damit machte er das Ganzheitlichkeitsparadigma, das zuvor durch die Empirie vermittelt in der Soteriologie aufgenommen wurde, zum erkenntnistheoretischem Prinzip einer Missionstheologie. Lords Aufsatz in diesem Sammelband, MissionsEschatologie: Ein Grundgerüst für Mission im Geist171, zeichnet diesen Ansatz programmatisch vor und geht dabei insbesondere auf das Verhältnis von Mission und Eschatologie ein. Im Gefolge Steven Lands weist Lord darauf hin, dass Zungenrede und Heilung für die frühe Pfingstbewegung ein „Zeichen des eschatologischen Hereinbrechens des Reiches Gottes“ war, das der Verkündigung des Evangeliums auf der ganzen Erde dienen sollte. Somit sind Mission und Eschatologie in einer Reich-Gottes-Theologie miteinander verschränkt, die von sozialem Handeln sowie von der Ausübung der Geistesgaben getragen ist. Mission wird demnach als ein Werk des Geistes verstanden, das „einen Vorgeschmack auf das zukünftige Reich in die heutige Welt bringt.“ Diese generellen Überlegungen Lords finden sich mittlerweile auch in stärker kontextuellen Missionstheologien, so etwa bei Wonsuk und Julie Ma, die in asiatischen Kirchen ein „tieferes und breiteres Engagement in Mission“ nachzeichnen,172 oder in der Dissertation des indischen pfingstlichen Theologen Wessley Lukose, der den Geist als Vermittlungsinstanz zwischen der universalen Mission Gottes und dem jeweiligen Kontext ansieht, womit sozioökonomische, politische und religiöse Kontextualisierung zu zentralen Themen seiner pfingstlichen Missionstheologie werden.173 Einen anders gelagerten Ansatz der Missionstheologie hat Kirsteen Kim vorgelegt, denn sie entwickelt ihren Entwurf aus der Dynamik der Geisterunterscheidung heraus und kann damit die postkoloniale Kritik an Mission und Globalisierung sowie andere Religionen zu ihrem jeweils eigenen Recht kommen lassen.174 In ihrer Theologie geht es somit nicht darum, den Heiligen Geist überall in die Mission einzuschreiben, sondern Affinitäten zwischen den in verschiedenen Kontexten zu findenden Geistern und den Charakteristika Christi zu erkennen. Mission wird so zu einer viel pluraleren Aufgabe, die in einer jeweils parti170 Lord, Andy : Spirit-Shaped Mission: A Holistic Charismatic Missiology. Milton Keynes: Paternoster Press, 2005. Vgl. auch die Erweiterung dieses Gedankens hin zu einer von dieser Mission getragenen Ekklesiologie, Lord: Network Church. 171 Lord, Andy : Mission Eschatology : A Framework for Mission in the Spirit. In: Journal of Pentecostal Theology Nr. 11 (1997), S. 111 – 123. 172 Ma, Julie C.; Ma, Wonsuk: Mission in the Spirit: Towards a Pentecostal/Charismatic Missiology. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2010. 173 Lukose, Wessley : Contextual Missiology of the Spirit. Oxford: Regnum Books, 2013 (Regnum Studies in Mission). 174 Kim, Kirsteen: The Holy Spirit in the World: A Global Conversation. London: SPCK, 2007.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

64

Jörg Haustein / Giovanni Maltese

kularen und vorläufigen Auseinandersetzung mit anderen Religionen, Kulturen und Kontexten besteht. Damit schlägt Kim die Brücke zur pfingstlichen Theologie der Religionen, die vor allem mit dem überaus produktiven und einflussreichen Pfingsttheologen Amos Yong verbunden ist. Bereits in seiner Dissertation entwickelte Yong eine pneumatologische Theologie der Religionen, in welcher der Geist (als Vermittlungsinstanz zwischen reiner Potentialität und der geschichtlichen Aktualität) in allen Religionen in verschiedener Intensität präsent und abwesend gedacht werden muss.175 Die Frage nach der Theologie der Religionen wird so zur Frage der Geisterunterscheidung und damit zu einem genuin pneumatologischen Topos, welcher die Pfingstbewegung für den interreligiösen Dialog öffnet. Hier unterscheidet Yong drei Ebenen: phänomenologisch-erfahrungsorientiert, moralisch-ethisch und theologisch-soteriologisch. Die interreligiösen Implikationen dieser Fundamentaltheologie klingen in mehreren seiner Werke nach, insbesondere in seinem Entwurf einer pneumatologischen Dogmatik und seiner Ethik des interreligiösen Dialogs.176 In jüngster Zeit hat er seinen Ansatz im buddhistisch-christlichen Dialog fruchtbar gemacht, den er dabei zu einem Trialog im Gespräch mit den Wissenschaften erweitert.177 Eine weitere konkrete Ausarbeitung dieser Idee für den interreligiösen Dialog wurde jüngst von Tony Richie vorgelegt.178 Yongs Öffnung der Pfingstheologie auf einen pneumatologischen Pluralismus hin hat eine grundlegende Bedeutung und nachhaltige Wirkung in pfingstlicher Theologie, weshalb sein Beitrag unter der Überschrift Geist(er) unterscheidung in der Welt der Religionen: Wege zu einer pneumatologischen Theologie der Religionen179 auch am Ende dieses Sammelbands steht. Yong profiliert hier die pfingstliche Theologie auf Basis einer „robusten Trinitätstheologie“, indem er mit Irenäus Wort und Geist als gleichermaßen wirksame Vektoren des Handelns Gottes in der Welt versteht. Da der Geist aber nach dem biblischen Zeugnis als eine universale und jeweils nur qualitativ zu bestimmende Anwesenheit Gottes in allen seinen Geschöpfen und allen menschlichen Beziehungen und Gemeinschaften zu verstehen sei, ließen sich keine exklusivistischen Dualismen mehr aufrechterhalten. Interreligiöser Dialog und die Theologie der Religionen seien nur noch in kontinuierlichen Spektren 175 Yong: Discerning the Spirit(s). 176 Yong: Spirit Poured Out; Yong: Hospitality. 177 Yong, Amos: Pneumatology and the Christian-Buddhist Dialogue: Does the Spirit Blow Through the Middle Way? Leiden: Brill, 2012 (Studies in Systematic Theology); Yong, Amos: The Cosmic Breath: Spirit and Nature in the Christianity-Buddhism-Science Trialogue. Leiden: Brill, 2012 (Philosophical Studies in Science and Religion 4). 178 Richie, Tony : Speaking by the Spirit: A Pentecostal Model for Interreligious Dialogue. Lexington, KY: Emeth Press, 2011 (Asbury Theological Seminary Series in World Christian Revitalization Movements in Pentecostal/Charismatic Studies 6). 179 Yong, Amos: Discerning the Spirit(s) in the World of Religions: Toward a Pneumatological Theology of Religions. In: Stackhouse, John G. (Hg.): No Other Gods Before Me? Evangelicals and the Challenge of World Religions. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2001, S. 37 – 61.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche und charismatische Theologie

65

von An- bzw. Abwesenheit des Geistes Gottes zu denken, was sie zur Aufgabe der Geisterunterscheidung macht, die Yong als interdisziplinäre und komparative Aufgabe fasst, der man nur im Dialog gerecht werden kann. Yong setzt sich dabei sehr intensiv mit möglichen Anfragen an seine Theologie auseinander und schließt mit einem Plädoyer für eine offene und respektvolle Form der Theologie, die im jeweils anderen „die imago dei und [Gottes] Lebenshauch“ erkennt, und in der Christus durch den Heiligen Geist erhöht wird. In dieses theologische Anliegen stellt sich auch der vorliegende Sammelband mit den nun folgenden Aufsätzen, in der Hoffnung, einen intensiven und gewinnbringenden theologischen Dialog mit und innerhalb der deutschsprachigen Pfingstbewegung zu befördern.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Exegese und Hermeneutik

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Max Turner

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8 *

Das Waterloo pfingstlicher Soteriologie und Pneumatologie?

Ganz offensichtlich enthält diese Überschrift mit dem Verweis auf Waterloo eine bewusste Zweideutigkeit. Denn alles hängt davon ab, ob die pfingstliche Theologie mit Napoleons oder mit Wellingtons Lager identifiziert wird. Doch die Überschrift suggeriert, dass es in beiden Fällen auf diesem Kampfplatz viel zu gewinnen gibt – und viel zu verlieren. Die Wahl des Begriffs „Waterloo“ könnte anmaßend wirken, da sie vorgibt, dass es sich nicht nur um irgendeinen einen Sieg mit irgendeiner gewissen Bedeutung handelt, sondern nahezu um das Ende des Spiels.1 Wir werden darauf in unserem Schlussteil zurückkehren und diese Angelegenheit überdenken.

Einleitung – zur Definition der Ausgangspositionen Pfingstler haben bis dato keinen größeren exegetischen Beitrag zur Samaritanermission erbracht. Sie nehmen jedoch regelmäßig auf Apg 8 Bezug, um sie als das offensichtlichste Beispiel für das klassische pfingstliche Paradigma heranzuziehen. Für sie bietet diese Textstelle das deutlichste Fallbeispiel für die Lehre von der „Nachzeitigkeit der Geisttaufe“, sprich von der Überzeugung, dass man zuerst durch den Glauben an Christus und das Bekenntnis zu ihm (das durch die Bußtaufe gekennzeichnet ist) zum Heil gelangt und erst später der pfingstliche Geist empfangen wird. Es ist deutlich, dass die Samaritaner durch die Verkündigung des Philippus und ihre Antwort darauf Christen im vollen Sinne geworden waren (pace Dunn). Den pfingstlichen * Originalveröffentlichung: Turner, Max: Interpreting the Samaritans of Acts 8: The Waterloo of Pentecostal Soteriology and Pneumatology? In: Pneuma 23, Nr. 2 (2001), S. 265 – 286. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. 1 Die vielleicht einzige Abhandlung, die dem Kampf um diese Perikope eine ähnliche entscheidende Bedeutung beimisst, ist die Monographie von Bischof Nikolaus Adler: Taufe und Handauflegung: Eine exegetisch-theologische Untersuchung von Apg 8, 14 – 17. Münster, Westfalen: Aschendorf, 1951 (Neutestamentliche Abhandlungen 19). Adlers These ist, dass Philippus nicht die bestätigende Gabe des Geistes erteilen konnte, weil er lediglich ein Priester war. Dementsprechend konnte Philippus zwar ordentliche Taufen vollziehen – jedoch nicht mehr als das. Lukas lehre uns, dass nur Bischöfe – wie Petrus und Johannes – die nachfolgende Gabe erteilen konnten.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

70

Max Turner

Geist empfangen sie jedoch erst später, nämlich dann, als die Jerusalemer Apostel eintreffen und unter Handauflegung für sie beten. Die in dieser Episode offensichtlich zum Ausdruck kommende Nachzeitigkeit wird auch zur Untermauerung der damit eng verbundenen pfingstlichen Lehre von der „Trennbarkeit“ herangezogen – sprich zur Untermauerung der Auffassung, es gehe bei der pfingstlichen Gabe des Geistes nicht darum, dass der Gläubige zu Erneuerung, Heil und Leben gelangt, sondern dass es sich dabei um ein getrenntes, theologisch gesondertes, tiefgreifendes charismatisches Werk des Geistes handelt, das zum Dienst und zum Zeugnis bevollmächtigt. Soweit das, was allseits bekannt ist. Was oftmals nicht beachtet wird, ist, dass wir innerhalb des pfingstlichen Lagers mindestens zwei größere unterscheidbare Positionen finden.

Pneumatologien, die ein doppeltes Empfangen des Geistes vorsehen Für die Mehrheit der Pfingstler, einschließlich solcher Theologen wie etwa H. D. Hunter, H. M. Ervin, J. R. Williams und F. L. Arrington, operiert Lukas mit einer zweistufigen Pneumatologie.2 Ihrer Auffassung nach setzt Lukas voraus, dass der Geist eine Person zur Bekehrung führt und dass er dann dieser Person gegeben ist, um ihr Herz in der Erneuerung zu reinigen und ihr Heil und Leben zu vermitteln. Durch die Gabe der Einwohnung des Geistes könne eine Person in ihrer Beziehung zu Gott und zum Herrn Jesus Christus wachsen und die Frucht des Geistes im Sinne der in Gal 5,22 aufgezählten Tugenden hervorbringen. Dies sei jedoch vom Empfang der pfingstlichen Gabe zu unterscheiden. Sie entspricht eher der Ostergabe des Geistes an die Jünger, von der in Joh 20,22 berichtet wird, und nicht der Gabe in Apg 2. Die Gabe in Apg 2 hingegen ist der rein charismatische Geist der Prophetie, der mit wundertätigen Gaben zum Dienst und zur Mission bevollmächtigt.3 Als 2 Hunter, Harold D.: Spirit-Baptism: A Pentecostal Alternative. Lanham, MD: University Press of America, 1983; Ervin, Howard M.: Spirit-Baptism: A Biblical Investigation. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1987; Williams, J. Rodman: Renewal Theology : Systematic Theology from a Charismatic Perspective. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988ff, insbes. Bd. 2); Arrington, French L.: The Acts of the Apostles: An Introduction and Commentary. Peabody, MA: Hendrickson, 1988. Arringtons Auffassung wird in seiner Diskussion von Apg 19,1 – 6 am deutlichsten, wenn er feststellt, „die Jünger von Ephesus waren Christusgläubige, in denen der Heilige Geist wohnte, sie hatten jedoch die Fülle des Geistes noch nicht empfangen. Paulus fragte sie nicht nach dem erneuernden Werk des Geistes, das sich mit dem Glauben ereignet, sondern nach ihrem Empfang des Geistes nachdem sie zum Glauben gekommen waren“, den er sodann als charismatische Begabung beschreibt, welche die Jünger dazu ausrüstet, das Evangelium zu verkündigen, ebd., S. 193. 3 Diese Lesart findet sich bei Chrysostomos und Calvin. Ihre gelehrteste Verteidigung findet sich bei Beasley-Murray, George R.: Baptism in the New Testament. London: Macmillan, 1962, S. 118 – 119.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

71

zweite Segnung ist dies die „Taufe mit dem Geist“ oder „Erfüllung mit dem Geist“, die von solch sichtbaren und beeindruckenden Phänomenen begleitet ist, dass sie sogar einen erstklassigen Magier neidisch werden lässt – Simon Magus in Apg 8,18 f. In seiner Artikulation dieser klaren zweistufige Pneumatologie kann Howard Erwin daher feststellen, dass die Samaritaner, die durch den Dienst des Philippus in der Macht des Geistes einwandfrei bekehrt worden waren, Christen im vollsten Sinne sind und dass „deren Taufe selbst bezeugt, dass diese […] Bekehrten das erneuernde Wirken des Heiligen Geistes in ihren Leben erfahren hatten“, sie aber noch die Taufe im Geist empfangen mussten.4 Von hier aus ist es dann ein Leichtes, die SamaritanerEpisode zu rekontextualisieren: Für Ervin sind die Samaritaner von Apg 8,12 – 14 ein Typos aller traditionell evangelikalen Christen. Sie sind zum Heil gelangt, aber müssen noch die Segnung des Pfingstereignisses empfangen.

Einstufige Pneumatologien Pfingstler, die sich auf die Lukasexegese spezialisiert haben, wie etwa R. Stronstad, J. Shelton; R. P. Menzies und J. M. Penney,5 erkennen, dass dies sicherlich nicht das ist, was Lukas sagt, noch was er meint. Lukas unterscheidet nicht zwischen zwei Stufen; zuerst dem Empfang der soteriologischen Gabe des Geistes, dann der nachfolgenden Gabe pfingstlicher Kraft. Er hat kein Äquivalent für Joh 20,22. Er kennt nur eine Gabe des Geistes, die er mit dem Getauftwerden im Geist gleichsetzt. Daher werden Jesu Worte in Apg 1,5 bezüglich der bald an den Jüngern zu geschehenden Taufe mit dem Heiligen Geist im Folgenden als ihr „Erfülltwerden mit“ dem Heiligen Geist (2,4) ausbuchstabiert. Ebenso verhält es sich mit Joels verheißener Gabe, die auf sie „ausgegossen“ wird (2,17.18.33) bzw. „auf sie fällt“ (11,15): Diese Textbelege werden in 2,39; 10,47; 11,15; 15,8 alle mit dem „Empfang/en der Gabe des Geistes“ gleichgesetzt. Am deutlichsten finden wir diese Gleichung in der Kornelius-Episode. Dort heißt es in 10,44, dass der Geist „auf [sein Haus] fiel“, und dies wird im Fortgang dann als „die Gabe des Heiligen Geistes“, die auf sie 4 Ervin: Spirit-Baptism, S. 73. 5 Stronstad, Roger: The Charismatic Theology of St. Luke. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1984; Stronstad, Roger: The Prophethood of All Believers a Study in Luke’s Charismatic Theology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 16); Menzies, Robert P.: The Development of Early Christian Pneumatology with Special Reference to Luke-Acts. Sheffield: JSOT Press, 1991 (Journal for the Study of the New Testament Supplements 54); Menzies, Robert P.: Empowered for Witness: The Spirit in Luke-Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1994 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 6); Penney, John M.: The Missionary Emphasis of Lukan Pneumatology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1997 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 12); Shelton, James B.: Mighty in Word and Deed: The Role of the Holy Spirit in Luke-Acts. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

72

Max Turner

„ausgegossen“ wurde (10,45), beschrieben. Es wird auch als ihr „Empfangen“ des Geistes (10,47), als ihr „getauft werden mit dem Geist“ (11,16) beschrieben, oder mit den Worten „ihnen den Heiligen Geist gegeben“ (15,8). Zudem fügt der Sprecher bei den meisten dieser Aussagen ein „wie (auf) uns am Anfang“ hinzu. Der Samaritaner-Bericht besitzt ähnliche Charakteristika. Er identifiziert das „Fallen des Geistes auf“ die Samaritaner (8,16) mit ihrem „Empfangen“ des Geistes bzw. dem „ihnen gegeben[en]“ Geist (8,15.17.18.19). Es scheint als kenne Lukas nur eine Gabe des Geistes. Lukas’ redaktionelle Erklärung in 8,16 schließt die Auffassung schlechterdings aus, dass er meinen könnte, die Samaritaner hätten vorher bereits eine Gabe des Geistes, die Heil und Leben gebracht hatte, empfangen. In 8,15 lesen wir, dass Petrus und Johannes für die Samaritaner beteten, „dass sie den Heiligen Geist empfingen“ und in 8,16 erklärt er, „denn er war noch auf keinen von ihnen gefallen, sondern sie waren allein getauft auf den Namen des Herrn Jesus“. Dann kehrt er in 8,17 zur Ausdrucksweise „den Geist empfangen“ zurück. Er berichtet uns, dass die Samaritaner „den Heiligen Geist empfingen“, als die Apostel ihnen die Hände auflegten. Ich gebe zu bedenken, dass dies nicht die Weise ist, in der ein Anhänger einer zweistufigen Peneumatologie den Bericht geschrieben hätte. Denn sie impliziert, dass es vor der Handauflegung der Apostel überhaupt keinen Empfang des Heiligen Geistes in irgendeiner Art gegeben hat. Hätte Lukas dies anders gemeint, dann hätte er 8,15 f. in etwa so geschrieben: Petrus und Johannes beteten für sie, dass sie mit dem Geist erfüllt/getauft würden, denn der Geist war noch nicht mit großer Kraft oder Vollmacht auf sie gefallen, sondern sie waren nur im Namen Jesu getauft worden und hatten die Gabe zur Errettung und zum Leben empfangen. Aber das ist nicht das, was Lukas schrieb. Für Lukas haben diejenigen, die Joels Gabe der Prophetie nicht empfangen haben – zugespitzt gesagt, diejenigen, die (nach Pfingsten) nicht mit dem Geist getauft worden sind – den Geist schlichtweg überhaupt nicht empfangen. Dementsprechend antworten die zwölf Epheser, auf die Frage des Paulus, ob sie den Geist empfangen hätten, als sie gläubig wurden, nicht etwa: „Ja, wir haben die Einwohnung des Geistes empfangen, aber wir haben noch nie etwas von der pfingstlichen Fülle gehört.“ Sondern sie antworten, dass sie überhaupt noch nie davon gehört haben, dass der Geist gegeben wird.6 Ich denke wir müssen diesen Punkt zugestehen. Es gibt schlichtweg keinen Beleg dafür, dass Lukas selbst die christliche Erfahrung im Rahmen einer zweistufigen Pneumatologie dachte.7 Selbst wenn er dies getan hätte, würde es

6 Pace Arrington: Acts, S. 193. 7 Interessanterweise kommt Lukas dieser Auffassung in Bezug auf Jesus am nächsten, der zwar vom Geist gezeugt ist (Lk 1,35), zugleich aber die Vollmacht des Geistes erst am Jordan empfängt

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

73

die ernsthafte Frage aufwerfen, warum er jene Heil und Leben bringende, hochwichtige Gabe des Geistes in völligem Stillschweigen übergangen hat, nur um auf eine solch exklusive Weise das hervorzuheben, was theologisch betrachtet ohnehin nur eine sekundäre Bevollmächtigung für den Dienst darstellt. Wir werden später darauf zurückkehren. Einstufige pfingstliche Erklärungen von Apg 8 sind aber wichtigen Fragen ausgesetzt. Erstens stellen sich Fragen in Bezug auf die Soteriologie, die in einer solchen Behauptung zum Ausdruck kommt. Welchen Sinn hat die Rede davon, dass die Samaritaner durch den Dienst des Philippus das „Heil“ erlangt haben, bevor sie den Geist empfingen? Was ist der Inhalt eines solchen Heils und durch welches göttliche Wirken wird es vergegenwärtigt? Zweitens stellen sich Fragen in Bezug auf die implizite Pneumatologie. Legt diese Perikope nahe, dass die „Nachzeitigkeit“ normal oder anormal ist? Steht der Empfang des Geistes in besonders enger Verbindung mit Mission, oder ist er ebenso mit dem verbunden, was Lukas als das Leben im „Heil“ bezeichnet?

Zur Soteriologie Für Menzies – dem Chefarchitekt einstufiger pfingstlicher Erklärungen der Apostelgeschichte – bedeutet gegenwärtiges Heil im Wesentlichen zwei Dinge: anfängliche Rechtfertigung bzw. „Vergebung der Sünden“ und Eingliederung in das Volk Gottes.8 Dies stellt normalerweise die Voraussetzung für den Empfang des Geistes dar, und weniger das, was durch den Empfang des Geistes bewirkt wird. Für Lukas, der den zwischentestamentlichen jüdischen Auffassungen folgt, ist der Geist ausschließlich prophetisch (indem er Offenbarung, charismatische Weisheit und inspirierte Rede wirkt) und missiologisch ausgerichtet – indem er die Gläubigen ausrüstet anderen zu dienen, hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) den Außenstehenden.9 Der Geist ist jedoch (3,21 f.). Doch wenn er die Jünger in der Zeit nach Pfingsten beschreibt, findet sich kein Äquivalent zum vorigen, es sei denn, dies ist in der einen Gabe des Geistes an die Gläubigen enthalten. 8 Menzies: Development; Menzies: Empowered, Kap. 12; Menzies, Robert P.: The Spirit of Prophecy, Luke-Acts and Pentecostal Theology : A Response to Max Turner. In: Journal of Pentecostal Theology 15, Nr. 7 (1999), S. 49 – 74, hier S. 52 – 53. Roger Stronstad definiert Heil mit den Begriffen der „Regeneration, Initiation und Inkorporation“, die der Gabe des Geistes in Lukas vorausgehen Stronstad: Prophethood, S. 121. Eine Analyse und Replik finden sich in M. Turner, Turner, Max: Does Luke Believe Reception of the “Spirit of Prophecy” Makes All “Prophets”? Inviting Dialogue with Roger Stronstad. In: Journal of the European Pentecostal Theological Association (2000), S. 3 – 24. 9 Zuvor hatte Menzies regelmäßig von der Gabe des Geistes als ausschließliche missiologische Ausrüstung gesprochen – eine Sichtweise, die ich als zu eng formuliert kritisiert habe, s. Turner, Max: Power from on High: The Spirit in Israel’s Restoration and Witness in Luke-Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 9); Turner, Max: The Holy Spirit and Spiritual Gifts: Then and Now. Paternoster Press, 1996; vgl. auch

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

74

Max Turner

nicht erforderlich, um die Art von Grundweisheit und Verständnis zu vermitteln, die das Individuum benötigt, um zu einem authentischen christlichen Leben zu gelangen und darin zu bleiben.10 Vor diesem Hintergrund wird einsichtig, wie dann Menzies’ Interpretation von Apg 8 aussehen muss. Mit einer solch eingeschränkten Auffassung von Heil ist es allzu einfach an einer „Nachzeitigkeit“ und „Trennung“ festzuhalten. Mein Problem damit liegt in der inadäquaten Soteriologie. Für Lukas bedeutet Heil weitaus mehr als anfängliche „Rechtfertigung“ und Eingang in das Volk Gottes, das zur Auferstehung und zur eschatologischen Seligkeit bestimmt ist. Selbst die frömmsten Juden hätten – vor der Ankunft des Messias – gedacht, dass sie durch den Bund, den Tempel und den Versöhnungstag im Besitz dieser Dinge sind. Lukas hätte ihnen wahrscheinlich zugestimmt. Doch was für ein Heil war es dann, das sie erwarteten und das Lukas in Christus gekommen sah?11 Wenn man von den zwischentestamentlichen Erwartungen ausgeht, die sich deutlich in den Cantica in Lukas 1 – 2 und darüber hinaus widerspiegeln, hofften sie auf das „Heil“ in Form von Gottes selbst offenbarender und transformierender Gegenwart und Herrschaft, die sich als befreiende und reinigende Macht erweisen würde, die Israel als Licht für die Nationen wiederherstellen würde.12 Kurz gesagt: Lukas verstand, dass sie ein Reich Gottes erwarteten, das hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, im Sinne der jesajanischen Hoffnungen auf einen neuen Exodus begriffen wurde. Viele (einschließlich Johannes des Täufers) rechneten damit, dass dies durch das Werk eines messianischen dienenden Befreiers geschehen sollte, der in der Macht des Geistes wirken würde. Und solche Hoffnungen sah Lukas sicherlich im Dienst Jesu teilweise erfüllt. Dies zeigt sich in seinem Bericht über Jesu Predigt in Nazareth. Jesus liest die Worte aus Jes 61 – Worte, die auf exakte Weise die jesajanischen Hoffnungen auf einen neuen Exodus zum Ausdruck bringen – und beansprucht explizit, diese zu erfüllen (Lk 4,21). Durch seine eigenen Worte und Handlungen, die in der Macht des Geistes gesprochen und vollbracht werden, bringt er den Armen die Frohe Botschaft, setzt die Gefangenen frei, bringt den Unterdrückten Befreiung und führt in „das Gnadenjahr des gnädigen Herrn“. Unterschiedliche Menschen erfahren dieses Heil auf unterschiedlichen Wegen und in unterschiedlichem Ausmaß. Für einige besteht die Turner, Max: Empowerment for Mission? The Pneumatology of Luke-Acts: An Appreciation and Critique of James B. Shelton’s Mighty in Word and Deed. In: Vox Evangelica Nr. 24 (1994), S. 103 – 122. Menzies hat seine Position in seinem jüngsten Artikel qualifiziert, Menzies: The Spirit of Prophecy, S. 53 – 54. 10 Menzies: The Spirit of Prophecy, S. 54 – 57. 11 Für eine detailliertere Darstellung der lukanischen Soteriologie und der entsprechenden Literatur, s. Turner : Power from on High, Kap. 5 – 7; 9; 11; 13. Eine Kurzfassung davon findet sich in Turner, Max: The Spirit in Luke-Acts: A Support or a Challenge to Classical Pentecostal Paradigms? In: Vox Evangelica Nr. 27 (1997), S. 75 – 101. 12 Turner : Power from on High, S. 133 – 137 und Kap. 6 – 7.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

75

Erfahrung des Reiches Gottes bzw. des „Heils“ in Heilung und/oder Exorzismen (Lk 11,20 usw.), obwohl dies nicht immer zur Jüngerschaft führt. Für einige bestand das Reich Gottes bzw. das „Heil“ darin, dass das Leben einer geliebte Person (sowie Beschützer und Versorger) wiederhergestellt wird, wie es beim Sohn der Witwe zu Nain in Lk 7,11 – 17 der Fall war. Für andere konnte das Heil in lebhaften Momenten der Versöhnung und Wiederherstellung mit Gott kommen, wie wir sie hinter der Geschichte von der sündigen Frau vermuten können, der in Lk 7,11 – 17 vergeben wird, und wie sie im Gleichnis vom verlorenen Vater in Lk 15,11 – 32 auf solch eine wunderschöne Weise ausgemalt wird. Wieder andere erfuhren Heil in der sozialen Wiederherstellung und in einer partiellen Transformation, die durch eine fortwährende Jüngerschaft mit Jesus und seinen Lehren bewirkt wird, wie es beispielsweise bei Zachäus in Lk 19,1 – 9 der Fall ist. All diese wunderbaren Dinge sind Aspekte des Heils bzw. des Gottesreichs, das Jesus verkündet und herbeigeführt hat. Und sie waren gewirkt durch die Kraft des Geistes, der in Jesu Worten und Handlungen am Werk war. Genauer gesagt sind das Reich Gottes und das Heil im Wesentlichen so eng mit Jesus und mit der Wirkung seines Dienstes verbunden, dass sich im Zusammenhang mit seinem bevorstehenden Weggang durch Tod und Himmelfahrt ein potentielles Problem ergibt. Wie werden das Reich Gottes und das Heil weiterhin in der Gegenwart erfahrbar sein, wenn Jesus fortgeht? Hans Conzelmann sah das Problem in seinem vollen Ausmaß und schlussfolgerte – auf logische, m. E. jedoch gänzlich falsche Weise –, dass das Heil bzw. Gottes Reich nach der Passion bis zur Parousia schlichtweg aufhören würde, dynamisch erfahrbar zu sein.13 Alles was übrig geblieben sei, war die Erinnerung an die Beschaffenheit des Heils, aufgezeichnet in den Evangelien und erwartet für das Ende. Dies ist allerdings so ziemlich das Gegenteil dessen, was Lukas meint. Für Lukas ist der Tod Jesu die eschatologische Erfüllung des Passahs und Lukas erwartet, dass er das Reich Gottes, den neuen Bund und den neuen Exodus in vollerem – nicht in geringerem – Ausmaß herbeiführt (Lk 22,14 – 22).14 Im Großen und Ganzen sind die Hoffnungen auf die transformative Wiederherstellung Israels, die in Lk 1 – 2 angekündigt werden, in Jesu Dienst nicht erfüllt. Ebensowenig erfüllt das Leben der Gemeinschaft der Jünger Jesu auf irgendeine Weise die Hoffnungen, die in seiner Predigt zum Ausdruck kommen. Doch alle diese Hoffnungen sind in den Gemeinschaften der Apostelgeschichte verwirklicht. Kurz gesagt: Das „Heil“ bzw. das Reich Gottes, 13 Conzelmann, Hans: The Theology of St. Luke. London: Faber and Faber, 1960, Kap. 4. Ironischerweise verstand Conzelmann zwar den Geist als partiellen Ersatz für die Realpräsenz Christi (vgl. ebd., S. 204), untersuchte aber nicht die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Gegenwart des Heils in der Kirche. 14 Für kritische Reaktionen auf Conzelmann dazu, s. insbes. Marshall, Ian H.: Luke: Historian and Theologian. Exeter : Paternoster Press, 1970, S. 4; 7 – 8; Franklin, Eric: Luke: Interpreter of Paul. Sheffield: JSOT Press, 1994 (Journal for the Study of the New Testament Supplement Series 92), Kap. 11.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

76

Max Turner

das in den Kindheitserzählungen angekündigt wurde, ist in der Kirche der Apostelgeschichte stärker präsent als zur Zeit Jesu. Dementsprechend kann Jakobus in Apg 15 den Anspruch erheben, Am 9,11 f. als erfüllt zu betrachten, und diesen Text im Wesentlichen so interpretieren, dass Israel zum Licht der Nationen transformiert und wiederhergestellt worden ist, so dass die Heiden nun Zugang erhalten. „Heil“ bedeutet somit für Lukas nicht nur die Annahme des Evangeliums (einschließlich der darin enthaltenen Botschaft der Vergebung) und Kirchenmitgliedschaft, die durch rein menschliche Weisheit und menschlichen Willen erlangt und erhalten wird. Das Heil ist vielmehr auf die sich selbst offenbarende und transformative Gegenwart und befreiende Herrschaft Gottes und seines Christus konzentriert, die für die Jünger (sowohl als Individuen, als auch als Gemeinschaft) auf dynamische und erfahrbare Weise vergegenwärtigt ist. An dieser Stelle können wir (wenn auch nur kurz) zu den Samaritanern zurückkehren.15 Wie setzt Lukas diese zu einem solchen Heilsverständnis ins Verhältnis? Die Antwort lautet, dass er nur wenige und eher mehrdeutige Hinweise dafür gibt. (1) Contra Dunn lässt Lukas keinen offensichtlichen Zweifel an der Qualität des Glaubens der Samaritaner erkennen.16 Wie alle guten Bekehrten in der Apostelgeschichte nehmen sie Philippus’ „Frohe Botschaft“ vom Reich Gottes, das durch Christus vermittelt worden ist (8,12), mit ganzem Herzen auf. Wenn dies geschieht, weil die durch Philippus gewirkten Zeichen und Wunder die Botschaft überzeugender beglaubigen als alles, was Simon Magus jemals Beglaubigung verliehen hatte, dann steht dies in vollkommener Übereinstimmung mit Lukas’ Ansicht, dass apostolische Zeichen und Wunder geeignet sind, viele zum Glauben an die christliche Botschaft zu bringen. Als Petrus und Johannes eintreffen, unternehmen sie keinen Versuch, den Glauben der Samaritaner zu verbessern oder zu ergänzen. Sie setzen die Authentizität ihres Glaubens als selbstverständlich voraus, und beten lediglich dafür, dass sie nun die unerwartet verspätete Gabe des Geistes empfangen. (2) Gleichzeitig gibt Lukas jedoch in keiner Weise zu erkennen, dass die Samaritaner selbst zunächst irgendetwas von Gottes transformierender Gegenwart und Macht als Ergebnis ihres Glaubens und ihrer Taufe erfahren hätten. Er gibt beispielsweise keinerlei Hinweis auf die Furcht des Herrn, auf ein pulsierendes „Leben“ in der Gemeinschaft, auf das Teilen der Reichtümer, auf gemeinschaftliche (eucharistische?) Mahlzeiten und auf anbetungsreiches Gotteslob, welche er den jüdisch-christlichen Gemeinden in seinen vorher15 Für eine kritische Rezension der relevanten Themen, s. Turner : Power from on High, S. 360 – 378. 16 S. Dunn, James D. G.: Baptism in the Holy Spirit: A Re-Examination of the New Testament Teaching on the Gift of the Spirit in Relation to Pentecostalism Today. Naperville, IL: Alec R. Allenson, Inc., 1970 (Studies in Biblical Theology 15), Kap. 5. Per contra s. Menzies: Empowered, S. 204 – 213; Turner: Power from on High, S. 362 – 367.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

77

gehenden Summarien zuschreibt (2,43 – 47; 4,32 – 37). Wenn die Samaritaner das Reich Gottes und Freude bei der Heilung einiger ihrer Mitbürger erfahren (8,8), dann geschieht dies nur auf Grund von oder als Reaktion auf die Handlungen des Philippus, der ein Mann voll des Geistes war, und dies findet vor ihrer Bekehrungstaufe statt. Dies steht beispielsweise im Gegensatz zum äthiopischen Kämmerer in der nächsten Episode, dessen Jubel nach der Taufe kommt, gänzlich auf dem von ihm angenommenen Evangelium beruht (8,39) und nicht nur in der Antwort auf irgendeine von ihm empfangene wundersame Heilung gegründet ist (wovon hier keine Rede ist). Dies legt nahe, dass die Erfahrung der Samaritaner in größerer Analogie zu Jesu Hörern während seines Dienstes und zur damals erlebten partiellen Heilserfahrung steht, als zu denen danach. Es ist klar, dass wir dieses argumentum e silencio nicht besonders belasten können, zumal Lukas ohnehin für sein Schweigen berühmtberüchtigt ist. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt für Menzies’ These, die besagt, dass diese Jünger das erfahren hätten, was Lukas mit „Heil“ nach der Himmelfahrt und vor dem Empfang des Geistes meint. (3) Für all diejenigen, für die „Heil“ grundsätzlich die Überschreitung einer Art Rubikon zwischen einer Zukunft in der Verdammnis und einer Zukunft im Leben bedeutet, mag dies alles sehr verwirrend klingen. Wenn man die Frage in den Begriffen eines solchen (ziemlich inadäquaten!) Verständnisses von Heil formuliert, dann haben die Samaritaner die notwendige Linie wahrscheinlich überschritten, als sie dem Evangelium glaubten und sich dem Taufbefehl unterordneten – weil Lukas sie davor im Wesentlichen unter der Herrschaft des Simon Magus sieht, und dies für ihn einen gefährlichen Ort darstellt. Ganz anders verhält es sich beispielsweise mit dem frommen Kornelius, den Lukas problemlos auf der bereits sicheren Seite eines solchen Rubikons gesehen hätte, noch bevor Petrus ihm die Botschaft des Heils brachte (vgl. Apg 10,2.4.30.34 – 36). Wenn wir jedoch die Frage, ob die Samaritaner bereits das „Heil“ empfangen haben, ausgehend von Lukas’ eigenem Heilskonzept stellen, dann ist die Antwort ein komplexeres Ja-und-Nein. Gottes Herrschaft bzw. heilbringende Gegenwart hat sie von ihrer Knechtschaft unter Simon Magus befreit, zumindest bis zu einem gewissem Grad (obwohl Simons eigener Fall ernsthafte Fragen darüber aufwirft, wie radikal die Veränderung der Samaritaner überhaupt an diesem Punkt war). Einige haben das Heil auch in Form der Befreiung von bösen Geistern, von Lähmung und körperlichen Gebrechen (8,7) empfangen, und in der gemeinschaftlichen Freude, die mit solchen Befreiungen einherging. Viel wichtiger noch, die Begegnung mit Gottes Herrschaft hat sie zur Überzeugung geführt, dass sie die Lehre vom Reich Gottes annehmen und die Hoheit Jesu durch die Taufe anerkennen sollten (8,12). Soviel steht also auf der Ja-Seite der Frage danach, ob die Samaritaner bereits begonnen hatten, das „Heil“ zu empfangen. (4) Wir wollen nun aber die Grenzthemen genauer in den Blick nehmen und die Möglichkeit einer negativen Antwort auf diese Frage erörtern. Wir können damit beginnen herauszustellen, dass alle Aspekte der Gegenwart des Heils,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

78

Max Turner

die sich in diesem Bericht finden, Ausdruck der Wirkung von Philippus’ Dienst sind. Das wiederum wirft eine entscheidende Frage derselben Art auf, wie wir sie oben untersucht haben, als nach der potentiellen Auswirkung gefragt wurde, die Jesu Weggang für die fortwährende Erfahrung des Heils in der von ihm gegründeten Gemeinschaft hat. Sofern Philippus die Quelle der soteriologischen Wirkungen des Geistes darstellt, was würde dann geschehen, wenn er von der Szene entfernt würde (was später auch eintrifft), ohne dass die Samaritaner die Gabe des Geistes empfangen haben? Dies ist eine gänzlich hypothetische Frage, heuristisch betrachtet ist sie aber wichtig. Ich denke wir wären zu einer der folgenden drei Antworten gezwungen. Die erste Möglichkeit lautet, dass sie weiterhin das Heil durch den Geist erfahren hätten, der sein Werk in ihnen durch Philippus begonnen hatte. Auf dieser Seite könnte geltend gemacht werden, dass während Philippus von dannen zieht, dies beim Geist anders sei. Er ist zur Einwohnung in ihnen gelangt, weil sie die inspirierte Verkündigung des Philippus angenommen haben, und er bleibt als Gottes transformierende Gegenwart auch in ihnen (bzw. „mit“ ihnen, wie Pawson bevorzugen würde). Eine derartige Konzeption führt jedoch eindeutig zu einer Pneumatologie, die mit einer Art doppeltem Empfang operiert, den wir zuvor als unlukanisch verworfen hatten. Denn dieser Sichtweise zufolge, hätten die Samaritaner den Geist zwar bereits zum Zeitpunkt der Bekehrung empfangen, würden die Gabe des Geistes aber, wie wir aus der Erzählung erfahren, später noch durch das Gebet und die Handauflegung der Apostel empfangen. Dies mag eine tröstliche Soteriologie bieten, doch es steht Lukas’ eigener Pneumatologie entgegen und wirft wichtige theologische Probleme auf, die wir später diskutieren werden. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass Lukas die Samaritaner als solche betrachtet, die weiterhin das Heil erfahren, weil er glaubt, dass Gottes transformierende Herrschaft auch durch andere Mittel als durch den Geist gegenwärtig sein könne. Dies setzt entweder voraus, dass Gott und Christus in ihrer transformativen Macht für die Jünger auf unmittelbare Weise gegenwärtig sein können oder dass Lukas irgendwelche andere Mittel kennt, durch welche die Gegenwart und das Handeln Gottes vermittelt werden können. Auf die erste Möglichkeit können wir verzichten: Lukas rechnet nicht mit der unvermittelten Gegenwart Jesu oder des Vaters für die Jünger. Wenn die Erscheinung des Paulus auf dem Weg nach Damaskus eine Christophanie ist, dann stellt sie eine absolute Ausnahme dar. Ansonsten sind Gottes Gegenwart und Handeln immer in irgendeiner Weise vermittelt. Diese Vermittlung geschieht am häufigsten durch den Geist, wenngleich Lukas weiß, dass Gott zuweilen auch durch andere Mittel, etwa durch Engel, kommunizieren kann. Engel helfen in diesem Fall aber nicht: Lukas ist nicht der Meinung, dass die Heilserfahrung der Samaritaner durch eine Serie von Engelsvisitationen aufrechterhalten wird. Kommen irgendwelche anderen Mittel der göttlichen Gegenwart in der Apostelgeschichte zum Vorschein? Gelegentlich haben Gelehrte die These aufgestellt, dass Lukas meine, Christi Gegenwart werde durch „den Namen“

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

79

vermittelt und deuten zu ihrer Untermauerung auf Apg 3,16 hin, wo Petrus sagt: „Und durch den Glauben an seinen Namen hat sein Name [das ist der Namen Jesu] diesen, den ihr seht und kennt, stark gemacht.“ H. Flender geht sogar so weit zu sagen: „Wir müssen uns um jeden Preis von dem populären Dogma befreien, dass Christus in der Gemeinde durch den Geist gegenwärtig ist“ und argumentiert, dass er stattdessen „in dem Namen“ gegenwärtig ist.17 Apg 3,16 ist jedoch ein isolierter (und syntaktisch verschachtelter) Fall. An keiner anderen Stelle spricht Lukas vom Namen als Subjekt eines Verbs, das die Ausführung von Handlungen beschreibt. Er trifft keine Aussagen wie etwa, „und der Name war mit ihnen und gab ihnen großen Freimut und Freude“ oder „und der Name war mit ihnen, um zu heilen“ oder ähnliches. Selbst hier in 3,16 ist der Name gar kein Mittel der heilende Macht bringenden Gegenwart Christi im engeren Sinne, sondern (wie auch anderswo in der Apostelgeschichte) eine Periphrase für diese Gegenwart. Wenn es also heißt, dass Menschen den Namen Jesu predigen oder lehren (4,17 f.; 5,28.40; 8,12; 9,15), in dem Namen glauben (8,12), diesen Namen zum Heil anrufen (2,21; 4,12; 9,14; 22,16) oder für den Namen leiden (5,41; 9,16; 21,13) usw., besteht kein Anlass für uns, diesen Namen als eine Art unabhängige Hypostase Jesu oder quasi-magische Macht vorzustellen, sondern diese Stellen sind als Wendungen zu verstehen, mit denen auf Jesus selbst in einer Weise Bezug genommen wird, die göttlichen Status suggeriert (vgl. Apg 9,34, wo Petrus ankündigt: „Äneas! Jesus Christus heilt Dich“). Zudem ist die Handlung des Namens in Apg 3,16 in keinerlei Hinsicht vom Geist unabhängig, wie es Flender vorschlägt; weil Petrus ja gerade als einer, der von der Macht des Geistes erfüllt war, die Heilung im Namen Jesu verkündet. An anderer Stelle habe ich mich bemüht genauer zu zeigen, dass der Versuch, in der Apostelgeschichte irgendwelche Mittel der Anwesenheit Gottes und seiner transformierenden Kraft jenseits des Geistes zu orten, der Suche nach einem Fabelwesen gleichkommt. Sie existieren schlichtweg nicht.18 Soweit ich sehe, bleibt uns nur noch eine einzige Antwort auf die hypothetische Frage übrig, was mit den Samaritanern geschehen würde, wenn Philippus wegginge. Diese dritte Möglichkeit lautet, dass die Samaritaner schlichtweg aufhören würden, das Heil als etwas zu erfahren, das über eine Erinnerung, eine Iden17 Für Details zu Flenders Position samt einer entsprechenden Replik, s. Turner: Power from on High, S. 422 – 427. 18 Ebd., S. 418 – 427. Einige meiner pfingstlichen Gesprächspartner haben vorgeschlagen, dass der Vater und der Sohn für Lukas omnipräsent sind und daher unabhängig von der Gabe des Geistes „empfangen“ und erkannt werden können (s. Anm. 20). Aber für das Judentum, genauso wie für Paulus und Johannes, ist es kein anderer als der Geist, der das Mittel für Gottes selbst offenbarende Gegenwart darstellt. Wenn der Vater und der Sohn sich den Jüngern selbst offenbaren, und die Jünger somit auf direkte Weise ohne die Gabe des Geistes bevollmächtigt werden könnten, dann würde letzterer im Wesentlichen theologisch irrelevant werden. In jedem Fall liefert Lukas keinen Beleg dafür, dass die Jünger (im Zeitalter der Kirche) „intime Gemeinschaft“ mit dem Vater und dem Sohn haben können, ohne die Gabe des Geistes empfangen zu haben.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

80

Max Turner

tität und eine Hoffnung hinausgeht. Sie würden aufhören, Gottes dynamische, heilbringende Herrschaft und Gegenwart zu erfahren, weil sie keine Mittel für eine solche Gegenwart hätten. Sie würden als eine Gruppe zurückbleiben, die lediglich aus ihren eigenen angeborenen und menschlichen Ressourcen heraus wirkt, glaubt und betet – nicht aber als eine in der Gegenwart und Gnade Gottes pulsierende Kirche, wie sie die Summarien in Apg 2; 4 und 5 beschreiben. Diese letzte Beobachtung wirft selbstverständlich eine sehr dringende Frage auf: Durch welche Mittel erfährt die Jerusalemer Gemeinde die dynamische und transformierende Gegenwart Gottes? Wie kommt es, dass die Gemeinde in der Mutterstadt Jerusalem ein volleres Maß und eine größere Tiefe des verheißenen Heils erfährt, als dies während Jesu Dienst offensichtlich war? Eine Reihe von Gelehrten von Gunkel bis Menzies haben darauf bestanden, dass für Lukas die Antwort nichts mit dem Geist zu tun haben kann – und es ist sicherlich richtig, dass Lukas das neue Leben der Kirche nicht in expliziter Weise der Ausgießung des Geistes zuschreibt. Doch welche andere Erklärung gibt es noch? Wie bereits herausgestellt, deutet Lukas keine weiteren Mittel der Gegenwart Gottes an. Kann es wirklich bloßer Zufall sein, dass wir ausgerechnet mit der Ankunft des Geistes an Pfingsten zu sehen beginnen, wie sich die erhoffte Wiederherstellung Israels auf dramatische Weise in der Kirche ereignet, dies aber zugleich einem anderen verhüllten Medium der Macht und Gnade Gottes zuzuschreiben sein soll, in Bezug auf welches sich Lukas entschieden habe, gänzlich zu schweigen? Es fällt mir schwer, dies zu glauben. Wenn es durch den Geist war, dass Jesus während seines Dienstes das Reich Gottes in die Leben der Menschen brachte, ist es dann nicht einfacher anzunehmen, dass derselbe Christus durch Ausgießung eben jenes Geistes auf all sein Volk seine reinigende und kraftvolle Herrschaft in der Kirche ausgehend von der Rechten des Vaters ausübt? Und wenn es durch den Geist ist, dass Philippus das Reich Gottes überhaupt erst in das Leben der Samaritaner gebracht hat, ist es dann nicht hoch wahrscheinlich, dass Lukas dachte, dass sie erst durch ihren eigenen zeitlich nachfolgenden Empfang der Gabe des Geistes (unter Handauflegung der Apostel) in der Lage waren, in vollem Ausmaß in das Leben des Heils zu gelangen und die transformierende Herrschaft Gottes in Christus fortwährend zu erfahren? Ich finde diese Antwort bei weitem überzeugender. Alles in allem wirft die Samaritaner-Episode wichtige Fragen in Bezug auf die göttlichen Mittel seiner heilbringenden Gegenwart und Herrschaft auf. Sofern „Heil“ für Lukas im Wesentlichen eine Form ist, um von der fortwährenden transformierenden Macht und Gegenwart der messianischen Herrschaft Gottes zu sprechen, lassen pfingstliche Interpretationen ungeklärt, wie die Samaritaner diese erfahren konnten (einmal abgesehen von einer relativ geringen und zeitlich begrenzten, jedoch bedeutenden Weise, die durch Philippus’ Lehren und Handeln in der Macht des Geistes bewirkt wurde). Oder aber pfingstliche Interpretationen postulieren einen doppelten Geistempfang,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

81

der dem lukanischen Textbefund entgegengesetzt ist und gravierende Probleme hinsichtlich seiner Pneumatologie aufwirft, auf die wir bald zurückkommen müssen. Bevor wir aber die lukanische Soteriologie verlassen, müssen wir eine weitere Frage in Angriff nehmen, die an der Grenze zwischen Soteriologie und Pneumatologie liegt – und vielleicht die brisanteste und wichtigste Frage von allen ist. Für die christliche Theologie ist das Herzstück des Heils nicht die Rechtfertigung, die Erneuerung oder die Eingliederung in die Kirche. So wichtig diese auch sind – das Herzstück des Heils ist stattdessen das Hinaufgezogenwerden in die lodernde, freudvolle und transformierende trinitarische Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn durch den Geist. In johanneischen Begriffen besteht das Wesen des Heils daher in diesem transformierenden (Er-)Kennen des Vaters und des Sohnes; oder, mit den Worten von 1Joh 1,3b in der „Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus“. Für Paulus ist es so ziemlich dasselbe: Man möchte hier sofort an wohlbekannte Texte, wie Gal 2,19 – 20; Phil 1,21; 3,10; Röm 8,9 – 12 usw. denken. Somit lautet die allerwichtigste Frage schließlich: Schließt sich Lukas einer solchen Soteriologie an oder nicht? Und falls er es tut, was betrachtet er als * göttliche Mittel dieser Gemeinschaft ? Ich denke, es ist ziemlich klar, dass Lukas dies tut. Das Reich Gottes ist grundsätzlich Gottes persönliche Gegenwart in Macht und Herrschaft, die seine ihm eigene liebende Versöhnung denjenigen bringt, die sie aufnehmen, und somit Freude, Anbetung und Lob hervorruft. Im Evangelium des Lukas ist dies sehr eng an eine persönliche Beziehung zu Jesus gebunden. Dort, wo das heilende Hereinbrechen der Herrschaft Gottes nicht mit Jüngerschaft erwidert wird, werden solche Begegnungen als gescheitert betrachtet (vgl. die Heilung der zehn Aussätzige in Lk 17). Die Bitte des bußfertigen Schächers am Kreuz „Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ wird mit der Antwort „Wahrlich, ich sage dir : Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ erwidert (Lk 22,42 f.). Fernab einer sogenannten Christologie der Abwesenheit, die für die Apostelgeschichte typisch sein soll, macht sich die Apostelgeschichte de facto eine Christologie der göttlichen Omnipräsenz zu eigen, die mit den folgenden an den Apostel Paulus gerichteten Worten zusammengefasst werden kann: „Fürchte Dich nicht, […] denn ich bin mit Dir“ (18,9 – 10, vgl. Lk 21,1; Apg 2,14 – 38; 5,31; 9,4 – 5 (22,7; 26,14); 9,34, usw.).19 Wenn wir aber fragen, wie der Vater und der Sohn im Jünger in selbst-offenbarender Weise gegenwärtig und aktiv sein können – wenn wir fragen, durch welche Mittel der Gläubige einen Zugang zur Gemeinschaft mit dem Vater und dem * Turner verwendet hier den mehrdeutigen und theologisch weitreichenden Begriff communion. 19 Vgl. insbes. Buckwalter, Douglas: The Character and Purpose of Luke’s Christology. Cambridge: Cambridge University Press, 1996 (Monograph Series Society for New Testament Studies 89), S. 211 – 231; Buckwalter, Douglas: The Divine Saviour. In: Marshall, I. Howard; Peterson, David (Hg.): Witness to the Gospel: The Theology of Acts. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1998, S. 107 – 124.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

82

Max Turner

zum Himmel aufgefahrenen Herrn erhält – kann es meiner Ansicht nach an dieser Stelle nur eine Antwort geben. Jeder der frühen Christen würde sagen, dass allein durch den Geist eine „intime Gemeinschaft mit und (Er-)Kenntnis von Gott“ möglich ist.20 Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Samaritaner den Geist empfangen, können sie das Innerste des Heils nicht erfahren.

Pneumatologische Fragen Nahezu die gesamte Lukasforschung stimmt darin überein, dass Lukas die Gabe des Geistes als Joels Verheißung des „Geistes der Prophetie“ versteht, der Offenbarung aller Art (in Träumen, Visionen, „Worten“ usw.), geistliche Weisheit sowie invasive Formen prophetischer und doxologischer Rede, einschließlich der Zungen, mit sich bringt.21 Für E. Schweizer würde eine solche Identifikation des Geistes mit dem „Geist der Prophetie“, sowohl vom Judentum als auch von Lukas her betrachtet, die Möglichkeit ausschließen, den Geist mit kraftvollen Handlungen als auch mit religiöser/ethischer Transformation zu assoziieren. Darin ist ihm R. P. Menzies gefolgt, der diese These beträchtlich gestärkt hat. In meiner Antwort auf Menzies konnte ich jedoch zeigen, dass sein Verständnis vom Judentum in beiden Punkten unangemessen ist,22 und Levisons detaillierte Monographie zu The Spirit in First Century Judaism stellt dies nunmehr vollends außer Zweifel.23 Es ist nicht notwendig, mit Menzies darüber zu debattieren, ob Lukas die Werke der Kraft (wie etwa Heilungen und Exorzismen) dem Geist zuschreibt oder nicht, weil selbst in Menzies’ eigener (wie ich meine eher seltsamen) Auffassung – derzufolge der Geist lediglich die dynamis generiert und nur die letztere es ist, die die Wunder vollbringt – der Geist nach wie vor die letztgültige Quelle der Wunder darstellt.24 Der einzige substanzielle Themenkomplex, der hier kontrovers bzw. von Interesse ist, zeichnet sich an der Frage ab, ob der „Geist der Prophetie“ 20 Der zitierte Wortlaut stammt von Menzies: The Spirit of Prophecy, S. 52, der kurioserweise der Meinung ist, dass Lukas eine solche Position nicht vertritt. Entweder behauptet er damit, dass solch eine Gemeinschaft und (Er-)Kenntnis durch irgendwelche andere Mittel möglich ist (worüber Lukas gänzlich schweigt), oder er behauptet, dass eine innige Gemeinschaft mit Gott für Lukas nicht wichtig oder aber nicht möglich ist. 21 Für einen Überblick zur Forschung über die lukanische Pneumatologie, s. Turner: Power from on High, Kap. 1 – 2. 22 Ebd., Kap. 3 – 5. 23 Levison, John R.: The Spirit in First Century Judaism. Leiden: Brill, 1997 (Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums 29). 24 Als Antwort auf Menzies s. Turner, Max: The Spirit and the Power of Jesus’ Miracles in the Lukan Conception. In: Novum Testamentum 33, Nr. 2 (1991), S. 124 – 152. Menzies hat eine Entgegnung darauf in Menzies, Robert P.: Spirit and Power in Luke-Acts: A Response to Max Turner. In: Journal for the Study of the New Testament 15, Nr. 49 (1993), S. 11 – 20 veröffentlicht. Turner : Power from on High liefert eine abermalige Replik.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

83

bei Lukas ausschließlich als prophetische/missiologische Bevollmächtigung zu betrachten ist (woran Menzies, Stronstad und Penney festhalten), oder ob er darüber hinaus auch in einem tiefgreifend soteriologischen Sinne zu verstehen ist. Welches Licht wirft Apg 8 auf dieses Thema? Pfingstliche Gelehrte sehen diese Perikope als einen starken Beleg für die Ansicht, dass die Gabe des Geistes eine ausschließlich prophetisch/missiologische Bevollmächtigung darstellt, die auf sämtliche soteriologische Funktionen Gottes folgt und von diesen getrennt ist.

Ist Apostelgeschichte 8 ein Beleg für die Nachzeitigkeit? Auf ersten Blick scheint ein Element der „Nachzeitigkeit“ deutlich hervorzutreten. Es lohnt sich jedoch drei Dinge anzumerken. (1) Apg 8 porträtiert in keiner Weise die Art von „Nachzeitigkeit“, welche die frühen Pfingstler erfuhren und die oftmals ein jahrelanges fruchtbares christliches Leben und einen ebenso fruchtbaren christlichen Dienst einschloss, bevor sie im Heiligen Geist getauft wurden. In der Tat notiert Apg 8,12 – 16 keinen nachtauflichen Ausdruck christlichen Lebens unter den Samaritanern.25 Wie und ob wir überhaupt mit diesem Schweigen umgehen sollen, ist unklar. Pfingstliche Ausleger mögen annehmen, dass sich die Samaritaner sofort einem vollen pulsierendem christlichen Leben der Anbetung wie das der Jerusalemer Gemeinden hingegeben haben, doch dies ist nicht mehr als eine Vermutung. Eine alternative Lesart könnte darauf hinweisen, dass Philippus und die Apostel gerade aufgrund der Abwesenheit eines solchen Lebens zu dem Schluss kamen, dass die Samaritaner den Geist noch nicht empfangen hatten.26 Wenn das der Fall ist, dann stellt Apg 8,12 – 16 nicht etwa auf genuine Weise das dar, was als normale Nachzeitigkeit betrachtet werden könnte, sondern eher eine ungewöhnliche und göttlich verzögerte Erfahrung des Heils. (2) Lukas selbst scheint die Abwesenheit des Geistes für anormal zu halten – als etwas, das unmittelbar korrigiert werden muss. Wenn er es als gewöhnlichen Ablauf betrachtet hätte, dass sich Menschen bekehren und taufen lassen, ohne dabei den Geist zu empfangen, hätte er den etwas unbeholfenen redaktionellen Kommentar in 8,16 nicht hinzugefügt. Die Geschichte wäre dann 25 Wenn sich Simon, wie in 8,13 erwähnt, Philippus anschließt, dann ist dies nicht im Sinne einer Äußerung „christlicher Jüngerschaft“, sondern eher als ein Fasziniertsein von Philippus’ Wundern zu erklären. 26 Als Beleg einer solchen Lesart könnte darauf hingewiesen werden, dass Petrus Simon den Vorwurf macht: „du bist voll bitterer Galle und verstrickt in Ungerechtigkeit“ (8,23). Dunn folgerte daraus, dass Lukas denkt, Simon sei noch nicht zum authentischen Glauben gelangt, und dass sich die anderen Samaritaner in demselben Zustand befanden, bevor sie den Geist empfingen.Während diese Auslegung jedoch in Bezug auf Simon bestenfalls unsicher ist, ist sie im Hinblick auf die anderen samaritanischen Bekehrten völlig ungerechtfertigt, s. Turner : Power from on High, S. 362 – 367.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

84

Max Turner

ohne diesen Kommentar vollkommen plausibel gewesen, der Zusatz hätte nur das Offensichtliche wiederholt. Ähnlich verhält es sich auch mit Paulus in Ephesus (19,1 – 6). Als er feststellt, dass die Jünger in Ephesus den Geist nicht empfangen hatten, forscht er sofort nach – in diesem Fall, um zu erfahren, um was für eine Taufe es sich bei ihnen gehandelt hatte. Dem liegt ebenfalls die Annahme zugrunde, dass der Geist normalerweise in enger Verbindung mit der Bekehrung, die durch die Taufe zum Ausdruck gebracht wird, empfangen werden müsse. Sobald er erfährt, dass sie nur die Taufe des Johannes empfangen hatten und sie noch nichts davon gehört hatten, dass der kommende Christus, den Johannes verkündigte, niemand anderes als Jesus ist, vollzieht er an ihnen die christliche Taufe und legt ihnen die Hände auf, damit sie den Geist empfangen. Es wird mit keiner Verzögerung gerechnet. Tatsächlich scheint die Handauflegung Teil des Taufritus gewesen zu sein. All das fügt sich einwandfrei in die Norm, die in 2,38 f. angekündigt wird: „Tut Buße und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi, […] so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes.“ Apg 8 belegt die Nachzeitigkeit also nicht – sondern unterläuft sie, indem letztere dort als anormal gekennzeichnet wird. Der einzige Weg, auf dem diese Geschichte zu Gunsten der pfingstlichen Argumentation in Anspruch genommen werden kann, besteht darin, zu zeigen, dass die Gabe des Geistes nicht notwendigerweise im Konversion-Initiations-Prozess, der sich manchmal hinausgezögert, gegeben wird, und dass Menschen relativ leicht erkennen können, wenn diese nicht gegeben worden ist. Normalerweise geht sie mit der Bekehrungstaufe einher, aber Gott kann in seiner Souveränität die Gabe auch verzögern (beispielsweise durch den Wunsch motiviert, die Jerusalemer Leiter an dieser ersten Bewegung des Evangeliums über die Grenzen Jerusalems hinweg zu beteiligen und es den Jerusalemer Leitern dadurch zu ermöglichen, diese für sie auf dramatische Weise durch Gott bestätigt sehen), ebenso wie Gott die Gabe auch noch vor der formalen Annahme des Evangeliums geben kann, wie es bei Kornelius und den ersten bekehrten Heiden, der Fall ist. (3) Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen überrascht es nicht, dass sogar pfingstliche Gelehrte inzwischen weitgehend darin übereinstimmen, dass jegliche Nachzeitigkeit lediglich im logischen und nicht notwendigerweise im zeitlichen Sinne zu verstehen ist. Kurz gesagt: Nachzeitigkeit zerfällt ziemlich leicht in Trennbarkeit [von Bekehrung und Geisttaufe]. Ist die Gabe des Geistes in Apostelgeschichte 8 eine prophetische/missionarische Bevollmächtigung? Dass sie eine machtvolle Erfahrung gewesen ist, kann nicht geleugnet werden. Sie hat Simon Magus scheinbar noch mehr beeindruckt als Philippus’ Zeichen und Wunder! Gott bestätigt die Aufnahme der Samaritaner mit der notwendigen Macht, so dass dies danach von niemandem in Jerusalem auf irgendeine

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

85

Weise infrage gestellt wird, trotz beachtlicher jüdischer Feindseligkeiten gegenüber Samarien. Geht es in dieser Erfahrung jedoch primär um eine prophetische/missionarische Bevollmächtigung? Ist das der Zweck, wofür die Gabe gegeben ist? Penney zufolge, betrachtet Lukas jegliche Verzögerung in der Erteilung dieser Gabe an Menschen, die sich bekehren, als anormal, da es zur wesenseigenen Essenz der Kirche gehört, im jesajanischen Sinne als Knecht des Herrn und Licht für die Heiden zu handeln – d. h. vom ersten Tag an Zeugen des Evangeliums zu sein. Bei dieser Verknüpfung beruft er sich besonders auf Jesu Worte in Apg 1,8, die er als paradigmatisch betrachtet: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem“, und so weiter.27 Hier gibt es zwei wichtige und zugleich weit verbreitete Missverständnisse. Erstens, das hat Peter Bolt gezeigt, ist Lukas nicht der Auffassung, dass alle Christen „Zeugen“ sind.28 Er verwendet das Substantiv „Zeuge“ nur für Menschen, die in der Lage sind, ein rechtskräftiges oder quasi-rechtskräftiges Zeugnis im Sinne eines Augenzeugenberichts zu geben – weshalb der Ersatz für Judas aus denen gewählt werden muss, die Jesus vom Jordan bis zur Himmelfahrt begleitet haben (1,21 f.). Wie 10,41 verdeutlicht, können nur diejenigen Zeugen seiner Auferstehung genannt werden (vgl. 13,31), die Gott auserwählt hat, den Auferstandenen zu sehen, und nicht Menschen, die lediglich daran glauben, unabhängig davon wie leidenschaftlich sie das tun. Die einzigen anderen Gläubigen, die in der Apostelgeschichte als „Zeugen“ oder als solche, die „bezeugen“, bezeichnet werden, sind Paulus (der als Zeuge bezeichnet wird „von dem, was er gesehen und gehört hat“, als er sein Damaskuserlebnis hatte, 22,15) und Stephanus bei seinem Prozess, der den Himmel offen und den auferstandenen Herrn zur Rechten Gottes stehen sah (22,20; vgl. 7,56). Wer den Glauben lediglich annimmt und kundtut, wird von Lukas nicht Zeuge genannt. Apg 1,8 ist daher alles andere als paradigmatisch; dieser Text gilt den Aposteln und außer ihnen nur einem sehr eingeschränkten Kreis. Der Vers kann nicht verwendet werden, um das essentielle Wesen der 27 Für eine detaillierte Antwort auf Penney, s. Turner, Max: Every Believer as a Witness in Acts? – In Dialogue with John Michael Penney. In: Ashland Theological Journal Nr. 30 (1998), S. 57 – 71. Stronstad: Prophethood argumentiert ähnlich, wenn er darlegt, dass der Geist der Prophetie alle zu Propheten macht und die Form der Prophetie, die Lukas hauptsächlich im Sinn hat, eine inspirierte Verkündigung des Evangeliums ist. Dies stellt aber eine zu enge Definition der Reichweite der Handlungen des „Geistes der Prophetie“ dar, und es geht gegen die lukanische Verwendung der Begriffsgruppe „Prophet/Prophetie“. Lukas erkennt nur wenige als Propheten bzw. als solche, die die Fähigkeit zu prophezeien besitzen, an – Agabus’ Gruppe (11,27; 21,10), fünf in der Gemeinde von Antiochia, einschließlich Paulus und Barnabas (13,1), Judas und Silas (15,22), die vier Töchter Philippus’ (21,9) und einige andere, einschließlich der Apostel und Stephanus. Wahrscheinlich kannte er mehr, aber die Tatsache, dass er nur wenige als Propheten herausgreift (oder als solche, die fähig sind zu prophezeien), bedeutet, dass er nicht alle als solche betrachtet. Für eine detaillierte Antwort auf Stronstad, s. Turner: Does Luke Believe. 28 Bolt, Peter G.: Mission and Witness. In: Marshall, I. Howard; Peterson, David (Hg.): Witness to the Gospel: The Theology of Acts. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1998, S. 191 – 214.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

86

Max Turner

Gabe des Geistes zu definieren, die den nachfolgenden Bekehrten gegeben wurde. Der Geist macht Menschen nicht zu Zeugen – wenn sie jedoch Zeugen sind, dann kann der Geist die Überbringung ihres Zeugnisses bevollmächtigen und es beispielsweise mit Zeichen bestätigen. Der zweite weit verbreitete Fehler besteht darin, Lukas zu unterstellen, er erwarte von allen Bekehrten, dass sie sich sofort an irgendeiner Art von Verkündigung ihres Glaubens beteiligen (selbst wenn dies nicht als Bezeugen im technischen Sinne betrachtet werden kann). Tatsächlich beschreibt Lukas nur einen einzigen Bekehrten, der dies tut: es ist – wen überrascht es – Paulus. In den Summarien über das Leben der Jerusalemer Gemeinde erwähnt er keine gewöhnliche Gläubigen, die ihren Glauben verkünden: Die Gläubigen haben vielmehr Gemeinschaft untereinander, sie empfangen apostolische Lehre, sie besuchen gemeinsam den Tempel, sie teilen ihre Güter, sie brechen das Brot und sie beten und preisen miteinander. Überraschenderweise sind es jedoch nur die Apostel, von denen gesagt wird, dass sie verkündigen. Selbstverständlich kennt Lukas auch andere, die an der Weitergabe des Evangeliums beteiligt waren. Nichtsdestoweniger vermittelt er den Eindruck, dass es entweder bloßer Zufall ist, wie es etwa bei den Freunden von Petrus und Johannes in 4,31 der Fall ist, oder dass es sich bei den daran Beteiligten ohnehin um die deutlicher hervorstechenden Personen handelt, wie etwa Stephanus, Philippus, Apollos, Barnabas und Silas, Johannes Markus, Timotheus, Priszilla und Aquila und viele andere. An keiner Stelle deutet er jedoch an, dass alle Gläubigen, oder wenigstens die Mehrheit irgendeiner Versammlung, daran beteiligt waren – schon gar nicht vom ersten Tag ihres christlichen Lebens an.29 Apg 8 folgt diesem Muster. Lukas sagt nicht, dass alle Samaritaner hinausgingen und die gute Nachricht verbreiteten; sondern er sagt, dass die Apostel während ihrer Rückkehr nach Jerusalem das Wort an andere Orte Samariens brachten (8,25). In 9,31 berichtet er, dass „die Gemeinde Frieden in ganz Judäa und Galiläa und Samarien hatte und sich aufbaute und in der Furcht des Herrn lebte und sich unter dem Beistand des Heiligen Geistes mehrte“. Dies setzt jedoch kaum voraus, dass alle an der aktiven Verkündigung beteiligt waren. Es ist völlig vereinbar mit Lukas’ Sicht, dass (a) Gott das gemeinschaftliche Leben der Kirche segnete, und es demzufolge für Außenstehende attraktiv war ; und derzufolge (b) einige aktiv das Evangelium verkündeten. Kurz gesagt: Es gibt keinen Hinweis dafür, dass Lukas der Meinung war, die Gabe des Geistes sei in erster Linie als Bevollmächtigung zur Evangelisation für alle gegeben. Ebenso konnte eine solche Auffassung nicht erklären, weshalb er denkt, dass der Geist normalerweise gleich zu Beginn des christlichen Lebens gegeben wird, weil Lukas die Gläubigen nicht als solche beschreibt, die

29 Zur detaillierten Darlegung dieses Arguments, s. Turner : Empowerment for Mission; Turner: Every Believer.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

87

in diesem Stadium an der Evangelisation beteiligt sind. All dies legt nahe, dass wir die Frage nach der Trennbarkeit genauer in den Blick nehmen müssen. Apostelgeschichte und Trennbarkeit Im zweiten Teil dieses Artikels habe ich dargelegt, dass der Begriff des Heils im lukanischen Doppelwerk weitaus mehr umfasst, als die Vergebung der Sünden und die Aufnahme in das zur eschatologischen Seligkeit bestimmte Volk Gottes. Er konzentriert sich auch auf die selbst offenbarende und transformierende Gegenwart von Gottes befreiender und wiederherstellender messianischer Herrschaft – kurz gesagt: die fortwährende und vollere Gegenwart des Reiches Gottes. Ich habe dargelegt, dass Lukas dies wahrscheinlich als persönliche und selbstmitteilende Gegenwart des Vaters und des Sohnes mit dem Jünger verstand, und nicht als lediglich unpersönliche Macht. Mit anderen Worten: Lukas, der darin Schulter an Schulter neben Johannes und Paulus steht, ist der Auffassung, dass das Herzstück des Heils Intimität und Gemeinschaft mit dem Vater und dem auferstandenen Herrn einschließt, d. h. eine Art persönliche (Er-)Kenntnis Gottes. Wir haben auch bemerkt, dass, falls wir nicht annehmen können, dass Lukas die Gegenwart dieses Heils dem Geist zuschreibt (wie es Johannes und Paulus tun), er keine göttlichen Mittel identifiziert, durch die dies möglich wäre. Er würde damit eine unübersehbare Leerstelle in seiner Theologie zurücklassen. Wenn wir jedoch die Frage aus dem Blickwinkel seiner Pneumatologie betrachten, dann müssen wir sofort erkennen, dass die „Form“ des „Geistes der Prophetie“ exakt in diese Leerstelle passt. Schließlich ist der Geist als Geist der Prophetie in erster Linie eine mächtige, offenbarende und Weisheit spendende Gegenwart Gottes. Was könnte man dringender nötig haben, um ein lebendiges Bewusstsein für Gott und ein transformierendes und motivierendes Verständnis des Evangeliums zu erreichen, als diese Gabe des Geistes der Prophetie? Es könnte kaum eine bessere Erklärung für das dynamische Leben der Jerusalemer Gemeinde geben, welche die in Lk 1,72 – 79 geweckten Hoffnungen und Erwartungen erfüllen würde – und diese auch erfüllt. In der Tat lädt das Postulat von getrennten und verdoppelten göttlichen Mitteln für die Gegenwart dessen, was Lukas unter Heil versteht, dazu ein, Ockhams Rasiermesser in voller Manier anzusetzen. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, können wir sofort das zentrale Problem einer Trennbarkeit erkennen. Das Heil erfordert laut Lukas eine offenbarende und Weisheit spendende Gegenwart Gottes. Aber auch ein charismatischer Dienst und eine charismatische Mission erfordern eine dynamische, offenbarende und Weisheit spendende Gegenwart Gottes. Warum sollte man dann annehmen, dass diese (a) von zwei unterschiedlichen göttlichen Mitteln herrühren – einem unbestimmten Mittel für das Heil und dem Geist für den charismatischen Dienst –, oder dass sie (b) beide vom Geist herrühren,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

88

Max Turner

der zuerst zum Heil geschenkt wird und dann, gewissermaßen getrennt davon, nochmals für den charismatischen Dienst gegeben wird? Um es konkreter zu fassen: Am Sonntag erlebt eine junge Frau ein überwältigendes Gefühl von der Liebe Gottes für sie, ihr Herz wird mit Freude und Frieden überströmt, ihre Zunge frohlockt in Lob und Dank und sie überantwortet ihr Leben in einer tieferen Hingabe an Gott. Am Montag wird ihr Herz mit einem Gefühl der Liebe Gottes für ihren Nächsten überströmt, sie gibt ihm in einfühlsamer, freudiger und gewinnender Weise Anteil daran und er wendet sich Christus zu. Auf welcher Grundlage können wir sinnvollerweise behaupten, dass die charismatische Aktivität am Montag, die an eine dritte Person gerichtet war, entweder unterschiedliche göttliche Mittel, oder aber zumindest eine zweite theologisch gesonderte Gabe des Geistes erfordert, als es bei ihrer Erfahrung am Sonntag der Fall ist? Für mich scheint es in der Art der göttlichen Handlungen, die daran beteiligt sind, überhaupt keinen Unterschied zu geben. Beide umfassen Gottes Selbstoffenbarung, die geistliches Verständnis bringt und inspirierte Rede hervorruft. Ich kann nicht erkennen, wie es möglich sein kann, die Erfahrung vom Montag dem Geist der Prophetie zuzuschreiben, demselben Geist jedoch die Erfahrung vom Sonntag vorzuenthalten.30 Die Annahme, dass Lukas eine solche Unterscheidung vorgenommen habe – so schwer es für uns auch sein mag, diese zu verstehen –, erfordert, dass wir eine der folgenden problematischen Sichtweisen einnehmen. (1) Lukas lag soviel daran, die prophetische/missiologische Macht des Geistes zu betonen, dass er die Gabe des Geistes in ausschließlicher Weise damit identifizierte. Er war sich zwar dessen bewusst, dass die paulinischen und johanneischen Gemeinden, mit denen er doch reichlich in Kontakt stand, eine viel umfassendere Auffassung des christlichen Geistes der Prophetie hatten – eine, die das einschloss, was er als Gottes soteriologische Aktivitäten akzeptiert hätte. Nichtsdestoweniger entschied er aber, dass eine solche Sichtweise das Prophetische/Missiologische nicht hinreichend in den Mittelpunkt stellt. Diese Ansicht ist aus mindestens zwei Gründen problematisch. Zuallererst, befördert Lukas, wie wir gesehen haben, in keiner Weise die Auffassung, dass die Mehrheit der Gläubigen aktiv an der Mission beteiligt sind, oder zu „Propheten“ werden. Zweitens erfordert dies, dass wir meinen Lukas habe bewusst die frühkirchliche Ausdrucksweise „den Geist empfangen“ verwendet, zugleich jedoch, ebenso bewusst, den gesamten traditionellen soteriologischen Inhalt unterdrückt und die Frage unbeantwortet gelassen, wie letz30 Zugleich ist dies jedoch genau diese Art der Trennung, die Menzies zu implizieren scheint, wenn er behauptet: „Die Jünger empfangen den Geist […] nicht […] als wesentliches Band, durch das sie (jedes Individuum) mit Gott verbunden sind: In der Tat, nicht in erster Linie für sich selbst. Vielmehr empfangen die Jünger den Geist für andere, als die antreibende Kraft, die hinter ihrem Zeugnisgeben von Christus steht.“ S. Menzies: Development, S. 207.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

89

teres zustande kommt. Diese Hypothese erfordert aber auch, dass wir meinen, Lukas hätte dies getan, obwohl er unvermeidlich erkannt haben muss, dass die meisten darin beinhalteten soteriologischen Aktivitäten genau das darstellten, was einige Juden und die meisten Christen vom Geist erwarten würden, den sie als „Geist der Prophetie“ verstanden. (2) Die oben beschriebene Ansicht könnte – so tut es Menzies – mit der These verteidigt werden, dass Lukas zu einem rein jüdischen Verständnis in Bezug auf den Geist der Prophetie zurückkehrt, und dass in einem solchen Verständnis der Geist lediglich ein donum superadditum darstellte. Eine solche Erklärung nimmt jedoch nicht in den Blick, dass weite Teile des Judentums eine viel umfassendere und in höherem Maße „soteriologische“ Auffassung dessen hatten, was von der eschatologischen Gabe des Geistes der Prophetie erwartet wurde. Warum sollte Lukas also die engere Auffassung gegenüber der umfassenderen Auffassung bevorzugen, die bereits in vollem Maße akzeptiert war und von den Gemeinden vor seiner Zeit christologisch ausgebaut worden war? (3) Lukas vermied aus unerklärlichen Gründen die einfachere und verlockendere Lösung, die darin bestanden hätte, einen zweistufigen oder doppelten Empfang des Geistes zu entwickeln, derzufolge die Bekehrten zuerst den Geist der Prophetie in Verbindung mit der Bekehrungsinitiation empfingen. Somit hätten sie die Art von Offenbarung, Weisheit und inspirierter Rede empfangen, die für ihren eigenen Wandel mit Gott relevant war, und sodann, in zeitlicher Nachfolge, eine zweite Erfahrung der „Fülle“ des Geistes erhalten, die sie in eine charismatischere Sphäre des Dienstes und der Mission befördert hätte. Eine einheitliche und inklusive Auffassung der lukanischen Pneumatologie Es besteht kein guter Grund, Lukas irgendeine dieser drei schwierigen Auffassungen zuzuschreiben, die ich gerade beschrieben habe. Vielmehr gibt es allen Grund, davon auszugehen, dass er die eine Gabe des Geistes der Prophetie, sowohl als Befähigung zu einem Leben des Heils betrachtete, als auch zu einer Bevollmächtigung für den christlichen Dienst und die christliche Mission. Beide Sphären nehmen genau dieselben prototypischen Gaben des „Geistes der Prophetie“ in Anspruch: Offenbarung, Weisheit und inspirierte Rede. Diese Auffassung des Geistes findet, wie ich an anderem Ort dargelegt habe, auf folgende Weisen Bestätigung. (a) Der pfingstliche Geist wird in Lk 24,49 und Apg 1,8 als die Erfüllung von Jes 32,15 und 44,3 identifiziert, d. h. als die soteriologische Macht der Reinigung, Transformation und Wiederherstellung Israels. (b) Dieselbe Botschaft von der Bedeutung des Geistes in Bezug auf Israels Reinigung und Transformation ist in der Verheißung des Täufers impliziert,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

90

Max Turner

derzufolge der Messias mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen wird (Lk 3,16). Ebenso wie der Täufer Israel mit einem Wasserritus gereinigt hat, wird der Messias es mit feurigem Geist tun. Apg 1,5 rechnet damit, dass Jesus dies dadurch vollbringen wird, dass er den Geist der Prophetie von Gottes rechter Hand aus ausgießen wird.31 (c) Dieselbe Botschaft findet sich auch auf implizite Weise in der KorneliusEpisode. In 11,16 „erinnert“ Petrus an die Verheißung Johannes des Täufers, nicht etwa weil Kornelius und sein Haus einen kraftvollen zweiten Segen erhalten haben, sondern weil ihr dramatischer Empfang des Geistes der Prophetie zeigt, dass sie auch zu dem Israel gehörten, das der Messias gereinigt und wiederhergestellt hat – und zwar ohne die Tora und die Beschneidung annehmen zu müssen. In Apg 15,8 – 9 wird berichtet, dass der Empfang des Geistes zeigt, dass Gott ihre Herzen durch den Glauben gereinigt hat. Somit wird, so scheint es, die Erfahrung der Geisttaufe der Heiden teilweise mit der Reinigung ihrer Herzen und ihrem Eintritt in das Leben gleichgesetzt.32 Es erfordert keine Phantasie, zu erkennen, auf welche Weise der lukanische „Geist der Prophetie“ als derjenige betrachtet wird, der dies vollbringt. (d) Diese Auffassung ist zur Zeit die einzige zur Verfügung stehende Sichtweise, die eine befriedigende Erklärung des pulsierenden religiösen Lebens bietet, das sich in der Apostelgeschichte und den Briefen widerspiegelt, und zugleich auch das Bewusstsein der Gegenwart und des fortwährenden Wirkens Gottes und Christi im Leben des Gläubigen einschließt.33 (e) Diese Auffassung bietet eine ebenso befriedigende Darlegung von Apg 8 wie jede andere. Philippus und die Apostel können darin als solche betrachtet werden, die problemlos in der Lage sind festzustellen, dass der Geist noch nicht gegeben worden war. Das Ausbleiben von Manifestationen des Geistes, etwa Zungen oder Prophetie, könnte verdächtig erschienen sein; das Ausbleiben einer Reihe anderer Aktivitäten und Äußerungen der in gnadenvoller 31 Menzies deutet Lk 3,16 dahingehend, dass Jesus Israel durch machtvolle Predigt durchsieben wird, wonach Apg 1,5 dann in gleicher Weise verstanden wird: Die vom Geist bevollmächtigten Jünger werden Israel mit ihrer Verkündigung und ihrem Zeugnis durchsieben. Diese Deutung von Apg 1,5 ist jedoch nicht haltbar, weil Jesus hier die passivische Form gebraucht „ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden“, nicht die aktivische „ihr werdet mit dem Heiligen Geist taufen“. 32 Menzies versteht die Worte „nachdem er ihre Herzen gereinigt hatte durch den Glauben“ so, dass es der Glauben, und weniger der Geist ist, der das göttliches Mittel dieser Reinigung darstellt. Doch für Lukas ist der Glaube überhaupt kein göttliches Mittel; er stellt nur eine menschliche Offenheit und Erwartungshaltung für Gottes heilbringende Handlungen dar. Somit stellt der Geist höchstwahrscheinlich dieses göttliche Mittel dar, und das harmonisiert sehr gut mit der Rede von der Taufe mit dem Heiligen Geist. 33 Pawson schreibt der Frage, woher die Apostel wussten, dass die Samaritaner den Geist nicht empfangen hatten, eine Schlüsselrolle zu. Für ihn liegt die Antwort in 8,16: Sie sahen, dass der Geist noch auf keinen von ihnen „gefallen“ war, d. h. er war noch nicht mit der dramatischen Ausdrucksweise gekommen, welche die Christen nunmehr erwarteten. Doch 8,16 berichtet überhaupt nichts darüber, wie die Apostel zu ihrer Einschätzung gelangt waren. Stattdessen hören wir lediglich die Stimme des Erzählers, der weiß, was als Nächstes passiert.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Eine Interpretation der Samaritaner in Apostelgeschichte 8

91

Weise auftretenden dynamischen, selbst-offenbarenden und transformierenden Gegenwart Gottes könnte dies bestätigt haben. (f) Schließlich möchte ich behaupten, dass diese die einzige Sichtweise ist, die nicht zusammenbricht, sobald sie mit modernen Analogien konfrontiert wird. Pfingstler neigen dazu, andere christliche Gruppen außerhalb der charismatischen Tradition als Exempel für die Art von Glauben zu betrachten, den die Samaritaner hatten. Das heißt diese Gruppen werden als solche wahrgenommen, die es immer noch nötig haben, das zu empfangen, was Lukas Pfingstlern zufolge unter der Gabe des Geistes versteht. Eine solche Typologie funktioniert von der Ferne betrachtet, aber sie bricht gewöhnlich schnell zusammen, sobald Pfingstler gestandenen Männern und Frauen Gottes gegenüberstehen, die deutlich von der Gnade, von einem Leben der tiefen Hingabe und von einem fruchtbarem Dienst gezeichnet sind. Da Pfingstler sich aber gewöhnlich einig darüber sind, dass solch ein gottgefälliges Leben vom Geist herrühren muss, fallen ihre Positionen in die eine oder andere Form einer zweistufigen Pneumatologie zurück. So bietet beispielsweise David Pawson (der selbst kein Pfingstler ist) in seiner exegetischen Erläuterung der Gabe des Geistes, eine dezidiert einstufige Auslegung des Geistempfangs. Eine Person hat demnach den Geist nicht empfangen, so lange er oder sie nicht auf dramatische Weise und mit charismatischen Manifestationen im Geist getauft worden ist. In seinen Kommentaren zu zeitgenössischen Evangelikalen ist er der Auffassung, dass der Geist mit diesen Menschen, jedoch nicht in ihnen ist. Sie wären noch hingegebenere Christen, wenn sie den Geist empfingen, um ihnen einzuwohnen. Dies ist, wie ich an anderer Stelle kritisiert habe, eindeutig eine Pneumatologie, die abgesehen vom Namen alle Züge einer zweistufigen Pneumatologie aufweist.34 Doch das ist nicht die lukanische Auffassung. Lukas sagt nicht, dass der Geist vor der Ankunft der Apostel als bleibende Gegenwart ausgiebig bei den Samaritanern war, die ihnen eine transformierende (Er-)Kenntnis von Gott und Christus und alle Formen christlicher Gnade brachte – und Lukas deutet dies auch an keiner Stelle an. Bei ihm lautet die Antwort der zwölf Epheser auf Paulus auch nicht: „Ja wir wissen, dass der Geist auf kraftvolle und gnadenvolle Weise mit uns ist, seitdem uns Johannes getauft hat, aber wir haben noch nicht davon gehört, dass wir den Geist auch so empfangen könnten, dass er in uns wohnt“. Solche Feinunterscheidungen in geistlicher Geographie würden für Lukas keinen Sinn ergeben.35 Für ihn kann eine Person zwar vom Geist, der dies durch jemand anderes wirkt, vorübergehend herausgefordert und angesprochen werden, doch 34 Turner, Max: Receiving Christ and Receiving the Spirit: In Dialogue with David Pawson. In: Journal of Pentecostal Theology 15, Nr. 7 (1999), S. 3 – 31, vgl. auch seine Replik im selben Band. 35 Die Präpositionen, die den Geist als „in“, „mit“ und „auf“ jemandem lokalisieren, stellen lediglich unterschiedliche räumliche Metaphern dar, um von der gleichen Art von Aktivität des Geistes im Leben einer Person zu sprechen, s. Turner, Max: Spirit Endowment in Luke-Acts: Some Linguistic Considerations. In: Vox Evangelica Nr. 12 (1981), S. 45 – 63.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

92

Max Turner

jede Person muss den Geist für sich selbst empfangen, wenn sie in ein authentisches christliches Leben mit Gott kommen will. In unserer stärker integrativen Auffassung vom Geist der Prophetie hat jede Person, die ein geistliches Leben, Vitalität und Begabung aufweist, das empfangen, was Lukas den Geist der Prophetie nennt. Angesichts des Wesens dieser Gabe, sollte jede Person, auf die diese Beschreibung zutrifft, dafür offen sein, prophetische Charismata vom selben Geist zu empfangen.

Ergebnis Apg 8 ist ein ambivalenter Text, der voller Leerstellen ist, die verschiedene Leser nach eigenem oder fremdem Behagen füllen können. Pfingstler haben diese Textstelle in der Regel unter der Annahme einer zweistufigen Pneumatologie gelesen, derzufolge die Samaritaner zuerst die Einwohnung des Heiligen Geistes zum Heil und dann, bei der Handauflegung durch die Apostel, die „Taufe im Heiligen Geist“ empfingen, die sie somit zur Mission bevollmächtigt. Diejenigen, die erkennen, dass Lukas nur eine Geistausgießung im Blick hat und nicht zwei (zuerst in Verbindung mit der Bekehrung und nachfolgend dann Bevollmächtigung), sehen sich ernsthaften Schwierigkeiten gegenübergestellt. Diejenigen, die an der Auffassung festhalten, dass die Gabe des Geistes der Prophetie wesentlich ein donum superadditum charismatischer Bevollmächtigung darstellt, tendieren dazu, das Heil auf etwas nicht erkennbar „Christliches“ zu reduzieren, das im Wesentlichen auch ohne [göttliche] Unterstützung durch menschliche Möglichkeiten erlangt werden kann. Oder aber sie sind nicht in der Lage, die göttlichen Mittel der Gegenwart des Heils zu erklären. Sofern dieses Heil von offenbarenden und Weisheit spendenden Funktionen abhängig ist, führt eine pfingstliche Interpretation, die es verfehlt, das Heil dem Geist zuzuschreiben, zu Kohärenzproblemen bei ihrer Pneumatologie. Apg 8 bietet zwar keiner der beiden Seiten den entscheidenden Sieg, doch Pfingstlern ist es bislang nicht gelungen, sich in befriedigender Weise den Fragen zu stellen, die diese Textstelle hinsichtlich der Soteriologie und Pneumatologie und deren Verhältnis zueinander aufwirft. Bis dato sieht die Antwort eher nach einer Niederlage als nach dem entscheidendem Sieg aus, den Pfingstler zuweilen für ihre Seite beanspruchen. Ich möchte behaupten, dass die Auffassung, in welcher der Geist der Prophetie beides bewirkt, d. h. sowohl soteriologische als auch bevollmächtigende Funktionen übernimmt, die bisher kohärenteste Darstellung bietet, die der Apostelgeschichte als Ganzes, und der Samaritanermission im Einzelnen, gerecht wird.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Gordon D. Fee

Wege zu einer paulinischen Theologie der Glossolalie*

Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass die Erfahrung und die theologische Artikulation der Zungenrede einen wichtigen „Primärkontext“ der Pfingstbewegung darstellen. Da für Pfingstler die Geisttaufe nach der Bekehrung erfolgt und deren Erweis in der Glossolalie besteht, haben sie einen Großteil ihrer theologischen Energie zum Thema „Zungen“ verständlicherweise der Apostelgeschichte gewidmet. Das bedeutet nicht, dass die paulinische Erörterung des Phänomens für Pfingstler irrelevant gewesen sei – im Gegenteil sie genießt hohes Ansehen unter ihnen –, allerdings wurde sie gegenüber der Erfahrung der Zungen, die im Sinne der traditionellen Interpretation der Apostelgeschichte als Erweis der „Taufe“ dient, als „gleich in der Art, aber verschieden im Zweck“ verstanden.1 Diese Lesart der Apostelgeschichte und der paulinischen Schriften hat zu einem zweifachen Verständnis der Glossolalie unter denjenigen geführt, die sich historisch gesehen als Pfingstler bezeichnen. Auf der einen Seite gelten Zungen als „Zeichen“, also als „physischer Anfangserweis“ der Taufe im Geist. Auf der anderen Seite gelten Zungen als „Geistesgabe“, die im Privaten als „Gebetssprache“ zum Ausdruck kommt, und in der Öffentlichkeit als „Botschaft in Zungen“, sofern sie von einer Auslegung begleitet wird. Letzterer kommt daher funktional betrachtet die gleiche Rolle zu wie der prophetischen Rede (und in meiner eigenen Erfahrung kommt sie in der Kirche sogar weit häufiger zum Tragen als die prophetische Rede).2 * Originalveröffentlichung: Fee, Gordon D.: Toward a Pauline Theology of Glossolalia. In: Menzies, William W.; Ma, Wonsuk; Menzies, Robert P. (Hg.): Pentecostalism in Context: Essays in Honor of William W. Menzies. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1997, S. 24 – 34. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. 1 Vgl. z. B. das ausführliche Zitat von W. T. Gaston in McGee, Gary B.: Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 127 – 129; oder neuerdings Lim, David S.: Spiritual Gifts: A Fresh Look. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1991, S. 85 – 86. 2 Zur hohen Wertschätzung, die dieses Phänomen in der Versammlung genießt vgl. z. B. die beachtenswerte Verteidigung dieser Praxis, in Riggs, Ralph M.: The Spirit Himself. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1949, S. 162 – 166. Dementsprechend habe ich in meiner eigenen Erfahrung unter Pfingstlern oftmals erlebt, dass das Ausbleiben dieser Art von „Botschaften“ in der Versammlung im Sinne einer geistlichen Erschlaffung beklagt wurde. Dagegen ist mir noch nie die Klage um ein Ausbleiben von prophetischer Rede begegnet, geschweige denn die Folgerung, dass dies ein Zeichen für geistliche Ermattung sei. Das gilt, aller eindeutiger Fokussierung

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

94

Gordon D. Fee

Infolge dessen hat die Glossolalie eine weitaus größere Rolle in den öffentlichen Zusammenkünften der Pfingstbewegung gespielt, als Paulus es vielleicht selbst behagen würde; dies gilt besonders angesichts der Prioritäten der Gemeinde in Korinth, welche er in 1Kor 12 – 14 neu sortieren will. Es sei klar gestellt, dass die meisten Pfingstler die Glossolalie weder als wichtigsten, aber ebenso wenig als unwichtigsten Aspekt des eigenen Lebens in Christus betrachten. Üblicherweise lag ihr theologischer Schwerpunkt genau dort, wo er auch bei anderen evangelischen Christen liegt: auf der Person und auf dem Werk Christi. Dennoch hat das öffentliche Reden in Zungen, das so häufig den pfingstlichen Gottesdienst gekennzeichnet hat, wie kein anderer Aspekt dazu gedient, die Pfingstler von anderen zu unterscheiden – und sie somit sehr oft von ihren Brüdern und Schwestern in Christus getrennt. Da die Glossolalie als Abgrenzungsmerkmal verstanden wird, ist die Zungenrede sowohl aus pfingstlicher als auch aus anderer Sicht leider auf eine viel triumphalistischere Weise betrachtet worden, als dies in der historischen Pfingstbewegung angestrebt wurde und von der Schrift her vertretbar ist. In diesem Aufsatz soll die These vertreten werden, dass sich das paulinische Verständnis der Glossolalie im Paradox von 2Kor 12,9 findet, wo es heißt, dass „[Gottes] Kraft in der Schwachheit [des Menschen] zur Vollendung“ kommt, und dass das Zungenreden daher eine Position der Schwäche, nicht der Stärke, impliziert. Im Folgenden soll (1) ein knapper Überblick zum Thema Macht und Schwäche bei Paulus skizziert werden; daraufhin wird (2) eine Untersuchung des paulinischen Textbefunds zu Glossolalie im Ersten Korintherbrief erfolgen; die (3) zum Vorschlag führt, dass dieser Textbefund mit dem kryptischen Text zum Beten im Geist in Röm 8,26 f. korrespondiert. Schließlich soll (4) gezeigt werden, wie sich dieser Textbefund zum „Beten im Geist“ in die Thematik von Stärke in der Schwachheit fügt.3 auf die paulinischen Anweisungen in 1Kor 14 zum Trotz, sowohl für Geistliche als auch für Laien. Man könnte meinen, dass diese unbiblische Betonung eine unbewusste Übertragung darstellt: von der Zungenrede als „Anfangserweis“ der Geisttaufe des individuellen Gläubigen hin zur Zungenrede als Erweis einer genuinen Spiritualität der Kirche. 3 Ich widme die folgenden Überlegungen zu diesem Aspekt der paulinischen Theologie und Spiritualität mit großem Respekt und großer Wertschätzung der in dieser Festschrift gefeierten Person [William W. Menzies], dessen Leben und Wirken unter uns in musterhafter Weise ein Verständnis von Dienst verkörpert, wie er uns von unserem Herrn aufgetragen und durch Paulus geprägt worden ist. Zugleich bin ich mir wohl bewusst, dass dies nicht der erste Versuch ist, eine „Theologie der Glossolalie“ zu formulieren; vgl. z. B. Ford, J. Massyngberde: Toward a Theology of Speaking in Tongues. In: Theological Studies 32, Nr. 1 (1971), S. 3 – 29 (deren Reise durch die jüdische Literatur sie dazu geführt hat, Zungen als eine Weise Gottes zu verstehen, in der er das für den Lobpreis notwendige Organ neu schafft); oder Macchia, Frank D.: Sighs too Deep for Words: Towards a Theology of Glossolalia. In: Journal of Pentecostal Theology 1 (1992), S. 47 – 73, der vier theologische Gründe für diese Gabe bietet. Nahezu alle ältere pfingstliche Literatur enthält Abschnitte, die sich mit der Frage „Zungen, warum?“ oder „Der Wert der Zungen“ auseinandergesetzt haben, die sehr oft die Form theologischer Reflexion eingenommen haben; vgl. die jüngere Arbeit von Graves, Robert W.: Praying in the Spirit. Old Tappan, NJ: Chosen Books, 1987.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Wege zu einer paulinischen Theologie der Glossolalie

95

Der Kontext Es ist wohl kaum möglich, Paulus und sein Evangelium angemessen zu verstehen, wenn die entscheidende Rolle, die der Geist in seinem gesamten theologischen Unterfangen einnimmt,4 nicht ernst genommen wird. Diese zentrale Rolle des Heiligen Geistes ist jedoch ihrerseits eng mit dem grundlegenden eschatologischen Bezugsrahmen verquickt, in dem Paulus den Geist erlebte und verstand. Die Gabe des ausgegossenen Geistes, die sowohl für ihn als auch für andere eine grundlegende Rolle hinsichtlich der eschatologischen Erwartungen einnahm, stellte für Paulus, nebst der Auferstehung Christi, die primäre Ursache seiner auf radikale Weise veränderten eschatologischen Sicht dar. Einerseits erfüllte das Kommen des Geistes die eschatologischen Verheißungen des Alten Testaments im Sinne eines sicheren Erweises dafür, dass die Zukunft jetzt schon in Gang gesetzt worden sei; andererseits stellte der Geist die sichere Garantie der letzten Herrlichkeit dar, da sich die letzte Manifestation des Eschatons noch nicht ereignet hatte. Es ist ziemlich unmöglich den Stellenwert, den das erfahrene Leben des Geistes bei Paulus einnimmt, getrennt von dieser tiefgreifenden eschatologischen Sicht zu verstehen, die sein Denken bestimmte. Dies ist der Kontext, in dem die Ambivalenz, die den Themen „Kraft“ und „Schwachheit“ in den Briefen des Paulus inhärent ist, zu verstehen ist. „Kraft“ ist in der Tat ein schwer fassbarer Begriff bei Paulus. Er bezeichnet oftmals deutlich sichtbare Manifestationen, welche die Gegenwart des Geistes beweisen (z. B. 1Kor 2,4 – 5; Gal 3,5; Röm 15,19). Die nüchterne Berufung auf die fortwährende Gegenwart von Wundern in den Kirchen, die in 1Thess 5,19 – 22; 1Kor 12 – 14; Röm 12,6 und besonders in Gal 3,2 – 5 belegt ist, räumt jeden Zweifel daran aus, dass die paulinischen Kirchen insofern „charismatisch“ waren, als dass eine dynamische Gegenwart des Geistes in ihren Versammlungen ersichtlich wurde.5 Selbst dort, wo „Kraft“ bedeutet, dass die Gläubigen die Liebe Christi ergreifen und in einer überschwänglichen Weise darin leben (Eph 3,16 – 20), erkennt Paulus ein wundersames Wirken des Geistes, das sich am Umgang der erneuerten Menschen miteinander erweist. Ungeachtet aller anderen Fragen gilt: der Geist wurde in den paulinischen Kirchen erfahren; der Geist war mehr als ein Artikel im Glaubensbekenntnis, dem es lediglich zuzustimmen gilt. Auf der anderen Seite geht Paulus von der größtmöglichen Korrelation zwischen der Kraft des Geistes und der gegenwärtigen Schwachheit aus. Textpassa4 S. dazu Fee, Gordon D.: God’s Empowering Presence: The Holy Spirit in the Letters of Paul. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1994. 5 S. dazu Dunn, James D. G.: Jesus and the Spirit: A Study of the Religious and Charismatic Experience of Jesus and the First Christians as Reflected in the New Testament. Philadelphia, PA: Westminster Press, 1975, S. 260 – 265 vgl. Fee: God’s Empowering Presence, S. 894 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

96

Gordon D. Fee

gen wie etwa Röm 8,17 – 27; 2Kor 12,9 und Kol 1,9 – 116 sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Geist als die Quelle verstanden wird, die inmitten der Bedrängnis oder Schwachheit zur Kraft ermächtigt. Für Paulus bedeutet „Christus zu (er)kennen“ beides, „die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden“ zu kennen, angesichts derer das Leben im „schon jetzt“ zugleich bedeutet, dass man „seinem Tod gleichgestaltet wird“, während wir dem „noch nicht“ erlangten endgültigen Preis nachjagen (Phil 3,9 – 13).7 Zu leiden bedeutet, dem eigenen Herrn gleich zu sein, indem man seinem Beispiel nacheifert und somit „erstattet, […] was noch mangelt an den Trübsalen Christi“ (Kol 1,24). Dennoch erwartet Paulus noch deutlichere Kundgebungen der Kraft Gottes durch den Geist, die sich inmitten der Schwachheit ereignet, als Gottes Beweis dafür, dass seine Kraft der Predigt des gekreuzigten Messias innewohnt. In 1Kor 2,3 – 5 kann sich Paulus daher zugleich einerseits auf die Wirklichkeit seiner eigenen Schwachheit berufen und andererseits auf die offenbare Kraft seiner Predigt und der Bekehrung der Korinther. Darüber hinaus erinnert er in 1Thess 1,5 – 6 die neu bekehrten Gläubigen, dass sie durch die Kraft des Geistes zu eben solchen geworden waren und dass dies jedoch inmitten der Leiden geschehen sei, die wiederum von der Freude des Heiligen Geistes begleitet gewesen seien. All das spiegelt Paulus’ eschatologisches Verständnis einer christlichen Existenz des „schon/noch nicht“ wider, eine Spannung, die Paulus – anders als viele spätere Christen – auf unterschiedliche Weise zusammenhalten konnte. Für ihn war dies nicht einfach eine Spannung, in der das Gegenwärtige ausschließlich Schwachheit und die (nahe) Zukunft ausschließlich Herrlichkeit war. Die Zukunft war wahrhaftig in die Gegenwart hereingebrochen, die Gabe des Geistes war der Beweis dafür, und weil der Geist die Gegenwart von Gottes Macht bedeutete, war diese Dimension der Zukunft in gewissem Maße schon gegenwärtig. Daher ist gegenwärtiges Leiden ein Kennzeichen für Jüngerschaft, deren Paradigma unser gekreuzigte Herr ist. Doch dieselbe Macht, die den Gekreuzigten von den Toten auferweckt hat, ist in unseren sterblichen Leibern gegenwärtig. 6 Zur Exegese dieser Textpassagen, s. Fee: God’s Empowering Presence, S. 894 f. In Letzterer betet Paulus, dass die Kolosser mit aller Weisheit und Erkenntnis erfüllt würden, um würdig des Evangeliums Christi zu leben. Dies umfasst auch die Dimension, des besonderen „Ermächtigtseins mit aller Kraft“, das „zum Ausharren und zur Geduld, im Gleichklang mit Gottes Macht“ dient. 7 Auf diese Weise ist höchstwahrscheinlich das mehrfache ja·, das auf toO cm_mai aqt¹m (ihn zu erkennen) folgt zu verstehen. Es sind nicht drei Dinge nach deren Erkenntnis sich Paulus sehnt, sondern eines: Christus zu (er)kennen. Im Kontext betrachtet, bedeutet dies eine Erkenntnis, die auf zwei Wegen gleichzeitig geschieht, sowohl in der Kraft seiner Auferstehung, als auch in der Gemeinschaft seiner Leiden. Vgl. die Diskussion in Fee, Gordon D.: Paul’s Letter to the Philippians. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1995 (New International Commentary on the New Testament.), S. 327 – 235.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Wege zu einer paulinischen Theologie der Glossolalie

97

Es ist gerade dieses Paradoxon in Paulus’ eigenem Verständnis, das modernen Menschen so große Schwierigkeiten bereitet. In der Tat besteht das anschließende Versagen der Kirche mehr als alles andere in ihrem Versäumnis, sowohl die Kraft als auch die Schwäche gleichzeitig und dezidiert anzunehmen, was über die Jahrhunderte hinweg zu einer folgenschweren Ebbe und Flut an geistlichem Leben in der Kirche geführt hat. Paulus und die übrigen neutestamentlichen Verfasser hielten diese Ausdrucksweisen von Geist und Kraft in einer munteren Spannung beieinander.8 Damit gelang es Paulus in besonderer Weise, einen Weg durch die „radikale Mitte“ zu finden, der oftmals sowohl von evangelischer als auch von pfingstlicher Seite verfehlt wird, die traditionsgemäß ihren Schwerpunkt entweder auf das eine oder andere legen.9 Ich schlage in diesem Aufsatz vor, dass die paulinische Positionierung in der eschatologischen „radikalen Mitte“ der Schlüssel zu seinem Verständnis von Glossolalie ist, nicht nur, weil er sich selbst den Korinthern quer entgegenstellt, deren Verzauberung durch Zungen scheinbar mit ihrem Triumphalismus sehr eng verbunden war, sondern auch weil das, was Paulus zu Zungen sagt, in dieselbe Richtung weist. Wir wenden uns darum einer (sehr) knappen Untersuchung des paulinischen Textbefunds zu.

Der paulinische Textbefund Es ist bekannt, dass Paulus das Phänomen Glossolalie („Zungenrede“) nur in 1Kor 12 – 14 spezifisch erwähnt. Es besteht ein allgemeiner Konsens darüber, wenngleich auf der Grundlage unterschiedlicher Argumentationen, dass Paulus das Phänomen in erster Linie mit dem Ziel diskutiert, einen korinthischen Missbrauch zu korrigieren, und nicht etwa, um eine theologische Unterweisung in einem Bereich nachzureichen, in dem die Korinther zusätzliche Lehre benötigten. Für unsere theologische Aufgabe liegt daher in gewisser Hinsicht eine dünne Quellenlage vor. Was wir von Paulus erhalten, ist seine Vehemenz, mit der er die Korinther korrigiert, und weniger eine ausgereifte Unterweisung oder Reflexion. Trotzdem lässt eine sorgfältige Analyse dieses Abschnitts aus 1Kor einige bemerkenswerte Schlussfolgerungen zu. Sie sollen hier nur aufgezählt werden, im nächsten Absatz werde ich sie ausarbeiten: 8 Nicht zuletzt ist für Paulus gerade die Verkündigung des Gekreuzigten der Ort, an dem Gottes Kraft in der Welt am Wirken ist (1Kor 1,18 – 25), und seine eigene Verkündigung im Kontext von Schwäche und Furcht und Zittern ist die Bescheinigung dafür, dass die Kraft, welche die Bekehrung der Korinther bewirkt hatte, im Wirken des Geistes lag, und nicht in der Weisheit und Eloquenz des Predigers. 9 Für eine weitere Diskussion dieser beiden Tendenzen in der Kirche, s. Fee: God’s Empowering Presence, S. 822 – 826.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

98

Gordon D. Fee

1. Glossolalie ist auf jeden Fall eine vom Geist inspirierte Ausdrucksart, wie 1Kor 12,7 – 11 und 14,2 deutlich machen. 2. Ob Paulus der Auffassung war, dass es sich dabei auch um eine konkrete irdische Sprache handelte, ist ein strittiger Punkt. Insgesamt legen die Textbelege jedoch nahe, dass dies nicht der Fall ist. 3. Sie ist eine Rede, die im wesentlichen für den Sprecher (14,14), ebenso wie für andere Zuhörer (14,16), unverständlich ist, weshalb sie in der Versammlung einer Auslegung bedarf. 4. Die Regelungen für ihren Gebrauch in der Versammlung in 14,27 – 28, unter Hinzunahme der Feststellung in 14,32, dass „der Geist der Propheten den Propheten untertan“ ist, machen deutlich, dass sich Zungenredner nicht in „Ekstase“ oder einem ähnlichem Zustand der „Kontrolllosigkeit“ befinden. 5. Sie ist Rede, die grundsätzlich an Gott gerichtet ist (14,2.5.28), deren Inhalt die Form von Gebet, Lied, Segen (Lobpreis) und Danksagung annimmt. 6. Obwohl Paulus den Gebrauch der Glossolalie in der Versammlung nicht verbietet, wird deutlich, dass er auch nicht dazu ermutigt. Vielmehr insistiert Paulus darauf, dass sich die Korinther „ernsthaft darum bemühen“ sollen, so zu reden, dass es für die anderen verständlich ist, also dass sie prophetisch reden sollen (14,1.3 – 5.6.9.12.16.19.24 f.28). 7. Als Gabe für das private Gebet, hielt Paulus die Glossolalie in höchsten Ehren (14,2.4a.15.17 f.). Obwohl sie für den Redenden nicht intelligibel ist, erbaut solch ein „Gebet im Geist“ denjenigen, der in Zungen redet (14,4). Mein unmittelbares Anliegen besteht darin, die bedeutsamen Korrespondenzen zwischen diesen Folgerungen (besonders 1; 3; 4; 5 und 7) und dem, was Paulus zum „Beten im Geist“ in Röm 8,26 f. sagt, herauszustellen. In meiner jüngsten Studie zum Geist bei Paulus, habe ich ausführlich dargelegt, dass sich dieser Abschnitt im Römerbrief sowohl exegetisch als auch phänomenologisch betrachtet, am deutlichsten erschließt, wenn wir das „unaussprechliche Seufzen“, das der Geist in uns bewirkt, hauptsächlich als Bezugnahme auf Glossolalie verstehen.10 Was mich dazu bewogen hat, diesbezüglich meine Meinung zu ändern,11 waren drei miteinander kombinierte Tatsachen: (1) Die wesentlichen Dinge, die Paulus in Bezug auf das Beten des Geistes durch den Gläubigen sagt, korrespondieren ganz genau mit seiner Beschreibung des Gebets in Zungen in 1Kor 14,14 – 19. Diese sind: (a) der Geist wird als derjenige verstanden, der durch den bzw. im Gläubigen betet (vgl. oben die Punkte 1;4 und 5) und (b) mit dem eigenen Intellekt verstehen die Betenden nicht, was der Geist gerade sagt (vgl. die Punkte 2; 3 und 7). (2) Die Erfahrung, die Paulus in Röm 8,26 f mit den Worten beschreibt „der Geist vertritt uns mit !kak¶tor Seufzern“, ist 10 S. ebd., S. 575 – 586. 11 Vgl. meinen Aufsatz Pauline Literature. In: Burgess, Stanley M.; McGee, Gary ; Alexander, Patrick H. (Hg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Regency Reference Library, 1988, S. 665 – 683, hier S. 680.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Wege zu einer paulinischen Theologie der Glossolalie

99

so formuliert, dass er sich offensichtlich auf etwas beruft, das einen Gemeinplatz unter frühchristlichen Gläubigen darstellt (immerhin schreibt er in diesem Fall einer Gemeinde, die ihn nicht persönlich kennt, sondern nur aus Berichten durch Dritte). Auf der anderen Seite weist auch die Glossolalie alle Merkmale eines Gemeinplatzes auf.12 (3) In diesem Fall ist die Tatsache, dass Paulus den Ausdruck stemaclýr !kak¶tor (wahrscheinlich: „unartikuliertes Seufzen“), an Stelle von „Glossolalie“ (sofern dies das Phänomen ist, das hier beschrieben wird) gebraucht, schlichtweg kontextuell bedingt, insofern es durch das Gesagte in 14,22 – 23 vorgegeben ist, wo er das gegenwärtige „Seufzen“ der Schöpfung, die das „noch nicht“ der endgültigen Erlösung erwartet, sowie die Gläubigen, die mit der Schöpfung „zusammen seufzen“, thematisiert hatte. Trotz des Gebrauchs von !kak¶tor13 hat Paulus daher höchstwahrscheinlich nicht vor, eine Form von stillem Beten zu beschreiben, sondern ein Beten, das „zu tief für Worte“ ist, also zu tief für „die gewöhnlichen Worte der Muttersprache des Sprechenden“. Es meint daher nicht „unartikuliert“, in dem Sinn, dass jemand die Worte „nicht ausspricht“, sondern es bedeutet, dass der Sprechende das Gesagte mit seinem Intellekt nicht versteht.14 In jedem Fall ist das, was Paulus in Röm 8,26 f. beschreibt, eindeutig eine Form von „Beten im Geist“, ein Ausdruck, den er in 1Kor 14,15 – 16 auch für das „Reden in Zungen“ gebraucht.15 Vor dem Hintergrund dieser Korre12 Gegen jene Exegeten, die in der ausschließlichen Erwähnung von Zungenrede in 1Kor ein Beleg dafür, sehen wollen, dass es sich dabei um ein mehr oder weniger auf die Korinther begrenztes Phänomen handle, sei darauf hingewiesen, (a) dass Paulus nur im 1Kor, und dort auch qua Korrektur eines Missstandes, den „Tisch des Herrn“(!) erwähnt und (b) dass Paulus’ Argumentationsstruktur in 1Kor 12 – 14, ebenso wie in 11,17 – 34, ein allseits bekanntes und praktiziertes Phänomen voraussetzt, das in Korinth außer Kontrolle geraten war. Schließlich weist die Art wie 1Kor 14,26 den christlichen Gottesdienst artikuliert – trotz der Anpassung an die konkrete Situation, – alle Merkmale dafür auf, dass es sich hier um ein weitläufig anerkanntes und nicht nur lokales Verständnis von Gottesdienst handelt. Ich möchte hinzufügen, dass hierin die Bedeutung des unechten Markusschlusses liegt, (Mk 16,9 – 20), ein Schluss, der eine sehr frühe Tradition wiedergibt, aber keine ersichtliche Verbindung zu Korinth zeigt. Unter anderem besagt diese Überlieferung, und zwar im Sinne einer schlichten Tatsachenbeschreibung, dass „sie in neuen Zungen reden werden“. 13 Seiner Herkunft nach lautet die wörtliche Bedeutung dieses Lexems „ungesprochen“. Es ist eher unwahrscheinlich, dass es auch „unausdrückbar [= zu tief für Worte]“ bedeutet, da es ein einwandfreies griechisches Wort für diese Idee gibt (!mejk\kgtor vgl. 1Petr 1,8). Im Kontext des Römerbriefs kann dieser Ausdruck kaum „still“ bedeuten, folglich scheint „unartikuliert“ im Sinne von „ohne bekannte Worte“ die beste Option für diese Textstelle zu sein. 14 Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass in der Antike sowohl Beten als auch Lesen in dem Sinn artikuliert war, dass die Worte „verlautbar ausgesprochen“ wurden. Demnach betete und las man sozusagen „laut“. 15 Vgl. Wedderburn, Alexander J. M.: Romans 8:26 – Towards a Theology of Glossolalia. In: Scottish Journal of Theology 28, Nr. 4 (1975), S. 369 – 377, der diese Interpretation von Röm 8,26 zwar verwirft (jedenfalls in der Form wie sie von E. Käsemann vorgetragen wurde), es aber dennoch für möglich hält, sie zur Grundlage einer paulinischen Theologie der Glossolalie zu funktionalisieren.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

100

Gordon D. Fee

spondenzen wird mein Versuch, dieses Phänomen theologisch zu fassen, den Textbefund beider Passagen heranziehen, und er ist daher als „Weg zu einer Theologie des Betens im Geist“ zu verstehen, welches für Paulus meist ein „Beten in Zungen“ gewesen sein dürfte. Denn schließlich kann er, zwar ohne es beweisen zu können, aber auch ohne Widerspruch befürchten zu müssen, die Worte „dass ich mehr in Zungen rede als ihr alle“, an eine Gemeinde richten, die (augenscheinlich) besonders stolz auf die öffentliche Äußerung dieses Phänomens war (1Kor 14,18).

Ein theologischer Vorschlag Obwohl Paulus selbst keine theologische Reflexion des Phänomens der Zungenrede bietet, lässt das, was er sagt, und gewissermaßen auch das, was er nicht sagt, einige bedeutende Aussagen über sein Verständnis der Zungenrede zu. Die vorigen Schlussfolgerungen aufnehmend möchte ich die folgenden Überlegungen anbieten: 1. Dass Paulus Glossolalie als vom Geist inspirierte Ausdrucksweise verstand, wird deutlich, wenn man die Kombination der Feststellungen betrachtet, die sich in 1Kor 12,7 – 8.10 – 11 finden. In 12,7 beginnt er mit der Aussage, dass sich „der Geist einem jeden zum Nutzen aller offenbart“, worauf in 12,8 – 10 eine Aufzählung von neun solcher „Kundgebungen“ erfolgt, deren erste vier auf dermaßen explizite Weise dem Heiligen Geist zugeschrieben sind („dem einen … durch den Geist“, „dem anderen … nach demselben Geist“), dass die letzten fünf per Implikation ebenso zu verstehen sind. Vers 11 stellt eine Bündelung dar, mit der die letzten Zweifel daran ausgeräumt werden: „Dies alles aber wirkt derselbe Geist [unter euch] und teilt einem jeden das Seine zu, wie er will.“ Dies wird auch in 1Kor 14,2 explizit ausgesagt, wenn Paulus feststellt, dass „wer in Zungen redet […], für/zu* Gott […] im Geist von Geheimnissen“ redet,16 und in 14,15 darauf zurückkehrt: „Ich will beten/singen mit meinem Geist [S/spirit]“.17 Ein solches Beten „im Geist“, das zwar für den Beter nicht * Fee übersetzt den Dativ he` (und später !mhq¾poir/2aut`) konsistent mit “to”, während deutsche Übersetzungen hier zumeist auf „für“ entscheiden, in einigen Fällen aber auch auf „zu“ (z. B. Elberfelder in 1Kor 14,2). Die Übersetzer verwenden daher an diesen Stellen „für/zu“. 16 In einem etwas weniger einfühlsamen Augenblick haben die Bibelübersetzer der NIV [New International Version, Anmerkung der Herausgeber], entgegen des eindeutigen Gebrauchs im Textkontext und bei Paulus im Allgemeinen, an dieser Stelle „pme¼lati“ im Sinne von „mit seinem Geist“ wiedergegeben. Zum paulinischen Gebrauch dieses Ausdrucks, s. Kapitel 2 in Fee: God’s Empowering Presence, S. 15 – 26. 17 Zu dieser Übersetzung und dem entsprechenden Verständnis dieser Passage, s. ebd., S. 228 – 233.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Wege zu einer paulinischen Theologie der Glossolalie

101

intelligibel, bei Gott aber wirksam ist, wird ebenso explizit in Röm 8,26 f dargelegt. Allein schon diese theologische Tatsache sollte einige dazu veranlassen, sich vorsichtiger zu äußern, wenn es darum geht, Zungen in der heutigen Gemeinde „ihren Ort zuzuweisen“ (womit oftmals ein „restloses Unterdrücken“ gemeint ist). Entgegen so mancher Behauptung, hat Paulus weder die Absicht, Zungen mit falschem Lob zu verwerfen, noch ist er von dem Phänomen so tief beeindruckt, wie dies offensichtlich bei den Korinthern – und später auch bei einigen Pfingstlern und Charismatikern – der Fall war. Vielmehr hielt Paulus Zungen, ebenso wie alle geistgewirkten Handlungen, in großen Ehren, sofern sie an ihrem rechtmäßigen Ort praktiziert wurden. 2. Im Hinblick auf das Phänomen an sich, sind zwei Dinge festzuhalten. Erstens machen die Regelungen des Gebrauchs in der Gemeinde deutlich, dass der Zungenredner sich nicht in „Ekstase“ oder einem anderweitigen Zustand der „Kontrolllosigkeit“ befindet. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: die Zungenredner sind angewiesen nacheinander zu sprechen und sie sollen schweigen, wenn niemand da ist, der auslegen kann. Eine solche Anweisung hat wenig bis gar keinen Sinn, wenn die Zungenredner in einer Art „Ekstase“ sind, in der man sich unter der „Macht des Geistes“ im Sinne eines Zustands der persönlichen Kontrolllosigkeit befindet. Was Paulus in Bezug auf das prophetische Reden in 14,32 sagt, gilt daher ebenso für diejenigen, die in der Versammlung in Zungen reden: „der Geist/die Geister [S/pirits] der Propheten sind den Propheten untertan“. Das bedeutet, dass Außenstehende, welche die Gläubigen für „verrückt“ halten würden, wenn diese in ihren Versammlungen allesamt (gemeint ist hier wohl gleichzeitig) in Zungen redeten, das „Verrückte“ nicht im Wesen der Tätigkeit selbst (= „Manie“) sehen, sondern in seiner fehlenden Intelligibilität oder der fehlenden Ordnung. Ebenso gibt es in der Beschreibung Röm 8,26 f. nichts, was die Schlussfolgerung nahelegen würde, dass sich der Zungenredner in einem Zustand der „Kontrolllosigkeit“ befände – auch wenn Paulus dies als solches gar nicht anspricht. Zweitens lässt sich anhand verschiedener Punkte zeigen, die zu einem Beweis konvergieren, dass Paulus die Glossolalie nicht als konkrete irdische Sprache verstand. Mit Sicherheit rechnet er nicht mit der Möglichkeit, dass jemand anwesend sein könnte, der die Zungenrede ohne Auslegung versteht, und die Analogie zur irdischen Sprache in 14,10 – 12 impliziert, dass es sich nicht um eine irdische Sprache handelt (in der Regel ist eine Sache nicht mit der identisch, wozu sie eine Analogie darstellt). Der nächstliegende Zugang zum paulinischen Verständnis des Phänomens liegt für uns in der Beschreibung desselben als „Engelzungen“ in 1Kor 13,1. Der Kontext erfordert, dass sich dieser Ausdruck auf die Glossolalie bezieht. Schwieriger ist die enge Konjunktion mit „Menschenzungen“. Höchstwahrscheinlich bezieht sich dies auf zwei Arten der Glossolalie: menschliche Rede, die vom Geist inspiriert dem Redenden und Hörenden jedoch unbekannt ist, und engelhafte Rede, die vom Geist inspiriert ist und dazu befähigt, im himmlischen Dialekt zu spre-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

102

Gordon D. Fee

chen. Der allgemeine historische Kontext lässt vermuten, dass die Korinther selbst die Glossolalie in letzterem Sinne verstanden und diese daher als einen Beweis dafür sahen, jetzt schon einen Teil ihres zukünftigen himmlischen Status erreicht zu haben.18 3. Alle vorhandenen Belege zeigen, dass Paulus die Glossolalie als Rede verstand, die an Gott und nicht an andere Gläubige gerichtet ist. Dies wird auf unterschiedliche Weise deutlich. Erstens wird es ausdrücklich in allen Textstellen erwähnt, in denen Paulus explizit auf die Zungenrede Bezug nimmt, und in einem Fall geschieht diese Erwähnung im spezifischen Kontrast zur prophetischen Rede, deren Adressaten andere Menschen sind. Darum sagt Paulus in 1Kor 14,2, dass derjenige, der in Zungen redet, nicht zu Menschen, sondern zu Gott redet. Ähnlich soll in 14,28 der Zungenredner schweigen, wenn kein Ausleger da ist, und „für/zu sich selber und für/zu Gott“ reden. Dasselbe wird auch in den Versen 14,14 – 16 impliziert, wenn der Zungenredner auf unterschiedliche Weise als jemand, der „betet“ (14 f.), der „Gott lobt“ (16) und der ein „Dankgebet“ (zu Gott, 14,17) spricht, bezeichnet wird. Schließlich wird auch in Röm 8,26 f. der Geist als derjenige vorgestellt, der durch den Gläubigen für denselben Gläubigen zu Gott betet. Vor diesem Hintergrund ergeben sich zwei wichtige Überlegungen. Erstens scheint die traditionelle pfingstliche Wendung der „Botschaft in Zungen“, mit der das Phänomen der Zungen und deren Auslegung beschrieben wird, wie sie historisch betrachtet in den Pfingstkirchen praktiziert worden sind, durch paulinische Belege kaum begründbar zu sein. Dieser Sprachgebrauch war augenscheinlich auf 1Kor 14,5 gestützt,19 wo Paulus der prophetischen Rede den gleichen Wert wie Zungenrede zuschreibt, die zur Erbauung der Gemeinde ausgelegt wird. Aber es scheint, als ob damit ein Sinn in den Text getragen wird, der so nicht vorliegt, wenn suggeriert wird, dass prophetische Rede und ausgelegte Zungenrede zu gleichwertigen Phänomenen werden, wo die Verse 14,2.28 dies doch eindeutig in Abrede stellen. Das wird besonders in 14,29 deutlich, wenn Paulus dezidiert die Meinung vertritt, dass es in der Gemeinde keine Glossolalie ohne Auslegung geben dürfe; und der Zungenredner vielmehr „für/zu sich und für/zu Gott“ reden soll. Dies lässt deutlich 18 Die Frage, ob die Zungenrede der heutigen pfingstlich-charismatischen Gemeinden wesensgleich dasselbe wie in den paulinischen Gemeinden ist, ist ein strittiger Punkt – wahrscheinlich aber auch relativ irrelevant. Es gibt schlichtweg keine Möglichkeit, dies herauszufinden. Als erfahrenes Phänomen ist sie mindestens analog zur Zungenrede der Korinther, insofern sie als ein übernatürliches Wirken des Geistes verstanden wird, das in vielerlei Hinsicht auf die gleiche Weise geschieht und sie für viele, die sie praktizieren, einen ähnlich hohen Wert besitzt, wie dies in Paulus’ Beschreibung der Fall ist. 19 S. z. B. Riggs: The Spirit Himself, S. 87: „Zungen und Auslegung sind mit prophetischer Rede identisch“. Im Anschluss daran liefert er eine beachtliche Apologetik für die Behauptung, weshalb es beides, sowohl prophetische Rede als auch ausgelegte Zungenrede, in der Versammlung geben sollte. Unter zeitgenössischeren Pfingstlern ist dies eine weniger verbreitete Meinung, s. z. B. Horton, Stanley M.: What the Bible Says About the Holy Spirit. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1976.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Wege zu einer paulinischen Theologie der Glossolalie

103

darauf schließen, dass das, was ausgelegt wird, in jedem Fall die Art von Rede ist, die in 14,2 als Reden von „Geheimnissen für/zu Gott“ bezeichnet wird. Es sei klar gestellt, dass damit nicht bewiesen ist, dass öffentliches Reden in Zungen in keinem Fall an die Gemeinde gerichtet sein kann; es kann nur festgehalten werden, dass Paulus dies nirgendwo sagt und an keiner Stelle Anlass gibt, darauf zu schließen. Zweitens deutet der vorhandene Gesamtbefund demnach darauf hin, dass Paulus zwar die ausgelegte Glossolalie in der Versammlung nicht verbietet, er aber auch nicht begeistert davon ist. Dies ist aus seiner expliziten Bevorzugung der prophetischen Rede in der Gemeinde ebenso ersichtlich wie aus der klaren Folge, die sich aus 14,18 f. ergibt („Ich rede mehr in Zungen als ihr alle. Aber in der Gemeinde möchte ich lieber fünf verständliche Worte reden als zehntausend, die nicht intelligibel sind.“), sowie aus Vers 28 (hier an den Zungenredner adressiert: „Ist aber kein Ausleger da, so schweige er in der Gemeinde und rede für/zu sich selber und für/zu Gott.“). 4. Dies führt mich zur Anmerkung weiter, dass der Grund für das „Schweigen“ in der Gemeinde bei Glossolalie ohne Auslegung (im Gegensatz zur prophetischen Rede) in Paulus’ Sorge um die Erbauung liegt, was ich nun für die folgenden theologischen Reflexionen herausarbeiten werde. Alles, was in der Versammlung geschieht, muss intelligibel sein, damit es den Rest der Gemeinde entsprechend erbauen kann. Folglich gilt im Fall der Glossolalie ohne Auslegung, dass der Zungenredner zwar „Gott dankt“ – daran besteht kein Zweifel –, der Rest der Gemeinde jedoch nicht erbaut werden und demnach nicht mit „Amen“ darauf antworten kann (1Kor 14,16 f.), weil die Gemeinde nicht in der Lage ist das, was zu Gott gesagt wird, zu verstehen. Im Fall eines individuellen Gläubigen, der im Privaten in Zungen betet, ist es jedoch genau umgekehrt. Eine solche Person spricht „Geheimnisse zu Gott“, und wenngleich der Verstand dabei ruht und somit „fruchtlos“ bleibt, so ist er weder abgekoppelt noch der Kontrollfähigkeit verlustig. Im Gegenteil, ein solches Gebet ist für den jeweiligen Beter, trotz der „Fruchtlosigkeit“, im Hinblick auf das eigene Verstehen dessen, was gesagt wird, ein Mittel zu Erbauung (1Kor 14,4). Während ein solches Verständnis dem von der Aufklärung stark beeinflussten Selbstverständnis des westlichen Christentums zuwider läuft, bietet Röm 8,27 den theologischen Schlüssel für diese Art von Erbauung. Es geht hierbei um Vertrauen in Gott und Zuversicht darauf, dass derjenige, zu dem wir dabei im bzw. durch den Heiligen Geist beten, „weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist, denn er vertritt die Heiligen wie es Gott gefällt [nach seinem Ratschluss]“. Paulus hat offensichtlich ein viel entspannteres Verhältnis als das spätere Christentum zur Erbauung des eigenen Geistes durch den Heiligen Geist, die stattfindet, ohne dass solch eine Erbauung im Kortex verarbeitet werden muss. Und das ist der Punkt, an dem meine letzte, im engeren Sinne theologische, Reflexion hervortritt, die zugleich den Versuch darstellt, die Teile eins und drei dieses Aufsatzes zusammenzuschließen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

104

Gordon D. Fee

5. Der paulinische Kontext für das Beten im Geist und demnach für die Glossolalie ist sein tiefgreifender eschatologischer Bezugsrahmen, in dem er den Geist als sicheren Erweis dafür ansieht, dass die Zukunft schon jetzt in der Gegenwart in Erscheinung getreten ist,20 und ihn als sichere Garantie ihrer endgültigen Vollendung versteht.21 Innerhalb dieses Bezugsrahmens dient die Glossolalie dem Gläubigen, so Paulus, nicht als Beweis dafür, dass die Zukunft jetzt schon gegenwärtig ist (in Abgrenzung zu Korinth), sondern dass die Zukunft „noch nicht“ vollendet ist.22 Gerade aufgrund unserer Existenz „zwischen den Zeiten“, haben wir in unserer gegenwärtigen Zerbrechlichkeit die Hilfe des Geistes dringend nötig. Das ist im Grunde genommen die Pointe von Röm 8,26 f. Der Geist steht uns zur Seite, betet durch uns mit „unaussprechlichen Seufzern“ und ist somit eine Hilfe in unserer gegenwärtigen Schwachheit. Gleichzeitig dient die Glossolalie als ständige Erinnerung daran, dass wir zusammen mit der Schöpfung als Ganzes weiterhin unsere endgültige Erlösung erwarten. Deshalb sind Zungen, ebenso wie die prophetische Rede und alle anderen Charismen des Geistes, nur für die gegenwärtige Zeit (1Kor 13,8 – 13). Zungen und prophetische Rede und Erkenntnis gehören zur Zeit der gegenwärtigen Schwachheit, in der wir nur „stückweise“ erkennen und die Hilfe des Geistes benötigen. Die Gläubigen, die in Zungen beten, geben das „Seufzen“ der gesamten Schöpfung als Echo wieder, während wir gemeinsam die endgültige Vollendung der Zukunft erwarten, die Gott in der Auferstehung und der Gabe des Geistes schon begonnen hat. Die theologischen Implikationen eines solchen Verständnisses sind weitreichende. Im Gegensatz zu dem, was oftmals in pfingstlichen und charismatischen Kreisen der Fall ist, geschieht das „Gebet in Zungen“ nach Paulus nicht aus einer Position der „Stärke“ heraus, als ob das Erfülltwerden mit dem Geist uns vor Gott in eine Machtposition stellen würde. Vielmehr geschieht das Zungengebet aus einer Position der Schwachheit heraus, weil wir „nicht 20 S. dazu insbes. Fee: God’s Empowering Presence, S. 803 – 813. Der Geist ist beides, das „Angeld“ und die „Erstlingsgabe“ der Zukunft, die schon jetzt mit der ersten Ankunft Christi und dessen Auferstehung und der darauf folgenden/anschließenden Gabe des eschatologischen Geistes angebrochen ist. 21 S. insbes. Eph 4,30; vgl. Fee, Gordon D.: Some Exegetical and Theological Reflections on Ephesians 4,30 and Pauline Pneumatology. In: Wilson, Mark W.; Williams, J. Rodman (Hg.): Spirit and Renewal: Essays in Honor of J. Rodman Williams. Sheffield: Academic Press, 1994 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series), S. 120 – 144. 22 Über die Frage, ob die Korinther Zungen in einem prahlerischen Sinn verstanden, lässt sich diskutieren, nur der zweite Teil der Analogie des Leibes in 1Kor 12,22 – 24 scheint dies anzudeuten. Dass sie Zungen als Erweis dafür sahen, schon jetzt einen Teil ihres himmlischen Status erreicht zu haben, scheint dem paulinischen Argumentationsgang eher zu entsprechen. In jedem Fall war ihre Auffassung von Zungen und dem Zweck derselben aus der Sicht des Paulus vollkommen falsch. Beten in Zungen gehört primär in den Privatbereich des persönlichen Gebetslebens, und solche „unaussprechlichen Seufzer“ spiegeln Gottes Macht wider, die trotz unserer gegenwärtigen Schwachheit am Wirken ist.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Wege zu einer paulinischen Theologie der Glossolalie

105

wissen was wir beten sollen“. In solchen Zeiten haben wir es dringend nötig, dass der Geist uns hilft, dass der Geist durch uns nach Gottes Ratschluss betet. Insbesondere müssen wir die Art von Vertrauen erlernen, die ein solches Gebet von sich aus verlangt, nämlich dass Gott tatsächlich weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist, und dass dessen stellvertretendes Gebet für uns mit Gottes Ratschluss für unser Leben und für die Welt aufs Beste übereinstimmt. Zugleich impliziert ein solches Verständnis von Glossolalie noch in einer weiteren Hinsicht Schwachheit. Obwohl man sich als Zungenredner nicht im ekstatischen Sinne eines solchen Phänomens in einem Zustand der „Kontrolllosigkeit“ befindet, ist man in einem anderen, biblischen, Sinn in einem Zustand der „Kontrolllosigkeit“. Man gibt die Kontrolle über das eigene Leben und die eigenen Pläne auf, so dass das gesamte eigene Selbst – besonders die widerspenstigsten Teile des eignen Selbst, der Verstand und die Zunge – in Gottes Verfügungsbereich gestellt werden,23 und man glaubt daran, dass seine Liebe für uns absolut rein, ganz „ohne Falsch“ ist und dass er für „die Heiligen“ nur Gutes beabsichtigt. Darum besteht Paulus darauf, dass er beides tun will: dass er mit seinem Verstand loben und singen möchte (zur Erbauung anderer) und dass er im Geist loben und beten will (zur Erbauung seiner selbst). Zugleich betont Paulus, indem er uns auffordert aus einer Position der Schwäche zu beten, unsere ausgesprochene Abhängigkeit von Gott in allen Dingen – und dies ist der Punkt an dem die Kraft in den Schwachen ins Spiel kommt. Indem der Geist durch uns in Zungen betet, ist der Geist der Weg, auf dem Gottes Stärke inmitten unserer Schwächen in uns vollkommen wird – und darin liegt zugleich die Stärke schlechthin. Daher dient unser Beten in Zungen, während es zugleich ein Erweis dafür ist, dass wir ins neue eschatologische Zeitalter durchgebrochen sind, besonders als Erweis dafür, dass wir uns in Bezug auf die Vollendung jenes Zeitalters immer noch im „noch nicht“ befinden. Weil wir noch nicht angekommen sind und zusammen mit der gesamten Schöpfung unsere endgültige Erlösung erwarten, beten wir im Geist aus unserer Schwachheit heraus und vertrauen auf implizite Weise darauf, dass der Geist im Einklang mit Gottes Absichten betet. Ein solches Gebet ist

23 Ich gebe zu, dass ich mich so manches Mal frage, ob der gegenwärtige Widerstand gegen die Glossolalie auf Seiten vieler nicht eine Kombination aus beidem darstellt, Unverständnis der diesbezüglichen paulinischen Perspektive einerseits und ein starkes Kontrollbedürfnis andererseits. Vielleicht ist das Ergebnis eines solchen Widerstands unser Lippenbekenntnis, dass wir sagen, dass wir uns selbst in all unserer Schwachheit unter Gottes Verfügung stellen, und zugleich jedoch darauf beharren, dass alles Beten aus einer Haltung der Stärke geschieht – und zwar der Form von Stärke, die nur dann angetroffen wird, wenn mit dem Verstand und selten im Geist gebetet wird. Dies ist ein weiterer Ort, an dem der Cessationismus in allen seinen Formen versagt. Er ist nicht nur exegetisch und hermeneutisch unhaltbar, sondern er führt auch zu einer Form des „Lebens aus einer Position der Stärke“, in diesem Fall der Stärke der rationalistischen Geisteshaltung.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

106

Gordon D. Fee

demnach Freiheit und Macht – Gottes Macht, die inmitten unserer Schwachheit diese vollkommen macht. Schließlich möchte ich anmerken, dass wenn die hier vorgestellte Sicht Paulus gerecht wird, sie auch verständlich macht, weshalb er einerseits so wenig, andererseits aber auch so positiv über Zungen spricht, und mehr noch, weshalb er sich selbst in seinem privaten Gebet dieser Gebetsform hingab, viel stärker noch als die Korinther, bei denen sie dem Anschein nach einen so hohen Stellenwert einnahm. Paulus’ gesamtes Verständnis der gegenwärtigen Existenz in Christus, die durch den Geist begründet ist, zeichnet sich dadurch aus, dass Gottes Macht und Weisheit durch menschliche Schwachheit und Zerbrechlichkeit am besten zur Geltung kommt. Darum wollte er unter den Korinthern nichts anderes kennen „als allein Jesus Christus den Gekreuzigten“; darum streitet er mit ihnen, wie es in 1Kor 11 – 12 der Fall ist; und darum kann er so zuversichtlich über die Bevollmächtigung des Geistes sprechen, obwohl er zugleich selbst Schwachheit, Leiden, Verhaftung und Spott kennt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Zungenrede, aus der Sicht des Paulus verstanden, in den Gesamtrahmen seines theologischen Ansatzes fügt. Hier bietet sich für uns die Gelegenheit, unser tiefstes Inneres im Lob, im Dank, im Gebet und in der Fürbitte auszudrücken. Und dies geschieht besonders dann, wenn wir inmitten unserer gegenwärtigen Schwachheit selbst nicht wissen was wir beten sollen. Wir wissen aber, so fährt Paulus fort, dass der Geist, indem er auf diese Weise an unser statt in unserer gegenwärtigen Schwachheit betet, „uns, die wir Gott lieben und nach seinem Ratschluss berufen sind, alles zum besten dienen lässt“ (Röm 8,28).24

24 Für dieses Verständnis des bekannten Bibeltexts, s. Fee: God’s Empowering Presence, S. 587 – 590.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Timothy B. Cargal

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus *

Pfingstliche Hermeneutik in einem postmodernen Zeitalter

„Meinen Freunden und Lehrern in der Pfingstbewegung, die mich die Bibel lieben, und meinen Freunden in der Reformierten Kirche, die sie mich verstehen lehrten.“ – Walter J. Hollenweger, Widmung in Charismatisch-Pfingstliches Christentum

In ihrer kürzlich veröffentlichten soziologischen Studie zu den Assemblies of God argumentierte Margaret Poloma, dass ein Faktor für das phänomenale Wachstum der pfingstlichen Denomination in den letzten beiden Jahrzehnten ihre Fähigkeit gewesen sei, einen „anthropologischen Protest gegen die Moderne“ zu bieten, indem sie „ein Medium für die Begegnung mit dem Übernatürlichen bereitstellt [… und] das Natürliche mit dem Übernatürlichen, das Emotionale mit dem Rationalen, das Charismatische mit dem Institutionellen in einer entschieden postmodernen Art verschmilzt.“1 Sie beschrieb diese „pfingstliche Weltanschauung [in] ihrem Glauben an und Erfahrung von Übersinnlichem als eine alternative Weltanschauung für unsere instrumentell rationale moderne Gesellschaft.“2 Doch während diese Kirchen vielleicht von dem in der weiteren Kultur Nordamerikas aufkommenden postmodernen Paradigma profitieren konnten, haben sich pfingstliche Bibelausleger in den Vereinigten Staaten immer mehr in Debatten verfangen, die dem Fundamentalismus-Modernismus-Streit des frühen 20. Jahrhunderts entstammen. Innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft tendierten Pfingstler dazu, sich an Evangelikale anzupassen, indem sie sich hin auf eine Übernahme der Methoden der historischen Kritik bewegten und zugleich ihr Bekenntnis zur Zuverlässigkeit der biblischen Erzählungen aufrecht erhielten. Als bestes Beispiel eines Gelehrten, der diesen Trend verkörpert, könnte Gordon Fee genannt werden. Sein Buch über neutestamentliche Exegese3 hätte von jedem * Originalveröffentlichung: Cargal, Timothy B.: Beyond the Fundamentalist-Modernist Controversy : Pentecostals and Hermeneutics in a Postmodern Age. In: Pneuma 15, Nr. 2 (1993), S. 163 – 187. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. 1 Poloma, Margaret: The Assemblies of God at the Crossroads: Charisma and Institutional Dilemmas. Knoxville, TN: University of Tennessee Press, 1989, S. xix [Auslassung und Ergänzung T. C.]. Diese Themen werden ausführlicher im Kapitel „Pfingstliche Realitätskonstruktion: Ein Protest gegen die Moderne“ [“Pentecostal Reality Construction: A Protest Against Modernity”], S. 3 – 20, diskutiert. 2 Ebd., S. xvii [Ergänzung T. C.]. [Der Begriff „Weltanschauung“ erscheint im Originaltext auf Deutsch.] 3 Fee, Gordon D.: New Testament Exegesis: A Handbook for Students and Pastors. Philadelphia, PA: Westminster Press, 1983.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

108

Timothy B. Cargal

evangelikalen Exegeten geschrieben werden können. Darüber hinaus konstatierte William Menzies eine positive Beziehung zwischen der Betonung der Theologie biblischer Autoren durch die Redaktionskritik und der „Art von Hermeneutik, die für eine pfingstliche Theologie nötig ist,“ wie sie sich von narrativen Texten ableitet,4 und einer seiner Söhne hat Redaktionskritik genau zu diesem Zweck eingesetzt.5 Im Ergebnis haben pfingstliche Exegeten zunehmend den historischen Kontext biblischer Erzählungen betont und deren Bedeutung auf die Absicht der „inspirierten“ Autoren reduziert.6 Doch durch die Übernahme dieser Strategie, operierten pfingstliche Exegeten weiterhin innerhalb eines von historischen Belangen dominierten philosophischen Paradigmas, und das in einer Zeit, in der die westliche Gesellschaft eher einem „Paradigmenwechsel“ unterliegt, der von dem für den Modernismus typischen historischen Bedeutungs-Paradigma weg führt.7 Demgegenüber sind pfingstliche Prediger in den Ortsgemeinden im Allgemeinen in den traditionellen Modi pfingstlicher Auslegung verblieben, welche die Unmittelbarkeit des Textes und die vielfältigen Dimensionen von Bedeutung betonen. Während diese Ausleger die historische Zuverlässigkeit der Erzählungen beteuern würden (mit einer im Wesentlichen vorkritischen Begründung), trägt der historische Kontext jedoch nichts Wesentliches zu 4 Menzies, William W.: The Methodology of Pentecostal Theology : An Essay in Hermeneutics. In: Elbert, Paul (Hg.): Essays on Apostolic Themes: Studies in Honor of Howard M. Ervin. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1985, S. 1 – 14, hier S. 8. Dieser Aufsatz ist eine leicht erweiterte und neu gefasste Version von Menzies’ früherem Artikel Synoptic Theology : An Essay on Pentecostal Hermeneutics. In: Paraclete 13, Nr. 1 (1979), S. 14 – 21. 5 Menzies, Robert P.: The Development of Early Christian Pneumatology with Special Reference to Luke-Acts. Sheffield: JSOT Press, 1991 (Journal for the Study of the New Testament Supplements 54). 6 Vgl. Fees Kommentar, dass es „die Hauptaufgabe für den Interpreten ist, die Absicht des Autors (ich würde hinzufügen: des Heiligen Geistes) zu entdecken.“ Fee, Gordon D.: Hermeneutics and Historical Precedent: A Major Issue in Pentecostal Hermeneutics. In: Ders.: Gospel and Spirit: Issues in New Testament Hermeneutics. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 83 – 104, hier S. 90; dies ist eine revidierte und mit einem Nachwort versehene Version eines Aufsatzes in Spittler, Russell P. (Hg.): Perspectives on the New Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Baker, 1976. S. a. Menzies: Methodology, S. 5. Zur Vielfalt der Ansichten unter Evangelikalen zur allgemeineren Frage welche Bedeutungsdimensionen zur „Absicht der ,inspirierten‘ Autoren“ gezählt werden und welche nicht, s. Sheppard, Gerald T.: Biblical Hermeneutics: The Academic Language of Evangelical Identity. In: Union Seminary Quarterly Review 32, Nr. 2 (1977), S. 81 – 94, hier S. 85 – 87. 7 Abhandlungen zu den charakteristischen Merkmalen des modernistischen historischen Paradigmas und des postmodernistischen systemischen Paradigmas bezüglich ihres Einflusses auf die Interpretation der Bibel finden sich in McKnight, Edgar V.: Postmodern Use of the Bible: The Emergence of Reader-Oriented Criticism. Nashville, TN: Abingdon Press, 1988, insbes. S. 13 – 26 und 44 – 166; Patte, Daniel: What Is Structural Exegesis? Philadelphia, PA: Fortress Press, 1976 (Guides to Biblical Scholarship, New Testament Series), S. 1 – 20; Patte, Daniel: The Religious Dimensions of Biblical Texts: Greimas’s Structural Semiotics and Biblical Exegesis. Atlanta, GA: Scholars Press, 1990 (Semeia studies), S. 3 – 10. Zum theoretischen Begriff des „Paradigmenwechsels“, Kuhn, Thomas S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 2., überarb. und um das Postskript von 1969 erg. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1989.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

109

ihrer Aneignung des Textes bei, da die dominanten Deutungsmuster eher typologischer Art sind. Daher hat sich unter Pfingstlern, wie Fee festgestellt hat, „an Stelle einer wissenschaftlichen Hermeneutik eine Art pragmatische Hermeneutik“ entwickelt: „gehorche dem, was wörtlich genommen werden sollte; spirtualisiere oder allegorisiere oder devotionalisiere den Rest.“8 Es mag ironisch klingen, doch diese traditionellen Formen pfingstlicher „vorkritischer“ Bibelauslegung haben mehr mit postmodernen Interpretationsmodi gemeinsam, als die „kritischen“ Auslegungen pfingstlicher Exegeten – insbesondere aufgrund ihrer Betonung der vielfältigen Dimensionen von Bedeutung und Anwendung des Textes. Im Anschluss an einige Beobachtungen über die Beziehungen von modernistischen und postmodernistischen philosophischen Paradigmen zur Hermeneutik, wird der vorliegende Artikel drei Hauptcharakteristika der pfingstlichen Hermeneutik diskutieren, wie sie von French Arrington herausgearbeitet wurden9 – pneumatische Illumination, die dialogische Rolle der Erfahrung und die Betonung von Erzählungen –, wobei diese mit bestimmten Charakteristika des aufkommenden postmodernen philosophischen Paradigmas verglichen werden. Die Studie wird zu zeigen versuchen, wie die traditionellen Merkmale der pfingstlichen Bibel-Aneignung, etwa die Vielfalt der Bedeutungen und die dialogische Rolle der Erfahrung bei der Aufgabe der Auslegung, Ähnlichkeiten mit postmodernen Textzugängen haben und von deren Einsichten profitieren können. Darüber hinaus stelle ich die Behauptung auf, dass die Bibelauslegung von Pfingstlern im Besonderen und Christen im Allgemeinen zunehmend als irrelevant wahrgenommen werden wird, wenn sie nicht Wege der Bibelauslegung finden, welche für die in diesem postmodernen Zeitalter lebenden Menschen bedeutsam sind. Zunächst wird es aber nötig sein, genauer zu bestimmen, wen ich unter der Bezeichnung „Pfingstler“ in diesem Artikel fasse, denn die pfingstlichen und charismatischen Bewegungen sind sehr divers. Ich benutze den Begriff hier als Bezeichnung für die „klassischen pfingstlichen“ Gruppen,10 die in den ersten 8 Fee: Hermeneutics and Historical Precedent, S. 86; vgl. Spittler, Russell P.: Scripture and the Theological Enterprise: View from a Big Canoe. In: Johnston, Robert K. (Hg.): The Use of the Bible in Theology: Evangelical Options. Atlanta, GA: John Knox Press, 1985, S. 56 – 77, hier S. 75. Er schließt seine Bemerkungen mit der Aussage „Ich bin keinesfalls bereit zu sagen, dass eine solch einfache pietistische Verwendung der Schrift defektiv sei; sie ist nicht so sehr falsch sondern begrenzt.“ Ich meine, dass im Folgenden deutlich wird, dass ich diese Ansicht teile. Ich werde später auf diese „typologischen“ Hermeneutik zurückkommen, wenn ich die pfingstliche Aneignung von Erzähltexten im Besonderen diskutiere. 9 S. Arrington, French L.: Hermeneutics, Historical Perspectives on Pentecostal and Charismatic. In: Burgess, Stanley M.; McGee, Gary B. (Hg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988, S. 376 – 389. 10 Dieser Begriff bezieht sich auf eine Taxonomie, in der die einzelnen pfingstlichen und charismatischen Gruppen nach ihren Ursprüngen in drei Stufen der pfingstlichen Erneuerung im 20. Jahrhundert eingeteilt werden: 1) die „Pfingstbewegung“ um die Jahrhundertwende [20. Jh.] (oft „klassische Pfingstler“ genannt), 2) die „charismatische Bewegung“ der 1960er und 1970er

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

110

Timothy B. Cargal

Jahren des 20. Jahrhunderts ins Leben kamen, insbesondere wie sie von den beiden größten pfingstlichen Denominationen in den USA vertreten werden (Assemblies of God, Springfield, Missouri und Church of God, Cleveland, Tennessee). Mit dieser Auswahl ziehe ich Pfingstler in Lateinamerika nicht in Betracht (wie auch andere pfingstliche Gruppen in der „dritten Welt“, die zusammengenommen die zahlenmäßige Mehrheit der pfingstlichen Gläubigen ausmachen), auch nicht afroamerikanische pfingstliche Gruppen, die so genannten „Charismatiker“ und die „Dritte Welle“, die pfingst-artige geistliche Erfahrungen beanspruchen, sich aber nicht mit einer pfingstlichen kirchlichen Institution identifizieren. Diese Auswahl ist bewusst getroffen und nicht nur ein bequemer Weg zur Begrenzung des zu diskutierenden Felds. Als ein ordinierter Geistlicher der Assemblies of God und ein auf biblische Studien spezialisierter Akademiker habe ich sowohl ein berechtigtes Interesse als auch eine Verantwortung in Bezug auf die Bibelauslegung der „klassischen Pfingstler“, innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft und der Gemeinde. Obwohl die Bibelauslegungen in anderen Zweigen der weltweiten pfingstlichen und charismatischen Bewegung an sich interessant und wichtig sind, besitze ich vermutlich weder die Expertise noch das Recht, für sie zu sprechen.

Philosophische Paradigmen und Hermeneutik: Modernismus und Postmodernismus Schon der Versuch einer zusammenfassenden Skizze solch weitläufiger philosophischer und kultureller Bewegungen wie Modernismus und Postmodernismus geht über den Umfang und die Art dieses Artikels hinaus. Glücklicherweise gibt es etliche gute und leicht zugängliche einführende Abhandlungen zum Postmodernismus und seinen Folgen für biblische Studien.11 Unser Interesse wird sich auf bestimmte grundlegende epistemologische Jahre und 3) die „Dritte Welle“ der 1980er. Barrett, David B.: Statistics, Global. In: Burgess, Stanley M.; McGee, Gary B. (Hg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988, S. 810 – 830; Wagner, C. Peter : The Third Wave of the Holy Spirit: Encountering the Power of Signs and Wonders Today. Ann Arbor, MI: Vine Books, Servant Publications, 1988, S. 13, 18. 11 Neben den in Anmerkung 7 genannten Arbeiten von McKnight und Patte s. a. Barr, David L.: Metaphors and Methodologies: The Holographic Model as Guide for Research. In: Proceedings: Eastern Great Lakes and Midwest Biblical Societies 6 (1986), S. 1 – 17; Martin, David L.: Toward a Post-Critical Paradigm. In: New Testament Studies 33 (1987), S. 370 – 385; Fowler, Robert M.: Post-Modern Biblical Criticism: The Criticism of Pre-Modern Texts in a Post-Critical, PostModern, Post-Literate Era. Vortrag: Annual Meeting of the Society of Biblical Literature, The Bible in Ancient and Modern Media Group, November 1988; sowie die Aufsätze in Poststructural Criticism and the Bible: Text/History/Discourse. In: Semeia 51 (1990).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

111

Fragen beschränken, welche die generelle Gestalt beider Bewegungen sowie die grundlegend verschiedenen Weltanschauungen von Modernismus und Postmodernismus darlegen. Es ist mein Anliegen zu zeigen, dass trotz der hitzigen Rhetorik im Fundamentalismus-Modernismus-Streit beide Seiten eine epistemologische Vorannahme teilen, und dass es genau jene Vorannahme ist, die durch die postmodernistische Kritik herausgefordert wird. Der Fundamentalismus-Modernismus-Streit und die Pfingstbewegung Gemeinsame Epistemologische Vorannahmen von Modernisten und Fundamentalisten Ich behaupte, dass die Praxis der biblischen Auslegung durch konservative Christen mit der ihrer modernistischen Gegner ein gemeinsames positivistisches philosophisches Paradigma teilt, in der die Geschichte als dominante Bedeutungskategorie angesehen wird. Diese Behauptung muss einigermaßen ausführlich entfaltet werden, wobei ich mit der modernistischen Position beginnen werde. Die epistemologische Wurzel des Modernismus – und einige würden behaupten sein bestimmendes Wesensmerkmal – liegt im Aufklärungs-Ideal der „Objektivität“. Dessen grundlegende Vorannahme ist, dass die Realität objektiv erkennbar sei, und – folglich nur das, was objektiv erkennbar ist, real sei.12 Diese objektivistische bzw. positivistische Vorannahme steht dann im Dienst eines historistischen Verständnisses von Bedeutung: die Geschichte wird zum „feldübergreifenden Feld“, das dem Wissen über „objektive Realität“ Sinn und Bedeutung verleiht. Das Wechselspiel zwischen dieser positivistischen Epistemologie und der modernen historischen Forschung wurde gut von Daniel Patte beschrieben: Ungeachtet der Tatsache, dass der zeitgenössische Historiker nie absolute Objektivität beansprucht, sondern lediglich verschiedene Grade der Wahrscheinlichkeit, bleibt er doch davon überzeugt, dass „Wahrheit“ im Sinne von Objektivität definiert ist. Dies impliziert er weiterhin, wenn er einräumt, dass die absolute „historische Wahrheit“ nicht erreicht werden kann; „historisch“ wird immer im Sinne von Objektivität verstanden, also im positivistischen Sinne. Dies beschränkt das Forschungsfeld des Historikers erheblich: Es umfasst notwendigerweise nur die Daten, die objektiv erfasst werden können, das heißt nur diejenigen, die einer objektiven Überprüfung zugänglich sind.13

12 Zu dieser epistemischen Definition von Moderne s. Moore, Stephen D.: The “Post-”Age Stamp: Does It Stick? Biblical Studies and the Postmodernism Debate. In: Journal of the American Academy of Religion 57, Nr. 3 (1989), S. 543 – 559, hier S. 546 und die hier angegebenen Quellen. 13 Patte: What Is Structural Exegesis?, S. 11. Die klassische Studie über dieses modernistische

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

112

Timothy B. Cargal

Man hätte erwarten können, dass konservative euro-amerikanische Christen hier entgegnen, dass es eine übernatürliche Realität gebe, die objektivistische Kategorien transzendiert; doch da auch sie Kinder der Aufklärung waren und deren positivistische Epistemologie teilten, oblag es ihnen geradezu, einen anderen Weg zu nehmen. Es lässt sich nachzeichnen, wie die Fundamentalisten ihren Glauben innerhalb der Begrenzungen des modernen philosophischen Paradigmas zu erhalten suchten, indem sie ihren Zugang zur Bibel mit dem ihrer modernistischen Gegner verglichen und kontrastierten. Für Modernisten konnte die Bedeutsamkeit der Bibel für die Christen des 20. Jahrhunderts in den durch kritische und objektive historische Rekonstruktion entdeckten „Wesenskernen“ sowie im Prozess der historischen Entwicklung selbst gefunden werden;14 für Fundamentalisten, die bereits dem Glauben an die Bibel als wahr und bedeutsam verpflichtet waren, demonstrierte die biblische Auslegung, dass die Bibel objektiv und historisch wahr sei. Um noch einmal Patte zu zitieren: Der fundamentalistische Ausleger bekräftigt als Exeget, gegen den Historiker, die Historizität der Jungfrauengeburt und des leeren Grabs. Warum? Weil er sich (noch mehr als der Historiker!) an die moderne historische Überzeugung hält, die im folgenden Ausdruck zusammengefasst werden kann: Wenn es historisch ist, ist es wahr. Für den fundamentalistischen Exegeten sind Wahrheit und Historizität derartig miteinander identifiziert, dass er schlussfolgern muss: Wenn es wahr ist (gemäß meines Glaubens), dann ist es historisch. [… Dieser Zugang], der eine biblische Auslegung frei von der modernen Kultur bieten wollte, endet mit einer Bindung an diese Kultur. Es wird nun angenommen, dass die moderne historische Überzeugung wesentlich zum biblischen Glauben gehöre!15

Was Fundamentalisten und Modernisten also gemeinsam haben, ist die philosophische Vorannahme, dass nur das, was historisch und objektiv wahr ist, bedeutsam ist. Die Evangelikalisierung der Pfingstbewegung Zwei Faktoren spielten eine wichtige Rolle in der Bestimmung der Einstellung der Pfingstbewegung zum Fundamentalismus-Modernismus-Streit. Erstens war die Pfingstbewegung als Reform- und Restaurationsbewegung innerhalb des amerikanischen konservativen Christentums des 20. Jahrhunderts dazu prädisponiert, der soeben als fundamentalistisch beschriebenen Antwort auf das moderne historische Bedeutungs-Paradigma und seiner Folgen für das Christentum ist Harvey, Van A.: The Historian and the Believer. New York: Macmillan, 1966. 14 Zu diesem zweiten, im historischen Prozess liegenden Bedeutungsaspekt, s. McKnight: Postmodern Use of the Bible, S. 68 – 74. 15 Patte: What Is Structural Exegesis?, S. 7. [Auslassung und Ergänzung T. C.]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

113

objektivistische und historistische Paradigma zu folgen. Wie die fundamentalistische Bewegung, war auch die Pfingstbewegung von einem starken Anti-Intellektualismus gekennzeichnet, der bis heute anhält. Wahrscheinlich lässt sich kein deutlicherer Hinweis für diesen Anti-Intellektualismus anführen, als die Aussage der Satzung der Generalversammlung der Assemblies of God, dass ein „bestimmtes Ausmaß an akademischer Ausbildung niemals eine Voraussetzung für [pastorale] Autorisierung“ sein solle, wenn auch bestimmte „Lektüre-Kurse“ und „Prüfungen“ verlangt werden könnten.16 Obwohl angeblich „die Mehrheit der heute ordinierten Personen Absolventen der Bibelschulen der Assemblies of God“17 seien, besitzt die Mehrzahl der gegenwärtig dienenden Geistlichen unter den klassischen Pfingstlern nach wie vor eine geringe oder keine formale theologische Ausbildung, nicht einmal auf dem Bachelor-Niveau. Daher tendieren die meisten der in Gemeinden dienenden pfingstlichen Geistlichen dazu, die historische Richtigkeit der Bibel „unkritisch“ zu akzeptieren („unkritisch“ in dem Sinne, dass die kritischen Werkzeuge der Historiographie zur negativen oder positiven Beurteilung dieses Anspruchs nicht eingesetzt werden), nämlich als Folge ihrer „Wahrhaftigkeit“ als „Wort Gottes“. Gleichwohl hat es immer einige Pfingstler gegeben, die eine höhere Bildung gesucht haben. Doch in Abwesenheit pfingstlicher Institutionen, die weiterführende theologische Abschlüsse anboten,18 erwarben viele, die Lehrer an pfingstlichen Bibel-Instituten bzw. späteren Colleges wurden, ihre theologische Grundausbildung an evangelikalen Einrichtungen, wie Westminster, Wheaton, Gordon-Conwell und Fuller. Die Auswahl dieser Einrichtungen resultierte aus einer zunehmenden „Evangelikalisierung“ der klassischen Pfingstler im Nachkriegs-Amerika und verstärkte zugleich die16 Constitution and Bylaws of the General Council of the Assemblies of God in the United States of America and Foreign Lands, Revised to August 13, 1989. In: Minutes of the 43rd Session of the General Council of the Assemblies of God, Convened at Indianapolis, Indiana, August 8 – 13, 1989, with Revised Constitution and Bylaws. Springfield, MO: General Secretary’s Office, 1989, S. 143 – 234, hier art. X, par. d, S. 152. S. a. den verwandten Artikel in den Statuten, art. VII, sec. 2, par. h, ebd., S. 168 f. [Ergänzungen T. C.] Diese Maßnahme der “Constitution” wurde 1951 eingefügt (s. Theological and Functional Dimensions of Ordination: With an Official Position Paper on the Assemblies of God View. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1977, S. 58 f.), in der Zeit, als die Assemblies of God sich zu einer Anpassung an den Evangelikalismus hin bewegten. Die Bedeutung dieses Zeitpunkts wird im Folgenden deutlich werden. 17 Theological and Functional Dimensions, S. 59. 18 Obwohl zwei Colleges der Denomination bereits früher die Abschlüsse „Bachelor der Theologie“ und „Master of Arts“ angeboten hatten, gründeten die Assemblies of God erst 1973 ein Predigerseminar, das sie zunächst „Graduiertenschule“ [graduate school] nannten, bis der Druck der Association of Theological Schools [Vereinigung Theologischer Schulen] eine Namensänderung erzwang. Bis heute gibt es keine mit pfingstlichen Gruppen verbundene Bildungseinrichtung, die einen höheren Abschluss höher als Master of Divinity vergibt. S. Robeck, Cecil M. Jr.: Seminaries and Graduate Schools. In: Burgess, Stanley M. (Hg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988, S. 772 – 776. [Dies ist inzwischen freilich nicht mehr aktuell, da eine Reihe von pfingstlichen Instituten mittlerweile PhD-Abschlüsse eingeführt haben.]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

114

Timothy B. Cargal

sen Trend – der zweite große Faktor,19 der die Pfingstler zu ihrer Ausrichtung gegen die Modernisten brachte. Eine wichtige Konsequenz dieser beiden Faktoren – des Anti-Intellektualismus, mit den ihn begleitenden Vorbehalten gegen eine institutionalisierte höhere Bildung, und der Allianz mit Evangelikalen sowie der Abhängigkeit von deren Ausbildungsstätten – war eine wachsende Divergenz zwischen den Pfingstlern, die vorwiegend in der Gemeindearbeit stehen und denen, die vorwiegend im akademischen Umfeld tätig sind, im Hinblick auf die Praxis der biblischen Auslegung. Einerseits verwenden die meisten Pastoren pfingstlicher Kirchen in ihren Predigten und in der biblischen Lehre ihrer christlichen Bildungsprogramme weiterhin eine vorkritische und in einem gewissen Sinne in der Tat fundamentalistische Hermeneutik. Andererseits haben sich viele pfingstliche Bibelwissenschaftler an einer Bewegung der Evangelikalen hin zu einer eingeschränkt kritischen Haltung beteiligt,20 mit dem Ergebnis, dass ihre biblische Auslegung, zumindest in ihren Vorannahmen und Methoden, sich in vielerlei Hinsicht von der Auslegung der nichtpfingstlichen Evangelikalen nicht unterscheiden lässt. Ein weiterer Faktor, der diese Spannungen zwischen pfingstlichen Geistlichen und pfingstlichen Bibelwissenschaftlern verkompliziert, zugleich aber auch entschärft, ist die Tatsache, dass pfingstliche Gruppen schon immer eine besondere Betonung auf das Predigen gelegt haben, insbesondere in pastoralen und „evangelistischen“ Situationen. Diese Betonung ist so stark, dass Poloma bemerkte, dass Geistliche, die „in nicht-pastoralen Funktionen dienen, oft mit einem gewissen Misstrauen vonseiten derer angesehen werden, die pastorale Positionen bekleiden.“21 Dieses Merkmal kann wiederum an der institutionellen Struktur der Assemblies of God veranschaulicht werden, welche die Ordination auf die „im vollzeitlichen Predigtdienst“ stehenden Personen begrenzen will.22 Der Vorschlag, die Ordination auf den vollzeitlichen Dienst außerhalb des Predigtdienstes von Pastoren und Evangelisten 19 Zur Integration der Pfingstbewegung in die evangelikale Bewegung, s. Menzies, William W.: Anointed to Serve: The Story of the Assemblies of God. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1971, S. 177 – 227; Blumhofer, Edith L.: The Assemblies of God: A Chapter in the Story of American Pentecostalism, Bd. 1: To 1941. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1989, S. 2: 13 – 49. Sheppard, Gerald T.: Word and Spirit: Scripture and the Pentecostal Tradition, Part One. In: Agora: A Magazin of Opinion within the Assemblies of God 1, Spring 1978 (1978), S. 4 – 5, 17 – 22; Sheppard, Gerald T.: Word and Spirit: Scripture and the Pentecostal Tradition, Part Two. In: Agora: A Magazin of Opinion within the Assemblies of God 2, Summer 1978 (1978), S. 14 – 19. Diese Artikel sind umfassende Überarbeitungen von Sheppards Vortrag „Reflections on Pentecostal Hermeneutics“, gehalten auf dem 7. Jahrestag der Society for Pentecostal Studies (Springfield, MO, 1.–3. Dezember 1977). 20 Für eine ausgezeichnete Diskussion dieses Trends und des Streits, der dadurch in der evangelikalen Gemeinschaft ausgelöst wurde, s. Noll, Mark A.: Between Faith and Criticism: Evangelicals, Scholarship, and the Bible in America. San Francisco: Harper & Row, 1986. 21 Poloma: Assemblies, S. 276, Anm. 1; s. a. ihre Diskussion zur Rolle der Pastoren und institutioneller Leitung auf S. 122 – 139. 22 Constitution and Bylaws, art. VII, sec. 3, par. c., sub–par. (3) (S. 170).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

115

auszudehnen, wurde zuletzt erst 1989 zurückgewiesen, denn man glaubte, dass eine solche Maßnahme „eine radikale Abwendung von unserer traditionellen Sicht auf einen ordinierten Geistlichen begründen würde […], die in Verwirrung und einem Verschwimmen des unverkennbaren Rufs, der Bestimmung und der Funktion der Ordination in den Dienst resultieren würde.“23 Sogar denjenigen, die in einer Gemeinde Aufgaben wie „Leiter der Jugendarbeit, der Musik, oder der Christenlehre“ erfüllen, „wird die Ordination nicht gewährt, wenn sie nicht den grundlegenden Predigt- bzw. pastoralen Dienst erfüllen.“24 Stattdessen wird diesen Arbeitern eine besondere Autorisierung gewährt, die „Fachlizenz“ [“specialized licence”] genannt wird.25 Dessen ungeachtet wird die Ordination von den Assemblies of God als eine notwendige Qualifikation für alle diejenigen angesehen, die in „Verwaltung, Lehre, […] und anderen Diensten“ involviert sind.26 Folglich haben die meisten pfingstlichen Bibelwissenschaftler nicht nur einen Hintergrund im Gemeindedienst sondern sind auch fortwährend in einen solchen Dienst eingebunden. Während also viele pfingstliche Pastoren sogar den Wissenschaftlern ihrer eigenen Gemeinschaften misstrauisch gegenüberstehen, sind die meisten pfingstlichen Wissenschaftler neben ihren akademischen Posten wenigstens teilweise in den Gemeinden weiterhin aktiv. Zum Teil aufgrund dieses interessanten Verhältnisses verbleiben bestimmte Gemeinsamkeiten zwischen der „vorkritischen“ biblischen Auslegung pfingstlicher Prediger und der „kritischen“ Exegese pfingstlicher Akademiker; und eine dieser Gemeinsamkeiten ist das sowohl mit den Fundamentalisten als auch mit den Modernisten geteilte Bekenntnis zur philosophischen Vorannahme, dass nur das, was historisch und objektiv wahr ist, bedeutsam ist. Doch der pfingstliche Pastor erlangt diese Überzeugung aufgrund einer als selbstverständlich angenommenen kulturellen Erfahrung, während der pfingstliche Wissenschaftler von den intellektuellen Strömungen der Aufklärung tief beeinflusst ist.

Übergang von einer modernen zu einer postmodernen Weltanschauung Der Postmodernismus unterscheidet sich auf der elementarsten Ebene vom Modernismus in seiner Kritik und Zurückweisung der Auffassung, dass „nur das, was historisch und objektiv wahr ist, bedeutsam ist“. Bedeutung ist nicht 23 Minutes of the 43rd Session of the General Council of the Assemblies of God, Convened at Indianapolis, Indiana, August 8 – 13, 1989, with Revised Constitution and Bylaws. Springfield, MO: General Secretary’s Office, 1989, S. 32. [Auslassung T. C.] 24 Theological and Functional Dimensions, S. 49 – 50. 25 Constitution and Bylaws, VII, sec. 3, par. b., sub–par. (2) (S. 170). 26 „Die Ordination […] eröffnet den Zugang zum Dienst als Amtsträger [… und] ist ein wesentlicher Schlüssel für die Akzeptanz in pastorale, evangelistische, administrative, Lehr-, Kaplan- und andere Dienste.“ S. Theological and Functional Dimensions, S. 50. [Auslassungen und Ergänzung T. C.]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

116

Timothy B. Cargal

durch positivistische Beschränkungen begrenzt. Der Hauptindikator dieses Paradigmenwechsels war Albert Einsteins Veröffentlichung der „speziellen Relativitätstheorie“, die demonstrierte, dass die „objektive Realität“ der Zeit selbst von den Umständen des beobachtenden Subjekts abhing. Weitere Entwicklungen in den sogenannten „exakten“ Wissenschaften – jener großen Bastion der positivistischen Weltanschauung – nämlich in den Gebieten der Quantenmechanik (z. B. die Heisenbergsche Unschärferelation) und der theoretischen Mathematik (z. B. Gödels erster und zweiter Unvollständigkeitssatz) waren weitere verheerende Attacken auf die Weltanschauung des Modernismus und wurden bald in den Humanwissenschaften wie Soziologie (z. B. Bergers und Luckmanns Theorien zur „sozialen Konstruktion der Wirklichkeit“) und Literaturkritik (z. B. Rezeptionsästhetik und Dekonstruktion) aufgenommen.27 Bereits 1981 hatte Howard Ervin die These aufgestellt, dass diese Entwicklungen Folgen für die pfingstliche Kritik an einer modernen existentiellen Hermeneutik hätten: Die Stichhaltigkeit der Argumente für Entmythologisierung mag den „modernen Verstand“ ansprechen, da es ohne weiteres in das Bezugssystem eines wissenschaftlichen Weltbildes des 18. oder 19. Jahrhunderts passt. Doch ein solches wissenschaftliches Weltbild ist heute weder selbstverständlich noch selbst-verbürgend. In der Tat hat die Weltanschauung, die aus den Postulaten der Newtonschen Physik, der Kopernikanischen Himmelsmechanik und Lyells Aktualismus geschmiedet worden ist, einen geeigneten Bezugsrahmen für solche Spekulationen bereitgestellt. Doch denkt der moderne wissenschaftliche Verstand noch in diesen Kategorien? Mit der Ankunft der Nuklearphysik hat die Wissenschaft einen Quantensprung nach vorn gemacht und der ältere wissenschaftliche Materialismus ist überholt.28

Das Problem hierbei ist, das Ervin offensichtlich schlussfolgerte, dass diese Entwicklungen der zeitgenössischen Wissenschaften die in der Bibel vorausgesetzten altertümlichen Weltanschauungen bestätigen würden: „Es gibt einen tiefergehenden Respekt für das Zeugnis der Schrift [… unter] Kollegen, die die pfingstliche Realität erfahren haben [… und] sie nun ,von innen‘ her lesen, indem sie die ihr eigenen Idiome und Kategorien akzeptieren und ihr nicht die fremden Kategorien einer Denkweise des 19. Jahrhunderts aufzwingen.“29 27 Vgl. Martin: Toward a Post-Critical Paradigm, S. 373 – 375; Fowler: Post-Modern Biblical Criticism, S. 24 f.; Moore: “Post-”Age Stamp, S. 545 – 547. 28 Ervin, Howard M.: Hermeneutics: A Pentecostal Option. In: Pneuma 3, Nr. 2 (1981), S. 11 – 25, hier S. 19. Dieser Artikel wurde später mit nur sehr kleinen redaktionellen Änderungen in einer Festschrift für Ervin selbst erneut abgedruckt, s. Elbert, Paul (Hg.): Essays on Apostolic Themes: Studies in Honor of Howard M. Ervin. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1985, S. 22 – 35 (Der frühere Artikel wurde vom Herausgeber hier nicht erwähnt.) 29 Ervin: Hermeneutics, S. 22 f. [Auslassungen und Ergänzungen T. C.] S. a. seine weitere Diskussion dazu auf S. 19 – 20. Zu seiner Behauptung, dass eine Begegnung mit dem Heiligen Geist

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

117

Was auch immer die genauen Konturen jener Kosmologie sein werden, die aus den „großen vereinheitlichten Theorien“ [“Grand Unified Theories”] und/ oder „Weltformeln“ [“Theories of Everything”] (den sog. GUTs und ToEs der gegenwärtigen Astrophysik) hervorgehen werden, es ist offensichtlich, dass sie weder eine Neuformulierung der „Idiome und Kategorien“ des „dreistöckigen Weltalls“ sein werden, das hinter der Sprache von Gen 1 steht, noch der ptolomäischen Kosmologie mit ihren acht konzentrischen Sphären, die im Neuen Testament vorausgesetzt wird. Es ist für die Erben der Aufklärung einfach unmöglich mit ihrer kopernikanischen bzw. keplerschen „Geographie“ des Sonnensystems zu jenen vormodernen Kosmologien und den ihnen zugrunde liegenden Weltanschauungen zurückzukehren. Doch was ich im verbleibenden Teil dieses Aufsatzes zeigen will, ist, dass bestimmte charakteristische Merkmale der traditionellen pfingstlichen Hermeneutik in der Tat empfänglicher für dieses postmoderne Paradigma sind, als für das von Positivismus und Historismus dominierte moderne Paradigma.

Pfingstler und Postmoderne Hermeneutik Pneumatische Illumination und das Aufkommen post-kritischer Positionen Pneumatische Illumination In einem Aufsatz, der eine „pfingstliche Epistemologie“ in Bezug auf die Entwicklung einer pfingstlichen Hermeneutik zu artikulieren versuchte,30 schlug Ervin vor, dass „der Beitrag der gegenwärtigen charismatischen oder pfingstlichen Erneuerung der Kirche zur Hermeneutik ihr Beharren auf der Erfahrungs-Unmittelbarkeit des Heiligen Geistes“ sei.31 Diese Betonung der ein wesentlicher Bestandteil pfingstlicher Hermeneutik sei, s. unten die Diskussion zur „pneumatischen Illumination“. 30 Ervins Versuche, eine „pfingstliche Epistemologie“ zu artikulieren, waren naiv. Er schrieb: „Benötigt wird eine Epistemologie, die fest im biblischen Glauben gegründet ist und mit einer Phänomenologie verbunden ist, die den Kriterien empirisch verifizierbarer sensorischer Erfahrungen (Heilung, Wunder, usw.) entspricht, ohne die Kohärenz rationaler Kategorien zu verletzen“, s. ebd., S. 12. Es ist bemerkenswert, wie genau eine solche Aussage der fundamentalistischen Aneignung des modernistischen philosophischen Paradigmas entspricht, die oben diskutiert wurde. Eine Epistemologie kann jedoch nicht „fest im biblischen Glauben gegründet“ sein, da „biblischer Glauben“ (im Singular und Plural) aus bestimmten Epistemologien hervorgeht. Weiterhin ist es, wie oben diskutiert, unmöglich für Menschen, die in einer westlichen Kultur am Ende des 20. Jahrhunderts leben, eine Epistemologie und die sie begleitende Weltanschauung wieder anzunehmen, die aus dem 1. Jahrhundert oder sogar noch früher stammt, wie dies in Bezug auf die in der hebräischen Bibel vorausgesetzten Epistemologien der Fall ist. 31 Er fährt fort: „Es gibt direkte Kontakte mit nicht-materieller Realität, welche die pfingstliche Epistemologie und damit ihre Hermeneutik beeinflussen.“ S. ebd., S. 23. Zur pneumatischen

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

118

Timothy B. Cargal

Erleuchtung gehe nicht aus der pfingstlichen Beschäftigung mit geistlichen Begegnungen hervor, sondern sei eine Fortschreibung theologischer Konzepte über die Inspiration der Schrift.32 Da die Bibel „Gottes Wort“ sei, sprächen Pfingstler der Bibel einen fundamental anderen Charakter zu als einem Buch, das lediglich aus menschlichen Worten besteht. Ervin beschreibt diese Qualität wie folgt: [D]as Wort Gottes ist das ultimative Wort. Es ist das transzendente Wort. Es ist das Wort über alle menschlichen Worte hinaus, denn es wird von Gott gesprochen (Offenbarung). In der Tat, es ist das Wort, das allen menschlichen Worten widerspricht [… und] das über alle menschliche gnosis richtet. Es ist ein Wort, wofür es keine dem menschlichen Verstehen endemischen Kategorien gibt. Es ist ein Wort, wofür es tatsächlich keine Hermeneutik gibt, wenn nicht der göttliche Hermeneut (der Heilige Geist) ein Verständnis vermittelt.33

Wenn die in diesen rhetorischen Schnörkeln präsentierte doketische Sicht der Bibel tatsächlich die pfingstliche Sicht auf Inspiration wäre, dann könnte keine Hermeneutik die Schrift verstehbar machen – nicht einmal die pfingstliche mit ihrer Betonung der pneumatischen Erleuchtung. Denn wenn „es keine dem menschlichen Verstehen endemische Kategorien gibt“, mit denen die Schrift ausgelegt werden könnte, weil sie ein göttliches Wort ist, dann ist es unwahrscheinlich, dass noch ein weiteres „göttliches Wort“ der pneumatischen Illumination diese Schwierigkeit überwinden könnte. Eine ähnliche Kritik des Rufs nach einer „Epistemologie des Geistes“ als Teil der pfingstlichen Hermeneutik ist von Richard Israel vorgebracht worden: Eine weitere Frage an diesen Zugang ist: Warum ist er notwendig? Wenn es sich um menschliche Sprache handelt, dann ist sie innerhalb der allgemeinen Hermeneutik der Sprache – oder genauer : der Texte – verständlich. Die Epistemologie des Verstehens in den Humanwissenschaften steht auch ohne die Einführung eines epistemologischen Dualismus in das hermeneutische Unternehmen schon vor genug Problemen.34

Auch wenn die pfingstlichen Lehren von der Inspiration zu solchen Exzessen neigen, so sind sie doch nicht wirklich doketisch. Stattdessen betonen sie, dass das besondere Merkmal der Schrift darin bestehe, dass sie „Gottes Wort“ in menschlichen Worten ausgedrückt sei.35 In gewisser Hinsicht ist die Schrift

32 33 34 35

Illumination als dem Charakteristikum der pfingstlichen Hermeneutik s. a. McLean, Mark D.: Towards a Pentecostal Hermeneutic. In: Pneuma 6, Nr. 2 (1984), S. 35 – 56, hier S. 50. Zu diesem Gesichtspunkt s. a. Arrington: Hermeneutics, S. 379 – 382; „Dieser pneumatische Interpretationsmodus hat sein Fundament in der Inspiration der Schrift“, S. 382. Ervin: Hermeneutics, S. 16, Hervorhebung H. E. Israel, Richard D.; Albrecht, Daniel E.; McNally, Randall G.: Pentecostals and Hermeneutics: Texts, Rituals and Community. In: Pneuma 15, Nr. 2 (1993), S. 137 – 161, hier S. 144. S. Pearlman, Myer : Knowing the Doctrines of the Bible. überarb. Aufl. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1937, S. 22 f.; Thomas, John C.: The Word and the Spirit. In: Church of God

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

119

daher ohne pneumatische Illumination verstehbar. In der Tat betonen die meisten pfingstlichen Akademiker, dass „linguistische, literarische und historische Analysen als ein erster Schritt zum Verständnis der Schrift“ als „menschliche Worte“ unverzichtbar sind,36 obwohl manche pfingstliche Gelehrte sich sorgen, dass die Verwendung der „historisch-kritischen Exegese“ der pfingstlichen Theologie und biblischen Auslegung schaden könne, sogar wenn sie im Rahmen „traditioneller evangelikaler/fundamentalistischer hermeneutischer Prinzipien“ verwendet wird.37 Pneumatische Illumination wird dann zu einem Faktor im Verstehen der „Wort Gottes“-Qualität der Schrift, das heißt der „tieferen Bedeutung des biblischen Texts, die ausschließlich durch die Augen des Glaubens erkannt werden kann“ und nur mit der Hilfe des Heiligen Geistes.38 Pfingstliche Prediger betonen vor allem diese „tiefere Bedeutung des biblischen Texts“, denn schließlich handele es sich hier um den „göttlichen“ im Gegensatz zum „einfachen menschlichen“ Aspekt der Schrift. Daher hört man in pfingstlichen Predigten häufig Äußerungen wie „Der Heilige Geist zeigte (oder ,offenbarte‘) mir etwas in diesen Versen, was ich noch nie vorher gesehen hatte.“ Hier liegt der Ursprung der traditionellen pfingstlichen Betonung der vielfältigen Bedeutungsdimensionen des biblischen Texts: der Heilige Geist kann die Worte des Texts „erleuchten“, um sie in eine ganze Anzahl von Situationen „sprechen zu lassen“, die der menschliche Autor des Textes nicht vorhersehen konnte. Darüber hinaus besitzen diese „erleuchteten“ Bedeutungen viel mehr Kraft über pfingstliche Gläubige, da sie als von Gott bestätigt und bevollmächtigt angesehen werden. Pfingstler sind sich schon lange des Missbrauchspotentials bewusst, das solchen Ansprüchen auf pneumatische Illumination innewohnt. Arrington warnte: Es besteht aber eine drohende Gefahr darin, sich allein auf diese pneumatische Leitung im hermeneutischen Prozess zu verlassen. Diese Gefahr liegt in der Möglichkeit, dass der Auslegende seinen eigenen (oder einen anderen) Geist mit dem Geist Gottes verwechselt. Weil der Auslegende göttliche Leitung geltend gemacht hat, wird die resultierende Auslegung als nicht hinterfragbar angesehen und beansprucht so indirekt eine Autorität, die der Schrift selbst gleichgestellt ist. Dieser unangefochtene Status macht die Auslegung vorgeblich zu einer inspirierten, unfehlbaren und inhärent autoritativen.39

36 37 38 39

Evangel 81 (1991), S. 5 – 7, hier S. 6. Selbst Ervin behauptet schließlich eine ähnliche „inkarnatorische“ Sicht der Inspiration, s. Ervin: Hermeneutics, S. 17 – 18. Ervin: Hermeneutics, S. 18, vgl. a. 24; s. a. Arrington: Hermeneutics, S. 382; und insbes. Fee: Hermeneutics and Historical Precedent, S. 89 – 92. McLean: Towards a Pentecostal Hermeneutic, S. 36 f. Arrington, French L.: Christian Doctrine: A Pentecostal Perspective, Bd. 1 – 3. Cleveland, TN: Pathway Press, 1992_1994, S. 382. Arrington: Hermeneutics, S. 383.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

120

Timothy B. Cargal

Die Bemühungen, diese Gefahr zu minimieren, führten dazu, dass die Möglichkeit vielfältiger Bedeutungen des biblischen Textes heruntergespielt (wenn nicht sogar abgestritten) wurde. Um wiederum Arrington zu zitieren: „Da es nur einen Gott gibt und dieser eine Gott die Verkörperung aller Wahrheit ist, so war die Schlussfolgerung der frühen Pfingstler, dass es nur eine Wahrheit und nur eine korrekte Auslegung der Schrift gebe.“40 Doch solche Versuche, die möglichen Bedeutungen des Textes zu limitieren, haben die Auslegungen pfingstlicher Prediger noch nie erfolgreich gebändigt. Eine alternative Möglichkeit, die Ansprüche auf eine „inspirierte“ Auslegung des „inspirierten“ Texts zu bestreiten, war das Einzeichnen einer deutlichen Trennlinie zwischen den phänomenologischen Ereignissen der „Inspiration“ und der „Illumination“. So behaupteten Pfingstler, dass die menschlichen Autoren der biblischen Texte vom Heiligen Geist „inspiriert“ gewesen seien, was diesen Schriften besondere Autorität und in der Tat Unfehlbarkeit verlieh,41 aber dass nachfolgende Ausleger dieser Texte nur vom Geist „erleuchtet“ würden, so dass ihre Aneignungen des Textes einer ähnlichen Autorität entbehrten.42 Doch diese scharfe Trennung zwischen „Inspiration“ und „Illumination“ wird von Pfingstlern vermehrt übergangen: Wenn man dem Heiligen Geist in derselben apostolischen Erfahrung mit derselben sie begleitenden charismatischen Phänomenologie begegnet, dann ist man in einer besseren Lage, um das apostolische Zeugnis in einer wirklich existenziellen Weise zu erfassen. Schließlich ist es der Geist, der sowohl zeitlos und immanent ist, der das existenzielle sowie das vorausgesetzte Kontinuum zwischen dem in der Vergangenheit geschriebenem Wort und demselben Wort in der Gegenwart begründet. 40 Ebd., S. 382. Arrington illustriert diese Tendenz mit einem Zitat aus einer Ausgabe des Church of God Evangel von 1914. Dieser Impetus ist aufgrund der Allianz mit Evangelikalen und der daraus folgenden Betonung auf die Intention der „inspirierten“ Autoren nur noch stärker geworden; s. o. Anm. 6. 41 Es ist zu anzumerken, dass sich die frühen theologischen Verlautbarungen zur Inspiration der Schrift innerhalb der Assemblies of God auf „Unfehlbarkeit“ beschränkten und das Problem der „Irrtumslosigkeit“ nicht behandelten (genauso wenig wie „Verbalinspiration“ vor den Ergänzungen von 1961 behandelt wurde, s. Spittler : Scripture, S. 58 – 60). Bis in die Gegenwart enthält die „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“ [“Statement of Fundamental Truths”] nicht die „Irrtumsfreiheit“: „Die Schriften, sowohl das Alte als auch das Neue Testament, sind von Gott verbal inspiriert und sind die Offenbarung Gottes für den Menschen; die unfehlbare, autoritative Vorschrift für Glauben und Verhalten“, s. Constitution and Bylaws, art. V, sec. 1. Im Jahr 1970 hat das General-Presbyterium der Assemblies of God ein Positionspapier zur Unterstützung der Position der „Irrtumslosigkeit“ des ganzen Inhalts der Bibel verabschiedet, was ich als Beleg dafür ansehen würde, dass sich Pfingstler zunehmend in Debatten innerhalb des Evangelikalismus verfangen haben, die aus dem Fundamentalismus-Modernismus-Streit hervorgehen. (Für eine ähnliche Einschätzung, s. Spittler : Scripture; Sheppard: Word and Spirit, Part 1; Sheppard: Word and Spirit, Part 2.) Diese Position ist beträchtlich restriktiver als eine Sicht auf die Bibel als „die unfehlbare, autoritative Vorschrift für Glauben und Verhalten.“ 42 S. Pearlman: Knowing, S. 21 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

121

Weil der menschliche Autor zu jedem Zeitpunkt des einschreibenden Prozesses geführt und unterstützt wurde, glaubt man, dass der menschliche Ausleger dieselbe Führung und Unterstützung benötigt. Eine solche Sicht erkennt die geistliche Verwandtschaft zwischen den Autoren des Textes und dem modernen Leser. Wenn die Erfahrung des Heiligen Geistes durch den modernen Leser die apostolische Erfahrung des Geistes nachvollzieht, dann dient der Geist als der gemeinsame Kontext, durch den Leser und Autor den historischen und kulturellen Graben zwischen ihnen überbrücken können.43

Diese Ansprüche, dass moderne Ausleger mit den antiken Autoren die phänomenologisch gleiche Begegnung mit dem Geist teilen, und weiter, dass diese „Erfahrung“ ihre Auslegung informiert und stützt, führt uns zum zweiten Hauptcharakteristikum pfingstlicher Hermeneutik. Doch bevor wir uns dieser Eigenschaft pfingstlicher Hermeneutik zuwenden, muss erörtert werden, wie die pneumatische Erleuchtung zum heraufkommenden postmodernen Paradigma in Bezug gesetzt werden kann.

Die Kritik der Hegemonie der Vernunft und das Aufkommen post-kritischer Positionen Einer der Haupteffekte der postmodernistischen Kritik am Positivismus war die damit einhergehende Kritik an der Hegemonie der Vernunft. Ich betone Hegemonie, denn es muss deutlich bleiben, dass der Postmodernismus nicht Vernunft und Rationalität per se kritisiert. Vielmehr ist dem Postmodernismus deutlich geworden, dass Vernunft und Rationalität uns zwar viele und wichtige Dinge mitteilen können, aber eben nicht alles. Diese Einsicht, die schon in den pluralistischen Anliegen der Moderne enthalten war,44 wurde von David Barr im Rückgriff auf die Hindu-Fabel von den vier Blinden und dem Elefanten gut dargestellt: Während uns die Vernunft viel über in ihrem Zugriff liegenden Teile der Wirklichkeit mitteilen kann (Rüssel, Schwanz, Seite und Bein), erfasst sie oft nicht das Ganze (den Elefanten), weil das Ganze mehr ist

43 Ervin: Hermeneutics, S. 22; Stronstad, Roger: Trends in Pentecostal Hermeneutics. In: Paraclete 22, Nr. 3 (1988), S. 1 – 12, hier S. 9, vgl. auch 10; Arrington: Hermeneutics, S. 382. [Alle Hervorhebungen T. C.] 44 Das Verhältnis zwischen den einem Paradigma innewohnenden Charakteristika und deren Rolle in der Fundierung eines nachfolgenden Paradigmenwechsels ist grundlegend für Kuhns Konzept des „Paradigmenwechsels.“ Martin: Toward a Post-Critical Paradigm, S. 373 beschreibt dies wie folgt: „Das Paradigma entspricht historischen Perioden, aber die Veränderung beginnt in der Mitte einer Paradigmen-Periode durch die Erscheinung von Anomalien im Sinne des gegenwärtigen Paradigmas. In der Tat, der Samen der eigenen Verdrängung ist bereits gelegt im Erscheinen eines neuen Paradigmas. Auf verschiedenen Wegen transzendieren neue Theorien, Methoden und Institutionen die Anomalien und verkörpern Transformationen.“

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

122

Timothy B. Cargal

als die Summe seiner Teile.45 Und in der Tat, einige Aspekte des „Elefantentums“, wie die Natur der Materie aus der es besteht („Welle“ oder „Teilchen“?) und die Tatsache, dass es „lebendig“ und nicht unbelebt ist, „verblüffen Wissenschaftler gegenwärtig ganz und gar, und […] werden das auch weiterhin tun, denn ihre Antworten liegen auf Ebenen der Wirklichkeit, zu denen die Wissenschaft keinen Zugang hat.“46 Es ist in diesem Sinne, dass Vertreter des Postmodernismus von einer postkritischen Position sprechen. Sie sagen nicht, dass „Kritik“ und „kritisches Denken“ nun pass¦ seien, noch rufen sie zur Rückkehr zu einem vorkritischen Bibelstudium auf.47 Vielmehr weisen sie darauf hin, dass obwohl uns kritische Methoden einige wichtige Dinge über den Text mitteilen können (z. B. die Geschichte seiner Komposition und Weitergabe), sie uns nicht alles über den Text mitteilen können, was von Bedeutung ist. Pfingstler haben schon lange die Wahrheit der zweiten Hälfte dieser Aussage anerkannt, doch wenn sie wirklich an einer postmodernen Diskussion der Bibel Anteil haben wollen, müssen sie auch die Wahrheit des ersten Teils anerkennen. Doch selbst wenn man die postmoderne Gültigkeit beider Hälften der Aussage anerkennt, ist es immer noch möglich an Wahrheiten und Bedeutungen in Bibeltexten festzuhalten, welche gemäß den Richtlinien kritischer Historiographie zugegebenermaßen nicht „historisch wahr“ sind. Ich werde diese Fragen, die um „Geschichte“, „Wahrheit“ und „Bedeutung“ kreisen, in der nachfolgenden Diskussion der Verwendung von Erzähltexten in einer pfingstlichen Hermeneutik erneut aufnehmen. An dieser Stelle möchte ich aber betonen, dass diese postmoderne Sicht der Realität die Möglichkeit des Transzendenten wieder eröffnet, die durch die Moderne nahezu geschlossen war. In dieser Haltung unterscheide ich mich geringfügig von der durch Huston Smith vorgebrachten Einschätzung, der erklärte, dass obwohl „die Postmoderne sich von der Moderne unterscheidet, […] sie keineswegs die ontologische Transzendenz wiederherstellt, die James als das allgemeine Postulat der Religion anführte.“48 Obwohl es wahr sein mag, dass die Postmoderne die „ontologische Transzendenz“ nicht „wiederherstellt“, macht sie doch wenigstens Weltanschauungen möglich, die dem Transzendenten einen ontologischen Status zusprechen. Sie bietet einen philosophi45 S. Barr : Metaphors and Methodologies, S. 1 – 6. Barr versucht dann die postmodernen holistischen Belange mit dem Metaphor des Hologramms zu illustrieren, S. 6 – 10. 46 Smith, Huston: Postmodernism’s Impact on the Study of Religion. In: Journal of the American Academy of Religion 58, Nr. 4 (1990), S. 653 – 670, hier S. 667. Smith machte diese Bemerkungen als Teil seiner Verteidigung des „Supernaturalismus“ und die Bedeutung des „Unsichtbaren“ (s. 666 – 668); außerdem schließt er biologische Morphologie mit ein (wenn alle Zellen dieselbe DNS besitzen, wieso entwickeln sich verschiedene Zellen unterschiedlich, um „Gehirn, Knochen, Muskeln und Haar“ zu formen?) sowie das Aufkommen biologischer Arten (wobei sein Gegenargument zum wissenschaftlichen Positivismus die Schriften von Arthur Koestler und nicht die der „Kreationisten“sind). 47 Vgl. Martin: Toward a Post-Critical Paradigm, S. 381. 48 Smith: Postmodernism’s Impact, S. 662. [Auslassung T. C.]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

123

schen Raum, in dem es bedeutsam ist, von einer Begegnung mit transzendenter Realität, mit dem Geist Gottes, zu sprechen. Und sie erlaubt es auch, dass menschliche „Erfahrungen“ solcher „pneumatischen Illumination“, ebenso wie andere menschliche Erfahrungen und Einsichten, etwas zum Begreifen der Bedeutungen des biblischen Texts beitragen können.

Die Rolle der Erfahrung und die Vervielfältigung der Paradigmen Die dialogische Rolle der Erfahrung in der Auslegung Pfingstler haben die Rolle der „Erfahrung“ des Auslegers innerhalb des hermeneutischen Zirkels erkannt. Sie haben festgehalten, dass nicht nur „die aus der Schrift abgeleiteten Auslegungen die pfingstliche Erfahrung beeinflussen“, sondern dass solche „persönlichen und gemeinschaftlichen Erfahrungen den pfingstlichen hermeneutischen Prozess prägen.“49 Die Frage dabei war, an welcher Stelle der Pfingstler mit seiner oder ihrer „Erfahrung“ in den Zirkel tritt. Nicht zuletzt aufgrund des Einflusses der positivistischen Epistemologie, die sowohl dem Fundamentalismus und Evangelikalismus als auch deren modernistischen Gegnern zu großen Teilen zugrunde liegt, haben einige Pfingstler versucht, die Rolle der Erfahrung auf die Bestätigung der Richtigkeit von Auslegungen zu beschränken. Wenn also die Auslegung der Schrift anzeigt, dass die Charismen der apostolischen Kirche ein fortwährender Aspekt des kirchlichen Lebens sein sollen, dann muss diese Interpretation durch die Erfahrungen von Christen in der Kirche des 20. Jahrhunderts bestätigt werden.50 Andere Pfingstler haben eine solche Beschränkung der Rolle der Erfahrung abgelehnt. Zunächst ist es, wie Fee darlegte „wahrscheinlich fair – und wichtig – zu bemerken, dass im Allgemeinen die Erfahrung der Pfingstler ihrer Hermeneutik vorangegangen ist. In gewisser Hinsicht tendiert der Pfingstler dazu, seine oder ihre Erfahrung zu exegisieren.“51 Obwohl sie die Direktheit dieser Formulierung ablehnen, haben andere pfingstliche Gelehrte anerkannt, dass die Erfahrung der Charismata in der Tat die pfingstliche Auslegung von Anbeginn informiert.52 So zieht es Arrington vor, von der „dialogischen“ Beziehung zwischen „persönlicher Erfahrung und Schriftauslegung“ zu sprechen.

49 Arrington: Hermeneutics, S. 383. 50 Die beste Vorstellung dieser Sicht auf die Rolle der Erfahrung in pfingstlicher Interpretation findet sich bei Menzies: Methodology, S. 12 – 14. 51 Fee: Hermeneutics and Historical Precedent, S. 86. 52 Vgl. Arrington: Hermeneutics; Stronstad, Roger: Pentecostalism, Experiential Presuppositions, and Hermeneutics. Vortrag: 20th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Continuity and Change in the Pentecostal and Charismatic Movements, Dallas, TX, 8. November 1990. Für Stronstads Widerspruch gegen Fee, s. S. 3.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

124

Timothy B. Cargal

In jedem Punkt prägt Erfahrung den Prozess der Auslegung, und die Frucht der Auslegung prägt die Erfahrung. Es ist sicherlich wahr, dass Gott Offenbarung durch persönliche Erfahrung und durch die Schrift kommuniziert, und es ist möglicherweise gerechtfertigt, weiterhin anzuerkennen, dass solche Erfahrungs-Offenbarung vorher unentdeckte biblische Wahrheiten aufschließen kann.53

Wie wir in Kürze sehen werden, steht diese Sicht auf die Rolle der Erfahrung bei der Auslegung im Einklang mit Bedenken, die von Postmodernisten aufgebracht wurden. Doch wie Arrington selbst einräumt, steht eine ausreichende Reflexion der Pfingstler über die theoretische Natur der Beziehung zwischen Erfahrung und Auslegung noch aus. Dieses Problem wird in einem von Stronstad 1990 gehaltenen Vortrag zu „erfahrungsbezogenen Vorannahmen und Hermeneutik“ deutlich. Offensichtlich von der Annahme ausgehend, dass eine „Erfahrung“ mit einer phänomenologischen Begegnung gleichzusetzen ist,54 behauptete er, dass diejenigen, die geheilt worden sind, dem Dämonischen begegnet sind, „im Geist getauft wurden und in der Kraft des Geistes gedient haben“, die erforderlichen „erfahrungsbezogenen Vorannahmen“ besäßen, um die biblischen Texte in Bezug auf diese Fragen besser zu verstehen und auszulegen.55 Er scheint auch die Meinung zu vertreten, dass diese „erfahrungsbezogenen Vorannahmen“ jemanden zu einem besseren historisch-kritischen Exegeten machen. So zum Beispiel lehnt Stronstad die Behauptung ab, dass wir einen gewissen „Agnostizismus“ bezüglich der Natur der Charismen in der apostolischen Kirche eingestehen müssten. Er entgegnete, dass eine solche Behauptung „durch die Tatsache widerlegt wird, dass in diesem Jahrhundert viele hundert Millionen Pfingstler und Charismatiker ,Zungen‘ und das volle Spektrum der neutestamentlichen Charismen erfahren haben.“56 Es 53 Arrington: Hermeneutics, S. 384. 54 In einer Replik auf seinen Vortrag stellte ich die Beobachtung zur Diskussion, dass diese Definition unangemessen ist, da sie scheinbar annimmt, dass Äußeres direkt und „objektiv“ zu „erfahren“ sei. Als eine vorläufige alternative Definition schlug ich vor, „Erfahrung“ als eine Auslegung der Realität und des Werts einer phänomenologischen Begegnung zu betrachten, die auf der Basis der eigenen Struktur der Vorstellungen über die Welt geschieht. Ich stellte die Auswirkungen dieser erweiterten Definition dar, indem ich sie auf ein Beispiel von Prof. Stronstads Vortrag anwendete. Dieser merkte wiederum an, dass „wer Zeuge einer dämonischen Besessenheit geworden ist, weiß, dass das Neue Testament einen geistlichen Zustand beschreibt und nicht Epilepsie oder irgendeine Art psychischer Störung“, Stronstad: Pentecostalism, S. 10. Doch selbst wenn wir die ontologische Möglichkeit dämonischer Besessenheit anerkennen, werden wir – da unsere Vorstellungen über die Welt solche Kategorien wie Epilepsie oder Schizophrenie beinhalten – eine Begegnung sowohl mit Epileptikern als auch mit dämonisch Besessenen anders „erfahren“, als dies eine Person aus dem 1. Jahrhundert getan haben wird, die keine derartigen medizinischen und psychologischen Interpretationsmöglichkeiten für solche Begegnungen besaß. Zur Frage, ob die „Erfahrungen“ des Dämonischen im 20. Jahrhundert wirklich auf die historische Frage anwendbar sind, ob eine bestimmte Erzählung im Neuen Testament sich auf Dämonenbesessenheit oder Epilepsie bezieht, s. die unten folgende Diskussion. 55 Ebd. 56 Ebd., S. 19 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

125

wäre jedoch richtiger zu behaupten, dass Pfingstler bestimmte Begegnungen mit dem Geist Gottes machen, denen sie beimessen, dasselbe zu sein wie das Wort der Weisheit, das Wort der Erkenntnis, „und das volle Spektrum der neutestamentlichen Charismen“. Als Gegenstand der historischen Rekonstruktion, unter Verwendung der Maßstäbe der von Stronstad in seinem Vortrag so unerbittlich verteidigten historisch-grammatischen Exegese,57 können wir nicht umstandslos feststellen, dass die modernen Phänomene, die mit den Bezeichnungen der neutestamentlichen Charismen identifiziert werden, in der Tat dieselben sind wie die Phänomene der Kirche im 1. Jahrhundert. Dass jemand im 20. Jahrhundert eine bestimmte Begegnung mit Gott als eine „Erfahrung der Gabe der Weisheit“ interpretiert, beweist an und für sich noch nicht, dass Paulus dieselbe Begegnung als eine „Erfahrung der Gabe der Weisheit“ bezeichnet hätte. Folglich gibt es an diesem Punkt eine Konvergenz hermeneutischer Fragen. Die traditionelle pfingstliche Betonung geistlicher Erfahrungen im Allgemeinen und pneumatischer Illumination für das Verständnis der Schrift im Besonderen (die Hauptbezugspunkte der meisten pfingstlichen Ausleger in den Ortsgemeinden) sind mit einer Betonung der einlinigen Bedeutung der Schrift verbunden worden, die mit der „Absicht der inspirierten Autoren“ identifiziert wird (dem Hauptbezugspunkt der pfingstlichen Akademiker, zum Teil als Ergebnis des fundamentalistischen und evangelikalen Einflusses). Das Ergebnis dieser Verbindung ist, dass die antiken biblischen Texte für die Pfingstler des 20. Jahrhunderts eine enorme Unmittelbarkeit besitzen, da „der Geist als der gemeinsame Kontext [dient], durch den Leser und Autor den historischen und kulturellen Graben zwischen einander überbrücken können“ und „das existenzielle sowie vorausgesetzte Kontinuum zwischen dem in der Vergangenheit geschriebenem Wort und demselben Wort in der Gegenwart begründet“.58 Pluralismus und die Vervielfältigung der Paradigmen Das Problem mit dieser Formulierung der Unmittelbarkeit des biblischen Texts liegt darin, dass diese durch „die Auslöschung des Texthorizonts durch den Ausleger“59 erreicht wird, und somit auf einem theoretisch fragwürdigen Boden steht. Eine bessere Interpretation der hermeneutischen Rolle der pfingstlichen Erfahrung wurde von Israel vorgeschlagen: Der Ort für die pfingstliche Erfahrung des Geistes im hermeneutischen Unterfangen liegt nach Gadamers Analyse zunächst im ontologischen locus des Auslegers in „der Welt“. Der Ausleger nähert sich dem Texthorizont mit einer pfingstlichen Erfahrung als Teil des eigenen Horizonts. […] Daher ist es ein legitimer Teil des Verstehens, die 57 Vgl. ebd., S. 27 f. 58 S. Arrington: Hermeneutics, S. 382; Stronstad: Trends in Pentecostal Hermeneutics, S. 9. 59 Israel/Albrecht/McNally : Pentecostals and Hermeneutics, S. 144.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

126

Timothy B. Cargal

eigene Erfahrung zum interpretativen Ereignis mitzubringen. Es ist auch legitim, den Horizont des Textes bezüglich der Gemeinsamkeiten und der Unterschiede in der Erfahrung Gottes, die am Horizont des Textes und am Horizont des Auslegers beteiligt ist, zu prüfen.60

Daher stellt die pfingstliche Erfahrung des Geistes nur eine einzige aus einem großen Feld menschlicher Erfahrungen dar, von denen die Ausleger des 20. Jahrhunderts den „Horizont des Textes“ legitimerweise prüfen: als Männer und Frauen; Erben einer euro-amerikanischen, afro-amerikanischen, hispanisch-amerikanischen und verschiedener anderer Kulturen; als solche, die von der Unterdrückung anderer profitiert haben; und als solche, die unterdrückt wurden. Die Verschiedenheiten dieser Erfahrungen sind legitime Mittel der Aneignung einer oder mehrerer Dimensionen der biblischen Texte, welche die vielfachen Bedeutungen letzterer produzieren. Israel scheint es fast zu gelingen, dieses Potenzial der vielfachen Bedeutungen zu seinem Recht zu verhelfen, wenn er mit der Betonung der Intention des Autors bricht: Der „Schwerpunkt der Hermeneutik liegt nicht auf dem, was der Autor intendierte, sondern darauf, was der Text – erklärt mit Begriffen der Sprachwissenschaft – über die Welt behauptet, und auf der Aneignung der Botschaft des Textes durch den Ausleger in Richtung des Textes selbst.“61 Man beachte jedoch, dass er immer noch zu verfechten scheint, dass es so etwas wie „die Botschaft des Texts“ gebe. Wie so viele der postmodernen Erkenntnisse, geht auch diese Auffassung zur Rolle der Erfahrung bei der Interpretation aus der Kritik des Objektivismus hervor. Um Robert Fowler zu zitieren: Wir haben hier den großen Index des Post-Modernen: eine wachsende Erkenntnis, dass Lesen und Interpretation immer interessengeleitet sind, nie interessenfrei; immer maßgeblich subjektiv, nie komplett objektiv ; immer gebunden und damit immer politisch, nie ungebunden und apolitisch; immer historisch fixiert, nie ahistorisch. Der modernistische Traum einer unparteiischen, objektiven, distanzierten, abstrakten Wahrheit verblasst rasant.62

Doch die postmodernen Auffassungen von Interpretation legitimieren den prägenden Einfluss der Erfahrung nicht nur und machen ihn unausweichlich, sondern sie betonen auch, dass „post-kritische Interpretation eine wesentliche partizipatorische Praxis mit einschließt, die mit der fokussierten Aufmerksamkeit des Auslegenden eng verbunden ist und zu ihr gehört.“63 Oder um Arringtons Aussage über diese Beziehung wieder aufzugreifen: „Erfahrung [prägt] den Prozess der Auslegung und die Frucht der Auslegung prägt die 60 61 62 63

Ebd., S. 145. [Hervorhebung und Auslassung T. C.] Ebd., S. 143. [Auslassung T. C.] Fowler : Post-Modern Biblical Criticism, S. 23. Martin: Toward a Post-Critical Paradigm, S. 380. Für seine detaillierte Diskussion dieses Aspekts, s. S. 380 – 382.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

127

Erfahrung.“ Dies steht sicherlich eher im Einklang mit traditioneller pfingstlicher Hermeneutik als die Betonung einer einlinigen Bedeutung der Schrift, die mit der „Absicht der inspirierten Autoren“ identifiziert wird.

Betonung von Erzählungen und das Aufkommen systemischen Denkens Betonung von Erzählungen Die Betonung der Erzähltexte in pfingstlicher Auslegung entspringt einer unverkennbaren theologischen Agenda der Pfingstbewegung, nämlich der Verkündigung der Überzeugung, dass die Taufe im Heiligen Geist eine Erfahrung gläubiger Christen ist, die der Bekehrung folgt und nicht simultan mit ihr einhergeht („Nachzeitigkeit/nachfolgende Geisttaufe“), und dass diese Geisttaufe mit der Erscheinung von Glossolalie verbunden ist („Anfangserweis“). Pfingstler geben bereitwillig zu, dass sich die biblische Basis für diese Auffassungen auf fünf Begebenheiten beschränkt, die in der Apostelgeschichte aufgezeichnet sind.64 Daher ist die theologische Aneignung von Erzähltexten ein wesentliches Anliegen in der pfingstlichen Auslegung. Es war erst die zunehmende „Evangelikalisierung“ der Pfingstbewegung, die diese langjährige interpretatorische Praxis problematisierte. Nicht-pfingstliche Evangelikale begannen, die Legitimität dieser pfingstlichen theologischen Betonung in Frage zu stellen, indem sie die Auffassung vertraten, dass didaktische biblische Texte den Vorrang gegenüber historischen Texten hätten und dass die „deskriptive Geschichte der Urkirche nicht in eine normative Erfahrung der gegenwärtigen Kirche übersetzt werden darf.“65 Obwohl einige dieser Kritiker die Erscheinung der Charismen unter Christen des 20. Jahrhunderts akzeptieren konnten, bestritten sie, dass solche Erscheinungen normativ sein könnten. In einer der ersten Antworten von Pfingstlern auf diese Anfragen, räumte Fee diesem Argument im Wesentlichen Geltung ein, indem er didaktischen Nutzen und Autorenintention miteinander verband: Das, was als Gottes Wort in der Apostelgeschichte für Christen als normativ angesehen werden kann, bezieht sich vor allem darauf, was die jeweilige vorliegende Erzählung zu lehren beabsichtigte.

64 S. stellvertretend Fee: Hermeneutics and Historical Precedent, S. 84 f.; Arrington: Hermeneutics, S. 384 f.; Menzies: Methodology, S. 6 f. 65 Fee: Hermeneutics and Historical Precedent, S. 85. Als Beispiele für diese Kritik nennt Fee Stott, John R. W.: Baptism and Fullness: The Work of the Holy Spirit Today. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2006, S. 8; Hoekema, Anthony A.: Holy Spirit Baptism. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1972, S. 23 f.; Pinnock, Clark H.; Osborne, Grant R.: A Truce Proposal for the Tongues Controversy. In: Christianity Today Nr. 16 (1971), S. 6 – 9, hier S. 8.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

128

Timothy B. Cargal

Was für die Primärintention der Erzählung nebensächlich ist, mag die Theologie eines Autors widerspiegeln […,] aber es kann nicht denselben didaktischen Nutzen haben wie das, was die Erzählung zu lehren beabsichtigte […] Damit der historische Präzedenzfall einen normativen Wert erhält, muss er eine Beziehung zur Absicht vorweisen. Das heißt, wenn gezeigt werden kann, dass der Sinn einer gegebenen Erzählung darin besteht, einen Präzedenzfall aufzustellen, dann kann ein solcher Präzedenzfall als normativ angesehen werden.66

In Bezug auf die pfingstliche Besonderheit des Anfangserweises schloss Fee, dass „eine charismatische Dimension ein normales Phänomen im Empfang des Geistes war“ und dass somit „die heutigen Christen dies auch erwarten dürfen.“ Doch da nicht bewiesen werden könne, dass Lukas genau dieses theologische Argument in seiner Erzählung zu lehren beabsichtigte, sollte es nur als eine „wiederholbare“ und nicht als eine „normative“ geistliche Erfahrung angesehen werden.67 Andere pfingstliche Gelehrte erkannten, dass ein theologisches Unterscheidungsmerkmal auf dem Spiel stand, und entgegneten, dass Lukas sehr wohl „beabsichtigte, Theologie zu lehren mit dem was er beschrieb. Die Apostelgeschichte ist sowohl Geschichte als auch Theologie.“68 Menzies fuhr auf dieser Linie fort, indem er behauptete, dass es „[o]hne diese Möglichkeit, überhaupt keine echte Basis für eine pfingstliche Theologie“ gäbe. Stronstad erkannte später scheinbar, dass Menzies’ Beweisführung ein „notwendig, also wahr“-Argument darstellte, als er festhielt: „Diese Erkenntnis zwingt Menzies dazu, Fees Richtlinien für historische Präzedenzfälle und Normativität zurückzuweisen, und er schließt gegen Fee, dass die biblischen Daten Normativität implizierten und nicht einfach nur Wiederholbarkeit“69 – und dennoch folgt er Menzies, anstatt ihn herauszufordern. Beide argumentierten, dass die scharfe Unterscheidung zwischen biblischen Erzählungen und theologischer Anweisung eine falsche Dichotomie sei. Neben einigen Versuchen, mit Hilfe der Redaktionskritik den theologischen Charakter des lukanischen Doppelwerks zu stützen,70 lag das Hauptgewicht dieser Argumentation auf einer Berufung auf den paulinischen Gebrauch von Erzählungen der hebräischen Bibel als „Vorbild“ und „Warnung“ (1Kor 10,11). Damit wird die typologische Interpretation der hebräischen Bibel im Neuen Testament zum Beweis dafür, dass es keine „starre Trennung zwischen Historiographie und Lehre [gibt], die einige Evangelikale dazu benutzt haben, um den didaktischen Inhalt der Apostelgeschichte zurückzuweisen.“71 66 67 68 69 70 71

Fee: Hermeneutics and Historical Precedent, S. 91 f. Ebd., S. 98 f. Menzies: Methodology, S. 6. Stronstad: Trends in Pentecostal Hermeneutics, S. 10. Vgl. Menzies: Methodology, S. 8; Menzies: Development. Arrington: Hermeneutics, S. 386; vgl. Stronstad, Roger: The Charismatic Theology of St. Luke. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1984, S. 5 – 9.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

129

Das Fehlen des Einspruchs, dass Paulus’ theologische Anwendung der hebräischen Bibel auf einer von Exegeten schon längst aufgegebenen typologischen und allegorischen Auslegungsmethode beruhe, erklärt sich daraus, dass die pfingstliche Aneignung biblischer Erzählungen selbst im Allgemeinen eher zu Typologien tendiert. Sie hat die Erzählungen der hebräischen Bibel und des Neuen Testaments „nicht nur in ihrem illustrativen, sondern durch Analogien irgendwie auch als einen normativen Wert“ für Christen des 20. Jahrhunderts gebraucht, und das ohne sich um die Artikulation einer hermeneutischen Theorie für eine solche Verwendung zu kümmern.72 Die einzige Berechtigung, die für diese Praxis als nötig erachtet wurde, war in einem Sinn selbst typologisch: Wenn Paulus eine solche Methode für die Auslegung des Alten Testaments im Neuen Testament gebrauchte, dann „ist seine hermeneutische Methodologie genauso gültig in Bezug auf das Neue Testament.“73 Und wieder einmal – wenigstens unter pfingstlichen Akademikern – ist es die Reduktion der Bedeutung, offensichtlich sogar der typologischen Bedeutung, auf die Absicht des Autors, die das Potential des Bedeutungsüberschusses einschränkt.74

Der Niedergang des Historismus und der Aufstieg des systemischen Denkens Es ist wichtig, in Bezug auf die hermeneutische Aneignung biblischer Erzählungen zwei verwandte Entwicklungen innerhalb der postmodernen Betrachtungen zum „historischen Narrativ“ zu betrachten. Die erste habe ich „den Niedergang des Historismus“ genannt, wobei ich die wachsende Infragestellung der Vorstellung einer „objektiven Historiographie“ meine und die Auswirkungen dieser Infragestellung für Geschichte als das „feldübergreifende Feld“, das Bedeutung und Sinn verleiht. Ein wesentlicher Katalysator dafür war Hayden Whites Metahistory75, die überzeugend argumentierte, dass „die Fakten nicht für sich selbst sprechen“, sondern dass „der Historiker für sie spricht“ und die „konzeptuellen Strategien auswählt, mit denen er seine Daten erklärt oder repräsentiert.“76 In diesem Sinne hatte Menzies daher Recht mit seiner Behauptung, dass „Lukas beabsichtigte, Theologie zu lehren mit dem was er beschrieb“, denn es kann letztlich keinen Unterschied zwischen „objektiver historischer Beschreibung“ und den Zwecken des Historikers in 72 Fee: Hermeneutics and Historical Precedent, S. 88 f. 73 Arrington: Hermeneutics, S. 386. 74 Zur Beschränkung der Aneignung der Erzählung vor allem auf die Absicht des Autors, s. Fee: Hermeneutics and Historical Precedent, S. 90 f.; Arrington: Hermeneutics, S. 386 f.; Stronstad: Trends in Pentecostal Hermeneutics, S. 7. 75 White, Hayden: Metahistory: The Historical Imagination in Nineteenth-Century Europe. Baltimore, MD: John Hopkins University Press, 1973. 76 S. die Diskussion von Whites Theorien in Burnett, Fred W.: Postmodern Biblical Exegesis: The Eve of Historical Criticism. In: Semeia 51 (1990), S. 51 – 80, hier S. 63 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

130

Timothy B. Cargal

der Erzählung der „Ereignisse“ geben; jede Unterscheidung zwischen „deskriptiver“ und „didaktischer“ Geschichte – oder jedem anderen „didaktischen“ Genre überhaupt – ist eine falsche Dichotomie. Wenn wir uns mit dieser Einsicht abfinden, werden unsere Anliegen in der Annäherung an Erzähltexte neu priorisiert. Es sei mir gestattet, dies unter Rückgriff auf eine meiner eigenen Studien zum „historischen Narrativ“ im Matthäusevangelium zu illustrieren. In Mt 27,24 finden wir die Erwähnung, dass Pilatus seine Hände vor der versammelten Menge wäscht, bevor er das Todesurteil gegen Jesus spricht; unter den kanonischen Evangelien erzählt nur Matthäus diese Handlung. Dieses Detail erhält seine Bedeutung und Bedeutsamkeit in der Erzählung nicht einfach daher, dass „es wirklich passiert ist“ (denn warum erwähnen es Markus, Lukas und Johannes nicht?), noch verliert es jede Bedeutung, wenn kritische Historiographie „beweisen“ sollte, dass es sich nie zugetragen habe. Das Detail ist bedeutsam aufgrund der Funktion, die es in Matthäus’ Erzählung übernimmt, was ihn dazu führte, entweder etwas aufzunehmen, was die anderen Evangelisten übersahen, weil sie ihm keine besondere Bedeutung zumaßen, oder etwas zu erfinden, um diese Funktion zu erfüllen. Von einer postmodernen Perspektive ist die Frage seiner Funktion in der Erzählung bedeutsamer als die seiner historischen Verlässlichkeit.77 Die zweite Entwicklung betrifft den Aufstieg des systemischen Denkens, das die Geschichte als „feldübergreifendes Feld“ abgelöst hat, welches den wechselseitigen Beziehungen zwischen den einzelnen Domänen menschlicher Erfahrungen Bedeutung verleiht. In der westlichen Kultur im ausgehenden 20. Jahrhundert wird Bedeutung zunehmend nicht mehr in der Entwicklung von Ideen und Dingen gesucht, sondern in den Mustern der Wechselbeziehungen und Systemen zwischen ihnen. Im Studium „historischer Narrative“ hat diese Verschiebung bedeutet, dass die wichtigsten und bedeutsamsten Aspekte einer Erzählung nicht länger in der Entwicklungsgeschichte derselben (z. B. Quellenkritik) noch in der Entwicklung literarischer Typen oder Ideen im Allgemeinen (z. B. Form- und Redaktionskritik) gesucht werden. Vielmehr ist das System bedeutsamer Beziehungen für Ausleger von größtem Interesse und Bedeutung, das in den Erzählungen selbst konstruiert wird (z. B. semiotische und Literarkritik) und wie dieses System von der sozialen Matrix beinflusst wurde, aus der es hervorging (z. B. soziologische Analyse).78 77 Für die unheilbar Neugierigen: Ich habe argumentiert, dass die Funktion dieses Details in der Matthäus-Erzählung darin liegt, eine Verbindung mit dem zeremoniellen Ritus der Entsühnung „von [Gottes] Volk Israel für unschuldig vergossenes Blut“ herzustellen, das in Dtn 21,1 – 9 beschrieben ist, um damit anzudeuten, dass Gott angefleht werden solle „die Schuld für die Vergießung von [Jesu] unschuldigem Blut“ vom Volk Israel zu entsühnen. Cargal, Timothy B.: “His Blood Be Upon Us and Upon Our Children”: A Matthean Double Etendre? In: New Testament Studies 37, Nr. 1 (1991), S. 101 – 112, hier S. 104 f., 110 f. 78 Diese Beziehung zwischen dem postmodernen Interesse an systemischen Mustern und den gegenwärtigen Studien von narrativer Hermeneutik sowie dem Interesse an ihr ist auch von Martin beobachtet worden, s. Toward a Post-Critical Paradigm, S. 371.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Jenseits von Fundamentalismus und Modernismus

131

Ein pfingstlicher Beitrag zum postmodernen Diskurs über die Bibel? Können pfingstliche Auslegungsmodi einen Beitrag zum postmodernen Diskurs über die Bibel leisten? Meine Antwort wäre sowohl „ja“ als auch „nein“. Im Rückgriff auf Polomas Beschreibung der Pfingstbewegung als einer Bewegung, die „ein Medium für die Begegnung mit dem Übernatürlichen bereitstellt [… und] das Natürliche mit dem Übernatürlichen, das Emotionale mit dem Rationalen, das Charismatische mit dem Institutionellen in einer entschieden postmodernen Art verschmilzt“, würde ich sagen, dass die Pfingstbewegung in der Tat etwas zum postmodernen Diskurs über die Bibel beizutragen hat – insbesondere innerhalb der Kirche. Ihre Betonung der Rolle des Geistes in der Auslegung bzw. Aneignung der vielfachen Bedeutungen des biblischen Texts ist ein wichtiger Beitrag zum Anliegen der Kirche, ihren Sinn für Mystik und die Immanenz des Transzendenten wiederzugewinnen, der durch den Rationalismus geschwächt wurde. Ihre Anerkennung der dialogischen Rolle der Erfahrungen pfingstlicher Gläubiger im Prägen und Geprägtwerden von bestimmten Auslegungen des Bibeltextes ist kompatibel mit bestimmten poststrukturalistischen Auffassungen vom Leser als dem Schöpfer von Signifikationen und zugleich eine wichtige Kritik an der objektivistischen Sicht von „der“ Bedeutung der Bibel und ihrer Autorität. Aber ich muss einräumen, dass die pfingstliche Auslegung diese und andere mögliche Beiträge zum postmodernen Diskurs über die Bibel nur leisten kann, wenn sie sich von ihrer vorkritischen zu einer wirklich postkritischen Haltung bewegt. Pfingstler müssen akzeptieren, dass obgleich Rationalismus uns nicht alles über die Bibel und ihre Bedeutungen sagen kann, er uns doch eine Anzahl wichtiger Dinge mitteilen kann – insbesondere über die historische und kulturelle Distanz, die uns in der Tat von den biblischen Texten trennt. Wir müssen akzeptieren, dass nicht alle Bedeutungszusammenhänge, die der pfingstliche Ausleger in der Bibel als in seine Situation hinein sprechende entdeckt, das Ergebnis einer pneumatischen Illumination sind; alle Menschen sind anfällig für die heimtückischen Einflüsse des Sexismus, Rassismus und Klassendenkens. Pfingstler müssen gewillt sein, auf die Stimme des Geistes zu lauschen, die solche Auslegungen der Bibel erleuchtet, welche durch Erfahrungen von Feministen oder Befreiungstheologen geprägt sind, oder auch von anderen, deren politische und theologische Ziele Pfingstler vielleicht nicht immer teilen. Abschließend sollte meines Erachtens betont werden, dass ich in den Entwicklungen der postmodernen Auslegungsmethoden zwar große Potenziale für Pfingstler erkenne, zugleich aber das postmoderne Paradigma auch nicht als uneingeschränkten Gewinn betrachte. Wie jeder von uns, die wir in den Wehen dieses Paradigmenwechsels gefangen sind, sehne auch ich mich nach der illusionären epistemologischen Gewissheit und Stabilität der

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

132

Timothy B. Cargal

modernistischen Weltsicht.79 Doch die Bemerkungen von Menzies über die Aufgabe der Theologie treffen ebenso auf die Frage der biblischen Hermeneutik zu: Theologen und Bibelausleger müssen „einräumen, dass sie sich nur mit Fragen beschäftigen, die gegenwärtig gestellt werden. Es ist anzunehmen, dass in einem anderen Zeitalter andere Fragen auftauchen könnten, die von anderen Theologen verlangen werden, weitere Einsichten aus Gottes Offenbarung zu suchen, um ein Licht auf neue Probleme zu werfen.“80 Wenn nun ein postmodernes Paradigma das Denken unserer Kultur im Allgemeinen immer mehr bestimmt, wird jede Hermeneutik unsinnig und irrelevant, welche die Loci ihrer Bedeutungen nicht innerhalb des postmodernen Paradigmas begründen kann. Dies ist Grund genug dafür, dass wir uns über den Fundamentalismus-Modernismus-Streit hinaus bewegen müssen, um die Möglichkeiten einer pfingstlichen Hermeneutik in einem postmodernen Zeitalter zu erforschen.

79 S. die Kommentare von Martin zur „gewaltigen Ängstlichkeit, die durch Veränderungen“ im gegenwärtigen Wechsel von einem modernen zu einem postmodernen Paradigma ausgelöst wird, wenn wir „jetzt unter den Bedingungen beider Paradigmen zugleich denken und arbeiten.“ Ebd., S. 375. 80 Menzies: Methodology, S. 3.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geschichte und Identität

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Allan H. Anderson

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive *

Eine Revision

Der Kontext pfingstlicher Historiographie Dieser Aufsatz umreißt ein – meiner Meinung nach – fundamentales Fehlverständnis im Schreiben pfingstlicher Geschichte, das der Korrektur bedarf.1 Die Darstellung der globalen Geschichte der Pfingstbewegung, wenigstens im anglophonen Sprachraum, ist nämlich zu großen Teilen von einer Tendenz gekennzeichnet, jene Geschichte aus westlichen und vorwiegend nordamerikanischen Perspektiven zu interpretieren. Die wesentliche und oft bedeutsamere Arbeit asiatischer, afrikanischer und südamerikanischer pfingstlicher Pioniere ist vernachlässigt, wenn nicht gar schlichtweg ignoriert worden. Dies trifft auf die meisten historischen Darstellungen zu, ganz gleich ob sie von Angehörigen oder Außenstehenden, von Historikern, Soziologen oder Theologen geschrieben wurden. Einige dieser Darstellungen haben zudem noch eine denominationelle oder rassistische Voreingenommenheit, und die meisten frühen Darstellungen wurden nicht von professionellen Historikern geschrieben, sondern tendierten eher zur Hagiographie. Alle Literatur ist freilich von den Vorannahmen ihrer Autoren geprägt und Geschichtsschreibung ist keine Ausnahme. Außerdem wird Geschichte üblicherweise mit einem bestimmten Ziel vor Augen geschrieben; und um dieses zu erreichen, muss ein Autor fortwährend Quellen und Ereignisse auswählen, durchsieben und interpretieren. Daher ist es zunächst notwendig, die Vorannahmen vorhandener historischer Darstellungen kritisch zu prüfen, um die Bedeutung und die Notwendigkeit einer Neuschreibung pfingstlicher Geschichte zu verstehen. Etliche der ersten akademischen historischen Darstellungen wurden von Außenstehenden geschrieben: dem lutherischen Theologen Nils Bloch-Hoell (dessen erste Arbeit auf Norwegisch 1956 erschien);2 dem britischen Sozio* Originalveröffentlichung: Anderson, Allan H.: Revising Pentecostal History in Global Perspective. In: Ders.; Tang, Edmond (Hg.): Asian and Pentecostal: The Charismatic Face of Christianity in Asia. London: Regnum Books, 2005 (Asian Journal of Pentecostal Studies Series 3), S. 147 – 173. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Regnum Books; alle Rechte vorbehalten. 1 Ich danke Gary McGee für seine hilfreichen Kommentare zu einer früheren Fassung dieses Aufsatzes. 2 Bloch-Hoell, Nils: The Pentecostal Movement: Its Origin, Development, and Distinctive Character. London: Allen & Unwin, 1964.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

136

Allan H. Anderson

logen Malcolm Calley zu afrokaribischen Pfingstlern in Großbritannien;3 dem Schweizer Soziologen Christian Lalive d’Epinay zu chilenischen Bewegungen;4 dem Schweizer Ökumeniker und Professor der Missionswissenschaft an der Universität Birmingham, Walter Hollenweger, der eine globale Studie angefertigt hat;5 hinzu kommen Veröffentlichungen von mehreren Nordamerikanern, etwa die wegweisende Studie des Sozialhistorikers Robert Mapes Anderson;6 eine weithin gepriesene Studie des Historikers Donald Dayton zu den theologischen Wurzeln der Pfingstbewegung;7 und in jüngerer Zeit eine Studie des Episkopalianers William Faupel;8 eine Studie des HavardTheologen und früheren Säkularisationstheoretikers Harvey Cox;9 und eine des Religionshistorikers Grant Wacker.10 Hollenweger, Faupel und Wacker, die allesamt frühere Pfingstler sind, haben wohlwollende Darstellungen geschrieben, und Dayton sowie Cox bieten eine überwiegend positive Einschätzung, wenn auch die phänomenologischen Schlussfolgerungen des letzteren von „klassischen“ Pfingstlern mitunter misstrauisch beäugt werden. Aus der nordamerikanischen Pfingstbewegung selbst ist eine ganze Kette nennenswerter Geschichtsdarstellungen hervorgegangen, angefangen von den frühesten Darstellungen des Chronisten der Azusa-Street-Erweckung, Frank Bartleman,11 und Stanley Frodsham,12 eines frühen Historikers der Assemblies of God, bis hin zu den neueren Werken von Edith Blumhofer,13

3 Calley, Malcolm J. C.: God’s People: West Indian Pentecostal Sects in England. London: Oxford University Press, 1965. 4 Lalive d’Epinay, Christian: Haven of the Masses: A Study of the Pentecostal Movement in Chile. London: Lutterworth Press, 1969. 5 Hollenweger, Walter J.: Enthusiastisches Christentum: Die Pfingstbewegung in Geschichte und Gegenwart. Wuppertal: Brockhaus, 1969. 6 Anderson, Robert M.: Vision of the Disinherited: The Making of American Pentecostalism. Oxford: Oxford University Press, 1979. 7 Dayton, Donald W.: Theological Roots of Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Francis Asbury, 1987. 8 Faupel, David W.: The Everlasting Gospel: The Significance of Eschatology in the Development of Pentecostal Thought. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996 (Journal of Pentecostal Studies Supplement Series 10). 9 Cox, Harvey : Fire from Heaven: The Rise of Pentecostal Spirituality and the Reshaping of Religion in the Twenty-First Century. London: Cassell, 1995. 10 Wacker, Grant: Heaven Below: Early Pentecostals and American Culture. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2001. 11 Bartleman, Frank: Azusa Street. S. Plainfield, NJ: Bridge Publishing, 1980 (Wiederabdruck). 12 Frodsham, Stanley Howard: With Signs Following: The Story of the Pentecostal Revival in the Twentieth Century. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1946. 13 Blumhofer, Edith L.: The Assemblies of God: A Chapter in the Story of American Pentecostalism, Bd. 1: To 1941. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1989; Blumhofer, Edith L.: The Assemblies of God: A Chapter in the Story of American Pentecostalism, Bd. 2: Since 1941. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1989; Blumhofer, Edith L.: Restoring the Faith. The Assemblies of God, Pentecostalism, and American Culture. Urbana, IL: University of Illinois Press, 1993.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

137

Charles Conn14 und Vinson Synan15 – unter anderen. Die früheren historischen Darstellungen tendierten dazu, das Erscheinen der Pfingstbewegung in den USA als „plötzlich vom Himmel her“ zu verstehen, und sie folgten einer als „providenziell“ beschriebenen Sicht auf Geschichte, womit sie dazu tendierten, die „natürlichen“ Gründe für das Entstehen der Bewegung zu ignorieren.16 Joe Creech schlug vor, dass Bartlemans Darstellung im Besonderen den „zentralen Mythos des Ursprungs“ hervorgebracht hat, der bis zur Gegenwart anhält, und dass dieser „Mythos“ auf theologischen und historischen Paradigmen beruhte, die andere Ursprungsorte übersehen.17 Die erste Auflage des Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements (1988), herausgegeben von Stanley Burgess und Gary McGee,18 beinhaltet weiteres historisches Material (vor allem) zur westlichen Pfingstbewegung. Ihr Schwerpunkt liegt hauptsächlich auf Nordamerika, wobei auch Europa einige Aufmerksamkeit gewidmet wird, aber die Welt der großen Mehrzahl der Pfingstler fehlt fast vollständig. Die Herausgeber sind sich dessen laut ihres Vorworts bewusst, verraten aber dort zugleich ihre Vorannahmen: „Es ist notwendig sich zuerst auf Nordamerika und Europa zu konzentrieren, wo die klassische Pfingstbewegung und die charismatische Bewegung ihren Ursprung haben.“19 Diese Auflistung pfingstlicher Historiker ist keineswegs erschöpfend. Ohne zu übersehen, dass einige Studien sich bewusst auf Nordamerika beschränken, und auch auf die Gefahr einer zu starken Vereinfachung hin, ist es wohl nicht falsch zu behaupten, dass die meisten Geschichtsdarstellungen erklären oder andeuten, dass die Pfingstbewegung von der westlichen Welt und insbesondere der USA ausging und in Asien, Afrika, dem Pazifik und Lateinamerika aufgrund der Arbeit einer Anzahl westlicher „Missionare“ wuchs und gedieh, die das „volle Evangelium“ zu den Enden der Erde trugen. In diesen historischen Darstellungen sind die verschiedenen Vorannahmen der Autoren oft durchschaubar, und einige von ihnen sind heute leicht zurückzuweisen. In Bloch-Hoells Studie wimmelt es regelrecht von Andeutun14 Conn, Charles W.: Like a Mighty Army: A History of the Church of God, 1886 – 1976. Cleveland, TN: Pathway Press, 1977. 15 Synan, Vinson: The Holiness-Pentecostal Movement in the United States. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1971; ebd.; Synan, Vinson: The Holiness-Pentecostal Tradition: Charismatic Movements in the Twentieth Century. 2. Aufl. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1997. 16 Wacker, Grant: Are the Golden Oldies Still Worth Playing? Reflections on History Writing among Early Pentecostals. In: Pneuma 8, Nr. 2 (1986), S. 81 – 100, hier S. 84; Cerillo, Augustus: The Beginnings of American Pentecostalism: A Historiographical Overview. In: Blumhofer, Edith L.; Spittler, Russell P.; Wacker, Grant (Hg.): Pentecostal Currents in American Protestantism. Urbana, IL: University of Illinois Press, 1999, S. 229 – 259, hier S. 229. 17 Creech, Joe: Visions of Glory : The Place of the Azusa Street Revival in Pentecostal History. In: Church History 65 (1996), S. 405 – 424, hier S. 406, 408. 18 Burgess, Stanley M.; McGee, Gary ; Alexander, Patrick H. (Hg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. 1. Aufl. Grand Rapids, MI: Regency Reference Library, 1988. 19 Ebd., S. vii. Wie ich erfahren habe, enthält die zweite Ausgabe dieses Werks (2001) mehr „nichtwestliches“ Material, aber sie war zur Zeit der Abfassung dieses Aufsatzes noch nicht verfügbar.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

138

Allan H. Anderson

gen, die zeigen, dass er Pfingstler wahrscheinlich für psychologisch instabil und neurotisch hielt.20 Diese Deprivationstheorie wird in einer subtileren Form von Lalive d’Epinay und Robert Anderson wiederholt, welche die Pfingstbewegung als einen Zufluchtsort der sozial marginalisierten und benachteiligten Armen sahen, als die „Vision der Enterbten“, wie Anderson sie nannte, unter denen „ekstatische religiöse Erfahrung ein Ersatz für Erfolg im sozialen Kampf“ war.21 Wackers jüngster Beitrag dagegen sieht die frühe nordamerikanische Pfingstbewegung als repräsentativ für das gesamte Spektrum der Gesellschaft an, einschließlich der reichen Mittelklasse.22 Wenigstens gilt hinsichtlich der Ursprünge der Pfingstbewegungen, dass die Helden und Heldinnen bzw. die dramatis personae aus dem Westen stammen und als die verantwortlichen Hauptdarsteller für die globale Expansion der Pfingstbewegung angesehen werden. Der Anfang der Bewegung wird immer in den USA angesiedelt, ob in Cherokee County, im North Carolina der 1890ern (nach einigen Historikern der Church of God), bei Charles Parhams Bewegung in Topeka, Kansas, 1901 (wo viele Historiker beginnen) oder in der von William Seymour geleiteten Azusa-Street-Erweckung in Los Angeles 1906 (die von den meisten als die treibende Kraft hinter der raschen Ausbreitung der Bewegung angesehen wird). Obwohl der genaue Ursprungsort umstritten ist, wurde die Vorrangstellung der Azusa Street als das Herz oder die „Wiege“ der Pfingstbewegung in den 1970ern erneut bekräftigt, vor allem durch den Einfluss Walter Hollenwegers. Autoren begannen, die bedeutende Rolle dieser vornehmlich afroamerikanischen Kirche als Erzeugerin pfingstlicher Kirchen auf der ganzen Welt zu betonen.23 Grant Wacker hat darauf hingewiesen, dass die frühen historischen Darstellungen der Bewegung an etwas litten, das er als „Ritualisierung der pfingstlichen Geschichte“ bezeichnete, was eine „Bevorzugung der weißen Rasse“ [white racial bias] einschloss, die den wichtigen Einfluss der schwarzen Kultur auf pfingstlichen Gottesdienst und pfingstliche Theologie ignorierte, sowie die seiner Meinung nach „erheblichere Verzerrung“ einer „hartnäckigen geschlechtsspezifischen Bevorzugung“ [persistent gender bias], aufgrund derer die führende Rolle von Frauen übersehen wurde.24 Diese Verzerrungen in Bezug auf Rasse und Geschlecht sind in der Tat ernsthafte Probleme, die überwunden werden müssen, aber es gibt womöglich noch eine schwerwiegendere Problematik, der die pfingstliche Historiographie gegenübersteht. In all diesen historischen Interpretationen, von denen einige in der Tat die Fehler 20 21 22 23

Bloch-Hoell: Pentecostal Movement, S. 21, 32. Anderson: Vision of the Disinherited, S. 152. Wacker : Heaven Below, S. 216. Nelson, Douglas J.: For Such a Time as This: The Story of William J Seymour and the Azusa Street Revival. Birmingham, University of Birmingham, PhD Dissertation, 1981; MacRobert, Iain: The Black Roots and White Racism of Early Pentecostalism in the USA. Basingstoke: Macmillan, 1988. 24 Wacker : Golden Oldies, S. 95.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

139

der Vergangenheit zu korrigieren versuchten, wird die wesentliche Rolle einheimischer Arbeiter in der frühen Pfingstbewegung, insbesondere in Asien und Afrika, ignoriert, übersehen oder heruntergespielt. In den frühen pfingstlichen Zeitschriften, welche die Berichte von Missionaren enthielten, werden die einheimischen Arbeiter, wenn überhaupt, gewöhnlich als anonyme „eingeborene Arbeiter“ erwähnt, oder bestenfalls unter nur einem Namen, der oft falsch geschrieben wurde. Diese gravierende Auslassung erklärt sich aus dem Umfeld, in dem pfingstliche Missionen durchgeführt wurde, und diesem Umfeld wird beim Schreiben der Geschichte nicht genug Beachtung geschenkt. Die Erfahrungen der Pfingstler auf der ganzen Welt können nicht vom weiteren Kontext politischer und sozialer Macht getrennt werden.25 Der Anfang des 20. Jahrhunderts war die Hochzeit des Kolonialismus, in der westeuropäische Nationen die Mehrheit der Menschen auf der Welt regierten und ausbeuteten. Diese zügellose Kolonisierung wurde oft auf den kirchlichen Bereich übertragen und spiegelte sich in den Einstellungen von Missionaren, die nur allzu oft im Schatten der Kolonialisten arbeiteten. Im späten 19. Jahrhundert gab es in Nordamerika und Europa einen fast universalen Glauben an die Überlegenheit westlicher Kultur und Zivilisation, von Konservativen bis hin zu Marxisten.26 Er beeinflusste ohne Zweifel auch pfingstliche Missionare, obgleich dies vielleicht unbewusst geschah. Die frühen Pfingstler in Westeuropa und Nordamerika waren leidenschaftlich von Ideen einer „weltweiten geistlichen Eroberung“27 erfüllt, einer expansionistischen Überzeugung, die von prämilleniaristischen eschatologischen Erwartungen beeinflusst war, denen zufolge die Nationen der Welt für Christus „in Besitz genommen“ werden müssten, noch vor seiner unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft zur Errichtung seiner Herrschaft über die Erde. Dies war eine lange, in den evangelikalen Erweckungen des 19. Jahrhunderts verwurzelte, Tradition. Ohne Zweifel beeinflusste die „manifest destiny“ [„offensichtliche Bestimmung“] der USA die pfingstlichen Missionen, die ohnehin in expansionistischen Begriffen zu denken gewohnt waren. Brouwer, Gifford und Rose behaupten in ihrem Buch Exporting the American Gospel, dass US-Amerikaner einen starken Glauben an „den besonderen Platz Amerikas unter den Nationen“ hätten, und der Überzeugung seien, „dass andere Völker von amerikanischen Prinzipien geführt und regiert werden sollten, sowohl in ziviler als auch in religiöser Hinsicht.“ Sie weisen darauf hin, dass Pfingstler sich anderen, von ihnen als „fundamentalistisch“ bezeichneten, US-amerikanischen Christen anschließen, da sie „diese globalpolitische Mission als Teil ihres Programms 25 Sharpe, Jim: History from Below. In: Burke, Peter (Hg.): New Perspectives on Historical Writing. Cambridge: Polity Press, 1991, S. 24 – 41, hier S. 33. 26 Wesseling, Henk: Overseas History. In: Burke, Peter (Hg.): New Perspectives on Historical Writing. Cambridge: Polity Press, 1991, S. 67 – 92, hier S. 75. 27 Wacker : Heaven Below, S. 263.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

140

Allan H. Anderson

einer intensiven religiösen Evangelisation“ akzeptierten.28 Verbunden mit dem Glauben an die Überlegenheit von „made in America“-Formen des Christentums war die Überzeugung, dass die politischen und sozialen Systeme der USA anderen überlegen seien. Es war dieser Neo-Imperialismus, der nordamerikanische Missionare oft von den lokalen einheimischen Leitern entfremdet hat, und die wahrgenommene Hegemonie, verstärkt durch die wirtschaftliche und militärische Muskelkraft der USA, hat sicherlich dem negativen Bild nicht abgeholfen. In jüngeren Jahren wird die Dringlichkeit der Debatte durch den „SüdwärtsSchwenk des Gravitationszentrums des Christentums“29 verstärkt, der die Pfingstbewegung mehr afrikanisch und asiatisch als westlich hat werden lassen. Die in der Aussendung von Missionaren führenden protestantischen Nationen sind nicht mehr die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Schweden oder Deutschland, sondern Indien, Südkorea, Brasilien und Nigeria.30 Am Anfang des 21. Jahrhunderts werden die größten pfingstlichen Gemeinden in London, England und Kiew, Ukraine, von denen jede mehrere tausend Mitglieder zählt, von afrikanischen Pastoren geleitet. In Afrika selbst kann die Herkunft der sehr großen Anzahl an Christen nur in diesem Zusammenhang verstanden werden. In Asien, wo die von allen Kontinenten größte absolute Anzahl an evangelischen Christen lebt, gehören die meisten zum pfingstlichen und charismatischen Typus; und in Lateinamerika befindet sich die von allen Kontinenten größte Anzahl an Pfingstlern. Barrett und Johnsons jährliche Statistiken sind ein dramatischer Beleg dafür, wie schnell der westliche Anteil der Weltchristenheit abgenommen hat. Im Jahr 1900 befanden sich 77 Prozent der Christen in Europa und Nordamerika. Im Jahr 2000 kamen nur 37 Prozent der zwei Milliarden Christen in der Welt aus diesen nördlichen Kontinenten und die Prognose für 2025 lautet 29 Prozent. Zudem sind mittlerweile 26 Prozent der weltweiten Christen „pfingstlich/charismatisch“, ein Trend der bis 2025 auf 31 Prozent ansteigen soll.31 Der „Südwärts-Schwenk“ ist in der Pfingstbewegung deutlicher zu erkennen als in den meisten anderen Formen des Christentums. Ein großer Anteil des dramatischen Kirchenwachstums in Asien, Afrika und Lateinamerika hat in pfingstlichen sowie in indigenen bzw. unabhängigen Pfingst-ähnlichen Kirchen stattgefunden, und ich würde schätzen, dass wenigstens drei Viertel der heutigen Pfingstbewegung in diesen Kontinenten zu finden ist. Klassische Pfingstkirchen wie die Assemblies of God, deren Wurzeln in Nordamerika liegen, haben nur etwa

28 Brouwer, Steve; Gifford, Paul; Rose, Susan D. (Hg.): Exporting the American Gospel: Global Christian Fundamentalism. London: Routledge, 1996, S. 14, 17. 29 Walls, Andrew: Of Ivory Towers and Ashrams. In: Journal of African Christian Thought 3, Nr. 1 (2000), S. 1 – 4, hier S. 1. 30 Pate, Larry D.: The Dramatic Growth of Two-Thirds World Missions. In: Taylor, William D. (Hg.): Internationalising Missionary Training. Exeter: Paternoster Press, 1991, S. 27 – 40, hier S. 35. 31 Barrett, David B.; Johnson, Todd M.: Annual Statistical Table on Global Mission: 2001. In: International Bulletin of Missionary Research 25, Nr. 1 (2001), S. 24 – 25, hier S. 25.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

141

8 Prozent ihrer weltweit assoziierten Mitglieder in Nordamerika, während wenigstens 80 Prozent von ihnen in den Kontinenten der „dritten Welt“ leben.32 Offensichtlich müssen wir verstehen, wer und was für diese Explosion des charismatischen Christentums verantwortlich ist. Es gibt hier eklatante Lücken in unserem Wissen. Es sei uns verziehen zu fragen, wo all die indigenen Heldinnen und Helden der pfingstlichen Geschichte geblieben sind. „Über Gräber weht der Wind“, wie es von den Soldaten in dem bekannten Protestlied der 1960er gesagt wird, und man möchte den Refrain parodieren: „Wann werden wir je verstehen?“ Die Historiker und Chronisten der Vergangenheit haben tausende pfingstlicher Arbeiter in unbenannte Gräber geschickt. Die historischen Prozesse, die zu den fundamentalen Veränderungen in der weltweiten pfingstlichen Demographie geführt haben, müssen sorgfältig aufgezeichnet werden. Hoffentlich ist es nicht zu spät, um vergangene Verzerrungen zu korrigieren. In großen Teilen des Schrifttums zur pfingstlichen Geschichte sind bis heute die „Objekte“ der westlichen Missionsbemühungen – die nunmehr die große Mehrheit der Pfingstler in der Welt darstellen – immer noch marginalisiert. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Lage begonnen zu verbessern. Dafür spricht das willkommene Erscheinen von Dissertationen und Büchern, die sich mit der Geschichte der Pfingstbewegung außerhalb der westlichen Welt befassen, inklusive Studien über Bewegungen in Argentinien,33 Chile,34 Ghana,35 Südafrika,36 Südindien,37 den Philippinen,38 32 Eine Schätzung von 1997 sah die Gesamtzahl der Anhänger des World Assemblies of God Fellowship bei ca. 30 Missionen, von denen ungefähr 2,1 Millionen in Nordamerika lebten. Wilson, Everett A.: Strategy of the Spirit: J. Philip Hogan and the Growth of the Assemblies of God Worldwide 1960 – 1990. Carlisle, PA: Regnum Books, 1997, S. 3, 107, 183. 33 Saracco, Jos¦ Norberto: Argentine Pentecostalism: Its History and Theology. Birmingham, University of Birmingham, PhD Dissertation, 1990. 34 Sepffllveda, Juan: Gospel and Culture in Latin American Protestantism: Toward a New Theological Appreciation of Syncretism. Birmingham, University of Birmingham, PhD Dissertation, 1996. 35 Larbi, Emmanuel Kingsley : Pentecostalism: The Eddies of Ghanaian Christianity. Dansoman, Accra: CPCS, 2001 (Studies in African Pentecostal Christianity 1); Asamoah-Gyadu, J. Kwabena: Renewal within African Christianity : A Study of Some Current Historical and Theological Developments within Independent Indigenous Pentecostalism in Ghana. Birmingham, University of Birmingham, PhD Dissertation, 2000. 36 Anderson, Allan H.: Moya: The Holy Spirit in an African Context. Pretoria: University of South Africa, 1991; Anderson, Allan H.: Bazalwane: African Pentecostals in South Africa. Pretoria: University of South Africa Press, 1992; Anderson, Allan H.; Otwang, Samuel: Tumelo: The faith of African Pentecostals in South Africa. Pretoria: University of South Africa Press, 1993; Anderson, Allan H.: Zion and Pentecost: The Spirituality and Experience of Pentecostal and Zionist/Apostolic Churches in South Africa. Pretoria: University of South Africa Press, 2000 (African Initiatives in Christian Mission 6). 37 Bergunder, Michael: Die südindische Pfingstbewegung im 20. Jahrhundert: Eine historische und systematische Untersuchung. Frankfurt am Main: Lang, 1999 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 113). 38 Jeong Jae Yong: Filipino Pentecostal Spirituality : An Investigation Into Filipino Indigenous

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

142

Allan H. Anderson

Korea,39 eine Übersetzung von Willis Hoovers persönlichen Betrachtungen zur Geschichte der chilenischen Pfingstbewegung40 und etliche andere mehr. Doch es bleiben große Lücken in unseren Informationen. Der pfingstliche Ethnologe Ronald Bueno ruft uns ins Gedächtnis, dass wir – wenn es uns wirklich um das Verstehen der „globalen“ Pfingstbewegung geht – die pfingstlichen Erfahrungen und Identitäten „rehistorisieren“ müssen, indem wir den Beitrag des „Lokalen“ zu den „Pfingstbewegungen“ betrachten.41 Die „Pfingstbewegung made in the USA“ ist nur ein Teil des ganzen Bilds, das viele Formen der „Pfingstbewegungen“ enthält, und die versteckten Schätze dieser lokalen Geschichten müssen entdeckt werden.

Ein Azusa Street „Jerusalem“? Frank Bartleman sprach von der Azusa Street als dem „amerikanischen Jerusalem.“42 Doch die „made in USA“-Annahme ist einer der größten Bärendienste für die weltweite Pfingstbewegung, was sich in der fortlaufenden Debatte über die Ursprünge der Pfingstbewegung spiegelt. Augustus Cerillo hat angeregt, wenigstens vier Herangehensweisen an dieses Thema zu unterscheiden und meint, dass eine Theorie über die komplexen Ursprünge der Pfingstbewegung nicht um den Preis des Ausschlusses anderer Theorien hervorgehoben werden darf.43 Die verbreitetste Theorie in den jüngeren Geschichtsdarstellungen scheint diejenige zu sein, welche die Azusa-Street-Erweckung in Los Angeles ins Zentrum der Pfingstbewegung setzt, als dem

39

40 41

42 43

Spirituality and Pentecostalism in the Philippines. Birmingham, University of Birmingham, ThD Dissertation, 2001. Jae Bum Lee: Pentecostal Type Distinctives and Korean Protestant Church Growth. Pasadena, CA, Fuller Theological Seminary, PhD Dissertation, 1986; Yoo Boo-Woong: Korean Pentecostalism: Its History and Theology. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1988 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 52); Young Hoon Lee: The Holy Spirit Movement in Korea: Its Historical and Doctrinal Development. Philadelphia, PA, Temple University, PhD Dissertation, 1996; Jeong Chong Hee: The Formation and Development of Korean Pentecostalism from the Perspective of a Dynamic Contextual Theology. Birmingham, University of Birmingham, ThD Dissertation, 2001. Hoover, W. C.: History of the Pentecostal Revival in Chile. Santiago de Chile: Imprenta EbenEzer, 2000. Bueno, Ronald N.: Listening to the Margins: Re-Historicizing Pentecostal Experiences and Identities. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): The Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999, S. 268 – 288, hier S. 269. Bartleman: Azusa Street, S. 63. Cerillo: Beginnings; Robeck, Cecil M. Jr.: Pentecostal Origins in Global Perspective. In: Hunter, Harold D.; Hocken, Peter (Hg.): All Together in One Place: Theological Papers from the Brighton Conference of World Evangelization. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993, S. 166 – 180, hier S. 166.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

143

„Jerusalem“ von dem aus das pfingstliche Evangelium die „Enden der Erde“ erreichte. Die ersten zwei Jahrzehnte der Pfingstbewegung waren von fiebrigen und oft aufopferungsvollen missionarischen Aktivitäten gekennzeichnet. Bereits 1910, nur vier Jahre nach dem Beginn der Azusa-Street-Erweckung, wurde berichtet, dass sich pfingstliche Missionare aus Europa und Nordamerika schon in fünfzig Nationen der Welt befanden.44 Von Anfang an war die Pfingstbewegung in der westlichen Welt von einer Betonung der Außenevangelisation gekennzeichnet, und die ganze pfingstliche Missionsstrategie setzte Evangelisation als erste Priorität, nicht zuletzt da sie mit einer besonderen prämilleniaristischen Eschatologie verbunden war. Die pfingstliche Erweckung brachte eine Kategorie von gewöhnlichen aber „berufenen“ Menschen hervor, die „Missionare“ genannt wurden und die sich in einer bemerkenswert kurzen Zeit in alle Winkel der Erde ausbreiteten. Harvey Cox stellte die These auf, dass sich die schnelle Ausbreitung der Bewegung aufgrund ihrer ungestümen und spontanen Spiritualität ereignete, „wie die Ausbreitung einer heilsamen Seuche.“45 Sie berührte die Menschen auf emotionale Weise, und ihre Betonung der Erfahrung verbreitete sich durch Zeugnisse und persönlichen Kontakt. Faupel zeichnet sowohl die Aussendung von Arbeitern von der Azusa Street Apostolic Faith Mission nach, als auch die Rolle dieser Versammlung als ein Magnet, der christliche Führungspersönlichkeiten anzog, und schließlich die Schaffung neuer pfingstlicher Zentren einschließlich der Ausbreitung der Bewegung in die Nationen der Welt. Laut Faupel führte das Fehlen einer zentralen Organisation in diesen verschiedenen frühen und sich ausdehnenden Aktivitäten zu einer Art „kreativem Chaos.“46 Trotz der Bedeutung der Azusa-Street-Erweckung als eines Zentrums der afroamerikanischen (und sich mündlich verbreitenden) Pfingstbewegung, das einen tiefgreifenden Einfluss auf ihr Wesen hatte, kommt es zu einer Verzerrung der Wahrheit und es entsteht der Beigeschmack eines kulturellen Imperialismus, wenn dieser Ort als „Jerusalem“ angesehen wird, von dem aus das „volle Evangelium“ die Nationen der Erde erreichte.47 Es gab mehrere Zentren der Pfingstbewegung von denen diese große Ausbreitung ausging, selbst in Nordamerika. Es gab viele „Jerusalems“: Pjöngjang, Korea; Peking, China; Pune, Indien; Wakkerstroom, Südafrika; Lagos, Nigeria; Valpara†so, 44 Faupel: The Everlasting Gospel, S. 212 – 216; Robeck: Pentecostal Origins, S. 176 – 177; Wakker : Heaven Below, S. 264. 45 Cox: Fire from Heaven, S. 71. 46 Faupel: The Everlasting Gospel, S. 213 – 222; McGee, Gary B.: Pentecostals and Their Various Strategies for Global Mission: A Historical Assessment. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): Called and Empowered: Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson, 1991, S. 203 – 224, hier S. 208. 47 Dieses Thema wiederholte sich in einer Fußnote in einem kürzlich erschienen Artikel: McClung, Grant Jr.: “Try to Get People Saved”: Revisiting the Paradigm of an Urgent Pentecostal Missiology. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): The Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999, S. 30 – 51, hier S. 49, n11.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

144

Allan H. Anderson

Chile; Bel¦m, Brasilien; Oslo, Norwegen; und Sunderland, England – neben anderen Zentren. Die Pfingstbewegung hat viele Variationen, nicht nur die nordamerikanischen „klassischen pfingstlichen“ Arten. Meine Auffassung der „Pfingstbewegung“ schließt sowohl das „charismatische“ Christentum als auch all jene Bewegungen mit ein, in denen das Praktizieren der Geistesgaben ermutigt wird; dies kann Zungenrede einschließen oder aber auch ausschließen. Wie Everett Wilson beobachtete, hatte die Pfingstbewegung mehrere Anfänge und es gibt mehrere „Pfingstbewegungen“.48 Azusa Street war zweifellos von Bedeutung, weil es die nordamerikanischen Pfingstler an ihren rasseübergreifenden sowie ökumenischen Ursprung und Ethos erinnerte. Die Azusa-Street-Erweckung war eine Gemeinschaft verschiedener Rassen, die einzigartig war und zur Inspiration für viele geworden ist. Sie bewegte schwarze südafrikanische Pfingstler, denen viele Jahrzehnte lang die grundlegende Menschenwürde von ihren weißen Gegenübern aus derselben pfingstlichen Denominationen verwehrt wurde, worunter auch so manche Denomination fällt, die von Missionaren der Azusa Street gegründet worden war.49 Der Bewegungsimpuls einer vorrangig schwarzen, durch Seymour geführten Kirche, die ohne Zweifel in der afroamerikanischen Kultur des 19. Jahrhunderts verwurzelt war, ist sicherlich bedeutsam. Viele der frühen Erscheinungen der Pfingstbewegung stammten aus den religiösen Ausdrucksweisen der Sklaven in Nordamerika und waren selbst eine Reflexion der afrikanischen religiösen Kultur, aus der jene gewaltsam entführt worden waren. Seymour war tief von dieser Spiritualität beeinflusst. Und es war diese holistische Spiritualität, welche die pfingstliche Botschaft so passend für Kulturen auf der ganzen Welt machte, in denen die Erfahrungen göttlichen Eingreifens wichtiger waren als Glaubensbekenntnisse, Streitigkeiten und dogmatische Argumente, die bald die nordamerikanische Bewegung plagen sollten. Obwohl der pfingstliche Missiologe Paul Pomerville die frühere „providenzielle“ Sicht auf pfingstliche Geschichte fortschrieb, erklärte er, dass die Pfingstbewegung einer Reihe annähernd spontaner und universaler Anfänge in verschiedenen Teilen entsprang und man nicht versuchen sollte, ihren 48 Wilson, Everett A.: They Crossed the Red Sea, Didn’t They? Critical History and Pentecostal Beginnungs. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): The Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999, S. 85 – 115, hier S. 107. 49 Anderson, Allan H.: Dangerous Memories for South African Pentecostals. In: Ders.; Hollenweger, Walter J. (Hg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 15), S. 89 – 107, hier S. 105; Anderson: Bazalwane, S. 23; Anderson: Zion and Pentecost, S. 58, 85. Tom Hezmalhalch und John G. Lake, von der Azusa Street und Zion City ausgesandte Missionare, die Seymour Bericht erstatteten, gründeten 1908 die erste Pfingstkirche in Südafrika, die Apostolic Faith Mission. Henry M. Turney, der 1909 nach Südafrika ging und mit den Assemblies of God dort in Verbindung stand, ging aus der Azusa Street hervor.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

145

Anfang auf einen geographischen Ort, wie Los Angeles, zu beschränken.50 Dies stellte eine neue Herangehensweise an das Problem der Ursprünge dar, doch Pomervilles Insistieren auf Spontaneität bedeutete, dass er die Komplexität historischer und sozialer Faktoren, welche die verschiedenen „Ausgießungen“ miteinander verband, tendenziell ausblendete. Ohne die Bedeutung der Azusa Street herunterzuspielen, muss den Orten auf der Welt die gebührende Anerkennung zukommen, an denen die pfingstliche Erweckung unabhängig von diesem Ereignis ausbrach und in manchen Fällen sogar zeitlich vorausging. Ein Beispiel ist das „koreanische Pfingsten“, das unter Missionaren in Pjöngjang 1903 begann und bald tausende Koreaner erreichte. Diese Erweckung scheint nicht von den evangelikalen Erweckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts beeinflusst zu sein; zudem fand es noch vor der Erweckung von Wales 1904 statt und nahm bald einen ganz eigenen indigenen Charakter an.51 Die koreanische Erweckung beeinflusste Erweckungen in China, wie die mandschurische Erweckung von 1908,52 und hat das Antlitz des ostasiatischen Christentums unwiderruflich verändert. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu bemerken, welche Bewegung der jeweils anderen vorausging. Koreanische Pfingstler erkennen den Beitrag der frühen Erweckung zu ihrer Bewegung einhellig an. Die Erweckung hatte einen großen Einfluss auf die gegenwärtige Vorherrschaft der charismatischen Bewegung in den dortigen presbyterianischen und methodistischen Kirchen, von denen die „klassischen“ Pfingstkirchen (wie Yonggi Chos Full Gospel Church), die über zwei Jahrzehnte später kamen, viele charakteristische Praktiken aufgenommen haben. Obwohl es sich bei der koreanischen Erweckung genau genommen um keine „klassische pfingstliche“ Erweckung handelte und obwohl nordamerikanische protestantische Missionare anfänglich Anteil daran hatten, waren die frühen koreanischen Leiter der Erweckung in den presbyterianischen und methodistischen Kirchen „pfingstlicher“ als es den Missionaren recht war ; ihre typischen erwecklichen Praktiken haben noch heute in protestantischen und pfingstlichen Kirchen in Korea Bestand.53 Im Fall Chinas hat Daniel Bays gezeigt, dass der Einfluss der Pfingstbewegung die „Entwicklung einheimischer Kirchen beschleunigt hat“, insbesondere weil Pfingstler mit ihrem „lebendigen Sinn für das Übernatürliche“ näher an der „traditionellen Volksreligiosität“ waren als andere Kirchen. Die meisten der indigenen chinesischen Kirchen sind heute in ihrer „ausdrücklichen Identität oder Orientierung“ pfingstlich eingestellt. Bays bemerkt, dass 50 Pomerville, Paul A.: The Third Force in Missions: A Pentecostal Contribution to Contemporary Mission Theology. Peabody, MA: Hendrickson, 1985, S. 52. 51 Jeong Chong Hee: Formation and Development. 52 Bays, Daniel H.: Christian Revival in China, 1900 – 1937. In: Blumhofer, Edith L.; Balmer, Randall (Hg.): Modern Christian Revivals. Urbana, IL: University of Illinois Press, 1993, S. 161 – 179, hier S. 163. 53 Jae Bum Lee: Pentecostal Type Distinctives; Young Hoon Lee: Holy Spirit Movement; Jeong Chong Hee: Formation and Development.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

146

Allan H. Anderson

die Pfingstbewegung in China „insbesondere in ihrem egalitären Stil und in ihrer Verfügbarmachung direkter Offenbarung für alle“ auch die Entwicklung von Kirchen befördert hat, die von ausländischen Missionen unabhängig sind.54 Das traf auch auf die Pfingstbewegung in Afrika und Lateinamerika zu – eine Tatsache, die westliche pfingstliche Missionare nicht vorhersehen konnten und wahrscheinlich auch nicht bestärkt hätten. Die Erweckung in Indien an Pandita Ramabais Mukti Mission in Pune von 1905 bis 1907, in der im Geist getaufte junge Frauen Visionen sahen, in Trance fielen und in Zungen sprachen, begann in ähnlicher Weise vor der AzusaStreet-Erweckung, auch wenn Zungen erst im Dezember 1906 auftraten.55 Die Erweckung wurde von Pandita Ramabai selbst als Mittel verstanden, mit dem der Heilige Geist eine indigene indische Form des Christentums erschuf.56 Zu jener Zeit schrieb sie diese prophetisch bedeutsamen Worte: Lasst die Erweckung so zu Indern kommen, dass sie zu ihrer Natur und ihren Gefühlen passt. Gott hat sie gemacht. Er kennt ihre Natur und er wird seine Bestimmung in ihnen in einer Art erfüllen, die möglicherweise nicht der Art der westlichen Menschen und ihrem langwierigen Training entspricht. Lasst die englischen und anderen westlichen Missionare damit beginnen, dass sie die indische Natur studieren, ich meine die religiösen Neigungen, die emotionale Seite des indischen Denkens. Lasst sie nicht versuchen, Erweckungsversammlungen und andächtige Übungen in ganz und gar westlicher Weise und in Übereinstimmung mit westlicher Etikette abzuhalten. Wenn unsere westlichen Lehrer und verwestlichten indischen Führer wollen, dass das Werk Gottes unter uns in der ihnen eigenen Weise ausgeübt wird, dann werden sie es gewiss stoppen oder verderben.57

The Apostolic Faith, die Zeitschrift der Azusa Street, begrüßte die Nachricht von dieser Erweckung in ihrer November-Ausgabe von 1906 mit den Worten „Halleluja! Gott sendet Pfingsten nach Indien. Gott achtet das Ansehen der Person nicht.“ Missionare oder Pandita Ramabais Mission werden nicht erwähnt, sondern der Artikel suggeriert, dass dort „einfach von Gott unterrichtete Einheimische“ für die Ausgießung des Geistes verantwortlich waren und dass die Gaben des Geistes den „einfachen, ungelernten Gliedern des Leibes Christi“ gegeben worden waren.58 Die indischen Personen werden 54 Bays, Daniel: The Protestant Missionary Establishment and the Pentecostal Movement. In: Blumhofer, Edith L.; Spittler, Russell P.; Wacker, Grant A. (Hg.): Pentecostal Currents in American Protestantism. Urbana, IL: University of Illinois Press, 1999, S. 50 – 67, hier S. 63. 55 McGee, Gary B.: “Latter Rain” Falling in the East: Early-Twentieth-Century Pentecostalism in India and the Debate over Speaking in Tongues. In: Church History 68, Nr. 3 (1999), S. 648 – 665. Die Zungenrede trat in Indien zuerst im Juli 1906 auf, nachdem die Azusa-Street-Erweckung begonnen hatte; aber dies entwickelte sich unabhängig von Azusa. (Persönliche Mitteilung von Gary McGee.) 56 Shamsundar M. Adhav : Pandita Ramabai. Madras: Christian Literature Society, 1979, S. 216. 57 Pandita Ramabai: Stray Thoughts on the Revival. In: The Bombay Guardian (1905), S. 9. 58 Pentecost in India. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 3 (1906), S. 1. Ein weiterer Bericht über die Erweckung in Indien wurde in The Apostolic Faith im folgenden Monat gedruckt, s. Revival in

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

147

freilich nicht benannt, noch nicht einmal die international berühmte Pandita Ramabai. Gleichwohl arbeiteten pfingstliche Missionare viele Jahre mit der Mukti Mission zusammen und Ramabai erhielt Unterstützung aus der aufkeimenden Pfingstbewegung in Großbritannien, wo sie in der pfingstlichen Zeitschrift Confidence erwähnt wurde.59 Doch die ursprüngliche pfingstliche Ausgießung in Indien fand weit früher als Mukti statt, nämlich von 1860 bis 1865 in Tamil Nadu unter dem tamilischen Evangelisten Arulappan und in Travancore von 1873 bis 1881.60 Wie McGee zeigte, hatte sich die Pfingstbewegung in Indien bereits etabliert „bevor die Kunde von der Azusa Street den Subkontinent erreichte.“61 Obwohl die Erweckungen in Tamil Nadu und Mukti selbst nicht direkt in der Begründung pfingstlicher Denominationen mündeten, hatte insbesondere die Mukti-Erweckung weitreichende Konsequenzen, die Teile der Welt durchdrangen, die von der Azusa Street nicht berührt waren. Die vielleicht wichtigste dieser Konsequenzen überquerte auf ihrem Weg nach Südamerika zwei Ozeane. Im Jahr 1907 hörte der Erweckungsprediger Willis Hoover, ein Geistlicher der Methodistischen Episkopalkirche in Valpara†so, Chile, durch Minnie Abrams, einer früheren Klassenkameradin seiner Frau, von der Mukti-Erweckung. Später erkundigte er sich bei seinen methodistischen Geschwistern nach pfingstlichen Erweckungen an anderen Orten, insbesondere in Venezuela, Norwegen und Indien.62 Die Erweckung in Hoovers Kirche im Jahr 1909 führte 1910 zu seinem Ausschluss aus der methodistischen Kirche und der Gründung der Iglesia Metodista Pentecostal, die in einheimische Leiterschaft überging und die größte nicht-katholische Denomination in Chile wurde.63 Die überwiegende Mehrheit der chilenischen Pfingstler, die nunmehr etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, unterscheiden sich ziemlich deutlich von „klassischen“ Pfingstlern in Nord-

59 60

61 62 63

India. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 4 (1906), S. 4. Ein Bericht in The Apostolic Faith vom September 1907 suggerierte, dass die Mukti-Erweckung bis zum Dezember 1906 keine Erfahrung mit der Zungenrede hatte, bis sie Berichte aus Los Angeles empfangen hatte, s. Pentecost in Mukti, India. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 10 (1907), S. 4. Aber Zungen traten an anderen Orten in der indischen Erweckung bereits früher auf, s. McGee: “Latter Rain”, S. 654 – 656. Brief Items: India. In: Confidence 1, Nr. 6 (1908), S. 10. Ich danke dem Donald Gee Research Center, Mattersey, England, und seinem Direktor, David Garrard, für den Zugang zu den frühen pfingstlichen Zeitschriften Confidence, Flames of Fire und Things New & Old. McGee: “Latter Rain”, S. 649; Satyavrata, Ivan M.: Contextual Perspectives on Pentecostalism as a Global Culture. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): The Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999, S. 203 – 221, hier S. 205. McGee: “Latter Rain”, S. 650. Hoover : History, S. 164. Wagner, C. Peter : Look Out! The Pentecostals Are Coming. 1st ed. Aufl. Carol Stream, IL: Creation House, 1973, S. 17; Sepffllveda, Juan: Indigenous Pentecostalism and the Chilean Experience. In: Anderson, Allan H.; Hollenweger, Walter J. (Hg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999, S. 111 – 134, hier S. 111 – 112.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

148

Allan H. Anderson

amerika und sehen ihre Ursprünge in den Ereignissen von Valpara†so.64 Im Jahr 1909 brachte Luis Francescon die pfingstliche Botschaft zu italienischen Gemeinschaften in Brasilien, und 1911 begründeten zwei schwedische Immigranten aus den USA, Gunnar Vingren und Daniel Berg, eine Kirche, die später zu den Assemblies of God in Brazil wurde, noch drei Jahre bevor sich diese Denomination in den USA konstituierte. Dies ist mittlerweile die größte protestantische Kirche in Lateinamerika und die im Ländervergleich größte Assemblies of God; von ihrem nordamerikanischen Gegenüber ist sie weitgehend unabhängig.65 Die ersten Missionare nach Brasilien waren mit William Durhams Kirche in Chicago verbunden, aber sie waren von der nordamerikanischen Bewegung getrennt und suchten ihre Unterstützung hauptsächlich in Schweden.66 Doch obwohl die Begründung dieser großen Denominationen zumeist westlichen Missionaren angerechnet wird, beruhte ihr schnelles Wachstum vor allem auf den Bemühungen der unbekannten einheimischen Arbeiter. Douglas Petersen hat gezeigt, dass in Mittelamerika starke pfingstliche Kirchen mit „geringer externer Unterstützung bzw. geringer ausländischer Kontrolle“ entstanden.67 Auf der ganzen Welt gab es tausende ungezählte einheimische Erweckungsprediger ohne westliche Verbindungen, die für die Verbreitung des pfingstlichen Evangeliums verantwortlich waren. An der Elfenbeinküste und der Goldküste (heute Ghana), führte der Kru-Liberianer, William Wade Harris, 1914 eine Erweckung an, die sich von der westlichen Pfingstbewegung deutlich unterschied, aber viele pfingstliche Phänomene wie Heilung und Zungenrede einschloss. Diese Erweckung mündete in 120.000 Bekehrungen in einem Jahr, dem größten Zulauf von Afrikanern zum Christentum, die der Kontinent je gesehen hatte. Wir werden wahrscheinlich nie wissen, ob Harris den in Liberia arbeitenden afroamerikanischen Missionaren aus der Azusa-Street begegnet war, aber mit Sicherheit gab es keine Verbindungen nach seinem Weggang von dort. Chinesische Evangelisten zogen kreuz und quer durch die große Nation mit einer pfingstlichen Botschaft, die ihrem westlichen Gegenüber ähnlich und doch von ihm unterschieden war, was in mehreren tausend Bekehrungen zum Christentum resultierte. Ein chinesischer Prediger, Mok Lai Chi, war für die frühe Ausbreitung der Pfingstbewegung in Hong Kong verantwortlich und begann 1908 eine pfingstliche Zeitung dort herauszugeben.68 Diese verschiedenen pfingstlichen Erweckungen waren nicht primär eine Bewegung von der westlichen Welt zu „fremden Ländern“, sondern maßgeblich Bewegungen innerhalb derselben Kontinente. 64 65 66 67

Sepffllveda: Indigenous Pentecostalism, S. 113 – 115. Wagner : Look Out, S. 23 – 25. Ich verdanke diese Erkenntnis einer persönlichen Unterhaltung mit David Bundy. Petersen, Douglas: The Formation of Popular, National, Autonomous Pentecostal Churches in Central America. In: Pneuma 16, Nr. 1 (1994), S. 23 – 48, hier S. 23. 68 Bays: Protestant Missionary Establishment, S. 54.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

149

Dass die Geschichte der Pfingstbewegung im Dunkeln liegt, ist schon so lange als selbstverständlich hingenommen worden, so dass die Vielzahl der Namenlosen, die für ihre Ausbreitung an der Basis verantwortlich waren, in die nicht erinnerte Historie übergegangen ist und ihr Andenken nun sehr schwer wiederherzustellen ist. Everett Wilsons Aufsatz zu pfingstlicher Historiographie warnt uns vor der Vergeblichkeit einer Erwartung, entweder „einen homogenen pfingstlichen Typ am Anfang zu finden“ oder „anzunehmen, dass die Erfahrung der ersten Gruppe von Pfingstlern ein Modell für die Zukunft bereitstellt.“ Er sagt, dass es die gewöhnlichen Leute waren, jene, „die ganz und gar nicht sicher waren, wohin sie gingen“, welche die Bewegung durch ihre verschiedene Stadien hindurch zu Bedeutung gebracht haben. Er weist darauf hin, dass die Zukunft der Pfingstbewegung nicht bei den Nordamerikanern liegt, sondern bei den autonomen Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika, deren Ursprünge oft vor denen der „klassischen Pfingstler“ im Westen zu finden sind.69 Klaus und Triplett erinnern uns daran, dass die Pfingstler im Westen „eine Tendenz zu einer triumphalistischen Affirmation missionarischer Effektivität“ haben.70 Das wird oft mit Statistiken verstärkt, die verkünden, dass „Pfingstler/Charismatiker“ nun die zweitgrößte christliche Gruppe nach den Katholiken weltweit seien.71 Wenn angenommen wird, dass dies größtenteils die Arbeit „weißer“ Missionen gewesen sei, wird das Szenario noch unglaubwürdiger. Ungeachtet der zweifelsohne unerschrocken mutigen Arbeit der frühen pfingstlichen Missionare aus dem Westen, muss der wichtigere Beitrag der einheimischen Evangelisten und Pastoren angemessen gewürdigt werden. Das Verlangen nach „Eroberung der Heiden“, das die pfingstliche Mission tendenziell dominiert hat, erschafft mehr Probleme als es zu lösen versucht, insbesondere in jenen Teilen der Welt, wo das Christentum mit kolonialer Expansion verbunden war.72 Der größte Teil der rapiden pfingstlichen Ausbreitung im 20. Jahrhundert war in der Hauptsache nicht das Ergebnis der Anstrengungen von nordamerikanischen und westeuropäischen Missionaren nach Afrika, Asien und Lateinamerika. Es war vielmehr das Ergebnis der spontanen Indigenisierung der pfingstlichen Botschaft durch tausende Prediger, die diese Kontinente mit einer neuen Botschaft der Kraft des Geistes, der Heilung der Kranken und der Austreibung der Dämonen durchquerten. Dies ist möglicherweise die wichtigste Rekonstruktion, die in der pfingstlichen Historiographie erforderlich ist.

69 Wilson: They Crossed, S. 103 – 104, 106, 109. 70 Klaus, Byron D.; Triplett, Loren O.: National Leadership in Pentecostal Missions. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): Called and Empowered: Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 225 – 241, hier S. 232. 71 McGee, Gary B.: Pentecostal Missiology : Moving beyond Triumphalism to Face the Issues. In: Pneuma 16, Nr. 2 (1994), S. 275 – 281 72 Satyavrata: Contextual Perspectives, S. 212.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

150

Allan H. Anderson

Zwischen den Zeilen lesen Ein Grund für das verzerrte Bild, das wir von pfingstlicher Geschichte haben ist das Problem urkundlicher Quellen. Unsere Geschichtsschreibung über die frühe Pfingstbewegung außerhalb der westlichen Welt beruht beinahe vollständig auf Briefen, Berichten und Zeitschriften westlicher Pfingstler und ihrer Missionare. Diese Dokumente wurden so aufgeladen, dass sie von westlichen Lesern konsumiert werden konnten und die Unterstützung durch Finanzen oder Gebet aus Amerika oder Europa verstärkten; darum erzählen die Berichte meist auch von den Aktivitäten der Missionare selbst und nicht von ihren sogenannten „eingeborenen Arbeitern“. Die Geschichte kann nicht von diesen Quellen allein her verstanden werden, insbesondere, wenn diese Quellen die einzigen schriftlichen Dokumente aus jener Zeit sind und fast ausschließlich die machtvolle und privilegierte „offizielle“ Position ihrer Autoren widerspiegeln. Wir müssen „zwischen den Zeilen“ dieser Dokumente, Protokolle und Rundbriefe lesen, um Anzeichen auf eine größere Welt als die beschriebene zu finden. Das ist mit Sicherheit eine gewagte Übung, da die Möglichkeiten der Missdeutung mit unvollständiger Information zunimmt, insbesondere im Fall derer, die schon gestorben sind und deren Stimmen „verloren“ gegangen sind. Dies unterstreicht die Bedeutung, die der Wiedergewinnung mündlicher Traditionen zukommt, denn die Geschichten derjenigen, die noch leben und sich an die Vergangenheit erinnern, müssen für die Nachwelt aufgezeichnet werden. In vielen Teilen der Welt sind die frühen Geschichten der Pfingstbewegung noch im lebenden Gedächtnis erhalten, und diese gilt es zu erzählen, bevor es zu spät ist. Je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto schwieriger wird es freilich, die Geschichten „von unten“ zu bergen, da die Quellen seltener werden.73 Das „Lesen zwischen den Zeilen“ könnte die frühen pfingstlichen Missionare in ein weniger günstiges Licht stellen. Es kann kaum einen Zweifel daran geben, dass viele Abspaltungen, die in den westlichen pfingstlichen Missionsbemühungen in Afrika und anderswo frühzeitig stattgefunden haben, wenigstens zum Teil das Ergebnis fehlender kultureller und sozialer Sensibilität seitens der Missionare waren.74 Frühe pfingstliche Missionare nannten die „Objekte“ der Mission in ihren Rundbriefen häufig „die Heiden“75 und taten sich schwer damit, indigene Leiterschaft anzuerkennen, wenn diese kreative Alternativen zu westlichen Formen der Pfingstbewegung hervorbrachte. Missionarischer Paternalismus, selbst als „wohlwollender“ Paternalismus, 73 Sharpe: History from Below, S. 26. 74 Anderson, Allan H.: Signs and Blunders: Pentecostal Mission Issues at “Home and Abroad” in the Twentieth Century. In: Journal of Asian Mission 2, Nr. 2 (2000), S. 193 – 210. 75 Further Reports as to Pentecost: West Africa. In: Confidence 1, Nr. 2 (1908), S. 19; Letter from Miss Kathleen Miller. In: Confidence 2, Nr. 5 (1909), S. 110.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

151

war weit verbreitet. Land für Land folgten weiße Pfingstler dem Vorbild anderer ausländischer Missionen und behielten die Kontrolle über die Kirchen und ihre einheimischen Gründer, und insbesondere über die Finanzmittel, die sie in Westeuropa und Nordamerika eingeworben hatten. Die meisten schrieben nach Hause als ob hauptsächlich sie selbst (wenn nicht gar allein sie selbst) für den Fortschritt der pfingstlichen Arbeit dort verantwortlich seien. Die Wahrheit war aber oft, dass die Kirchen trotz (und nicht wegen) dieser Missionare wuchsen. Wie Gary McGee bemerkte: Historisch betrachtet, führten die meisten pfingstlichen Missionare ihre Konvertiten und Missionskirchen bis nach dem zweiten Weltkrieg (und in einigen Fällen bis in die Gegenwart) auf paternalistische Art und Weise. In ihrem Eifer, die Konvertiten zur Suche nach geistlichen Gaben zu ermuntern, […] sprachen sie ihnen ironischerweise die Gaben der Administration und der Leiterschaft ab.76

In Südafrika zum Beispiel wurde den afrikanischen Pastoren bei der Gründung der Apostolic Faith Mission die exekutive Leiterschaft versagt, sie bekamen nur nominelle und lokale Führungsmöglichkeiten, die Rassen wurden fast sofort bei Taufen und Gemeindeversammlungen getrennt, und Apartheid wurde zur akzeptierten Praxis der Kirche. Obwohl afrikanische Pastoren und Evangelisten zum großen Teil für das Wachstum der Pfingstbewegung in Südafrika verantwortlich waren, wurden sie aus der Geschichte herausgeschrieben – mit Ausnahme von Nicholas Bhengu, dessen enormer Beitrag zur Entwicklung der südafrikanischen Assemblies of God nicht ignoriert werden konnte.77 Es ist wenig verwunderlich, dass die Schismen, die sich in der Apostolic-Faith-Bewegung ab 1910 ereigneten, zu hunderten anderen Denominationen führten, einschließlich der Gründung der heute größten Kirche in Südafrika, der Zion Christian Church. Der Gründer dieser Kirche, Engenas Lekganyane, war ein Prediger in der Apostolic Faith Mission und ein Mitarbeiter John G. Lakes.78 Da diese frühen afrikanischen Pfingstler als „Widerpart“ der Arbeit der weißen Pfingstler gesehen wurden, warf man ihnen oft „Fehlverhalten“ vor und meinte, dass sie zur Kirchenleitung unfähig seien. Man könnte argumentieren, dass ihre Arbeit effektiver und bedeutsamer für ihren Kontext war, und sie folglich eine deutlich andere Richtung einschlugen, als die Kirchen, von denen sie sich losgesagt hatten. Diese afrikanischen pfingstlichen Kirchen, obgleich vielleicht nicht „klassisch pfingstlich“ im üblichen Wortsinn, üben charakteristische pfingstliche Gaben aus (insbesondere Heilung, Prophetie und Zungenrede) und repräsentieren heute fast die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung in Südafrika.79

76 77 78 79

McGee: Pentecostal Missiology, S. 279. [Auslassung A. A.] Anderson: Zion and Pentecost, S. 89 – 93. Ebd., S. 60 – 70. Ebd., S. 13, 41.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

152

Allan H. Anderson

Es gibt auch Beispiele aus der späteren pfingstlichen Geschichte. In der bevölkerungsreichsten Nation Afrikas, Nigeria, wurde die Christ Apostolic Church 1941 von dem pfingstlichen Evangelisten Joseph Babalola gegründet, nachdem britische Missionare der Apostolic Church Einspruch gegen das von Afrikanern geübte Besprengen mit „Lebenswasser“ (Wasser, über das man gebetet hatte) bei Heilungsritualen erhoben hatten. Heute übertreffen die afrikanischen pfingstlichen Kirchen in Nigeria die von Europäern gegründeten zahlenmäßig bei weitem. Die afrikanischen Leiter wiederum betrachteten den bei Missionaren üblichen Gebrauch von Chinin zur Malariaprophylaxe als inkonsistent mit deren Proklamation göttlicher Heilung. Wir können nur mutmaßen, ob Wasser oder Chinin in dieser Glaubensübung die Oberhand behielten! Ungefähr zur selben Zeit fanden britische Missionare der Apostolic Church eine große afrikanische Kirche in Ghana, die mit ihnen zusammenarbeiten wollte, aber die Europäer bestanden darauf, dass sie die im Gottesdienst verwandten Calabash-Rasseln (die teil einer gut etablierten afrikanischen christlichen Tradition waren) durch Tamburine ersetzten. Die Missionare berichteten, dass die Afrikaner dachten, die Missionare hätten sie ihrer Macht zur Abwehr böser Geister berauben wollen. Dieselben Missionare überwarfen sich später mit den Afrikanern über den Gebrauch von Chinin. Viele solche und ähnliche Kämpfe waren Zeichen kultureller Missverständnisse und fehlender Sensibilität, die man hätte vermeiden können. Manchmal äußerten sich die westlichen pfingstlichen Missionare herablassend und unhöflich über die Leute, denen sie „dienten“, was ihren Rassismus unverhohlen zutage brachte. Eine Missionarin, die 1911 aus Mbabane, Swasiland, schrieb, sprach von der Arbeit unter „den einheimischen Boys“, und erklärte darauf schnell, dass „alle [Afrikanischen Männer] ,Boys‘ genannt werden – von der Kindheit bis zu Grauhaarigen.“ Ein anderer pfingstlicher Missionar in Johannesburg schrieb vom „Kommen des Heiligen Geistes auf diese schwarzen Boys [Minenarbeiter] in solcher Kraft.“80 Die Verwendung von „boys“ als Bezeichnung für erwachsene afrikanische Männer war eine verbreitete Praxis unter pfingstlichen Missionaren.81 Ein weiterer pfingstlicher Missionar im Kongo benutzte eine Peitsche um seine afrikanischen Gepäckträger zu „disziplinieren“ und rühmte die Effektivität dieses „Dreschens“.82 Ein Missionar der britischen Pentecostal Missionary Union (PMU) in Tibet, Frank Trevitt, berichtete, dass sie „die ganze Zeit nur wilde Tibeter um uns herum“ gehabt hätten,83 und sprach von Tibet als „diesem dunklen, von 80 South Africa: Swaziland: Letter from Miss Frances Taylor. In: Confidence 4, Nr. 1 (1911), S. 16; South Africa: From Brother and Sister Jenkins. In: Confidence 4, Nr. 1 (1911), S. 18 81 Z. B. Central Africa: Bro. Richardson in the South Kivu District: Difficulties and Blessings. In: Confidence Nr. 127 (1921), S. 60 – 62; James Salter, Mwanza, Congo. In: Things New and Old 3, Nr. 1 (1923), S. 7. 82 Central Africa: From Bro. Johnstone. In: Confidence 8, Nr. 5 (1915), S. 98. 83 Tidings from Tibet and Other Lands: Taocheo (Old City), Kansuh: Extract from Frank Trevitt’s Letter, dated 25th October, 1912. In: Flames of Fire Nr. 9 (1913), S. 5.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

153

Priestern geplagten Land.“84 McGee zitiert einen Missionar der Assemblies of God in Burkina Faso, der bemerkte, dass obwohl das Mossi-Volk „anderen Stämmen mental unterlegen“ sei, man sie „zu einem sehr zufriedenstellenden Grad trainieren“ könne.85 Die Taten der westlichen Missionare waren dennoch sicherlich beeindruckend und wir können nicht annehmen, dass alle von ihnen rassistische Eiferer waren. Wir können ihre aufopferungsvollen Bemühungen und selbstlose Hingabe nur stark bewundern, zumal viele aufgrund der verheerenden Auswirkungen tropischer Krankheiten sogar ihr Leben lassen mussten. Oft konnten sie sich erfolgreich an außerordentlich schwere Umstände anpassen; und viele zeigten das Herz eines Dieners und echte Liebe für die Menschen, mit denen sie arbeiteten. Sie erreichten viel angesichts bisweilen unüberwindbar scheinender Widrigkeiten. Doch viele dieser Missionare, die angeblich für die Ausbreitung des pfingstlichen Evangeliums auf der ganzen Welt verantwortlich waren, waren in keiner Weise vorbildhaft. Sie verstanden „Mission“ als „Auslandsmission“ (zumeist kulturübergreifend, von „weißen“ zu „anderen“ Menschen), und sie waren überwiegend unausgebildet und unerfahren. Ihre einzige Qualifikation war die Geisttaufe und ein göttlicher Ruf; ihre Motivation war die Evangelisation der Welt vor der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi, und somit war Evangelisation wichtiger als Bildung oder „Zivilisation“.86 Pfingstliche Arbeiter der weißen angelsächsischen protestantischen Welt sahen üblicherweise ihre Mission als Bewegung von einem zivilisierten, christlichen „zu Hause“ zu einem satanischen und heidnischen „fremden Land“, wobei ihre eigenen persönlichen Schwierigkeiten, Vorurteile (und möglicherweise ihr Versagen) in der Anpassung an eine grundlegend andere Kultur, Lebensumstände und Religion bisweilen in ihren Rundbriefen nach Hause deutlich wurden. Im Jahr 1911 drückte eine englische Missionarin ihre Ängste aus, als sie aus dem westlichen China nach Hause schrieb: Bitte betet für uns und die Menschen hier, die in Satans Reich leben und sterben. Seine Herrschaft hier ist keine ungewisse, sondern eine schreckliche, furchtsame, vernichtende Herrschaft, welche die Menschen zu Bosheit und Sünde treibt, wie sie in England nicht vorstellbar sind. Es ist eine Macht, die man überall fühlen kann, eine schreckliche, lebendige Macht.87

Wie viele andere christliche Missionare vor ihnen zogen sie mit der fundamentalen Überzeugung aus, dass der Nordatlantik ein „christliches“ Gebiet sei, dass sie als „Licht“ in die „Dunkelheit“ gesandt wurden und dass die alten 84 Tibet: Letter from Bro Trevitt. In: Confidence 6, Nr. 3 (1913), S. 62. 85 McGee: Pentecostals, S. 211. 86 Hollenweger, Walter J.: The Black Roots of Pentecostalism. In: Anderson, Allan H.; Ders. (Hg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999, S. 36 – 43, hier S. 37. 87 The Pentecostal Missionary Union: Letter from Miss Skarratt. In: Confidence 4, Nr. 9 (1911), S. 214.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

154

Allan H. Anderson

Kulturen und Religionen der Nationen, zu denen sie gesandt worden waren, „heidnisch“, „abergläubisch“ und „dämonisch“ waren und für Christus „eingenommen“ werden sollten.88 Die westliche Kultur war eine „christliche“ Kultur und alle anderen Kulturen waren dunkle Probleme, die durch das Licht des Evangeliums zu lösen waren, indem das alte „Heidentum“ mit dem neuen „Christentum“ ersetzt würde.89 Missionare zogen mit der Überzeugung aus, dass ihre „künftigen Mühen […] den armen Heiden in Dunkelheit“ gelten würden.90 Religiöse Intoleranz und bigotte Ignoranz waren ein verbreitetes Charakteristikum ihrer Berichte, was sich an ihrer Einstellung zu anderen Religionen zeigt. Die britische PMU-Missionarin in India, Grace Elkington, beklagte 1914: „Oh was für ein dunkles, trauriges Land scheint dies zu sein, und je länger man darin lebt, desto mehr fühlt man die Dunkelheit rings umher.“91 Fast vier Jahre später schrieb sie von Hindu-Tempeln als den „Arbeiten des Teufels“, und dass „ein Lieblingsgott der Hindus eine Inkarnation der zweiten Person der Hindu-Trinität“ sei.92 Ein anderer Missionar erörterte den Hinduismus, indem er Paulus zitierte: „man opfert den bösen Geistern, und nicht Gott“ und meinte, dass „der Teufel hinter allen ihren Gottesdiensten“ stehe.93 In einer missionarischen Versammlung in London 1924, beschrieb Walter Clifford, im Heimaturlaub zurück aus Indien, den Hinduismus als „eine Religion der Furcht, nicht eine Religion der Liebe“, und meinte, dass viele der indischen heiligen Männer „von Dämonen besessen“ seien, denn „man kann den Teufel aus ihren Augen leuchten sehen. Sie haben sich ihm übergeben.“94 In Nordwestindien beschwerte sich A. L. Slocum über den Widerstand von Muslimen unter Verwendung pejorativer Begriffe: „Satan scheint sich in diesen Muselmanen so verschanzt zu haben, dass meine Bemühungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein zu sein scheinen.“95 Der junge PMU-Arbeiter Frank Trevitt (der 1916 in China starb) sandte seinen Bericht vom „dunklen China“ und identifizierte offensichtlich ein geschätztes chinesisches Nationalsymbol mit dem Teufel:

88 Kok, A.: Tidings from Tibet and Other Lands: China: On the Tibetan Border. In: Flames of Fire Nr. 35 (1916), S. 4. 89 Shenk, William R.: Recasting Theology of Mission: Impulses from the Non-Western World. In: International Bulletin of Missionary Research 25, Nr. 3 (2001), S. 98 – 107, hier S. 100. 90 Biggs, Jessie: Outward Bound to China. In: Flames of Fire Nr. 47 (1917), S. 39 – 40, hier S. 40 [Auslassung A. A.]. 91 India: An Interesting Letter from Miss Elkington. In: Confidence 7, Nr. 12 (1914), S. 238. 92 Elkington, Grace: Organised Opposition to the Preaching of the Gospel in India: The Festival of the Monkey God. In: Confidence 11, Nr. 3 (1918), S. 57 – 59, hier S. 57. 93 1Kor 10,20; India: Bro. J. H. Boyce. In: Confidence 10, Nr. 1 (1917), S. 10 – 11, hier S. 11. 94 Clifford, Walter H.: India: An Address Given at the Assemblies of God Convention, London, August 1924. In: Redemption Tidings 1, Nr. 2 (1924), S. 17 – 18, hier S. 17. 95 A. L. Slocum (N. W. India). In: The Pentecostal Witness Nr. 1 (1924), S. 4.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

155

Dies ist wahrlich Heidentum ohne Licht oder Liebe, noch nicht einmal so viel, wie eine tumbe Bestie hätte. Nun, wir haben viel von diesem Geist gesehen, der wahrlich des „Drachens“ Geist ist, von dem ihr wisst, dass es Chinas Emblem ist […] Oh, wie das Herz sich sehnt und seufzt nach dem Kommen von Christi herrlichem Emblem, dass es dort hingesetzt würde, wo der Drachen solche Macht innehat.96

Später bezeichnete Trevitt tibetische Lama-Priester als Satan’s „böse Boten“ und bemerkte, dass „Satan durch sie Christus in uns hasst.“97 John Beruldsen berichtete von einem Besuch bei einem mongolischen „Lama-Tempel“ in Peking und beschrieb, dass ein Priester „einem großen, zwischen 90 und 100 englischen Fuß hohen Götzen“ diene. Er kommentierte: „Man konnte fast die Atmosphäre der Hölle an diesen Orten riechen und fühlen. Arme umnachtete Menschen! Die Kraft Gottes könnte sie alle davor retten, wenn sie es nur wüssten.“98 Fanny Jenner, die religiöse Rituale in Yfflnn‚n, China, beobachtete, schrieb: „die Heiden verbringen einen ganzen Tag mit dem Dienst an Gräbern von Verwandten – sie verbrennen Weihrauch, weinen und wehklagen. Oh die ganze Farce. Wie Satan ihr Denken verblendet!“99 Elisabeth Biggs berichtete aus Likiang von einem Besuch zu einem tibetisch-buddhistischen lamaistischen Kloster : „der Sitz Satans mag ein guter Name für einen solchen Ort sein“, denn „die dämonische Macht war stark zu spüren, und die bösen Gesichter dieser Lamas suchten uns noch viele Tage danach heim.“100 Miss Agar erzählte von den „Qualen des buddhistischen Fegefeuers“ und wie sie „aufs Neue beeindruckt war von der starken Ähnlichkeit zwischen römischen Katholizismus und Buddhismus.“101 Man kann vermuten, dass die Konvertiten und „eingeborenen Arbeiter“ dieser Missionare, die ihr Leben in diesen alten Religionen verbracht hatten, eine nuanciertere und bessere Sicht auf ihren alten Glauben gehabt haben, und daher in dieser religiösen Weltanschauung wahrscheinlich auch effektiver kommunizieren konnten. Rassismus gab es allzu oft in Missionsberichten. Eine in Confidence veröffentlichte Konferenz-Ansprache einer Missionarin in Afrika, A. E. Doering, mit dem Titel „Leopardenflecken oder Gottes Meisterstück, welches von beiden?“, beschrieb afrikanische Menschen wie folgt: Der Wilde ist Gottes Gelegenheit, das Meisterstück unseres gemeinsamen Schöpfers, den es erfreut, Unmöglichkeiten zu bewältigen […] Wenn die höheren Rassen nicht bereit sind, sich selbst zu demütigen, werden wir vielleicht noch eine derartige 96 China: News From the Travelers (After 20 Days’ Journey). In: Confidence 4, Nr. 8 (1911), S. 191 [Auslassung A. A.]. 97 News From Brother Trevitt. In: Confidence 5, Nr. 9 (1912), S. 214 – 216, hier S. 215; Tibet: News From Brother Trevitt. In: Confidence 5, Nr. 12 (1912), S. 285 – 286, hier S. 286. 98 Beruldsen, John C.: North China. In: Confidence 6, Nr. 4 (1913), S. 83 – 84, hier S. 84. 99 Jenny, Fanner E.: China: News from Yunnanfu. In: Confidence 8, Nr. 6 (1915), S. 118. 100 Tidings from Tibet and Other Lands: China. In: Flames of Fire Nr. 48 (1917), S. 28 – 30, hier S. 28. 101 Circular Letter from Miss Agar. In: Confidence 8, Nr. 6 (1915), S. 119.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

156

Allan H. Anderson

Erweckung der verachteten Rassen bezeugen, die den Stolz der ihnen überlegenen in Scham verwandeln wird.102

Die sogenannten überlegenen Rassen Europas waren zu dieser Zeit in einem so schrecklichen und menschenverachtenden Krieg engagiert, dass man dem Rest der Welt nachsehen könnte, wenn sie fragten, wer eigentlich die „Wilden“ waren. Die Anschuldigungen gingen weiter. In Südafrika hatte die Apostolic Faith Mission die „weißen“ Kirchen von den anderen getrennt und erklärte: „weder lehren wir noch ermutigen wir die soziale Gleichheit zwischen Weißen und Eingeborenen.“103 Eine englische Arbeiterin in Indien beschrieb ihren Besuch mit einer „kleinen Orgel“ und dem Gesang von Kirchenliedern in einem „niedrigkastigen Dorf“ und bemerkte: „Sie sind so stumpf und ignorant und müssen wie kleine Kinder in den Vorschulgruppen gelehrt werden,“ fügte aber gönnerhaft hinzu: „Sie folgen intelligent, wie man in ihren Kommentaren sehen konnte.“104 Die sie begleitende Missionarin fühlte offenbar genauso und sprach von diesen „Dorf-Frauen Indiens“ und davon, „wie stumpf sie sind und wie langsam, etwas Neues zu verstehen.“105 Im Licht dieser und anderer Berichte verwundert es nicht, dass sich die Missionare selbst als die primäre Antriebskraft der pfingstlichen Erweckung sahen. Die Menschen, mit denen sie arbeiteten, waren „zu verloren“ um eine wahrlich effektive Leitung in den aufkommenden Kirchen ausüben zu können. Es gab aber auch Ausnahmen in dieser Bigotterie. Der Vorsitzende der PMU, Cecil Polhill ermahnte seine Missionare in einem interessanten, 1917 in der Zeitschrift seiner Organisation, Flames of Fire, veröffentlichten Artikel dazu, Indigenisierung anzustreben. Mit einer für diese Zeit bemerkenswerten Einsicht und genährt von seinen vielen Jahren der Verbindung mit der China Inland Mission, stellte er fest: Ist nicht jener Tag in etlichen unserer Arbeitsfelder in Asien und Afrika weitaus näher als wir gemeinhin erkennen? Die Christen werden in tausenden und zehntausenden gezählt. In Natur und Temperament sind sie weitaus besser qualifiziert als wir, um die Botschaft ihren Landesgenossen zu bringen. Intellektuell sind sie uns oft ebenbürtig. Geistlich gesehen ist die Kraft, die in uns wirkt, auch die Kraft, die in ihnen wirkt. […] Dies sind Dinge der höheren Missionspolitik. Derweil wird der größte Dienst, den ein einzelner Missionar bieten kann, immer und immer wieder darin bestehen, als ein zuverlässiger und wahrer Freund erkannt zu werden, still Antipathie und Argwohn, wo sie existieren, zu überwinden, aufmerksam und großzügig Möglichkeiten zu suchen, wie einem eingeborenen Bruder oder Schwester eine Aufgabe überlassen werden kann, die der Ausländer leichter selbst erfüllen könnte.106 102 Doering, A. E.: Leopard’s Spots or God’s Masterpiece, Which? In: Confidence 8, Nr. 8 (1915), S. 154 – 156, hier S. 154. 103 Anderson: Zion and Pentecost, S. 86. 104 Tidings from Tibet and Other Lands: India. In: Flames of Fire Nr. 27 (1915), S. 3 – 4, hier S. 3. 105 India. In: Flames of Fire Nr. 33 (1915), S. 9. 106 Why Are Our Armies in France Today. In: Flames of Fire Nr. 49 (1917), S. 37 – 38, hier S. 38.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

157

Es gibt Anzeichen, dass PMU-Missionare diesen Rat ernst nahmen, aber nicht alle pfingstliche Missionare waren von den Vorzügen indigener Leiterschaft überzeugt. Eine PMU Arbeiterin in Indien, Minnie Thomas, antwortete auf Polhills Drängen: „in Indien wenigstens, ist es ein ziemlich neuer Gedanke, dass die Kirchen in den Händen von indischen Pastoren und Ältesten sein sollten“ und fügte wehmütig hinzu, „aber ich bin sicher, es ist des Herrn Plan.“107 Trotz dieser oder anderer Bedenken wurde einheimische Leitung zu einem der stärksten Merkmale der Pfingstbewegung weltweit.108 Vier Jahre zuvor, im Jahr 1913, hatte der niederländische pfingstliche PMU-Missionar Arie Kok in der westchinesischen Provinz Yfflnn‚n begonnen, sich für den Fortgang der Arbeit stärker auf indigene Helfer zu stützen, und schrieb: Ich meine, dass wenn die Eingeborenen nicht selbst die gute Nachricht zu ihren eigenen Leuten tragen, die Aufgabe für uns Ausländer unmöglich sein wird […] Der Herr lehrt uns mehr und mehr, dass die Eingeborenen die besten Evangelisten für ihre eigenen Leute sind. Daher glauben und beten wir für eine Gruppe eingeborener Zeugen, gefüllt mit der Liebe und dem Geist Gottes, welche die frohe Kunde zu ihren eigenen Dörfern tragen sollen.109

Zu dieser Zeit richteten Missionare in China ihre Aufmerksamkeit darauf, zu lernen, sensibler für die Kulturen und Sprachen der Menschen zu sein, und die Kirchen wurden schnell indigenisiert. Die Missionare haben dieses Ergebnis vielleicht nicht vorhergesehen oder geplant, aber es sollte sich für die Zukunft als sehr bedeutsam erweisen. Die ab 1949 erfolgende Ausweisung der meisten westlichen Missionare aus China bedeutete, dass eine starke indigene Kirche ohne sie weiter an Kraft gewinnen konnte. Missionen wie Burtons Congo Evangelistic Mission lehnten den Einsatz von Übersetzern ab und zwangen so ihre Arbeiter, Sprachen zu lernen, zumal wie James Salter richtig beobachtete: „Die Sprache zu lernen, ist der Weg zu den Herzen der Menschen.“110 Doch der Paternalismus von Burtons Grundsatz kam 1925 deutlich zum Vorschein und kann als charakteristisch für die meisten westlichen Pfingstmissionare jener Zeit gesehen werden: „Die große Erfordernis sind Geist-erfüllte eingeborene Evangelisten und ein paar weiße Arbeiter um sie zu beaufsichtigen und ihnen

107 108 109 110

[Auslassung A. A. Bei dem Artikel handelt es sich offenbar um einen von Cecil Polhill ausgewählten Abdruck aus dem Church Missionary Society Review.] Tidings from Tibet and Other Lands: Arungabad District, India. In: Flames of Fire Nr. 48 (1917), S. 31 – 32, hier S. 31. Missionary News: Extract From Brother Salter’s Letter from the Belgian Congo. In: Things New and Old 1, Nr. 6 (1922), S. 45; Belgian Congo: Brother Salter Writes. In: Things New and Old 2, Nr. 4 (1922), S. 7. A. & E. Kok, Likiang-fu. In: Confidence 6, Nr. 10 (1913), S. 206 – 207. Salter, James: Come Back Quickly Bwana: Notes of an Address at Derby Hall. In: Things New and Old 3, Nr. 3 (1923), S. 1 – 2, hier S. 1.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

158

Allan H. Anderson

zu helfen.“111 Noch 45 Jahre nachdem Burton diese Mission im Jahr 1915 begonnen hatte, wurde sie von einem ausschließlich weißen sogenannten Feld-Exekutivrat [Field Executive Council] geleitet und hatte 65 Missionare in vierzehn Missionsstationen. Als alle Missionare das Land im Zuge des Bürgerkriegs von 1960 verlassen mussten, begannen die zurückgelassenen Kirchen, sich weitaus schneller als vorher zu vermehren. Das Ergebnis dieses scheinbaren Rückschlags war, dass sich zehn Jahre später die Zahl der Kirchen mehr als verdoppelt hatte.112 In all diesen Fällen kennen wir die Namen der Missionare, aber diejenigen der indigenen Leiter der Kirchen sind schwer zu eruieren.

Hin zu einer neuen pfingstlichen Historiographie Historiker sprechen von einer „neuen Geschichte“, die als bewusste Reaktion auf traditionelle Geschichtsschreibung und ihre Paradigmen geschrieben wird. Die „neue Geschichte“ beschäftigt sich mit der Gesamtheit menschlicher Aktivität, sie ist eine „Geschichte von unten“ und nicht eine „Geschichte von oben“, eine Geschichte aus der Perspektive der Armen und Machtlosen anstatt aus der Perspektive der Reichen und Mächtigen.113 Beim Schreiben der pfingstlichen Geschichte bedarf es zur Wiederherstellung der Balance einer „affirmativen Parteinahme“, in welcher der Beitrag der indigenen Arbeiter, Pastoren und Evangelisten herausgestellt wird. Wir müssen die Tiefen unserer mündlichen Geschichte ausloten und ans Licht bringen, was so lange verdeckt wurde. Die Folge ist, dass die Arbeit der westlichen Missionare, die von mächtigen Ländern kamen und Rundbriefe für ihre eigenen speziellen Bedürfnisse schrieben, in die rechte Perspektive gerückt wird. Wir können das Versagen dieser Missionare nicht fortwährend ignorieren und Menschen eine übertriebene Bedeutung zuschreiben, deren Rolle katalytisch, nicht aber zentral war. Asien, Afrika und Lateinamerika haben ihre eigenen christlichen Helden, und das sind nicht einfach nur die westlichen Missionare vor Ort! Die Stimmen dieser pfingstlichen und charismatischen Pioniere müssen in unserer Geschichtsschreibung gehört werden. Afrikanische Autoren haben darauf hingewiesen, dass in der westlichen Welt die Information über westliche Missionare in Afrika „oft in keinem Verhältnis zu ihrer Rolle und ihrem Beitrag“ steht, hauptsächlich aufgrund des Seltenheitscharakters von schriftlichen Informa111 Burton, William F. P.: Congo: In Perils by the Heathen … Canibals … Lions … Swamps – 1 Cor xi,26. In: Redemption Tidings 1, Nr. 4 (1925), S. 11 – 12, hier S. 12. 112 Zwei Missionare wurden im Kongo-Krieg getötet und Burton und seine Missionare wurden 1960 evakuiert. Womersley, Harold: William F. P. Burton: Congo Pioneer. Eastbourne: Victory Press, 1973, S. 77, 113. 113 Burke, Peter : Overture: The New History, Its Past and Its Future. In: Ders. (Hg.): New Perspectives on Historical Writing. Cambridge: Polity Press, 1991, S. 1 – 24, hier S. 2 – 4.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Geschichtsschreibung in globaler Perspektive

159

tionen über afrikanische Christen.114 Dasselbe gilt in Bezug auf Asien, den Pazifik und Lateinamerika. Es muss eine ernsthafte und ausgiebige Neuschreibung der globalen pfingstlichen Geschichte unternommen werden, in der die enormen Beiträge der indigenen Pioniere angemessen gewürdigt werden, damit insbesondere US-Amerikanische klassische Pfingstler ihre immer wieder zu Ohren kommende Auffassung ablegen, dass die Pfingstbewegung ein Produkt „made in the USA“ sei, das in die Welt exportiert wurde. Die pfingstliche Erfahrung der Kraft des Geistes war der Grund für die beispiellose Flexibilität aufseiten der Sendboten zu den verschiedenen Kulturen, in welche die pfingstliche Botschaft gebracht wurde. Doch der historiographische Imperialismus und Ethnozentrismus der Vergangenheit muss korrigiert werden. Die Revision der Geschichte der Pfingstbewegung muss im 21. Jahrhundert angegangen werden, nicht indem man die missionarischen „Helden“ der mächtigen und reichen Nationen der Welt hervorhebt, sondern indem man den Menschen, die in den am meisten marginalisierten Teilen der Welt leben, eine Stimme gibt. Wir müssen „auf die Ränder hören“115, indem wir die bislang Stimmlosen und oft Namenlosen sprechen lassen, und indem wir den Beitrag der unbesungenen pfingstlichen Arbeiter der Vergangenheit würdigen, die in unseren Geschichten und Hagiographien übersehen worden sind. Dann werden wir zusammen zu einer ehrlichen Einschätzung unserer Geschichte gelangen und besser in der Lage sein, Lösungen für die Probleme der Zerrissenheit, des kirchlichen Provinzialismus, des Rassismus und des Ethnozentrismus vorzuschlagen, die heute die Pfingstbewegung plagen; und wir werden dies in der Kraft des Geistes zu tun suchen, aber mehr noch in der Demut des Kreuzes.

114 Omulokoli, Watson A. O.: Researching and Writing Christian Biography in Africa: A Challenge to Evangelical Studies in Global Context. In: Journal of African Christian Thought 3, Nr. 1 (2000), S. 41 – 44, hier S. 41. 115 Bueno: Listening to the Margins, S. 268.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Cecil M. Robeck, Jr.

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts? Der Fall der Assemblies of God

*

Tradition bedeutet, daß man der am meisten im Schatten stehenden Klasse, unseren Vorfahren, Stimmrecht verleiht. Tradition ist Demokratie für die Toten. Sie ist die Weigerung, der kleinen, anmaßenden Oligarchie derer, die zufällig gerade auf der Erde wandeln, das Feld zu überlassen. Jeder Demokrat ist dagegen, daß die Menschen durch den Zufall ihrer Geburt Nachteile erleiden; die Tradition verwahrt sich dagegen, daß sie durch den Zufall ihres Todes benachteiligt werden. Die Demokratie heißt uns, die Meinung keines ehrlichen Mannes zu mißachten, selbst wenn es unser Stallknecht ist; die Tradition heißt uns, die Meinung keines ehrlichen Mannes zu mißachten, selbst wenn es unser Vater ist. Ich jedenfalls vermag die beiden Ideen Demokratie und Tradition nicht voneinander zu trennen […]1

Das Konzept der Tradition ist nicht neu, aber in unserem sogenannten postmodernen Zeitalter ist es ein Konzept, dem oft ein schlechter Ruf anhaftet. Doch Tradition ist ein altes Konzept und die Worte G. K. Chestertons können helfen zu verstehen, wie wichtig es tatsächlich ist. Durch Tradition lernen wir, unsere Verpflichtungen zu erkennen und zu schätzen. Durch Tradition werden zum Teil die Quellen anerkannt, aus denen wir viele unserer gegenwärtigen Ideen und Handlungen schöpfen. Im Neuen Testament wird das Wort Tradition (paq\dosir) mehrmals verwendet, was uns die Stärken und Schwächen des Konzepts erkennen lässt. Jesus zum Beispiel stand der Tradition kritisch gegenüber, wenn sie zum Mittel wurde, Menschen zu binden, wie Gott es ihnen nie zumuten wollte. Als die Pharisäer und Schriftgelehrten zu Jesus kamen und sich beschwerten, dass seine Jünger der Tradition (tµm paq\dosim) der Ältesten nicht gehorchten, weil sie ihre Hände vor dem Essen nicht ordnungsgemäß gewaschen hatten, nahm Jesus zunächst die Gelegenheit wahr, sie zu belehren, und dann beschuldigte er sie der Heuchelei und warf ihnen vor, „das Wort Gottes (t¹m kºcom toO heo/u)“ um ihrer Tradition (tµm paq\dosim rl_m) willen zu entleeren.2 * Originalveröffentlichung: Robeck, Cecil M. Jr.: An Emerging Magisterium? The Case of the Assemblies of God. In: Pneuma 25, Nr. 2 (2003), S. 164 – 215. Ein Wiederabdruck des Artikels erfolgte als An Emerging Magisterium? The Case of the Assemblies of God. In: Ma, Wonsuk; Menzies, Robert P. (Hg.): The Spirit and Spirituality : Essays in Honour of Russell P. Spittler. London: T & T Clark, 2004 (Journal of Pentecostal Studies Supplement Series 24), S. 212 – 252. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des T&T Clark-Verlags; alle Rechte vorbehalten. 1 Chesterton, Gilbert K.: Orthodoxie. Frankfurt am Main: Eichborn, 2001 (Die andere Bibliothek 187), S. 99 – 100 [Kürzung C. R.]. 2 S. Mt 15,1 – 6, insbes. 2.3.6. Wenn nicht anders vermerkt, sind alle Schriftzitate [im englischen Original] der New Revised Standard Version entnommen. [Die Bibelzitate der deutschen

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

161

Auch der Apostel Paulus sprach von Tradition. Wie Jesus war auch er darüber besorgt, dass die Berufung auf Tradition ein Mittel sein könnte, die Ideen und Handlungen anderer zu kontrollieren. Er ermahnte seine Leser in Kolossai, unbedingt wachsam zu bleiben, damit sie nicht zu Gefangenen derer würden, die „durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf der Menschen Lehre und auf die Elemente der Welt und nicht auf Christus“ (Kol. 2,8) überzeugten. Die Gefahr, dass menschlich ersonnene Traditionen auch gläubigen Christen Probleme bereiten könnten, war real, und es war Paulus wichtig, die Kirche auf diese Gefahr aufmerksam zu machen. Paulus sprach aber auch mehr als einmal in einer positiven Weise von „Tradition“. Denn wenngleich das, was er „menschliche Tradition“ nannte, sogar Christen täuschen und in Unfreiheit halten konnte, so behielt doch eine andere Art von Tradition für sie ihren Wert. Sie war ein Werkzeug, das der Kirche half. Sie bot ein echtes Zeugnis ihrer geistlichen „Vorfahren“, den Propheten. Ein lebendiges Beispiel für sein Interesse an dieser Art von Tradition ist in den folgenden Worten zu finden: Denn als erstes habe ich euch weitergegeben (paq´dyja), was ich auch empfangen habe (f ja· paq´kabom): Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift (cqav±¬); und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift (cqav±¬); und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern und Schwestern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. Es sei * nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt. (1Kor. 15,3 – 11)

Mit dieser Sprache von empfangen (paq´kabom) und weitergeben (paq´dyja) sah sich Paulus selbst in der Linie derer, die eine „Tradition“ (paq\dosir) angenommen hatten, und die es wert war weiterzugeben. Es war eine Tradition, die einerseits in der Schrift oder im „Geschriebenen“ (cqav±¬) verwurzelt war und andererseits in seiner persönlichen Erfahrung – in seiner Begegnung mit dem auferstandenen Christus, der ihm erschienen war. Wie Kephas, den Zwölfen, und „mehr als fünfhundert Brüdern und Schwestern“ war Christus auch ihm erschienen, und Paulus verstand sich als ein lebendiger

Übersetzung stammen, wenn nicht anderes vermerkt, aus der Luther-Bibel]. Hervorhebungen stammen vom Autor und dienen der Betonung. * Robeck übersetzt !dekvo?¬ mit Brüdern und Schwestern, was die Übersetzer in Abweichung des Luther-Textes 1984 übernommen haben.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

162

Cecil M. Robeck

Zeuge der Wahrheit der in der Schrift bezeugten Tradition, einer Tradition, deren Verkündigung anderen zum Glauben verhelfen würde. In einem anderen Fall befreite Paulus die Christen in Thessaloniki von dem Irrtum, dass der Tag des Herrn schon gekommen sei (2Thess 2,1 – 2). Er ermutigte sie mit den Worten: „So steht nun fest […] und haltet euch an die Tradition * (t±¬ paqadºseir)“ , die persönlich verkündigt oder in einem Brief bezeugt worden war (2Thess 2,15).3 Im Fortgang seiner Unterweisung dieser Christen beschwor er sie ein zweites Mal, wiederum im Namen der Tradition: „Wir gebieten Euch aber, geliebte Brüder und Schwestern, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr euch zurückzieht von jenen Gläubigen, die unordentlich leben und nicht nach der Tradition (tµm paq\dosim), die ihr von uns empfangen habt (Fm paqek²bosam paM Bl_m)“ (2Thess 3,6).4 Die ersten Pfingstler aber, die glaubten, dass sie in der Generation unmittelbar vor der Parusie lebten, konnten sich mit dem Gedanken der Tradition nicht anfreunden. Wenn überhaupt, so wurde er mit Abscheu behandelt. In ihrer Lesart der Geschichte hatte die Tradition der Kirche nicht gut getan; sie hatte die wahren Anliegen vernebelt. Was sie „empfangen“ hatten, argumentierten die ersten Pfingstler, war nicht durch Tradition gekommen, sondern durch ihre eigene Lektüre der Schrift, die sich bisweilen von den ihnen eventuell vererbten Traditionen deutlich unterschied. Was sie erfuhren – die Macht des Heiligen Geistes – war etwas Frisches, das nicht durch Tradition, sondern durch ihre persönliche Suche nach geistlicher Kraft gekommen war. In der Tat, ihre Lesart der Geschichte und der Schrift führte sie schließlich dazu, vieles von dem zurückzuweisen, was in der früheren Kirchengeschichte geschehen war. Sie waren Teil von Gottes endzeitlicher Restauration. Sie wollten nur dem verpflichtet sein, was wahrhaft apostolisch war, nicht dem was tradition-ell war. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren sie bereit, die dazwischen liegenden Jahrhunderte zu überspringen, um sich selbst auf den Seiten der Bibel wiederzufinden. Das genau taten sie in ihrer Lektüre von Apostelgeschichte 2. Für sie gab es keinen Bedarf an „Vorgängigem“, „Angewohnheiten“, oder „Bräuchen“ – kurz, es gab keinen Bedarf an Tradition.5

* Die Übersetzer folgen hier und im nächsten Vers der Vorgabe Robecks, paq\dosir einheitlich mit „Tradition“ wiederzugeben. 3 Einmal mehr werden hier die Verben empfangen und weitergeben verwendet. 4 Die Übersetzung wurde im ganzen Vers vom Singular in den Plural gesetzt, um eine „sexistische“ Sprache zu vermeiden. 5 „Die älteren Denominationen haben eine Vergangenheit, die nur ihnen in besonderer Weise gehört; sie können die Anfänge ihrer Kirche verfolgen und den Kurs ihrer Geschichte nach ihrer Gründung. Die Zeit zwischen dem Anfang und der Gegenwart reicht aus, um Präzedenzfälle zu etablieren, einen Brauch zu schaffen, Gepflogenheiten zu formulieren. Auf diese Weise sind sie von einem zweifachen Erbe in Besitz genommen worden, von einer zweifachen Handlungsanweisung, von einem zweifachen Lehrkriterium – vom Neuen Testament und der kirchlichen Position. Die Pfingstbewegung hat keine solche Geschichte; sie überspringt die dazwischenliegenden Jahre und ruft ,Zurück zu Pfingsten’.“ S. Lawrence, Bennett F.: The Apostolic Faith

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

163

Während wir nun das 21. Jahrhundert beginnen, hat sich der Status der Pfingstler dramatisch verändert. Ihre Zahl ist rapide gestiegen. Ihre Gegenwart ist überall auf dem Erdball zu spüren. Viele von ihnen haben ihren Sozialstatus verändert. Sie haben sich so oft gespalten, dass noch nicht einmal * David Barrett die entstehenden Gruppen erfassen kann. Sie haben ein volles und manchmal widersprüchliches Spektrum an theologischen Positionen aufgestellt. Viele pfingstliche Gottesdienstbesucher insbesondere in den USA erleben oder schätzen gar manche Dinge nicht mehr, für deren Sicherstellung frühere Generationen gekämpft hatten. Doch in den letzten Jahren haben Pfingstler die Geschichte, Vorgängiges, Gewohnheit, Brauch und Tradition wieder neu schätzen gelernt. Genau betrachtet war diese Wertschätzung nie verloren gegangen, sie wurde nur nicht oft öffentlich zugegeben. Denn in der apologetischen Arena der ersten Generation der modernen Pfingstbewegung hatten das Niveau und die Art der vorherrschenden Rhetorik die Teilnehmer hinsichtlich des wirklichen Werts der Tradition verblendet, die seither wieder anerkannt wird, wenngleich bisweilen in einer eher heimlichen Art.

Die Entwicklung eines kirchlichen Lehramts Das Konzept der Tradition ist wesentlich verbunden mit dem des magisterium ecclesiae, dem autoritativen Lehramt der Kirche. Seit die frühe Kirche Glaubenssätze formulierte und an nachfolgende Generationen weitergab, war es ihr wichtig, dass der „den Heiligen einstmals überlieferte Glaube“ in einer Weise weitergegeben wird, die garantiert, dass die nachfolgenden Generationen von Christen in derselben Glaubenstradition stehen wie die früheren Generationen. Dieser Sorge wurde auf zwei elementaren Wegen Rechnung getragen. Der erste Weg war die Entwicklung verschiedener regulae fidei, also „Glaubensregeln“, und schließlich von Glaubensbekenntnissen. Der zweite Weg war die Entwicklung der Lehre von der Sukzession, derzufolge nur diejenigen, die von der Gemeinschaft der Bischöfe als „Lehrer“ oder „Doktoren“ der Kirche anerkannt wurden, Glaubenslehren entwickeln, artikulieren und überbringen durften, freilich in Abstimmung mit den Bischöfen. Die jahrhundertelange Entwicklung der Idee der Glaubensformel und der Sukzession lässt sich bis in die Zeit des Neuen Testaments zurückverfolgen. In 1Kor 12,1 – 3 können wir beobachten, dass das Bekenntnis „Jesus ist Herr“ zu den Grundbausteinen des christlichen Glaubens gehört. Eine WeiterentRestored. St. Louis, MO: Gospel Publishing House, 1916, S. 11 – 12. Dieses Buch ist die erste von den Assemblies of God veröffentlichte „Geschichte“ der Pfingstbewegung. * David Barrett ist der Initiator der World Christian Encyclopaedia und der darauf aufbauenden World Christian Database, die den Gruppierungen der Pfingstbewegung eine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

164

Cecil M. Robeck

wicklung dieser Glaubensformeln haben wir bereits in Paulus’ Aussagen zur Lehre von Christus in 1Kor 15,3 – 11 festgestellt und seine Auffassung beobachtet, dass diese Lehre etwas ist, was er seinerseits empfangen hatte und nun an die Korinther weitergab. Wie Charles Gore seine Leser im 19. Jahrhundert erinnerte, waren Paulus und die anderen Apostel „Diener einer ,Tradition‘, der sie selbst unterstanden, eine Tradition, die, ein für alle Mal überliefert‘ worden war.“6 Die frühe Kirche entwickelte ihre Glaubenstradition weiter, und zwar in einer Weise, die mit der Entstehung des Kanons vergleichbar ist: als Schritte auf einem Weg; Schritte, die der Mehrheit der Gemeinschaft etwas bedeuteten und die eine von ihnen gesuchte Kraft vermittelten – eine Kraft, die das Selbstverständnis der Gemeinde entweder bestätigte oder herausforderte.7 So bediente sich die Kirche einer sich entwickelnden Tradition, um persönliche Ansprüche auf göttliche Inspiration und individuelle Interpretationen abzuwehren, die aus Sicht der Kirchenleitung in Konkurrenz zur „Wahrheit“ standen. Diese „Tradition“ sollte der von ihr repräsentierten christlichen Gemeinschaft mehr Stabilität verleihen.8 In den folgenden Jahrhunderten wurde unter dem Schatz „des Glaubens“ offenkundig das verstanden, was zuerst den Aposteln anvertraut worden war, die es wiederum an ihre Nachfolger, den von ihnen unter Handauflegung ordinierten Bischöfen, weitergegeben hatten, die ihrerseits wiederum dasselbe mit ihren Nachfolgern taten. Was Gott Christus gegeben hatte, hatte Christus den Aposteln übermittelt, die Apostel hatten es den Bischöfen gepredigt, und die Bischöfe hatten es bewahrt und an die nachfolgenden Generationen überliefert.9 Die pastorale Rolle, die diesen Bischöfen zugetragen wurde, machte sie zu Hütern jenes Glaubensschatzes, während sie zugleich mit Hilfe des Heiligen Geistes auf dem Fundament aufbauten, das Christus und die Apostel gelegt hatten. Anschauliche Beispiele für die Art und Weise, wie die Kirche auf diesem Fundament aufbaute, finden sich in der Entwicklung 6 Gore, Charles: The Holy Spirit and Inspiration. In: Ders.: Lux Mundi: A Series of Studies in the Religion of the Incarnation. Edited by Charles Gore. London: John Murray, 1889, S. 230 – 266, hier S. 248. 7 Sanders, James A.: Adaptable for Life: The Nature and Function of Canon. In: Cross, Frank M.; Lemke, Werner E.; Miller, Patrick D. (Hg.): Magnalia Dei, the Mighty Acts of God: Essays on the Bible and Archaeology in Memory of G. Ernest Wright. 1st ed Aufl. Garden City, NY: Doubleday, 1976, S. 531 – 560, hier S. 538. 8 Iren•us: Gegen die Häresien, I.12.1 – 2 und III.3.2 – 3 bieten gute Beispiele für die mit den regulae fidei verbundenen Entwicklungen. Sie sind ebenso in Tertullians Berufung auf die regulae fidei beobachtbar, s. Tertullian: Über die Monogamie, Kap. 2.2 – 3; 4.1; Über die Verschleierung der Jungfrauen, Kap. 1.4 – 5,7; Die Prozeßeinreden gegen die Häretiker, Kap. 13. Vgl. Countryman, L. William: Tertullian and the Regula Fidei. In: Second Century 2 (1982), S. 208 – 227. 9 Robeck, Cecil M. Jr.: Canon, Regulae Fidei, and Continuing Revelation in the Early Church. In: Bradley, James E.; Muller, Richard A. (Hg.): Church, Word, and Spirit: Historical and Theological Essays in Honor of Geoffrey W. Bromiley. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1987, S. 65 – 91, hier S. 85.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

165

der Christologie, der Trinitätslehre oder des Dogmas von der Heotºjo¬ [Gottesgebärerin]. Keines dieser Dogmen war auf den Seiten der Schrift deutlich ausgeführt, sie wurden aber deutlich, als die Kirche in den nachfolgenden Jahrhunderten mit neuen Herausforderungen von innen und außen konfrontiert wurde. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestätigte das Zweite Vatikanische Konzil die Rolle der Tradition und die Rolle des Lehramts in der römischkatholischen Kirche. Das Konzil verabschiedete eine Reihe von Dokumenten, die es hinsichtlich der Bewegung Roms in das 20. Jahrhundert anleiteten. In der Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung, gemein bekannt als Dei Verbum, wurde das Wesen der göttlichen Offenbarung an die Menschheit ausformuliert. Es stellte klar, dass in der römisch-katholischen Lehre Schrift und dann Überlieferung – letztlich zu einem einzigen Muster verwoben – die Bestandteile sind, aus welchen das Wort Gottes in seiner Gesamtheit besteht. Dei Verbum wies die reformatorische Auffassung des sola scriptura zurück und stellte fest, dass der Heilige Geist durch die Nachfolger der Apostel fortwährend zur Kirche gesprochen hat, das heißt, durch die Bischöfe, die als Hüter der apostolischen Tradition bestellt waren. Die Väter des Konzils schrieben: Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte (8) Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut (9), dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird. Das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft.10

Es ist wichtig festzuhalten, dass nach römisch-katholischer Lehre zwischen * „der TRADITION“, „einer Tradition“ und „Traditionen“ unterschieden wird. Im Jahr 1963 fand die vierte Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Montreal statt. Bei dieser Gelegenheit erörterten Theologen aus einer Vielzahl theologischer Traditionen die Frage nach der „Tradition“ und ihrem Verhältnis zur Schrift. Mit Unterstützung der römisch-katholischen und orthodoxen Delegierten wurden die folgenden Definitionen aufgestellt: Wir unterscheiden in unserem Bericht zwischen verschiedenen Bedeutungen des Wortes Tradition. Wir sprechen von der TRADITION, einer Tradition und den Traditionen. Mit der TRADITION ist das Evangelium selbst gemeint, wie es von Generation zu Generation in und von der Kirche übermittelt wurde: der im Leben der Kirche gegenwärtige Christus selbst. Mit Tradition meinen wir den Traditionsvorgang. Der Begriff Traditionen wird in einem doppeltem Sinn gebraucht: wir brauchen 10 Dei Verbum, Abs. 10. * Im Englischen wird diese begriffliche Unterscheidung mit “Tradition”, “tradition” und “traditions” wiedergegeben.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

166

Cecil M. Robeck

ihn einerseits, wenn wir von der Verschiedenheit der Ausdrucksformen sprechen, andererseits […] konfessionelle Traditionen.11

Als das Zweite Vatikanische Konzil Dei Verbum als die offizielle Position der römisch-katholischen Kirche verabschiedete, gab es eben diese Grundhaltung wieder. Bestimmte Lehren sah man am besten mit dem Wort TRADITION beschrieben, das heißt, sie galten als Teil der ursprünglichen apostolischen Tradition, nun durch das kirchliche Lehramt mit Hilfe des Heiligen Geistes interpretiert und als Wort Gottes verstanden. Als solche sollten die Gläubigen sie annehmen und ihr gehorchen. Ich möchte im Folgenden zeigen, dass die Assemblies of God in zunehmender Weise, aber im Großen und Ganzen unbewusst, dieselbe Position eingenommen haben. Die Exekutive der Kirche, das General-Presbyterium [General Presbytery] und die Kommission für die Reinheit der Lehre [Doctrinal Purity Commission] sind zum kirchlichen Lehramt geworden, und gemeinsam haben sie als solche die Diskussion bestimmter Lehren im Wesentlichen aus der allgemeinen Versammlung verbannt. Mit meiner Untersuchung der Entwicklung der Lehren, welche die Beziehung zwischen der Taufe im Geist und der Zungenrede als „anfänglichem physischen Erweis“ dieser Taufe regeln, möchte ich zeigen, wie das kirchliche Lehramt nunmehr diese Lehren als Teil von etwas versteht, das man jetzt als die TRADITION bezeichnen kann, also als etwas, das im Herzen des Evangeliums selbst steht. Mitglieder dieses Gremiums bieten nun die einzige authentische oder offizielle Interpretation jener TRADITION. Sie beanspruchen Diener des Wortes Gottes zu sein, die der gegenwärtigen Generation vermitteln, was sie selbst „empfangen“ haben. Sie glauben, dass der Heilige Geist ihnen hilft und dass sie lediglich den Schatz des Glaubens. hüten. Wer diese authentische Interpretation weiter hinterfragt oder sich an unautorisierten hermeneutischen Debatten beteiligt, wird systematisch zum Schweigen gebracht. Die Geistlichen der Assemblies of God sollen die authentische Interpretation dieser TRADITION durch Mitglieder des kirchlichen Lehramts ohne weitere Fragen oder Diskussionen akzeptieren. Diese authentische Interpretation ist gleichbedeutend mit dem Wort Gottes geworden.

Zerstörte Hoffnungen und die Entwicklung der TRADITION Auf dem Gründungstreffen der Assemblies of God am 2.–12. April 1914 in Hot Springs, Arkansas, wurden zwei Beschlüsse von den versammelten Geistlichen einstimmig verabschiedet. Der erste beschäftigte sich mit der Frage der 11 Schrift, Tradition und Traditionen: Bericht der Sektion II. In: Rodger, Patrick C. (Hg.): Montreal 1963: Bericht der Vierten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung Montreal, 12. – 26. Juli 1963. Zürich: EVZ-Verlag, 1963, S. 42 – 53, hier S. 42.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

167

Souveränität der Ortsgemeinden und der zweite stellte den Versuch dar, der Organisation einen Namen zu geben. Diese zwei Beschlüsse wurden von vier Begründungen getragen, von denen sich die ersten drei auf Gott bezogen. Diese ersten drei lauteten, dass (1) Gott seinen eingeboren Sohn geschickt hatte, um die Welt zu retten und die Kirche zu gründen; dass (2) Gott dieser Kirche die „heiligen inspirierten Schriften […] als die allzeit ausreichende Regel für Glauben und Praxis“ gegeben hatte; und dass (3) Gott befohlen hatte, dass es keine „Schismen [Spaltung, Sektierertum] in Seinem Leib“ geben solle.12 In der vierten Begründung ging es nicht um Gott. Diese Erklärung legte vielmehr dar, was sie glaubten zu tun, als sie zusammen kamen, um die Generalversammlung [General Council] der Assemblies of God zu gründen. Sie lautete in Auszügen: „[…] wir erkennen uns selbst als Mitglieder der genannten GENERAL ASSEMBLY OF GOD (die Gottes Organismus ist), und halten nichts davon, uns als Sekte zu identifizieren oder uns als bzw. in einer solchen zu etablieren, das heißt in einer menschlichen Organisation, die Glaubensgesetze und -artikel erlässt oder formuliert, die über eine nicht schriftgemäße Jurisdiktion über ihre Mitglieder verfügt und die sich von anderen Mitgliedern der General Assembly (Kirche) des Erstgeborenen trennt, was im Widerspruch zum Gebet Christi in Joh 17 und zu Paulus’ Lehre in Eph 4,1 – 16 steht, denen wir von Herzen beipflichten.13

Aus heutiger Perspektive war dies wahrscheinlich eine törichte Versicherung, da die Liste der von den Gründern „aufs sicherste geglaubten“ Dinge sehr lang war und zudem, entgegen aller anders lautenden Ansprüche, sehr nach einem umfassenden Glaubensbekenntnis aussah und klang.14 Trotz ihrer anfänglichen Entscheidung, niemals Glaubensartikel, anzunehmen, da diese unbiblische Auswirkungen hätten, dienten die Generalversammlungen der As-

12 Preamble and Resolution of Constitution. In: Minutes of the General Council of the Assemblies of God in the United States of America, Canada and Foreign Lands held at Hot Springs, AR, April 2 – 12, 1914. Findlay, OH: Gospel Publishing House, 1914, S. 4. 13 Ebd. 14 Zu den Lehren, die im präpositionalen bzw. Aussageteil der „Präambel und Entschließung“ affirmiert wurden, gehörten (1) die Vaterschaft Gottes; (2) die eingeborene Natur des Sohnes; (3) die gefallene Natur der Menschheit; (4) die der Menschheit durch das vergossene Blut Jesu Christi zugängliche Erlösung; (5) die Erwählung der Heiligen; (6) die Herrschaft Jesu Christi; (7) die Gründungsrolle der Apostel und Propheten für die Kirche mit Christus als entscheidendem Eckstein (Eph 2,20); (8) die organisatorische, taufende und fortwährend leitende Funktion des Heiligen Geistes in der Kirche; (9) die Integrität und Stärke der Kirche (Mt 16,18); (10) das Primat der göttlich inspirierten Schrift, bestehend aus dem alten und dem neuen Bund (Hebr 3,6 – 13), als die „allgenügsame Norm für Glauben und Praxis (2Tim 3,16)“, zu der nichts dazugesetzt und von der nichts davongetan werde (Offb 22,18); und (11) Gottes Befehl an die Kirche, an keinen Schismen, Spaltungen oder Sektierereien Anteil zu haben gemäß Joh 17 und Eph 4,1 – 16.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

168

Cecil M. Robeck

semblies of God in den folgenden Jahren gerade dazu, Lehrangelegenheiten zu beraten. Zwischen 1914 und 1916 kämpften die Geistlichen der Assemblies of God um ihre Einheit, als das „Neue Thema“, das die Natur der Trinität und die richtige Taufformel zum Gegenstand hatte, als Streitpunkt zwischen verschiedenen Fraktionen aufkam. Im Jahr 1916, also nur zwei Jahre nachdem sie festgestellt hatten, dass sie nicht an den Erlass oder die Formulierung von Glaubensgesetzen oder -artikeln glaubten, da diese zu Spaltungen führten und eindeutig gegen Christi Gebet für Einheit und Paulus’ Lehre seien, denen sie angeblich „von Herzen beipflicht[et]en“, taten sie genau das, was sie zuvor vehement zurückgewiesen hatten: Sie verabschiedeten eine „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“ [“Statement of Fundamental Truths”]. Diese Erklärung schnitt das Herz aus ihrer bisherigen Einheit heraus, schloss ein Drittel ihrer Geistlichen und viele weitere Laien aus und errichtete eine Mauer zwischen den klassischen trinitarischen Pfingstlern und Oneness-Pfingstlern, die bis heute steht.15 Ihre Hoffnung auf Einheit jenseits dogmatischer Belange war zerschmettert. Schlimmer noch, sie hatten das missachtet, was sie angeblich als Christi Wunsch und Paulus’ Lehre angesehen hatten. Der Damm war gebrochen und Lehrstreitigkeiten sollten von nun an aufkommen, welche die Assemblies of God dazu bringen würden, weitere dogmatische Trennlinien zu konstruieren. Während die Streitfrage der Trinität und der richtigen Taufformel nach der Generalversammlung von 1916 im Verständnis der in den Assemblies of God verbliebenen Personen abschließend geklärt worden war, war die Frage nach der Beziehung zwischen Zungenrede und Geisttaufe noch nicht für alle zufriedenstellend entschieden. Diese Debatte sollte die nächsten zwei Jahre beanspruchen und zwang schließlich 1918 andere, die Gemeinschaft zu verlassen oder ihrem Ausschluss entgegenzusehen.16 Um zu verstehen, was hier auf dem Spiel stand, ist es notwendig, auf den frühesten Anfängen der Pfingstbewegung in den USA zurückzublicken. Am Anfang entwickelte Charles Fox Parham eine Theorie über die Geisttaufe derzufolge jene Erfahrung nur für diejenigen vorgesehen war, die ein „geheiligtes Leben“ führten.17 Definitionsgemäß folgte sie damit auf Bekehrung und Heiligung. Parhams Anhänger wurden ermutigt, diese Erfahrung zu erwarten und zu suchen, und sie wurden darüber belehrt, dass auch sie, wenn sie die Geisttaufe empfangen würden, denselben Erweis jener Erfahrung erhalten würden, den seiner Ansicht nach die ersten Christen am Pfingsttag 15 Für eine hilfreiche Abhandlung dieses Themas, s. Reed, David A.: Origins and Development of the Theology of Oneness Pentecostalism in the United States. In: Pneuma 1, Nr. 1 (1979), S. 31 – 37; Reed, David A.: Origins and Development of the Theology of Oneness Pentecostalism in the United States. Boston, MA, University Graduate School, PhD Dissertation, 1978. 16 Bosworth, Fred F.: Do All Speak with Tongues? 1 Corinthians 12:30: An Open Letter to the Ministers and Saints of the Pentecostal Movement. Dayton, OH: John J. Scruby. 17 The Apostolic Faith Movement. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 1 (1906), S. 2.1.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

169

empfangen hatten. Er nannte diesen Teil seiner Theorie den „biblischen Erweis“.18 Für Parham war dies die Fähigkeit „in anderen Zungen zu reden, wie der Geist ihnen gab auszusprechen“ (Apg 2,1 – 4). Er postulierte, dass jene Zungen eine anhaltende Begabung seien, und als eine bekannte menschliche Sprache erkennbar wären.19 Es gibt viele Zeugnisse von frühen Pfingstler, die beanspruchten, eine bestimmte Sprache zu sprechen, zu welcher der Geist sie befähigt hatte.20 Doch für Parham war es wesentlich, dass sich alle, welche die pfingstliche Erfahrung beanspruchten, drei getrennte und voneinander unterschiedene Erfahrungen zu eigen machen mussten: Erlösung, Heiligung und die Taufe im Heiligen Geist mit dem biblischen Erweis des Sprechens in bekannten oder verständlichen Fremdsprachen. In Fachbegriffen ausgedrückt: sie mussten Xenolalie aufweisen.21 Die Lehre von der Nachzeitigkeit der Geisttaufe war für Parham entscheidend, weil diese Menschen bereits engagierte Christen und in vielen Fällen auch schon „geheiligte“ Gläubige waren. Der Grund, weshalb die Xenolalie für Parham wesentlich war, lag in Parhams Lehre, dass diese Zungen ausschließlich für den Zweck der Weltevangelisation gedacht waren. Parhams Apostolic-Faith-Bewegung (Baxter Springs, Kansas) vertritt diese Position noch bis heute.22 18 Parham, Charles F.: Kol Kare Bomidbar: A Voice Crying in the Wilderness. Kansas City, MO: Selbstverlag, 1902, S. 25 – 38 enthält eine von Parham im Januar 1901 gehaltene Predigt, in der er eindeutig diesen Ausdruck verwendet. Sie wurde erneut abgedruckt in Carothers, Warren F.: The Baptism with the Holy Ghost and the Speaking in Tongues. Houston, TX: Selbstverlag, 1906, S. 5 – 18. Parham behauptete, dass dies „die erste [Predigt] über die Taufe im Heiligen Geist in allen modernen pfingstlichen apostolischen Bewegungen vom vollen Evangelium“ war. Parham, Charles F.: The Latter Rain. In: Parham, Robert L. (Hg.): Selected Sermons of the Late Charles F. Parham, Sarah E. Parham. Baxter Springs, KS: Apostolic Faith Bible College, 1941, S. 75 – 80, hier S. 79. 19 Parham, Charles F.: The Baptism of the Holy Ghost. In: Parham, Robert L. (Hg.): Selected Sermons of the Late Charles F. Parham, Sarah E. Parham. Baxter Springs, KS: Apostolic Faith Bible College, 1941, S. 64 – 74, hier S. 70 – 71; Ohne Titel. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 1 (1906), S. 2.3 – 4. 20 Russians Hear in Their Own Tongue. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 1 (1906), S. 4.3; Missionaries to Jerusalem. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 1 (1906), S. 4.4; In Minneapolis. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 8 (1907), S. 1.3. 21 In einem anonym veröffentlichten Beitrag in The Apostolic Faith 1/1 (1906), S. 1.4 bemerkt der Verfasser, dass „ein Geistlicher sagte, dass Gott ihm vor zwanzig Jahren zeigte, dass es der göttliche Plan für Missionare war, dass sie die Gabe der Zungen entweder vor ihrer Abreise zum Missionsfeld empfangen würden oder auf dem Weg dorthin. Sie sollte ein Zeichen für die Heiden sein, dass die Botschaft von Gott ist. Die Gabe der Zungen kann nur benutzt werden, wie der Geist gibt auszusprechen. Sie kann nicht wie eine Muttersprache gelernt werden, sondern der Herr übernimmt die Kontrolle über die Sprechorgane und den Willen. Es ist ausdrücklich Gottes Botschaft.“ 22 Doctrinal Teachings of the Apostolic Faith Movement. Baxter Springs, KS: The Apostolic Faith Bible School, S. 2 besagt: „der ERWEIS der Taufe im Heiligen Geist ist das Reden in anderen Zungen (nicht Fanatismus)“; im Article VII Doctrine. In: Bylaws of the Apostolic Faith Bible College. Baxter Springs, KS: Apostolic Faith Bible College steht: „Diese gemeinsamen Glau-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

170

Cecil M. Robeck

Obwohl Parham diese Theorie als einzig haltbare pfingstliche Position vertrat, hinterfragten und verwarfen schließlich viele die Idee, dass Zungenrede immer als eine Fremdsprache identifiziert werden müsse.23 Ihre Theorie war, dass es sich dabei um eine Zungenrede handeln könnte, die nicht als menschliche Sprache identifizierbar war. Sie könnte die Zunge eines Engels sein (1Kor 13,1) oder eine andere Art von Kommunikation, die den Zweck erfüllt, die tiefsten Seufzer menschlicher Bedürfnisse für Gott verständlich zu machen (vgl. Röm 8,26 – 27).24 Unter denen, die Parhams strikte Position zur Zungenrede ablehnten, gehörten auch viele Begründer der Assemblies of God. Sie verwarfen seine Position aus zwei Gründen. Erstens lehnten sie die Idee der Heiligung als ein zweites abgrenzbares Gnadenwerk ab, in dem die sündige Natur ausgelöscht würde. Sie konnten diese Lehre nicht mit biblischen Gründen rechtfertigen, und viele von ihnen hatten gar keine Krisenerfahrung der Heiligung erlebt. Solche Lehre konnte als menschliche Tradition eingestuft werden, nicht als das Ergebnis göttlicher Offenbarung. Sie nahmen also an, dass die Krisenerfahrung der Heiligung keine Bedingung für den Empfang der Geisttaufe oder für benslehren sind im wesentlichen wie folgt: ,Taufe im Heiligen Geist; erwiesen durch das Spreche in anderen Sprachen‘.“ 23 Carothers: Baptism, S. 21 machte im November 1906 folgende Beobachtung: „[…] Zungen sind gegenwärtige Lobpreisungen Gottes in Sprachen die für Ihn besonders akzeptabel sind, denn Er formt die Worte, und es gibt reichlich Verwendung für die Zunge[nrede] ganz gleich ob irgendjemand ihn versteht oder nicht. […] Welche Rolle die Gabe der Zungen bei der Evangelisation in heidnischen Ländern ausfüllen soll, ist noch immer eine Glaubenssache. Von den verfügbaren Belegen her scheint sie kaum etwas mit ausländischer Mission in neutestamentlichen Zeiten zu tun gehabt haben, und dennoch, hinsichtlich des offensichtlichen Nutzens der Gabe in dieser Sphäre und des wunderbaren Missionsgeistes, der mit Pfingsten einhergeht, erwarten wir, dass die Gabe ausgiebig auf dem ausländischen Missionsfeld benutzt werden wird. Wir werden es bald wissen.“ [Auslassungen C. R.] 24 Der Autor von The Promise of the Father and Speaking with Tongues in Chicago. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 9 (1907), S. 3.4 vertritt die These, dass die Äußerung der Zungenrede, wie er/sie in Chicago beobachtet hat, mit dieser Beschreibung übereinstimmte: „Die Zungen, die sie sprechen, scheinen nicht als Kommunikationsmittel zwischen ihnen und anderen gedacht zu sein, wie am Pfingsttag, sondern sie korrespondieren eher mit dem was in 1Kor 14,2 beschrieben wird, und sie scheinen eher ein Kommunikationsmittel zwischen der Seele und Gott zu sein. Sie sprechen keine Zungen in der Versammlung, aber wenn sie im Gebet sind, werden sie heftiger in ihren Anrufungen, sie sind geneigt in unbekannten Zungen auszubrechen, auf die ausnahmslos Zuschreibungen von Preis und Anbetung folgen. Dieser Autor ist so gut wie zum Schluss gekommen, das es die ,neuen Zungen‘ sind, von denen in Mk 16,17 gesprochen wird als eines der Zeichen, das denen folgen wird, die glauben, und nicht die ,Gabe der Zungen‘, die offensichtlich nicht alle besitzen.“ In ähnlicher Weise bezeugte Charles Harrison Mason, dass er eine Reihe von Erfahrungen machte, als er an der Azusa Street Mission in Zungen sprach. In Tennessee Evangelist Witness. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 6 (1907), S. 7.2 schrieb er „es schien, als ob ich am Kreuz stünde und Ihn beim Stöhnen hörte, das sterbende Stöhnen Jesu, und ich stöhnte. Es war nicht meine Stimme, sondern die Stimme meines Geliebten, die ich in mir hörte. Als Er das durchgestanden hatte, begann Er wieder in neuen Zungen zu singen. Als das Singen aufhörte, fühlte ich jenen völligen Tod, es war mein Leben, das verging, aber es war ein völliger Tod für mich.“

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

171

die Befähigung zur Zungenrede war. Stattdessen machten sie sich diesbezüglich die Position von William H. Durham zu eigen.25 Zweitens lehnten sie die Idee ab, dass es sich bei der Zungenrede immer um eine bekannte Fremdsprache handle, und glaubten stattdessen, dass sie zwar eine Fremdsprache sein könne, aber dies nicht zwingend sein müsse. Sie gingen nicht davon aus, dass die Gabe der Zungenrede den missionarischen Wert habe, den ihr Parham beimaß, obwohl sie gelegentlich durchaus auch in dieser Weise Gebrauch finden könne. Stattdessen betonten sie, dass sie eine Gabe sei, die zum Lob Gottes und zum Aufbau der örtlichen Versammlung gegeben ist (vgl. 1Kor 12 – 14). Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten zeigten die Anhänger der Pfingstbewegung in den ersten fünfzehn Jahren eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Toleranz gegenüber einer Vielfalt von theologischen Positionen, etwa in Bezug auf das Wesen der Trinität, sowie auf Theorien der Heiligung, Geisttaufe und Zungenrede. Sie konnten einander immer noch als Schwestern und Brüder behandeln mit denen man zusammenarbeiten konnte. Obwohl es zutrifft, dass einige schließlich Durhams Heiligungslehre als „Abkürzung“ verwarfen26 und weiterhin dem sprichwörtlich „höheren“ Weg folgen wollten,27 und obwohl die Rhetorik zwischen beiden Lagern durchaus scharf wurde, ließen sie die Gemeinschaft über dieser Frage nicht zerbrechen. Sie zogen vielleicht denominationelle Trennlinien, aber Menschen, welche die Erfahrung der Taufe im Heiligen Geist teilten, waren immer noch eingeladen, miteinander Gottesdienst zu feiern und Grußworte auf den Konferenzen und Versammlungen der jeweils anderen zu sprechen, vorausgesetzt, dass sie ihre Unterschiede tolerieren konnten. Im Ganzen brachen sie nicht das, was wir die eucharistische Gemeinschaft nennen würden. Ein kursorischer Überblick über die Zeitschrift The Apostolic Faith (Los Angeles), veröffentlicht von der Azusa Street Mission, und über verschiedene andere frühe pfingstliche Schriften zeigt, wie unterschiedlich Menschen das 25 Durham, William H.: The Finished Work of Calvary. In: Pentecostal Testimony 2, Nr. 1 (1911), S. 1 schrieb: „Es ist mir heute ein Rätsel, wie irgendjemand von der Theorie geblendet werden konnte, dass die Heiligung ein abgrenzbares zweites unmittelbares Gnadenwerk sei. Von all den Theorien, welche die Menschen in Gefangenschaft halten, scheint mir diese die schwächste und unbiblischste zu sein, und doch streiten Menschen für sie, als ob die Erlösung der Welt weithin von ihr abhinge. Um dies zu tun, müssen sie ihre Augen vor dem Licht verschließen, genau wie es diejenigen getan haben und noch immer tun, die die Wahrheit über die Taufe und die Zungenrede ablehnen.“ 26 Veteran Members of the Headquarters Staff, Compilers and Editors: A Historical Account of the Apostolic Faith: ATrinitarian-Fundamental Evangelistic Organization: Its Origin, Functions, Doctrinal Heritage, and Departmental Activities of Evangelism. Portland, OR: The Apostolic Faith Mission, 1965, S. 69 – 70. 27 Beacham, Paul F.: Questions and Answers on the Scriptures and Related Subjects. The Publishing House of the P. H. Church, 1950, S. 236 – 238. [Der „höhere Weg“ ist eine Anspielung auf die Heiligungsbewegung, die sich in Anlehnung an einen Buchtitel von William Boardman „The Higher Christian Life“ nannten.]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

172

Cecil M. Robeck

Thema der Zungenrede bewerteten. Es gab keine Einstimmigkeit, außer dass Zungenrede eine Erfahrung von Gott war, die eine bevollmächtigende Wirkung auf Gläubige hatte, und dass Christen ermutigt werden sollten, dafür zu beten. Einige nahmen Parhams Sprache auf und argumentierten, dass Zungenrede der „biblische Erweis“ der Taufe im Geist sei.28 Einige sahen Zungen als eine „Gabe des Geistes“ im Einklang mit 1Kor 12 – 14.29 Andere sahen sie als ein „Zeichen“, das der Geisttaufe folgte.30 Wiederum andere erkannten in Zungen den „äußeren Erweis“ der Taufe im Geist.31 W. F. Carothers sah subtile Unterschiede in Zweck und Nutzen, und unterschied daher zwischen Zungen als Erweis der Taufe im Geist und Zungen als Gabe des Heiligen Geistes.32 Etwa zur selben Zeit begannen auch viele in den Assemblies of God zu diskutieren, welche Rolle die Zungenrede spielte und wie sie verstanden werden müsse. Die Azusa Street Mission übernahm zwar eindeutig die Position, dass Zungenrede der „biblische Erweis“ der Taufe im Geist sei, doch als der Herausgeber des The Apostolic Faith die direkte Frage beantwortete: „Was ist der wirkliche Erweis, dass ein Mann oder eine Frau die Taufe mit dem Heiligen Geist empfangen hat?“ war die Antwort bedeutsam: „Göttliche Liebe, die Barmherzigkeit ist“. Der Herausgeber fuhr fort: „das ist der tatsächliche biblische Erweis in ihrem täglichen Lauf und in ihrem Reden; und die äußere Erscheinungsform ist: Zungenrede und die nachfolgenden Zeichen.“33 Zungen reichten nicht aus; die Frucht des Geistes war ebenso wesentlich. E. N. Bell wiederholte diesen Gedanken in seiner eigenen Zeitschrift Ende 1913: „Wenn Du heute einen Menschen, der zwar diese Früchte, aber nicht die Zungenrede hat, einem Menschen mit Zungenrede und doch ohne Früchte gegenüberstellst, dann werde ich immer die Seite ohne Zungenrede als die erneuerte ansehen.“34 All dies deutet darauf hin, dass es viele Möglichkeiten und ein breites Spektrum an Meinungen gab, die Pfingstler hinsichtlich des Verhältnisses von Zungenrede und Geisttaufe vertraten, einschließlich der Frage, wie diese funktionieren und beschrieben werden sollte. 28 Pentecost Has Come. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 1 (1906), S. 1.1. 29 Barratt, David B.: Baptized in New York. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 4 (1906), S. 3.2. Barratt nannte dies „den vollen biblischen Erweis, – die Gabe der Zungen“ [“the full Bible evidence, – the gift of tongues”]. 30 The Baptism with the Holy Ghost. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 11 (1908), S. 4.1; Salvation of Jesus. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 12 (1908), S. 4.4; The Baptism of the Holy Ghost. In: The Apostolic Faith 2, Nr. 13 (1908), S. 3.1. 31 Piper, Mrs. W. H.: “He Shall Baptize You,” Matt. 3:11. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 10 (1907), S. 4.1. 32 Two Works of Grace and the Gift of the Holy Ghost. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 1 (1906), S. 3.2; Sanctified Before Pentecost. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 4 (1906), S. 2.3 – 4; vgl. Carothers: Baptism, S. 20. 33 Questions Answered. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 11 (1908), S. 2.1 – 4, hier S. 2.1. 34 [“Put these fruits on one side without tongues in any man today, and the tongues on the other side without these fruits and I will take the side as regenerated without the tongues every time.”] Bell, Eudorus N.: New Birth and Baptism with the Spirit. In: Word and Witness 9, Nr. 11 (1913), S. 2. Den Hinweis auf dieses Zitat verdanke ich meinem Doktoranden Allen Tennison.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

173

Doch nicht nur die Diskussion über die Beziehung zwischen Taufe im Geist und der Zungenrede war im Fluss, sondern auch die Sprache, mit der die frühen Pfingstler ihre Erfahrung von Taufe im Geist und Zungenrede beschrieben. Viele nahmen an, dass wenn eine Person nicht in Zungen gesprochen hatte, er oder sie auch die Taufe im Geist noch nicht empfangen hatte. Andere waren hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs nicht so dogmatisch. Als im The Apostolic Faith die Frage gestellt wurde: „Ist es nötig, sich die Hände auflegen zu lassen um den Heiligen Geist zu empfangen?“ antwortete der Herausgeber der Zeitschrift mit „Nein“ und bemerkte anschließend: Die Taufe im Geist ist eine Gabe der Kraft auf das geheiligte Leben, und wenn Leute sie empfangen, werden sie früher oder später in Zungen reden, wie der Geist ihnen gibt auszusprechen. Eine Person spricht möglicherweise eine Woche nach der Taufe noch nicht in Zungen, aber sobald sie in der Freiheit des Geistes zu Gott betet oder ihn preist, werden die Zungen folgen. Zungen bedeuten nicht Erlösung. Sie sind eine Gabe, die Gott zur Taufe mit dem Heiligen Geist hinzugibt.35

Die Frage, ob jemand in Zungen spricht, wenn sie oder er im Geist getauft werden, wurde noch nicht gestellt. Es wurde einfach erwartet. Damit war lediglich die Frage zu beantworten, wann die Zungenrede im Verhältnis zur Geisttaufe einsetzen würde. In der Azusa Street Mission war es jedenfalls unverkennbar, dass manche unmittelbar nach dem Empfang der Geisttaufe in Zungen redeten, während andere dies nicht taten. Ihre Äußerung der Zungenrede würde später kommen. Es sollte daher nicht überraschen, dass die Meinungen und Verständnisse über das Wesen der Zungen weiterhin auseinander gingen, als die Assemblies of God gegründet wurden, ebenso die genaue Sprache, mit welcher der Erweis der Taufe im Geist beschrieben werden sollte. Dafür findet sich ein anschauliches Beispiel auf den Seiten der Zeitschrift Christian Evangel, dem Vorgänger des The Pentecostal Evangel, dem offiziellen Magazin der Assemblies of God. In der Kolumne „Fragen und Antworten“ vom 1. Juni 1918 wurde folgende Frage gestellt: „Ich bin wunderbar gesegnet worden und fühle den Geist in mir und fühle dass ich die Taufe habe, aber ich habe noch nicht in Zungen gesprochen. Habe ich schon die Taufe?“ Die Antwort des Vorsitzenden der Assemblies of God, E. N. Bell, war diplomatisch und tolerant zugleich: Gott kennt die Seinen, aber wir erkennen noch nicht einmal das immerzu. So ist es mit der Taufe, kein Mensch hat das Recht für andere mit Sicherheit zu sprechen. Abgesehen von Gott musst vor allem Du es wissen. In ähnlichen Fällen wie dem Deinen kam der Geist und blieb, und nach einem Tag, drei Tagen oder drei Wochen brachen sie in Zungenrede aus. Ich sehe keinen Grund, ein solches Zeugnis anzuzweifeln. Aber in anderen Fällen, in denen sie dachten ihn zu haben, verschwand Seine Gegenwart und sie wirkten genauso wie vor ihrer Segnung. Ich rate davon ab, 35 Questions Answered, S. 2.2.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

174

Cecil M. Robeck

den Geist zu betrüben, indem Seine Gegenwart verleugnet wird, wenn Du sie doch fühlst. Sondern freue Dich, glaube, preise und segne Gott dafür. Aber ich rate auch davon ab, vor dem Erhalt des Zeichens Gottes aufzugeben, einfach so zufrieden zu sein. Mit Lob strebe weiter nach der Fülle.36

Eine solche Haltung bot einen gewissen Spielraum hinsichtlich der persönlichen Erfahrung, aber hielt auch daran fest, was Bell als Fülle ansah. Diese Haltung war konsistent mit der von W. Bernard, der als Antwort auf die Frage: „Ist jemand, der noch nicht in Zungen gesprochen hat, getauft?“ geschrieben hatte: „Ich denke nicht, dass wir sagen können, dass sie es nicht sind. Es kann aber gesagt werden, dass sie noch nicht die Taufe in biblischer oder apostolischer Weise empfangen haben […] Es gibt andere Erscheinungsformen in der Pfingstbewegung, die auch ,biblischer Erweis der Taufe im Geist‘ genannt werden können.“37 Schriftgemäße oder apostolische Fülle beinhaltete ohne Zweifel die Fähigkeit der Zungenrede. Der Warnhinweis in der „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“, dass die „Formulierungen“, die Anwendung finden würden, „nicht inspiriert sind, noch verfochten werden“, was dennoch eine Vorahnung auf das gibt, was in der „Erklärung“ folgt, ist mit dieser Fluidität im Einklang.38 Ebenso deutlich ist aber auch, dass die Assemblies of God bis Ende 1918 eine Ambiguität in dieser Frage tolerieren konnten, da sie nicht glaubten, dass die „Erklärung“ Teil der TRADITION war. Mit der Verabschiedung der „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“ begannen die Assemblies of God jedoch Meinungsverschiedenheiten mehr und mehr auszuschließen. Die Anfänge der TRADITION waren aufgekommen, und dies geschah im Blick auf den Geist und die Zungenrede. Diese Lehren wurden zu den Artikeln fünf und sechs in der „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“, die 1916 verabschiedet worden war. In ihrer ursprünglichen Form lauten sie wie folgt: 5. Das Versprechen des Vaters Alle Gläubigen haben Anspruch auf das Versprechen des Vaters und sollten es inbrünstig erwarten und ernsthaft suchen, nämlich die Taufe mit dem Heiligen Geist und Feuer, nach dem Befehl unseres Herrn Jesus Christus. Das war die normale Erfahrung aller in der frühen christlichen Kirche. Mit ihr einher geht die Bevollmächtigung für das Leben und für den Dienst, die Verleihung der Gaben und ihre 36 Questions and Answers. In: The Christian Evangel (01. 06. 1918), S. 9, hier Frage 414. [Hervorhebungen C. R.] 37 Bernard, W.: The Gift of Tongues and the Pentecostal Movement. In: The Weekly Evangel (03. 06. 1916), S. 4 – 6. Den Hinweis auf dieses Zitat verdanke ich meinem Doktoranden Allen Tennison. 38 Constitution of the General Council of the Assemblies of God in the United States of America and Selected Territories, Artikel V: Statement of Fundamental Truths. In: Minutes of the 48th Session of The General Council of the Assemblies of God Convened at Orlando, Florida, August 10 – 13, 1999, with Revised Constitution and Bylaws. Springfield, MO: General Secretary’s Office, 1999, S. 89.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

175

Anwendung in der Arbeit des geistlichen Diensts. Lk 24,49; Apg 1,4; 1,8; 1Kor 12,1 – 31. 6. Der endgültige Vollzug [Full Consummation] der Taufe im Heiligen Geist Der endgültige Vollzug der Taufe von Gläubigen im Heiligen Geist und Feuer wird durch den anfänglichen Erweis der Rede in Zungen angezeigt, wie der Geist gibt auszusprechen. Apg 2,4. Diese wunderbare Erfahrung ist von der Bekehrung verschieden und ihr nachzeitig. Apg 10,44 – 46; 11,14 – 16; 15, 8 f.39

Im Protokoll der Generalversammlung vom 9.–14. September 1917 wurde eine Berichtigung notiert. Sie erschien unter der Überschrift „Anfänglicher physischer Erweis der Taufe“: Durch ein Versehen fehlte das Wort „physisch“ vor „Erweis“ in Bezug auf Zungen als dem anfänglichen physischen Erweis der Taufe mit dem Heiligen Geist. Daher wurde dieser Abschnitt in den „Fundamentalien“ durch einen Entschluss korrigiert, um folgendermaßen zu lauten: Der endgültige Vollzug der Taufe von Gläubigen im Heiligen Geist [und Feuer] wird durch den anfänglichen physischen Erweis der Rede mit anderen Zungen angezeigt, wie der Geist ihnen gibt auszusprechen. Apg 2,4. Diese wunderbare Erfahrung ist von der Erfahrung der Bekehrung verschieden und ihr nachzeitig. Apg 10,44 – 46; 11,14 – 16; 15, 8 f. Sie ist auch verschieden von der Gabe der Zungen 1Kor 12,4 – 10.28.40

Selbst wenn man anerkennt, dass das Wort „physisch“ 1917 eingefügt wurde, um ein Versehen bei der Veröffentlichung des Protokolls des vorherigen Jahres zu korrigieren, wird an den anderen Änderungen der Aussage deutlich, dass die Art des Erweises noch nicht für alle entschieden war. Die Generalversammlung werkelte an mehreren Stellen des sechsten Artikels herum, und zum ersten Mal wurde eine Anmerkung gemacht, die zwischen der Gabe der Zungenrede und der Zungenrede als Erweis der Taufe im Geist unterschied. Das Protokoll fuhr mit der Bemerkung fort: „Das oben stehende wurde mit nur drei oder vier abweichenden Stimmen verabschiedet.“41 W. T. Gaston, ein Exekutiv-Presbyter, könnte eine der abweichenden Stimmen gewesen sein, ganz sicher aber war eine weitere davon F. F. Bosworth, ebenfalls Exekutiv39 Diese Abschnitte wurden veröffentlicht als Teil des “Statement of Fundamental Truths Approved by the General Council of the Assemblies of God (October 2 – 7, 1916)” in Minutes of the General Council of the Assemblies of God in the United States of America, Canada, and Foreign Lands Held at Bethel Chapel, St. Louis, Missouri October 1 – 7th, 1916. Springfield, MO, 1916, S. 10 – 11. Die Abschnitte sind nach der Originalvorlage des “Statement” nummeriert. 40 Minutes of the General Council of the Assemblies of God in the United States of America, Canada, and Foreign Lands held at Bethel Chapel, St. Louis, Missouri, Sept. 9th to 14th, 1917. St. Louis, MO: General Secretary’s Office, S. 21. Die Hervorhebungen stammen von mir und zeigen die Veränderungen oder Hinzufügungen zum Text des Vorjahres an. Die Worte „ [und Feuer]“ wurden in der neuen Fassung gelöscht. 41 Ebd.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

176

Cecil M. Robeck

Presbyter der Assemblies of God. Es war seine Infragestellung dieser Lehre, die den Anstoß gab, die empfangene TRADITION noch weiter zu entwickeln.

Die Infragestellung durch F. F. Bosworth Fred Francis Bosworth gehörte zu den ersten, die sich in John Alexander Dowies Christian Catholic Church in Zion, Illinois, bekehrt hatten.42 Als Charles F. Parham Zion im September 1906 besuchte, hatte Bosworth ihn gehört und am selben Abend die Taufe im Heiligen Geist empfangen. Da die Leiter der Zion City aber solche Dinge ablehnten, verließ Bosworth bald Zion City und zog nach Dallas, Texas. Dort gründete er eine Kirche und wirkte durch einen lebendigen pfingstlichen Dienst. Als 1914 die Versammlung in Hot Springs, Arkansas, durchgeführt wurde, auf der die Assemblies of God ins Leben gerufen wurden, war Bosworth als Delegierter anwesend. Sieben Monate später, in der Generalversammlung von November 1914, wurde Bosworth als einer der Exekutiv-Presbyter des neuen Verbands gewählt. Doch Bosworth hatte zu diesem Zeitpunkt noch Fragen hinsichtlich der Beziehung zwischen der Taufe im Geist und der Zungenrede, und obwohl er ein Exekutiv-Presbyter war, brachte er seine Anfragen regelmäßig zur Sprache. Die Argumente, die Bosworth verwendete, sind uns in einem offenen Brief erhalten geblieben, den er 1920 an „die Diener und Heiligen der Pfingstbewegung“ adressiert hatte. Der Brief wurde in Form eines Traktats mit dem Titel „Sprechen alle in Zungen?“ veröffentlicht.43 Diese Überschrift war 1Kor 12,30 entnommen, wo der Apostel Paulus offensichtlich von seinen Lesern erwartete, dass sie diese Frage mit Nein beantworten würden. Bosworth argumentierte, dass die von Paulus antizipierte Antwort suggerierte, dass die Assemblies of God zu rigide in ihrer Annahme waren, dass alle in Zungen reden würden, wenn sie mit dem Geist getauft würden. Bosworths Freund und ebenfalls Exekutiv-Presbyter, Warren Faye Carothers, beantwortete diese Frage anders. Er argumentierte, dass nicht alle die Gabe der Zungenrede empfingen, die in 1Kor 12 erwähnt ist, aber dass alle, die die Geisttaufe nach der Apostelgeschichte empfingen, in Zungen reden würden als Erweis dieser Erfahrung. In Carothers’ Sicht waren die Gaben und der Erweis nicht ein und dieselbe Sache. Sie mögen gleich aussehen und klingen, da sie im Wesen gleich waren. Aber in Zweck und Nutzen waren sie verschieden.44 Bosworth akzeptierte Carothers Argument nicht. Ihm missfiel die An42 Für einen Überblick zu Bosworths Leben, Perkins, Eunice M.: Fred Francis Bosworth (The Joybringer): Second Edition and Continued Story of Joybringer Bosworth: His Life Story. Detroit, MI: Eunice M. Perkins, 1921. Seine Zeit in den Assemblies of God wird auf den Seiten 39 – 61 behandelt, wenngleich die Assemblies of God nirgends namentlich erwähnt werden. 43 Bosworth: Do All Speak with Tongues? 44 Carothers: Baptism, S. 20.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

177

nahme, dass dieselbe Sprache, ja sogar dasselbe Wort (ck¾ssa) für die Beschreibung von zwei Phänomenen benutzt wurde, für den Erweis und für die Gabe. Sicherlich konnte die Schrift nicht so verwirrend sein, wie sie nach Carothers und seiner Theorie klang. Der nicht eingeweihte Beobachter, selbst der einfache Bibelleser, würde nicht zwischen den Nuancen unterscheiden können, die Carothers vorschlug. Daher war Bosworth nicht bereit, die Unterscheidung zwischen diesen beiden Manifestationen zu akzeptieren. Aber Bosworths Kritik ging noch weiter. Er sah in Carothers’ Position einen fundamentalen Irrtum. „Der Irrtum, den ich meine“, schrieb er, ist die Lehre, die von so vielen geteilt wird, dass die Taufe im Geist in jedem Fall erwiesen wird durch das anfängliche physische Zeichen der Rede in anderen Zungen wie der Geist gibt auszusprechen, Apg 2,4, und dass dies nicht die Gabe der Zungenrede ist, die in Paulus’ Brief an die Korinther erwähnt wird, 1Kor 12.45

Für Bosworth war das Problem keine Frage der zeitlichen Abfolge; die Frage war vielmehr ob jeder, der im Geist getauft war, in Zungen sprach, oder nicht. Das Problem war nicht, ob die Gabe der Zungenrede ein Erweis der Taufe im Geist war ; Bosworth glaubte, dass es für viele so war. Die Frage war, ob sie der einzige Erweis für die Geisttaufe war – eine Position, die von den meisten Leitern der Assemblies of God geteilt wurde. Für Bosworth war der inhärente sektiererische Charakter dieser Meinung ein Problem, das ihn zutiefst störte, zumal kein überzeugender biblischer Beleg vorlag. Neben der Bibel war auch seine Erfahrung entscheidend, in der er hunderte, sogar tausende gesehen hatte, die behaupteten die Taufe im Heiligen Geist empfangen zu haben, auch durch seinen Dienst. Er war überwältigt von der Oberflächlichkeit vieler, die beanspruchten, die Taufe im Geist mit dem „biblischen Erweis“ empfangen zu haben, und doch zeigten sie in seiner Beobachtung keine Frucht des Geistes oder geistliches Wachstum in ihren Leben. Diese Tatsachen der Praxis ließen ihn hinsichtlich der dogmatischen Position, die seine Kollegen in den Assemblies of God übernommen hatten, nervös werden. Nach einem Jahrzehnt des Dienstes in der Pfingstbewegung kam Bosworth letztlich zu dem Schluss, dass viele, die in Zungen sprachen, entgegen ihrer Behauptung nie mit dem Geist getauft worden waren, und er behauptete, dass viele, die im Geist getauft waren, wie Charles G. Finney und John Wesley, nie in Zungen gesprochen hatten. Da er glaubte, dass die von W. F. Carothers vorgebrachte Differenzierung zwischen zwei phänomenologisch identischen aber angeblich unterscheidbaren Formen der Zungenrede keinen biblischen Halt hatte, unterstützte er die Lehre zu Zungen nicht mehr so, wie sie der Verband formuliert hatte, dem er als Exekutiv-Presbyter diente. Es erübrigt sich festzustellen, dass Bosworths Infragestellung den anderen Leitern der Assemblies of God missfiel. In den Jahren 1916 bis 1918 führte Bosworths Haltung, die der Mehr45 Bosworth: Do All Speak with Tongues?, S. 5. [Hervorhebung C. R.]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

178

Cecil M. Robeck

heitsmeinung der Vereinigung zuwiderlief, immer mehr zu einer öffentlichen Debatte. Einige pflichteten ihm bei, während sich andere ihm entgegen stellten. In dieser Zeit rief der Weekly Evangel, später The Christian Evangel genannt, eine Anzahl der besser bekannten Geistlichen der Assemblies of God und einige namhafte Stimmen von außerhalb dazu auf, die offizielle Position der Vereinigung zu stärken, indem sie genau zu diesem Thema schreiben sollten.46 Obwohl Bosworth seine Position verlauten ließ, war er darauf bedacht, den Verband nicht zu spalten. Das war nicht seine Absicht, sondern er stellte die Frage, ob die Assemblies of God die TRADITION übernommen hatten oder ob sie sich für eine menschliche Tradition entschieden hatten. Die Debatte erreichte schließlich das Podium der Generalversammlung im September 1918. Zwei Monate zuvor, im Juli 1918, hatte Bosworth seinen Rücktritt eingereicht, möglicherweise in Vorausahnung der Richtung, die die Versammlung einschlagen würde. Als die Generalversammlung im September zusammentrat, war Bosworth anwesend und er wurde vom Vorsitzenden eingeladen, auf das Problem einzugehen. Er legte dar, dass die Erfahrungen von Personen wie Charles G. Finney, James Brainard Taylor, John Wesley, und George Whitfield genauso gültig waren, wie diejenige derer, die in Zungen sprachen. D. W. Kerr hielt ihm das Argument entgegen, dass wenn ihre Erfahrungen nicht mit der von biblischen Gestalten übereinstimmte, sie im Grunde wertlos für die Debatte waren.47 Die Generalversammlung diskutierte die Frage am Samstagabend, den 7. September 1918. Das Protokoll verzeichnet folgende Darstellung der Debatte: Der Nachmittag war beansprucht von lebhaften Diskussionen über die Wichtigkeit einer einheitlichen Position im Dienst der Wahrheit, [nämlich] dass der endgültige Vollzug der Taufe von Gläubigen im Heiligen Geist ohne Unterschied begleitet wird

46 Lawrence, Bennett F.: The Gift of Tongues and the Pentecostal Movement. In: The Weekly Evangel (1916), S. 4 – 6; The Baptism of the Holy Ghost: The Greatest Need before the Rapture. In: The Weekly Evangel (1917), S. 3; Polman, Gerrit R.: As the Spirit Gave Them Utterance. In: The Weekly Evangel (1917), S. 5 – 6; Frodsham, Stanley H.: The Latter Rain. In: The Weekly Evangel (1917), S. 8 – 9; McCafferty, Brut: The Time of the Latter Rain. In: The Weekly Evangel (1917), S. 4 – 5; Simpson, William W.: The Baptism in the Spirit–A Defense. In: The Weekly Evangel (1917), S. 2 – 6; Sisson, Elizabeth: Acts–Two–Four–Past and Present. In: The Weekly Evangel (1917), S. 2 – 3; Lawrence, Bennett F.: The Baptism in the Holy Spirit the Will of God for Every Believer. In: The Weekly Evangel (1918), S. 4 – 5; Bosworth, Fred F.: The Will of God Boiled Down into Five Words, “Be Filled with the Spirit”. In: The Weekly Evangel (1918), S. 1; Pope, W. H.: Why I Believe All Who Receive the Baptism Will Speak in Other Tongues. In: The Christian Evangel (1918), S. 6 – 7; Durham, William H.: What is the Evidence of the Baptism of the Holy Ghost? In: The Christian Evangel (1918), S. 2 – 3; Kerr, Daniel W.: Paul’s Interpretation of the Baptism in the Holy spirit [Part 1]. In: The Christian Evangel (1918), S. 6. 47 Brumback, Carl: Suddenly … from heaven: A History of the Assemblies of God. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1961, S. 222.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

179

vom anfänglichen physischem Zeichen der Rede in anderen Zungen wie der Geist Gottes gibt auszusprechen. (Apg 2,4). Die Brüder R. A. Brown, Joseph Tunmore, J. T. Boddy, D. W. Kerr, T. K. Leonard, W. H. Pope, J. Roselli, F. F. Bosworth, W. T. Gaston und viele andere nahmen teil, und es gab Begeisterungsstürme als Botschaft auf Botschaft folgte, in Verteidigung dessen, was schon immer als das unverkennbare Zeugnis des pfingstlichen Volkes betrachtet worden war. BESCHLOSSEN ist, dass diese Versammlung [Council] es als ernsthaften Widerspruch zu den Fundamentalen Wahrheiten [Fundamentals] erachtet, wenn ein Geistlicher unter uns gegen das unverkennbare Zeugnis lehrt, dass die Taufe im Heiligen Geist regelmäßig vom anfänglichen physischen Zeichen der Rede in anderen Zungen begleitet wird, wie der Geist Gottes gibt auszusprechen, und dass wir es als widersprüchlich und unbiblisch für jeden Geistlichen erachten, die Amtsbefähigung [credentials] von uns zu erhalten, wenn sie unser unverkennbares Zeugnis als Irrtum angreifen.48

Bosworths Position, dass der Artikel sechs im Kern eine menschliche „Tradition“ sei, wurde somit letztendlich zurückgewiesen, und es ist ein Zeichen seiner Integrität, dass er die Assemblies of God ohne weiteres Aufsehen verließ, nachdem die Stimmen ausgezählt waren. Doch es ist erwähnenswert, dass der 1918 verabschiedete Beschluss lediglich festhielt, dass die Taufe im Heiligen Geist „regelmäßig vom anfänglichen physischen Zeichen der Rede in anderen Zungen begleitet wird, wie der Geist Gottes gibt, auszusprechen“. War es nach dieser Formulierung nicht auch möglich eine „unregelmäßige“ Erfahrung der Geisttaufe zu machen? War es nicht möglich einen „teilhaften Vollzug“ der Taufe zu erfahren, das heißt ohne Zungenrede, und trotzdem von sich beanspruchen zu können, im Geist getauft zu sein? Dieser Beschluss sagte nichts über den Zeitpunkt einer solchen Manifestation aus, noch bestand er darauf, dass sie der einzige Erweis der Geisttaufe sei. Er stellte fest, dass der erwartete und regelmäßig zum Vorschein kommende physische Ausdruck des Empfangs der Geisttaufe darin besteht, dass jemand in Zungen spricht. War es dann möglich, dass es andere, nicht-physische Erweise geben könnte? Letztlich war der hier übernommene Standpunkt ja ein Argument, das in einer bestimmten Interpretation der Schrift und der Erfahrung vieler gründete. Diese Interpretation wurde zur TRADITON. 48 Minutes of the Sixth Annual Meeting of the General Council of the Assemblies of God in the United States of America, Canada, and Foreign Lands Held at Springfield, Missouri, September 4 – 11, 1918. Springfield, MO: The Gospel Publishing House, 1918, S. 7 – 8. Die Combined Minutes of the General Council of the Assemblies of God, S. 21, geben diesen Abschnitt mit leichten Abänderungen unter dem Titel „Unser unverkennbares Zeugnis“ [“Our Distinctive Testimony”] wieder. Das Protokoll der Generalversammlung von 1921, im selben Band, S. 66, bemerkt, dass das Exekutiv-Presbyterium autorisiert worden war, die Protokolle der Versammlung zu redigieren, zu korrigieren und zu veröffentlichen. Augenscheinlich wurden die Änderungen von diesen Brüdern vorgenommen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

180

Cecil M. Robeck

Trotz dieses Beschlusses konnten die Assemblies of God scheinbar noch immer Meinungsverschiedenheiten tolerieren, was den Verbleib der mit Bosworth sympathisierenden Pastoren ermöglichte. Das Einzige, was sie nicht tun durften, war die Lehre als einen „Irrtum“ anzugreifen, wie Bosworth es getan hatte. Ungeachtet ihrer Differenzen nahmen viele Geistliche der Assemblies of God den Dienst Bosworths in den folgenden Jahren weiterhin in Anspruch, und ungeachtet der Tatsache, dass er sich aus dem Verband zurückgezogen hatte, kooperierten sie weiterhin mit ihm und seinen späteren Heilungs- und Evangelisationskampagnen. Doch obwohl die hauptsächliche Debatte an jenem Samstagmorgen beendet worden war, muss noch ein beachtliches Maß an Beunruhigung bei den Versammelten zurückgeblieben sein, denn die Frage blieb weiterhin ein Diskussionsthema. D. W. Kerr predigte am nächsten Morgen, am Sonntag, dem 8. September, und seine Predigt wurde als eine „wahrlich pfingstliche Botschaft über unser unverkennbares Zeugnis“ beschrieben. Doch Kerrs Predigt beendete die Diskussionen an den Rändern der Generalversammlung nicht. Am Dienstag, dem 10. September, also zwei Tage später, wurde ein weiterer Beschluss diskutiert und schließlich verabschiedet. Er enthielt folgende Formulierung: IN ERWÄGUNG dessen, dass unser unverkennbares Zeugnis, das in den Fundamentalen Wahrheiten [Fundamentals] dergestalt ausgedrückt wird, dass die Rede in Zungen wie der Geist gibt auszusprechen das Zeichen der Taufe im Geist ist, vor Kurzem ernsthaft in Zweifel gezogen und als Irrtum charakterisiert worden ist, sei darum BESCHLOSSEN, dass wir hiermit und von ganzem Herzen unsere Haltung zu allen Fundamentalen Wahrheiten erneut bestätigen, und insbesondere im Hinblick auf den Punkt, dass die Rede in Zungen, wie der Geist Gottes gibt auszusprechen, das anfängliche physische Zeichen des endgültigen Vollzugs der Taufe im Heiligen Geist sei; sowie dass [die diesbezügliche Formulierung der Fundamentalen Wahrheiten] hiermit revidiert sei, und welche Revision von der Versammlung verabschiedet wurde.49

Während die Generalversammlung es für nötig erachtete, die Rolle der „Fundamentalen Wahrheiten“ an dieser Stelle zu stärken, erörterte sie auch Artikel sechs erneut und brachte weitere Veränderungen in die Formulierung ein. Das Ergebnis war : Der endgültige Vollzug der Taufe von Gläubigen im Heiligen Geist wird durch den anfänglichen physischen Erweis der Rede mit anderen Zungen angezeigt, wie der Geist ihnen gibt auszusprechen. Apg 2,4. Diese wunderbare Erfahrung ist von der Erfahrung der Bekehrung verschieden und ihr nachzeitig. Apg 10,44 – 46; 11,14 – 16;

49 Minutes, September 1918, S. 10.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

181

15, 8 f. Die Zungenrede ist in diesem Fall im Wesen dieselbe wie die Gabe der Zungen; 1Kor 12,4 – 10.28, aber verschieden in Zweck und Gebrauch.50

Die Veränderungen, die diesmal in Artikel sechs vorgenommen wurden, sind ein deutlicher Beleg für die Intervention des Exekutiv-Presbyter W. F. Carothers, denn er war es, der bereits 1906 eine solche Unterscheidung in dieser Ausdrucksweise postuliert hatte. Sein Standpunkt hatte den Sieg errungen.51

Das Zeugnis von J. Roswell Flower Die Tatsache, dass Bosworths Position abgelehnt worden war und dass die Assemblies of God bis weit in die 1920er Jahre daran arbeiteten, ihre theologische Position mittels fortlaufender Publikationen von Artikeln über die Beziehung zwischen der Taufe im Geist und der Zungenrede in The Christian Evangel (später The Pentecostal Evangel genannt) zu festigen,52 könnte die Vermutung nahelegen, dass alle Toleranz für Unterschiede nunmehr der Vergangenheit angehörte. Aber dies war eindeutig nicht der Fall. Im Januar 1933 veröffentlichte The Pentecostal Evangel das Zeugnis von J. Roswell Flower, dem Generalsekretär der Assemblies of God. Er erzählte den Lesern des Pentecostal Evangel, dass im Frühjahr 1907 ein Prediger, den wir mittlerweile als Glenn Cook identifizieren können, von der Azusa Street Mission aus Los Angeles gekommen sei und Versammlungen in Flowers Stadt, Indianapolis, abhielt.53 Flower bekehrte sich in Cooks Versammlungen und innerhalb weniger Tage war Flower eine Erfahrung zuteil geworden, die Cook für ihn als Heiligung identifizierte. Flower, der dieses Erlebnis später als „das Zeugnis des Geistes“ über seine Bekehrung interpretierte, suchte von diesem Zeitpunkt an seine Taufe im Geist.54 50 Ebd. Die Hervorhebungen stammen von mir und zeigen die Veränderungen oder Hinzufügungen zum Text des Vorjahres an. 51 Carothers: Baptism, S. 20. 52 Kerr, Daniel W.: Do All Speak in Tongues? In: The Christian Evangel (1919), S. 7; Gaston, William T.: The New Birth and Baptism in the Holy Ghost [Part 1]. In: The Christian Evangel (1919), S. 1 – 2; Gaston, William T.: The New Birth and Baptism in the Holy Ghost [Part 2]. In: The Christian Evangel (1919), S. 1 – 2, 9; Gaston, William T.: The Baptism of the Holy Ghost: A Word of Exhortation. In: The Christian Evangel (1919), S. 5; Gaston, William T.: The Baptism of the Holy Ghost According to Acts 2:4: Some Objections Answered. In: The Christian Evangel (1919), S. 3; Atterberry, Thomas: They Shall Speak with New Tongues. In: The Pentecostal Evangel (1919), S. 2 – 3; Frodsham, Stanley H.: Our Distinctive Testimony. In: The Pentecostal Evangel (1919), S. 8 – 9; Boulis, Salis: In Defense of the Truth. In: The Pentecostal Evangel (1919), S. 10 – 11. 53 Die Zeitungen in Indianapolis lieferten fast täglich Berichterstattungen von Cooks Versammlungen, die zu dieser Zeit in der Stadt stattfanden. 54 Flower, J. Roswell: How I Received the Baptism in the Holy Spirit [Part 1]. In: The Pentecostal Evangel (1933), S. 2 – 3.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

182

Cecil M. Robeck

Flowers Suche sollte Monate dauern. In dieser Zeit fuhr er zu einem Glaubenshaus [Faith Home], das in St. Louis von zwei Frauen betrieben wurde, und fuhr dort fort, täglich von Gott die Taufe im Geist zu ersuchen. Er beschrieb die Intensität seiner Anstrengung auf seiner geistlichen Suche nach der Taufe in St. Louis im Detail. Er las seine Bibel, beging tägliche Anbetungszeiten und betete stundenlang allein. In dieser Zeit fokussierte er seine Aufmerksamkeit auf verschiedene biblische Verheißungen wie Hebr 10,36 – 37, Apg 1,5 und Lk 11,13. Aber es schien sich nichts zu ereignen. Eines Morgens, als er allein war und auf Gott wartete, wurde ihm seinem veröffentlichten Zeugnis zufolge bewusst, dass er und Gott sich auf parallelen Pfaden befanden, die sich nie kreuzen würden. Es musste sich etwas verändern, wenn er die [Geist-] Taufe je empfangen sollte. Er schrieb: Es wurde mir bewusst, dass meine Gebete sich mit Glauben vermischen müssten. Ich hatte mich unabhängig von Gefühlen auf die Verheißungen Gottes eingelassen, als ich gerettet wurde; ich hatte mich getraut, einen Schritt des Glaubens zu gehen, der mir empfohlen wurde, als ich die Heiligung suchte; aber ich machte einen Unterschied zwischen diesen früheren Erfahrungen und der Taufe im Heiligen Geist. Offensichtlich suchte ich eine äußere Erscheinung [manifestation] und verwehrte Gott den Glauben bis diese empfangen war. Das war offensichtlich ganz falsch.55

Flowers Argumentation ist sehr bedeutsam. Sein persönliches Anliegen war die Fähigkeit, die Zungenrede aufweisen zu können. Seine Erkenntnis war, dass er die Wirklichkeit der Geisttaufe genau darum verpasste, weil er durch seine Suche nach der äußeren Erscheinung, die als Erweis der Taufe galt, abgelenkt wurde. Er entschied sich, seine Suche neu auszurichten. Es ist zu bedenken, dass Flower sich in seiner Ausbildung zum Rechtsanwalt befand. Sein Argument war daher sehr logisch, sehr methodisch. Er begann, sich vergleichbare Erfahrungen in Erinnerung zu rufen, die er heranziehen konnte, um seine eigene Unzulänglichkeit im Erreichen seines Ziels zu verstehen. Die Parallelen, die er sah, kamen aus den klassischen Heiligungslehren. Sie hingen mit der sogenannten Formel vom „doppelten Heilmittel für den doppelten Fluch“ [double cure for double curse] zusammen, einer Lehre die auf Jes 53,5 basiert.56 Für die Befürworter der Heiligung bedeutete die Lehre vom „doppelten Heilmittel für den doppelten Fluch“, dass das Erlösungswerk Jesu Christi am Kreuz sowohl die Erlösung der Seele als auch die Heilung des Körpers umfasste. Der Rat vieler Heiligungs-Evangelisten war, dass man sich nicht so „fühlen“ müsse, als sei man gerettet. Solche Gefühle seien unnötig. Die Bekehrten müssten nur Gott vertrauen und im Glauben die Tatsache der Erlösung an55 Flower, J. Roswell: How I Received the Baptism in the Holy Spirit [Part 2]. In: The Pentecostal Evangel (1933), S. 6 – 7, hier S. 6. 56 „Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

183

nehmen, die Jes 53,5 versprach und vermittelte. Derselbe Argumentationsgang wurde auch in Heilungsgottesdiensten oft denen vorgetragen, die mit sich beten ließen. Ihnen wurde erklärt, dass selbst wenn sie sich nicht geheilt fühlten, selbst wenn sie keine unmittelbaren Ergebnisse sahen, sie sich immer daran erinnern sollten, dass Christus ihre Heilung schon vollbracht hatte, denn „in seinen Wunden sind wir geheilt“. Flower folgerte, dass dieselbe Logik auch auf seine Suche nach der Geisttaufe zutraf. Alles was er tun müsse, war, Gott zu preisen, und ihm im Vertrauen dafür zu danken, was er schon empfangen hatte. Sollte diese Argumentation hier keinen Bestand haben, dann wäre sie auch nicht für Erlösung oder Heilung anwendbar. Im Kampf mit seinen Zweifeln beschloss Flower, dass er von nun an auf der Grundlage dieser Wahrheit handeln werde. Tatsächlich behauptete er, dem Herrn mitgeteilt zu haben, dass er alles getan habe, was von ihm erwartet worden war, und dass es nun zu seinen „Rechten“ gehörte, diese Gabe zu empfangen. Flower bezeugte, dass er aufstand, sich um 180 Grad herumdrehte und dann wieder hinkniete, in einer Handlung, die Akademiker vielleicht als einen „symbolischen Akt“ beschreiben würden, eine Handlung die demonstrierte, dass er von diesem Moment an die Geisttaufe im Glauben bereits empfangen habe.57 Es würde kein inständiges Bitten mehr von Flowers Seite her geben, und den Rest des Morgens, so sagte er, „saß ich auf dem Fußboden in einer Ecke und pries den Herrn für die Taufe im Heiligen Geist, die schon empfangen worden war.“ Als ihn andere zum Mittagessen befragten, ob er die Taufe empfangen habe, und bemerkten, dass er sogar anders aussehe, antwortete er, in seinen Worten, mit „einem herzhaften Ja!“ Während Flower unerschütterlich daran festhielt, dass er die Taufe im Heiligen Geist empfangen hatte, waren andere im Glaubenshaus nicht im Geringsten davon überzeugt. Später am Tag fragte ihn ein junger Mann, ob er ihm die Hände auflegen dürfe, und nach einem inneren Kampf willigte Flower ein, sich dem Wunsch des jungen Manns unterzuordnen. Das Ergebnis war eine weitere geistliche Erfahrung, aber diesmal kam sie in der Form von Freude und Lachen. „Ich weiß nicht, wie lange das anhielt“, schrieb er, „ich weiß nur noch, dass es schon nach Mitternacht war, als ich aufstand. Ich hatte immer noch nicht in Zungen gesprochen.“58 Am nächsten Tag reiste Flower ab, um eine Stelle in Kansas City anzutreten. Wieder einmal, so schrieb er, „versicherte ich allen, die mich befragten, dass ich die Taufe empfangen hätte. Trotz der Tatsache, dass ich nicht in Zungen gesprochen hatte, wurde mein Zeugnis akzeptiert. Es gab Erweise für den Heiligen Geist in meinem Leben.“59 Er verbrachte einen Teil des Sommers in Kansas City und dann zwei Monate in Lincoln, Nebraska, bevor er nach Indianapolis zurückkehrte. Sein Kommentar zu seiner Rückkehr nach India57 Flower : How I Received, Part 2, S. 6. 58 Ebd. 59 Ebd., S. 7.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

184

Cecil M. Robeck

napolis war derselbe. Er behauptete immer noch, dass er die Taufe im Geist schon empfangen hatte, aber „ich hatte noch nicht in Zungen gesprochen.“ Nach seiner Rückkehr nach Indianapolis trat er einen, in seinen Worten, „pfingstlichen Dienst“ an. Er predigte. Menschen wurden erlöst. Andere wurden vom Geist erfüllt. Er beschrieb sogar eine Begebenheit, in der er „böse Geister“ aus einer epileptischen Frau austrieb. Trotz dieser ganzen Aktivitäten fuhr er fort zu behaupten, dass er zwar die Taufe im Geist empfangen habe, aber nie den „anfänglichen physischen Erweis der Taufe, die Rede in anderen Zungen wie der Geist gibt auszusprechen.“60 Erst nach der Begebenheit, in der er böse Geister aus der epileptischen Frau ausgetrieben hatte, behauptete jemand, dass er gehört habe, wie Flower in Zungen gesprochen hatte, und zwar zu dem Zeitpunkt, als er die Geister austrieb. Als andere anzeigten, dass auch sie ihn in Zungen reden gehört hätten, schrieb Flower: „Dies gab mir eine gewisse Befriedigung, aber die Gewissheit meines Glaubens blieb in unveränderter Weise stark, wie sie es zuvor gewesen war. Ich hatte mich noch nicht selbst in anderen Zungen reden gehört.“61 Erst als er ein Camp Meeting am Stadtrand von Indianapolis im Juli 1910 leitete, hörte sich Flower schließlich selbst in Zungen reden. Als es passierte, kam es ohne Fanfaren, einfach und natürlich, während er mit einer jungen Frau betete. Flowers Zeugnis über seine Erfahrung der Geisttaufe ist unbestritten. Er hatte Gott gesagt, dass er die Taufe wollte. Er hatte angenommen, dass er die Taufe im Glauben empfangen hatte, als er seine symbolische Handlung vollzog, in der er aufstand, sich um 180 Grad herum drehte und wieder hinkniete. Wenn er anderen entgegentreten musste, die seiner Erfahrung genau darum mit Skepsis begegneten, weil er noch nicht in Zungen gebetet, so teilte er ihnen ohne Zögern mit, dass er die Taufe im Geist schon empfangen hatte. Flower behauptete, dass sein Leben andere Erweise der Gegenwart und Kraft des Geistes erkennen ließ, und dass darum schließlich viele, ebenso wie er selbst, zur Überzeugung gelangten, dass er die Taufe im Geist empfangen hatte, obwohl er noch nicht in Zungen gesprochen hatte. Ein solches Zeugnis ist für all jene problematisch, die eine dogmatische Position hinsichtlich der Notwendigkeit einnehmen, dass alle, die die Geisttaufe empfangen haben, die Zungenrede zum Zeitpunkt ihrer Geisttaufe vorweisen müssen. Für J. Roswell Flower war dies aber überhaupt kein Problem. Es ging ihm hier nicht um die Entwicklung einer Lehre, sondern er erzählte nur seine persönliche Geschichte. Tatsächlich erwähnt Flower an zwei Stellen explizit, dass er sein persönliches Zeugnis nur selten weitergab. Seine Gründe dafür hatten nichts damit zu tun, dass er nicht an die Lehre glaubte, zu deren Vertretung er sich als Geistlicher der Assemblies of God verpflichtet hatte, und auch nicht mit etwaigen Zweifeln an der Wirklichkeit dessen, was ihm widerfahren war. Er war überzeugt, dass seine Erfahrung echt und gültig 60 Ebd. 61 Ebd.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

185

war. Die Gründe, die er dafür angab, dass er sein Zeugnis nicht oft weitergab, sind sehr wichtig. Zunächst, sagte er, „könnten einige den Weg missverstehen, auf dem Gott mich geführt hatte.“ Er fuhr fort zu erklären, dass er dabei an jene dachte, die sich vielleicht damit zufrieden geben könnten, die äußere Erscheinung der Zungenrede nicht zu erwarten bzw. damit aufhören würden, sobald sie glaubten, die Taufe empfangen zu haben. Für Flower wäre das eine inakzeptable Schlussfolgerung aus seinem Zeugnis gewesen, insbesondere in Anbetracht der Position, die die Assemblies of God angenommen hatten. Flowers zweiter Grund war noch aufschlussreicher. Als eine führende Person in den Assemblies of God war ihm vollauf bewusst, dass die Assemblies of God sich eine Theorie der Taufe im Heiligen Geist zu eigen gemacht hatten, wie der Heilige Geist ihrer Ansicht nach regelmäßig handeln würde. Was für Flower hieran schwierig blieb, war, dass viele annahmen, der Heilige Geist würde immer und unausweichlich auf diese Weise handeln. Doch ihre Annahme, von der sie glaubten, dass sie auf der Bibel gegründet war, stimmte nicht mit J. Roswell Flowers persönlicher Erfahrung überein. Sie waren zu dem Schluss gekommen, dass so ein Zeugnis nicht akzeptiert werden kann. Sie würden jeden Anspruch auf die Geisttaufe zurückweisen, bevor die betroffene Person nicht in Zungen gesprochen hatte. Sie würden die Möglichkeit bestreiten, dass Flower die Taufe so erfahren haben könnte, wie er es geglaubt und bezeugt hatte. Flower wusste, dass, wie es seine Freunde in St. Louis viele Jahre zuvor getan hatten, die Entscheidungsträger in den Assemblies of God sein Zeugnis zurückweisen oder wenigstens uminterpretieren würden, um es an die eingeführte Lehre anzupassen. Zum Einen war Flowers Sorge also pastoral motiviert. Er wollte andere nicht den eigenartigen Fragen derjenigen Personen aussetzen, die ihr Zeugnis nicht als echt akzeptieren wollten. Diese pastorale Sorge sollte nicht unterschätzt werden. Meine eigene Glaubenserfahrung weicht ebenfalls erheblich von der Norm ab. Als jemand, der in einer Familie der Assemblies of God von Eltern erzogen wurde, die beide Diener des Evangeliums waren, kann ich mich nicht an eine Zeit erinnern, in der ich nicht glaubte. Doch ich erinnere mich noch gut an die intensive Befragung zu meinem „Bekehrungserlebnis“ während meiner Zulassung zum Prediger. Die Befrager, die mich zu diesem Thema bedrängten, wollten von mir eine Bekehrungserzählung hören, die auf einer deutlichen Krise oder Begegnung beruhte. So war es mir aber nie ergangen, und dies ließ so manche mit ernsthaften Anfragen an meinen Glauben zurück. Ich sah andererseits aber auch keinen Grund, meine Erfahrung zu verleugnen, die ebenso als das logische Resultat einer guten christlichen Erziehung verstanden werden konnte. Zum anderen hatte Flower auch pragmatische Gründe dafür, sein Zeugnis nicht weiterzugeben. Warum sollte er unnötige Fragen durch die Erzählung seiner Geschichte hervorrufen? Je weniger er über seine eigene Erfahrung sprach, dachte er, desto besser wäre es für alle. Im Ergebnis hatte sich Flower entschieden, in dieser Frage still zu bleiben anstatt seine Erfahrung anderen

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

186

Cecil M. Robeck

mitzuteilen. Flowers Ehrlichkeit bezüglich seiner Erfahrung ist sehr selten und seine pastorale Besorgnis ist bewundernswert. Die Tatsache, dass Stanley H. Frodsham, der Herausgeber des Pentecostal Evangel, Flowers Zeugnis überhaupt abdruckte, und zwar ohne Revision oder erkennbare Verlegenheit, ist ebenso ein Zeugnis von Integrität. Fast zwanzig Jahre später wurde derselbe Artikel noch einmal im Pentecostal Evangel veröffentlicht.62 Das Zeugnis wurde abermals in seiner ursprünglichen Form abgedruckt. Es wäre faszinierend zu erfahren, warum der damalige Herausgeber der Zeitschrift, Robert C. Cunningham, den Artikel für eine Wiederveröffentlichung ausgewählt hatte, angesichts der Probleme, die er verursachen könnte. Es wäre auch interessant zu erfahren, welche Unterhaltungen zwischen Flower und Cunningham stattfanden, die eventuell mit vier neuen Absätzen des Artikels in Verbindung stehen. Es ist interessant, dass Flower bei der Wiederveröffentlichung seines Zeugnisses nicht die Gelegenheit ergriff, seine früheren Aussagen zurückzunehmen, noch sein Zeugnis so umzuformulieren, dass es sich mit der akzeptierten Sprache der Assemblies of God deckte. Er hing lediglich vier kurze Absätze an den Artikel an. In diesen Absätzen berichtete Flower, dass er seit der Veröffentlichung seines Zeugnisses 1933 in seiner Überzeugung mehrfach bestärkt worden war, dass „der Heilige Geist und seine Fülle im Glauben empfangen werden sollten, und dass man ohne diesen Glaubensschritt nicht in die entscheidende Geisteshaltung des Harrens eintreten kann.“ Die Verheißung Christi würde sich in einem zweiteiligen Prozess erfüllen. „Der erste Schritt war der des Glaubens an die Verheißung: der Akt des Empfangens im Glauben. Der zweite Schritt war harren, loslassen, loben, preisen – vor Gott in der Zuversicht warten, dass seine Verheißung erfüllt werden würde.63 Er leugnete also seine Erfahrung nicht und er schrieb sein Zeugnis nicht um, aber er versuchte auf kluge Weise eine Akzeptanz für seinen Bericht zu erwirken, indem er ihn im Licht der akzeptierten TRADITION neu interpretierte. Es ist wichtig zu bemerken, dass sich Flower in den hinzugefügten Abschnitten nirgends dazu äußert, zu welchem Zeitpunkt es angemessen ist, in Zungen zu reden. Fünf Jahre später, am 2. Juni 1957, schrieb Dorothy Skoog einen Artikel mit dem Titel „Soldat des Glaubens“. Er beruhte auf Flowers vorher veröffentlichtem Zeugnis und erschien in Live, dem Magazin der Assemblies of God für die Sonntagsschule für Erwachsene, das all diejenigen erhielten, die den Sonntagsschul-Lehrplan des Gospel Publishing House bezogen. In ihrer Nacherzählung berichtete Skoog abermals, wie Flower bemerkte, dass er und Gott sich auf parallelen Pfaden befanden und dass er nach einer äußeren

62 Flower, J. Roswell: How I Received the Baptism in the Holy Spirit [Part 1]. In: The Pentecostal Evangel (1952), S. 5 – 7; Flower, J. Roswell: How I Received the Baptism in the Holy Spirit [Part 2]. In: The Pentecostal Evangel (1952), S. 5, 12 – 13. 63 Flower : How I Received, Part 2, S. 13.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

187

Erscheinung suchte und sich weigerte zu glauben, bis diese empfangen worden war. Schließlich rief er „Ich glaube“ und in diesem Moment überbrückte der Glaube die Distanz. In jener Nacht, nachdem er den größten Teil des Tages mit Lob und Preis verbracht hatte, fiel die Kraft Gottes und wallte in Roswell Flowers Wesen auf, von Kopf bis Fuß, „wie Wasserströme.“

Skoog setzte Flowers Zeugnis in einer Weise fort, die mit Flowers Worten übereinstimmte, und fasste schließlich seinen Empfang der Zungenrede mit folgenden Worten zusammen: „Der verzögerte Erweis kam Monate später, so natürlich und so unerwartet, dass er für ihn selbst zwar zunächst unerkannt blieb, doch für die anderen Umstehenden deutlich war.“64

Das Zeugnis von Donald Gee Donald Gee war ein Zeitgenosse von J. Roswell Flower, der jedoch in Großbritannien lebte und in den dortigen Assemblies of God diente. Doch wie J. Roswell Flowers war auch sein Dienst international und viele seiner Artikel und Bücher wurden wiederholt vom Gospel Publishing House und im Pentecostal Evangel veröffentlicht. Wie von J. Roswell Flower kann man von Donald Gee mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die Assemblies of God in den USA seinen Dienst weithin anerkannten und befürworteten. Im Jahr 1932 veröffentlichte das Gospel Publishing House Donald Gees Buch Pfingsten. Das Buch begann mit einem Abschnitt, den er mit „Mein persönliches Zeugnis über Pfingsten“ überschrieb.65 In seiner Darstellung bemerkt Gee, dass er sich im Oktober 1905 in einer kongregationalistischen Kirche im Norden Londons bekehrte, als Seth Joshua, einer der Prediger der Erweckungsbewegung von Wales, besondere Versammlungen in der Kirche abhielt. Von 1905 bis 1912 war Gee ein aktives Mitglied dieser Kirchgemeinde und tauchte immer tiefer in das kirchliche Leben ein, insbesondere hinsichtlich des gemeinschaftlichen Aspekts. Während eines Abendmahlsgottesdienstes Anfang 1912 wurde ihm bewusst, wie leichtfertig er an dieser tiefgründigen Handlung teilnahm, und von nun an begann er, über seine geistliche Verfassung nachzudenken. Als sich seine Mutter zu etwa derselben Zeit in einer baptistischen Kirche taufen ließ, folgte er ihr und ließ sich ebenfalls dort im Februar 1912 taufen. Doch selbst nachdem er getauft worden war, rang er um den Sinn von alledem. In der Frage 64 Die Zitate stammen aus Skoog, Dorothy : Soldier of Faith. In: Live (1957), S. 2 – 4, hier S. 2, Hervorhebungen sind von mir. Dies ist der erste bekannte Beleg für die Verwendung des Ausdrucks „verzögerter Erweis“ zur Bezeichnung des zeitlichen Abstands zwischen Flowers wirklicher Geisttaufe und seiner Erfahrung der Zungenrede, wie der Geist auszusprechen gab. 65 Gee, Donald: Pfingsten. Reisach: Karl Fix Verlag, 1948, S. 5 – 9. [Der engl. Originaltext befindet sich in Gee, Donald: Pentecost. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1932, S. 10 – 13.]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

188

Cecil M. Robeck

nach seiner Erlösung fand er aber schließlich seinen Frieden, indem er „sich im Glauben fest an Röm 6,4 hielt.“66 Im Frühling jenes Jahres lernte Donald Gees Mutter einen Missionar kennen, der erst kürzlich von Pandita Ramabais Mukti-Mission in Indien zurückgekehrt war. Ihr Zeugnis davon, was Gott in ihrem Leben als Ergebnis der Taufe im Heiligen Geist getan hatte, beunruhigte Gee, aber im Sommer 1912 nahm er bereits an einem pfingstlichen Gottesdienst teil. Dort hörte er zum ersten Mal jemanden in Zungen reden, und er war sofort davon überzeugt, dass es sich um eine „durchaus biblische Erscheinung“ handelte.67 Gegen Ende des Jahres nahm Gees Mutter regelmäßig an pfingstlichen Gottesdiensten teil, aber Gee fing an, diese aus Angst zu meiden. Im Januar 1913 nahm Gee mit seiner Mutter an einer Versammlung im Missionary Rest Home in 73 Highbury, New Park, London teil. Nach Abschluss der Versammlung konnte er es kaum erwarten zurückzukommen. „Obwohl ich nun von der Pfingstwahrheit völlig überzeugt war und an den Versammlungen großen Gefallen fand“, schrieb er, „machte ich nicht sogleich den Versuch, die Geistestaufe für mich selbst zu erlangen.“68 An einem Mittwochabend-Gottesdienst im März 1913 forderte ihn der Veranstaltungsleiter heraus und fragte, warum er noch nicht im Geist getauft sei. Donald Gee antwortete, dass er nicht an den langen Sitzungen teilnehmen wollte, in denen man auf den Geist Gottes wartete. Der Mann sagte ihm, dass dies nicht nötig sei und las ihm Lk 11,13 und Mk 11,24 vor. Darauf fragte er Gee ob er daran glaubte, was er ihm gerade vorgelesen hatte. Gee bejahte die Frage und berichtete später : […] indem ich meinen Glauben bekannte, war es, als ob Gott vom Himmel herab die absolute Gewißheit in mein Herz senkte, daß diese Verheißungen in demselben Augenblick tatsächlich an mir erfüllt würden. Ich erlebte keine unmittelbare Kundgabe, doch ich ging überglücklich nach Hause, nachdem ich die Geistestaufe „durch Glauben“ empfangen hatte. Ich erkannte jedoch klar, daß das Erlebnis, dessen Verwirklichung ich dem Worte Gottes zugetraut hatte, auch mit einer schriftgemäßen Kundgabe des Geistes wie in der Apostelgeschichte verbunden sein müsse, und daher wartete ich voller Zuversicht darauf, ohne etwas anderes zu denken.

Gee ging mit der Überzeugung nach Hause, dass „Gott wirklich seine Verheißung in mir erfüllt hatte.“ Wenn er betete, fiel es ihm immer schwerer, seine Gefühle in angemessenen Worten auszudrücken. In Gees Worten haben wir folgendes Zeugnis: So ging es etwa zwei Wochen lang fort. Da, als ich eines Abends vor dem Schlafengehen ganz allein neben meinem Bette betete und wieder einmal kein englisches Wort fand, um die Überfülle meiner Seele auszudrücken, merkte ich, wie ich anfing, Worte 66 Gee: Pfingsten, S. 5. 67 Ebd., S. 6. 68 Ebd., S. 7.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

189

in einer neuen Sprache zu äußern. Ich war in einem Zustand geistlicher Ekstase und völlig in den Herrn versenkt. Zum ersten Mal empfand ich persönlich das Erlebnis, auf welches in 1. Kor. 14,2 Bezug genommen wird.69

Nach der Veröffentlichung seines Buchs im Jahr 1932 predigte Donald Gee auf dem Camp Meeting in Eureka Springs, Arkansas. Seine Predigt mit dem Titel „Er wird Euch mit dem Heiligen Geist taufen“ wurde im Januar des nächsten Jahres im Pentecostal Evangel veröffentlicht.70 Gee wählte Mk 1,8 als Predigttext und deklarierte ihn zu „einem wirklich pfingstlichen Text!“. Darauf begann er mit einer Auslegung des Texts, die von zwei Taufen handelte, eine im Wasser und eine im Heiligen Geist. Etwa zur Hälfte seiner Predigt berichtete Gee der Versammlung von seiner eigenen Erfahrung: In einer alten Bibel zu Hause habe ich auf das Deckblatt zwei Daten geschrieben: getauft im Wasser, 5. Februar 1912; getauft im Geist, 13. März 1913. Ich gehe so gern zu unserem Missionary Rest Home in London. Manchmal, wenn wir unseren Missionsrat dort haben und die Brüder es erlauben, dann gibt es dort einen bestimmten Ort an dem ich gern sitze. Ich frage sie dann, ob ich meinen Stuhl an eine bestimmte Stelle auf dem Teppich stellen kann. Ich liebe es an dieser Stelle zu sitzen, denn das war genau der Ort, an dem mich der Herr mit dem Heiligen Geist und Feuer getauft hatte. Ich scheue mich nicht, die Taufe im Geist so genau festzulegen.71

Damit bestätigt Gee in diesem Text noch einmal, dass er die Taufe im Geist im Missionary Rest Home empfangen hatte, wo der Versammlungsleiter ihn kurz angeleitet hatte und er die Taufe im Geist als schon empfangen angenommen hatte. Angesichts seiner Angaben über den Ort, an dem er zuerst in Zungen gesprochen hatte, also in seinem Haus zwei Wochen später und beim alleinigen Gebet, kann dieses Zeugnis nur eines bedeuten: Gee glaubte, dass er mit dem Geist am 13. März 1913 getauft worden war, und an zwei verschiedenen Stellen behauptete Gee, dass dies im Missionary Rest Home in 73 Highbury, New Park, London geschehen war. Aber dies war nicht der Ort, an dem er zuerst in Zungen sprach, denn das war bei ihm zu Hause, vor seinem Bett, gute zwei Wochen später. Dieser Sachverhalt lässt sich nicht wegdiskutieren, wenn Gees Worte noch irgendeine Bedeutung haben sollen. Im Jahr 1941 teilte Gee erneut sein Zeugnis mit, diesmal in seinem Buch The Pentecostal Movement. Die Details sind im Wesentlichen dieselben, obwohl die Wortwahl diesmal anders ist, was zum Teil daran liegt, dass er sie in der dritten Person und nicht in der ersten erzählt. Als der Versammlungsleiter ihn fragte, ob er glaubte, was er aus der Schrift vorgelesen hatte, beschrieb Gee seine Reaktion so: 69 Beide Zitate finden sich in ebd., S. 7 f. 1Kor 14,2 ist laut der Lehre der Assemblies of God ein Verweis auf die „Gabe“ der Zungen. 70 Gee, Donald: He Shall Baptize You with the Holy Ghost. In: The Pentecostal Evangel (1933), S. 2 – 3. 71 Ebd., S. 3.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

190

Cecil M. Robeck

Als der junge Mann mit ,ja‘ antwortet, kommt in sein Herz vom Himmel selbst eine göttliche Glaubensgewissheit, die seine einfache Bejahung mit weitaus mehr als einer lediglich verstandesmäßigen Zustimmung ausstattet. Er läuft wie auf Wolken nach Hause und spricht zu sich selbst „Ich bin getauft im Geist: kein Warten: ich habe empfangen.“72

In diesem Buch machte Gee seinen Lesern nicht deutlich, dass noch zwei Wochen vergingen, bevor er in Zungen betete. Er sagte einfach: „Aber später, als er vor seinem Bett allein kniet, steigen Lob und Preis in ihm in einem solch unaussprechlichen Fülle auf, dass er sich plötzlich beim Zungenreden wiederfindet, wie der Geist ihm gibt auszusprechen.“73 Es bleibt wichtig zu unterstreichen, dass Gee nach seiner Ansicht zu einem Zeitpunkt in Zungen sprach, der um einiges später kam, als seine Glaubensüberzeugung, die Taufe im Geist empfangen zu haben. Die Weise wie Gee das bewertet, was Gott in seinem Leben getan hatte, steht im Einklang mit seinem persönlichen Zeugnis. Wie J. Roswell Flower, erkannte auch Gee, dass seine Erfahrung weder zur Norm noch zum Muster passte, nach denen die anderen den Empfang der Geisttaufe erfahren hatten; und dennoch verleugnete er seine Erfahrung nicht. Er formulierte dies so: Nicht alle empfangen genau auf diese Weise, wie viele der aufgezeichneten Zeugnisse in dieser Geschichtsdarstellung zeigen, aber nach über achtundzwanzig Jahren hat er [der Protagonist des Buches] nichts auszusetzen an dem Weg, den der Herr in seiner Gnade für ihn selbst auswählte.74

Diese Überlegungen geben deutlich zu erkennen, dass er seine eigene Erfahrung als unregelmäßig im Vergleich zum Zeugnis anderer betrachtete. Es mag die Norm gewesen sein, im Geist getauft zu werden und sofort in Zungen zu reden. Aber mit seiner persönlichen Erfahrung war es anders und auch nach achtundzwanzig Jahren hatte er nichts an Gott auszusetzen hinsichtlich der Art und Weise, wie er ihn getauft hatte. Abermals ist es wichtig zu erkennen, dass Gee aus keinem seiner persönlichen Zeugnisse eine Lehre entwickelte. Er legte einfach nur Zeugnis von seiner Erfahrung ab, wie er Gottes Wirken in seinem Leben verstand. Er erkannte, dass diese Erzählung nicht zu dem passte, was in der von den Assemblies of God angenommenen Lehre beschrieben wurde. Aber er wäre nicht bereit gewesen seine persönliche Erfahrung der Taufe im Geist zu verleugnen. In Gees Ansicht hatte Gott den Weg ausgewählt, auf dem sie stattgefunden hatte, und dieser Weg war immer noch gut genug.

72 Gee, Donald: The Pentecostal Movement: A Short History and an Interpretation for British Readers. London: Victory Press, 1941, S. 91. Hervorhebungen im Original. 73 Ebd. 74 Ebd.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

191

Das fortwährende Wachstum der TRADITION Angesichts der Veränderungen hinsichtlich der Taufe im Geist und der Zungenrede in der „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“ im Jahr 1918 mögen die Zeugnisse von Flower und Gee als Ausnahmeerscheinungen gelten, aber die nachfolgenden Veränderungen in der TRADITION zur Zungenrede als anfänglichem physischem Erweis der Geisttaufe führten zu einer unnötigen Distanzierung von den Erfahrungen dieser beiden Personen durch einige Leiter der Assemblies of God. Im Jahr 1925 begann man, an der „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“ zu arbeiten, was schließlich weitere Veränderungen hervorbringen würde. Einzelne Abschnitte wurden umgestellt und neu nummeriert, aber die wesentlichste Veränderung geschah in der Überschrift des Artikels acht (vorher Artikel sechs) der Erklärung. Was vorher „Der endgültige Vollzug der Taufe im Heiligen Geist“ bezeichnet wurde, wurde nun in „Der Erweis der Taufe im Heiligen Geist“ umbenannt. Die Erklärung wurde 1927 von der Generalversammlung verabschiedet.75 Im Jahr 1959, demselben Jahr, in dem Thomas Zimmerman zum Generalsuperintendent der Assemblies of God gewählt wurde, votierte die Generalversammlung für die Autorisierung eines „repräsentativen und beratenden Komitees“ von „sieben Männern mit gereifter Erfahrung, deren Aufgabe es sein solle, eine gründliche und umfassende Erklärung der fundamentalen Glaubensinhalte“ zu erarbeiten.76 Diese Maßnahme würde zur ersten größeren Revision der „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“ führen, die die Assemblies of God erfuhren. Es lassen sich zwei Beobachtungen festhalten, die andeuten, worin der Bedarf für dieses Komitee bestand. Die erste Beobachtung liegt in der Empfehlung selbst. Es wurde bemerkt, dass die „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“ der Assemblies of God bis 1959 keine „Erwähnung einiger zentraler Lehrbegriffe und Glaubensinhalte“ beinhaltete, „die grundlegend für die Lehre der Assemblies of God sind.“77 Offensichtlich hatten alle früheren Wiedergaben der „fundamentalen Wahrheiten“ bestimmte Themen übersehen, etwa, dass sie keine Aussage zur Gottheit Christi trafen. Es wurde einfach angenommen, dass alle Pastoren der Assemblies of God eine solche Lehre glaubten, was sicherlich der Fall war. Der zweite Grund ist nicht schriftlich niedergelegt, erklärt jedoch am besten, weshalb das Komitee gerade zu dieser Zeit angefordert wurde. Thomas F. Zimmerman hatte vor seiner Wahl zum Generalsuperintendenten der Assemblies of God ausgiebig mit der National Association of Evangelicals zu75 Constitution and Bylaws of the General Council of the Assemblies of God Including Essential Resolutions Revised and Adopted September 16 – 22, 1927. Springfield, MO: Office of the Secretary, 1927, S. 6 – 7, 69. 76 Minutes of the Twenty-Eighth General Council of the Assemblies of God Convened at San Antonio, Texas, August 26–September 1, 1959. Springfield, MO: Office of the Secretary, 1959, S. 46. 77 Ebd.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

192

Cecil M. Robeck

sammengearbeitet. In zwei Jahren sollte er zudem der Vorsitzende der National Association of Evangelicals werden, als erster Pfingstler in dieser Position. Ebenso sollte er bald der Vorsitzende der Pentecostal World Conference werden. Außerdem wurde Zimmerman zum Generalsuperintendenten genau zu der Zeit gewählt, als die charismatische Erneuerung die historischen Kirchen erreichte. Es ist wahrscheinlich, dass jemand in der National Association of Evangelicals oder an anderer Stelle in Zimmermans größerer kirchlicher Welt ihn auf die deutliche Auslassung eines Hinweises auf die Gottheit Christi aufmerksam gemacht hatte, ebenso wie sie ihm bestimmt nahelegten, sich die Aussagen zur Schrift anzusehen. Einmal mehr wurde die Lehre der Taufe im Geist und ihrer Beziehung zur Zungenrede überprüft und neu geschrieben. Artikel acht der „Erklärung der fundamentalen Wahrheiten“ bezüglich des Erweises der Taufe im Geist wurde belassen, aber der Artikel sieben erhielt wesentliche Revisionen. Er lautete nun: 7. Die Taufe im Heiligen Geist Alle Gläubigen haben Anspruch auf das Versprechen des Vaters und sollten es inbrünstig erwarten und ernsthaft suchen, nämlich die Taufe mit dem Heiligen Geist und Feuer, nach dem Befehl unseres Herrn Jesus Christus. Das war die normale Erfahrung aller in der frühen christlichen Kirche. Mit ihr einher geht die Bevollmächtigung für das Leben und für den Dienst, die Verleihung der Gaben und ihre Anwendung in der Arbeit des geistlichen Diensts. (Lk 24,49; Apg 1,4; 1,8; 1Kor 12,1 – 31.) Diese [wunderbare] Erfahrung ist von der Erfahrung der Bekehrung verschieden und ihr nachzeitig. (Apg 8,12 – 17; 10,44 – 46; 11,14 – 16; 15,8 f.). Mit der Taufe im Heiligen Geist gehen solche Erfahrungen einher, wie eine überfließende Fülle des Geistes (Joh 7,37 – 39; Apg 4,8), eine vertiefte Ehrfurcht vor Gott (Apg 2,43; Hebr 12,28), eine intensivere Weihe für Gott und Hingabe an Sein Werk (Apg 2,42), und eine aktivere Liebe zu Christi, zu seinem Wort und zu den Verlorenen (Mk 16,20).78

Die Veränderungen an der nun wachsenden TRADITION waren insgesamt Veränderungen, welche auf die Ansprüche reagierten, wie sie zu dieser Zeit in der charismatischen Erneuerung erhoben wurden. Es gab viele Zeugnisse von Christen, die im Geist getauft wurden und in ihren historischen Kirchen blieben, und die Wortwohl ihrer Zeugnisse war auffällig ähnlich. Es schien, als sei die „Erklärung“ gerade für diese Zeit revidiert worden war. Als ob dies noch nicht genug wäre, begann Thomas F. Zimmerman, persönliche „Positionspapiere“ aufzusetzen, und ab den 1970ern hatte die Generalversammlung eine ständige „Kommission für die Reinheit der Lehre“ 78 Minutes of the Twenty-Ninth General Council of the Assemblies of God Convened at Portland, Oregon, August 23 – 29, 1961. Springfield, MO: Office of the Secretary, 1961, S. 22. Die Hervorhebung ist von mir und soll Änderungen oder Hinzufügungen zum Text des Vorjahres kennzeichnen. Das Wort „[wunderbar]“ wurde in der neuen Fassung entfernt.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

193

[„Doctrinal Purity Commission“] aufgestellt. Die „Kommission“ arbeitete zusammen mit dem General- und dem Exekutiv-Presbyterium und begann, eine Reihe von „Positionspapieren“ zu verabschieden, von Abtreibung über transzendentale Meditation bis hin zum „Anfangserweis“. Nichtsdestoweniger erschien jede Äußerung suspekt, die als Anfrage an die Position der Assemblies of God zu Themen im Zusammenhang mit Taufe im Geist und Zungenrede verstanden werden konnte. Das Beispiel von Russell P. Spittler, dem dieser Aufsatz gewidmet ist, verweist auf die Stimmung vieler anderer. Mit den 1970ern wurden sogar gut gemeinte Fragen als unakzeptabel angesehen. Die TRADITION war stärker als je zuvor.

Die Gedankenspiele Russell P. Spittlers Dr. Russell P. Spittler war 1977 einer der Begründer und Herausgeber des Magazins Agora: Ein Meinungs-Magazin in den Assemblies of God. In den fünf Jahren, in denen Agora publiziert wurde, war Spittler für seine aufschlussreichen Leitartikel bekannt, die regelmäßig unter dem Titel „Agoraffiti: Marktplatz-Kritzeleien von Russell P. Spittler“ erschienen. In den ersten zwei Ausgaben von Agora steuerte Spittler einen wichtigen Artikel bei, der als ein reflektierender Essay dazu gedacht war, was er als „theologische Grundierung“ der pfingstlichen Frömmigkeit bezeichnete. Er überschrieb den Titel mit „Die pfingstliche Tradition: Betrachtungen eines ,Ichthys‘-iasten.“79 In seinem Artikel machte Spittler mehrere scharfsinnige Beobachtungen über die Pfingstbewegung in der Mitte der 1970er Jahre, von denen drei hier einer besonderen Erwähnung wert sind. Erstens beobachtete er, dass die Lehre über die Taufe im Geist „ihrer Bedeutung nach nicht der Lehre vom dreieinigen Gott, der Gottheit Christi, der Sünde des Menschen, oder der Erlösung durch den Glauben an einen auferstandenen Heiland gleichkommt.“80 Er wollte diese Lehre damit nicht in irgendeiner Weise gering schätzen; er wollte nur bemerken, dass die Lehre von der Taufe im Heiligen Geist in Bedeutung verblasse, wenn sie neben eine Lehre wie die Gottheit Christi gestellt wurde. Was man über Christus glaubte, war entscheidend für das eigene Heil. Was man über die Taufe im Geist glaubte, war nicht entscheidend für das eigene Heil, auch wenn es bedeutend zum Dienst eines Gläubigen beitrug.81 Eine solche Aussage bedeutet nicht, dass die Lehre der Taufe im Geist unwichtig sei; 79 Spittler, Russell P.: The Pentecostal Tradition: Reflections of an “Ichthus”-iast [Part 1]. In: Agora: A Magazin of Opinion within the Assemblies of God 1, Nr. 1 (1977), S. 8 – 11; Spittler, Russell P.: The Pentecostal Tradition: Reflections of an “Ichthus”-iast [Part 2]. In: Agora: A Magazin of Opinion within the Assemblies of God 1, Nr. 2 (1977), S. 16 – 19. 80 Spittler : Pentecostal Tradition, Part 1, S. 10. 81 Diese Argumentation wird deutlich vom Exekutiv-Presbyter David Argue dargelegt in Truth 101. In: The Pentecostal Evangel (1995), S. 14 – 15.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

194

Cecil M. Robeck

sondern nur, dass sie angemessen eingeordnet wird. Dies ist genauso, als ob man den Unterschied zwischen dem Evangelium des Johannes und dem Hohelied Salomos bemerkt. Beide gehören zur Schrift. Aber wenn wir eine Auswahl hätten, welchen dieser Auszüge der Schrift wir Ungläubigen geben wollten, würden wir immer das Johannesevangelium wählen. Als Teil dieses Arguments beobachtete Spittler, dass es zwanzig Jahrhunderte gebraucht hatte, bis jemand die Lehre von der Taufe im Geist entwickelt hatte, und dann wurde sie ausgerechnet von der Gruppe entwickelt und verfeinert, die behauptet hatte, kein Interesse an solchen Festlegungen zu haben, nämlich den Assemblies of God.82 Er bemerkte weiterhin, dass die Präambel zur „Erklärung der Fundamentalen Wahrheiten“ die wichtige einschränkende Erklärung enthielt, dass „die Formulierungen, die in dieser Erklärung Anwendung finden, weder inspiriert sind, noch verfochten werden.“ Als diese Präambel geschrieben wurde, war sie sicherlich dazu bestimmt, die Verfasser davor zu bewahren, ein pfingstliches „Lehramt“ zu entwickeln, das behaupten könnte, dass seine Arbeit vom Heiligen Geist geführt sei und dass seine Entscheidungen Teil einer wachsenden „TRADITION “ darstellten, die sich bis zu dem von den Aposteln hinterlassenen Glaubensschatz erstreckte. Spittler äußerte jedoch auch seine Nervosität über die relative Stärke der darauf folgenden Worte: „ […] aber die dargelegte Wahrheit wird als wesentlich für einen Dienst nach dem vollen Evangelium erachtet.“ Er wies darauf hin, dass „der zweite Teil des Satzes den ersten nicht überschatten sollte.“83 Zusammengenommen böten sie ein Gleichgewicht. Wenn aber die zweite Hälfte des Satzes die erste überwiegen würde, dann wäre deutlich, dass das „Lehramt“ nicht mehr weit entfernt sei. Zweitens beschäftigte sich Spittler mit der Frage der „Nachzeitigkeit“ der Geisttaufe, also dem Teil der Lehre der Assemblies of God über die Taufe im Geist, die selbige von der Wiedergeburt unterschied.84 Sein Kommentar zielte vor allem auf die kürzlich publizierte Zurückweisung dieser Lehre durch F. Dale Bruner.85 Spittler bemerkte, dass wenngleich die Lehre der Nachzeitigkeit „üblich“ ist, sie für eine pfingstlich-theologische Position nicht „notwendig“ sei. Spittler argumentierte: „Ich habe noch nie Einwände gegen ,Errettung und Erfüllung‘ als ein und dieselbe gleichzeitige Erfahrung gehört.“86 Seinem Verständnis nach lag der Grund für das Argument für die Nachzeitigkeit der Geisttaufe lediglich darin, dass eine solche Erfahrung verfügbar, ja sogar empfehlenswert für diejenigen war, die schon Christen waren, und dass 82 Preamble and Resolution, S. 4. 83 Spittler : Pentecostal Tradition, Part 1, S. 10. 84 „Diese Erfahrung [der Taufe im Heiligen Geist] ist von der Erfahrung der Wiedergeburt unterschieden und folgt zeitlich auf sie. (Apg 8,12 – 17; 10,44 – 46; 11,14 – 16; 15,7 – 9)” Dies ist ein Teil der Constitution, S. 92. 85 Bruner, Frederick D.: A Theology of the Holy Spirit: The Pentecostal Experience and the New Testament Witness. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1970, S. 61 – 76. 86 Spittler : Pentecostal Tradition, Part 1, S. 10.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

195

der Zeitpunkt dieses Ereignisses innerhalb des Lebens als Christ „gegenstandslos“ war. Außerdem ließe das Ausmaß der Zeit, die Pfingstler mit der Diskussion von Ideen wie „Nachzeitigkeit“ und „zweites Heilswerk“ verbrachten, nur erkennen, dass sie stärker an Chronologie interessiert waren als die Schrift selbst, von der sie doch behaupteten, dass sie die Diskussion bestimme.87 Drittens beschäftigte sich Spittler mit mehreren Aspekten des Konzepts des „Erweises“. Er wies darauf hin, dass die Idee des „Erweises“ selbst nicht „zentral biblisch“ sei, und dass das Wort „Erweis“ in der Schrift keinen Gebrauch finde. Dann bemerkte er, dass der Umstand, dass die Heiden in Apg 10,46 in Zungen sprachen und Gott hoch lobten, für die Judenchristen bedeutete, dass der Geist auf Heiden gekommen war, wie auch „am Anfang“ auf sie selbst. Daraus folgerten sie nicht, dass diese Heiden jetzt Kraft für den Dienst hatten, sondern dass Heiden Christen sein konnten. Noch zugespitzter für unsere Diskussion war aber Spittlers Beobachtung, dass „die Bibel keine direkte Antwort gibt“ auf die Frage „Kann man im Heiligen Geist getauft sein ohne in Zungen zu reden?“ Diese Beobachtung, so bemerkte er, könnte am Ende anzeigen, dass die Frage in wesentlicher oder grundlegender Hinsicht falsch gestellt sei.88 In nachfolgenden Ausgaben von Agora druckten die Herausgeber eine Anzahl von Briefen, die sie von Lesern aus dem ganzen Land erhalten hatten. Dieser Teil des Magazins hieß „Stäubchen und Strahlen“ [“Motes and Beams”]. Während sich eine ganze Reihe von Personen positiv zu Spittlers Beobachtungen zur Lehre der Geisttaufe äußerten, waren andere alles andere als glücklich. Wie ein aufgebrachter Pastor bemerkte, wäre „ein solcher Artikel, verbreitet in einem solchen Forum, der Grund für eine Abberufung, und zwar zu Recht!“ Er fuhr mit der Ankündigung fort, dass er im Begriff sei, seinen Brief mit einer Kopie des entsprechenden Artikels an Spittlers Superintendenten weiterzuleiten, in der Hoffnung, dass seine Aktion, „wie bei Krebs eine schmerzhafte Amputation helfen kann, den ganzen Organismus zu retten.“89 Aus dem Hauptsitz der Assemblies of God rief jemand den Superintendenten von Spittlers Distrikt, William Robertson, an, und bat darum, dass Spittlers „theologische Unzulänglichkeiten“ im Hinblick auf zwei Punkte untersucht würden, nämlich, ob Spittlers Lehre von der Schrift und seine Lehre zur Geisttaufe mit der Position der Assemblies of God übereinstimmten? Als der Superintendent des Distrikts mit diesen Fragen konfrontiert wurde, blieb ihm keine Wahl als darauf einzugehen. Spittler wurde zu einem Treffen mit dem Superintendenten einbestellt, der ihn zu zwei Aspekten befragte: zur Schrift und zur Taufe im Geist. Er hörte Spittler sorgfältig an. Als er 87 Spittler : Pentecostal Tradition, Part 2, S. 16. 88 Spittler : Pentecostal Tradition, Part 1, S. 11. 89 Bare, Michael J.: The Editors. In: Agora: A Magazin of Opinion within the Assemblies of God 1, Nr. 2 (1977), S. 15.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

196

Cecil M. Robeck

sich zu seiner Zufriedenheit vergewissert hatte, dass Spittler weder die Satzung noch Statuten der Assemblies of God verletzt hatte, noch die Integrität der Dienstgemeinschaft im Distrikt, meldete der Superintendent des Distrikts seine Ergebnisse weiter an Springfield [dem Hauptsitz der Assemblies of God] und weigerte sich, der Sache weiter nachzugehen. Was Spittler mit seinem Artikel demonstriert hatte, war die Möglichkeit, zur selben Zeit kritisch und loyal mit der Gemeinschaft zu sein – ein Thema, das Gordon Fee in derselben Ausgabe von Agora ansprach, und das Spittler in beispielgebender Weise im Verlauf seines Dienstes vorgelebt hat.90 Diese Begebenheit demonstrierte aber auch die Empfindlichkeit einiger Personen innerhalb der Assemblies of God, nicht nur hinsichtlich abweichender Meinungen, sondern auch hinsichtlich jeder Art von Anfragen zur Lehre des anfänglichen Erweises der Geisttaufe, zu einer Zeit, da diese Lehre am stärksten von evangelischen Theologen angegriffen wurde. Auf die Arbeit von F. Dale Bruner folgte die Ausarbeitung von James D. G. Dunn,91 und die Anfragen, die sie an pfingstliche Theologien in Bezug auf die Lehren zur „Taufe im Geist“ stellten, erforderten ein Überdenken der pfingstlichen Positionen. Als pfingstlicher Theologe hatte Spittler die Führung in der Beantwortung der aufgeworfenen Themen übernommen. Andere Exegeten und Historiker folgten ihm in ihren eigenen Versuchen, die TRADITION neu zu denken und auf neu formulierte Fragen anderer Akademiker zu reagieren, und zwar in einer Weise, die mit biblischen Begriffen operierte und im Einklang mit den oben dargelegten Gegebenheiten der Geschichte der Assemblies of God stand.92

90 Fee, Gordon D.: Critical Loyalty. In: Agora: A Magazin of Opinion within the Assemblies of God 1, Nr. 2 (1977), S. 10 – 11. 91 Dunn, James D. G.: Baptism in the Holy Spirit: A Re-Examination of the New Testament Teaching on the Gift of the Spirit in Relation to Pentecostalism Today. Naperville, IL: Alec R. Allenson, Inc., 1970 (Studies in Biblical Theology 15). 92 Stronstad, Roger: The Charismatic Theology of St. Luke. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1984; Menzies, Robert P.: Empowered for Witness: The Spirit in Luke-Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1994 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 6); Israel, Richard D.; Albrecht, Daniel E.; McNally, Randall G.: Pentecostals and Hermeneutics: Texts, Rituals and Community. In: Pneuma 15, Nr. 2 (1993), S. 137 – 161; Cargal, Timothy B.: Beyond the Fundamentalist-Modernist Controversy : Pentecostals and Hermeneutics in a Postmodern Age. In: Pneuma 15, Nr. 2 (1993), S. 163 – 187; Archer, Kenneth J.: Pentecostal Hermeneutics: Retrospects and Prospects. In: Journal of Pentecostal Theology 8 (1996), S. 63 – 81; Menzies, Robert P.: Evidential Tongues: An Essay on Theological Method. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 1 (1998), S. 111 – 123; Macchia, Frank D.: Groans Too Deep for Words: Towards a Theology of Tongues as Initial Evidence. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 1 (1998), S. 149 – 173; Chan, Simon: Evidential Glossolalia and the Doctrine of Subsequence. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 2 (1999), S. 195 – 211; Chan, Simon: Pentecostal Theology and the Christian Spiritual Tradition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 21).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

197

Die ungerechtfertigte Revision der Geschichte Mehrere Vorfälle aus den letzten Jahren zeigen, dass es nicht mehr akzeptabel ist, bei der Beantwortung neuer Fragen von Kritikern der Bewegung bestimmte Lehren überhaupt zu überdenken oder die Geschichte im Licht neuer Erkenntnisse zu schreiben. Diese Arbeiten müssen nun vielmehr innerhalb der Beschränkungen stattfinden, die ein in den Assemblies of God aufkommendes Lehramt auferlegt. Einer der Vorfälle, der auf diese Tendenz verweist, hängt mit der neueren Verwendung des von J. Roswell Flower geschriebenen Zeugnisses zusammen. Im Jahr 1993, nach dem Tod J. Roswell Flowers, als er nicht mehr für sich selbst sprechen konnte, veröffentlichte der Pentecostal Evangel noch einmal sein Zeugnis. Diesmal war Richard Champion Herausgeber des Magazins und das Zeugnis erschien in einer stark gekürzten Version.93 Das Interessanteste an dieser Version von Flowers Zeugnis ist, was in der Darstellung fehlt. Verschwunden ist jeder Hinweis darauf, dass Flower glaubte, dass er die Taufe im Geist empfangen hatte, als er noch in St. Louis war. Sein Zeugnis lässt vielmehr den Leser im Glauben, dass er immer noch die Taufe suchte, als er nach Kansas City zog und drei Jahre später nach Indianapolis. Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit seiner Rückkehr nach Indianapolis. Hier wird deutlich festgestellt, dass er noch nicht „den anfänglichen physischen Erweis der Taufe“ empfangen hatte. Da der entscheidende Teil von Flowers Zeugnis über St. Louis fehlt, bleibt beim Leser der Eindruck zurück, dass er nie beansprucht habe, die Taufe empfangen zu haben, und dass dies auch tatsächlich nicht der Fall gewesen sei. Schließlich hatte er ja noch nicht den Erweis empfangen. Ohne die ausdrückliche Bezeugung, dass er schon die Taufe im Geist empfangen hatte, wird auch die Begebenheit, in der er „den bösen Geist“ aus der epileptischen Frau austrieb, zu einer anderen, weil sie nahelegt, dass er überhaupt erst von jenem Zeitpunkt an die Taufe erhalten haben könnte. Mehr noch, es wird bewusst der Eindruck geweckt, dass er nicht wirklich die Taufe im Geist empfangen habe, bis ihm selbst gewahr wurde, dass er in Zungen gesprochen hatte. Diese gekürzte Version des Zeugnisses Flowers erweckt den Anschein, dass Flower sein Zeugnis schon immer mit der gegenwärtig empfangenen TRADITION in Übereinstimmung gesehen habe. Die Kürzung war ein historischer Revisionismus im Interesse einer institutionellen Priorität. In jüngerer Zeit gab es einen ähnlichen Vorfall der Abänderung eines Zeugnisses – diesmal von Donald Gee – um es an dieselbe TRADITION anzupassen. Wie Flower lebt auch Gee nicht mehr unter uns und kann nicht mehr für sich selbst sprechen. Wayne Warner, der Direktor des Flower Pentecostal 93 Flower, J. Roswell: How I Received the Baptism in the Holy Spirit. In: The Pentecostal Evangel (1993), S. 18 – 20.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

198

Cecil M. Robeck

Heritage Center, dem offiziellen Archiv der Assemblies of God in den USA, ist verantwortlich für eine kontinuierliche historische Kolumne im Pentecostal Evangel, die „Zurückblicken“ heißt. Am 26. März 2000 erzählte Warner die Geschichte von Gees Geisttaufe in dieser Kolumne, einschließlich direkter Zitate von Gees Zeugnis aus seinem Buch Pfingsten, das 1932 vom Gospel Publishing House veröffentlicht worden war. Warner zitierte, was Gee gesagt hatte, als er seinen eigenen Empfang der Taufe im Geist beschrieb: Ich erlebte keine unmittelbare Kundgabe, doch ich ging überglücklich nach Hause, nachdem ich die Geistestaufe „durch Glauben“ empfangen hatte. […] Von jener Stunde an war meine Freude und Wonne groß, bis ich kaum mehr wußte, wie ich * mich beim Gebet und Lobpreis audrücken sollte.

Nach diesem Zitat fasste Warner den nächsten Teil von Gees Zeugnis zusammen: „Etwa zwei Wochen später, kurz bevor er ins Bett ging, erfuhr Gee ein geistliches Überfließen.“ Diese Worte sind offensichtlich konsistent mit Gees eigenen Worten. Warner fuhr dann mit einem weiteren direkten Zitat von Donald Gee fort: „Da ich kein angemessenes Englisch fand, um die überfließende Fülle meiner Seele auszudrücken, ertappte ich mich dabei, wie ich Worte in einer neuen Zunge sprach.“94 Kurz, Warner versuchte dem treu zu bleiben, was Gee ursprünglich geschrieben hatte. Als der Artikel endlich erschien, entdeckte Warner zu seiner Überraschung, dass ein Satz zu dem hinzugefügt worden war, was er geschrieben hatte, und dieser Satz veränderte vollends die Bedeutung. Die Hinzufügung lautete: „So wurde die Taufe, die vorher im Glauben angeeignet worden war, nun in Wirklichkeit erfahren.“ Diese Worte erschienen weder in Gees ursprünglichen Zeugnis, noch in dem Manuskript, das Warner zur Veröffentlichung eingereicht hatte.95 Mit diesem einen Satz hatte ein namenloser Redaktor einen Eingriff getätigt und das uminterpretiert, was Gee gesagt hatte. Das Ergebnis war ein Zusatz, der Gees oft wiederholtes Zeugnis verriet, wie auch den His* Die hier übernommene Übersetzung stammt aus: Gee, Donald: Pfingsten. Reisach: Karl Fix Verlag, 1948, S. 7. 94 Flower, J. Roswell: When God Put the Pentecostal Fire under Donald Gee. In: The Pentecostal Evangel (2000), S. 28. 95 Ebd. Ich habe von dieser Begebenheit durch ein persönliches Gespräch mit Wayne Warner erfahren. Ich konnte nicht glauben, dass Warner, der selbst ein ausgezeichneter Historiker ist, zu einer solchen Schlussfolgerung auf der Grundlage von Gees Text gekommen sei. Das war auch nicht der Fall. Warner bestätigte schließlich, dass er diesen Satz nicht geschrieben hatte. Er wurde nach Einreichen des Artikels hinzugefügt. Diese Art von „redaktioneller Bearbeitung“ scheint in pfingstlichen Kreisen gebräuchlich zu sein. Ich selbst habe einmal einen Artikel verfasst, der einer Anfrage der Gemeinde Gottes [Church of God] in besonderer Weise nachkam, und war schockiert, als ich herausfand, dass dreißig Prozent meiner Worte ohne jegliche Rücksprache mit mir gelöscht worden waren. Als er veröffentlicht wurde, hatten Bezugnahmen in späteren Teilen des Artikels ihren Sinn verloren, weil die Argumente, auf denen sie basierten, aus den vorherigen Teilen des Artikels entfernt worden waren. Andere mir bekannte Gelehrte haben ähnliche Erfahrungen gemacht. In jedem Fall scheint es, dass die wichtige Unterscheidung zwischen einem Autor und einem Auftragsschreiber nicht beachtet wurde.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

199

toriker, der versucht hatte einen objektiven Bericht davon zu schreiben, was Gee erzählt hatte und offensichtlich meinte. Es war eine Abänderung, die ohne das Wissen des Autors der Kolumne und ohne Absprache mit ihm vorgenommen worden war – ein Fall von historischem Revisionismus, der das Ziel verfolgte, eine politisch korrekte institutionelle Position gegen ein Zeugnis zu festigen, das nun offensichtlich als peinlich erachtet wird. In den letzten Jahren fungierte James Bridges, der Generalschatzmeister der Assemblies of God, in mehreren theologischen Angelegenheiten als eine Art Blitzableiter, aber keine von ihnen war kontroverser als die zur Beziehung zwischen der Taufe im Geist und der Zungenrede. Zwei seiner Artikel verweisen auf etwas, das größer als seine eigene Meinung ist, und sollen daher unsere Untersuchung der Entwicklung der TRADITION und der zunehmenden Rolle eines Lehramts bündeln. Im Jahr 1998 wurden Mitglieder des Lehrkörpers verschiedener Ausbildungsstätten der Assemblies of God zu einem Seminar in Springfield, Missouri eingeladen. James Bridges hielt eine Rede in diesem Seminar, die später in der Herbst-Ausgabe der Zeitschrift Enrichment publiziert wurde. In dieser Rede versuchte er Grenzen hinsichtlich dessen einzuführen, was aus seiner Sicht noch legitime Nachforschungen pfingstlicher Akademiker seien. Bridges benutzte den Artikel, um pfingstliche Akademiker einer Reihe von Anschuldigungen auszusetzen. Zuerst wandte er sich den Exegeten der Bewegung zu, und eine seiner Anschuldigungen bezog sich auf jemanden, den er „einen populären [pfingstlichen] Theologen“ nannte. Er behauptete, dass dieser unbenannte Wissenschaftler „die neuesten theologischen oder hermeneutischen Trends“ unterstütze und dass dieser Akademiker ein Buch geschrieben habe, vermutlich zur Hermeneutik und/oder Exegese, das sich aus seiner Sicht „in nichts von den Schriften eines Säkularisten oder Buddhisten unterscheidet.“ Bridges setzte seine Kritik an pfingstlichen Exegeten fort, indem er sich ihrer internen Diskussion zuwandte, in welcher die relativen Vorteile der Entwicklung einer Lehre erörtert wurden, die sich allein oder weitgehend auf die narrativen und nicht auf die didaktischen Passagen der Schrift gründet.96 Er bot keinen konstruktiven Beitrag zu dieser Diskussion, sondern kritisierte sie nur als eine, die außerhalb der legitimen Interessen der Pfingstbewegung stünde. 96 Diese Diskussion innerhalb der biblischen und systematisch-theologischen Wissenschaftsgemeinschaft pfingstlicher Theologen hat die Frage aufgeworfen, inwiefern es gerechtfertigt sei, auf der Basis von Büchern wie der Apostelgeschichte eine Lehre zu entwickeln, im Gegenzug zu anderen biblischen Büchern, wie dem ersten Korintherbrief, in denen die Lehren der Apostel und anderer grundsätzlich entfaltet werden. Eine innerhalb dieser Debatte noch zu lösende und offensichtliche Frage bezieht sich auf das Subjekt der Geisttaufe und die Auffassung von Zungen als dem physischen Anfangserweis. Die Lehre der Assemblies of God gründet im Wesentlichen auf ihrer Lesart der Apostelgeschichte und der heutigen Erfahrung von Teilnehmern der Gemeinschaft. James Bridges glaubt offenbar, dass eine solche Debatte bewusst geführt werde, weil Exegeten die Lehre der Assemblies of God nicht unterstützen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

200

Cecil M. Robeck

Als nächstes zielte Bridges auf die pfingstlichen Historiker. Er behauptete, dass „Arroganz“ der Denkansatz „einiger populärer pfingstlicher Akademiker“ sei, „die ihr Erbe in ein negatives Licht rücken“, und warf ihnen vor, dass sie sich absichtlich an einem „Revisionismus unserer Geschichte“ beteiligen würden und „versuchen unsere Vergangenheit im Lichte gegenwärtiger kultureller und sozialer Gegebenheiten zu beurteilen.“ Bridges verurteilte solche Aktivitäten und bemerkte: „Dies führt selten zur Wahrheit.“97 Wiederum nannte er keine Beispiele dafür, was er meinte, sondern er stellte einfach die Anschuldigung in den Raum. Seine Sorge, dass einige pfingstliche Historiker bestimmte Personen, Ereignisse, Ideen oder Denominationen negativ porträtierten, und seine Kritik an revisionistischer Geschichtsschreibung sind es aber wert, genauer bedacht zu werden. Revisionismus um des Revisionismus willen sowie Revisionismus zur Beförderung der eigenen Karriere sind offensichtlich Aktivitäten, an denen sich pfingstliche Historiker nicht beteiligen sollten. Aber es ist auch klar, dass historischer Revisionismus, der mit den Fakten nicht übereinstimmt, eine zutiefst unmoralische Angelegenheit ist, auch wenn er im Dienst einer Institution erfolgt. Dieser Revisionismus ersetzt Fakten und Wahrheit durch ihr Gegenteil. Die meisten institutionellen Geschichten sind schwer zu schreiben, und dies gilt auch für die Geschichten pfingstlicher Denominationen. Aufgrund der Politik derjenigen, die gerade an der Macht sind, um hier einmal G. K. Chesterton zu paraphrasieren unterliegen sie oft „Interessenskonflikten“ . Es liegt im eigenen Eigeninteresse von Denominationen, nur das öffentlich zu machen, was ihrer eigenen idealisierten Position zuträglich ist. Das Ergebnis ist oft eine einseitige Version der Erzählung, eine Art „gereinigter“ Geschichte. Wenn eine solche Erzählung zu den frühesten geschichtlichen Einschätzungen gehört, wie es oft der Fall ist, dann kann jede nachfolgende historische Bewertung, die nicht den gewünschten institutionellen Interessen entspricht, einfach als „negativ“ oder „revisionistisch“ zurückgewiesen werden. Kritische Loyalität wird vom Status quo selten hochgeschätzt. Zu oft wird jedwede Kritik, sogar von loyalen Anhängern, als Zeichen der mangelnder Loyalität gesehen. Solche Anschuldigungen müssen daher sorgfältig abgeschätzt werden. Ohne deutliche Belege eines vorsätzlichen Fehlverhaltens sollten solche Anschuldigungen ganz und gar vermieden werden. Schließlich bemerkte Bridges, dass objektive Kritik der Kirche zwar gelegentlich zu Diensten sein kann, gab aber deutlich zu verstehen, dass die von ihm gemeinten pfingstlichen Akademiker in Wahrheit eine „destruktive Kritik mit versteckten Motiven“ vortrügen, „mit dem Ziel des Verletztens, Untergrabens und der Subversion“. Er hob das Beispiel von F. F. Bosworth hervor, als eines Mannes, der „zu ehrenwert war, um als Umstürzler zu wirken und seine Lehre

97 Bridges, James K.: Assemblies of God Schools and Scholars for the 21st Century. In: Enrichment: A Journal of Pentecostal Ministry 4, Nr. 4 (1999), S. 94 – 97, hier S. 96.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

201

durchzusetzen, nachdem die Versammlung anders abgestimmt hatte.“98 Bosworth wurde zum Helden erhoben, weil er die Assemblies of God verlassen hatte, als er bemerkte, dass er mit ihnen in Lehrangelegenheiten nicht übereinstimmte. Die implizite Botschaft von Bridges’ Artikel aber war, dass pfingstliche Akademiker dieselbe Integrität wie Bosworth vermissen ließen, weil sie Fragen diskutierten, die der TRADITION zu nahe kamen. Sie war eben kein angemessenes Thema mehr für eine Überprüfung oder Diskussion. Ein Jahr später, im Herbst 2000, schrieb James Bridges einen weiteren Artikel, unter dem Titel „Der endgültige Vollzug der Taufe im Heiligen Geist.“ In diesem Artikel brachte er weitere unbegründete Anschuldigungen gegen nicht namentlich benannte Gelehrte in der pfingstlichen Wissenschaftsgemeinschaft vor. Er behauptete, dass „einige unserer Akademiker“ eine Theorie unterrichteten, die er „verzögerter Erweis“ nannte. „Diejenigen, die am verzögerten Erweis festhalten“, schrieb er, „lehren, dass das Wort ,anfänglich‘ nicht zugleich die Idee der Unmittelbarkeit enthalte.“ Weiterhin behauptete er, dass „diejenigen, die behaupten, dass eine solche Lehre in den Schriften unserer frühen Leiter gefunden werden könne, dies entweder tun, weil sie die Intention ihrer Schriften missverstehen oder weil sie ihre eigenen Interpretationen in anachronistischer Weise zurück in die Schriften unserer Ältesten hineinlesen.“99 Darüber hinaus hätten diejenigen, die solches tun, einfach nur ihre Lehre angepasst, „um jene zu verteidigen, die gern behaupten möchten, dass sie die Taufe empfangen haben, ohne in Zungen zu sprechen.“100 Wieder einmal wurden keine Belege für diese Anschuldigungen vorgebracht, und den angeblich in Frage stehenden Akademikern wurde keine Gelegenheit zur Antwort gegeben. Obgleich ich weder einen pfingstlichen Exegeten kenne, auf den die Anschuldigungen dieses Artikels passen würde, noch einen redlichen pfingstlichen Historiker, der jemals eine solche historische Revision vorgenommen hätte, hat Bridges Recht mit seiner Bemerkung, dass jeder Versuch eine revisionistische Geschichte zu schreiben, die nicht mit den Fakten in ihrer ursprünglichen Bedeutung übereinstimmen würden, von einem glaubwürdigen pfingstlichen Historiker vermieden würde. Der Leser dieses Artikels wird selbst urteilen müssen ob ich mit den Zeugnissen von J. Roswell Flower und Donald Gee fair umgegangen bin. Bridges’ Sorge, dass pfingstliche Akademiker „an einer Hochachtung der Schrift“ und „einer echten Wertschätzung unseres Erbes“ festhalten müssten, verweist auf wichtige Werte – Werte, denen sich alle mir bekannten Wissenschaftler der pfingstlichen Gemeinschaft aufrichtig verpflichtet fühlen. Bridges verkennt augenscheinlich, dass solche Diskussionen durchaus in wissen98 Ebd. 99 Bridges, James K.: The Full Consummation of the Baptism in the Holy Spirit. In: Enrichment: A Journal of Pentecostal Ministry 5, Nr. 4 (2000), S. 92 – 95, hier S. 92. 100 Ebd., S. 95.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

202

Cecil M. Robeck

schaftlichen Gesellschaften wie der Society for Pentecostal Studies für längere Zeit stattfinden können, ohne dass sie letztlich in „Lehren“ zum Thema münden. Das Wesen theologischer und historischer Forschung umfasst eine freie und offene Diskussion von Gedanken in einem Prozess, der unser Verständnis der Lehre schärft. Im Allgemeinen sterben unangemessene Argumente an fehlender Resonanz. Es ist schade, dass James Bridges sich dafür entschieden hat, weder die von ihm gemeinten Akademiker zu benennen noch ein einziges Beweisstück zur Begründung seiner Anschuldigungen vorzubringen. Er hat einfach nur bestimmte Wissenschaftler der pfingstlichen akademischen Welt in einem öffentlichen Forum beschuldigt, die Assemblies of God und ihre TRADITION bewusst zu untergraben. Das Traurige dabei ist, dass es nichts Schädlicheres in der pfingstlichen Tradition gibt, als den Dienst eines anderen als kompromittierend zu bezeichnen. Solche öffentlichen Anschuldigungen, die in einer offiziellen Publikation der Assemblies of God ohne das Erfordernis präsentiert werden, deutliche Beweise vorzubringen, und ohne den von ihm gemeinten Akademikern eine Gelegenheit zu bieten, gleichermaßen öffentlich zu reagieren, beflecken die gesamte pfingstliche akademische Gemeinschaft mit ungerechtfertigten verleumderischen Vorwürfen. Ich habe keinen pfingstlichen Akademiker identifizieren können, der je den Begriff „verzögerter Erweis“ eingeführt hätte.101 Der Ausdruck „verzögerter Erweis“ fand sich nicht zuerst in der Erörterung eines pfingstlichen Wissenschaftlers, sondern in einem Laien-Beitrag, der von den Assemblies of God selbst in ihrer Sonntagsschulliteratur für Erwachsene von 1957 veröffentlicht wurde. Durch seine Berufung auf unbegründete Verdächtigungen wollte Bridges das akademische Gespräch zum Thema Geisttaufe und Anfangserweis in der Exegese und der pfingstlichen Historiographie aus der Bahn werfen und zugleich seine eigenartigen Ansichten den Wissenschaftlern aufdrängen, die für die Einschätzung der Belege am besten ausgebildet sind. Er versuchte den Ausdruck „unmittelbar“ [immediate] in die von ihm angenommene wahre Intention der „Väter“ der Assemblies of God einzufügen, trotz der Abwesenheit dieses Ausdrucks in allen Erklärungen der Generalversammlung in den 78 Jahren ihres Bestehens. Mehr noch, keines seiner Argumente für die Aufnahme des Begriffs „unmittelbar“ sind theologischer Natur. Es handelt sich lediglich um linguistische Argumente auf der Basis von Wörterbuchdefinitionen von Worten wie „anfänglich“. Sein Argument dafür, dass einige Arten des „innerlichen Erweises“, wie die Frucht des Geistes, keine angemessenen Zeichen für die Taufe im Geist seien, ist rein pragmatischer Natur : „Das wird 101 Der einzige Gelehrte, der nach meinen Recherchen diesen Ausdruck verwendete, war Gary McGee. Er erwähnte den Ausdruck aber lediglich im Zitat eines Artikels von Dorothy Skoog, s. o., Anm. 63. Zu McGees Anwendung dieses Ausdrucks s. seinen Artikel Joseph James Roswell Flower and Alice Reynolds. In: Burgess, Stanley M.; Ders. (Hg.): Dictoionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988, S. 311.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

203

dem Gläubigen nur Verwirrung bringen, da die Schriften dies nicht verbürgen, und es wäre eine subjektive unmessbare Erfahrung ohne einen Standard, nach dem sie beurteilt werden kann.“ Weiterhin bemerkt er, dass wir, wenn ein solches Konzept wie die Frucht des Geistes als Erweis der Geisttaufe akzeptiert würde, nicht mehr den Ausdruck „anfänglich“ verwenden könnten. Frucht brauche Zeit zum Wachstum.102 Das klingt nun eigenartigerweise wie das Argument, das ein Prediger der Heiligungsbewegung gegen die Legitimität der pfingstlichen Botschaft der Azusa Street verwendet haben soll.103 Diese Position stellt die Natur unserer Lehre über Erlösung und Heilung in Frage. Sollten wir nicht Beweise für diese beiden verlangen, bevor wir kundtun dass diese schon vollbracht sind? Richard Dresselhaus, ein Exekutiv-Presbyter der Assemblies of God, beobachtete neulich, dass „es quer durch das Spektrum der Leiterschaft in den Assemblies of God eine häufig artikulierte Sorge gibt, dass die Akademiker daran beteiligt sein könnten, Lehren zu kompromittieren, die für die Kirche unantastbar sind.“104 Dresselhaus bemerkte, dass die Assemblies of God aufgrund ihrer Verortung in einer erwecklichen Tradition die Notwendigkeit einer ernsthaften intellektuellen Reflexion nicht so ernst nehme, wie sie sollte. Er meinte: „Obwohl die Kirche zu Recht darauf insistiert, dass das Fundament aller Lehre die objektive Offenbarung Gottes in der Schrift ist, betrachtet sie die Erfahrung als eine Art ,validierende Hermeneutik‘ um ihren Glauben zu verankern.“105 Das ist eines der ersten Eingeständnisse vonseiten einer pfingstlichen Leitungspersönlichkeit, dass die angewandten Normen bei der Lehrentwicklung innerhalb der Assemblies of God über das Konzept von sola scriptura hinausgehen.106 In der Tat, eines der Argumente, das von James Bridge für die Ablehnung der Theorie des „verzögerten Erweises“ aufgebracht wurde, ist seine Erfahrung als Leser des Pentecostal Evangel. Er schrieb: „86 Jahre der wöchentlichen Zeugnisse im Pentecostal Evangel von Gläubigen, die den Heiligen Geist mit dem anfänglichen physischen Erweis der Rede in anderen Zungen empfangen haben – und nicht ein Vorkommnis von verzögertem Er-

102 Bridges: Full Consummation, S. 93. 103 One Church. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 2 (1906), S. 3.3: „Einer der Leiter der Heiligungsbewegung sagte, dass die Kirche seit jeher die Heiligung als Geisttaufe gelehrt habe und dass sie es sich nicht leisten könnten, diese Position aufzugeben. Zudem müsse er seine Bücher und Predigten verbrennen. Bruder, welches Gewicht werden diese Bücher und Predigten an jenem großen Gerichtstag im Vergleich zu Gottes Wort haben?” 104 Dresselhaus, Richard: What Can the Academy Do for the Church? In: Asian Journal of Pentecostal Studies 3, Nr. 2 (2000), S. 319 – 323, hier S. 319. 105 Ebd., S. 320. 106 Eine ähnliche Aussage findet sich dem Positionspapier, das kürzlich vom General-Presbyterium verabschiedet wurde: „Die Taufe im Geist: Die anfängliche Erfahrung und fortwährenden Erweise eines Geist-erfüllten Lebens“ [“The Baptism in the Spirit: The Initial Experience and Continuing Evidences of the Spirit-Filled Life.”]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

204

Cecil M. Robeck

weis – sprechen Bände gegen eine solche Lehre“107 Es ist freilich ebenso wichtig zu bemerken, dass diejenigen, die den Zugang zu dieser Publikation kontrollieren, ein Interesse daran haben, solche von der Norm abweichenden Erzählungen oder Zeugnisse zu unterdrücken. Dresselhaus hat versucht, versöhnlich mit den pfingstlichen Akademikern umzugehen. In Bezug auf die Lehren, die ich zur Demonstration des Wachstums der TRADITION in den Assemblies of God verwendet habe, machte Dresselhaus einige wichtige Beobachtungen. Zunächst schlug er wie Bridges vor, dass pfingstliche Wissenschaftler innerhalb angemessener und bereits vorhandener „theologischer und ekklesiologischer Parameter“ arbeiten müssten, Parameter die in seinen Worten von „kirchlichem Dogma und Tradition“ aufgestellt sind. Diese Sorge ist berechtigt, denn alle pfingstlichen Akademiker, die der Kirche dienen, müssen in einem konfessionellen Rahmen arbeiten. Dresselhaus bemerkt weiterhin, dass die Frage für die Akademiker nicht ist, ob wir [die Lehre des anfänglichen Erweises] akzeptieren oder nicht, denn das ist durch unser gemeinsames Bekenntnis schon festgelegt. In Frage steht lediglich, wie diese Lehre in der überzeugendsten und am besten bestimmbaren Art dargelegt werden kann. Die Akademiker sind für diese Arbeit am besten aufgestellt. Sie verstehen die biblische Geschichte, die denominationellen Angelegenheiten, die exegetischen Anforderungen und die Nomenklaturen, die nötig sind, um das Argument mit Klarheit und Überzeugungskraft vorzubringen. Die Akademiker dienen der Kirche in guter Weise, wenn sie in dieser Rolle arbeiten. Und es sind die Akademiker, an die sich die Kirche für diese wichtige Arbeit mit Vertrauen zuwenden können muss.108

Vieles von dem, was Dresselhaus hier sagt ist offensichtlich richtig und daher hilfreich, doch seine Unterscheidung zwischen Akademikern und der Kirche ist es nicht. Die pfingstlichen Akademiker sind nach wie vor Teil derselben Kirche. Sie dienen der Kirche nur auf andere Art als die administrative Kirchenleitung. Das fehlende Vertrauen, das gegenwärtig die Beziehungen zwischen diesen beiden prägt, ist aber real, und in Dresselhaus’ Worten, ist es möglicherweise sogar „unfair“ gegenüber der akademischen Gemeinschaft.109 Diejenigen, die den Assemblies of God als Leiter und als Akademiker innerhalb der Denomination dienen, müssen wieder Brücken zueinander bauen. Die Neigung von einigen in der Leiterschaft der Assemblies of God, die pfingstliche akademische Gemeinschaft in einer fortwährenden feindlichen und nicht konstruktiven Rolle zu sehen, ist einer wahrhaft christlichen Institution nicht angemessen.

107 Bridges: Full Consummation, S. 92. 108 Dresselhaus: What Can the Academy Do, S. 321. 109 Ebd., S. 321 – 322.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

205

Schlussfolgerungen und Beobachtungen Der Apostel Paulus machte eine aufschlussreiche Beobachtung in Bezug auf die menschliche Erkenntnis als er folgende Worte schrieb: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild […]“ (1Kor 13,12). Auf dieser Seite der Vollendung sehen wir bestenfalls eine dunkle Reflexion der Realität. Sogar unsere besten Auffassungen von dem, was die TRADITION ausmacht, fallen in diese Kategorie. Daher verlangen Paulus’ Worte eine demütige Reaktion von uns allen, wenn wir theologische Äußerungen tun. Einige von denen, die diese Abhandlung lesen, werden behaupten, dass es eigentlich um die Lehre des anfänglichen (und/oder unmittelbaren) physischen Erweises geht. Ich weise diese Behauptung entschieden zurück. In diesem Artikel ging es um die wichtigen Lehrentscheidungen, die in den Assemblies of God getroffen werden; darum, wer die Macht zu diesen Entscheidungen hat und wie diese Macht ausgeübt wird. Es geht um die Entwicklung der TRADITION. Das von mir benutzte Fallbeispiel beschäftigte sich nur zufällig mit den Lehren zur Taufe im Geist und der Zungenrede, und dies darum, weil die Entwicklungen der TRADITION auf diesem Gebiet am leichtesten nachvollzogen werden können. Ich behaupte, dass in den Assemblies of God eine wachsende TRADITION entstanden ist und dass sie ein kirchliches Lehramt entwickelt haben, welches die Richtung der Lehre in der Gemeinschaft fundamental bestimmt. Ich behaupte, dass diejenigen, die das Stimmrecht haben, nämlich die Mitglieder der Generalversammlung, nicht die Gelegenheit hatten, in einem offenen Forum zu diskutieren, ob dies hätte geschehen dürfen oder nicht. Die Entwicklung des kirchlichen Lehramts war Teil einer fortwährenden 87-jährigen Geschichte, die in den letzten Jahren an Fahrt gewonnen hat. J. Roswell Flower hielt sich mit der Weitergabe seines Zeugnisses zurück, weil Menschen möglicherweise nicht in der Lage gewesen wären, es zu verstehen. Gee war davon überzeugt, dass seine Erfahrung nicht die normale Erfahrung war, und doch verfocht er, dass Gott keinen Fehler gemacht hatte, als er sie ihm auf diese Weise gab. Ich stimme mit Bridges darin überein, dass sowohl Flower als auch Gee lehrten, dass die Taufe im Geist letztendlich, ja sogar normativ, von der Rede in Zungen begleitet war. Daher können sie als zitierfähige „Väter“ des Glaubens angesehen werden. Aber ich möchte behaupten, dass dies ihre Erfahrung nicht negierte – ihre Erfahrung von etwas, das von der Norm abwich bzw. von dem, was sich ihrer Ansicht nach bei Anderen ereignen sollte. Es sollte nicht überraschen, dass ihre Erfahrung von ihrer Theologie abwich; denn in aller Demut müssten viele von uns zugeben, dass dies der Fall ist. Diese Männer waren schließlich nicht eindimensional und monochromatisch. Sie waren dreidimensionale Männer, Teil einer farbenreichen Welt. Wir alle sind voller Widersprüche, und in gewisser Weise war die Entwicklung der Lehre der Assemblies of God in diesen Fragen keine Ausnahme.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

206

Cecil M. Robeck

Das General-Presbyterium aber hat große Teil der Position Bridges’ bestätigt, ohne einen direkten Beitrag derjenigen, die er der Falschheit bezichtigt hat. Am 11. August 2000 verabschiedete das General-Presbyterium eine offizielle Erklärung mit dem Titel „Die Taufe im Geist: Die anfängliche Erfahrung und der fortwährende Erweis des Geist-erfüllten Lebens“, in der sie sich nun mit der Theorie des „verzögerten Erweises“ befassen, als ob es eine Lehre sei, die gelehrt wird. Außerdem müssen nun alle neuen Kandidaten für den Dienst eine Frage beantworten, die keiner der gegenwärtigen Geistlichen je beantworten musste. Die Frage ist, „Glaubst Du, dass alle, die im Heiligen Geist getauft sind, zu dem Zeitpunkt in anderen Zungen sprechen, an dem sie im Geist getauft werden?“ Wer diese Frage nicht bejaht, wird für den Dienst nicht länger in Betracht gezogen. Im Ergebnis hat das einem zweistufigen Dienst * den Weg gebahnt. Dies hat eine Veränderung in der TRADITION bewirkt, ohne dass die dogmatische Diskussion je an das Gremium herangetragen worden wäre, das über solche Dinge abstimmt, nämlich die Generalversammlung der Assemblies of God. Der Anteil von Personen in den Assemblies of God, die beanspruchen, die Taufe im Heiligen Geist mit dem anfänglichen physischen Erweis der Zungenrede empfangen zu haben, ist mit den Jahren auf vermutlich nur knapp über 40 Prozent geschrumpft.110 Das ist ein großes pastorales Problem, das den Kern unserer Selbstbeschreibung betrifft. Zahlreiche Gründe werden für diesen stetigen Rückgang angeführt, wenngleich noch keiner davon wissenschaftlich untersucht worden ist. Zu ihnen gehören: (1) das schnelle Wachstum der Assemblies of God aufgrund der Aufnahme von Personen aus der charismatischen Erneuerung, die nicht an die offizielle Position der Assemblies of God glauben; (2) die theologische Herausforderung der Position der Assemblies of God durch Personen wie F. Dale Brunner, James D. G. Dunn und andere; (3) die Tatsache, dass einige der Akademiker der Assemblies of God in Institutionen ausgebildet wurden, die nicht zu den Assemblies of God und nicht zur Pfingstbewegung gehören; (4) die Unfähigkeit bzw. Weigerung von Professoren der Ausbildungsstätten der Assemblies of God und von Pastoren auf den Kanzeln der Assemblies of God, die Position ihrer Kirche mit Enthusiasmus zu verteidigen; (5) der angebliche Glaubensschwund unter Mitgliedern der Society for Pentecostal Studies; und (6) die „Evangelikalisierung“ der Assemblies of God aufgrund ihrer profilierten Beteiligung an der National Association of Evangelicals. * Gemeint ist hier wohl eine Unterteilung in ordinierte und nicht ordinierte Geistliche. 110 Diese Zahl wurde vom Statistikbüro der Assemblies of God herausgegeben, und gründet auf einer fünfjährigen Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Hartford Seminary durchgeführt wurde. In dieser Studie gaben an 9,3 % der Geistlichen der Assemblies of God an, dass weniger als 25 % ihrer Mitglieder im Geist getauft seien und in Zungen gesprochen hätten, 31 % meldeten, dass weniger als 50 %, jedoch mehr als 25 % diese Erfahrung gemacht hätten, 43 % glaubt, dass zwischen 51 und 75 % diese Erfahrung gemacht hätten; und 16 % glaubten, dass zwischen 76 und 100 % ihrer Mitglieder diese Erfahrung gemacht hätten.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Entstehung eines kirchlichen Lehramts?

207

Die Leitung der Denomination war um diesen Rückgang zu Recht besorgt, wie auch um die Bewahrung bestimmter Manifestationen des Heiligen Geistes unter ihren Gliedern. Sie hat versucht, dem Problem mit bestimmten Maßnahmen entgegenzutreten. Unter den getroffenen Maßnahmen sind: (1) der in einer Serie von Veröffentlichungen erfolgte Appell des Generalsuperintendenten sich wieder auf die Grundlagen zu besinnen; (2) die starke Betonung darauf, dass alle Geistlichen der Gemeinschaft die Positionspapiere rezipieren; (3) Veränderungen im Bewerbungsformular für Geistliche; (4) Versuche, Grenzen für Mitglieder des Lehrkörpers der Assemblies of God einzuführen, welche die traditionelle Forschungsfreiheit pfingstlicher Wissenschaftler in Frage stellen; (5) die Entwicklung einer revisionistischen pfingstlichen Geschichte, um einer nun etablierten TRADITION zu entsprechen; und (6) Angriffe auf einen als „unzuverlässig“ wahrgenommenen Dienst.111 Nur die erste dieser Maßnahmen ist positiver Natur. Die anderen hängen von der Urteilskraft einiger weniger ab und stehen für etwas, das ein Beobachter „eine weitere Verengung der Identität“ genannt hat.112 Das Ergebnis davon ist, dass die TRADITION in der Gefahr steht, die Wahrheit zu ersetzen. Die Entwicklung eines Dogmas durch Mitglieder eines kirchlichen Lehramts – unter Absehung von ernsthaften Diskussionen mit Beteiligung pfingstlicher Wissenschaftler – steht in der Gefahr, die aufrichtige Suche nach Wahrheit zu ersetzen. Die Presbyterien bilden nun in Zusammenarbeit mit der Kommission für die Reinheit der Lehre etwas, das man als kirchliches Lehramt bezeichnen könnte. Wenn ich die Definition des magisterium ecclesiae in Dei Verbum betrachte, so scheint kein substantieller Unterschied zwischen den Aktivitäten des Lehramts der Römisch-Katholischen Kirche und dem der Assemblies of God zu bestehen. Wenn die Grenzen der Gemeinschaft immer stärker und höher gezogen werden, dann gehen die Assemblies of God mehrere Risiken ein. Die Anzahl von Personen, die bestimmte erwünschte Phänomene zeigen, wird weiter abnehmen. Die Spiritualität der Verbliebenen wird stagnieren. Einige der besten Köpfe, die unsere Kirchen über die Jahren aufgezogen haben, werden die Ordination in den Assemblies of God bewusst nicht mehr anstreben. Wir werden Pastoren und Kirchen verlieren, die „genug gehabt“ haben. Und Akademiker, die in den Einrichtungen der Assemblies of God unterrichten oder die von der Gemeinschaft ordiniert werden, werden schließlich ein offizielles mandatum erhalten müssen, damit sie in zulässiger Weise die Bibel, Theologie und Kirchengeschichte unterrichten. Wir müssen um alles in der Welt einfach toleranter und offener hinsichtlich unser aller Beiträge sein. Wir müssen so positiv, konstruktiv, kreativ und 111 „Wir können diesen gegenwärtigen Zustand der Gläubigen den Geistlichen zuschreiben. Hätten die Diener des vollen Evangeliums treu das ,ganze Evangelium‘ verkündet, dann würden wir eine starke, gesunde, Geist-erfüllte Kirche sehen. Es ist eine geistlich blutarme Kirche, die nach Schlupflöchern sucht.“ Bridges: Full Consummation, S. 95. 112 Blumhofer, Edith L.: Restoring the Faith. The Assemblies of God, Pentecostalism, and American Culture. Urbana, IL: University of Illinois Press, 1993, S. 254.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

208

Cecil M. Robeck

ehrlich wie möglich in unserer Arbeit sein. Zusammen können wir dann brauchbare Lösungen erarbeiten, die eine Antwort auf die fehlende Konformität mit dem bieten, von dem wir alle glauben, dass es das wahrhaft Apostolische an den Assemblies of God ist.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pneumatologie und Soteriologie

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Steven M. Studebaker

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

*

Pfingstliche Theologen bemühen sich schon seit einiger Zeit, eine dezidiert pfingstliche Theologie zu entwickeln.1 Diesem Bestreben geht die Erkenntnis voraus, dass sich Pfingstler im Großen und Ganzen darum bemüht haben, ihre pneumatologischen Anliegen mit den geerbten theologischen Paradigmen auszudrücken, die für ihre Zielsetzung jedoch ungeeignet sind;2 daher rührt das Bedürfnis nach einer pfingstlichen Theologie. Etliche pfingstliche Gelehrte * Originalveröffentlichung: Studebaker, Steven M.: Pentecostal Soteriology and Pneumatology. In: Journal of Pentecostal Theology 11, Nr. 2 (2003), S. 248 – 270. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Brill-Verlags; alle Rechte vorbehalten. 1 Während es bisher noch keine vollends ausformulierte pfingstliche systematische Theologie gibt, jedenfalls im Sinne einer englischsprachigen pfingstlichen systematischen Theologie als Gesamtentwurf, haben sich etliche pfingstliche Gelehrte der Frage nach pfingsttheologischen Prolegomena gewidmet. So etwa Cross, Terry L.: The Rich Feast of Theology : Can Pentecostals Bring the Main Course or Only the Relish? In: Journal of Pentecostal Theology 8, Nr. 16 (2000), S. 27 – 47; Cross, Terry L.: “Can There Be a Pentecostal Systematic Theology?”: An Essay on Theological Method in a Postmodern World. Vortrag: 30th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Teaching to Make Disciples: Education for Pentecostal-Charismatic Spirituality and Life, Tulsa, OK, 2001; Land, Steven J.: Pentecostal Spirituality : A Passion for the Kingdom. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 1); Smith, James K. A.: Scandalizing Theology : A Pentecostal Response to Noll’s Scandal. In: Pneuma 19, Nr. 2 (1997), S. 225 – 238; Yong, Amos: Whither Systematic Theology? A Systematician Chimes in on a Scandalous Conversation. In: Pneuma 1, Nr. 20 (1998), S. 85 – 93. Ein bibliographischer Überblick zu pfingstlichen Versuchen, eine systematische Theologie als Gesamtentwurf zu verfassen findet sich bei Bundy, David: The Genre of Systematic Theology in Pentecostalism. In: Pneuma 1, Nr. 15 (1993), S. 89 – 107. 2 Für Kritiken an dieser Tendenz s. Clark, Mathew S.; Lederle, Henry I.: What Is Distinctive About Pentecostal Theology? Pretoria: University of South Africa, 1989 (Miscellanea Specialia 1), S. 100; Dayton, Donald W.: The Limits of Evangelicalism: The Pentecostal Tradition. In: Ders.; Johnston, Robert K. (Hg.): The Variety of American Evangelicalism. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1991, S. 35 – 56, hier S. 48; Hollenweger, Walter J.: Pentecostalism: Origins and Developments Worldwide. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1997, S. 19; Nichols, David R.: The Search for a Pentecostal Structure in Systematic Theology. In: Pneuma 6, Nr. 2 (1984), S. 57 – 76, hier S. 57; Spittler, Russell P.: Suggested Areas for Further Research in Pentecostal Studies. In: Pneuma 5, Nr. 1 (1983), S. 39 – 56, hier S. 43. Da Pfingstler ihre Bewegung innerhalb des Erbes wesleyanischer Theologie verorten, ist es von Interesse, dass D. L. Dabney der Ansicht ist, Wesley und die wesleyanische Tradition seien darin gescheitert, ihr pneumatologisches Potential zu erreichen, weil sie innerhalb der soteriologischen Strukturen des klassischen Protestantismus verfangen geblieben sind, die sich für eine stabile pneumatologische Soteriologie als unpassend erweisen, s. Dabney, D. Lyle: Jürgen Moltmann and John Wesley’s Third Article Theology. In: Wesleyan Theological Journal Nr. 29 (1994), S. 145.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

212

Steven M. Studebaker

sehen in der Hinwendung zu einer pneumatologischen Soteriologie einen Weg, um diesem Bedürfnis zu entsprechen. Veli-Matti Kärkkäinen ist der Auffassung, dass die Theosis-Lehre der orthodoxen Ostkirche einen für Pfingstler vielversprechenden Zugang darstellt, um eine pneumatologische Soteriologie zu entwickeln.3 Auf der Jahrestagung der Society of Pentecostal Studies im Jahr 2001 hat D. Lyle Dabney eine Soteriologie vorgeschlagen, * welche die Geisttaufe als umfassende Metapher für das Heil [salvation] 4 operationalisiert. Wie Dabney verteidigt Frank Macchia die Auffassung, dass ein die Erlösung betonendes Modell der Rechtfertigung besser zum Ethos pfingstlicher Frömmigkeit passt, als die Betonung des Forensischen, die in der traditionellen protestantischen Theologie dominiert.5 Beide teilen die Auffassung, dass Pfingstler die soteriologischen Paradigmen des traditionellen Protestantismus meiden müssen, um ihre pneumatologische Botschaft zur Geltung bringen zu können. Obwohl die erwähnten Ansätze die spezifischen Probleme andeuten, die Pfingstler daran hindern, das pneumatologische Potential ihrer Theologie zu entwickeln, sind diese Probleme bisher noch nicht gründlich behandelt 3 S. K•rkk•inen, Veli-Matti: Deification and a Pneumatological Concept of Grace: Unprecedented Convergences between Orthodox, Lutheran, and Pentecostal–Holiness Soteriologies. Vortrag: 28th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Toward Healing Our Divisions: Reflecting on Pentecostal Diversity and Common Witness, Springfield, MO, März 1999, S. 3. * Anders als im Englischen gibt es im Deutschen keinen vergleichbar einheitlichen soteriologischen Begriff wie “salvation” (samt Derivaten). Zwischen den naheliegenden Alternativen „Heil“ und „Erlösung“ (daneben könnte man zuweilen auch von „Errettung“ oder aber „Versöhnung“ sprechen, vgl. Seils, Martin: Heil und Erlösung: IV. Dogmatisch. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 14: Gottesdienst – Heimat. Berlin: de Gruyter, 1986, S. 622 – 637), haben sich die Übersetzer für eine konsequente Wiedergabe von “salvation” mit „Heil“ entschieden (s. Lohff, Wenzel: Heil, Heilsgeschichte, Heilstatsache. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 3: G-H. Basel: Schwabe, 1974, S. Sp. 1031 – 1033). Dadurch soll zum einen die Abgrenzung gegenüber dem englischen Begriff “redemption” (samt Derivaten) deutlicher werden, zum anderen folgt dies der aus pragmatischen Gründen gewählten Bibelübersetzung Martin Luthers (1984), die den griechischen Begriff sytgq¸a eher mit „Heil“, wiedergibt, insbesondere dort, wo die meisten englischsprachigen Bibelübersetzung „salvation“ übersetzen. 4 Obwohl Dabney selbst kein klassischer Pfingstler ist, ist sein Vorschlag pfingstlich. Sein Anliegen besteht darin, dem Geist eine gleichwertige und konstitutive Rolle im gesamten soteriologischen Prozess zukommen zu lassen. Dabney plädiert für eine Theologie des Dritten Artikels – eine Theologie die umfassend pneumatologisch ist. Für Dabneys Pneumatologie und Soteriologie s. Dabney, D. Lyle: He Will Baptize You with the Holy Spirit: Retrieving a Metaphor for a Pneumatological Soteriology. Vortrag: 30th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Teaching to Make Disciples: Education for Pentecostal-Charismatic Spirituality and Life, Tulsa, OK, März 2001; Dabney, D. Lyle: Pneumatologia Crucis: Reclaiming Theologia Crucis for a Theology of the Spirit Today. In: Scottish Journal of Theology 4, Nr. 53 (2000), S. 511 – 524; Dabney, D. Lyle: “Justified by the Spirit”: Soteriological Reflections on the Resurrection. In: International Journal of Systematic Theology 1, Nr. 3 (2001), S. 46 – 68. 5 S. Macchia, Frank D.: Justification and the Spirit: A Pentecostal Reflection on the Doctrine by which the Church Stands or Falls. In: Pneuma 1, Nr. 22 (2000), S. 3 – 21, hier S. 7 – 15. Macchia weist darauf hin, dass sich sein Ansatz sehr stark Dabneys pneumatologischer Soteriologie verdankt (s. ebd., S. 6).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

213

worden. Die hier vertretene These ist, dass die Problematik der pfingstlichen Theologie in der Verwendung der soteriologischen Paradigmen der protestantischen Scholastik liegt. In der Tat macht der Hang der Pfingstler zur Übernahme der soteriologischen Paradigmen der protestantischen Scholastik die Ironie der pfingstlichen Theologie aus: Pfingstliche Theologie subordiniert den Geist in ihrem Bemühen, den Geist zu betonen. Das Ziel dieser Untersuchung ist dreifach. Erstens soll gezeigt werden, dass die soteriologische Paradigmen der protestantischen Scholastik und die damit einhergehende implizite Subordination des Geistes den Unterbau der klassischpfingstlichen Soteriologie und besonders der Lehre der Geisttaufe bilden. Zweitens möchte ich vorbringen, dass ein Modell der Rechtfertigung als Er* lösung und eine pneumatologische Soteriologie nützliche Ressourcen sind, um diese Probleme in der pfingstlichen Soteriologie zu lösen. Das Modell der Rechtfertigung als Erlösung und eine pneumatologische Soteriologie sind nützliche Ressourcen, weil sie danach streben, eine Vision des Heils zu artikulieren, die nicht bloß evangelikale Standardsoteriologie plus Geisttaufe ist. Im Gegenteil, sie operiert mit einem Begriff von Heil, das umfassend pneumatologisch ist – daher ist sie eine pfingstliche Soteriologie. Drittens biete ich eine Modifikation der Terminologie an. Anstelle einer Rechtfertigung als Erlösung oder einer pneumatologischen Soteriologie, schlage ich eine Soteriologie als Erlösung vor, weil diese es uns ermöglicht, die wesentlichen Rollen Christi und des Geistes zu artikulieren, ohne Christus einen Vorrang gegenüber dem Geist zuzuschreiben (wenigstens nicht im Sinne einer Terminologie, die dies impliziert).

Prämissen und Methodologie Prämissen Die in der folgenden Diskussion vorgestellten theologischen Urteile und Argumente beruhen auf gewissen zuvor getroffene theologische Entscheidungen. Obwohl diese Voraussetzungen und ihre Gründe im Fortgang der Untersuchung deutlich werden, erscheint es dennoch angebracht, sie im Vorhinein anzugeben. Erstens steht die Subordination des Geistes in der protestantischen Scholastik zwar in einem theologischen Entwicklungsverhältnis zu den früh-protestantischen Reformatoren, jedoch nicht in Diskontinuität zu * Studebaker verwendet im gesamten Text die Begriffe „redemptive justification“ bzw. „redemptive soteriology“. Da es ihm, wie im Folgenden deutlich werden wird, dabei vor allem um eine neue Betonung der Erlösung im Prozess und in der Konsequenz der Rechtfertigung geht, geben die Übersetzer den Begriffen „Rechtfertigung als Erlösung“ bzw. „Soteriologie als Erlösung“ den Vorzug gegenüber einer mglw. sprachlich wörtlicheren, aber letztlich missverständlicheren und prima facie redundant wirkenden Übersetzung in „erlösende Rechtfertigung“ bzw. „erlösende Soteriologie“.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

214

Steven M. Studebaker

ihnen. Soll heißen: Die protestantische Scholastik lässt die implizite Subordination des Geistes der frühen Reformationstheologie explizit werden. Zweitens ist die protestantische Scholastik die theologische Urquelle der Pfingstbewegung, der reformierten Erweckungsbewegung und der wesleyanischen Soteriologie.6 Dies ist unter Pfingstler keine weit verbreitete Aussage. Über die Frage, ob die theologischen Strukturen der protestantischen Scholastik den Unterbau der frühen pfingstlichen Theologie darstellen, oder ob sie als korrodierende Anlagerung anzusehen sind, die im Zuge der institutionellen Entwicklungen in die Pfingstkirchen hineingekommen sind, kann man streiten.7 Aus historischer Perspektive lässt sich jedenfalls nicht leugnen, dass protestantisch-scholastische Paradigmen die formalen Artikulationen der klassisch-pfingstlichen Theologie entscheidend geprägt haben. Daher soll es das hier verfolgte Ziel sein, den spezifischen Einfluss und die problematische Essenz dieser Einflüsse auf die pfingstliche Theologie aufzuzeigen. Drittens findet sich die unmittelbare historische Quelle des pfingstlichen Verständnisses vom Zweck der Geisttaufe in der reformierten Erweckungsbewegung. Viertens ist, aus einer historischen Perspektive betrachtet, das theologische Alleinstellungsmerkmal der Pfingstbewegung die Lehre der Zungen als Anfangserweis der Geisttaufe.

Methodologie und Geltungsbereich Dieser Essay ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil ist eine kritische theologiegeschichtliche Analyse der pfingstlichen Soteriologie. Er identifiziert drei Wege, auf denen die protestantische Scholastik die pfingstliche Theologie geprägt hat. Der zweite Teil ist ein konstruktiver theologischer Vorschlag. Er definiert eine Soteriologie als Erlösung und legt diese als eine attraktive Möglichkeit dar, die implizite Subordination des Geistes in der pfingstlichen Soteriologie zu überwinden. Der Geltungsbereich dieser Untersuchung ist auf meinen theologischen Kontext begrenzt – die nordamerikanische klassische Pfingstbewegung.8 6 Während Synan feststellt, dass die Pfingstbewegung „das Kind der Heiligungsbewegung war, die wiederum ein Kind des Methodismus ist“, möchte ich hinzufügen, dass die soteriologischen Strukturen aller drei die protestantische Scholastik beerbt haben (s. Synan, Vinson: The Holiness-Pentecostal Movement in the United States. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1971, S. 115 – 116). 7 James K. A. Smith ist der Meinung, dass die Übernahme von fundamentalistischen (d. h. reformierten) Paradigmen dem „Herzstück und der Kindheit“ der Pfingstbewegung diametral entgegengesetzt war (s. Smith: Scandalizing Theology, S. 233). 8 In der klassischen Pfingstbewegung dominiert die Auffassung, dass die Geisttaufe dem Heil nachfolgt (im logischen Sinne betrachtet und, praktisch gesehen, meistens auch im Sinne einer zeitlichen Nachfolge) und durch die Zungenrede erwiesen wird. Wenn ich im Folgenden von Pfingstbewegung spreche, beziehe ich mich auf die klassische Pfingstbewegung.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

215

Erster Teil: Die Subordination des Heiligen Geistes in der pfingstlichen Soteriologie Im Folgenden soll die protestantisch-scholastische, und besonders die reformiert-scholastische, Soteriologie präsentiert werden, denn ihre soteriologischen Paradigmen stellen die Grundlage der pfingstlichen Theologie dar.9 In der protestantisch-scholastischen Soteriologie kommen der Christologie und der Pneumatologie bestimmte Rollen zu. Die funktionale Konfiguration von Christus und Heiligem Geist hat eine Subordination der Pneumatologie unter die Christologie zur Folge. Diese Subordination wird in den beiden zentralen Paradigmen der protestantisch-scholastischen Soteriologie und in der Rolle, die dem Geist im ordo salutis zukommt, erkennbar. Das erste Paradigma soll hier als objektiv/subjektiv-Paradigma bezeichnet werden. Es basiert auf der Unterscheidung, dass die Rechtfertigung die objektive Seite des Heils konstituiert, während die Heiligung die subjektive Seite einschließt, wobei mit letzterer das gemeint ist, was in der Erfahrung des menschlichen Subjekts geschieht. Das zweite Paradigma habe ich das Vollbringer/Zueigner-Paradigma genannt. Es entstammt der Darstellung Christi als demjenigen, der die Erlösung vollbringt, und des Heiligen Geistes als Vermittler, der diese zueignet. Die unscheinbare Rolle des Geistes im ordo salutis ist sowohl für das objektiv/subjektiv-Paradigma als auch für das Vollbringer/Zueigner-Paradigma symptomatisch.

Das objektive Werk Christi und das subjektive Wirken des Geistes Das objektiv/subjektiv-Paradigma in der protestantischen Scholastik. Die Unterscheidung zwischen Rechtfertigung und Heiligung generiert zwei Grundkategorien der protestantischen Soteriologie: objektiv und subjektiv. Während das objektiv/subjektiv-Paradigma in der protestantischen Scholastik zu seiner ausgearbeitetsten Form gelangt, findet es sich auch bei den 9 In der nachreformatorischen Zeit des späten 16. und 17. Jahrhunderts entwickelten die protestantischen Bewegungen klare institutionelle und theologische Grenzlinien. Diese Epoche ist, ebenso wie ihre Theologie, unter der Bezeichnung protestantische Scholastik bekannt. Wichtige protestantische Scholastiker sind Theodor Beza, William Ames, FranÅois Turrettini und Peter van Mastricht. Die Theologie dieses Zeitraums ist deshalb als Scholastik bezeichnet worden, weil für die Konstruktion protestantischer theologischer Systeme das intellektuelle Instrumentarium der mittelalterlichen Scholastik verwendet wurde. Die Anwendung scholastischer Methodologie zur Systematisierung und Artikulation der theologischen Einsichten der frühen protestantischen Reformbewegungen hat somit die protestantische Scholastik hervorgebracht. Eine prägnante Beschreibung der protestantischen Scholastik findet sich in Muller, Richard A.: Post-Reformation Reformed Dogmatics, Bd. 1: Prolegomena to Theology. Grand Rapids, MI: Baker, 1987, S. 13 – 18.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

216

Steven M. Studebaker

frühsten Reformatoren und durch die gesamte protestantische Tradition hindurch.10 Die Rechtfertigung ist der entscheidende objektive Aspekt, während die Heiligung der zentrale subjektive Aspekt des Heils ist. Die Rechtfertigung ist objektiv bzw. extrinsisch, weil sie primär im Sündenerlass und im Zuspruch der Gerechtigkeit kraft der angerechneten Gerechtigkeit Christi besteht.11 Aufgrund ihrer Betonung der strafrechtlichen Dimension ist die Rechtfertigung mit dem Werk Christi am Kreuz verknüpft. Als solche ist die Rechtfertigung christologisch, weil das Werk des Geistes für die Rechtferti10 Zwei Theologen, die vielen Forschern zufolge einem solchen Paradigma nicht folgen würden, sind Martin Luther und John Wesley. Es ist die These vorgebracht worden, dass Melanchthon die forensische Rechtfertigung in die lutherische Theologie eingeführt habe. Dies ist so jedoch nicht haltbar, weil Luther in der Vorlesung zum Römerbrief von 1515/16 die konzeptuellen Kategorien äußerliche bzw. extrinsische Rechtfertigung (imputatio bzw. Zurechnung) und inwendige (intrinsische) Erneuerung verwendet, s. Luther, Martin: Werke: Kritische Gesamtausgabe, Bd. 56: Der Brief an die Römer. Weimar: Böhlau, 1938, S. S. 258 f., 268 – 270, 345 f., 347 f., 351 f., 385 f. Wesley verstand das Heil ebenso im Sinne von objektiven und subjektiven Kategorien. Rechtfertigung bezieht sich auf zugerechnete Gerechtigkeit bzw. auf den relativen Wechsel – die Vergebung der Sünde und Annahme durch Gott. Heiligung bezieht sich auf die eingepflanzte Gerechtigkeit bzw. den realen Wechsel – die inwendige Erneuerung der Seele durch den Heiligen Geist. Die Rechtfertigung wird mit dem Werk Christi am Kreuz und die Heiligung mit dem geistlichen Werk der Erneuerung, das der Geist vollbringt, identifiziert, s. Wesley, John: Der Herr unsere Gerechtigkeit (Jer. 23,6). In: Ders.: Sammlung auserlesener Predigten von Johannes Wesley: Erster und Zweiter Band. 4. Aufl. Bremen: Verlag des Tractathauses, J. Staiger, 1899, S. 192 – 201; Wesley, John: Der biblische Weg der Seligkeit (Eph. 2,8). In: Ders.: Sammlung auserlesener Predigten von Johannes Wesley: Erster und Zweiter Band. 4. Aufl. Bremen: Verlag des Tractathauses, J. Staiger, 1899, S. 76 – 83. Obwohl die Wiedergeburt und Heiligung in Wesleys Heilsauffassung deutlicher zum Tragen kommt, findet diese Betonung dennoch innerhalb der konzeptuellen Kategorien eines soteriologischen Paradigmas statt, das mit objektiv/ Rechtfertigung und subjektiv/Heiligung operiert. Zudem besagt meine These, dass Wesley dieselben soteriologischen Fundamentalkategorien wie die protestantische Scholastik gebraucht hat, keineswegs, dass seine Auffassung der Beziehung zwischen Rechtfertigung und Heiligung mit reformierten oder lutherischen Auffassungen identisch sei. Für eine ausgezeichnete Abhandlung zu Wesleys Lehre der Rechtfertigung und Heiligung, s. Collins, Kenneth J.: The Scripture Way of Salvation: The Heart of John Wesley’s Theology. Nashville, TN: Abingdon Press, 1997, S. 86 – 100; Cannon, William R.: The Theology of John Wesley : With Special Reference to the Doctrine of Justification. New York: University Press of America, 1974; Lindstrçm, Harald G. A.: Wesley und die Heiligung, übers. v. Wilhelm B. Strobel; und Carl E. Sommer. Frankfurt am Main: Anker-Verlag, 1961 (Beitra¨ ge zur Geschichte des Methodismus 6), S. 42 – 84, insbes. 42 – 70; Runyon, Theodore: Die neue Schöpfung: John Wesleys Theologie heute, übers. v. Manfred Marquardt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2005. 11 S. Calvin, Jean: Unterricht in der christlichen Religion, hg. v. Matthias Freudenberg; und Otto Weber. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2008, III.11.2, S. 397. Diese letzte Passage ist wichtig, weil Calvin hier deutlich macht, dass die Rechtfertigung nicht eine intrinsische Gerechtigkeit darstellt, sondern eine zugerechnete Gerechtigkeit, die sich „außerhalb“ des Gläubigen befindet. S. a. Turrettini, FranÅois: Institutes of Elenctic Theology, Bd. 2: Eleventh through Seventeenth Topics, hg. v. James T. Dennison, übers. v. George M. Giger. Phillipsburg, NJ: P & R Publishing, 1994, II.16.6.1 – 3, S. 666 f. Wesley war auch der Ansicht, dass die Rechtfertigung auf Christi zugerechneter Gerechtigkeit gründet. Zugleich hat er vor den antinomistischen Implikationen gewarnt, s. Wesley : Der Herr unsere Gerechtigkeit, S. 195 ff., 200 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

217

gung nicht konstitutiv ist.12 Der Geist spielt nur eine instrumentelle Rolle in der Rechtfertigung, indem er in Verbindung mit dem geschriebenen und/oder verkündeten Wort Gottes die Person zum Glauben bringt.13 Die Heiligung ist die subjektive oder intrinsische Transformation des Gläubigen. Der Geist ist der primäre Agent der Heiligung.14 Obwohl Protestanten nicht die Auffassung vertreten, dass Rechtfertigung und Heiligung gänzlich getrennt sind, vertreten sie dennoch die Meinung, dass Rechtfertigung und Heiligung gesondert zu betrachten sind, um den Gnadencharakter der Rechtfertigung zu erhalten.15 Mit anderen Worten: Wenn Rechtfertigung und Heiligung nicht unterschieden sind, dann könnte die Rechtfertigung mit dem Heiligungsprozess identifiziert werden bzw. auf ihm aufbauen. Eine Verschmelzung von Heiligung und Rechtfertigung würde für viele Protestanten eine Unterwanderung des Heils aus Gnade und Glauben allein bedeuten.16 Das Ergebnis ist, dass die Heiligung nicht das primäre Bezugsmoment der Soteriologie ist. Eine Person schaut für ihre Heilsgewissheit nicht auf ihren Fortschritt im Heiligungsprozess, sondern auf die Gerechtigkeit Christi – Rechtfertigung. Wenngleich die Intention darin besteht, den Gnadencharakter des Heils zu erhalten, wird doch die Heiligung unter die Rechtfertigung subordiniert. Die Unterscheidung zwischen Rechtfertigung und Heiligung bewirkt eine Subordination der Pneumatologie unter die Christologie. Das liegt daran, dass die protestantische Soteriologie den subjektiven Aspekt dem objektiven Aspekt unterordnet. Die Heiligung wird weder geleugnet, noch absichtlich minimiert, aber weil die crux des Heils die forensische Rechtfertigung ist, spielt die Heiligung notwendigerweise eine sekundäre Rolle.17 Die Folge aus dieser 12 Tatsächlich hält Calvin ausdrücklich daran fest, dass die bei der Rechtfertigung zugerechnete Gerechtigkeit Christi nicht mit der Erneuerung der Seele, die vom Geist gewirkt wird, verwechselt werden darf, s. Calvin: Unterricht, III.11.23, S. 412 f. 13 S. Turrettini: Institutes of Elenctic Theology, Bd. 2: Eleventh through Seventeenth Topics, II.15.1.5 – 7, S. 502 f. 14 Für eine klassische protestantisch-scholastische Deklaration dieser Theorie, s. Hodge, Charles: Systematic Theology, Bd. 3: Soteriology. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1940, S. 215 f. 15 S. Turrettini: Institutes of Elenctic Theology, Bd. 2: Eleventh through Seventeenth Topics, II, 17.1.10, S. 691. Die reformierten Erweckungsprediger, R. A. Torrey und A. J. Gordon, haben auch das objektiv-subjektiv Paradigma übernommen, um das Verhältnis zwischen Rechtfertigung und Heiligung zu verstehen, s. Torrey, Reuben A.: The Fundamental Doctrines of the Christian Faith. New York: George H. Doran, 1918, S. 200 f.; Torrey, Reuben A.: The Holy Spirit, Fulness of His Gracious and Glorious Ministry, Who He Is and What He Does and How to Know Him in All the Fulness of His Gracious and Glorious Ministry. New York: Revell, 1927, S. 80 f., 177 und Gordon, Adoniram J.: The Twofold Life or Christ’s Work for Us and Christ’s Work in Us. New York: Revell, 1883, S. 43, 129 – 131. 16 S. Calvin: Unterricht, III.11.10, S. 403 f. und III.11.23, S. 412 f., und Turrettini: Institutes of Elenctic Theology, Bd. 2: Eleventh through Seventeenth Topics, II, 16.2.9 f., S. 640. 17 S. Calvin: Unterricht, III.14.21, S. 432 f. Gary D. Badcock stellt fest, dass die reformatorische Lehre der Rechtfertigung „in einer gewissen Dislokation des Geistes vom Zentrum des Heilsschemas resultiert“ (Badcock, Gary D.: Light of Truth and Fire of Love: A Theology of the Holy

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

218

Steven M. Studebaker

Vorrangstellung des objektiven Elements des Heils ist, dass der Geist eine sekundäre Rolle im Vergleich zu Christus spielt. Da die Heiligung das primäre soteriologische Werk des Heiligen Geistes ist, wird sein Werk unweigerlich dem Werk Christi subordiniert. Das objektiv/subjektiv-Paradigma in der Pfingstbewegung. Die im objektiv/ subjektiv-Paradigma der protestantischen Scholastik implizite funktionale Subordination des Geistes gegenüber Christus bildet die konzeptuelle Struktur der pfingstlichen Lehre von der Geisttaufe. Leider wird der Einfluss der protestantischen Scholastik auf die Lehre der Geisttaufe nicht immer erkannt. Zum Verhältnis zwischen reformierter Scholastik und pfingstlicher Theologie bemerkt Del Tarr, dass die reformierte Theologie ein „Fluch“ sei und „die protestantische Scholastik die theologischen Wurzeln der Bewegung darstellt, die den Heiligen Geist in der westlichen Mission zum Schweigen bringt“.18 Tarr kritisiert hier die cessationistische Theologie, die paradigmatisch für die reformierte Tradition steht. Doch wenn man die Pfingstbewegung auf der Grundlage ihrer Nichtübereinstimmung mit der reformierten Lehre über das Aufhören (cessatio) der Charismata als eigenständige Tradition versteht, verkennt man den tiefgründigen Einfluss, den die reformierte Soteriologie auf die für die Pfingstbewegung zentrale Lehre der Geisttaufe ausübt. Erstens wird auch in der pfingstlichen Theologie schnell die Tendenz der protestantischen Scholastik deutlich, das Heil in den Begriffen des christozentrischen objektiven und des pneumatologischen subjektiven Paradigmas zu definieren.19 In dem Text An Introduction to Theology : A Classical Pentecostal Perspective erklären die Verfasser : „Rechtfertigung bezieht sich auf die objektive Gerechtigkeit einer Person (das, wozu Gott eine Person erklärt – ihre Position), wohingegen sich Heiligung auf die subjektive Gerechtigkeit einer Person bezieht (das, was Gott in einer Person tut – in der aktuellen Wirklichkeit).“20 Zudem interpretiert pfingstliche Theologie, so wie es auch in der protestantischen Scholastik der Fall ist, den objektiven Aspekt der Erlösung

Spirit. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1997, S. 97). William G. Rusch bemerkt ebenfalls, dass die protestantische Scholastik dazu tendiert, die Soteriologie zu objektivieren und die Pneumatologie zu subordinieren, s. Rusch, William G.: The Theology of the Holy Spirit and the Pentecostal Churches in the Ecumenical Movement. In: Pneuma 9, Nr. 1 (1987), S. 17 – 30, hier S. 25. 18 S. Tarr, Delbert H.: Transcendence, Immanence, and the Emerging Pentecostal Academy. In: Menzies, William W.; Ma, Wonsuk; Menzies, Robert P. (Hg.): Pentecostalism in Context: Essays in Honor of William W. Menzies. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1997 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 11), S. 209 – 217, hier S. 209; 213. 19 Myer Pearlman, ein früher Theologe der Assemblies of God, stellte fest: „Der äußerliche Aspekt der Gnade ist durch das Sühnewerk Christi erwirkt; der inwendige Aspekt ist das Werk des Heiligen Geistes“ S. Pearlman, Myer: Knowing the Doctrines of the Bible. überarb. Aufl. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1937, S. 222. 20 S. Higgins, John R.; Dusing, Michael L.; Tallman, Frank D.: An Introduction to Theology : A Classical Pentecostal Perspective. Dubuque, IA: Kendall, 1994, S. 119.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

219

christologisch und den subjektiven Aspekt der Erlösung pneumatologisch.21 Diese Auffassung der Beziehung zwischen Rechtfertigung und Heiligung verortet die pfingstliche Soteriologie exakt innerhalb der protestantischscholastischen Tradition. Die Unterscheidung zwischen den objektiven und subjektiven soteriologischen Kategorien ist die Leitlinie für die pfingstliche Lehre von der Geisttaufe. In einem Artikel, der sich mit J. David Pawson vierfältigem Prozess der christlichen Initiation auseinandersetzt,22 vertritt Dye die Ansicht, dass die Rechtfertigung, bzw. das Heil im eigentlichen Sinne, von der Geisttaufe getrennt sei.23 Das ist keine ungewöhnliche Bemerkung für einen Pfingsttheologen. Doch welche soteriologischen Kategorien liegen der Trennung zwischen Rechtfertigung – dem Heil im engeren Sinne – und dem Werk des Heiligen Geistes zugrunde? Die Antwort lautet: die protestantisch-scholastischen Kategorien von christozentrisch objektiv und pneumatologisch subjektiv. Dye fügt hinzu: „Es gibt eine theologische, praktische und (sehr häufig) eine zeitliche Unterscheidung zwischen dem Glauben an Christus und dem Empfang des Heiligen Geistes.“24 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Rechtfertigung ist christozentrisch und objektiv. Die Rechtfertigung ist der endgültige Dreh- und Angelpunkt des Heils. Schließlich schaut man für die Gewissheit des Heils nicht auf die Heiligung, sondern auf die Rechtfertigung. Da die Geisttaufe eine Subkategorie des pneumatologischen Aspekts der Erlösung darstellt, ist sie notwendigerweise vom Heil, im engeren Sinne verstanden, getrennt und diesem chronologisch nachgeordnet bzw. nachzeitig.25 Somit setzt die pfingstliche Lehre der Geisttaufe das protestantisch-scholastische objektiv/subjektiv-Paradigma und die damit einhergehende implizite Subordination des Geistes voraus.

Christus vollbringt die Erlösung, der Geist eignet sie zu Das Vollbringer/Zueigner-Paradigma in der protestantischen Scholastik. Die zweite Subordination des Geistes in der protestantischen Scholastik resultiert aus der Annahme, dass Christus die Wohltaten der Erlösung vollbringt und 21 S. Pearlman: Knowing, S. 222; 258. R. Hollis Gause, ein Theologe der Church of God, vertritt ebenfalls das Paradigma von objektiv/Rechtfertigung und subjektiv/Heiligung, s. Gause, R. Hollis: Living in the Spirit: The Way of Salvation. Cleveland, TN: Pathway Press, 1980, S. 50. 22 Pawson zufolge ist die christliche Initiation „ein Komplex, das aus vier Elementen besteht – Bußumkehr zu Gott, Glauben an den Herrn Jesus, die Wassertaufe und der Empfang des Heiligen Geistes“, s. Pawson, David: The Normal Christian Birth. London: Hodder & Stoughton, 1989, S. 11. 23 S. Dye, Colin: Are Pentecostals Pentecostal? A Revisit to the Doctrine of Pentecost. In: Journal of the European Pentecostal Theological Association Nr. 19 (1999), S. 55 – 80, hier S. 64 f. 24 S. ebd., S. 66. 25 S. ebd., S. 65.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

220

Steven M. Studebaker

der Heilige Geist diese zueignet. Als derjenige, der die Erlösung zueignet, wird der Geist auf eine instrumentale Rolle reduziert. Sinclair Ferguson fasst die Hauptfrage der Reformation angesichts des mittelalterlichen Sakramentalismus wie folgt zusammen: „Wie eignet der Geist die Segensgaben Christi dem Individuum zu?“26 Die Struktur von Calvins Institutio spiegelt eine Instrumentalitätstheorie zum Werk des Geistes wider. Das zweite Buch beschreibt wie Christi Werk die Erlösung vollbringt. Das dritte Buch führt aus, wie der Heilige Geist jene Erlösung austeilt.27 Wesley sah die Rolle des Geistes bei der Erlösung ebenfalls als das Instrument ihrer subjektiven Zueignung.28 Die Darstellung des Geistes als Vermittler, der die Wohltaten von Christi Erlösung zueignet, subordiniert das Werk des Geistes, weil letzteres für das Heil nicht konstitutiv ist.29 Das Heil wird durch das Werk Christi am Kreuz vollbracht. Der Heilige Geist dient lediglich als Zueigner der verschiedenen Segnungen, die Christus errungen hat. Das Vollbringer/Zueigner-Paradigma in der Pfingstbewegung. Pfingstliche Theologie definiert das Werk des Geistes ebenfalls in instrumentalen Begriffen.30 Durch die Zusammenführung der Soteriologie mit der Lehre der Geisttaufe, bemüht sich R. Hollis Gause über diese Tendenz der Fragmentierung der christlichen Erfahrung hinauszukommen, die aus seiner Sicht der 26 S. Ferguson, Sinclair B.: The Holy Spirit. Leicester: InterVarsity Press, 1996 (Contours of Christian Theology), S. 96. 27 S. Calvin: Unterricht, III.1.1, S. 289. Die instrumentale Rolle des Geistes ist auch bei Torrey präsent, s. Torrey, Reuben A.: How to Obtain Fullness of Power in Christian Life and Service. Wheaton, IL: Sword of the Lord Publishers, 1897, S. 31. 28 Donald Dayton beschreibt Wesleys Auffassung vom Werk des Heiligen Geistes als das Instrument und den Zueigner der Erlösung Christi, s. Dayton, Donald W.: The Historical Background of Pneumatological Issues in the Holiness Movement. In: Shelton, R. Larry ; Deasley, Alex R. G (Hg.): The Spirit and the New Age: An Inquiry into the Holy Spirit and Last Things from a Biblical Theological Perspective. Anderson, IN: Warner, 1986 (Wesleyan Theological Perspectives 5), S. 253 und Dayton, Donald W.: Pneumatological Issues in the Holiness Movement. In: Heim, S. Mark; Stylianopoulos, Theodore G. (Hg.): Spirit of Truth: Ecumenical Perspectives on the Holy Spirit. Brookline, MA: Holy Cross Orthodox, 1986, S. 131 – 157, hier S. 146. Zu ähnlichen Argumenten s. Cannon: Theology of John Wesley, S. 26, 34, 27. Allerdings vertritt Randy L. Maddox die These, dass Wesley dem Heiligen Geist eine weiter gefasste Rolle zugeschrieben habe, als das bloße subjektive Zueignen der Wohltaten Christi, s. Maddox, Randy L.: Responsible Grace: John Wesley’s Practical Theology. Nashville, TN: Kingswood Books, 1994, S. 136 – 137. 29 Hendrikus Berkhof vertritt ebenfalls die These, dass die Darstellung des Geistes als desjenigen, der die Wohltaten der Erlösung zueignet, zur Folge hat, dass sein Werk instrumental und als dem Sohn subordiniert betrachtet wird, s. Berkhof, Hendrikus: Theologie des Heiligen Geistes, übers. v. Hans-Ulrich Kirchhoff. erw. deutsche Fassung, 1. Aufl. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1968 (Neukirchener Studienbücher: Ergänzungsbände zu den Biblischen Studien 7), S. 25 f. 30 S. z. B. Higgins/Dusing/Tallman: An Introduction to Theology, S. 108; Jenney, Timothy P.: The Holy Spirit and Sanctification. In: Horton, Stanley M. (Hg.): Systematic Theology : A Pentecostal Perspective. überarb. Aufl. Springfield, MO: Logion Press, 1994, S. 417; Pearlman: Knowing, S. 286; Williams, Ernest S.: Systematic Theology. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1953, II, S. 233; III, S. 33.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

221

pfingstlichen Theologie endemisch sei.31 Allerdings folgt Gause dem ausgetretenen Pfad der klassisch-pfingstlichen Soteriologie, indem er dem Geist eine instrumentale Rolle in der Soteriologie beimisst. Er schreibt: „Alle erlösende Erfahrung ist durch unseren Herrn Jesus Christus erbracht. Er ist Erlöser […] Der persönliche Vermittler für die Realisierung und Zueignung der Wohltaten göttlicher Gnade ist der Heilige Geist.“32 Das Werk des Geistes wird auf die Zueignung der Errungenschaften Christi reduziert.33 In einem Essay zum Geist und zur Heiligung offenbart der den Assemblies of God zugehörige Theologe Timothy P. Jenney, wie sehr er der protestantischen Scholastik verpflichtet ist, wenn er für seine Definition von Heiligung und der Rolle des Geistes bei dem evangelikalen Theologen Millard Erickson Anleihen macht. Er zitiert aus Erickson: „Heiligung ist die Zueignung des durch Jesus Christus vollbrachten Werks im Leben des Gläubigen durch den Heiligen Geist.“34 Später stellt Jenney fest, dass das Werk Christi am Kreuz vollbracht worden und der Heilige Geist der aktive Vermittler der Heiligung ist.35 Einerseits enthält diese Aussage eine offensichtliche Wahrheit: Als historisches Ereignis ist Christi Werk am Kreuz vollbracht. Andererseits zeichnet diese Aussage aber das Vollbringen der Erlösung mit christologischen Begriffen und die Zueignung der Erlösung mit pneumatologischen Begriffen. Der Geist ist das Instrument zur Zueignung des am Kreuz errungenen Werks Christi. Der kritische Punkt dabei ist, dass das primäre Werk des Geistes – die Geisttaufe –, insofern dessen Werk nur instrumental und nicht als für die Erlösung konstitutiv konzipiert wird, lediglich als zusätzliche Erlösungswohltat definiert wird. Als Instrument bzw. Vermittler der Zueignung der Erlösung ruft, erneuert und heiligt der Geist und tauft für einen vollmächtigen 31 Obwohl er selbst ein wesleyanischer Holiness-Pfingstler ist, passt Gause in die Klassifikation „klassisch-pfingstlich“, weil er daran festhält, dass die Geisttaufe nach dem Heil stattfindet und dass das Zungenreden den Anfangserweis der Geisttaufe darstellt. Gause übernimmt ebenfalls das objektiv/subjektiv-Paradigma, s. Gause: Living in the Spirit, S. 50 zum objektiv-subjektiv Paradigma s. S. 76 – 84, insbes. 84. 32 S. ebd., S. 12. 33 S. ebd., S. 12, 20, 49. Obwohl sie keine klassischen Pfingstler sind, definieren Pruitt und J. Rodman Williams die soteriologische Funktion des Geistes dennoch in instrumentalen Begriffen, s. Pruitt, Raymond M.: Fundamentals of the Faith. überarb. Aufl. Cleveland, TN: White Wing, 1995, S. 205 und Williams, J. Rodman: Renewal Theology : Systematic Theology from a Charismatic Perspective. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988ff, II, 43. 34 S. Jenney : Holy Spirit and Sanctification, S. 400. Man beachte auch, dass Jenney unmittelbar vor dem Erickson-Zitat die protestantisch-scholastischen Theologen A. H. Strong und Charles Hodges mit deren Zustimmung zitiert. Higgins, Dusing und Tallman beschreiben die instrumentale Rolle des Geistes folgendermaßen: „Im Allgemeinen wird der Heilige Geist in der Schrift gewöhnlich als derjenige dargestellt, der dem Gläubigen das Werk des Vaters und des Sohnes übermittelt und zueignet“, s. Higgins/Dusing/Tallman: An Introduction to Theology, S. 108. Für zusätzliche Beispiele von Assemblies of God Theologen, die diese Sichtweise übernehmen, s. Pearlman: Knowing, S. 286 und Williams: Systematic Theology, II, S. 233 und III, S. 33. 35 Jenney : Holy Spirit and Sanctification, S. 397, 417.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

222

Steven M. Studebaker

Dienst. Die Subordination des Geistes kommt in der pfingstlichen Lehre eklatant zum Ausdruck, die besagt, dass das primäre Werk des Geistes für das Heil nicht notwendig ist. Hierin liegt die Ironie der pfingstlichen Theologie. Während Pfingstler versucht haben, dem Werk des Geistes in der Lehre der Geisttaufe eine Vorrangstellung zukommen zu lassen, folgt aus der Artikulation dieser Lehre mittels des objektiv/subjektiv- und Vollbringer/ZueignerParadigmas, dass dieses Werk als optionale Ergänzung des Heils definiert wird.36 Der Heilige Geist und die Ordnung der Erlösung Die Rolle des Geistes im protestantisch-scholastischen ordo salutis. Der ordo salutis bzw. die Ordnung der Erlösung ist eine Erklärungsmethode für die logische und gewissermaßen auch zeitliche Abfolge der verschiedenen biblischen Facetten der Erlösung des Menschen.37 Die Traditionen der Reformierten, der Wesleyaner und der wesleyanischen Heiligungsbewegung weisen in Bezug auf ihre jeweilige Organisation der Ordnung der Erlösung große Ähnlichkeiten untereinander auf. Der reformierte ordo salutis ist gewöhnlich wie folgt organisiert: Erwählung, Berufung, Erneuerung, Glaube und Buße, Rechtfertigung, Adoption, Heiligung, Ausharren und Verherrlichung.38 Wesley arrangierte die Elemente der Erlösung als vorlaufende Gnade, Buße vor der Rechtfertigung, Rechtfertigung, Wiedergeburt, Buße nach der Rechtfertigung samt graduellem Heiligungsprozess und vollständige Heiligung.39 Die Abweichung zwischen der 36 Gordon Andersons Artikel ist ein hervorragendes Beispiel dafür. In seinem Versuch zu zeigen, dass die pfingstliche Lehre der Geisttaufe keinen geistlichen Elitismus mit sich bringt, argumentiert er, dass die Geisttaufe zwar für den christlichen Glaubenswandel nützlich, letztendlich jedoch nicht notwendig ist. Anderson setzt sich hier mit der Tatsache auseinander, dass eine Vielzahl evangelikaler Leiter, die diese Erfahrung nicht gemacht haben, dennoch einen beeindruckend erfolgreichen Dienst vorzuweisen hatten, s. Anderson, Gordon L.: Baptism in the Holy Spirit, Initial Evidence, and a New Model. In: Paraclete 27, Nr. 4 (1993), S. 1 – 10. 37 Zur Entwicklung des ordo salutis seit der Reformationszeit und durch die protestantische Scholastik hindurch, s. McGrath, Alister E.: Iustitia Dei: A History of the Christian Doctrine of Justification. 2. überarb. Aufl. Cambridge: Cambridge University Press, 1998, S. 219 – 240. 38 S. Murray, John: Redemption: Accomplished and Applied. Carlisle, PA: Banner of Truth Trust, 1979, S. 87. Für traditionelle und zeitgenössische Beispiele s. Turrettini: Institutes of Elenctic Theology, Bd. 2: Eleventh through Seventeenth Topics, II, 15.1 – 17.2, S. 501 f.; Ames, William: The Marrow of Theology, übers. v. John D. Eusden. Boston, MA: Pilgrim Press, 1968, S. 153 – 174; Owen, John; Orme, William: The Works of John Owen, Bd. 5: Two Short Catechisms. London: Printed for Richard Baynes, 1826, S. 28 – 32; Hodge: Systematic Theology, Bd. 3: Soteriology, II, 639 – 782 und III, 253 – 258 und Erickson, Millard J.: Christian Theology. Grand Rapids, MI: Baker Book House, 1985, S. 929 – 1002. 39 S. Lindstrçm: Wesley und die Heiligung, S. 76 – 84, insbes. 81 f. Der Status des ordo salutis in Wesleys Theologie ist umstritten. Randy Maddox bevorzugt via salutis, statt ordo salutis. Maddox ist der Ansicht, dass die reformierte Scholastik den ordo salutis geschaffen habe und er mit Wesleys pastoralem Anliegen im soteriologischen Prozess inkompatibel sei, s. Maddox: Responsible Grace, S. 157 – 158. Im Gegensatz dazu meint Kenneth Collins, obwohl er ebenfalls Wesleys Heilslehre als via salutis beschreibt, dass der ordo salutis einen wesentlichen Aspekt von

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

223

reformierten und der wesleyanischen Erlösungsabfolge hebt ihre unterschiedlichen Blickpunkte in Bezug auf die vorlaufende Gnade und den freien Willen hervor. Im reformierten ordo salutis gehen Erneuerung, Buße und Glaube der Rechtfertigung voraus, während im wesleyanischen ordo salutis die Erneuerung auf die Buße, den Glauben und die Rechtfertigung folgt.40 Darüber hinaus entsprechen die Elemente des ordo salutis dem objektiv/subjektiv-Paradigma. Die objektiven Aspekte sind Rechtfertigung und Adoption. Die subjektiven Aspekte sind Erneuerung, Ausharren und Verherrlichung, welche zusammengenommen die Heiligung umfassen. Der Geist und der ordo salutis. Obwohl die wesleyanische Aufteilung des ordo salutis in zwei Gnadenwerke diesen vom reformierten ordo salutis zu unterscheiden scheint, weisen beide Traditionen dennoch eine übergreifende Ähnlichkeit bezüglich der Rolle des Geistes beim Werk der Erlösung auf – ohne damit die dogmatischen Unterschiede herunterspielen zu wollen. Der aus der wesleyanischen Heiligungsbewegung stammende Theologe Kenneth Grider, identifiziert das erste Werk der Gnade als vorlaufende Gnade und Buße, Rechtfertigung, Erneuerung, anfängliche Heiligung, Versöhnung und als Adoption. Das zweite Werk der Gnade ist die Taufe im Heiligen Geist, welche die vollständige Heiligung initiiert.41 Obwohl die reformierte Tradition keine Befürworterin von zwei Werken der Gnade ist, bezieht sie das primäre Werk des Geistes dennoch auf die Heiligung.42 In beiden Traditionen ist das Werk des Heiligen Geistes primär, jedoch nicht ausschließlich, in der Lehre der Heiligung verortet.43 Ein Vergleich des Erlösungsvorgangs in der reformierten Tradition mit der Tradition der wesleyanischen Heiligungsbewegung durch die Linse der Pneumatologie zeigt, dass der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Traditionen darin liegt, dass der Heilige Geist aus der Sicht der Tradition der wesleyanischen Heiligungsbewegung eine höhere Stufe er-

40

41 42 43

Wesleys Soteriologie unterstreicht, nämlich dass der Prozess des Heils erkennbare Phasen des Wachstums und des Fortschritts beinhaltet, s. Collins: Scripture Way of Salvation, S. 185 – 190. Bei J. Kenneth Grider, einem Theologen der wesleyanischen Heiligungsbewegung, findet sich die folgende Abfolge des Erlösungsgeschehens: vorlaufende Gnade und Buße, Rechtfertigung, Erneuerung, anfängliche Heiligung, Versöhnung, Adoption und vollständige Heiligung, s. Grider, J. Kenneth: AWesleyan-Holiness Theology. Kansas City, MO: Beacon Hill, 1994, S. 350 – 420. Maddox zufolge ist die Priorität der Erneuerung gegenüber dem Glauben und der Rechtfertigung im reformierten ordo salutis ein Schlüsselmoment, das sie vom wesleyanischen Heilsweg (via salutis) unterscheidet, s. Maddox: Responsible Grace, S. 159. Louis Berkhof bemerkt, dass der reformierte ordo salutis mit der Erneuerung beginnt, um klarzustellen, dass das Heil bereits von Anfang an das Werk Gottes ist, s. Berkhof, Louis: Systematic Theology. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1941, S. 418. S. Grider: A Wesleyan-Holiness Theology, S. 350 – 366. S. Murray : Redemption, S. 141, 146 – 148 und Erickson: Christian Theology, S. 970. Nach Griders Erklärung des ersten Gnadenwerks, erhält der Heilige Geist keine explizite Rolle, s. Grider: A Wesleyan-Holiness Theology, S. 350 – 366. Gewiss ist der Geist auch der Agent der Erneuerung. Doch die Erneuerung ist der anfängliche Aspekt einer weiter gefassten Lehre der Heiligung und ist sachlich von letzterer nicht unterschieden.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

224

Steven M. Studebaker

wirkt – nämlich die vollständige Heiligung. Mit anderen Worten, die Theologie der wesleyanischen Heiligungsbewegung hat ein stärker pneumatologisch akzentuiertes Konzept der Heiligung als die reformierte Tradition. Die Geisttaufe im ordo salutis. Im 19. Jahrhundert bezeichneten reformierte und wesleyanische Theologen die Geisttaufe als einen auf die Bekehrung folgenden Aspekt des ordo salutis. Die Geisttaufe wurde als ein von der Bekehrung getrenntes und als ein zweites bzw. nachfolgendes Gnadenwerk beschrieben. Im Dialog mit John Wesley vertrat John Fletcher die Auffassung, dass die Geisttaufe eine auf die Bekehrung folgende Erfahrung darstellt, welche die vollständige Heiligung initiiert.44 Wesley hielt hingegen an der Gleichzeitigkeit der Geisttaufe mit der Bekehrung fest.45 Doch mit der Zeit wurde Fletchers Auffassung zur dominanten Lehre in den wesleyanischen Heiligungstraditionen.46 Mit der Abkopplung der Geisttaufe von der Bekehrung begannen Heiligungs- und Erweckungstheologen des 19. Jahrhunderts verschiedene Definitionen dieser Erfahrung zu entwickeln. Mit der Zeit traten drei Modelle hervor. Erstens führten Heiligungstheologen den wesleyanischen Perfektionismus mit der pfingstlichen Kraft in der Geisttaufe zusammen.47 Zweitens betonten reformierte Erweckungsprediger den bevollmächtigten Dienst als primären Zweck der Geisttaufe.48 Die Betonung der Bevollmächtigung sollte im Kontrast zur wesleyanischen Heiligungslehre stehen, derzufolge die Geisttaufe der Auslöschung der Sünde diente, und diese zurückweisen.49 44 S. Knight, John A.: John Fletcher’s Influence on the Development of Wesleyan Theology in America. In: Wesleyan Theological Journal 13, Nr. 1 (1978), S. 13 – 33, hier S. 26 f.; Dayton, Donald W.: Theological Roots of Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Francis Asbury, 1987, S. 48 – 54. 45 S. Reasoner, Victor P.: The American Holiness Movement’s Paradigm Shift Concerning Pentecost. In: Wesleyan Theological Journal 31, Nr. 2 (1996), S. 132 – 146, hier S. 133, 143. Melvin E. Dieter schlägt vor, dass Wesley Fletchers Verständnis von Geisttaufe im Wesentlichen zustimmte und nur deshalb mit seiner vollständigen Unterstützung zögerte, weil er befürchtete man könnte daraus den Fehlschluss ziehen, dass nicht alle Gläubigen den Geist bei der Rechtfertigung erhielten, s. Dieter, Melvin E.: The Development of Nineteenth Century Holiness Theology. In: Wesleyan Theological Journal 20, Nr. 1 (1985), S. 61 – 77, hier S. 68. 46 S. Faupel, David W.: The Everlasting Gospel: The Significance of Eschatology in the Development of Pentecostal Thought. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996 (Journal of Pentecostal Studies Supplement Series 10), S. 79, 90. 47 Phoebe Palmer ist ein Beispiel für die Inklusion von Vollkommenheit und Kraft in der Rubrik ,Geisttaufe‘, s. ebd., S. 84 f. 48 Zum reformiert-evangelikalen Hintergrund, s. Edith, Blumhofer (geb. Waldvogel): The “Overcoming” Life: A Study in the Reformed Evangelical Contribution to Pentecostalism. In: Pneuma 1, Nr. 1 (1979), S. 7 – 19; Blumhofer, Edith L.: “The Overcoming Life”: A Study in the Reformed Evangelical Origins of Pentecostalism. Cambridge, MA, Harvard University, PhD Dissertation, 1977 und Wessels, Roland: The Spirit Baptism, Nineteenth Century Roots. In: Pneuma 14, Nr. 1 (1992), S. 127 – 157. 49 S. Torrey, Reuben A.: The Baptism with the Holy Spirit. In: Dayton, Donald W. (Hg.): The Higher Christian Life: Sources for the Study of the Holiness, Pentecostal, and Keswick Movements. New York: Garland, 1985, S. 12 – 16.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

225

Schließlich vertraten Befürworter der „dritten Segnung“ [„Third Blessing“] die Auffassung, dass der Gläubige drei Gnadenwerke empfangen solle: Bekehrung, vollständige Heiligung und Geisttaufe für einen bevollmächtigten Dienst.50 Der entscheidende Punkt hierbei ist, dass die Geisttaufe zu einem gesonderten Aspekt des ordo salutis wurde. Das primäre Werk des Geistes wurde folglich zu einer Subkategorie des übergeordneten Themas der Heiligung bzw. zur subjektiven Zueignung der Erlösung. Die Rolle des Geistes im pfingstlichen ordo salutis. Pfingstler übernehmen in der Regel eine arminianisch/wesleyanische Struktur des ordo salutis.51 Allerdings haben sie in Bezug auf den Zweck der Geisttaufe die Auffassung der reformierten Erweckungsbewegung kooptiert.52 Pfingstler sehen in den Erweckungen unter dem Dienst Charles F. Parhams und dem Dienst William J. Seymours die direkten Katalysatoren ihrer Bewegung.53 Obwohl er aus einem wesleyanischen Hintergrund kam, hat Parham die Geisttaufe mit der Bevollmächtigung zum Dienst und nicht mit der vollständigen Heiligung verbunden, und Seymour ist ihm darin gefolgt. Die Identifikation von Zungen als 50 S. Dayton, Donald W.: The Doctrine of the Baptism of the Holy Spirit: Its Emergence and Significance. In: Wesleyan Theological Journal 13, Nr. 1 (1978), S. 114 – 126, hier S. 121; Faupel: The Everlasting Gospel, S. 87 – 90. Für eine aktuelle Darstellung dieser Theologie s. Pruitt: Fundamentals of the Faith. 51 Ich stimme Russell P. Spittlers Urteil zu: „Die frühen Pfingstler hatten nicht vor, einen neuen ordo salutis im Sinne eines Algorithmuses der Frömmigkeit zu prägen“, s. Spittler : Suggested Areas, S. 43. Der kritische Punkt für die arminianische/wesleyanische Heilsordnung besteht darin, die Wiedergeburt nach der Buße und dem Glauben zu verorten (beide metonymisch zu Bekehrung), um arminianische/wesleyanische Auffassungen vom freien Willen beizubehalten. Zur pfingstlichen Organisation des ordo salutis s. Arrington, French L.: Christian Doctrine: A Pentecostal Perspective, Bd. 1 – 3. Cleveland, TN: Pathway Press, 1992_1994, II, S. 20 – 21, 200 – 252; Higgins/Dusing/Tallman: An Introduction to Theology, S. 109 – 120; Pearlman: Knowing, S. 222 – 267; Pecota, Daniel B.: The Saving Work of Christ. In: Horton, Stanley M. (Hg.): Systematic Theology. überarb. Aufl. Springfield, MO: Logion Press, 1995, S. 325 – 373, hier S. 354 – 372; Wyckoff, John W.: The Baptism in the Holy Spirit. In: Horton, Stanley M. (Hg.): Systematic Theology. überarb. Aufl. Springfield, MO: Logion Press, 1995, S. 423 – 455, hier S. 431, 446, 449. 52 Abgesehen vom Anfangserweis unterscheidet sich die pfingstliche Lehre der Geisttaufe so gut wie gar nicht von der Lehre der reformierten Erweckungsbewegung, vgl. Torrey : Baptism, S. 12 und The Baptism in the Holy Spirit: The Initial Experience and Continuing Evidences of the Spirit-Filled Life. Vortrag: Statement Approved as the Official Statement by the General Presbytery of the Assemblies of God on August 11, 2000, Springfield, MO, 2000, S. 1 – 12, hier S. 3. 53 S. Menzies, William W.: Anointed to Serve: The Story of the Assemblies of God. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1971, S. 33 – 40; Synan, Vinson: Pentecostalism: Varieties and Contributions. In: Pneuma 9, Nr. 1 (1987), S. 31 – 49, hier S. 32. Ob Parham oder Seymour als Gründer der Pfingstbewegung gilt, ist umstritten. James Goff plädiert für Parham als Stammvater der Pfingstbewegung, zumal seine Lehre der Zungen als Anfangserweis ihre herausragendste Lehre wurde, s. Goff, James R.: Fields White Unto Harvest: Charles F. Parham and the Missionary Origins of Pentecostalism. Fayetteville, AR: University of Arkansas Press, 1988, S. 164. Im Gegensatz dazu ist Hollenweger ein Verfechter der Auffassung, dass Seymours ökumenische und versöhnende Form der Pfingstbewegung die genuine und originäre Botschaft der Pfingstbewegung darstellt, s. Hollenweger : Pentecostalism, S. 18 – 23.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

226

Steven M. Studebaker

notwendiger Begleiterscheinung der Geisttaufe ist Parhams und Seymours54 nachhaltigster Beitrag zur klassischen Pfingstbewegung.55 In Bezug auf den pfingstlichen ordo salutis kommt die Pneumatologie nur in einem einzigen Aspekt zum Tragen: in der Geisttaufe. Obwohl Pfingstler das Werk des Geistes in anderen Aspekten der Ordnung der Erlösung wahrnehmen, wird die Pneumatologie qua Gewichtung unter die Elemente des ordo salutis subsumiert und findet nur in der Geisttaufe eine herausragende Bedeutung. Dass die Pneumatologie in der strukturellen Komposition der Loci pfingstlicher Theologien nach der Soteriologie platziert wird, macht bestechend deutlich, dass die Rolle des Geistes lediglich einem Aspekt der Erlösungsabfolge beigefügt wird.56 Die Beschränkung der Rolle des Geistes geht auch aus der relativen Länge der Abhandlung zur Aktivität des Geistes in den Heilsaspekten, die der Geisttaufe vorausgehen, hervor, wenn diese mit der Länge verglichen wird, die der Lehre der Geisttaufe an sich gewidmet ist. Ein Beispiel dafür ist das theologische Handbuch von Higgins, Dusing und Tallman. Sie reservieren nur etwas mehr als eine Seite für einen Abschnitt mit dem Titel „die Rolle des Heiligen Geistes in der Erlösung“, aber widmen ein ganzes Kapitel der Lehre von der Taufe im Heiligen Geist.57 Die Aufmerksamkeit, die jener herausragend pflingstlichen Lehre zu54 Seymour verwarf später die Zungen als Anfangserweis der Geisttaufe. Seine Sorge war, dass viele, die mit dem Erweis der Zungenrede die Geisttaufe bezeugten, darin versagten, ein geheiligtes Leben aufzuweisen. Für Seymour war diese Dissonanz inakzeptabel. Seine Reaktion darauf bestand darin, die integrale Beziehung zwischen Geisttaufe und Heiligung ähnlich wie die wesleyanische Heiligungstheologie zu betonen, s. Robeck, Cecil M. Jr.: William J. Seymour and “The Bible Evidence”. In: McGee, Gary B. (Hg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 72 – 95, hier S. 88 f. 55 S. Goff, James R.: Initial Tongues in the Theology of Charles Fox Parham. In: McGee, Gary B. (Hg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 55 –71, hier S. 69; Synan, Vinson: The HolinessPentecostal Tradition: Charismatic Movements in the Twentieth Century. 2. Aufl. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1997, S. 88 f. Während Hollenwegers theologisches Urteil in Bezug auf Seymour zutreffend sein mag, ist die Lehre von den Zungen als Anfangserweis der Geisttaufe aus einer historischen Perspektive das theologische Alleinstellungsmerkmal der klassischen Pfingstbewegung. 56 S. die Inhaltsverzeichnisse der folgenden pfingstlichen Systematischen Theologien Higgins/ Dusing/Tallman: An Introduction to Theology, S. v–vii; Horton, Stanley M.: Systematic Theology : A Pentecostal Perspective. überarb. Aufl. Springfield, MO: Logion Press, 1994, S. 3 f.; Pearlman: Knowing, S. 5 f.; Williams: Systematic Theology, II, S. 1; III, S. 1. 57 Zum Abschnitt über den Geist und das Heil, s. Higgins/Dusing/Tallman: An Introduction to Theology, S. 108 – 109, und zum Kapitel über die Geisttaufe, s. S. 143 – 158. Das Ungleichgewicht zwischen der Aufmerksamkeit, die dem Geist in den der Geisttaufe vorausgehenden Aspekten der Erlösungsordnung und der Geisttaufe selbst zukommt, ist auch in früheren pfingstlichen Theologien präsent. In einem 32 Seiten langen Abschnitt, der das Werk des Geistes bei der Zueignung der Erlösung entfaltet, widmet Pearlman 26 Seiten der Aktivität des Geistes beim nachfolgenden Ereignis der Geisttaufe und bei der Anwendung geistlicher Gaben, s. Pearlman: Knowing, S. 308 – 334. E. S. Williams reserviert für die Geisttaufe zwar 43 Seiten, der Rolle, die der Geist im ordo salutis vor der Geisttaufe einnimmt, weist er jedoch nur ein kurzes siebenseitiges Kapitel zu, s. Williams: Systematic Theology, III, S. 39 – 82; II, S.I 31 – 38.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

227

kommt, sollte an sich nicht überraschen – schließlich schreiben Pfingstler pfingstliche Systematische Theologien. Allerdings weist die kursorische Aufmerksamkeit, die dem Geist in den vorausgehenden Aspekten des ordo salutis zukommt, darauf hin, dass Pfingstler unbeabsichtigt eine soteriologische Perspektive übernehmen, die das primäre Werk des Geistes gegenüber dem Heilswerk selbst als subsidiär betrachtet. Um es noch einmal zu sagen: Das soll nicht unterstellen, dass Pfingstler meinen, der Geist sei in den vorausgehenden Elementen der Erlösung abwesend, sondern dass der Geist in diesen vorhergehenden Elementen nicht betont wird.58 Das Werk des Geistes kommt lediglich in der darauf folgenden Lehre der Geisttaufe zum Vorschein. Das Ergebnis ist, dass die Pfingstbewegung einen pneumatologischen Aspekt des Heils an der Stelle einer umfassenden pneumatologischen Soteriologie artikuliert. Der Ort, den das Werk des Geistes im pfingstlichen ordo salutis hat, reproduziert und akzentuiert jene Subordination des Geistes, die sich in der protestantisch-scholastischen Soteriologie wiederfindet. Das primäre Werk des Geistes ist im gesamten Phänomen des Heils nicht konstitutiv, sondern lediglich in einem einzelnen Teil dieses Prozesses herausragend.59

Zweiter Teil: Rechtfertigung als Erlösung und pfingstliche Soteriologie In seiner Ansprache als Vorsitzender der Society for Pentecostal Studies hat Frank D. Macchia auf der Jahrestagung der Society im Jahr 2000 ein provokantes aber vielversprechendes Modell der Rechtfertigung als Erlösung vorgestellt. Das Potenzial eines Modells der Rechtfertigung als Erlösung liegt darin, dass es Pfingstler befähigt, die problematischen Kategorien, welche sie von der protestantischen Scholastik geerbt haben, zu transzendieren, weil es mit einem Heilsverständnis operiert, dass umfassend pneumatologisch ist – es ist daher eine pfingstliche Soteriologie. In diesem Abschnitt wird das Modell der Rechtfertigung als Erlösung definiert, und es werden die spezifischen Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine solche Rechtfertigung als Erlösung die zur Sprache gebrachten Probleme pfingstlicher Soteriologie überwinden kann. Ich verwende 58 Vor der Geisttaufe wird das Werk des Geistes hauptsächlich in der Erneuerung und Heiligung verortet, s. Higgins/Dusing/Tallman: An Introduction to Theology, S. 112; Jenney : Holy Spirit and Sanctification, S. 399; Pearlman: Knowing, S. 305 – 309; Pecota: Saving Work, S. 365. 59 Die Umschreibung des Hauptwerks des Geistes wird in J. Rodman Williams Kommentar deutlich, demzufolge es bei Pfingsten weder um Heil, noch um Heiligung geht, sondern um Bevollmächtigung zur Evangeliumsverkündigung, s. Williams, J. Rodman: Pentecostal/Charismatic Theology. In: Dockery, David S. (Hg.): New Dimensions in Evangelical Thought: Essays in Honor of Millard J. Erickson. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1998, S. 184 – 196, hier S. 187, 189.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

228

Steven M. Studebaker

hier den Begriff Rechtfertigung als Erlösung, weil dies der von Macchia gebrauchte Begriff ist. Allerdings bevorzuge ich den stärker inklusiven Begriff Soteriologie als Erlösung, weil er sowohl Christus als auch dem Heiligen Geist eine wesentliche Rolle im gesamten Erlösungsprozess zugesteht. Zudem schließt eine Soteriologie als Erlösung die Himmelfahrt Christi ein. Dies gewährleistet eine volle trinitarische Soteriologie: Christus und der Geist erwirken das Heil und aktualisieren es im Gläubigen. Dieses Heil besteht in der Reinwaschung von der Sünde, in der Erneuerung des Lebens und in der Wiederherstellung zur Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott – die Aspekte, die wiederum dem Tod, der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi entsprechen.

Rechtfertigung als Erlösung – eine Definition Das Modell der Rechtfertigung als Erlösung definiert Rechtfertigung als die Erschaffung neuen Lebens in einer Person, die sich durch die Gabe des Geistes ereignet.60 Das Erlösungsmodell steht im Gegensatz zur Betonung von Schuld und Vergebung, die das protestantische forensische Modell charakterisiert, und weist eine große Nähe zum katholischen transformativen Verständnis der Rechtfertigung auf.61 Auf der Grundlage von Textstellen aus dem Römerbrief legt Macchia dar, dass die Rechtfertigung in den Begriffen von Tod und Auferstehung Christi verstanden werden muss (Röm 4,25). Die traditionelle protestantische Soteriologie verbindet Rechtfertigung mit dem Werk Christi am Kreuz zum Sündenerlass. Die Heiligung korreliert mit der Auferstehung.62 Röm 8,11 lehrt jedoch unmissverständlich, dass die Rechtfertigung auch die Auferstehung Christi durch den Geist umfasst. Die Auferstehung ist wichtig, weil durch sie die Menschheit zu einem neuen Leben und einer neuen Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt wird. Eine Rechtfertigung als Erlösung definiert auch die Gerechtigkeit Gottes neu. Die Gerechtigkeit Gottes, durch die eine Person gerechtfertigt ist, ist nicht Christi moralisch perfekter Charakter, der ein Prinzip göttlicher Gerechtigkeit erfüllt. Die Gerechtigkeit Gottes ist Gottes erlösendes Handeln für seine gebrochene Schöpfung. Weil die Auferstehung die entfremdete Menschheit wiederbelebt, ist sie auch für Gottes erlösendes Handeln – sprich, die Rechtfertigung – konstitutiv. Kurz: Die Rechtfertigung schließt die Vergebung der Sünden und die Neuschöpfung des Lebens nach dem Muster der Auferstehung Christi ein. Ich möchte an 60 Für Macchias Beschreibung des Modells von Rechtfertigung als Erlösung, s. Macchia: Justification and the Spirit, S. 7 – 15. 61 Die Verwandtschaft, die die pfingstliche Betonung der Pneumatologie und Heiligung mit dem Katholizismus verbindet, trat im römisch-katholisch/pfingstlichen Dialog zu Tage, s. K•rkk•inen, Veli-Matti: Spiritus Ubi Vult Spirat: Pneumatology in Roman Catholic-Pentecostal Dialogue (1972 – 1989). Helsinki: Luther-Agricola-Society, 1998 (Schriften der Luther-AgricolaGesellschaft 42), S. 162 – 165. 62 Luther : Werke, Bd. 56: Der Brief an die Römer, S. 296.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

229

dieser Stelle die Bedeutung der Himmelfahrt Christi ergänzen. Gottes erlösendes Handeln endet nicht mit neuem Leben, sondern umfasst auch die mit dem dreieinigen Gott wiederhergestellte Gemeinschaft. Viele Protestanten werden dem rasch entgegen halten, dass dies Heiligung mit Rechtfertigung vermische. Macchia ist dieser Charakterisierung nicht abgeneigt. Er erklärt vielmehr, dass seine Auffassung als ein „Heiligungsmodell der Rechtfertigung“ verstanden werden kann, das „die Heiligung als integral für Gottes grundlegende Taten der erlösenden Gerechtigkeit betrachtet.“63 Dennoch wäre es eine grobe Fehllektüre seiner Theorie, wenn man daraus folgerte, dass Macchia eine Form von Werkgerechtigkeit befürworte. Eine Person ist nicht gerechtfertigt, weil sie ein Leben der Heiligung anstrebt, sondern vielmehr ist die Rechtfertigung die Tat des Geistes Gottes, der neues Leben und Heiligung in der Person erschafft.64

Rechtfertigung als Erlösung und pfingstliche Soteriologie Rechtfertigung als Erlösung bietet der pfingstlichen Theologie einen Weg, ihre implizite Subordination des Geistes zu überwinden. Da die Subordination des Geistes in der pfingstlichen Theologie von den soteriologischen Kategorien herrührt, die von der protestantischen Scholastik übernommen wurden, muss das Gegenmittel dazu diese gemeinsamen Kategorien behandeln. Erstens basiert eine als Erlösung verstandene Rechtfertigung nicht auf den Paradigmen christologisch/objektiv und pneumatologisch/subjektiv. Die Termini subjektiv und objektiv sind zwar nach wie vor auf die Soteriologie anwendbar, insofern der Tod und die Auferstehung Christi als historische Ereignisse objektiv und folglich nicht identisch mit partikularen Momenten der Erlösung des Menschen sind. Die protestantisch-scholastische Unterscheidung zwischen objektiv und subjektiv bezieht sich aber auf den extrinsischen Begriff der Rechtfertigung und das subjektive Erneuerungswerk des Geistes. Bei der als Erlösung verstandenen Rechtfertigung wird das objektive Werk Christi hingegen in der Macht des Geistes vollbracht und derselbe Geist reproduziert dieses Werk im Gläubigen. Das objektive Werk Christi liegt nicht in der Erfüllung eines Gerechtigkeitsprinzips, sondern vielmehr darin, dass Christus die Entfremdung der Menschheit von Gott auf sich nahm und diese zur Gemeinschaft mit dem Vater durch Auferstehung und Himmelfahrt wieder herstellte. Wie Christus für die Sünde starb, zu neuem Leben auferweckt wurde und zum Vater auffuhr, so entstirbt der Gläubige der Sünde, wird zu neuem Leben auferweckt und in den Bereich der trinitarischen Gemeinschaft gezogen. Da der Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi in der Kraft des Geistes erfolgen, ist das Werk des Geistes für die Rechtfertigung und 63 S. Macchia: Justification and the Spirit, S. 14. 64 Ebd.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

230

Steven M. Studebaker

für das Heil selbst konstitutiv. Das Werk des Geistes ist gegenüber dem Werk Christi im soteriologischen Prozess nicht sekundär, sondern untrennbar mit Christi Erlösungswerk verbunden. Rechtfertigung als Erlösung vereint die Christologie und die Pneumatologie, anstatt die Christologie und die Pneumatologie in objektive und subjektive Kategorien aufzuspalten. Zweitens wird der Geist in einer als Erlösung verstandenen Rechtfertigung nicht auf eine instrumentale Rolle im Heil reduziert. Der Geist eignet die von Christus erwirkten Wohltaten nicht einfach bloß zu. Da Christi Erlösungswerk in der Kraft des Geistes vollbracht ist, ist die Erlösung an sich schon christologisch und pneumatologisch. Das entscheidende Erlösungshandeln Gottes – der Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi – ist von Anfang bis Ende pneumatologisch. Die Inkarnation wird durch den Geist vollbracht (Mt 1,18; Lk 1,35). Der Heilige Geist kommt auf Christus bei seiner Taufe herab (Mt 3,16; Mk 1,10; Lk 3,22; Joh 1,32 f.), bevollmächtigt ihn auf seinem Weg in die Wüste (Mt 4,1; Mk 1,12; Lk 4,1) und in seinem lehrenden Dienst (Apg 1,2). Schließlich wird Christus zu unserer Rechtfertigung durch den Geist auferweckt (Röm 4,25; 8,11).65 Daraus folgt, dass die Erlösung durch das Werk Christi und den Geist konstituiert wird. Die Erlösung ist demzufolge der Empfang des Geistes, als des Geistes Christi, der im Gläubigen die durch Christus erwirkte Erlösung der Menschheit bewirkt. Der Geist ist nicht derjenige, der die erlösenden Wohltaten lediglich zueignet, sondern des Geistes Werk der Neuschöpfung nach dem Muster von Christi eigener Auferstehung ist die Erlösungswohltat. Drittens versteht das Erlösungsmodell der Rechtfertigung Christi Erlösung als durch und durch pneumatologisch. Das steht mit der biblischen Beschreibung des Heils im Einklang, die in pneumatologischen Begriffen erfolgt. Der Dienst Jesu wird durch die Verheißung Johannes des Täufers eingeführt und definiert: „Er wird Euch mit dem Heiligen Geist taufen“ (Mt 3,11; Mk 1,8; Lk 3,16; Joh 1,33). Apg 2 beschreibt den Vollzug und das Anbrechen dieser Verheißung. Mit der Ausgießung des Geistes wird die Erlösungverheißung, wie sie in den Prologen der Evangelien angekündigt wird, erfüllt. Zugleich stellt diese aber auch einen Anfang dar, denn sie markiert den Beginn jenes Zeitalters, in dem Gott seinen Geist endgültig auf alles Fleisch ausgießen wird (Apg 2,17 – 21; Joel 2,28 – 32). Die Taufe mit dem Geist ist folglich die fundamentale soteriologische Verheißung. Die im Modell von Rechtfertigung als Erlösung erfolgende Verknüpfung der Verheißung aus den Evangelien mit Pfingsten ist eine glaubwürdigere kanonische Interpretation als jene, die in Pfingsten und den darauf folgenden Geistausgießungen der Apostelgeschichte ein primär optionales soteriologisches Phänomen sieht. Hinsichtlich des Status, der dem Geist im ordo salutis zukommt, stellt die 65 Daher zielt die Auferstehung nicht nur darauf, Jesu Werk am Kreuz zu bestätigen, sondern sie ist für das Erlösungswerk schlechthin wesentlich, s. Dunn, James D. G.: Romans 1 – 8. Dallas, TX: Word Books, 1988 (Word Biblical Commentary 38 A), S. 225, 241.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingstliche Soteriologie und Pneumatologie

231

Gabe des Geistes nicht bloß ein Element des soteriologischen Prozesses dar, sondern das essenzielle Wesen eben jenes Heils, das die Elemente des ordo salutis zu beschreiben suchen. Da der Geist die Gabe der Erlösung ist, stellen die Elemente des ordo salutis Facetten des fundamentalen Wesens des Heils dar – das Leben im Geist. Wir werden als Gottes Kinder adoptiert, versöhnt zur Gemeinschaft, verändert und bevollmächtigt zum christlichen Leben, weil der Geist Gottes in uns wohnt. Fassen wir zusammen: Eine Soteriologie als Erlösung bekräftigt zwei Hauptprämissen, die den Geist aus einer subordiniertern Rolle innerhalb der Soteriologie befreien. Erstens sind das Werk Christi und das des Geistes im Vollbringen der Erlösung vereint. Zweitens bewirkt Gottes Rechtfertigungstat am Gläubigen im Gläubigen die Neuschöpfung des erlösenden Werks Christi: Tod der Sünde (Kreuz), neues Leben (Auferstehung) und Wiederherstellung zur Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott (Himmelfahrt). Da das Erlösungswerk Christi im und durch den Geist vollbracht wird, wird auch die Rechtfertigung des Menschen in und durch den Geist vollbracht. Eine von der Erlösung her bzw. als Erlösung verstandene Soteriologie interpretiert somit die Rechtfertigung als eine christologische und pneumatologische Tat Gottes. Da das Werk des Geistes integral für das Erlösungswerk Christi und für die Aktualisierung dieses Werks im Gläubigen ist, ist die Rolle des Geistes nicht bloß instrumental, sondern für den Prozess der Rechtfertigung wesentlich. Die als Erlösung verstandene Soteriologie macht geltend, dass die Gabe des Geistes das Wesen des Heils ist. Folglich ist das Heil inhärent pneumatologisch. Das Heil ist jedoch auch inhärent christologisch. Das liegt daran, dass der Geist qua Neuschöpfung im Gläubigen erneut die Erlösung der Menschheit (er-)schafft, die in Christi Leben, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt erwirkt wurde. Folglich werden in einer Soteriologie als Erlösung das Werk Christi und das des Geistes als konstitutiv für den gesamten soteriologischen Prozess gefasst.

Schlussfolgerung Der grundlegendste Beitrag einer Soteriologie als Erlösung für die pfingstliche Theologie besteht darin, dass sie die Pneumatologie mit der Christologie synthetisiert. Diese Synthese bietet einen Weg, die implizite Subordination des Geistes in der pfingstlichen Theologie zu überwinden. In charakteristischer Übereinstimmung mit ihren Ursprüngen subordiniert die pfingstliche Theologie das Hauptwerk des Heiligen Geistes dadurch, dass sie es in den Begriffen der Geisttaufe definiert. Die Geisttaufe folgt auf das Heil und ist für das Heil nicht notwendig. Das Problem dabei ist, dass dies unbeabsichtigt das primäre Werk des Geistes optional werden lässt. In einer als Erlösung verstandenen Soteriologie ist das primäre Werk des Heiligen Geistes nicht an eine soteriologische Option angegliedert. Im Gegenteil, das Werk Christi und das des Geistes konstituieren das Vollbringen und das Erfahren der Erlösung.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

D. Lyle Dabney

Die Natur des Geistes *

Schöpfung als Vorahnung Gottes

Michael Welkers Einladung an die Teilnehmer des Symposiums, vor dessen Hintergrund dieser Aufsatz entstanden, begann mit einem Zitat der Antwort Jesu an Nikodemus im dritten Kapitel des Johannesevangeliums: „Der Geist, wie der Wind, bläst wo er will“ (3,8a). Ich stelle mit vor, dass jeder von uns, der diesen Satz hört, sich sofort den Rest dieser Aussage in Erinnerung ruft: „und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist bei jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (3,8b). Es ist genau dieser Rest des Verses, auf den ich unsere Aufmerksamkeit jetzt lenken möchte. Denn diese Worte bringen die ganze vorausgehende Unterhaltung zwischen Jesus und diesem „Lehrer Israels“ auf den Punkt und sind zugleich der Ausgangspunkt für alles Folgende.1 Sie führen auch das Thema ein, das ich im Folgenden untersuchen will. Nikodemus will in dieser Geschichte das „Wie?“ erkennen. Als jemand, der Jesus in einer langen Abfolge von gottgesandten Männern und Frauen sieht, hat er anerkannt, dass Jesus „ein Lehrer, von Gott gekommen [ist]; denn niemand kann die Zeichen tun […] es sei denn Gott mit ihm“ (3,2). Unerwarteterweise antwortete Jesus mit den Worten: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (3,3) Und nun befindet sich derjenige, der zu Jesus „bei der Nacht“ gekommen war, buchstäblich im Dunkeln. „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist?“, fragt er, „Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?“ (3,4) So spricht Jesus vom Geist Gottes, der kommt und geht wie der Wind und eine neue Schöpfung nach Belieben hervorbringt. Wer vom Geist geboren ist, lehrt er, wird vom Geist Gottes in einer Weise bewegt, die unsere gewohnten oder gewöhnlichen Erklärungsmuster einfach nicht zu erklären vermögen – „du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt“, denn „göttliche Möglichkeit“ (um einen Begriff Rudolf Bultmanns aufzunehmen) ist in seinem oder ihrem Leben am Werk, die ihrerseits nicht die Summe der Kausalkräfte ist, welche menschliche Wesen normalerweise heranziehen, um * Originalveröffentlichung: Dabney, D. Lyle: The Nature of the Spirit: Creation as a Premonition of God. In: Welker, Michael (Hg.): The Work of the Spirit: Pneumatology and Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2006, S. 71 – 86. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Eerdmans-Verlags; alle Rechte vorbehalten. 1 Zur Struktur und Entwicklung dieses Diskurses s. Brown, Raymond Edward: The Gospel According to John (I – XII). 2. Aufl. New Haven, CT: Yale University Press, 1979, S. 136 – 137.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Natur des Geistes

233

die Phänomene zu erhellen, die unsere Existenz betreffen.2 Wo Nikodemus nur ein unerklärliches Mysterium sieht, verweist Jesus auf den Geist als die Möglichkeit Gottes, durch Gottes Schöpfung und Neuschöpfung der Welt zu agieren: auf eben die Möglichkeit, dass Gott in all jenen am Wirken ist, die zur Erkenntnis des kommenden Reichs gebracht werden; ja, auf eben die göttliche Möglichkeit, die in und durch Jesus Christus selbst am Wirken war. Nikodemus wollte das „Wie?“ herausfinden und verfehlte daher gänzlich das „Wer?“ – nämlich Jesus den Christus, der nicht einfach nur ein weiteres Glied einer langen Abfolge darstellt, sondern der einzigartige Empfänger und Träger und Verleiher des Geistes Gottes ist (s. 1,29 – 34), und den Heiligen Geist, der nicht einfach als die göttliche Gegenwart bei bzw. mit einem Mann Gottes zu verstehen ist, sondern der derjenige ist, der in dieser Erzählung als Möglichkeit Gottes in und für Gottes Welt durch Leben, Tod und Auferstehung Jesu, des Christus, weht. Das folgende Kapitel möchte das Augenmerk auf den Geist als Möglichkeit Gottes lenken, und auf die Art und Weise, wie diese pneumatologische Perspektive es erlaubt, Gottes Beziehung zu Gottes Schöpfung und Neuschöpfung der Welt abzubilden. Ebenso wie die westlichen Debatten zur Soteriologie immer wieder auf den Brief des Paulus an die Römer im Neuen Testament zurückgegriffen haben, so haben sich in der christlichen Theologie von Augustinus bis Aquin, von Luther bis Barth die Diskussionen zur Schöpfungslehre und zur Beziehung Gottes zur Welt scheinbar unvermeidbar einer Auslegung der eröffnenden Kapitel der Genesis im Alten Testament zugewandt.3 Obwohl diese Passage das biblische Zeugnis zur Schöpfung keinesfalls erschöpfend darstellt,4 ist sie mehr als jeder andere zum locus classicus der Schöpfungslehre geworden. Der Anfang des Buchs der Genesis wird darum den Schwerpunkt für das Folgende bilden; und anders als Nikodemus werde ich mit der Frage nach dem „Wer?“ einsetzen. Wir beginnen zunächst mit einer Einführung in die Perikope: ihrem Kontext im Buch Genesis, sowie der Struktur und der allgemeinen Charakteristika des Texts. Zweitens werden wir unter stetigem Verweis auf Genesis die Rolle des Geistes in der „Erschaffung des Himmels und der Erde“ untersuchen und spezifischer, wie dies die Rede der christlichen Theologie von Gott als Schöpfer der Welt und von der Welt als Schöpfung Gottes prägt. Zwei Schlussfolgerungen über die „Natur des Geistes“ sollen hier für unsere Interpretation der „Natur der Welt“ gezogen werden: zum einen, dass die Schöpfung nicht mit dem Wort beginnt, sondern mit dem 2 Bultmann, Rudolf: Das Evangelium des Johannes. 12. Aufl. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1952 (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament, Abteilung 2), S. 101. 3 Als ein jüngeres Beispiel, s. Welker, Michael: Schöpfung und Wirklichkeit. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1995 (Neukirchener Beiträge zur systematischen Theologie 13). 4 Anderson, Bernhard W.: Creation in the Old Testament. Philadelphia, PA: Fortress Press, 1984. Als ein Beispiel dafür, wie breitgefächert eine Schöpfungslehre sein kann, die auf die Breite des biblischen Zeugnisses zurückgreift, s. Moltmann, Jürgen: God in Creation: An Ecological Doctrine of Creation. London: SCM Press, 1985.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

234

D. Lyle Dabney

Geist, und zum anderen, dass die Schöpfung daher nicht mit kreatürlicher Notwendigkeit sondern mit göttlicher Möglichkeit beginnt. Um diese eröffnende Textstelle der Bibel zu verstehen, in der die Erschaffung „des Himmels und der Erde“ dargestellt wird, müssen wir den Text in seinem Kontext des Buchs der Genesis betrachten.5 Das erste Buch der Torah und damit der Bibel heißt auf Hebräisch „im Anfang“ und in der griechischen Septuaginta „Ursprung“. Bei der Übersetzung war es der griechische Titel, der, vermittelt durch die lateinische Bibel, in unserer eigenen Sprache als Name des Buches übernommen wurde. Genesis besteht aus fünfzig Kapiteln, in denen es um „Anfänge“ oder „Ursprünge“ geht. Es geht tatsächlich um zwei verschiedene Ursprünge: einerseits um den Ursprung Israels (ungefähr Kapitel 12 – 50) und andererseits um den Ursprung des Universums (ungefähr Kapitel 1; der Rest des Buchs, ungefähr Kapitel 2 – 11, die sich zwischen der Schöpfungserzählung und der Berufung Abrahams befinden, nimmt im Narrativ eine vorbereitende Rolle für die Abrahamserzählungen ein). Obwohl voneinander unterschieden, werden diese beiden Ursprünge oder Anfänge doch als eng aufeinander bezogen dargestellt. Um die Botschaft der eröffnenden Kapitel der Genesis zu erfassen, muss man daher verstehen, dass die dort erzählte Geschichte des Ursprungs des Universums aus der Perspektive der in den späteren Kapiteln zu findenden Geschichte des Ursprungs Israels berichtet wird. Die Geschichte Israels beginnt mit der Behauptung, dass Gott Abraham, von dem ganz Israel abstammt, berufen habe, dass er ihm eine Segensverheißung für sich und seine Nachkommen gegeben habe, und dass Gott darüber hinaus, durch Abraham „alle Geschlechter [oder Völker] auf Erden“ (12,1 – 3) segnen werde. Aus einer Perspektive, welche die Verehrung des Einen in den Mittelpunkt rückt, der das Geschlecht Abrahams zum Kanal göttlichen Segens für die ganze Schöpfung erwählt hat, übernahm Israel auserlesene Teile der Geschichten über den Ursprung der Welt, wie sie in den Traditionen der um es herum lebenden Völker im Alten Orient erzählt wurden, und formte diese so um, dass sie seinem Zeugnis von dem Einen dienten, der einen Anspruch auf sein kollektives Leben erhoben hatte.6 Die eröffnenden Kapitel der Genesis im Allgemeinen und das erste Kapitel im Besonderen sollten daher nicht als eine Art Spekulation darüber, „wie die Dinge entstanden“, (miss-)verstanden werden – und noch viel weniger als altertümliches 5 Für eine sehr gute kritische und narrative Orientierung zu Genesis und dem Pentateuch, vgl. Hendel, Ronald S.: Genesis, Book of. In: Anchor Bible Dictionary, Bd. 2. New York, NY: Doubleday, 1992, S. 933 – 941; Scullion, John J.: Genesis, The Narrative of. In: Anchor Bible Dictionary, Bd. 2. New York, NY: Doubleday, 1992, S. 941 – 962; Friedman, Richard E.: Torah (Pentateuch). In: Anchor Bible Dictionary, Bd. 6. New York, NY: Doubleday, 1992, S. 605 – 622. 6 S. Bauks, Michaela: Die Welt am Anfang: Zum Verha¨ ltnis von Vorwelt und Weltentstehung in Gen 1 und in der altorientalischen Literatur. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1997 (Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 74); Childs, Brevard S.: Myth and Reality in the Old Testament. London: SCM Press, 1962 (Studies in Biblical Theology 27).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Natur des Geistes

235

Äquivalent einer „modernen“ oder „wissenschaftlichen“ Erzählung über das Universum – sondern sie sollten als ein Glaubensbekenntnis über die Beziehung zwischen dem „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“ (Ex 3,6) und der ganzen Welt aufgefasst werden, und darüber, wie diese Gottesbeziehung die Natur der Welt bestimmt. Das erste Kapitel der Genesis lässt sich in der Tat am besten als ein „doxologisches Interpretament des ersten Gebots“7 verstehen, das Israel anwies, keine anderen Götter anzubeten (Ex 20,3 – 4), und somit jene Textstelle reflektierte, die zum täglichen Gebet während des langen Exils der Juden werden sollte: „Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein“ (Dtn 6,4). Sein sachlicher Gehalt ist in erster Linie Gott – und zweitens die Art, in welcher alle Schöpfung, einschließlich Israels, in der Beziehung zu Gott stehen. Der Schöpfungserzählung in der Genesis geht es daher nicht primär darum, „wie die Welt entstand“, sondern darum, „wer der Schöpfer der Welt ist, und was dies für die Schöpfung bedeutet.“ Indem sie auf diese Weise von Schöpfung spricht, zeigt die Genesis die Verbindung zwischen der Geschichte Israels und der Geschichte der ganzen Welt auf: der Gott der ganzen Schöpfung ist der Eine, der Israel berufen und somit geschaffen hat, auf dass Gottes gute Absichten des Segnens aller Schöpfung erfüllt würden. Somit muss die Geschichte von „Gott und Israel“ (Kap. 12 – 50) innerhalb der größeren Geschichte von „Gott und der ganzen Welt“ (Kap. 1 – 11) verstanden werden. Umgekehrt muss die Geschichte von „Gott und der ganzen Welt“ (Kap. 1 – 11), noch genauer die Geschichte von „Gottes Erschaffung des Himmels und der Erde“ (etwa Kap. 1), in Bezug auf die Geschichte von „Gott und Israel“ (Kap. 12 – 50) verstanden werden, denn es ist die letztere, welche die maßgebende Perspektive für die erstere bereitstellt. Die konkreten Parameter der Geschichte von „Gottes Erschaffung des Himmels und der Erde“, die oben als „etwa Kapitel 1“ bestimmt wurden, können durch einen genauen Blick auf die Struktur der Genesis erschlossen werden. Das Buch hat eine klar definierte Form. Es ist wie eine erweiterte Genealogie strukturiert, deren Hauptunterteilungen mit dem wiederholten Auftauchen der genealogischen Redewendung „dies sind die Geschlechter von …“ (2,4; 5,1; 6,9; 10,1; 11,10; 11,27; 25,12; 25,19; 36,1; 37,2) markiert werden, was übersetzt soviel bedeutet wie „dies ist die Geschichte von“ oder sogar „dies ist was aus … wurde“. Daher sind die ersten dieser Genealogien „die Geschlechter von“ (oder „die Geschichte von …“) den Himmeln und der Erde (2,4 – 4,26), gefolgt von der Adams (5,1 – 6,8), Noahs (6,9 – 9,29), der Söhne Noahs (10,1 – 11,9), Sems (11,10 – 26), Terachs (11,27 – 25,11), Ismaels (25,12 – 18), Isaaks (25,19 – 35,29), Esaus (36,1 – 37,1) und Jakobs (37,2 – 50,26). Das Buch treibt seinen Handlungsstrang also in einer Serie von einzelnen aber miteinander verflochtenen „genealogischen“ Untererzählungen voran. 7 Gloege, Gerhard: Schöpfung IV. B. Dogmatisch. In: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 5. 3. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck, 1961, S. 1484 – 1490, hier Sp. 1485.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

236

D. Lyle Dabney

Hieran wird sofort deutlich, dass 1,1 – 2,3 aus der formalen Struktur der Genesis herausfallen. Die Geschichte von „Gottes Erschaffung des Himmels und der Erde“ besteht daher nicht in 1,1 – 31 sondern in 1,1 – 2,3. Und diese Textstelle sollte nicht als ein Kettenglied der „Geschlechter“ verstanden werden, aus denen die Erzählung besteht, sondern als das, was der Geschichte vorangeht und außerhalb ihrer steht. Denn 1,1 – 2,3 fungiert als Vorwort oder Prolog für das Buch der Genesis und in der Tat für die gesamte Torah.8 Und nicht nur für Genesis oder die Torah, sondern in Wahrheit für das gesamte biblische Zeugnis, des Alten und des Neuen Testaments. In diesem Horizont sollen wir alle nachfolgenden Geschichten des göttlichen Gebots und menschlichen Ungehorsams, des göttlichen Gerichts und der menschlichen Entfremdung, der göttlichen Verheißung und der menschlichen Hoffnung, der menschlichen Umkehr und der göttlichen Vergebung lesen: sie alle entfalten sich inmitten der Schöpfungserzählung vom Chaos zur Vollendung an Gottes Tag der Sabbatruhe aller Dinge.9 Der Prolog (1,1 – 2,3) ist selbst klar strukturiert. Genesis 1,1 dient als eine Art allgemeine Aussage, die den Inhalt der gesamten Textstelle zusammenfasst, eine Aussage, die dann in 2,1 ihr Echo findet. Die Textstelle als Ganzes wird durch das literarische Mittel der Beschreibung der Schöpfung Gottes als ein Geschehen an sieben aufeinanderfolgenden Tagen strukturiert, die den sieben Tagen von Israels Woche entsprechen; eine Zeitspanne die im Sabbat gipfelt, der wiederum mit dem siebten Tag korrespondiert, an dem Israel von Gott geboten wurde, als Zeichen des Bundes zwischen ihm und seinem Erlöser einen Tag der Ruhe zu halten. Genesis 1,1 – 2,3 erzählt die Geschichte der 8 S. McBride, S. Dean: Divine Protocol: Genesis 1:1 – 2:3 as Prologue to the Pentateuch. In: Ders.; Brown, William P. (Hg.): God Who Creates: Essays in Honor of W. Sibley Towner. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2000, S. 3 – 41. 9 Hierzu ist es möglicherweise hilfreich zu bemerken, dass Kapitel 2 (2,4 – 25) oft als „zweite Schöpfungserzählung“ bezeichnet wird und dann mit der „ersten“ aus 1,1 – 23 kontrastiert wird. Doch wenngleich es sicherlich zutrifft, dass 2,4 – 25 Gott darstellt, wie er den Menschen schafft und in den Garten Eden stellt, und wenngleich es möglicherweise zutrifft, dass der Bericht, der jetzt in Kapitel 2 zu finden ist, an irgendeinem Punkt der Geschichte Israels als unabhängige Schöpfungserzählung entstand und zirkulierte, wird die Textstelle durch diese Beschreibung hinsichtlich ihrer Rolle im Narrativ der Genesis falsch repräsentiert. Es ist nicht der Fall, dass Israel zwei „Schöpfungserzählungen“ besaß, und unfähig oder unwillig war, sich zwischen ihnen zu entscheiden, und daher einfach beide aufnahm. Stattdessen dient Kapitel 1 in der Genesis, und in der Tat im gesamten Pentateuch, als der Bericht über die Schöpfung der Welt. Kapitel 2, als Teil der ersten großen genealogischen Untererzählung, „die Geschichte von [oder ,was wurde aus‘] Himmel und Erde“ (2,4 – 4,26), spielt eine völlig andere Rolle in diesem Narrativ. Es ist eng verbunden, ja untergeordnet unter den Bericht des Ungehorsams und der Vertreibung aus dem Garten in Kapitel 3 und 4. Es liefert keinen „alternativen“ Bericht darüber, wie „die Welt entstand“, als ob es darum in Kapitel 1 allein ginge, sondern fungiert als die unverzichtbare „Einleitung“ in 2,4 – 4,26, welche die Kategorien zur Beschreibung der Breite und Tiefe der Auswirkungen menschlichen Versagens begründet. Im Kontext der Genesis hat daher Kapitel 2 keine eigenständige Rolle und ist keine „zweite Schöpfungserzählung“, die gegen die „erste“ (also 1,1 – 2,3) ausgespielt werden kann. Es ermöglicht vielmehr die in Kapitel 3 und 4 erfolgende Darstellung des Verfalls all dessen, was Gott geschaffen hat.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Natur des Geistes

237

Schöpfung der Welt somit in den Kategorien der eigenen Erlösungsgeschichte Israels (vgl. Dtn 5,12 – 15). Daher fungieren diese sieben „Tage“ eindeutig als literarisches Mittel, das dazu verwendet wird, die Schöpfung im Hinblick auf einen Prozess zu interpretieren, der im Sabbattag der bundesgemäßen Ruhe gipfelt. Als solcher etabliert der Prolog den „Horizont“, vor dem alles Folgende gesehen werden muss, denn er stellt den übergreifenden Kontext für die fortlaufenden Berichte über die nachfolgenden „Generationen“ bereit. Er spricht daher nicht von dem ersten Ereignis in einer Kette von Ereignissen, sondern von dem allumfassenden Ereignis, innerhalb dessen alles andere zu verstehen ist: ein sich entfaltendes Ereignis, das im Eingehen der ganzen Schöpfung in Gottes Sabbatruhe gipfelt. Als solches, bemerkt S. Dean McBride, „dokumentiert die Chronik der Schöpfung nicht nur, was ,am Anfang‘ bei der Schöpfung passierte; sie verkörpert auch göttliches Vorgehen und göttliche Bestimmung, indem sie ein Programm aufstellt, das eine Vorschau auf die kontinuierliche Beziehung des Schöpfers zu einem geordneten aber immer noch formbaren Kosmos gibt.“10 Daher ist das Thema des Prologs – wie auch der ganzen Genesis – die Verheißung Gottes. So wie die Geschichte des Ursprungs der Welt und ihres Zustands (Kap. 1 – 11) in Genesis aus der Perspektive des Ursprungs Israels (Kap. 12 – 50) und in daran erinnernden Worten erzählt wird, so wird die Geschichte von „Gottes Erschaffung des Himmels und der Erde“ (1,1 – 2,3) als erfüllt von göttlicher Verheißung dargestellt, in Übereinstimmung mit den Verheißungen Gottes an Israel, die für die Vätererzählungen wesentlich sind: Abraham, Isaak und Jakob (s. 12,1 – 3), das heißt die Verheißung, dass Gott „jede Nation auf Erden“ segnen wird. Zusammenfassend können wir also festhalten: Die Geschichte von Gottes „Erschaffung des Himmels und der Erde“ (1,1 – 2,3) deklariert, dass der Eine, den Israel anbetet und dem es dient, der Schöpfer und Erhalter des ganzen Universums (1,1; 2,1) und daher der Herr über alles ist; ja, sogar genau über all jene Objekte, die als „Götter“ in den Mythen der Israel im Alten Orient umgebenden Völker verehrt werden: die urzeitlichen Wasser des Chaos (1,2; s. Jes 45,19), die Sonne, der Mond und die Sterne (1,14 ff.; s. Dtn 4,19; Zef 1,5) und die „großen Seeungeheuer“ des Urzeitmeeres (1,12; s. Ps 74,12 – 13; 104,25 ff.; Jes 51,9 ff.). Von Gottes Schöpfung wird gesagt, dass sie in einem Prozess von sieben Tagen stattfand, der im Tag der Verheißung gipfelt, im Tag der Sabbatruhe. Während sowohl die „Wasser“ (1,20) als auch die „Erde“ (1,24) zu einem Teil von Gottes schöpferischem Handeln gemacht werden, spielen die Geschöpfe des „sechsten Tags“, die menschlichen Wesen, eine besondere Rolle in der Schöpfung, was in der Art und Weise deutlich wird, mit der ihre Schöpfung eingeleitet wird, nämlich mit ihrer Beschreibung als „im Bilde und Antlitz Gottes“ geschaffen und betraut mit „Herrschaft“ über die Schöpfung (1,26 – 31). Das Argument besteht also darin, dass diese Welt weder zwecklos noch wider die menschliche Existenz ist, denn sie wird nicht von einem 10 McBride: Divine Protocol, S. 7.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

238

D. Lyle Dabney

Pantheon boshaft kriegerischer Götter regiert – wie in den vielen mythischen Erzählungen des Alten Orients –, sondern von dem, der allein Gott ist, dem von Israel als Erlöser und Schöpfer angebeteten Herrn. Daher ist Israels Glaubensbekenntnis an Gott den Schöpfer zugleich ein Bekenntnis zur wesenhaften Güte der Schöpfung Gottes als Ganzes und des menschlichen Lebens im Besonderen. Denn es ist eine Welt, geschaffen von dem Einen, der sie zu ihrem rechten Ende bringen will: der „Ruhe“ des Sabbattags. Nachdem somit eine anfängliche Einführung in eine Lesart der Geschichte über Gottes „Erschaffung des Himmels und der Erde“ in Genesis 1,1 – 2,3 vorliegt, können wir nun unsere Aufmerksamkeit der Rolle des Geistes Gottes in dieser Erzählung zuwenden, so dass wir anfangen können, ein wenig Klarheit darüber zu schaffen, wie die Schöpfungslehre aussehen könnte, wenn sie von einem pneumatologischen Standpunkt aus interpretiert wird. Was genau bedeutet die „Natur des Geistes“ in dieser Erzählung für die Art und Weise, wie wir die „Natur der Welt“ verstehen? Ich werde im Folgenden argumentieren, dass eine solche Theologie (1) mit dem Geist beginnt, wenn sie ihren Bericht über die Welt als Schöpfung darlegt, und daher (2) die Welt nicht durch Notwendigkeit sondern durch Möglichkeit bestimmt ansieht, erfüllt mit der Möglichkeit von Gottes Geist selbst. Das erste aufzustellende Argument ist also, dass eine Schöpfungslehre von dem hier eingenommenen Standpunkt aus mit Gottes Geist beginnt – im Kontrast zu anderen Formen der Theologie, die daran festhalten würden, mit dem Wort Gottes zu beginnen. Diese Verschiebung der Perspektive zeigt sich sofort in unserer Lesart der Genesis, in der Gottes Geist dem Sprechen des Worts vorausgeht und von diesem vorausgesetzt wird. Daher lesen wir in der Geschichte von Gottes „Erschaffung des Himmels und der Erde“ (1,2) zunächst: „Und die Erde war eine formlose Leere und Dunkelheit bedeckte das Angesicht der Tiefe, während ein Wind von Gott über dem Angesicht des Wassers schwebte“, bevor wir in 1,3 hören: „Und Gott sprach: ,Es werde Licht!‘ Und es ward Licht.“ Es geschieht im Zusammenhang mit dem Wehen des Windes oder des Lebenshauchs Gottes, dass Gottes Wort gesprochen wird, und dieser „Wind von Gott“ kann als nichts Anderes verstanden werden als der Geist Gottes.11 Wenn wir somit die Frage stellen, was in der Lehre von der Schöpfung das von uns zuerst zu Sagende ist, wenn wir von Gott reden, dann müssen wir, noch bevor wir einfach feststellen: Deus dixit, „Gott sprach“ (Gen 1,3), zuerst sagen, dass der „göttliche Wind oder Lebenshauch“ bzw. der „Geist Gottes“ über der chaotischen Tiefe schwebte (Gen 1,2). Denn das Wort setzt den Geist in der Schöpfung voraus; ja, das Wort ist im Geist gesprochen. Hier muss ich nun betonen, dass dies keinesfalls als ein Versuch verstanden werden sollte, die Christologie der Pneumatologie unterzuordnen, noch das Wort dem Geist. Stattdessen ist es ein Versuch, das biblische Zeugnis über die 11 Für die Diskussionen um diese Interpretation, vgl. Tengstrçm, Sven: r˜ah. In: ThWAT, Bd. 7. ˙ Stuttgart: Kohlhammer, 1993, S. 385 – 418, hier S. 412 ff.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Natur des Geistes

239

Geschichte des fleischgewordenen Wortes selbst ernstzunehmen, nämlich die Evangeliumserzählungen über Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Denn genau wie die Gegenwart des Geistes dem Sprechen des Wortes in Genesis 1 vorausgeht, so finden wir im Zeugnis des Neuen Testaments über Jesus Christus, dass der Frau zuerst gesagt wird: „der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Lk 1,35; vgl. Mt 1,18), bevor die Geburt des Gottessohnes verkündet wird; oder wie es das Johannesevangelium darstellt: „das Wort Fleisch ward“ (Joh 1,14). Genau wie in der Schöpfung, so wird der Geist auch in der Neuschöpfung einmal mehr als das geschildert, was durch das Wort vorausgesetzt wird. Das Anliegen besteht nicht darin, Wort und Geist gegeneinander auszuspielen, sondern zu zeigen, wie sie aufeinander bezogen sind, was wir zuerst zu sagen haben, wenn wir sagen wollen, was zentral ist. Denn genau wie das menschliche Wort im Hauch des Mundes geboren wird, sich durch wellenartige Bewegung durch die Luft ausbreitet und so von einem anderen wahrgenommen werden kann, so kommt es, dass von Anfang an das Wort des Einen, der der Ganz Andere ist, Gottes Hauch oder Geist voraussetzt: „Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes“ (Ps 33,6). Daher ist es nicht so, dass eine vorrangige Betonung des Geistes Christus in einer Theologie des dritten Artikels verdrängt, ersetzt oder in irgendeiner Weise an letzte Stelle setzt. Im Gegenteil, sie macht Christus zentral.12 Man kann letztlich nicht von Christus sprechen, bis man nicht von dem Chrisam des Geistes gesprochen hat, der Jesus von Nazareth zu Gottes Christus macht. Man kann nicht angemessen vom Wort sprechen, bis man zuerst vom Geist gesprochen hat. Im Gegenteil, wenn wir mit dem Geist Gottes in der Geschichte von Gottes Schöpfung beginnen, können wir aufzeigen, was in der Beziehung von Gott und Welt zuerst kommt, und fangen somit an, von jener allgegenwärtigen und mysteriösen Gegenwart Gottes in der Welt zu sprechen, einer Gegenwart, durch die Gott das „Andere“ der Schöpfung ist, und welche die Kreatur befähigt, wahrhaft „anders“ zu sein – sowohl im Gegenüber zu Gott als auch zueinander. Anders als man zunächst vermuten möge, erfordert und verlangt das Konzept des „Andersseins“ nicht nur eine Differenz zwischen zwei Personen oder Dingen, sondern auch ihre Beziehung. Die Aussage, dass x anders als y sei, ist zum Beispiel keine Aussage über x allein. Denn diese Worte implizieren ja den Gedanken des Vergleichs und der Beziehung von x zu y. Der Satz „x unterscheidet sich von y“ bedeutet daher, x ist unterschieden im Vergleich zu oder in Bezug auf y. Während also die Aussage sicherlich eine Identität zwischen x und y bestreitet, bestätigt sie implizit auch das Verhältnis zwischen beiden. Nur das, was unterschieden und bezogen ist, ist „anders“. Das, womit wir identisch sind, ist nicht „anders“; es ist nur eine Wiederholung 12 Zur Gegenseitigkeit von Wort und Geist an Stelle einer Subordination des Geistes unter das Wort, vgl. Congar, Yves: The Word and the Spirit. London: G. Chapman, 1986.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

240

D. Lyle Dabney

unserer selbst. Das, wozu wir keine Beziehung haben, ist allerdings gleichermaßen nicht „anders“; es ist, soweit es uns angeht einfach „nicht“. Die Andersheit Gottes und unsere Andersheit in Bezug auf Gott und zueinander müssen genau in dieser Weise verstanden werden. Wie kann eine Welt existieren, die auf Gott bezogen ist und dennoch nicht Gott ist? Wie können Geschöpfe existieren, die voneinander unterschieden und doch bezogen aufeinander sind? Wie ist es möglich, dass sich der Schöpfer in eine Beziehung zur Schöpfung als der Ganz Andere setzen kann, der Eine, der wahrlich und vollkommen anders ist als wir selbst? Wie ist es möglich, dass das Wort Gottes das Wort des Ganz Anderen sein kann und nicht nur unser eigenes Wort „in einer lauten Stimme gesprochen“? Die Antwort findet sich im Geist Gottes, der Gegenwart Gottes in der Welt, in der wir in einer Beziehung mit dem Einen konstituiert und erhalten werden, der der wahrhaft Andere ist, der Ganz Andere, mit dem wir nicht identisch und auf den wir doch immer bezogen sind. Und in dieser beziehungsmäßigen Differenz sind wir zugleich aufeinander und auf die Ganzheit von Gottes Schöpfung bezogen. Daher kann die Geschichte von Gottes „Erschaffung des Himmels und der Erde“ (Genesis 1,1 – 2,3) die Schöpfung der Welt in einer Weise darstellen, die sowohl die Idee vermeidet, dass die Schöpfung irgendwie eine Erweiterung, das heißt eine „Emanation“ oder ein „Hervortreten“, des göttlichen Wesens sei, als auch die Idee, dass die Welt auf irgendeine Weise nicht in einer inneren Beziehung zu Gott stehe, sprich, dass die Gegenwart der Welt irgendwie die Abwesenheit Gottes impliziere. Die Schöpfung ist nach dieser Geschichte weder identisch mit Gott noch unabhängig von ihrem Schöpfer. Wenn also Gott in 1,1 als der transzendente Schöpfer aller Dinge dargestellt wird, als der Eine, der anders als, mehr noch, der das ungeschaffene „Andere“ in Bezug auf alles Geschaffene ist, dann legt dies keineswegs den Schluss nahe, dass Gott abwesend von der Schöpfung sei. Dieses Argument wird sogleich in 1,2 unterstrichen, wo der urzeitliche Zustand der Welt als eine formlose Leere beschrieben wird, deren wässrige Untiefe in Dunkelheit verhüllt ist. Doch sogar dort in der chaotischen Dunkelheit – was im antiken Orient im Kontrast zur Welt und im Kontrast zur göttlichen Ordnung stand – ist der „Wind“ bzw. „Hauch“ bzw. „Geist“ Gottes als Möglichkeit und Verheißung der Schöpfung gegenwärtig: die Möglichkeit, dass die Leere noch gefüllt, die Dunkelheit noch zu Licht gemacht und die chaotischen Wasser gebändigt und zur Ordnung gebracht werden mögen. Denn das Schweben des Windes oder Hauchs oder Geistes Gottes über die Wasser bedeutet, dass die dem Chaos fehlende Aufnahmefähigkeit für Gott nicht die Möglichkeit Gottes für die Welt ausschließt. Ebenda, in der Gegenwart jenes Geistes, folgt dann der Bericht der sechs Schöpfungstage. Jeder Tag wird in einer hochstilisierten Form beschrieben, wobei ein gemeinsamer Satz an Elementen verwendet wird, die in einem stetig wechselnden Muster in der Abfolge der Tage wiederholt und hinzugefügt werden. So beginnt jeder Tag mit dem Aussprechen eines Befehlsworts durch Gott und endet mit der Nummerierung des Tages, während andere auftau-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Natur des Geistes

241

chende Elemente Aussagen sind wie, dass geschah, was Gott befahl; dass Gott mit seinem Handeln trennte oder sammelte; dass Gott sah, dass es gut war ; dass Gott mit seinem Handeln schuf; dass die Erde oder die Wasser hervorbrachten, was Gott befohlen hatte; und dass Gott benannte, was er geschaffen hatte. Auf diese Weise wird die Schöpfung als eine komplexe Handlung verstanden, die aus ordnen (trennen, sammeln, platzieren), schaffen (Licht, Himmelswölbung, Lichter, Vegetation, Geschöpfe des Meers und der Luft, Landtiere und menschliche Wesen), benennen (Tag und Nacht, Himmel, Erde und Meer), beteiligen (die Erde, die Wasser und die menschlichen Wesen nehmen teil am Prozess der Schöpfung) und segnen (der Tiere, der Menschheit, des Sabbats) bestand, und mit der Gott die leere Dunkelheit füllt und erhellt. Und eingewebt in all dies ist die Vorannahme der Gegenwart des Geistes, in dem Gott spricht, durch den Gott befiehlt und schafft und beteiligt und segnet. Von der Dunkelheit des Chaos bis zum Licht des kosmischen Sabbats ist der Geist die Gegenwart Gottes in der Welt. Weil der Geist die Gegenwart Gottes in der Welt ist, ist die Welt nicht Gott, aber die Welt nie ohne Gott. Kraft des Geistes, der die lebenspendende Gegenwart Gottes in der Welt ist, können wir somit sagen, dass wir von Anfang an „im Geist anderweitig erfasst“ [otherwise engaged] sind und daher immer wieder von Ereignissen einer emergenten Gemeinsamkeit umfasst werden. Nicht als Manifestation einer kreatürlichen capax Dei, sondern als Ausdruck einer göttlichen capax creaturae, ist das Geschöpf nie ohne den Schöpfer. Denn der Geist Gottes ist es, der uns mit Gott und miteinander immer wieder und an jedem Moment unserer Existenz in Beziehung setzt. Mehr noch, gemäß dem biblischen Zeugnis leben wir vom Anbeginn unseres Lebens „aus“ der Gegenwart des geistlichen Atems Gottes, getragen auf den Winden des Geistes, weg von uns selbst und hin zum „anderen“ unseres Nächsten und zum „Ganz Anderen“ unseres Schöpfers. An keinem Zeitpunkt unserer Existenz sind wir verlassen oder allein gelassen, sondern an jedem Zeitpunkt sind wir „anderweitig erfasst“ durch Gott, dessen Geist die Quelle und Erhaltung unserer Existenz selbst ist. Wir leben daher buchstäblich „exzentrische“ Leben; das heißt Leben, die ihr Zentrum nicht in sich selbst tragen, sondern in einem a/Anderen. Denn von Anfang an gibt es von Gott her eine Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf, welche die Möglichkeit Gottes für die Welt und die Möglichkeit der Welt für Gott ist, eine Beziehung, die selbst das Sprechen eines/des Wortes an einen a/Anderen und das Hören eines/des Wortes des a/Anderen erlaubt. Denn der Hauch bewirkt nicht nur Leben und Bewegung im Geschöpf, sondern er bezieht auch alles Lebendige in der konkretest möglichen Weise auf die Andersartigkeit einer Realität außerhalb des Lebendigen selbst, auf das, was von diesem selbst unterschieden ist. Mehr noch, Luft ist nicht einfach die Bedingung unserer geschöpflichen Existenz, sie ist das all-umfassende Element in dem wir, wie gleichermaßen in Gott, „leben, weben und sind“ (Apg 17,28). Es ist daher kraft des Geistes, dass das Gemeinsame auf allen Ebenen

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

242

D. Lyle Dabney

unserer geschöpflichen Existenz immer wieder erscheint. So wie der „Ostwind“ die verschiedenen Gewässer nach Westen treibt oder die vielen Pflanzen eines Feldes in eine gemeinsame Richtung beugt, und somit ein gemeinsames Ergebnis bewirkt ohne ihre individuellen Unterschiede in irgendeiner Weise zu relativieren, so kann daher der göttliche Wind des Geistes Gottes auf die Chaos-Wasser am ersten Zeitpunkt und Ort oder aber auf ein Volk zu einem gewissen Zeitpunkt und Ort einwirken und ihre Leben zu einem gemeinsamen Sinn und zu einer unverkennbaren sozialen Existenz beugen. Der Geist Gottes darf daher nicht mit einem individualisierten menschlichen Geist identifiziert werden, der nach dem Göttlichen strebt, doch ebenso wenig ist er die Subjektivität eines individualisierten Gottes, der ein Objekt aus dem Menschen macht. Stattdessen wird der Geist Gottes im Unterschied zu „subjektiv“ oder „objektiv“ besser als „transjektiv“ erfasst, sprich als das, wodurch wir als Individuen transzendiert, in die Pflicht genommen, über uns hinaus orientiert und auf Gott und den Nächsten von Anbeginn bezogen werden. Das Gemeinsame zeigt sich unter uns vor allem in und durch unsere Sprache; und gerade unsere Sprache ist es, durch die wir im eigentlichen Sinne zu transjektiven Wesen werden. Nach dem Zeugnis der Genesis geschieht die Schöpfung durch das Sprechen des Wortes im Geist. Das Geschöpf des sechsten Tages, jenes pluriforme Geschöpf, das männlich und weiblich ist und als Gottes Ebenbild bezeichnet wird, muss als ein Geschöpf des Geistes und des Wortes verstanden werden. Als solche werden wir nicht nur durch Gottes Wort im Geist ins Leben gerufen, sondern sind von Anfang an sprachliche Wesen, die sprachliche Leben führen und die Welt durch die von uns gesprochene Sprache deuten. Weil der Schöpfer Deus loquens ist, ist das im Bild des Schöpfers geschaffene Geschöpf ein „geschöpflicher Schöpfer“ und somit homo linguisticus.13 Denn wir sind selbst eine Deutung des Wortes im Geist und unsere Worte, die aus dem Mund der imago Dei kommen, lassen das Wort Gottes, des Schöpfers erkennen. Der Wind des Geistes, der „Hauch Gottes“ ist daher das, was uns ständig die Welt durch ein bzw. das Wort erkennen lässt und uns ineinander, miteinander und über einander hinaus mit Gott in Gottes Welt involviert. Wir leben in einer gemeinsamen Welt – „über uns hinaus“, „außer uns“ – durch das Hervortreten des Gemeinsamen in der Sprache, und unsere Worte werden von einem Hauch getragen, der letztlich nicht der unsere ist, ja, unsere Worte sprechen davon, was letztlich nicht einfach nur wir selbst sind. Das zweite vorzutragende Argument dazu, wie uns diese pneumatologische Perspektive die Schöpfung interpretieren lässt, hängt mit der Auffassung des Geistes als Möglichkeit Gottes zusammen. Das Konzept der „Möglichkeit“ hat in der westlichen Theologie keinen Ehrenplatz eingenommen, aber das ändert sich, wenn wir uns dem Geist Gottes zuwenden. Wie Eberhard Jüngel in sei13 S. Wolterstorff, Nicholas: Divine Discourse: Philosophical Reflections on the Claim That God Speaks. Cambridge: Cambridge University Press, 1995, S. iv.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Natur des Geistes

243

nem Aufsatz „Die Welt als Möglichkeit und Wirklichkeit“14 aufgezeigt hat, war es ein Akt, dessen Konsequenzen für die Tradition des westlichen Denkens kaum überschätzt werden können, als Aristoteles in seiner Metaphysik erklärte, dass die Wirklichkeit der Möglichkeit notwendig vorausgeht.15 Das logische Korrelat dieser Behauptung ist dann natürlich, dass die Wirklichkeit die Parameter des Möglichen definiert; und dieser Gedanke ist für das ganze westliche Denken grundlegend geworden. Er hat die Entwicklung unserer Auffassung von Substanz, Sein, Zeit und Sprache von der Antike bis in unsere Zeit geprägt – und er hat über unser Denken hinaus auch unser Tun (unsere Technologie!) beeinflusst. Der Erfolg dieser Behauptung, die fesselnde Kraft und bestechende Plausibilität dieser Idee kann in ihrem enormen Einfluss gesehen werden, nicht nur in der Philosophie, sondern auch in der Theologie. Deutlich wird dieser Einfluss zum Beispiel in der mittelalterlichen Scholastik und dem andauernden Einfluss, den diese ausgeübt hat. Aquin verwies selbstverständlich auf Aristoteles als „den Philosophen“ genauso wie er sich auf Paulus als „den Apostel“ bezog. Und seine Darstellung der Schöpfung offenbart die Vorannahme, dass das Wirkliche a priori gegenüber dem Möglichen ist, und dass das Mögliche nur in den Begriffen der Wirklichkeit des Seins definiert wird, in einer Hierarchie vom Notwendigen zur Kontingenten. Doch eine pneumatologische Theologie beginnt nicht mit der metaphysischen Behauptung des ontologisch Wirklichen, denn sie verzichtet auf die Behauptung, dass Sein aus der Welt abgelesen oder von Existenz hergeleitet werden könne. Sie beginnt vielmehr beim Geist Gottes, der in Tod und Auferstehung Jesu Christi als die Möglichkeit Gottes erkannt wird, die durch das Wort das Wirkliche in emergentes Sein überführt. Es ist der Geist, der Jesus Christus von den Toten auferweckt, der über die Wasser im Anfang weht und beim Sprechen des Wortes die Schöpfung aus dem Chaos hervorbringt. Wie George Montague schrieb: „Weil Gottes Geist darüber schwebt, wird das Chaos zur Verheißung.“16 Dies ist in der Tat genau die Art und Weise, in der die Geschichte von Gottes „Erschaffung des Himmels und der Erde“ in Genesis 1,1 – 2,3 ihre Erzählung vorträgt: vom Anfang bis zum Ende ist es die Geschichte Gottes, der die Schöpfung in der Möglichkeit des Geistes hervorbringt, welcher durch das Wort spricht. Und diese Möglichkeit besteht nicht nur darin, dass Gott für die Welt sein möge, sondern auch darin, dass die Welt für Gott sein möge. In den einleitenden schöpferischen Aktivitäten der ersten beiden Tage der hier geschilderten und im Sabbat endenden „Tagewoche“ wird Gott in einer Weise dargestellt, die als ein „Subjekt“ beschrieben werden kann, das an einem 14 Jìngel, Eberhard: Die Welt als Möglichkeit und Wirklichkeit. In: Ders.: Unterwegs zur Sache: Theologische Bemerkungen. München: Chr. Kaiser, 1988, S. 206 – 233. 15 Metaphysik, H, 1049 b 5; vgl. K, 1072 a 9. 16 Montague, George T.: The Holy Spirit: Growth of a Biblical Tradition. New York: Paulist Press, 1976, S. 67.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

244

D. Lyle Dabney

„Objekt“ handelt. Doch vom dritten Tage an, sobald das Licht geschaffen worden ist (Tag 1) und die Wasser geteilt worden sind (Tag 2) und das trockene Land zum Vorschein gebracht worden ist (Tag 3), nimmt die Art und Weise der schöpferischen Aktivität Gottes oftmals einen deutlich anderen Charakter an, soviel ist gewiss. Denn am dritten Tag, in der Mitte der Schöpfungswoche Gottes, beginnt Gottes Schaffen die Schöpfung selbst in den Prozess der weiteren Schöpfung mit hineinzunehmen, und der Prozess der creatio continua wird zugleich zum Prozess der creatio ex creatione. So lesen wir am dritten Tag: „Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume auf Erden, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist“ (1,11), und am fünften Tag befiehlt Gott: „Es errege sich das Wasser mit webenden und lebendigem Getier und mit Gevögel, das auf Erden unter der Feste des Himmels fliege“ (1,20 [nach Luther unrev. 1545]), und wiederum: „Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art“ (1,24). Und so werden die Erde und die Wasser und der Himmel selbst in die fortlaufende „transjektive“ Schöpfung der Welt einbezogen, in der die Strukturen der Gemeinsamkeit nicht nur weitere Gemeinsamkeiten herausbilden und erzeugen, sondern selbst dermaßen in die Textur der Welt eingewoben werden, dass sie der Natur der Schöpfung selbst inhärent sind. Doch es ist erst am sechsten Tag, dass dieser Aspekt der Schöpfung seinen Höhepunkt erreicht. Denn dort lesen wir, dass Gott nicht nur die Schöpfung in weitere Schöpfungsakte einbezieht und so Gemeinschaften der Gemeinsamkeiten erzeugt, sondern dass Gott den Menschen in eine besondere Beziehung zum Schöpfer aufnimmt, so dass „er“, das heißt „Adam“ (1,27) – „der“ Mensch, der in Wirklichkeit die pluralistische Gemeinschaft von männlich und weiblich ist (1,27c) – nichts weniger sein möge als das Ebenbild Gottes auf Erden (1,27b), ein „geschöpflicher Schöpfer“. „Weil [Adam] im Bilde Gottes geschaffen ist“, schreibt Sergei Bulgakov, „ist er aufgefordert, zu schaffen.“17 Dieses Ebenbild sollte nicht ontologisch, sondern „missional“ verstanden werden: als Teilhabe am schöpferischen Handeln Gottes in der Welt durch Wort und Tat; genauer, als die Schöpfung „füllen“ und „untertan machen“ und über sie „herrschen“ (1,28), um somit die Schöpfung für den siebten Tag der Sabbatruhe vorzubereiten (2,2). Bei der „Erschaffung des Himmels und der Erde“ geht es daher nicht einfach darum, dass Gott im Vakuum an einem Objekt handelt; es geht um den Prozess, in dem die Schöpfung selbst in weitere Schöpfungsakte aufgenommen wird. Gottes schöpferisches Wort wird nicht einfach nur zur Schöpfung gesprochen, sondern wird durch die Schöpfung im Geist gesprochen. Denn im Geist und durch das Wort Gottes werden wir als Bild Gottes in der Welt ins Leben gerufen, als ein Wesen, das selbst ein Träger von 17 Bulgakov, Sergei Nikolaevich: Religion and Art. In: Mascall, Eric L. (Hg.): The Church of God. London: SPCK, 1934, S. 175 – 191, hier S. 175.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Natur des Geistes

245

Gottes Wort im Geist ist, ein Wesen, dessen Worte ein wesentlicher Bestandteil bei der Erschaffung von Gottes Welt als das Andere Gottes sind. Als Geschöpfe von Wort und Geist sind wir somit erschaffen, um an Gottes Sprechen des Schöpfungswortes durch den Geist teilzunehmen. Doch bei keiner dieser Handlungen der Weiterschöpfung sollen wir vermuten, dass es in dem ins Schaffen Einbezogene eine eingeborene capax der Natur gäbe, mit der es das „Neue“ oder „Weitere“ aus sich selbst hervorbringen könnte. Wer würde beim Lesen dieser Erzählung zu Beginn von Tag drei, als das trockene Land erschien (1,9), vermuten, dass das Land selbst Leben hervorbringen würde, und zwar sowohl Pflanzen (1,11 – 12) als auch Tiere (1,24 – 25)? Denn dies ist ein Prozess, in dem Gottes Möglichkeit, die Möglichkeit des Geistes, unerwartet in immer wieder neuen Schöpfungsakten hervortritt, in Handlungen, in denen Gottes capax creaturae das Geschöpf in den Prozess der Schöpfung selbst mit hinein nimmt. Jahrhunderte nachdem die in Genesis 1 zu findenden priesterschriftlichen Traditionen „Gottes Erschaffung des Himmels und der Erde“ als vom Chaos ausgehend darstellten, argumentierten zuerst jüdische und dann christliche Traditionen, dass Gottes Schöpfung ex nihilo sei. Ich denke, man kann durchaus behaupten, dass die alttestamentliche Vorstellung der Wasser des Chaos „im Anfang“ das funktionale Äquivalent von „nichts“ sei, aber es muss dennoch festgehalten werden, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Behauptung, die Welt sei creatio ex nihilo, und der Erkenntnis, dass der Prozess, der die Schöpfung kennzeichnet, nicht nur creatio continua ist, sondern auch creatio ex creatione, und dies – vom Anfang bis zum Ende – in der Möglichkeit des Geistes Gottes, des Schöpfers.18 Wenn wir – anders als Nikodemus – mit der Frage nach dem „Wer?“ an Stelle der Frage nach dem „Wie?“ beginnen, dann bemerken wir, wie sich unser Verständnis von Gegenwart und Handeln Gottes in der Welt grundlegend verändert. In Bezug auf die Schöpfungslehre erkennen wir, dass es sich hier weder um ein Ereignis von göttlicher Emanation oder Verursachung, noch von der Vergegenwärtigung menschlicher Sünde, noch von göttlicher Determination handelt; es ist stattdessen ein Ereignis, in dem Gott die Schöpfung in die göttliche Möglichkeit aufnimmt, des Schöpfers Schöpfungswort in der Erwartung der Verheißung des siebten Tags der Sabbatruhe zu sprechen. Schöpfung ist somit ein Akt der Entdeckung, hervorgebracht in göttlicher Herabkunft und Gnade. Und seine Verheißung – das Thema von Genesis 1,1 – 2,3 – liegt nicht in der Aufnahmefähigkeit des Geschöpfs verwurzelt, sondern in der Möglichkeit Gottes, dem Heiligen Geist, der noch immer durch das Chaos weht, auf dem Weg zur Neuschöpfung aller Dinge.

18 McIntyre, John: The Shape of Pneumatology : Studies in the Doctrine of the Holy Spirit. Edinburgh: T&T Clark, 1997, S. 37 ff.; Houston, James M.: I Believe in the Creator. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1995, S. 272 – 273.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geisterfahrung und Glossolalie

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Frank D. Macchia

Zungen als Zeichen *

Wege zu einem sakramentalen Verständnis pfingstlicher Erfahrung

Der katholische Theologe Simon Tugwell bemerkte, dass die meisten klassischen Pfingstler1 der Taufe und der Eucharistie keine „sakramentale“ Bedeutung einräumen. Die Hauptsakramente der Taufe und Eucharistie fungierten nicht als sichtbare Zeichen von Gottes erlösender Gegenwart, sondern schienen unter Pfingstlern für Tugwell eher mit menschlichen Handlungen der Buße und des Glaubenszeugnisses verbunden zu sein. Von besonderem Interesse ist jedoch, dass Tugwell den „sakramentalen“ Charakter der pfingstlichen Zungenrede erkannte. Er bemerkte, dass für Pfingstler die Zungenrede Gottes Gegenwart im Hier und Jetzt anzeige. Statt einfache Emotionalität zu repräsentieren, machten Zungen Gott für Pfingstler in einer besonderen, akustisch erkennbaren Weise präsent. Als Katholik fühlte sich Tugwell in diesem Aspekt pfingstlicher Anbetung sehr zu Hause und spekulierte, dass Zungen einen ertragreichen Ausgangspunkt für den zukünftigen pfingstlich-katholischen Dialog bieten könnten.2 Experten der Pfingstbewegung wie William Samarin und Walter Hollenweger haben ebenfalls ein sakramentales Element in der pfingstlichen Verwendung der Glossolalie beobachtet. Samarin argumentierte, dass die Zungen für Pfingstler ein „erhöhtes Bewusstsein für Gottes Gegenwart“ darstellten, wie man sie normalerweise in der Antwort auf die Eucharistie in sakramentalen Mahlgemeinschaften finden würde. Als ein „linguistisches Symbol des Heiligen“ geben Zungen zu erkennen: „Gott ist hier.“3 In diesem Zusammenhang machte Hollenweger seine provozierende Feststellung, dass Zungen die „Kathedrale […] der Armen“ seien, welche Gottes majestätische Gegenwart für Menschen anzeigt, die es sich nicht leisten können, in gotischen Kirchen Gottesdienst zu feiern.4 * Originalveröffentlichung: Macchia, Frank D.: Tongues as a Sign: Towards a Sacramental Understanding of Pentecostal Experience. In: Pneuma 15, Nr. 1 (1993), S. 61 – 76. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. 1 Der Ausdruck „Pfingstler“ wird im gesamten Artikel als Verweis auf die klassische Pfingstbewegung verwandt. 2 Tugwell, Simon: The Speech-Giving Spirit, A Dialogue with “Tongues”. In: Ders. u. a. (Hg.): New Heaven? New Earth? An Encounter with Pentecostalism. Springfield, IL: Templegate, 1977, S. 119 – 159, hier S. 151. 3 Samarin, William J.: Tongues of Men and Angels: The Religious Language of Pentecostalism. New York: Macmillan, 1972, S. 154, 232. 4 Hollenweger, Walter J.: Geist und Materie. München: Chr. Kaiser, 1988 (Interkulturelle Theologie 3), S. 314 – 315.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

250

Frank D. Macchia

Den meisten Pfingstlern behagt der Ausdruck „Sakrament“ nicht, weil er mit einer „Institutionalisierung“ des Geistes oder mit „formalistischen“ liturgischen Traditionen assoziiert wird. Unter dem Einfluss einer reformierten (insbesondere Zwinglianischen) Kritik des Sakramentalismus befürchten viele Pfingstler, dass die Verwendung des Ausdrucks „Sakrament“ ein Verständnis sakramentaler Wirksamkeit implizieren würde, die aus einer den Elementen innewohnenden ursächlichen Dynamik folgt, und damit den freien Geist oder die Gnade Gottes institutionalisieren oder formalisieren würde. Ein solcher Glaube würde für Pfingstler bedeuten, ihren hoch geschätzten Glauben an eine unvermittelte, dem Gläubigen durch den Heiligen Geist direkt übermittelte, gnädige Gegenwart Gottes zu verleugnen. Haben Pfingstler durchweg eine solche Sicht auf die Erfahrung Gottes? Morton Kelsey würde diese Frage bejahen. Er ist davon überzeugt, dass die Pfingstbewegung für eine Erfahrung Gottes eintritt, die unvermittelt und direkt ist. Für Kelsey dient die Glossolalie dazu, einen direkten Zugang zu Gott zu gewähren, der rationale und liturgische Formen der Vermittlung umgeht.5 In ähnlicher Weise sah Karl Rahner den „enthusiastischen“ Gottesdienst als einen Weg, eine unmittelbare Gotteserfahrung zu erreichen, die institutionelle, rationale und sakramentale Formen der Vermittlung zwischen Gott und Menschheit infrage stellt und damit einen Rahmen für eine mögliche institutionelle Erneuerung schafft.6 Solche Ansichten richten unsere Aufmerksamkeit korrekterweise auf die Rolle der Zungen bei der Umgehung und sogar Infragestellung liturgischer Formen sakramentaler Vermittlung. Doch sie berücksichtigen die Rolle der Zungen als akustisches Mittel der Vergegenwärtigung Gottes nicht in angemessener Weise, deren Bedeutung auch „sakramental“ verstanden werden kann. Die oben beschriebenen pfingstlichen Bedenken zum Ausdruck „Sakrament“ sind nicht ganz ohne historische oder theologische Begründung. Die Pfingstbewegung hat von der Reformation – von ihrer klassischen und von ihrer radikalen Seite – und von den pietistischen Bewegungen ein feines Gespür für die Gefahren der Institutionalisierung und Formalisierung des Geistes Gottes geerbt. Doch solche Bedenken sind einseitig und vornehmlich im Hinblick auf ein neo-scholastisches katholisches Verständnis von „Sakramenten“ gerechtfertigt, das von zeitgenössischen katholischen Theologien wie Karl Rahner und E. Schillebeeckx radikal infrage gestellt worden ist. Wie wir bemerken werden, sieht diese jüngere katholische Sakramententheologie die Sakramente vor allem als Gelegenheit für eine persönliche Begegnung zwischen Gott und dem Gläubigen.7 Rahner verortet die sakramentale 5 Kelsey, Morton T.: Tongue Speaking: An Experiment in Spiritual Experience. New York: Doubleday, 1964, S. 218 – 233. 6 Rahner, Karl: Die enthusiastische und die gnadenhafte Erfahrung. In: Ders.: Schriften zur Theologie, Bd. XII. Köln: Einsiedeln, 1975, S. 54 – 75. 7 S. Schillebeeckx, Edward: Christ the Sacrament of the Encounter with God. Kansas City, MO: Sheed and Ward, 1963, sowie Rahners Aufsätze zu den Sakramenten in den Theological Inves-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als Zeichen

251

Wirksamkeit nicht in einer Art materieller Verursachung, die aus den Elementen als Elementen notwendig hervorgeht. Stattdessen beschäftigt er sich mit der Frage der sakramentalen Wirksamkeit nur im Zusammenhang mit der Zeichenhaftigkeit des Sakraments. Diese Neudefinition heißt nicht, dass Rahner ein vereinfachendes Verständnis von „Zeichen“ als einer intellektuellen Referenz auf eine andere, noch zu erfahrende Wirklichkeit vertritt. Für Rahner ist die bezeichnete Wirklichkeit im Vollzug der Symbolisierung anwesend und wird durch das sichtbare Zeichen erfahren. Die Wirklichkeit des Bezeichneten wird im Prozess der Symbolisierung tatsächlich anwesend gemacht, in gewisser Hinsicht analog dazu, wie wir „Seelen“ als „Leiber“ anwesend gemacht werden. Durch die sakramentale Symbolisierung wird die eschatologische Anwesenheit Gottes unter den Gläubigen vergegenwärtigt.8 Können wir die Analogie noch erweitern und sagen, dass die sakramentale Symbolisierung analog zu der Weise ist, wie wir als verkörperte „Seelen“ für andere in der Sprache anwesend sind? Sehen Pfingstler Gott nicht in besonderer Weise anwesend in der glossolalischen Symbolisierung? Könnte Rahners Auffassung von „Sakrament“ den Pfingstlern nicht verstehen helfen, warum sie Zungen als ein solch bedeutsames Medium für die Gewahrwerdung der Anwesenheit Gottes zur Zurüstung der Gläubigen für den Dienst ansehen? Vielleicht würde eine pfingstliche Würdigung des Begriffs „Sakrament“ in Bezug auf Zungen von einer stärkeren Betonung der göttlichen Initiative profitieren, die den Zungen ihre Rolle in der Symbolisierung frei gewährt, im Sinne eines „anwesend Machens“ göttlicher Bevollmächtigung. Wir können hier noch hinzufügen, was Paul Tillich über die enge Verbindung zwischen der freien Selbst-Offenbarung Gottes und der physischen/akustischen Realität bemerkt hat, welche zum Ereignis wird, in der diese SelbstOffenbarung erfahren wird. Tillich behauptet, dass diese enge Verbindung zwischen göttlicher Offenbarung und dem physischen/hörbaren Zeichen auf göttliche Initiative bewirkt wird, wenn Gott das Zeichen in seine eigene SelbstOffenbarung aufnimmt. Diesen Prozess nennt Tillich ein Kairos-Ereignis.9 Zungen fungieren für Pfingstler auf eine Weise, die Rahners und Tillichs Beschreibungen von „Sakrament“ ähnelt, auch wenn wir den Begriff in einem weiten oder „analogen“ Sinn verwenden. Die Zungenrede ist für Pfingstler wesentlich für die Erfahrung der Geisttaufe, und sie ist das hörbare Medium für die Erkenntnis der Gegenwart Gottes zur Bevollmächtigung und Heilung. Solche Auffassungen von der sakramentalen Symbolisierung sind dem pfingstlichen Verständnis von der Rolle der Zungen als Anfangserweis der tigations: Zur Theologie des Symbols. In: Ders.: Schriften zur Theologie, Bd. IV. Köln: Einsiedeln, 1962, S. 275 – 311; Wort und Eucharistie. In: Ders.: Schriften zur Theologie, Bd. IV. Köln: Einsiedeln, 1962, S. 313 – 355; Die Gegenwart Christi im Sakrament des Herrenmahles. In: Ders.: Schriften zur Theologie, Bd. IV. Köln: Einsiedeln, 1962, S. 357 – 385. 8 Rahner : Zur Theologie des Symbols. 9 Tillich, Paul: Natur und Sakrament. In: Ders.: Der Protestantismus: Prinzip und Wirklichkeit. Stuttgart: Steingrüben-Verlag, 1950, S. 137 – 155.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

252

Frank D. Macchia

Geisttaufe nicht fremd. Im Gegenteil, wir könnten über unsere eigene Spiritualität noch wertvolle Dinge durch solche Einsichten lernen. Jedoch darf das pfingstliche Unbehagen bezüglich liturgischer Traditionen nicht ignoriert oder aufgrund einer Begeisterung für die Aufnahme von Einsichten aus der jüngeren Sakramententheologie in die pfingstlichen Traditionen leichtfertig abgetan werden. Im Vergleich dazu, was in formalisierten und strukturierten Liturgien vermittelt wird, stellt Glossolalie eine andere Art von „Sakrament“ dar. Glossalie betont die freie, dramatische und unvorhersehbare Bewegung des Geistes Gottes, während die liturgischen Traditionen die geordnete und vorhersehbare Begegnung mit dem Geist betonen. Die allergische Reaktion von Pfingstlern auf den liturgischen Gottesdienst mag einseitig sein, aber sie offenbart eine wertvolle Betonung der Spontaneität und Freiheit des Geistes im Gottesdienst. Im pfingstlichen Gottesdienst findet sich eine implizite „chaotische“10 oder „rudimentäre“11 Sakramentalität, die sich aus Protest gegen jeden Versuch einer Formalisierung oder Objektivierung des Geistes in liturgischen Riten entwickelt hat. Diese Einsicht dient dazu, den nicht-sakramentalen Zugang von Pfingstlern zu Taufe und Eucharistie aber auch die Gegenwart des sakramentalen Elements in der freien und spontanen Erscheinung der Zungenrede zu erklären. Ich bin der Ansicht, dass ein Nachdenken über Glossolalie, im Dialog mit katholischen und reformierten Theologien, insbesondere hinsichtlich der Funktion von Zungen als Anfangserweis der Geisttaufe, viel zur pfingstlichen Theologie und Frömmigkeit beitragen könnte. Wir dürfen nicht vergessen, dass auf das dramatische Zeichen der Zungen in Apg 2,4 das „Brotbrechen“ der Gläubigen in Apg 2,42 folgt. Sakramentale Traditionen würden das zweite Zeichen in der Lektüre der Apostelgeschichte betonen, Pfingstler hingegen das erste. Was können wir mit unseren verschiedenen Lesarten von Apg 2 voneinander lernen?

10 1Kor 14 lehrt freilich eine allgemeine Ordnung in Bezug auf charismatische Manifestationen, und dies wird von Pfingstlern auch beachtet, wenigstens im Prinzip. Doch im Licht liturgischer Standards gibt es ein „chaotisches“, ja sogar spielerisches Element im pfingstlichen Gottesdienst, das eigenartig oder bedrohlich auf diejenigen wirken kann, die einen solchen Gottesdienst nicht gewohnt sind. Ein solches „Chaos“ kann uns aber daran erinnern, dass – von der Notwendigkeit der Ordnung einmal abgesehen – der Geist nicht unter unserer absoluten Kontrolle steht. 11 Davis, Rex: Living Liturgically : The Charismatic Contribution. In: Martin, David; Mullen, Peter (Hg.): Strange Gifts? A Guide to Charismatic Renewal. Oxford: Basil Blackwell, 1984, S. 107 – 122, hier S. 109.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als Zeichen

253

Zungen als Anfangserweis in der Apostelgeschichte Die Vorstellung von Zungen als „Anfangserweis“ der Geisttaufe ist womöglich die enigmatischste und umstrittenste klassische Glaubensposition der Pfingstler. Es kann kaum einen Zweifel daran geben, dass Zungen ein apostolisches Zeichen für die meisten Pfingstler darstellen, das einen Erweis der Salbung für den Dienst durch den Geist zu erkennen gibt, der wiederum pfingstliche Gläubige mit der anfänglichen apostolischen Salbung für den Dienst verbindet. Das exegetische Argument für diese Erweis-Logik gründet sich auf der Bedeutung der Zungen in der ursprünglichen, unter Juden geschehenen Geisttaufe in Apg 2. Die Gegenwart der Zungen in beiden großen Geisttaufen unter den Nichtjuden (Apg 10 und 19) verbindet die jüdischen und nichtjüdischen Erfahrungen des Geistes. Apg 10,44 – 46 ist eine zentrale Verbindung zwischen den nichtjüdischen Geisttaufen und der ursprünglich Erfahrung am Pfingsttag, die Juden zuteil wurde. Pfingstler haben argumentiert, dass es ein „Muster“ der Zungen in der Apostelgeschichte gebe, das die eben erwähnte Verbindung zwischen den frühen jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaften impliziert.12 Das Muster deute an, dass es in der Tat eine besondere Verbindung zwischen Zungen und Geisttaufe in der Apostelgeschichte gibt. Diese Verbindung wird in den heutigen pfingstlichen Gottesdienste gesucht. Pfingstler möchten ein Teil desselben „Musters“ der Apostelgeschichte werden, das die frühen jüdischen und nichtjüdischen Erfahrungen des Geistes verbindet. Die Pfingstler möchten mit diesen antiken Gemeinschaften in Verbindung stehen, damit die Geschichte der Apostelgeschichte in ihrer gegenwärtigen Geschichte Fortsetzung finde. Zungen als Anfangserweis werden zum tragenden Mittel, durch das diese Fortsetzung der biblischen Geschichte erfolgen kann. Das Verfahren, durch das Pfingstler zu dieser Schlussfolgerung kommen, ist weniger eine rationalistische induktive Methode der Bibelinterpretation als eine kreative Interaktion mit dem Buch der Apostelgeschichte im Kontext des pfingstlichen Gottesdiensts. In ihrem Bemühen, das Buch der Apostelgeschichte zu leben, haben Pfingstler ein Muster entdeckt, mit dem sie bestimmte Erwartungen im Gottesdienst begründen, wenn der Geist sich in Freiheit und Kraft bewegt. Die Haupterwartung ist, dass Zungen vorkommen, wenn der Geist Gläubige für den Dienst im Reich Gottes bevollmächtigt. Die pfingstliche Praxis, aus biblischen Erzähltexten theologische Schlüsse zu ziehen, ist kein wesentlicher Streitpunkt mehr. Die Debatte dreht sich darum, ob es gerechtfertigt ist, aus den Erzähltexten der Apostelgeschichte auf ein „Muster“ der Zungen zu schließen. Eduard Schweizer argumentierte, dass 12 McGee, Gary B.: Early Pentecostal Hermeneutics: Tongues as Evidence in the Book of Acts. In: Ders. (Hg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 96 – 118.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

254

Frank D. Macchia

die Erzähltexte der Apostelgeschichte jeder Interpretation widerstehen, welche die Erfahrung des Geistes schon vorab durch eine Ideologie oder kirchliche Praxis bestimmen. Für Lukas werde der Geist jedes Mal neu erlebt, wenn die Geschichte Jesu erzählt und im Glauben angenommen wird. Was die Erfahrung des Geistes allein determiniere, sei einzig und allein die Geschichte Jesu. Der Geist bewege sich nur in Übereinstimmung mit einer christologischen Determination. Schweizer erkennt „Erfahrungsanalogien“ zwischen Jesus und der frühen Kirche, die der Geist auf neuen und unerwarteten Wegen erzeugt, wann immer der Geist erfahren wird. Solche Analogien umfassten Salbung, Verkündigung, Verfolgung und Wunder. Diese Analogien zeigen an, dass Schweizer sich nicht primär gegen Muster der Erfahrung wendet, die sich in der Apostelgeschichte spiegeln und den Gemeinschaften der frühen Kirche ein Gefühl für Kontinuität mit Jesus und folglich auch miteinander verleihen. Er wendet sich vielmehr gegen externe menschliche Bemühungen, die Bewegung des Geistes über und außerhalb einer angemessenen christologischen Determination der Arbeit des Geistes zu bestimmen.13 Könnten Zungen nicht im Licht von Schweizers Erfahrungsanalogien betrachtet werden, die durch den Geist zwischen Jesus und der Kirche geschaffen werden? Es ist interessant, dass Petrus auf das Geisttaufe/Zungen-Phänomen in Apg 2,1 – 13 mit der Aussage antwortet, dass Jesu Herz fröhlich sei und angesichts seiner Auferstehung seine Zunge frohlocke (Apg 2,26). Wollte Lukas hier nicht eine Analogie zwischen der apostolischen Zunge in Apg 2,4 und dieser fröhlichen Zunge andeuten? Spielt der Zungen-Erweis für Lukas nicht eine besondere Rolle als Analogie zwischen den Lobpreisungen der jüdischen und nichtjüdischen Kirchen in der Erwartung des Sieges der unmittelbaren Parusie und des Christus, der vor seiner Auferstehung über seinen baldigen Sieg als Vermittler zwischen Gott und Mensch frohlockte? Diese Fragen zu bejahen, muss nicht notwendigerweise bedeuten, dass wir eine festgelegte Ideologie oder ein kultisches „Gesetz“ des Geistes aufstellen, das göttliche Freiheit und Souveränität in Abrede stellt,14 auch wenn dieser radikale Schritt bisweilen von Pfingstlern gegangen wird, etwa in Versuchen, den Empfang der Geisttaufe durch die Imitation der Zungen zu garantieren, oder in abschätzigen Kommentaren über diejenigen, die an dieser Gabe keinen Anteil haben. Pfingstlern ging es in ihrer Lektüre der Apostelgeschichte in erster Linie um die einzigartige Rolle der Zungen im Gewähren von sichtbaren, christologisch determinierten Verbindungen zwischen den Erfahrungen des Geistes im Gottesdienst von verschiedenen Gemeinschaften. Das Handeln des Geistes bei der Inspiration solcher sichtbarer Verbindungen und die Neigung des Glau13 Schweizer, Eduard: Plädoyer der Verteidigung in Sachen: Moderne Theologie versus Lukas. In: Theologische Literaturzeitung 105 (1980), S. 241 – 252. 14 Lederle, Henry I.: Initial Evidence and the Charismatic Movement: An Ecumenical Appraisal. In: McGee, Gary B. (Hg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 131 – 141.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als Zeichen

255

bens, an ihnen teilzuhaben, verleihen verschiedenen Kirchen über die zeitlichen und räumlichen Abstände hinweg einen Sinn für sichtbare Kontinuität im Gottesdienst. Diese sichtbare Verknüpfung ist einer der Aspekte, der unserer Begegnung mit Gott eine „sakramentale“ Qualität verleiht. Es ist freilich möglich, dass diese Verbindungen zu festgelegten Gesetzen entwickelt werden können, die des Geistes Gegenwart binden und garantieren sollen. Es gibt immer die Versuchung, auf die Zungen anstatt auf Gott zu vertrauen, dessen Gegenwart in diesen glossolalischen Äußerungen erkannt wird. Eine solche Versuchung ist in jeder sakramentalen Erfahrung des Geistes gegenwärtig. Doch der Anfangserweis im pfingstlichen Gottesdienst muss nicht so interpretiert werden. Sichtbare Kontinuitäten zwischen verschiedenen Erfahrungen des Geistes in der Apostelgeschichte sind nicht dasselbe Phänomen wie ideologische oder institutionelle Versuche, den Geist zu manipulieren. Glossolalie ist freilich nicht die einzige sichtbare Verbindung zwischen den Erfahrungen des Geistes unter Juden und Nichtjuden in der Apostelgeschichte. Es gibt auch andere charismatische Zeichen, wie Heilungen, die für Lukas als Manifestation der Freiheit und Kraft des Geistes in und durch das vielfältige Zeugnis der Kirche fungieren. Pfingstler geben aber den Zungen einen Vorrang unter den charismatischen Phänomenen in der Symbolisierung der Bevollmächtigung durch den Geist. Auch andere nichtpfingstliche Gelehrte, wie Hermann Gunkel15 und James Dunn16, haben bemerkt, dass Lukas den Zungen eine besondere Rolle in der Verbindung der jüdischen und nichtjüdischen Erfahrung des Geistes verlieh. Doch diese Rolle wurde den enthusiastischen Elementen in Lukas’ Theologie zugeschrieben, einem Element, dass angeblich wenig bis keine theologische Bedeutung für die Kirche heute habe. Pfingstler haben die Apostelgeschichte anders gelesen. Die Debatte über das Muster des Anfangserweises in der Apostelgeschichte darf allerdings nicht bei der Frage nach Lukas’ ursprünglicher Intention oder Theologie aufhören. Der Vorgang der Lektüre biblischer Erzähltexte und der Interaktion mit ihren verschiedenen Elementen ist komplexer und kreativer als eine einfache historische Erforschung der ursprünglichen Absicht eines Autors bzw. Redaktors.17 Wenn ein Pfingstler von „Zeichen“ des Geistes oder von der Gnade Gottes hört, 15 „Wollen wir die Anschauung vom Geiste, welche die apostolische Zeit hegte, verstehn, so müssen wir von der auffallendsten und charakteristischsten Wirkung des Geistes ausgehen, nämlich von der Glossolalie.“ Gunkel, Hermann: Die Wirkungen des heiligen Geistes nach der populären Anschauung der apostolischen Zeit und der Lehre des Apostels Paulus. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1899, S. 18, s. a. S. 14. 16 S. z. B. Dunn, James D. G.: Unity and Diversity in the New Testament: An Inquiry into the Character of Earliest Christianity. SCM Press, 1991, S. 177 – 182. 17 Für eine Gegenposition dazu, s. z. B. Hurtado, Larry W.: Normal, but Not a Norm: Initial Evidence and the New Testament. In: McGee, Gary B. (Hg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 189 – 201.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

256

Frank D. Macchia

denkt er oder sie sofort an die Erfahrung des gewaltigen Windes von Pfingsten in Verbindung mit Zungen wie von Feuer. Wie bereits erwähnt, ist es von Bedeutung, dass Lukas in Apostelgeschichte 2 auf eine andere Gattung von Zeichen verweist, die im apostolischen Brotbrechen zu finden ist. Dieses apostolische Zeichen ist nicht die dramatische und theophane Manifestation von Gottes Gegenwart wie Gotteserfahrung des gewaltigen Windes zu Pfingsten. Sie ist weit von Feuerzungen im Kontext eines gewaltigen Brausens entfernt. Und doch wird das Brotbrechen ohne theologische Einbindung oder Erklärung neben dramatische Zeichen wie den Zungen in Apostelgeschichte 2 gestellt. Es ist unsere Aufgabe als pfingstliche Theologen, diese zu integrieren.

Die theologische Basis für den Anfangserweis Unsere Diskussion ist bislang noch nicht bei der ganzen Lehre vom Anfangserweis angekommen, wie er gewöhnlich unter Pfingstlern verstanden wird. Die Begriffe „Anfangs-“ [initial] und „Erweis“ [evidence] bringen theologische Nuancen mit sich, die sich zwar auf dem Zeugnis der Apostelgeschichte gründen, aber dennoch darüber hinausgehen. Der „Anfangserweis“ wurde von Pfingstlern nie auf rein biblizistischem Boden verteidigt. Der Vorwurf, dass Pfingstler zu einer ausformulierten Lehre des Anfangserweises auf der Basis einer grob vereinfachenden Interpretation einzelner Texte in der Apostelgeschichte gelangen, ist selbst grob vereinfachend. Ich vertrete die Überzeugung, dass tiefgreifende historische und theologische Einflüsse zum Stellenwert des Anfangserweises unter Pfingstlern beigetragen haben. Trifft dies nicht auf den Gottesdienst oder die sakramentale Tradition jeder Kirche zu? Man müsse sich nur einmal vorstellen, wie viele Fragen aufkommen könnten, wenn Vertreter der etablierten Kirchen ihr Verständnis der Eucharistie allein auf der Grundlage des neutestamentlichen Zeugnisses verteidigen müssten. In theologischer Hinsicht haben Pfingstler den Anfangserweis mit der Annahme einer Art wesentlicher Beziehung zwischen der Geisttaufe und der Erfahrung der Zungen verteidigt. W. T. Gaston erklärte 1918: „Zungen sind in der größeren Erfahrung der Geisttaufe einbegriffen und ihr inhärent.“18 Donald Johns wäre eine gegenwärtige Stimme zu demselben Ergebnis: „Es scheint mir, dass die Zungenrede im Wesentlichen eine Art von Erfahrung ist, erzeugt von einer bestimmten Art der Verbindung mit dem göttlichen Geist. Das erste Vorkommen dieser Art der Verbindung ist das Initiationsereignis des Getauftwerdens im Geist.“19 Gemäß Johns ist die Art der Verbindung mit 18 Zitiert in Lederle: Initial Evidence, S. 128. 19 Johns, Donald A.: Some New Directions in the Hermeneutics of Classical Pentecostalism’s Doctrine of Initial Evidence. In: McGee, Gary B. (Hg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als Zeichen

257

dem Geist, welche die Erfahrung der Zungen bewirkt oder bedingt, ein überwältigendes Eintauchen bzw. eine Taufe der menschlichen Psyche durch die Person und die Kraft des Geistes, die eine über den Umfang der menschlichen Möglichkeiten hinausgehende betende Antwort bewirkt. Andere haben Zungen als die notwendige Hingabe der ganzen Person an das durch die Geisttaufe erfolgende Eintauchen im Geist gesehen. Die zu Grunde liegende Annahme ist, dass die Sprache die Macht hat, die ganze Person zum Ausdruck zu bringen, bzw. dass es am schwersten ist, die „Zunge“ Gott hinzugeben, gleichsam als letzte Bastion gegen die Art der Unterordnung, die in der überwältigenden Erfahrung der Taufe im Geist eingeschlossen ist.20 Ich habe Zungen als eine freie und transzendente Antwort auf die freie und transzendente Bewegung des Geistes beschrieben.21 Murray Dempster sieht Zungen als eine neue Sprache an, die signalisiert, was Gott in der Geisttaufe tut, nämlich neue, ganzheitliche Gemeinschaften zu gründen, die Gottes verändernde Kraft in der Geschichte bezeugen.22 Diese Auflistung der engen Verbindungen zwischen Zungen und Geisttaufe ließe sich weiter ausdehnen. Sie zeigen an, dass Pfingstler Zungen und Geisttaufe nicht mittels eines unberechenbaren externen Gesetzes verbunden haben, sondern mittels einer Theologie der Geisttaufe, die Zungen als einen wesentlichen Aspekt dieser Erfahrung einschließt. Darum würden Pfingstler das Argument von J. Ramsey Michaels merkwürdig finden, das besagt, dass der Geist und nicht die Zungen der Erweis unserer Gottesbegegnung seien.23 Pfingstler können Zungen nicht von der anfänglichen Erfahrung des Geistes in der Geisttaufe trennen. In diesem Licht können wir verstehen, warum klassische Pfingstler, wie Donald Gee, darauf beharren, dass die Herrlichkeit und Kraft der pfingstlichen Erfahrung des Geistes entschwinden würde, wenn die Lehre des Anfangserweises aufgegeben würde.24 Es ist interessant, dass ausgerechnet Pfingstler ein visuelles/hörbares Phänomen zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Erfahrung machen. Klingt dies nicht mehr „sakramental“ als „erweisend“? Der Ausdruck „Erweis“ erscheint zu wissenschaftlich, vereinfachend und eindimensional, um all die

20 21 22 23

24

the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 145 – 167, hier S. 164. Hall, J. L.: A Oneness Pentecostal Looks at Initial Evidence. In: McGee, Gary B. (Hg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 168 – 188, hier S. 182. Macchia, Frank D.: Sighs too Deep for Words: Towards a Theology of Glossolalia. In: Journal of Pentecostal Theology 1 (1992), S. 47 – 73. Dempster, Murray W.: The Church’s Moral Witness: A Study of Glossolalia in Luke’s Theology of Acts. In: Paraclete 23, Nr. 1 (1989), S. 1 – 7. Michaels, J. Ramsey : Evidences of the Spirit, or the Spirit as Evidence? Some Non-Pentecostal Reflections. In: McGee, Gary B. (Hg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 202 – 218. Zitiert in Lederle: Initial Evidence, S. 132.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

258

Frank D. Macchia

theologischen Nuancen zu erfassen, welche die von den Pfingstlern hergestellte Verbindungen zwischen Zungen und Geisttaufe implizieren. Der Ausdruck „Sakrament“ dagegen beinhaltet eine Art wesentlicher Verbindung zwischen dem Zeichen und der darin bezeichneten göttlichen Handlung. Wir haben schon Paul Tillichs Argument zur Kenntnis genommen, dass das Christentum eines „sakramentalen“ Elements bedarf, das eine wesentliche Verbindung zwischen der Offenbarung Gottes und der physischen/hörbaren Realität, die als ein Zeichen dieser Selbstoffenbarung gebraucht wird, impliziert. Nach Tillich strebt das „protestantische Prinzip“, das am konsequentesten in der reformierten Tradition angewendet wird, nach einer Entwurzelung der sakramentalen Elemente des Christentums durch eine radikale Betonung der Freiheit des Geistes. Im Versuch eine „dämonische“, götzendienerische Objektivierung des Geistes in sichtbaren Formen zu vermeiden, bedroht das protestantische Prinzip für Tillich sogar ein legitimes sakramentales Element, welches das Zeichen mit der freien göttlichen Selbst-Offenbarung eng verbindet.25 Mehr noch, Tillichs gesamte Auffassung des Kairos-Ereignisses strebt danach, einen Weg zu bahnen zwischen einer radikalen Auffassung göttlicher Freiheit, die die göttliche Selbst-Offenbarung von einer sichtbaren Form ablöst, und einer dämonischen Objektivierung des göttlichen Handelns in der Form selbst. In Tillichs Überlegungen kommt es zum Kairos-Ereignis, wenn Gott in seiner Freiheit die sichtbare menschliche Antwort in sich selbst aufnimmt, um sie als einen Behelf göttlicher Selbstoffenbarung zu gebrauchen. Obwohl Gott nie mit dem menschlichen oder kreatürlichen Phänomen identifiziert werden darf, darf dieses Phänomen wirklich am göttlichen Handeln teilhaben. Dieses Verständnis sakramentaler Symbolisierung steht mit jüngeren Bemühungen um eine Philosophie der Zeichen im Einklang, die Symbolisierung bzw. Signifikation mit „gegenwärtig machen“26 verbindet; nur die göttliche Initiative und Freiheit steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ich bin der Auffassung, dass Pfingstler Zungen so verstehen, nämlich als einen entscheidenden Aspekt des von Tillich erwähnten sakramentalen Gegenstands. Pfingstler verstehen Zungen als eine Art primäres Sakrament oder Kairos-Ereignis, das die Bevollmächtigung des Geistes im christlichen Leben anzeigt und zugleich daran partizipiert. Zungen sind das „neue Zeichen der christlichen Kirche“ so Thomas Barratt,27 „die Wurzel und der Stamm“, aus denen alle anderen geistlichen Gaben wachsen, so Edward Irving,28 und „die 25 26 27 28

Tillich: Natur und Sakrament, S. 94 – 112. S. z. B. Rahner : Zur Theologie des Symbols, S. 279. Zitiert in McGee: Early Pentecostal Hermeneutics, S. 126. Zitiert in Dorries, David W.: Edward Irving and the “Standard Sign” of Spirit Baptism. In: McGee, Gary B. (Hg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 41 – 56, hier S. 49.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als Zeichen

259

geistliche Ruhe des neuen Bundes“ so der Oneness-Pfingstler J. L. Hall.29 Wenn solche Charakterisierungen nicht von „sakramentaler“ Bedeutung sind, welche dann? Ich erinnere an die katholisch-protestantische Diskussion zwischen den deutschen Theologen Walter Kasper und Gerhard Sauter zur Kirche als dem „Ort des Geistes“.30 Die Autoren diskutierten die Spannung zwischen der katholischen Betonung von sichtbaren Gnadenmitteln und dem reformierten Akzent auf der Souveränität und Freiheit des Geistes. Diese Diskussion ist tatsächlich nur ein kleiner Teil eines breiteren katholisch-protestantischen Versuchs der letzten Jahrzehnte, das traditionelle Dilemma zwischen einer extremen Betonung der Freiheit des Geistes und einem Akzent auf sakramentale Gnadenmittel, die Tillich als zentrales Problem für ökumenische Theologie ansah, zu überwinden. Der reformierte Theologe, James F. White, räumte zum Beispiel ein, dass der „Protestantismus dazu tendierte, den menschlichen Bedarf für das Sichtbare und Berührbare zu vernachlässigen, trotz der Warnung Calvins, dass unsere Menschlichkeit solche Mittel verlangten.“31 Vielleicht kann Calvin uns allen über das von Tillich beschriebene Dilemma zwischen sichtbaren Gnadenmitteln und der souveränen Freiheit des Geistes hinweghelfen. Schließlich war es ja der Zwinglianische Einfluss in der reformierten Theologie, der diese für die von Tillich beklagte einseitige Anwendung des „protestantischen Prinzips“ so anfällig gemacht hat.32 Ich glaube, dass die im Anfangserweis implizierte pfingstliche sakramentale Spiritualität uns über das von Tillich beschriebene Dilemma hinweghelfen kann. Zungen implizieren eine radikale Betonung der Freiheit des Geistes und der Bedeutung der göttlichen Initiative in der religiösen Erfahrung, was eine typisch reformierte Betonung bzw. das von Tillich bezeichnete „protestantische Prinzip“ ist. Und dennoch schließt die Erfahrung des Geistes für Pfingstler eine sichtbare/ hörbare menschliche Antwort mit ein, welche die göttliche Gegenwart im Sinne einer wirklichen Teilhabe an ihrer Vergegenwärtigung symbolisiert. Zungen als Zeichen werden in göttlicher Freiheit gegeben, doch sie sind zugleich der sichtbare Kontext, in dem die Erfahrung Gottes empfangen und manifestiert wird. Sie sind zugleich frei und sakramental. 29 Hall: Oneness Pentecostal, S. 181. 30 Kasper, Walter; Sauter, Gerhard: Kirche, Ort des Geistes. Basel: Herder, 1976 (Ökumenische Forschungen: Ergänzende Abteilung 8). 31 White, James F.: Sacraments as God’s Self-Giving. Nashville, TN: Abingdon Press, 1983, S. 25. 32 Der reformierte Theologe Ross Mackenzie beklagt zum Beispiel den enormen Zwinglianischen Einfluss auf das reformierte Verständnis der Eucharistie als einfaches Erinnerungsmahl und deren seltene Begehung in vielen reformierten Kirchen weltweit. Er hingegen strebt, wie auch eine ganze Reihe reformierter Theologen mit ihm, nach einer Wiederentdeckung der Sicht Calvins auf die Eucharistie als Mitteilung der geistlichen Gegenwart Christi. Calvin empfahl zudem eine häufige Feier des Mahls. Ich habe das Ergebnis des Zwinglianischen Einflusses auf die reformierten Kirchen in der Schweiz selbst beobachten können, wo die Eucharistie selten gefeiert wird und nur wenig bis gar keine sakramentale Bedeutung hat.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

260

Frank D. Macchia

Es ist bedauerlich, dass die meisten nicht-pfingstlichen Theologen die pfingstliche Frömmigkeit zu Unrecht als radikalen Subjektivismus charakterisiert haben.33 Nichts wäre weiter entfernt von der Wahrheit. Mit ihrer Betonung, dass die Geisttaufe und Zungen der Bevollmächtigung der Kirche in ihrem Zeugnis für Christus dienen, haben sich die Pfingstler maßgeblich von der evangelikalen Hauptbeschäftigung mit subjektiver Bekehrung gelöst. Die meisten Pfingstler sind in ihrer Lektüre der Apostelgeschichte genauso sehr, wenn nicht sogar noch stärker, von der Vermittlerrolle der bevollmächtigten Kirche bei der Verbreitung des Evangeliums beeindruckt, wie vom ordo salutis der individuellen Seelen, wenngleich dieses Anliegen auch betont wird. Ebenso von Bedeutung ist Peter Hockens Beobachtung zur Vorrangstellung, die Pfingstler den physischen Dimensionen des Gottesdiensts gewähren.34 Hinzu kommt die Betonung der Pfingstler der Heilung als eines wesentlichen Elements des vollen Evangeliums. Diese Betonung des Physischen schließt die durch die Zungen implizierte radikale Freiheit der göttlich-menschlichen Begegnung nicht aus,35 aber sie stellt die Interpretation der pfingstlichen Spiritualität als subjektivistisch in Frage. Es erscheint mir nun deutlich, dass das pfingstliche Unterscheidungsmerkmal sowohl die Betonung der physischen Dimension des Gottesdiensts als auch der Freiheit des Geistes in einer einzigartigen sakramentalen Spiritualität einschließt. In einem eschatologischen Kontext bedeuten Zungen die radikal freie Macht „der zukünftigen Welt“ (Hebr 6,4), die uns dazu befreit, Gott auf neuen und unvorhergesehenen Wegen zu antworten. Doch der radikal freie Geist ist weder versteckt noch ist er ohne eine gegenwärtige, sichtbare Erfüllung. Zungen symbolisieren die neuen Beziehungen und Gemeinschaften, die zum Zeugnis des Evangeliums für die Welt verwandelt und bevollmächtigt sind. Die Zungenrede als Anfangserweis, oder besser als ein „Zeichen“ der Geisttaufe im Kontext des Gottesdiensts findet ihre Erfüllung in einem befreienden Zeugnis in der Ganzheit des Lebens. Die Frage, wie inmitten von alltäglichen Abläufen und festgesetzten Strukturen des Soziallebens Zungen mit einem befreienden Zeugnis verbunden werden können, ist ein Hauptproblem der Pfingstler, zu dessen Lösung es Pfingstlern helfen könnte, die kirchlichen Sakramente neu in den Blick zu nehmen.

33 Kasper/Sauter : Kirche, Ort des Geistes, S. 24. 34 Hocken, Peter : The Significance and Potential of Pentecostalism. In: Tugwell, Simon u. a. (Hg.): New Heaven? New Earth?: An Encounter with Pentecostalism. Springfield, IL: Templegate, 1977, S. 15 – 67. Ich erinnere mich an eine Bemerkung von P. Hocken, die ich mir auf der “Conference of Pentecostal/Charismatic Research in Europe” 1990 notiert hatte, und die den Bedarf einer pfingstlichen Suche nach einer Theologie der Zeichen konstatierte. In einem gewissen Sinn ist dieser Aufsatz eine Antwort auf diese Herausforderung. 35 Dieses Thema wird in Macchia: Sighs entwickelt.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als Zeichen

261

Zungen und kirchliche Sakramente Bislang habe ich den Begriff „Sakrament“ in einem weiten bzw. analogem Sinne verwendet, über die individuellen „Hauptsakramente“ von Eucharistie und Taufe hinaus. Tillich benutzte den Begriff „Sakrament“ in einem umfassenden Sinne, um sowohl die Predigt als auch die rituellen Aspekte der Kirche zu benennen. Es gibt jüngere Tendenzen in der katholischen Theologie, die eine umfassende sakramentale Frömmigkeit vertreten, gegründet auf Christus als dem ersten Sakrament der Gegenwart Gottes und der Kirche als Sakrament in einem abgeleiteten Sinn. Es gibt auch ein erneuertes katholisches Interesse an den Verbindungen zwischen den Hauptsakramenten und dem täglichen Leben in der Welt. Hinter dieser Verbindung steht das Bemühen, eine ekklesiozentrische Theologie zu vermeiden und die Sakramente für die befreiende Arbeit des Gottesreichs in der neuen Schöpfung zu öffnen. Die neue Betonung der Eschatologie hinsichtlich der Sakramente hat zu einem dynamischeren und stärker personalen, im Gegensatz zu einem metaphysischen Verständnis des sakramentalen Gottesdiensts geführt. Die Sakramente werden in dieser neueren katholischen Denkweise über Sakramente nicht als Objekte verstanden, welche die göttliche Gegenwart als eine statische Substanz enthielten. Die Sakramente werden nunmehr als Kontext für eine dynamische und persönliche GottMensch-Begegnung verstanden.36 Solche Tendenzen haben größere katholischprotestantische Übereinstimmungen bezüglich der Sakramente ermöglicht. Eine derartige Atmosphäre der Übereinstimmung lässt sich zum Beispiel in der Lima-Erklärung (BEM) finden. Doch es gibt auch solche, die eine umfassende sakramentale Frömmigkeit als mit dem protestantischen Prinzip unvereinbar betrachten. Eberhard Jüngel zum Beispiel sieht Christus als das Sakrament Gottes, aber würde dies nicht auf die Kirche oder ihren Gottesdienst ausdehnen, die er als eine Feier und Interpretation von Christus dem Sakrament deutet.37 In dieser Debatte könnten pfingstliche Theologen sich ebenso gut in Übereinstimmung mit der neueren katholischen sakramentalen Theologie finden, wie mit der reformierten Betonung der radikalen Freiheit des Geistes. Der pfingstliche Dialog mit katholischer sakramentaler Theologie kann in den umfangreichen Forschungen zu Zungen der letzten Jahrzehnte Unterstützung finden, welche die menschliche, ja sogar rituelle, Qualität der Gabe 36 S. die referenzierten Titel in Anm. 7. 37 Jìngel, Eberhard: Die Kirche als Sakrament? In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 80 (1983), S. 432 – 457. Zu Recht meldet Jüngel reformatorische Kritik gegen die Annahme an, dass die Kirche mit dem Sakrament Christi gleichzusetzen sei. Doch er betont, dass die einzige Alternative darin bestehe, die Kirche insoweit als ein „sakramentales Zeichen“ zu sehen, wie es die Feier und Bezeugung von Christus dem Sakrament sind. Eine engere Verbindung zwischen Christus dem Sakrament und der sakramentalen Qualität der Kirche ist aber möglich, auch ohne die beiden gleichzusetzen. Rahner und Tillich haben sich um eine solche dritte Alternative bemüht.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

262

Frank D. Macchia

herausgestellt haben. Wenngleich Zungen in einem realen Sinne spontan und unvorhergesehen sind, wurden verschiedene Gruppendynamiken entdeckt, die ihre Anwendung inspirieren, auch wenn diese Dynamiken oft unabsichtlich sind und von den Teilnehmern unbemerkt bleiben. Dieser Gruppenimpuls bedeutet, dass Zungen von den liturgischen Sakramenten, die Katholiken so hoch schätzen, nicht grundlegend verschieden sind. In der Tat hat Richard Baer bemerkt, dass sowohl Zungen als auch katholische Liturgie Begegnungen mit Gott im Gottesdienst repräsentieren, an denen wir aktiv teilhaben, welche aber die Möglichkeiten menschlicher Gedanken und Sprache überschreiten.38 Dennoch gibt es wichtige Unterschiede zwischen der Art des sakramentalen Gottesdiensts, der aus Zungen als Anfangserweis folgt, und dem, den sich die katholischen Sakramententheologie zu eigen macht. Wie wir bemerkt haben, stellen Zungen ein spontanes charismatisches Zeichen dar, das die freien und unvorhergesehen Aspekte der Gott-Mensch-Begegnung betont. Liturgischer Gottesdienst dagegen ist geplant und entlang gut ausgearbeiteter Richtlinien inszeniert. In geschichtlicher Hinsicht florierten die charismatischen Zeichen des Geistes, wie etwa Zungen, eher unter den randständigen Gemeinschaften, die mit den formalen Liturgien der herrschenden kirchlichen Institutionen nicht ganz zufrieden waren. Hier dienten sie als eine Art gegenkultureller sakramentaler Gottesdienst innerhalb der Kirche. In einem solchen nonkonformistischen [free spirited] sakramentalen Gottesdienst waren die Unterscheidungen zwischen Klerus und Laien, Männern und Frauen, sowie zwischen den Rassen tendenziell weniger wichtig. Die Verbreitung der charismatischen Zeichen in den etablierten liturgischen Traditionen und die Erschaffung von formalen Liturgien in den verschiedenen freikirchlichen Bewegungen verkomplizieren allerdings dieses Bild und ziehen uns in den ganzen Themenkomplex hinein, der nach der Beziehung zwischen Charisma (oder Ekstase) und Institution fragt. Ich glaube, dass eine gründliche Erforschung dieses Themas für die Zukunft der pfingstlichen Theologie außerordentlich wichtig sein wird. Gleichwohl repräsentiert die Pfingstbewegung eine Art „Protest-“ oder „rudimentäre“ Sakramentalität, die den sakramentalen Traditionen kritisch gegenübersteht, und ironischerweise dennoch eine bedeutsame Ähnlichkeit mit ihnen aufweist. Es gilt auch, wichtige theologische Differenzen zwischen katholischer und pfingstlicher Sakramentalität zu erörtern. So wird die katholische Sakramententheologie noch immer im Kontext der Kirche als institutionelle Verkörperung des auferstandenen Christus und somit als die geschichtliche Erweiterung des inkarnierten Worts entwickelt. Es gibt vortreffliche Bemühungen unter katholischen Theologien, diese göttliche Präsenz in der Institution der Kirche als eine dynamische und offene Gegenwart zu konzipieren. 38 Baer, Richard: Quaker Silence, Catholic Liturgy, and Pentecostal Glossolalia: Some Functional Similarities. In: Spittler, Russell P. (Hg.): Perspectives on the New Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Baker, 1976, S. 150 – 164.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als Zeichen

263

Doch die vorherrschende Betonung der institutionellen und kirchlichen Aspekte des sakramentalen Gottesdiensts machen die Kirche für die Gefahr anfällig, die freie Bewegung des Geistes auf vorhersehbare und manipulierbare institutionalisierte Formen zu beschränken, welche auf enge konfessionelle Grenzen beschränkt sind und so inszeniert werden, dass sie kaum auf überraschende oder störende Weise fungieren. Die Art der pfingstlichen sakramentalen Frömmigkeit, die in Zungen als Anfangserweis impliziert ist, entsteht aus einer Theologie, die eher „theophanisch“ als inkarnatorisch zu sein scheint. Die dramatische Herabkunft des Geistes am Pfingsttag war eine Art Theophanie, begleitet vom Brausen eines gewaltigen Winds und Feuerzungen. Diese göttliche Selbstoffenbarung zu Pfingsten hat ihre Wurzeln in der alttestamentlichen Theophanie Gottes am Sinai und in der dramatischen und aktiven Gegenwart Gottes in Dienst, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Die Theophanie von Pfingsten weist auch nach vorn auf die endgültige, durch die irdischen Zeichen „Blut“, „Feuer“ und „Rauch“ (Apg 2,19) begleitete, Theophanie Gottes in der Parusie.39 Die pfingstliche Frömmigkeit tendierte dazu, dieses theophanische Moment in der Schrift zu betonen, und entwickelte ein kirchliches Leben, das von inbrünstigen Erwartungen der Zeichen und Wunder des Geistes Gottes gekennzeichnet ist. In diesem Rahmen findet die Kirche ihre christologische Determination nicht primär im inkarnierten Wort, sondern im pneumatischen Christus, der in Zeichen und Wundern immer noch tätig ist, um Böses zu überwinden und Gottes ewiges Reich aufzurichten. Eine dynamische Auffassung der Inkarnation, die Christus als den vorrangigen Ort der aktiven Präsenz Gottes versteht und für die auch Hans Küng eingetreten ist,40 steht somit im Einklang mit pfingstlicher Theologie. Die Kirche kann hier nicht als eine dauerhafte Verkörperung des inkarnierten Wortes verstanden werden, sondern als ein „Ereignis“, das im Kontext unserer gehorsamen Teilhabe an Gottes erlösendem Handeln fortwährend erneuert werden muss. Es gibt freilich noch viel zu diskutieren hinsichtlich der Art und Weise, wie verschiedene Tendenzen in der katholischen Sakramententheologie eine sich noch entwickelnde pfingstliche Theologie erhellen oder kontrastieren können. Pfingstler können diejenigen Entwicklungen in der katholischen Theologie bekräftigen, welche die Gegenwart Christi durch den Geist als eine dynamische, offene und niemals als selbstverständlich zu betrachtende Gegenwart begünstigen. Wir können ein herzliches „Amen“ zu Yves Congars Aufruf zu einem notwendigen Kampf um den Geist in der Kirche sagen.41 Es kann wenig Zweifel daran bestehen, dass die Pfingstbewegung eine Bewegung in39 Macchia: Sighs. 40 Kìng, Hans: Menschwerdung Gottes. Freiburg: Herder, 1970 (Ökumenische Forschungen: Soteriologische Abteilung 1). 41 Congar, Yves: I Believe in the Holy Spirit, Bd. 2. New York: Crossroad, 1997 (Milestones in Catholic Theology), Bd. 2, S. 57.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

264

Frank D. Macchia

nerhalb der Kirche ist, die einen solchen Kampf mit äußerster Ernsthaftigkeit betreibt. Hinter diesem Kampf liegt die Annahme, dass unsere Liturgien und Sakramente bittend sind, oder besser noch, durch und durch epikletisch. Wir wollen hier nicht bestreiten, dass die sakramentalen Elemente tatsächlich einen wesentlichen Teil der Gott-Mensch-Begegnung bilden, so dass sie eine „objektive“ Bedeutung haben. Doch wir dürfen diese Objektivität nicht getrennt von der göttlichen Initiative und von der Natur des „sacramentum“ als einer erfahrenen Realität verstehen. Meiner Ansicht nach haben sich Tillichs und Rahners Verständnisse des sakramentalen Elements als sehr hilfreich erwiesen, um zu einer Auffassung der sakramentalen Erfahrung des Geistes zu gelangen, die alle diese Aspekte einschließt. Spontane Zeichen und Wunder des Geistes, basierend vor allem auf den Zungen als Zeichen, stellen die Freiheit und Transzendenz der Gott-MenschBegegnung in den Vordergrund, die in formalen Liturgien nur angedeutet ist. Karl Rahner argumentiert, dass solche Manifestationen von Enthusiasmus das liturgische System schockieren und die Kirche für einen Moment „vorläufig und fragwürdig […] als gegenüber dem eigentlichen Gemeinten unangemessen“ erscheinen lassen.42 Wir werden plötzlich „zurückgeworfen“ durch eine Begegnung mit Gott, die letztlich über unsere Möglichkeiten zu verstehen, auszudrücken und zu verwalten hinausgeht. Ein solcher Prozess ist für die liturgische Erneuerung und für unser Verständnis der begrenzten Bedeutung der institutionellen Dimension der Kirche erforderlich. Nach Rahner zeigen Manifestationen des Enthusiasmus, dass die ganze institutionelle Struktur der Kirche, einschließlich des rationalen Worts, der Sakramente und des Rechts, zwar zu einem gewissen Ausmaß in diesem Leben gebraucht wird, aber sich dennoch „selbst als solches Zeichen deutlich macht, das sich selbst verzehren und im Aufgang Gottes untergehen will.“43 Die eschatologische Signifikanz der Zungen bekommt eine besondere Bedeutung in diesem Kontext. Zungen bezeichnen nicht nur Gottes Neuschöpfung und Befreiung im Hier und Jetzt, sondern Zungen erinnern uns auch an die zeitliche und begrenzte Natur unserer institutionellen Grenzen, Theologien und kultischen Äußerungen. Dies hat bedeutende Folgen für den ökumenischen Gottesdienst und die ökumenische Debatte. Andererseits verortet Rahner die Bedeutung der kirchlichen Sakramente in ihrer Kontinuität mit der Gesamtheit des Lebens. Die sieben Sakramente repräsentieren die Symbole und Rituale, welche auf die in der Gesamtheit des Lebens beinhaltete Gnade Gottes verweisen, besonders wenn man versucht, einen befreienden Einfluss auf die Welt zu nehmen. Die eschatologische Gegenwart Gottes, die einem Gläubigen im liturgischen Sakrament begegnet,

42 Rahner: Enthusiastische und gnadenhafte Erfahrung, S. 67. 43 Ebd., S. 68.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als Zeichen

265

macht nur explizit, was in den Routinen und Programmen unseres Lebens im Verhältnis zu anderen bereits angelegt ist.44 Was Rahner hinsichtlich der charismatischen Manifestationen und kirchlichen Sakramente argumentiert, ist für unsere Diskussion höchst bedeutsam. Wenn Zungen unsere kirchlichen Institutionen und formalisierten Liturgien infrage stellen und eine freie und unvorhersehbare Begegnung mit dem Geist betonen, dann verweisen uns die kirchlichen Sakramente auf die Tatsache, dass unsere kirchlichen Routinen, Strukturen und Programme auch Mittel Gottes befreiender und heilender Gnade sein können. Gleichermaßen, wenn Zungen auf die spontanen und unvorhersehbaren Wendungen zu Befreiung und Heilung inmitten des Zeugnisses der Kirche in der Welt verweisen, dann bringen uns die kirchlichen Sakramente in Berührung mit der befreienden Gnade Gottes, wie sie in geplanten und strukturierten Versuchen von zwischenmenschlicher und sozialer Veränderung erscheint. Es scheint, dass die Betonung der charismatischen Zeichen auf der eschatologischen und freien Bewegung des spiritus redemptor liegt. Es ist eine Sakramentalität von „oben“. Die kirchlichen Sakramente betonen, insbesondere in ihrer Kontinuität mit dem täglichen Leben, tendenziell den spiritus creator, der innerhalb unserer strukturierten Antworten auf Gott wirkt. Wir könnten dies als eine Sakramentalität von „unten“ charakterisieren. Es geht hier freilich nur um einen Unterschied in der Betonung. Wäre es möglich, dass diese theologischen Akzente eher komplementär als gegensätzlich sind? Betonen Pfingstler das Wundersame nicht so sehr, dass sie oft das Wirken des Geistes von menschlichen Bemühungen um die Schaffung einer besseren Welt abkoppeln? Können unsere Institutionen, Liturgien und Sozialprogramme nicht geheiligte Gnadenmittel für die gnadenlose Welt werden? Kann eine neue Wertschätzung der kirchlichen Sakramente Pfingstlern nicht eine Brücke zwischen ihrer charismatischen Spiritualität und Bemühungen um Befreiung durch Programme und institutionelle Strukturen bauen? Und kann nicht andererseits die „Protest-“ oder „rudimentäre“ Sakramentalität der Pfingstbewegung eine kritische Funktion in Bezug auf die katholische Sakramentalität erfüllen, indem sie uns erinnert, dass Gottesdienst und soziale Erneuerung spontane und unvorhersehbare Hinwendungen zu Befreiung und Heilung erfordern, und indem sie die Notwendigkeit ausruft, unsere Programme und institutionelle Strukturen zu hinterfragen und zu erneuern? Wir Pfingstler werden ohne Zweifel unüberbrückbare Differenzen im Dialog mit Katholiken hinsichtlich der Sakramente finden. Aber wir müssen dafür offen bleiben zu segnen und gesegnet zu werden. Dasselbe gilt für unseren dringend nötigen Dialog mit den ver* schiedenen reformierten Traditionen. 44 Rahner, Karl: Überlegungen zum personalen Vollzug des sakramentalen Geschehens. In: Ders.: Schriften zur Theologie, Bd. X. Köln: Einsiedeln, 1972, S. 405 – 429. * Dieser Aufsatz Macchias erschien drei Jahre vor dem Beginn des ökumenischen Dialogs zwi-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

266

Frank D. Macchia

Kurzum, die pfingstliche Spiritualität tritt weder für eine unmittelbare Begegnung mit Gott ein, noch für einen subjektivistischen Emotionalismus ohne Bezug zu einem objektiven Gnadenmittel. Diese stereotypen Charakterisierungen sind von bestimmten Tendenzen im pfingstlichen Gottesdienst genährt worden. Doch diese Charakterisierungen können die vorherrschende Betonung von Pfingstlern der sichtbaren/hörbaren Zeichen und Wunder nicht erklären, die Gottes freie, eschatologische Präsenz in das „Hier und Jetzt“ transportieren, um zu bevollmächtigen, zu befreien und zu heilen. Zungen als Anfangserweis der Geisttaufe sowie Heilung wirken unter Pfingstlern auf diese Weise und ziehen die oben genannten Stereotypisierungen in Zweifel. Sollte uns Simon Tugwells Entdeckung eines sakramentalen Elements im pfingstlichen Gebrauch der Zungen wirklich überraschen? Der Begriff „Sakrament“, wenn er sorgsam definiert wird, kann ein neues Licht auf den Kern der pfingstlichen Frömmigkeit werfen und die Tür für einen fruchtbaren ökumenischen Dialog mit anderen kirchlichen Traditionen öffnen. Veni, spiritus unitatis!

schen der Weltallianz der reformierten Kirchen und führenden Vertretern klassischer Pfingstkirchen im Jahr 1996. Zu den Ergebnissen und der pfingstlich-theologischen Diskussion dieses Dialogs s. das Themenheft der Zeitschrift Pneuma 23/1 (2001).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

James K.A. Smith

Zungen als „Widerstandsdiskurs“ *

Eine philosophische Perspektive

Einleitung In der Sprachphilosophie, die nun einmal (wenigstens in anglo-analytischen Kreisen) von einer Wertschätzung der „Philosophie der normalen Sprache“ dominiert wurde, gab es bisher wenig Raum für die Betrachtung eines eigenartigen, ziemlich außergewöhnlichen Phänomens wie der Glossolalie. Als eine Art Rede oder Diskurs der an den Rändern der Sprache überhaupt schwebt, widersteht die Zungenrede in einem grundlegenden Sinn der philosophischen Analyse oder der konzeptuellen Beschreibung. In diesem Aufsatz möchte ich jedoch darlegen, dass eben diese widerständige Natur der Zungenrede das philosophisch Interessante ist – dass es also zur Natur der Zungenrede selbst gehört, im doppelten Sinne einen Diskurs des Widerstands darzustellen: Zum einen ist sie eine Art Rede (oder ein Sprechakt, wie ich es später nennen werde), die den gegenwärtig auf der Hand liegenden Kategorien der Sprachphilosophie widersteht; andererseits will ich auch darlegen, dass die Zungenrede eine Art Diskurs ist, der aus dem Widerstand gegen bestehende kulturelle Normen und Institutionen entsteht. Mit anderen Worten: Man könnte sagen, dass Zungenrede die Sprache bestimmter Widerstandsgemeinschaften ist, welche die „bestehenden Mächte“ herausfordern wollen. Die Zungenrede als Widerstandsdiskurs zu bezeichnen, bedeutet daher, sowohl einen konzeptuellen als auch einen ethischen Aspekt in den Blick zu nehmen. Folglich möchte ich in dieser philosophischen Analyse der Zungenrede eine weiter gefasste Perspektive einnehmen, die diesen Gegenstand nicht nur von der Sprachphilosophie, sondern auch, in gebotener Kürze, von der Ethik und der Sozialphilosophie her betrachtet.1 Im ersten Hauptteil meines Aufsatzes (Abschnitt 2) biete ich eine Darstellung der Zungenrede durch die Linse der Sprachphilosophie; spezifischer * Originalveröffentlichung: Smith, James K. A.: Tongues as ‘Resistance Discourse’: A Philosophical Perspective. In: Cartledge, Mark J. (Hg.): Speaking in Tongues: Multi-Disciplinary Perspectives. Bletchley : Paternoster Press, 2006 (Studies in Pentecostal and Charismatic Issues), S. 81 – 110. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Paternoster-Verlags; alle Rechte vorbehalten. 1 Ich hoffe, mit diesem Essay die Konturen eines Forschungsprogramms aufleuchten zu lassen, das ich in Smith, James K. A.: Advice to Pentecostal Philosophers. In: Journal of Pentecostal Theology 11, Nr. 2 (2003), S. 235 – 247 vorgebracht habe.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

268

James K.A. Smith

ausgedrückt: Ich betrachte Glossolalie im Lichte dreier gegenwärtiger Ansätze der sprachphilosophischen Analyse: (1) der Phänomenologie unter besonderer Aufnahme von Husserl und Derrida, (2) der philosophische Hermeneutik im Rückgriff auf Heidegger und Gadamer und (3) der Sprechakttheorie im Gefolge Austins und Searles. Im dritten Hauptteil, (dem am stärksten „experimentellen“ Teil des Aufsatzes), wende ich mich den ethischen und sozialen Implikationen der Zungenrede zu, aus einer Sicht, die verschiedentlich mit den Bezeichnungen kritische Theorie, Sozialismus oder „neue Linke“ beschrieben werden kann. Zuvor möchte ich jedoch eine einleitende methodologische Anmerkung vorausschicken: Im Folgenden sind spezifisch theologische Fragestellungen bezüglich der Glossolalie größtenteils ausgeklammert worden. So bezieht meine Analyse zum Beispiel keine Stellung zur Frage, ob Zungenrede den „anfänglichen physischen Erweis der Geisttaufe“ darstellt (wie es von „klassischen“ Pfingstlern vertreten wird) oder ob sie lediglich eine der charismatischen Gaben darstellt, die der ekkle¯sia nach wie vor zugänglich ist.2 Ebenso positioniere ich mich hier nicht dazu, ob Glossolalie die Äußerung existierender, dem Sprecher ehedem unbekannter Sprachen darstellt (Xenolalie) oder ob es sich bei Zungenrede einfach um eine ekstatische Rede handelt, die durch die Kraft des Geistes zum Ausdruck kommt (wenngleich die weiter unten angeführten Analysen es erfordern, die Implikationen solcher Darstellungen in Betracht zu ziehen).3 Da meine Untersuchung, soviel möchte ich hoffen, keine lediglich vergangenheitsbezogene oder historische ist, bleibt einzig die theologische Annahme von Bedeutung, dass Zungenrede ein brauchbarer und authentischer Diskursmodus für die Gemeinschaft der Gläubigen ist, welche die christliche ekkle¯sia ist.4 Wer allerdings diese theologische Prämisse nicht teilt und dennoch meint, dass die Zungenrede zumindest in der Vergangenheit ein brauchbarer Modus eines Geist-geleiteten Diskurses war (wie es beispielsweise auf einen Cessationisten zutreffen 2 Das bedeutet jedoch nicht, dass ich keine eigene Meinung zu dieser Frage habe. Als ein „charismatischer“ und nicht [klassisch] pfingstlicher Christ, weise ich den Anspruch zurück, dass Zungen der anfängliche und einzige physische Erweis der Geisttaufe seien (und möchte aus philosophischer Sicht nahelegen, dass eine solche „Erweis“-Sprache mit einer problematischen, modernistischen und fundamentistischen Epistemologie verknüpft ist – auch wenn ich dies hier nicht ausführen kann). Doch für den Zweck dieses Aufsatzes sind diese Fragen irrelevant. Folglich werde ich durch den gesamten Aufsatz hindurch tendenziell eher den Begriff „charismatisch“ verwenden, um das zu beschreiben, was spezifischer gefasst sowohl charismatische als auch [klassisch] pfingstliche Praktiken und Glaubensüberzeugungen sind. 3 In den unten aufgeführten Analysen werde ich dazu neigen, Zungen als ekstatische Rede in den Blick zu nehmen. Das liegt daran, dass Beispiele von Zungen als Xenolalie völlig problemlos unter bereits bestehende sprachphilosophische Kategorien subsumiert werden könnten. Mein Interesse gilt jenen Fällen, die sich den gegenwärtig verfügbaren Kategorien widersetzen. 4 Obwohl ich auch hier – soweit wie möglich – theologische Bewertungen in Bezug auf die Frage, ob das, was gegenwärtig in pfingstlich/charismatischen Versammlungen praktiziert wird, als authentische Zungenrede gilt, größtenteils ausklammern werde. Darauf werden wir im Abschnitt 2 zurückkommen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

269

würde), wird meiner Analyse zumindest historische Bedeutung entnehmen können. Jedenfalls hoffe ich, dass die Zungenrede als eine Art „Grenzfall“ dient, der bestimmte Fragestellungen und Probleme der Sprachphilosophie erhellt – das heißt, als Fall bzw. Beispiel für eine Äußerungsform, welche die aktuellen konzeptuellen Kategorien der Sprachphilosophie herausfordert und uns somit dazu drängen könnte, über die Grenzen dieser Kategorien hinauszugehen. Daher könnte es sogar möglich sein, dass jemand, der die Zungenrede theologisch nicht befürwortet, in dieser Auffassung dennoch ein produktives „Gedankenexperiment“ für die Sprachphilosophie erkennt. Eine letzte methodologische Vorbemerkung: Meine Analyse der Zungenrede wird eine Art der Phänomenologie der Glossolalie bilden. Damit möchte ich sowohl die normativen Darstellungen der Praxis im Neuen Testament ernst nehmen, aber auch betrachten, wie die Zungenrede in charismatischen Gemeinschaften gegenwärtig praktiziert wird. An einigen Punkten ist es schwer, die gegenwärtige Praxis auf die normativen neutestamentlichen Darstellungen abzubilden, und die Versuche, die gegenwärtige Praxis zu rechtfertigen, beruhen oftmals auf einer gewissen interpretativen Ungerechtigkeit gegenüber den neutestamentlichen Texten. Doch wenn die Zungenrede einen erhellenden „Grenzfall“ für die Philosophie darstellt, dann sollten sich solche Beispiele, die Widerstand beleuchten, auch in der aktuellen Praxis finden lassen.

Zum Widerstand gegen (und zur Produktion von) Konzepten: Zungen und Sprachphilosophie Wenngleich ich darlegen will, dass die Zungenrede den in der Sprachphilosophie gegenwärtig gebräuchlichen Kategorien widersteht, möchte ich vorbringen, dass dieser Widerstand gegen vorgegebene Kategorien in der Tat ein philosophisch produktiver ist;5 das heißt: Weil Zungenrede einen „Grenzfall“ für gängige philosophische Analysemodi darstellt, bietet sie eine Möglichkeit, diese philosophischen Methodologien und Konzeptlexika zu überdenken, zu erweitern und zu revidieren. Die Tatsache, dass sich Glossolalie nicht einfach in die existierende Kategorien „fügt“, kann eine Möglichkeit bieten, diese Kategorien zu überdenken und das vorherrschende Paradigma in Frage zu stellen (obwohl es zugegebenermaßen auch eine Gelegenheit sein kann, die Glossolalie komplett unbeachtet zu lassen).6 Die Widerständigkeit der Zun5 Gilles Deleuze und Felix Guattari bringen vor, dass das Wesen des philosophischen Projektes die Produktion von Konzepten ist. S. Deleuze, Gilles; Guattari, F¦lix: Was ist Philosophie? Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2000. 6 An dieser Stelle darf an Thomas Kuhns Abhandlung erinnert werden, wie vorherrschende Paradigmen dazu tendieren, einfach das zu ignorieren, was sich nicht den Erwartungen der Paradigmen fügt (in Kuhn, Thomas S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 2., über-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

270

James K.A. Smith

genrede gegen einen analytischen Zugriff bietet also möglicherweise eine Gelegenheit, wichtige Aspekte neu zu erhellen. In diesem Abschnitt werde ich die Zungenrede von drei prominenten Analysemodi der Sprachphilosophie her in der Reihenfolge ihres jeweiligen historischen Auftretens beleuchten.7 Diese Analysemodi stellen jeweils eine wichtige Anfrage an die Zungenrede; und das Phänomen Zungenrede stellt für die konzeptuellen Kategorien dieser philosophischen Analysen eine Herausforderung dar. Husserls phänomenologische Analyse bringt möglicherweise die grundlegendste Frage auf: Was ist Zungenrede? Was bedeutet es, in Zungen zu „sprechen“? Die Hermeneutik wirft die Frage nach der Interpretation bzw. der Bedeutung auf: Wie wird Zungenrede „verstanden“? Was wird in Zungen „ausgesagt“? Die Sprechakttheorie wiederum bringt eine Frage in Bezug auf die Handlung hervor: Was wird in der Zungenrede „getan“? Was bewirkt Glossolalie? Diese drei Modi der philosophischen Analyse ergänzen sich, sind aber auch voneinander unterschieden. Somit versucht jeder Abschnitt eine Darstellung der Zungenrede zu bieten, die aus einem bestimmten „Lager“ der gegenwärtigen Sprachphilosophie erfolgt. Ich halte es für wichtig, alle drei Ansätze zu operationalisieren, weil jeder Ansatz eine einzigartige Perspektive auf die Zungen bietet, sie aber zusammengenommen eine kohärente philosophische Abhandlung bilden.8 Phänomenologie (Zungen sind zum Zeichen – 1Kor 14,22)

Die längste und reichhaltigste Tradition der philosophischen Reflexion der Sprache ist das, was wir heute mit „Semiotik“ umschreiben würden – eine Darstellung der Sprache in Bezug auf Zeichen (semeia). Während der Semiotikbegriff meist mit Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, etwa Ferdinand de arb. und um das Postskript von 1969 erg. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1989). Die „normale Wissenschaft“ (das, was Kuhn als vorherrschende „Orthodoxie“ in einer Disziplin beschreibt) innerhalb der Sprachphilosophie würde zusammen mit dem allgemeinen Vorurteil gegenüber speziellen (und zugegebenermaßen befremdlichen) religiösen Phänomenen wie die Zungenrede beinahe garantieren, dass Glossolalie nicht als Forschungsgegenstand erwogen wird. Hoffentlich kann der vorliegende Aufsatz dieser Tendenz ein Stück weit widerstehen. 7 Man könnte Zungenrede in Anlehnung an Studien zu Oralität und Literalität betrachten, wie sie beispielsweise von Walter Ong und anderen ausgearbeitet wurden. Ich werde dieser Fragerichtung hier nicht folgen – eine Skizze davon findet sich allerdings in Smith, James K. A.: The Closing of the Book: Pentecostals, Evangelicals, and the Sacred Writings. In: Journal of Pentecostal Theology 5, Nr. 11 (1997), S. 49 – 71. 8 Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit eine vollständige Darstellung geboten wird. Weitere Forschungen sollten Zungen aus der Perspektive von C. S. Peirce’ pragmatischer Semiotik und Wittgensteins Konzept der „Sprachspiele“ behandeln, was in diesem Rahmen allerdings nicht möglich ist.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

271

Saussure oder C. S. Peirce in Verbindung gebracht wird, hat diese Denktradition eine lange Ahnenreihe, die bis zu Augustin und den Stoikern zurückreicht.9 Eine der stärksten und einflussreichsten Neuformulierungen derartiger Sprachanalysen wurde von Edmund Husserl vorgelegt, insbesondere in seinem früheren Werk, den Logischen Untersuchungen, und in einem späteren Beitrag mit dem Titel Der Ursprung der Geometrie.10 Da Husserls Phänomenologie der Sprache so grundlegend für sämtliche Arbeiten gewesen ist, die im 20. Jahrhundert folgen sollten, und weil sie der erste Anstoß für mich gewesen ist, mich mit Zungenrede und Sprachphilosophie zu befassen, möchte ich seinen philosophischen Bezugsrahmen etwas genauer betrachten.11 In der ersten der Logischen Untersuchungen („Ausdruck und Bedeutung“) versucht Husserl, die unterschiedlichen Ausdrucks- und Redeweisen zu kartieren, indem er eine Anzahl an Unterscheidungen darlegt. Für Husserl ist die übergreifende Kategorie die der Zeichen, demnach erhalten wir aus der Ersten Untersuchung weniger eine Darstellung seines Sprachverständnisses, sondern genau betrachtet (obgleich weiter gefasst) seine Zeichentheorie – von der die Sprache eine Untereinheit ist. Innerhalb der weiten Kategorie der Zeichen (die mit dem Verb „zeigen“ umschrieben werden), stellt Husserl eine erste fundamentale Unterscheidung fest, zwischen den Zeichen, die etwas ausdrücken – einem „Ausdruck“ – und jenen Zeichen, die nichts ausdrücken bzw. „bedeuten“ und die er „Anzeichen“ nennt. Ausdrücke sind „bedeutungsvoll“ insofern sie etwas „bedeuten“, wohingegen Anzeichen bloß „anzeigen“ und eben nur als Hinweis dienen (LU, S. 23 f.). Allerdings darf diese Unterscheidung zwischen „Ausdruck“ und „Anzeichen“ nicht überbewertet werden. Beide 9 Zu einer Darstellung augustinischer Semiotik (samt relevanten Literaturverweisen), s. Smith, James K. A.: Speech and Theology: Language and the Logic of Incarnation. London: Routledge, 2002 (Radical Orthodoxy Series), S. 4. Für eine nüchterne Einleitung in die semiotische Theorie in einem Kontext, der an Zungenrede grenzt, s. Hughes, Graham: Worship as Meaning: A Liturgical Theology for Late Modernity. Cambridge, UK: Cambridge University Press, 2003 (Cambridge Studies in Christian Doctrine 10), insbes. Kap. 3. 10 Husserl, Edmund: Logische Untersuchungen, Bd. 2/1: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. 2. umgearb. Aufl. Halle: Max Niemeyer, 1913, im Folgenden abgekürzt LU; und Husserl, Edmund: Die Frage nach dem Ursprung der Geometrie als intentional-historisches Problem. In: Boehm, Rudolf; Ijsseling, Samuel; Smid, Reinhold N. (Hg.): Husserliana: Gesammelte Werke, Bd. 29: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Ergänzungsband, Texte aus dem Nachlass, 1934– 1937. Dordrecht: Nijhoff, 1993, S. 365 – 386. Diese beiden Werke haben die Aufmerksamkeit des jungen Jacques Derrida auf sich gezogen. Zu den Logischen Untersuchungen, s. Die Stimme und das Phänomen: Ein Essay über das Problem des Zeichens in der Philosophie Husserls, übers. v. Jochen Hçrisch. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1979 (Edition Suhrkamp 945). Derrida war der Übersetzer von Der Ursprung der Geometrie ins Französische (1962) und seine umfangreiche „Einleitung“ zur Übersetzung war Derridas erste größere Publikation, s. Derrida, Jacques: Husserls Weg in die Geschichte am Leitfaden der Geometrie: Ein Kommentar zur Beilage III der Krisis, übers. v. Rüdiger Hentschel; und Andreas Knop. Mu¨ nchen: Fink, 1987 (Übergänge 17). 11 Auch andere haben über Zungen als „Zeichen“ nachgedacht, allerdings nicht in einem explizit semiotischen Kontext. S. z. B. Macchia, Frank D.: Tongues as a Sign: Towards a Sacramental Understanding of Pentecostal Experience. In: Pneuma 15, Nr. 1 (1993), S. 61 – 76.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

272

James K.A. Smith

schließen sich beispielsweise nicht gegenseitig aus: Es ist möglich, so Husserl, dass Zeichen anzeigend fungieren, sie aber daneben auch „noch eine Bedeutungsfunktion erfüllen“. Darüber hinaus darf die Unterscheidung zwischen Ausdruck und Anzeichen nicht im Sinne des Verhältnisses von Art und Gattung missverstanden werden; es ist nicht so, dass das Bedeuten eine Art der Anzeige ist.12 In der Tat ist Husserls überraschendste (und umstrittenste) Behauptung, dass es Ausdrucksweisen geben kann, die keinen Aspekt von Anzeige einschließen; in anderen Worten: es gibt eine Sphäre, die Husserl das * „einsame Seelenleben“ nennt, in der es Bedeutung ohne Anzeige gibt.13 Anzeichen sind Hinweise, die für etwas anderes stehen; in diesem Sinne, bemerkt Husserl, „ist das Stigma Zeichen für den Sklaven, die Flagge Zeichen der Nation“ (LU, S. 24) – die Anzeichen helfen uns, etwas zu erkennen, mit dem das Zeichen zusammenhängt. In manchen Fällen ist dieser Zusammenhang zufällig, sogar willkürlich (wie es beim Stigma oder der Flagge der Fall ist); andere Zusammenhänge zwischen Zeichen und dem jeweils von ihnen Bezeichneten sind hingegen eher „natürlich“; in diesem Sinn können wir beispielsweise sagen, dass „Marskanäle Zeichen für die Existenz intelligenter Marsbewohner“ sind oder „fossile Knochen für die Existenz vorsintflutlicher Tiere“. (LU, S. 24). Kurz gesagt: Rauch ist ein Zeichen für Feuer in dem Sinne, dass es ein Anzeichen ist. Das Verhältnis zwischen dem anzeigenden Zeichen und seinem Referenten ist motiviert: Das gegebene (das Anzeichen) motiviert mich, das in Betracht zu ziehen, was nicht gegeben, sondern nur in seiner Abwesenheit angezeigt ist: den Referenten. Die Flagge der Vereinigten Staaten auf einem Siegerpodest in Griechenland motiviert mich dazu, einen anderen Nationalstaat auf der anderen Seite des Globus in Betracht zu ziehen und so weiter. Wesentlich für die Natur der Anzeige ist daher eine Abwesenheit des Referenten; Anzeige operiert auf der Grundlage eines bestimmten Mangels.14 Anzeichen sind von Ausdrücken zu unterscheiden, die „bedeutsame Zeichen“ sind (LU, S. 30). Daher möchte Husserl den Terminus „Ausdruck“ für 12 „In Wahrheit stehen also die beiden Zeichenbegriffe gar nicht im Verhältnis des weiteren und engeren Begriffes.“ (LU, S. 24) * Die englische Husserl-Übersetzung spricht hier von „interior mental life“. Die Übersetzer folgen jedoch Husserls eigener Sprache, die an den entsprechenden Stellen durchweg den Terminus „Seelenleben“ gebraucht (und nicht etwa „inneres Geistesleben“, „inneres Gedankenleben“, o. ä.). 13 Genau diese zentrale Aussage wird in Derridas Die Stimme und das Phänomen einer restlosen Kritik unterzogen. In der Tat, besagt die Kernthese von Die Stimme und das Phänomen, dass eine essenzielle Verflechtung zwischen Ausdruck und Anzeige existiert. Ich habe Derridas Kritik in Smith, James K. A.: A Principle of Incarnation in Derrida’s (Theologische?) Jugendschriften: Towards a Confessional Theology. In: Modern Theology 18, Nr. 2 (2002), S. 217 – 230 im Detail behandelt. Husserl zufolge ist das Bedeuten nur in der mitteilenden Rede immer mit Anzeichensein verflochten (LU, S. 23 f.). Wie wir später sehen werden, ist dies für die Zungenrede folgenreich. 14 Dies ist freilich ein zentrales Thema in Derridas Kritik (und gibt dazu Anlass, was er als „Metaphysik der Anwesenheit“ beschreiben wird).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

273

einen spezifischen Fall von Signifikation reservieren, indem er das, was wir in der Alltagssprache als Anzeige beschreiben würden, auf drastische Weise einengt. Wir sprechen beispielsweise oftmals von „Gesichtsausdrücken“ [„Mienenspiel“], doch in Husserls Begrifflichkeit stellen diese keine Ausdrücke im engeren Sinne dar, weil sie seiner Ansicht nach, „unser Reden unwillkürlich und jedenfalls nicht in mitteilender Absicht begleiten“ (LU, S. 31).15 In solchen Äußerungen, so fährt er fort, teilt der eine dem anderen nichts mit, es fehlt ihm bei ihrer Äußerung die Intention, irgendwelche „Gedanken“ in ausdrücklicher Weise hinzustellen, sei es für andere, sei es auch für sich selbst [d. h. wenn jemand eine körperliche Geste macht], wofern er mit sich allein ist. Kurz, derartige „Ausdrücke“ haben eigentlich keine Bedeutung. (LU, S. 31 [Hervorhebung im Original, Einfügung J. S.])

Mit anderen Worten: Sie sind eigentlich überhaupt keine „Ausdrücke“, weil sie nicht mitteilend sind. Die Frage ist: Sind diese körperlichen Gesten dennoch eine Modus von Sprache? Könnte es einen Fall von nicht-mitteilender, nichtausdrückender Sprache geben? Was könnte das sein? Wir werden weiter unten darauf zurückkommen. Wenn Husserl den Begriff des Ausdrucks erörtert, liegt sein Fokus auf der Rede, weil es in der Rede ist, wo wir Intention finden: Ein Redner meint einem Hörer mittels Zeichen etwas mitzuteilen. Die Verknüpfung zwischen Zeichen und Referenten ist im Hinblick auf den Ausdruck sozusagen „enger“ als dies beim Anzeichen der Fall ist. In Husserls Formulierung: In der Rede sind die gegebenen Zeichen (die „Ausdrücke“) „im Bewußtsein des sich Äußernden mit den geäußerten Erlebnissen phänomenal eins“ (LU, S. 31). Es gibt quasi einen Sinn, in dem der Referent dem ausdrückenden Zeichen auf eine Art einwohnt, wie es im anzeigenden Zeichen nicht der Fall ist. In der Tat fährt er fort, einen Ausdruck als „sinnbelebte[n] Wortlaut“ bzw. Wortlaut, dem Bedeutung eingegossen ist, zu beschreiben (LU, S. 38). Somit privilegiert Husserl die Rede als Ort des Ausdrucks. Allerdings finden wir hier eine interessante Wendung (die auch der Angelpunkt von Derridas Kritik ist). Die Rede ist Husserl zufolge das beste Beispiel für Ausdruck, doch nicht alle Rede ist seiner Ansicht nach mitteilend. In der Tat steht die Rede, insofern sie mitteilend ist (d. h. insofern sie den intersubjektiven Austausch von Ausdrücken beinhaltet), notwendigerweise mit Anzeige im Zusammenhang. „Alle Ausdrücke in der kommunikativen Rede [fungieren] als Anzeichen“ (LU, S. 33). Der Grund dafür ist, dass es eine Art wesentliche Abwesenheit in der intersubjektiven Beziehung zwischen Redner und Hörer gibt. In der Rede dienen Ausdrücke „dem Hörenden als 15 Es sollte angemerkt werden, dass Husserl keinen Sinn für das „Unbewusste“ oder das „Unterbewusstsein“ hat, das wir in einem post-Freudschen psychoanalytischen Klima beinahe voraussetzen. Für Husserl sind der Freudsche Versprecher oder die Körpersprache bedeutungslos (wohingegen sie für Freud der indirekte Zugang zu dem sind, was jemand wirklich meint).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

274

James K.A. Smith

Zeichen für die ,Gedanken‘ des Redenden […] sowie für die sonstigen psychischen Erlebnisse, welche zur mitteilenden Intention gehören“ (LU, S. 33 [Auslassung J. S.]). Die Wort-Zeichen, die ich äußere, werden dem Hörer gegeben und sind folglich dem Hörer gegenwärtig, doch sie dienen dazu, das anzuzeigen, was der anderen Person niemals gegenwärtig sein kann, etwa meine inneren Gedanken, oder mein psychisches Bewusstsein. Nichtsdestoweniger zählen diese Äußerungen als Ausdruck, sofern ich sie mit Absicht von mir gegeben habe, um etwas mitzuteilen oder eine Bedeutung auszudrücken. Kommunikative Rede schließt die Verflechtung von beiden ein – Ausdruck und Anzeichen. Doch welch andere Art von Rede könnte es geben? Wenn intersubjektive Kommunikation immer Anzeichen einschließt, könnte es dann eine Art Ausdruck geben, der nicht immer bereits mit Anzeige verflochten ist? Könnte es eine Art „reinen Ausdruck“ geben? Für Husserl lautet die Antwort ja – und wir finden dies im „einsamen Seelenleben“, im einsamen Sprechen des Bewusstseins (LU, S. 35 f.). Streng genommen, sprechen wir laut Husserl (der – das müssen wir uns vor Augen halten – keinerlei Unbewusstheit zulässt), in unserem Seelenleben gar nicht zu uns selbst;16 wir brauchen keine Zeichen (als Anzeichen) für unsere eigenen inneren Erfahrungen einzusetzen. Das liegt daran, dass das Seelenleben seiner Ansicht nach durch eine Art unmittelbare Selbstgegenwart charakterisiert ist, die keinerlei Abwesenheit oder Mangel zulässt. Es gibt keine geheimen Teile des Bewusstseins für Husserl; ich bin Herr meiner eigenen Gedanken und Absichten. Insofern also Anzeichen eine Art von Zeichen sind, die gegeben werden, um auf etwas hinzuweisen, das abwesend ist, wären solche Zeichen im inneren Bewusstsein überflüssig. Das Hauptargument ist, dass Husserl dieses einsame Sprechen des Bewusstseins als den Ort „reinen“ Ausdrucks betrachtet (LU, S. 35 – 37). In Abbildung 1 habe ich versucht so etwas wie eine Landkarte von Husserls Zeichentheorie zu bereitzustellen. Während für Derrida der interessanteste (und problematischste) Teil von Husserls Darstellung der Vorschlag des „reinen Ausdrucks“ ist (den Derrida bestreitet), bin ich für unsere Untersuchung der Glossolalie am meisten an einem instabilen Quadranten in dieser Karte interessiert. In Husserls Darstellung gibt es Anzeichen, die nicht-ausdrückend sind (z. B. körperliche Gesten); auf der anderen Seite gibt es Ausdrücke, die nicht-anzeigend sind (z. B. das einsame Sprechen im Seelenleben); es gibt auch eine dritte intermediäre Kategorie, die das Gros dessen ausmacht, was wir als „Kommunikation“ oder Sprechen betrachten – intersubjektive Kommunikation –, die sowohl Ausdruck als auch Anzeige einschließt. Wenn wir dies zugleich mit einer Erörterung der Rede im Besonderen betrachten, dann würde Husserl behaupten, dass Rede wesentlich kommunikativ und folglich wesentlich an16 Husserl räumt ein, dass man sehr vage betrachtet von einem „zu sich selbst sprechen“ reden könnte, doch dies wäre lediglich metaphorisch und per analogiam (LU, S. 35 f.).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

275

Abbildung: Husserls Zeichentheorie in den Logischen Untersuchungen 2/1

zeigend ist (LU, S. 32 f.); für die monologische Rede des einsamen Seelenlebens aber gilt: „[I]m eigentlichen, kommunikativen Sinne spricht man in solchen Fällen nicht“ (LU, S. 36). Doch Husserls präzise Unterscheidungen werden an diesem Punkt auf zwei Ebenen instabil. Erstens bleibt die „Rede“ ziemlich undefiniert, obwohl sie eindeutig eine wichtige Kategorie in seiner Darstellung ist. So scheint er die Rede mit verbalen Äußerungen zu verbinden, obwohl er diese deutlich als verbale Äußerung mit Bedeutung spezifizieren will (d. h. bedeutungs-„belebt“ bzw. Äußerungen, denen Bedeutung eingegossen ist). Die Frage ist, ob Husserl damit bekommt, was er will. Muss sich „Rede“ als stimmliche Äußerung immer an die Muster einer erkennbaren Sprache anpassen um als Rede zu gelten? Husserl schreibt fest: Zum gesprochenen Wort, zur mitteilenden Rede überhaupt wird die artikulierte Lautkomplexion (bzw. das hingeschriebene Schriftzeichen u. dgl.) erst dadurch, daß der Redende sie in der Absicht erzeugt, „sich“ dadurch „über etwas zu äußern“. (LU, S. 32 [Hervorhebung J. S.])

Was aber zählt als ein Wort? Muss die Bedeutung einer stimmlichen Äußerung mit „Absicht erzeugt“ sein – und ausschließlich die Intention verfolgen, einen „Gedanken“ mitzuteilen – um als „Wort“ zu zählen? Könnte eine stimmliche Äußerung etwas bedeuten, ohne dass der Referent dieser Bedeutung ein „Gedanke“ im (intentionalen) Bewusstsein desjenigen ist, der sich äußert?

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

276

James K.A. Smith

Zweitens basiert Husserls Darstellung auf einer höchst fragwürdigen Ablehnung von Gesichtsausdrücken und körperlichen Gesten als „ausdrückend“; sie sind für ihn Bedeutungs-los, weil sie nichts mitteilen (LU, S. 30 f.). Während man dies durch ein Infragestellen der dahinter stehenden Theorie eines sich selbst gegenwärtigen Bewussteins bestreiten könnte,17 können wir auch einfach Gegenbeispiele zitieren. Als beispielsweise G. H. Bush in den Präsidentschaftsdebatten von 1992 während einer Sendung einen bloßen Seitenblick auf seine Uhr warf, hatte dies der amerikanischen Öffentlichkeit „etwas gesagt“ (die Geste wurde oft zitiert, nachdem Clinton die Wahl gewonnen hatte). Diese Geste war, obwohl sie möglicherweise nicht „mit Absicht“ erfolgt war, dennoch eine ausdrückende Geste. Damit ist nicht gemeint, dass alle körperlichen Bewegungen etwas „bedeuten“. Freilich „bedeuten“ ein nervöser Tick oder das Greifen nach einem Glas Milch nicht auf diese Weise etwas. Doch die Frage ist, ob es legitim ist, dass Husserl alle körperlichen Gesten in die fernen Regionen bloßer Anzeichen verbannt. Wo könnten wir die Zungenrede in diesem Schema abbilden? Könnte Glossolalie möglicherweise einen Fall darstellen, der uns helfen würde, Husserls Schema entlang der oben genannten Andeutungen zu revidieren? Kann sie als „Rede“ im eigentlichen Sinne verstanden werden? Ist sie ein Ausdrucksmodus, der mit Anzeige verbunden ist (wie die Alltagssprache)? Insofern sie Vokalisierung einschließt, können wir sicher sein, dass sie nicht als „reiner Ausdruck“ gefasst werden kann, der für das Sprechen des einsamen Seelenlebens charakteristisch ist.18 Um einen Schritt weiter zu gehen, sollten wir eine theologische Frage wieder hervorholen, die wir zuvor ausgeklammert hatten: Wenn wir Zungenrede als Xenolalie betrachten (die Äußerung einer identifizierbaren Sprache durch jemanden, der zuvor keine Kenntnis von ihr hatte), dann wäre Zungenrede ein Beispiel für kommunikative Sprache. Dies ist bei der Begebenheit der pfingstlichen Ausgießung von Apg 2 eindeutig der Fall. In der Tat wird im Fall der pfingstlichen Zeugen deutlich, dass der pri17 Das ist ein Hauptaspekt der Kritik Derridas an Husserl in Die Stimme und das Phänomen. Zusätzlich könnte man sagen, dass Derrida damit ansetzt zu zeigen, dass alle „Worte“ als „Gesten“ fungieren, was somit die hierarchische Unterscheidung aufhebt, die Husserl macht, s. Derrida: Stimme und das Phänomen, S. 89 – 92. 18 Ich werde hier jegliche Erörterung der Frage ausklammern, ob man „zu sich selbst“ oder „in eigenen Gedanken“ in Zungen sprechen kann. Es ist mir nicht bekannt, dass dies eine allgemeine geistliche Praxis unter charismatischen Christen ist. Selbstverständlich gibt es eine Praxis des für-sich-in-Zungen-Betens (und einige, die das Konzept der Zungenrede als „private Gebetssprache“ befürworten), doch Gebet ist, sofern es an Gott gerichtet ist, wesentlich kommunikativ. (Selbst, wenn jemand im Stillen in Zungen beten würde, wäre dies – sofern es Gebet ist – mitteilend.) Vor dem Hintergrund der Husserlschen Begrifflichkeiten stellt das Gebet in Zungen einen weiteren interessanten Grenzfall dar. Auf der einen Seite sind meine Gedanken gemäß der theologischen Grundannahmen des charismatischen Gebets Gott vollkommen gegenwärtig (ebenso wie Husserl meint, dass meine eigenen Gedanken mir selbst vollkommen gegenwärtig sind). In dieser Hinsicht könnte das Gebet in Zungen in eigenartiger Weise ein Beispiel von „reinem Ausdruck“ sein. Auf der anderen Seite bleibt sie allerdings stimmlich, wodurch sie mit Anzeichen „behaftet“ bleibt.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

277

märe Grund für das Wunder der Glossolalie darin bestand, das Evangelium in Begriffen zu bezeugen, die umstandslos von den Hörern empfangen und verstanden werden konnten. „Wie hören wir denn ein jeglicher seine Sprache, darin wir geboren sind?“ fragten die Hörer (Apg 2,8). Als Xenolalie ist Glossolalie eindeutig ein Fall von kommunikativer Sprache. Die Fälle, die in den Paulusbriefen an die Korinther angedeutet werden, sind ein wenig komplizierter. Einerseits scheint Paulus die Korinther für eine Praxis der Zungenrede zu rügen, die keine Bedeutung im eigentlichen Sinn kommuniziert: „Es ist mancherlei Art der Sprache in der Welt, und nichts ist ohne Sprache“, beobachtet Paulus. „Wenn ich nun nicht weiß der Sprache Bedeutung, werde ich den nicht verstehen, der da redet, und der da redet, wird mich nicht verstehen.“ (1Kor 14,10 f.) Darum verlangt Paulus, dass die Zungenrede von Auslegung (bzw. Übersetzung 1Kor 14,13.27) begleitet wird. Somit ist der Zweck der Zungenrede hier kommunikativ, weshalb sie in diesem Fall wiederum auf Husserls Schema abgebildet werden kann. Andererseits gibt es in dieser Korinther-Korrespondenz auch Andeutungen für ein anderes Verständnis von Zungenrede, wonach diese nicht als primär kommunikativ, sondern als Zeugnis aufgefasst wird, das im eigentlichen Sinne betrachtet nicht „intentional“ ist, aber nicht weniger ausdrücklich. Erstens legt Paulus nahe, dass „wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er […] Geheimnisse […] Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst.“ (1Kor 14,2.4) Hier deutet Paulus eine Art privaten Gebrauch von Zungenrede an, die nicht notwendigerweise mit existierenden natürlichen Sprachen verbunden, sondern in gewisser Hinsicht mit ekstatischer religiöser Rede verwandt ist.19 In diesem Fall geht es bei der Zungenrede scheinbar nicht primär um Mitteilen. Zweitens sagt Paulus später im Brief, sind „Zungen […] zum Zeichen“ (1Kor 14,22) in derselben Weise, wie die „Zeichen und Wunder“ der Apostel ein Zeugnis der göttlichen Autorität ihrer Botschaft waren. In diesem Fall verfolgen wunderhafte Phänomene, wie etwa Zungenrede, nicht lediglich (oder gar primär) das vorletzte Ziel, irgendetwas zu kommunizieren (oder eine Person zu heilen), sondern das letztendliche Ziel, die Gegenwart und das Handeln des Geistes innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen anzuzeigen. In der Tat ist die Kategorie der „Zeichen und Wunder“ für unsere semiotische Diskussion erhellend: Sowohl in den Evangelien als auch in der Apostelgeschichte werden die wunderhaften Werke Jesu und der Apostel – in der Regel körperliche Heilungen – durchweg als Zeichen beschrieben.20 Die „Zeichen und Wunder“ waren ein Modus der 19 In der charismatischen Rechtfertigung dieser Praxis wird diese oftmals (und wie ich meine zu Unrecht) mit Paulus’ hyperbolischer Rede von „Engelzungen“ verbunden, die zuvor im Brief begegnet (1Kor 13,1). 20 Das ist ein zentrales Thema des Johannesevangeliums, s. Joh 2,11; 3,2; 4,54; 6,2 – 30; 7,31; 9,16; 10,41; 11,47; 12,18; 20,30. In Joh 9 wirken diese Zeichen in Jesu Abwesenheit, der im Großteil der Erzählung abwesend ist und nur in den eröffnenden und abschließenden „Szenen“ auftritt. Er

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

278

James K.A. Smith

Bezeugung, bei dem es weniger darum ging, eine „Idee“ aus dem Bewusstsein „desjenigen, der sie äußert“ zu kommunizieren, in dem aber nichtsdestoweniger etwas ausgedrückt wurde – und zwar die Macht und Gnade des Gottes Jesu Christi, der im Evangelium bezeugt wird. Darum fungierten die Zeichen als Ausdrucksweise ohne mit einer Art autorenhafter Absicht verknüpft zu sein. Mir scheint, dass der Fall Zungenrede als Zeichen genauso operiert und Husserls ordentliche Unterscheidungen destabilisiert. Im Falle der Zungenrede als ekstatischer Äußerung (möglicherweise ohne Auslegung), „sagt“ die Tatsache dieser Art von Äußerung trotzdem etwas, obwohl sie nicht „mitteilt“, weil sie keine erkennbare Sprache ist – sie bezeugt eine göttliche Wirklichkeit (z. B. die Gegenwart des Geistes in der Gemeinschaft). In dieser Hinsicht könnten wir sagen, dass Zungenrede eine Art Rede ist, die als Geste fungiert, allerdings die Art von Geste, die Husserls Ausschluss der Gesten aus dem Bereich des Ausdrucks infrage stellt.21 Glossolalie (hier als ekstatische religiöse Rede verstanden) ist sozusagen eine Redeweise, die keine Worte (im Sinne Husserls) einsetzt, aber nichtsdestoweniger als Ausdruck fungiert. Wenn das Phänomen der Zungenrede die Grenzen des Husserlschen phänomenologischen Schemas anzeigt, könnte es uns auch auf einen anderen Modus der linguistischen Analyse verweisen. Ich werde später vorschlagen, dass ein Konzept von „Sprechakten“ uns einige konzeptuelle Werkzeuge bietet, um das von der Zungenrede in diesen Fällen verrichtete Werk zu betrachten, so dass die Sprechakttheorie als eine Art Ergänzung zu Husserls phänomenologischer Semiotik betrachtet werden könnte. Es verbleibt noch ein weiterer Modus der aktuellen Praxis der Zungenrede, den ich noch nicht in Betracht gezogen habe. Ich habe mich oben größtenteils auf das öffentliche Ausüben der Zungenrede im Rahmen der kirchlichen Versammlung konzentriert. Doch in der aktuellen Praxis wenden viele charismatische Christen die Zungenrede im privaten Gebet (als „Gebetssprache“) an. Über das Zitieren von 1Kor 14 hinaus, rekurriert diese Praxis oft auf eine Lesart vom Werk des Geistes, das in Röm 8 berichtet wird. Darin, so stellt Paulus fest, „hilft der Geist unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.“ (Röm 8,26). Dies ist eine Gebetspraxis, in der die Christin „in Zungen betet“, wenn ihr die Worte fehlen, ihre Sehnsüchte, Ängste oder Wünsche richtig auszudrücken. Diese Praxis ist zutiefst behauptet allerdings, dass das Wunder, das die Sehkraft des Blinden geheilt hat, vollbracht wurde, auf dass „die Werke Gottes offenbar werden an ihm“ (Joh 9,3). 21 Es ist interessant zu bemerken, dass einige sogar eine Art gestischer Zungen bezeugt haben, bzw. etwas, das bisweilen als händische Glossolalie beschrieben wird, bei welcher der Äußernde in Handzeichen „spricht“. Zu einer Diskussion s. Smith, James K. A.: Glossolalia, Manual. In: Burgess, Stanley M.; van der Maas, Eduard M. (Hg.): The New International Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. erw. u. überarb. Aufl. Grand Rapids, MI: Zondervan, 2002, S. 677 – 678.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

279

kathartisch und stellt eine Art geistliche Disziplin dar. Innerhalb des Husserlschen Schemas, das wir entfaltet haben, könnte man vorbringen, dass eine solche Praxis insofern kommunikativ ist, als dass das Gebet an Gott als „Hörer“ gerichtet ist. Doch die Vokalisierung ist nicht nötig, damit ein Gebet erhört wird. Daher würde ich vorschlagen, dass eine solche Praxis ein Beispiel ist, das zu der Randkategorie gehört, die durch Husserls Unterscheidungen erzeugt wird; soll heißen, dass diese Praxis ein Beispiel für nicht-ausdrückende Rede wäre. Hermeneutik (Wer also in Zungen redet, der bete, dass er’s auch auslegen könne – 1Kor 14,13)

Was als Hermeneutik – oder spezifischer als philosophische Hermeneutik bzw. hermeneutische Philosophie – bekannt ist, geht aus der phänomenologischen Tradition durch Husserls wichtigsten Schüler, Martin Heidegger, und einem Schüler Heideggers, Hans-Georg Gadamer, hervor.22 Die von diesen beiden maßgeblich geprägte hermeneutische Tradition ist eine der bedeutendsten Entwicklungen in der Sprachphilosophie des letzten Jahrhunderts gewesen (wenn nicht gar die bedeutendste). Ihren Einfluss spürt man vielleicht am deutlichsten, wenn in den Blick genommen wird, was sich unter der Bezeichnung „linguistic turn“ bzw. „sprachkritische Wende“ eingebürgert hat: die starke Behauptung (und mittlerweile allgemeingültige Position), dass unser In-der-Welt-sein grundlegend durch die Sprache oder zumindest durch einen interpretativen Modus konstituiert ist.23 Mit anderen Worten: Es gibt keinen naiven, einfachen, reinen „Zugang“ zur „Art und Weise, wie die Dinge sind“, der unabhängig von einem gewissen Deuten [construing] der Welt durch eine Art semiotische Linse wäre (obwohl die Rede von einer „Linse“ immer noch fälschlich suggeriert, dass diese dem Menschsein extrinsisch ist).24 Dies wurde zuerst von Heidegger herausgearbeitet, der beobachtete, dass wir als auslegende Geschöpfe in der Welt wohnen. Wir begegnen den 22 Paul Ricoeur ist hier eine weitere wichtige Figur, auf seine Arbeiten werde ich im vorliegenden Aufsatz jedoch nicht zurückgreifen. Eine hilfreiche Einführung in die Hermeneutik findet sich in den beiden neueren Arbeiten: Grondin, Jean: Einführung in die philosophische Hermeneutik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1991 (Die Philosophie) und Zimmermann, Jens: Theologische Hermeneutik: Ein trinitarisch-christologischer Entwurf. Freiburg: Herder, 2008. 23 S. Rorty, Richard: The Linguistic Turn. Chicago, IL: University of Chicago Press, 1992 und Rorty, Richard: Der Spiegel der Natur. 1. Aufl. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1981. 24 Dies geht abermals auf Derridas Kritik an Husserl in Die Stimme und das Phänomen zurück: In den Logischen Untersuchungen behauptet Husserl einen Bereich reinen, unbedingten Bewusstseins; die Pointe von Derridas Kritik besteht gerade darin, zu sagen, dass Zeichen radikaler zu verstehen sind: Bewusstsein, so könnte man es formulieren, ist semiotisch bedingt. Es ist weder ein „unbeschriebenes Blatt“ noch ein reiner Zugang.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

280

James K.A. Smith

Dingen in der Welt nicht als Dinge „an sich“, sondern als Dinge, die wir gebrauchen, als Dinge „für“ etwas. Weil Seiendes in der Welt als Ding „für“ etwas begegnet, begegnen wir ihnen auch immer „als“ etwas. Das ist so etwas wie das Grundaxiom der Hermeneutik: die als-Struktur unseres In-der-Weltseins.25 Unsere Deutung der Welt als Etwas ist durch die Welt bzw. Umwelt, in der wir wohnen, (in-)formiert, insofern die Umwelt den Horizont konstituiert, innerhalb dessen diese Deutungen stattfinden. „Die Auslegung von Etwas als Etwas“ bemerkt Heidegger, „wird wesenhaft durch Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff fundiert. Auslegung ist nie ein voraussetzungsloses Erfassen eines Vorgegebenen.“26 Die Welt, in der ich immer schon wohne, konstituiert den Horizont der Möglichkeiten meines Verstehens und meiner Deutung der Welt. Heidegger, und nach ihm Gadamer, haben den hermeneutischen Charakter der Existenz begründet: dass wir mit der Welt von einer Reihe Voraussetzungen (oder Vorhabe) aus in Beziehung treten, die uns in gewisser Weise hin zur Welt orientieren. Beide waren hervorragende Philosophen der Endlichkeit, die die Situationsbezogenheit unseres Wissens erkannten.27 Ein weiteres verwandtes Zentralthema der Hermeneutik ist die Rolle der Tradition in der Konstitution dieser Welt: Die Umwelt, welche die Bedingungen der Möglichkeit für das Verstehen der Welt bereitstellt, wird mir von der Tradition (sprachliche, kulturelle, religiöse Tradition usw.) überliefert. Anstatt also ahistorische, körperlose Egos zu sein, die der Welt als „unbeschriebenes Blatt“ begegnen, komme ich traditioniert zur bzw. in die Welt – d. h. der Tradition (bzw. der Pluralität von Traditionen) verpflichtet, die mich vorbereitet, der Welt mit bestimmten Deutungsmustern zu begegnen.28 Selbst jene Gemeinschaften, die Traditionen vermeiden (etwa „primitivistische“ pfingstlich/charismatische Gemeinschaften) haben eine Tradition, die Tradition abzulehnen (genau wie dies bei dem Vorurteil der Aufklärung gegen die Vorurteile der Fall ist, wie Gadamer andeutet29). Schließlich behauptet die Hermeneutik, zusätzlich zur Situationalität und Traditionalität des menschlichen In-der-Welt-seins (das, was Heidegger die Ausgelegtheit des Daseins nannte30), die Ubiquität der Auslegung. Auslegung

25 S. Heidegger, Martin: Sein und Zeit. Tübingen: M. Niemeyer, 1927, S. 149 – 151. Ich habe Heideggers Theorie der Hermeneutik detaillierter aufgearbeitet in Smith, James K. A.: The Fall of Interpretation: Philosophical Foundations for a Creational Hermeneutic. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2000, S. 87 – 113. 26 Heidegger : Sein und Zeit, S. 150. 27 S. z. B. Gadamer, Hans-Georg: Wahrheit und Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. 4., unveränd. Nachdruck d. 3. erw. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck, 1975, S. 258 – 295. 28 S. Ebd., S. 260 – 269. 29 Ebd., S. 255 – 258. 30 Heidegger, Martin: Anhang III: Phänomenologische Interpretation zu Aristoteles (Anzeige der hermeneutischen Situation), Ausarbeitung für die Marbuger und Göttinger Fakultät (Herbst 1922). In: Neumann, Günther (Hg.): Gesamtausgabe, Bd. 62: Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zur Ontologie und Logik: Ausarbeitung für

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

281

ist keine spezialisierte Beschäftigung, die wir aufnehmen, wenn wir Texte lesen, juristische Abhandlungen analysieren oder ein Kunstwerk betrachten. Auslegung steht synonym für In-der-Welt-sein. „Erfahrung“ ist deutend. Als solche ist Auslegung ein fundamentaler, vortheoretischer Aspekt des menschlichen Seins. „Der ursprüngliche Vollzug der Auslegung liegt nicht in einem theoretischen Aussagesatz, sondern im umsichtig-besorgenden [Weglegen bzw. Wechseln des ungeeigneten Werkzeugs. …] Aus dem Fehlen der Worte darf nicht auf das Fehlen der Auslegung geschlossen werden.“31 Menschsein bedeutet auszulegen; die Welt zu erfahren bedeutet, die Welt zu auszulegen.32 Hermeneutik steht in einer komplexen Beziehung zur Sprachphilosophie. Auf der einen Seite greift sie eindeutig auf bestimmte Sprachkonzepte zurück, weil Auslegung seit je her mit sprachlichen Phänomenen (geschriebenen oder gesprochenen) verbunden ist. Auf der anderen Seite versucht die Hermeneutik unser Verständnis der Auslegung über den Bereich bloßer sprachlicher Phänomene (Bücher, Äußerungen, usw.) hinaus auf das gesamte Spektrum der Dinge, denen wir in der Welt begegnen, zu erweitern. Trotz dieser Erweiterung bleibt jedoch die Verbindung zur Sprache gegeben, sofern die Hermeneutik infolgedessen dazu neigt, die Welt als eine Art Makrokontext zu betrachten.33 In welcher Weise könnte die Hermeneutik nun ein Bezugssystem bieten, um über Glossolalie nachzudenken? Die Beziehung zwischen Interpretation und Zungenrede ist faszinierend. Auf der einen Seite ist die Glossolalie, selbst im neutestamentlichen Zeugnis, mit der Frage der Auslegung verbunden. Paulus’ Ausführungen zu diesem Thema stellen ein reichhaltiges Feld für die hermeneutische Reflexion dar, zumal die Hermeneutik ein ausgeprägtes Interesse am Verstehen hat: [W]er in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht [oder hört] ihn, vielmehr redet er im Geist von Geheimnissen. Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung. Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde. Ich wollte, dass ihr alle in Zungen reden könntet; aber noch viel mehr, dass ihr prophetisch reden könntet. Denn wer prophetisch redet, ist größer als der, der in Zungen redet; es sei denn, er legt es auch aus, damit die Gemeinde dadurch erbaut werde. Nun aber, liebe Brüder, wenn ich zu euch käme und redete in Zungen, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht mit euch redete in die Marburger und die Göttinger Philosophische Fakultät (1922). Frankfurt am Main: Klostermann, 2005, S. 343 – 400, hier S. 355. 31 Heidegger : Sein und Zeit, S. 157. 32 Zu einer ausführlicheren Betrachtung dieser Kernthemen der Hermeneutik, s. Smith: The Fall of Interpretation, S. 149 – 159. 33 Dieser letzte Schritt ist für die Hermeneutik zwar nicht wesentlich, gewöhnlich jedoch mit ihr verbunden.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

282

James K.A. Smith

Worten der Offenbarung oder der Erkenntnis oder der Prophetie oder der Lehre? Verhält sich’s doch auch so mit leblosen Dingen, die Töne hervorbringen, es sei eine Flöte oder eine Harfe: wenn sie nicht unterschiedliche Töne von sich geben, wie kann man erkennen, was auf der Flöte oder auf der Harfe gespielt wird? […] So auch ihr : wenn ihr in Zungen redet und nicht mit deutlichen Worten, wie kann man wissen, was gemeint ist? Ihr werdet in den Wind reden. Es gibt so viele Arten von Sprache in der Welt und nichts ist ohne Sprache. Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, werde ich den nicht verstehen, der redet, und der redet, wird mich nicht verstehen. […] Wer also in Zungen redet, der bete, dass er’s auch auslegen könne. (1Kor 14,2 – 13) [Auslassungen und Hinzufügung J. S.]

Zungen sind in diesem Exkurs notwendig mit Auslegung verknüpft. Die primäre Sorge gilt hier dem Verstehen – eine durch die Äußerung vermittelte Verbindung zwischen demjenigen, der sich äußert, und dem Hörer, welche die Auslegung der Äußerung in Begriffen verlangt, die vom Hörer empfangen werden können.34 Im Hinblick auf Zungen als kommunikative Rede (um auf eine Husserlsche Kategorie zurückzugreifen), ist das telos einer solchen Rede das Verstehen, das erfordert, dass die Äußerung durch Strukturen der Auslegung vermittelt wird. In dieser Hinsicht lässt Paulus’ Anliegen, dass die Zungenreden auf ein Verstehen zielen soll, und seine Erkenntnis, dass dies Auslegung erfordert, seine Ausführungen zu einer Art Proto-Hermeneutik werden. Sein Bejahen des übernatürlichen Handelns des Geistes in der kirchlichen Gemeinschaft hat ihn nicht dazu geführt, eine Art magischen (oder gnostischen) Zugang zu geheimem Wissen zu postulieren. Vielmehr heben seine Ausführungen die Weise hervor, in der selbst das Wunderhafte nach den Bedingungen der Endlichkeit wirkt, welche die menschliche Gemeinschaft charakterisieren – selbst jene besondere Gemeinschaft des Geistes, welche die ekkle¯sia ist.35 Auf der anderen Seite begegnet in der aktuellen charismatischen Praxis und dem Verständnis charismatischer Christen allerdings häufig eine Auffassung, derzufolge Zungen (und prophetische Rede) unmittelbare Beschickungen des Göttlichen sind, die jegliche Mediation und Übersetzung ausschließen. Mit anderen Worten: in der landläufigen Vorstellung wird Glossolalie häufig als ein vollkommen unvermittelter, göttlich gegebener, ekstatischer Diskurs betrachtet, der die Bedingungen der Interpretation umgeht – eine Art reiner Leitungskanal, der von Gott ausgeht, ohne die statische oder vermutete Ver34 Es ist nicht illegitim zu sagen, dass alle Interpretation eine Art Übersetzung konstituiert, wobei eine Äußerung, eine Aussage oder ein Text in solche Termini „übersetzt“ werden, die vom endlichen Hörer oder Leser „empfangen“ werden können, und somit das ermöglicht, was Gadamer das „Wunder des Verstehens“ nennt (Gadamer : Wahrheit und Methode, S. 276). Eine weiterführende Untersuchung über die Bedingungen des Empfangens durch endliche Ausleger, s. Smith: The Fall of Interpretation, S. 153 – 176. 35 In Speech and Theology vertrete ich die These, dass dieser Modus göttlicher Akkomodation an die Endlichkeit par excellence in der Inkarnation exemplifiziert wird, und dass dies das Modell für alle Modi der Offenbarung und Kommunikation bietet.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

283

zerrung durch semiotische Vermittlung.36 Eine Würdigung der Ergebnisse der Hermeneutik muss solche Behauptungen abschwächen: Offenbarung ist niemals unvermittelt. Gegenteilige Auffassungen würden eine Art NeoGnostizismus bedeuten, den Paulus anhand der in 1Kor 14 erwähnten hermeneutischen Bedingungen entschieden ablehnt. Es gibt aber meines Erachtens noch eine weitere hermeneutische Fragerichtung, die für das Thema Zungenrede relevant ist. Zentral für die hermeneutische Philosophie ist die Würdigung der Art und Weise, wie unsere Umwelt und Tradition die Bedingungen der Möglichkeiten unserer Interpretationsweise bieten – sie begründen den Horizont unserer als-Deutungen. Das ist nicht als Beschränkung oder als Behinderung zu verstehen, sondern als die Bedingung der Möglichkeit, eine Erfahrungswelt zu eröffnen. Als solche bedingen unsere Voraussetzungen oder unsere „Vorhabe“, die wir in unsere Erfahrungen hineintragen, allerdings unser in-Beziehung-treten mit der Welt. Mir scheint, dass eine Gemeinschaft, die für die Möglichkeit authentischer Zungenrede offen ist – sowohl als Stimme des Geistes, als auch als Zeichen für Gottes Gegenwart – eine bestimmte Reihe von Voraussetzungen mitbringt, die es ermöglichen, die Erfahrungswelt auf eine bestimmte Art zu eröffnen. Anders formuliert, die Rolle, welche die Zungenrede in einer Gemeinschaft einnimmt, schiene dann notwendigerweise mit einer „Weltanschauung“ verbunden zu sein, die einen reduktionistischen Naturalismus vermeiden und der Welt als einer Art „offenes System“ begegnen würde – als einem Ort für das Hereinbrechen des Göttlichen.37 Dies schiene dann zu implizieren, dass die Art, wie die charismatische Gemeinschaft in ihrer Welt wohnt, sich von der anderer unterscheidet. Ich hoffe, die Natur dieser Differenz im letzten Teil des Abschnitts zu erkunden. Sprechakttheorie (Lasst es alles geschehen zur Erbauung – 1Kor 14,26)

Die für eine Reflexion der Glossolalie wohl fruchtbarste Entwicklung innerhalb der Sprachphilosophie ist die Sprechakttheorie, die von J. L. Austin und John Searle entwickelt worden ist.38 Dieses Werk geht aus den bahnbrechenden 36 Zugegebenermaßen tendieren diejenigen, die diese Art von Zungenauffassung haben, dazu, in gleicher Weise von der Bibel zu denken – trotz der offensichtlicher Textualität und dem offensichtlichem semiotischen Charakter der Bibel. Zu einer Kritik eines solchen Unmittelbarkeitsmodells der Interpretation, s. Smith: The Fall of Interpretation, S. 37 – 60. 37 Zu frühen Vorschlägen, die aus der pfingstlichen Tradition heraus auf dieser Linie argumentieren, s. Ervin, Howard M.: Hermeneutics: A Pentecostal Option. In: Pneuma 3, Nr. 2 (1981), S. 11 – 25. 38 S. Austin, John L.: Zur Theorie der Sprechakte. Stuttgart: Reclam, 1976 (Universal-Bibliothek 9396); Searle, John R.: Sprechakte: Ein Sprachphilosophischer Essay. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1983 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 458) und Searle, John R.: Ausdruck

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

284

James K.A. Smith

Theorien des späten Wittgenstein (den Philosophischen Untersuchungen) hervor.39 Seine eigene frühere Darstellung der Sprache als eine Art gegenständliches „Bild“ der Welt (vom Tractatus) ablehnend, begann Wittgenstein anzuerkennen, dass es in der Sprache nicht immer – und möglicherweise noch nicht einmal primär – um „Bezugnahme“ oder Darstellung einer Sachlage geht. Vielmehr ist Sprache ein Mittel der Handlung: Wenn Worte in unterschiedlichen Weisen gebraucht werden, tun sie unterschiedliche Dinge. Ein Satz oder eine Äußerung kann „Dinge bewirken“ bzw. „Dinge geschehen lassen“ – und derselbe Satz oder dieselbe Äußerung kann andere Dinge geschehen lassen, wenn sich der Kontext ändert (oder die „Regeln des [Sprach-] Spiels“).40 Es ist dieses Verbindungsglied zwischen Sprache und Handlung, das für die Sprechakttheorie von Austin und Searle charakteristisch ist. In Searles Formulierung, ist „eine Sprachtheorie […] Teil einer Handlungstheorie, und zwar einfach deshalb, weil Sprechen eine regelgeleitete Form von Verhalten ist“.41 Ein hilfreicher Baustein der Sprechakttheorie ist folglich ihre Würdigung der Sprache als soziales Phänomen, das von Regeln geleitet wird, die von einer Gemeinschaft festgelegt werden. Als solche erkennt die Sprechakttheorie die konventionale Natur des Sprachgebrauchs. Es ist die soziale Gemeinschaft, welche die Regeln des „Sprachspiels“ festgelegt.42 Austins Entfaltung der Sprechakte betont die performative Natur der Äußerungen. Äußerungen haben eine größere Ähnlichkeit mit dramatischen Aussagen auf einer Bühne als mit abstrakten Punkten in der Geometrie; soll heißen: Sprecher sind Akteure, die sprechen, um etwas geschehen zu lassen. Und was ihr Sprechen für sie tun soll, besteht nicht immer darin, Gedanken auszudrücken (wie Husserl zu denken scheint); sondern wir sprechen manchmal, um etwas geschehen zu lassen bzw. eine Sachlage zu bewirken. Wenn ich zu meiner Frau „Ich liebe dich“ sage, besteht die primäre Motivation meiner Äußerung meistens nicht darin, ein Stück Wissen zu kommunizieren, sondern die Aussage ist ein Zeugnis, das Trost oder Intimität bewirken soll. Wenn ich in solchen Kontexten „Ich liebe dich“ sage, dann ist meine Äußerung

39 40

41 42

und Bedeutung: Untersuchungen zur Sprechakttheorie. [Nachdr.] 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1998 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 349). Ein hilfreicher und zugänglicher Überblick zur Entstehung der Sprechakttheorie, s. Vanhoozer, Kevin J.: Is There a Meaning in This Text? The Bible, the Reader, and the Morality of Literary Knowledge. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1998, S. 207 – 214. In der Sprechakttheorie zeichnet sich die Tendenz ab, den Satz (und nicht das Wort) als elementarste Einheit der Sprache zu betrachten. (Sprechakttheoretiker kritisieren an der Semiotik, dass diese das Wort als Grundelement betrachtet und es somit verkenne.) Ich werde in der kurzen Analyse weiter unten vorschlagen, dass die Zungenrede eine Gelegenheit sein sollte, diese Aufwertung des Satzes als die Einheit der Sprache, welche Dinge sozusagen „tut“, infrage zu stellen. Searle: Sprechakte, S. 31. Zu „Sprachspielen“ s. Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1963.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

285

nicht der Ausdruck einer Idee; sie ist dazu intendiert etwas anderes zu tun. In dieser Hinsicht könnten wir sagen, dass das Bild, das wir von Husserls Semiotik bekommen, dazu neigt, eher rationalistisch zu sein, d. h. es neigt dazu, reduktionistisch zu sein, weil es lediglich die Vorstellung enthält, dass die Sprache ein Gedankenkanal ist. Die Sprechakttheorie operiert im Gegensatz dazu mit einem reichhaltigeren Verständnis von Sprache und Rede, das anerkennt, dass Sprache mehr tut bzw. verrichtet, als lediglich Ideen von einem Verstand zum anderen zu befördern. In dieser Hinsicht und angesichts ihrer Würdigung von Gemeinschaft, scheint mir die Sprechakttheorie eher mit einer an der Inkarnation orientierten Ontologie und Anthropologie im Einklang zu stehen, die menschliche Wesen als vielseitige Geschöpfe – und nicht bloß als quasi-kartesische „denkende Dinge“ – begreift.43 Und dies steht mit den Elementen einer pfingstlichen Weltanschauung im Einklang, die den Reduktionismus des Rationalismus meidet und die vielseitigen Aspekte gemeinschaftlicher Leiblichkeit bzw. Verkörperung bejaht.44 Mit anderen Worten: Ich denke, dass die besondere pfingstliche Betonung einer affektiven Epistemologie und einer Bejahung der Körperlichkeit (wie sie in der Hervorhebung der physischen Heilung und eines körperbetonten Gottesdienstes, einschließlich der Zungen beobachtbar ist) pfingstlich/charismatische Theoretiker dazu bringen sollte, einen nützlichen Verbündeten in der Sprechakttheorie zu finden, insofern diese die vielseitigen, körperbetonten, gemeinschaftlichen und performativen Sprachelemente erkannt hat.45 Die Sprechakttheorie bietet demnach eine Darstellung dessen, was die Sprache tut. Genauer gesagt, Austin und Searle unterscheiden drei verschiedene Akte:46 (1) der lokutionäre Akt, der die vokale Äußerung von Phonemen und/oder Sätzen einschließt; (2) der illokutionäre Akt, der das bezeichnet, was jemand in seiner 43 Aus Platzgründen kann das hier nicht in aller Ausführlichkeit entfaltet werden; mehr zu einer an der Inkarnation orientierten Ontologie und Anthropologie findet sich in Smith, James K. A.: Introducing Radical Orthodoxy : Mapping a Post-Secular Theology. Grand Rapids, MI: Baker, 2004, Kap. 6. 44 In Smith, James K. A.: What Hath Cambridge to Do with Azusa Street? Radical Orthodoxy and Pentecostal Theology in Conversation. In: Pneuma 25, Nr. 1 (2003), S. 97 – 114, habe ich vorgeschlagen, dass zu den Kernelementen einer pfingstlichen „Weltanschauung“ eine affektive Epistemologie gehört, die dem Rationalismus (der menschliche Geschöpfe auf denkende Dinge reduziert) widersteht, der die Philosophiegeschichte von Platon bis Husserl beherrscht hat. In diesem Sinne sollten pfingstliche Philosophen ein besonderes Interesse daran haben, jenen Gegenstimmen – Augustinus, Bonaventura, Thomas von Aquin, Edwards, Kierkegaard – wieder Gehör zu verschaffen, die ebenfalls durch die Tradition hindurch einem solchen Rationalismus widerstanden haben. 45 Auch andere haben im Rückgriff auf die Sprechakttheorie charismatische Themen und Gemeinschaften behandelt. S. z. B. Wenk, Matthias: Community Forming Power : The SocioEthical Role of the Spirit in Luke Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 19) und Yong, Amos: The Truth of Tongues Speech: A Rejoinder to Frank Macchia. In: Journal of Pentecostal Theology 13, Nr. 2 (1998), S. 107 – 115. 46 Searle merkt allerdings an, dass er Austins Unterscheidung zwischen lokutionären und illokutionären Akten nicht akzeptiert, s. Searle: Sprechakte, S. 40, Anm. 1.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

286

James K.A. Smith

Äußerung „geschehen lassen“ will (z. B. versprechen, befehlen, behaupten usw.); und (3) der perlokutionäre Akt, der sich auf die Wirkung der Äußerung (und des illokutionären Aktes) auf den/die Hörer bezieht.47 Diese Akte können sich oftmals im selben Sprechakt überlagern. Wenn ich beispielsweise meine Lippen und meine Zunge bewege, um gegenüber meinen Sohn das Phonem „Stopp!“ zu äußern, äußere ich in diesem Ausruf ein Wort (ein lokutionärer Akt), ich gebe einen Befehl (ein illokutionärer Akt) und bewirke (hoffentlich) eine Änderung im Verhalten meines Sohnes (ein perlokutionärer Akt). Es besteht aber keine notwendige Identität zwischen diesen dreien. Dieselbe phonemische Äußerung (z. B. „Sam raucht gewohnheitsmäßig“) kann in der Tat unterschiedlichen illoktionäre Akte darstellen, je nach Haltung des Sprechers. Wenn ich beispielsweise meine Stimme am Ende der Äußerung hebe, dann wird der illokutionäre Akt eine Frage sein: „Sam raucht gewohnheitsmäßig?“. Andernfalls ist der illokutionäre Akt eine Feststellung „ Sam raucht gewohnheitsmäßig.“48 Darüber hinaus bemerkt Searle, „daß man einen Äußerungsakt vollziehen kann, ohne überhaupt einen propositionalen oder illokutionären Akt auszuführen. (Man kann Worte äußern, ohne etwas zu sagen.)“.49 Nicht jeder Laut aus einem menschlichen Mund ist ein Sprechakt. Es ist wichtig, hierbei zu beachten, dass der perlokutionäre Effekt eines Sprechaktes auch gänzlich losgelöst vom propositionalen Inhalt einer Äußerung sein kann. Was durch einen lokutionären Akt „geschieht“ ist nicht notwendigerweise mit dem, was „gesagt“ wird, verbunden. Searle bietet ein interessantes Beispiel: Nehmen wir einmal an, ich sei ein amerikanischer Soldat im Zweiten Weltkrieg und von italienischen Truppen gefangen genommen worden. Und nehmen wir außerdem an, dass ich diese Truppen glauben machen möchte, ich sei ein deutscher Soldat, damit sie mich freilassen. Ich würde ihnen also gern auf Deutsch oder Italienisch sagen, daß ich ein deutscher Soldat bin. Aber nehmen wir einmal an, dass ich dafür nicht genügend Deutsch oder Italienisch kann. Also versuche ich ihnen vorzuspielen, ich würde ihnen sagen, daß ich ein deutscher Soldat sei, und zwar dadurch, daß ich das bißchen Deutsch vortrage, das ich kenne, in der Hoffnung, daß sie nicht genü47 Für diese dreifache Unterscheidung, s. ebd., S. 38 – 43 und Austin: Zur Theorie der Sprechakte, Vorlesungen 8 – 10. 48 Searle: Sprechakte, S. 41 f. 49 Ebd., S. 41. Weiter unten werde ich die Frage stellen, ob es legitim für Searle ist, Sprechakte so auf etwas sagen zu begrenzen, wie er es hier zu tun scheint. Könnte es nicht sein, dass Rede, sofern sie performativ ist – sofern sie also Dinge tut – Dinge tut, die über das Sagen hinausgehen? Freilich denke auch ich, dass wir Sprechakte nach wie vor von einer bloßen Geräuscherzeugung unterscheiden müssen; ich denke nur, dass diese Unterscheidung schwerer zu treffen ist, und dass vieles, was wie ein Geräusch erscheinen könnte (aufgrund der Bevorzugung des Satzes durch die Sprechakttheorie) als Sprechakt gelten könnte. Sofern die Sprechakttheorie aber daran interessiert ist, Geräusch von Sprechakten zu unterscheiden, könnte sie ein hilfreiches kritisches Bezugssystem bieten, um die authentische Praxis der Glossolalie für die kirchliche Gemeinschaft zu begründen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

287

gend Deutsch können, um meinen Plan zu durchschauen. Nehmen wir an, ich erinnere mich nur an eine Zeile eines deutschen Gedichts, das ich im Deutschunterricht auf der höheren Schule auswendig lernen musste. Also rede ich, ein gefangener Amerikaner, die Italiener, die mich gefangen genommen haben, mit den folgenden Worten an: „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?“50

Wie Searle bemerkt, habe ich, wenn ich Kennst du das Land … sage, nicht die Intention, den Hörer zu fragen, ob er das Land kennt, „wo die Zitronen blühn“; sondern meine Absicht ist es, etwas im Hörer zu bewirken, und zwar die Überzeugung, dass ich ein deutscher Soldat bin. Der Inhalt meines Äußerungsaktes ist in diesem Fall für den beabsichtigten perlokutionären Effekt völlig irrelevant. Was in Wirklichkeit viel wichtiger werden wird sind die gutturalen Aspekte der konkreten Phoneme, die ich äußere, was ich zweifellos mit allem germanischem Enthusiasmus tun werde, den ich aufbringen kann. Die Sprechakttheorie bietet eine einzigartige Darstellung der Art und Weise, wie Sprache wirkt – oder spezifischer formuliert, der Tatsache, dass die Sprache ein Handlungsbereich ist, der sehr wohl über den engen Aufgabenbereich der Übermittlung von Ideen von einem Verstand zum anderen hinaus wirkt. Als solche wird sie der mannigfaltigen Weise gerecht, in der die Sprache innerhalb unterschiedlicher Kontexte und im Dienst unterschiedlicher Interessen funktioniert. Wie Kevin Vanhoozer resümiert: „Jeder Lebensbereich, in dem Sprache verwendet wird, entwickelt seine je eigenen relativ stabilen Verwendungstypen.“51 Wie kann die Sprechakttheorie nun dazu dienen, eine Erörterung der Zungenrede zu erhellen? Um dies zu betrachten, möchte ich Xenolalie ausklammern, da Zungenrede, die eindeutig die Äußerung einer bekannten Sprache einschließt (obgleich ohne vorherige Kenntnis des Äußernden), gemäß der existierenden Regeln der entsprechenden Sprache funktionieren würde und daher problemlos unter die herkömmlichen Sprechaktanalyse subsumiert werden könnte. Stattdessen möchte ich den „harten“ Fall der ekstatischen religiösen Rede in den Blick nehmen, die nicht als bekannte Sprache identifiziert werden kann und sich nicht an die Konventionen einer bestehenden Sprache hält.52 Um dies zu tun, möchte ich ein gewöhnliches Szenario gegenwärtiger charismatischer Gemeinschaften betrachten: Gebete, 50 Ebd., S. 70. 51 Vanhoozer : Is There a Meaning, S. 210. 52 Man beachte allerdings, dass sich selbst ekstatische Zungenrede nachweislich an eine bestimmte Art von Konvention bzw. Gewohnheit phonemischer Artikulation hält, s. Pattison, E. Mansell: Behavioral Science Research on the Nature of Glossolalia. In: Journal of the American Scientific Affiliation 20 (1968), S. 73 – 86. Wenn der Modus der Zungenrede als „ekstatisch“ bezeichnet wird, soll damit nicht abgestritten werden, dass sie konventionell ist, sondern lediglich, dass sie sich nicht an die Konventionen einer bestehenden, bekannten Sprache angleicht. In der Tat, wäre Zungenrede nicht in irgendeiner Weise konventionell, könnte sie nicht als Sprechakt gelten, da ein Sprechakt definitionsgemäß eine Äußerung ist, die (auf irgendeine Weise) regelgeleitet ist.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

288

James K.A. Smith

die durch Zungenrede während eines „Altarrufs“ geäußert werden. Dazu dient das folgende Beispiel: Am Ende eines Anbetungsgottesdienstes, der physische Heilung zum Thema hatte, lädt der Pastor die gesamte Gemeinde zu einer Gebetszeit im vorderen Bereich des Gottesdienstraums – „am Altar“ – ein. Diejenigen, die ein besonderes Anliegen der physischen Heilung haben, werden als erste eingeladen, zum Altar zu kommen, als eine Art Bekundung ihres Glaubens und ein Ersuchen um Heilung von Gott. Sodann werden andere in der Versammlung eingeladen, sich denjenigen, die vorne stehen, anzuschließen, einen Kreis um jeden einzelnen zu bilden, ihnen die Hände aufzulegen, sich nach dem speziellen Gebetsanliegen zu erkundigen und so mit ihnen für Heilung zu beten. Sieben Leute sind zum Altar gekommen um zu beten, und fünf oder sechs Männer und Frauen haben sich jeweils um sie versammelt, die nun für jeden Einzelnen Fürbitte leisten. In einigen Gruppen beginnen die Fürbittenden „in Zungen“ zu reden – in einer Art ekstatischer religiöser Rede, die keiner bekannten Sprache entspricht: „hack shukuna ash tuu kononai; mee upsukuna shill adonai“.53

Kann uns die Sprechakttheorie dabei helfen zu verstehen, was hier vorgeht? Ich denke ja. Die Frage, die wir stellen sollten, ist nicht „Was bedeutet dieses Gebet?“, sondern „Was tut dieses Gebet?“ Was ist die illokutionäre Haltung des Sprechers, und welchen perlokutionären Effekt hat es auf die Hörer, insbesondere auf die Heilung suchende Person? Die Intention des Gebets besteht weniger darin, etwas zu sagen, sondern etwas zu tun. Wir wollen zunächst die illokutionäre Haltung des Sprechers in Betracht ziehen. Was ist die Intention des Beters? Es lassen sich meines Erachtens mindestens zwei linguistische Akte andeuten, die eine solche Äußerung in diesem Kontext begleiten.54 Erstens ein illokutionärer Akt des Betens oder Anflehens:55 Die in Zungen betende Person tut in erster Linie und vor allem schlichtweg dies – beten, und zwar zu Gott beten; sie versucht daher einen Wunsch an Gott „in unaussprechlichen Seufzern“ (Röm 8,26, Elberfelder) auszudrücken. Solch ein Gebet ist nicht dazu intendiert einen propositionalen Inhalt zu kommunizieren, sondern stattdessen die Tiefe eines Verlangens, wenn wir „[nicht 53 Ich werde auch die normative theologische Erörterung der Frage ausklammern, ob eine solche Praxis durch das Neue Testament rechtfertigbar ist. 54 Der Kontext ist ein wesentlicher Aspekt der Sprechakttheorie; was ein Sprechakt tut oder bewirkt verschiebt sich je nach Kontext. Dasselbe gilt für die Äußerung der phonetischen Sequenz „hack shukuna ash tuu kononai; mee upsukuna shill adonai“. Tatsächlich könnte es sein, dass diese phonetische Sequenz im sakramentalen Kontext des Gebetsgottesdienstes als Sprechakt „zählt“, dies jedoch nicht der Fall wäre, wenn etwas Ähnliches von einem Kleinkind geäußert würde. (Allerdings ist nicht einmal letzteres unbestreitbar, da – wie Augustinus im ersten Buch seiner Bekenntnisse nahelegt – die unkenntlichen phonemischen Sequenzen und Seufzer eines Säuglings dazu bestimmt sind, perlokutionäre Effekte zu haben (die Beschaffung einer Flasche, das Zurückerlangen eines Spielzeugs etc,). 55 Unter den illokutionären Akten, die Searle als Beispiele anführt, sind die Begriffe „fragen“ und „ersuchen“ (Searle: Sprechakte, S. 40). Das Gebet ist eindeutig eine Form des Fragens (wenn nicht gar des Ersuchens).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

289

wissen,] was wir beten sollen, wie es sich gebührt“ (Röm 8,26). Solch ein glossolalisches Gebet drückt eine tiefe Abhängigkeit von Gott aus und somit auch eine besondere Demut vor dem Göttlichen. Es drückt insbesondere auch eine Abhängigkeit vom Heiligen Geist aus, da der Geist hier als derjenige gedacht wird, der durch solche Seufzer, die sich nicht an die Konventionen bestehender Sprachen halten, fürbittend vertritt (Röm 8,26). Man könnte sagen, dass ein derartiges Gebet in einem derartigen Kontext eine Art sakramentale Übung der Selbstentleerung ist, in der das Scheitern der gewöhnlichen Sprache, diesem Austausch gerecht zu werden, anerkannt wird. Glossolalisches Gebet ist ein Mittel, sich selbst für das Wirken des Geistes empfänglich und zu seinem Vermittlungskanal zu machen. Zweitens hat das glossolalische Gebet eine perlokutionäre Dimension für die Hörer, und zwar im doppelten Sinn: (1) Da es sich um ein Gebet handelt, ist einer der Hörer Gott und der erwünschte perlokutionäre Effekt ist, dass Gott heilend handelt. Zu den Hörern der Äußerung gehören aber (2) auch die Heilung suchende Person und andere, die für diese Person Fürbitte tun. Mir scheint, dass die glossolalische Äußerung ebenso den perlokutionären Effekt hat, den Glauben in den anderen (menschlichen) Hörern zu befördern und sie zu ermutigen, sich dem Wunderhaften zu öffnen. Mit anderen Worten bewirkt die Person, die den Sprechakt äußert, gerade in der Äußerung eines Sprechaktes, der keiner „normalen“ oder natürlichen Sprache folgt, auf der sprachlichen Ebene das, was auf einer physischen bzw. körperlichen Ebene ersucht wird: eine bestimmte „Unterbrechung“ des „Normalen“, welche die Heilung erwirken soll. Das Gebet hat demnach häufig den perlokutionären Effekt zu Folge, eine Offenheit für derartige Unterbrechungen anzuregen.56 Man beachte, dass diese beiden illokutionären und perlokutionären Akte durch Äußerungen entstehen, deren Inhalt grundsätzlich irrelevant ist. Wie der Amerikaner der Kennst du das Land … äußert, um seine Identifikation als deutscher Soldat zu bewirken, äußert derjenige, der in Zungen redet, Phoneme, die keine wesentliche Verbindung zu den illokutionären oder perlokutionären Akte besitzen. Tatsächlich sind die Äußerungen überhaupt keine Proposition irgendeiner Art. Somit stellt Zungenrede eine Art Sprechakt dar, der anhand von Kategorien der Sprechakttheorie erhellt werden kann, zugleich aber einer, der Grundannahmen der Sprechakttheorie widersteht und daher zu einer Revision drängt. In der Tat, damit Zungenrede überhaupt zu Sprechakten „gezählt“ werden kann, ist es erforderlich, einige Grundannahmen von Austin und Searle zu modifizieren. Wie bereits angemerkt, lautet eines der Grundaxiome 56 Es sind freilich eine ganze Heerschar perlokutionärer Effekte des glossolalischen Gebets denkbar, wovon nicht alle gut sind. Z. B. könnte jemand, der ein solches Gebet äußert, dies tun, um einen perlokutionären Effekt zu erwirken, der ihm einen überlegenen Status in der religiösen Gemeinschaft sichert, oder um für die ihn umgebenden Menschen „geistlich zu erscheinen“. Diese perlokutionären Effekte sind wahrscheinlich ebenso (oder weiter) verbreitet, wie jene, die ich oben beschrieben habe.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

290

James K.A. Smith

der Sprechakttheorie, dass Sätze die Grundeinheit der Sprache sind. Mit anderen Worten: Damit eine Äußerung zu Sprechakten „gezählt“ werden kann, muss sie sich für Austin an die Regeln dessen halten, was als Satz zählt.57 In dieser Darstellung zählt das Gebet in Zungen also nicht. Unsere Sprechaktanalyse war philosophisch allerdings bereits fruchtbar ; warum sollten wir also, gleich Searle, annehmen, dass nur Sätze etwas tun, wenn sie geäußert werden? Von einer anderen Richtung her betrachtet: Searle bietet eine Grundhypothese, die schließlich wie folgt „erhärtet“ wird: „{A} [E]ine Sprache sprechen [stellt] eine regelgeleitete Form des Verhaltens [dar …]. Um es deutlicher auszudrücken: {A’} Sprechen bedeutet, in Übereinstimmung mit Regeln Akte zu vollziehen.“ Searle sieht A’ einfach als eine („flottere“) Neuformulierung von A an. Dies ist jedoch nicht notwendigerweise wahr. Wäre nicht der Fall denkbar, dass es eine Art von „sprechen“ (Rede) gibt, die regelgeleitet ist, deren Regeln jedoch nicht als Regeln einer erkennbaren Sprache identifizierbar sind? Es scheint, als könne man A’ bejahen, A jedoch ablehnen. Wenn man dies korrekt neu formulieren würde, also sozusagen A’ in den Begriffen von A ausdrücken, dann würde man lediglich sagen, dass „sprechen eine regelgeleitete Form des Verhaltens darstellt“. Die Forderung, dass eine Sprache gesprochen werden muss (worunter Searle eine identifizierbare natürliche Sprache zu meinen scheint), ist unberechtigt.58 Zugegeben, Searles Anliegen besteht darin, vokalisierte Äußerungen, die als Sprechakt zählen, von Artikulationen, die bloßes „Geräusch“ sind, zu unterscheiden. Was die beiden unterscheidet, ist genau jener regelgeleitete Charakter der Ersteren. Doch es ist keineswegs selbstverständlich, dass die einzige Möglichkeit, re57 Illokutionäre und propositionale Akte bestehen charakteristischerweise darin, dass Wörter im Satzzusammenhang in bestimmten Kontexten, unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Intentionen geäußert werden (Searle, John R.: Speech Acts: An Essay in the Philosophy of Language. London: Cambridge University Press, 1969, S. 24 f.). Ich werde mir die von Searle vorgenommene Näherbestimmung des „charakteristischerweise“ als eine offene Tür zunutze machen, um vorzuschlagen, dass es auch anders sein könnte, selbst wenn wir einräumen, dass dies zum größten Teil zutrifft. [Etwas anders die Übersetzung von Wiggershaus: „Illokutionäre und propositionale Akte sind […] dadurch charakterisiert, daß Wörter im Satzzusammenhang in bestimmten Kontexten unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Intentionen geäußert werden“, (Searle: Sprechakte, S. 41 f.).] 58 Dies wirft faszinierende Fragen auf, denen hier nicht vollständig nachgegangen werden kann. Doch unmittelbar nach der obigen Hypothese, sagt Searle, dass sein Ziel darin bestehe, „einige Regeln anzugeben, denen wir beim Reden folgen“ (Searle: Sprechakte, S. 38, Hervorhebung J. S.). Wer aber ist „wir“? Eine spätere Erörterung deutet darauf hin, dass Searle diesbezüglich eine Art verborgener Strukturalist ist. Als er das Verhältnis von Sprachen zu Sprechakten diskutiert, sagt er: „verschiedene menschliche Sprachen können in dem Maße, in dem sie untereinander übersetzbar sind, als verschiedene auf Konventionen beruhende Realisierung der gleichen zu Grunde liegenden Regeln betrachtet werden“ (ebd., S. 63 f.). Auf diese Weise sind der Sprechakt je promet im Französischen und der Sprechakt „I promise“ im Englischen gemäß der Äußerungskonventionen verschieden, im Bezug auf die angeblichen universalen „Regeln“ des Versprechens jedoch das gleiche. Obwohl Searle also von Konventionen spricht, hält er dies nicht konsequent bis zum Schluss durch. Searles „wir“ scheint eine Art universale Menschheit zu bezeichnen – eine Idee, die meines Erachtens legitimerweise infrage gestellt werden könnte.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

291

gelgeleitete Äußerungen mit Sicherheit als solche anzuerkennen, in der Forderung besteht, dass diese sich den Regeln bestehender Sprachen unterwerfen müssen.59 Es ist unschwer möglich, sich Äußerungen vorzustellen, die von Regeln geleitet sind, diese jedoch Regeln sind, die sich nicht auf bestehende Sprachen abbilden lassen. Beispielsweise könnten Jäger oder Soldaten auf einer Erkundungsmission ein System verschiedener „Rufe“ konzipieren – vokale Äußerungen – die eine Richtungsänderung, eine nahende Gefahr und so weiter mitteilen. Als solche müssen sie zu den illokutionären und perlokutionären Akten gezählt werden. Der oben untersuchte Fall von Zungenrede legt dasselbe nahe und verweist zugleich auf eine andere Möglichkeit, wie diese Eigenart der Zungenrede, bestehenden philosophischen Kategorien zu widerstehen, dennoch konstruktiv sein kann.

Die Politik der Zungenrede: Eine Sprache des Widerstands Im ersten Teil haben wir die Möglichkeit erörtert, wie Zungenrede anhand von drei sprachphilosophischen Ansätzen erhellt werden könnte, und wie ihre Eigenart, bestehenden Kategorien zu widerstehen, einen Forschungsausblick für Sprachphilosophie darstellt. Als eine Art stimmlicher Äußerung an den Rändern der Sprache fungiert die Zungenrede als aufschlussreicher „Grenzfall“ für die Sprachphilosophie. Doch die Sprachphilosopie sollte nicht der einzige Modus philosophischer Analyse sein, für den die Zungenrede ein interessantes Thema sein dürfte. In diesem letzten Abschnitt möchte ich noch eine weitere Möglichkeit in Betracht ziehen, wie die Zungenrede eine Sprache des Widerstands ist, die einen weiteren Bereich der Philosophie erhellt und von diesem erhellt wird – ich denke dabei an die Sozialphilosophie und an die politische Philosophie. Die Sprechakttheorie bietet sich uns als Übergang zu dieser zweiten Betrachtung der Zungenrede als Widerstandsdiskurs an. Als Handlung besteht eines der Dinge, welche die Zungenrede tut, darin, eine Art sozialen Widerstand gegen die bestehenden Mächte zu erwirken. Oder wir sollten vielleicht sagen, dass die Zungenrede die Sprache der Glaubensgemeinschaften ist, welche durch die bestehenden Mächte marginalisiert werden, und dass eine solche Sprache eine Art eschatologischen Widerstand gegen die Mächte anzeigt.60 Wir könnten sagen, dass das Proletariat in Zungen spricht. Diese These ließe sich historisch untermauern (siehe zum Beispiel Steven 59 Freilich ist diese Forderung, in Bezug auf die Zungenrede, einfach erfüllt, wenn Glossolalie als Xenolalie aufgefasst wird. Sofern aber ein legitimer Raum für die Glossolalie als ekstatische Rede, die nicht an bekannte Sprachen geknüpft ist, zurückbleiben soll, dann muss die Darstellung des Sprechaktes revidiert werden. 60 Zum Thema „Mächte“ s. Yoder, John H.: Die Politik Jesu: Der Weg des Kreuzes. Maxdorf: Agape, 1981, Kap. 8, und Dawn, Marva J.: Powers, Weakness, and the Tabernacling of God. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2001.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

292

James K.A. Smith

Land et al. zu den Gemeinschaften der frühen Pfingstbewegung). Ich möchte dies aber aus einer zeitgenössischen Perspektive betrachten, indem ich einige Einsichten der Sozialwissenschaften aufnehme, die mit der kritischen Theorie Herbert Marcuses und den Arbeiten der Neomarxisten Michael Hardt and Antonio Negri verbunden werden sollen. Als Ergebnis werden wir dabei – so meine These – eine gewisse Konvergenz zwischen „Marx und de[m] Heiligen Geist“61 finden. In seiner neueren Analyse zum beinahe exponentiellen Wachstum der städtischen Armut, die sich auf die Slums konzentriert, die auf parasitäre Weise an den Rändern der weltweit größten Megastädte erwachsen, dokumentiert Davis in welcher Weise die erstere ein Ergebnis des globalen Kapitalismus ist. Was wir sehen, so gibt er zu bedenken, ist, dass die spätkapitalistische „Selektierung der Menschheit“ einen globalen Restbestand „an Menschen erfaßt, […] denen die strategisch-ökonomische Macht gesellschaftlicher Arbeit fehlt. Menschen, zusammengedrängt in einer Welt aus Hüttensiedlungen, die die befestigten Enklaven der Reichen in den Städten umzingeln.“62 Doch das Ausmaß an Entmachtung hindert die urbanen Armen bereits daran, eine bedeutsame „Klasse an sich“ zu bilden – geschweige denn eine potentiell aktive „Klasse für sich“.63 Marxistische Rede von „historischer Handlungsmacht“ scheint deplaziert und illusionär. Doch hier stellt Davis eine bedeutsame Verschiebung fest: „ Marx [habe] die Bühne der Geschichte […] dem Heiligen Geist überlassen“.64 Genauer gesagt legt er nahe, dass die Pfingstbewegung, insbesondere in Lateinamerika und im subsaharischen Afrika, „den gesellschaftlichen Raum ein[nimmt], den zu Beginn des 20. Jahrhunderts Sozialismus und Anarchismus besetzt hatten.“65 Diesbezüglich greift er auf die (obgleich umstrittene) soziologische Analyse Robert Mapes Andersons zurück, der die These vertrat, dass die „unbewussten Ziele“ der Pfingstbewegung „revolutionär“ waren.66 Als „die 61 So lautet die Überschrift des letzten Abschnitts von Mike Davis’ Essay Planet of Slums: Urban Involution and the Informal Proletariat [deutsche Version]. In: New Left Review 26, Nr. Mar-Apr (2004), S. 73 – 99, hier S. 89. 62 Ebd., S. 89. Als Grundlage dienen Davis die Ergebnisse der UN-Habitat-Berichts, The Challenge of Slums: Global Report on Human Settlements, 2003. London: Earthscan/UN-Habitat, 2003 (UN Habitat’s Report). 63 Davis: Planet of Slums, S. 90. Der Grund dafür besteht für ihn darin, dass „entwurzelte Landarbeiter und informelle Arbeitskräfte weitgehend ihrer vermarktbaren Arbeitskraft beraubt worden sind oder, weil sie zur Hausarbeit bei reichen Leuten genötigt sind, [… diese] kaum einen Zugang zur Kultur des Arbeits- oder Klassenkampfes [haben].“ (ebd.) 64 Ebd. Durch den gesamten Artikel deutet er eine Parallelität zur Rolle des „populistischen Islam“ an, den ich hier nicht behandeln werde. 65 Ebd., S. 92 66 Anderson, Robert M.: Vision of the Disinherited: The Making of American Pentecostalism. Oxford: Oxford University Press, 1979, S. 222. Vgl. Wacker, Grant: Heaven Below: Early Pentecostals and American Culture. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2001. S. a. Comaroff, Jean: Body of Power, Spirit of Resistance: The Culture and History of a South African People. Chicago, IL: University of Chicago Press, 1985.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zungen als „Widerstandsdiskurs“

293

erste größere Weltreligion […], die fast vollständig den städtischen Slums der Moderne entstammt [… ist die Pfingstbewegung …] zur weltweit größten, selbst organisierten Bewegung der armen Stadtbewohner geworden“.67 Darum sieht Davis in der Pfingstbewegung, so ziemlich entgegen dem, was man auf der Grundlage „marxistischer Begriffe“ erwarten würde, einen revolutionären Zug radikalen Widerstands: „Aber da die Linke in den Slums kaum präsent ist, verwirft die Eschatologie der Pfingstbewegung auf bewundernswerte Weise das unmenschliche Schicksal der Städte der ,Dritten Welt‘, vor welchem der UN-Report warnt.“68 Was aber hat dies mit Zungenrede zu tun? Während die Glossolalie lediglich eines der vielen Erkennungszeichen des pfingstlichen Glaubens und der pfingstlichen Praxis ist, stellt sie ein zentrales und besonders symbolisches Erkennungszeichen dar. Ich möchte die These vorbringen, dass die Zungenrede die Sprache der Enteigneten – bzw. die Sprache der „Multitude“69 ist – eben aus dem Grund, weil sie ein Sprachmodus ist, der den Mächten und Strukturen des globalen Kapitalismus und der ungerechten Besitzverteilung widersteht. Mit anderen Worten: die Zungenrede ist ein Diskurs, der symbolisch für ein tieferes und breiteres Verlangen steht, den bestehenden ökonomischen und politischen Strukturen zu widerstehen und sie infrage zustellen. Sie ist die Sprache einer gegenkulturellen Gemeinschaft mit „Exilidentität“.70 Die Kategorien, um dies gedanklich genauer zu fassen, liefert uns meines Erachtens Marcuse. In seiner Darstellung der spätkapitalistischen (nun globalisierten) Gesellschaft, beschreibt Marcuse die Weise, in der das „Realitätsprinzip“ – und die entsprechenden Regeln der Rationalität – die Form des „Leistungsprinzips [performance principle]“ annehmen: „unter seiner Herrschaft ist die Gesellschaft entsprechend der konkurrierenden ökonomischen Leistung ihrer Mitglieder geschichtet“.71 Die Folge ist, dass Menschen instrumentalisiert und von ihrer Arbeitsleistung entfremdet werden (die Negation des Lustprinzips).72 Selbst die Freizeit, die für die Lust intendiert ist, wird durch die Arbeit kolonisiert und gebiert eine „Unterhaltungsindustrie“.73 Was als „rational“ gilt, wird somit von materiellen Interessen einer industriellen kapitalistischen Gesellschaft be67 Davis: Planet of Slums, S. 92 f. 68 Ebd., S. 94. 69 Die „Multitude“ ist Hardts und Negris Terminus für den „Kreis aller Ausgebeuteten und Unterdrückten, eine Menge, die dem Empire direkt, ohne vermittelnde Instanz, gegenüber steht.“ (Hardt, Michael; Negri, Antonio: Empire: Die neue Weltordnung, übers. v. Thomas Atzert; und Andreas Wirthensohn. Frankfurt am Main: Campus, 2002, S. 401). 70 Davis: Planet of Slums, S. 94. 71 Marcuse, Herbert: Triebstruktur und Gesellschaft: Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, übers. v. Marianne von Eckardt-Jaffe. Stuttgart: Klett, 1967 (Bibliothek Suhrkamp 158), S. 49. 72 Ebd., S. 49 f. Marcuse schlägt in der Tat die Möglichkeit einer „libidinösen Arbeit“ vor, die mit dem Genussprinzip im Einklang steht, s. ebd., S. 51, Anm. 45. 73 Ebd., S. 52.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

294

James K.A. Smith

herrscht; tatsächlich ist es dieses „Leistungsprinzip“, das bestimmt, was als „real“ gilt. Marcuse weist aber auch auf eine Schwachstelle in der Rüstung des Realitätsprinzips hin: die Rolle der Imagination bzw. Vorstellungskraft oder „Phantasie“ und ihre Fähigkeit den Zwängen des Leistungsprinzips zu widerstehen. Die „seelischen Kräfte [mental forces]“ der Imagination und Phantasie bleiben „im Wesentlichen vom Realitätsprinzip verschont“ und sind daher frei, sich die Welt anders vorzustellen.74 Weil dies durch die Imagination zum Ausdruck kommt, meinte Marcuse, diese Art von widerständigen und revolutionären Andeutungen im Bereich der Kunst, und spezifischer im Surrealismus, zu erblicken.75 Könnten wir nicht sagen, dass Zungenrede eine Art linguistischer Surrealismus ist? Wenn pfingstlich/charismatisches Christentum die Religion der urbanen Armen (der „Multitude“) ist, dann deshalb, weil sie den ungerechten Strukturen des globalen Kapitalismus widersteht; und die Glossolalie ist die Sprache dieses Widerstands – ein Sprachmodus der „essenziell frei vom Realitätsprinzip der spätkapitalistischen Logik ist (und aus diesem Grund auch als „verrückt“ bezeichnet wird).76 Sie ist die Sprache einer eschatologischen Imagination, die sich die Zukunft anders vorstellt.

74 Ebd., S. 138 f. Wie bei Marx, finden wir auch bei Marcuse eine Art Quasi-Eschatologie, die sich eine „nicht-unterdrückende Kultur [non-repressive civilization]“ vorstellt (und auf diese hofft). Diese ist dezidiert nicht „utopisch“. Tatsächlich bestand seine Kritik am Realitätsprinzip darin, dass es diese Hoffnung in eine unmögliche Utopie abdrängt (ebd., S. 143). 75 Marcuse: Triebstruktur und Gesellschaft, S. 143 – 145. 76 Ich möchte eine Hypothese wagen, die zugegebenermaßen anekdotisch ist: Während pfingstliche Denominationen (wie etwa die in den USA) auf der sozialen Leiter aufgestiegen sind (John Ashcroft, ehemaliger Justizminister und Generalbundesanwalt der Bush-Administration ist ein Assemblies of God Mitglied), nimmt die Praxis der Zungenrede im Kontext der gottesdienstlichen Versammlung ab. Der Grund dafür liegt genau darin, so mein Vorschlag, dass solch ein „befremdliches“ Phänomen nicht mit der Rationalität (Realitätsprinzip) der kapitalistischen Logik konform ist, und dass daher aufstrebende Versammlungen, die mit einer kapitalistischen Logik voranzukommen suchen, die Sprache des Widerstands meiden.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Ethik und soziale Gerechtigkeit

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Murray W. Dempster

Die Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik Sondierungen zur moralischen Bedeutung der Glossolalie

*

Auf der 30. Jahresversammlung der Society of Pentecostal Studies (SPS) hatte ich die Ehre des Korreferats zum Vortrag des an der Evangel University lehrenden Professors Michael Palmer, der mit „Unsere Leben orientieren: Die Bedeutung einer universitären Allgemeinbildung [liberal arts education] für Pfingstler im 21. Jahrhundert“ überschrieben war.1 Als ich die Vorabversion des Vortrags von Dr. Palmer erhielt und begann, mein Korreferat vorzubereiten, war ich überrascht zu sehen, dass dieser an der Evangel University lehrende Philosoph freundlicherweise einen Vortrag von mir zitierte, den ich zuvor vor der SPS gehalten hatte und den er dazu benutzte, Parameter für eine Moraltheorie zur Verwendung in pfingstlichen allgemeinbildenden [liberal arts] Hochschulen und Universitäten aufzustellen.2 Ich hatte diesen Vortrag geschrieben, um die Konturen einer pfingstlichen Sozialethik zu umreißen, die ausdrücklich mit der Geisttaufe verbunden ist, bei der die Glossolalie ein ureigener Bestandteil der Erfahrung des Gläubigen ist. Ich wollte die in dieser Erfahrung der Zungenrede auffindbare moralische Bedeutung für die Entwicklung einer pfingstlichen Individual- und Sozialethik „ausloten“ [sound out], welche die pfingstlichen Gläubigen und die pfingstliche Gemeinschaft zu politischem Engagement und zum Eintreten für soziale Gerechtigkeit bevollmächtigen würde. Es war mein Ziel zu zeigen, dass das Bekenntnis, im Geist getauft zu sein, zu einer leidenschaftlichen Sorge um Gerechtigkeit, um Verbesserung der öffentlichen Moral und um eine Veränderung der Mühsal der Benachteiligten und Marginalisierten führen sollte. Zungenrede fungierte als ein beobachtbares „Zeichen“, um „auszuloten“ was sich in dieser Erfahrung der Geisttaufe ereignete und welche „moralischen * Originalveröffentlichung: Dempster, Murray W.: The Structure of a Christian Ethic Informed by Pentecostal Experience: Soundings in the Moral Significance of Glossolalia. In: Ma, Wonsuk (Hg.): Spirit and Spirituality. Essays in Honour of Russell P. Spittler. London: T&T Clark, 2004, S. 108 – 140. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des T&T Clark-Verlags; alle Rechte vorbehalten. 1 Palmer, Michael: Orienting Our Lives: The Importance of a Liberal Education for Pentecostals in the 21st Century. Vortrag: 30th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Teaching to Make Disciples: Education for Pentecostal-Charismatic Spirituality and Life, Tulsa, OK, März 2001, S. 315 – 336. 2 Dempster, Murray W.: Soundings in the Moral Significance of Glossolalia. Vortrag: 13th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Pastoral Problems in the Pentecostal-Charismatic Movement, Cleveland, TN, 4. November 1983, S. 1 – 48.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

298

Murray W. Dempster

Bedeutungen“ aus dieser Erfahrung gewonnen werden können, die wiederum in der Konstruktion einer pfingstlichen Moraltheorie und Sozialethik Anwendung finden könnten. Palmer hatte einige der sittlichen Merkmale, die ich in diesem Vortrag entwickelt hatte, aufgenommen, um rudimentäre Prinzipien einer pfingstlichen Moraltheorie zu identifizieren, die als Bausteine in einer pfingstlichen Allgemeinbildung dienen könnten. Ganz gleich ob Moraltheorie dazu benutzt wird, eine pfingstliche Ethik zur Bevollmächtigung, Anleitung und Führung gesellschaftspolitischer Mitwirkung zu entwickeln oder aber ein pfingstliches allgemeinbildendes Curriculum zur Integration von Wissen, Charakter und Dienst, so teilen beide Anliegen eine gemeinsame Annahme, die aus der Realität des menschlichen Lebens hervorgeht. Die Geisttaufe für sich allein führt nicht zur Entwicklung eines sozialen Gewissens, noch führt sie automatisch zu einer ausgewogenen Integration von Wissen, Tugend und Fähigkeiten. Ein effektives Bemühen um eine charismatische moralische Bildung ist zum Erreichen beider Ergebnisse nötig. Durch mein Korreferat auf Dr. Palmers Vortrag wurde mein Interesse an einer Sondierung der Verbindung zwischen Geisttaufe und der Entwicklung einer pfingstlichen Sozialethik aufs Neue geweckt. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass es ohne ein absichtsvolles und stetig gezieltes Herangehen an eine pfingstliche Moralbildung möglicherweise kein soziales Engagement in Kirche und Akademie geben wird, das Gottes Handeln in der Welt reflektiert. Kilian McDonnell lag richtig mit seiner in seinem Kommentar zur charismatischen Erneuerung zu findenden Beobachtung, dass „die pfingstliche Erfahrung an und für sich niemanden mit gesellschaftspolitischem Bewusstsein ausrüsten wird, […] noch verleiht sie Menschen eine neue Leidenschaft für politische oder soziale Gerechtigkeit.“3 Auf der Grundlage einer stillschweigenden Übereinstimmung mit McDonnells These, behauptete der kürzlich verstorbene Richard Quebedeaux, dass die Geisttaufe im Hinblick auf gesellschaftspolitisches Bewusstsein eine „unabhängige Variable“ ist. Er erklärte: Wenn der neu getaufte pfingstliche Gläubige in einer für soziale Veränderung engagierten Gruppe sozialisiert (das heißt gelehrt und „in die Jüngerschaft“ geführt [discipled]) wird, dann wird er sich wahrscheinlich auch in diese Richtung bewegen. (Insbesondere in der dritten Welt und Europa gibt es sogar marxistische Pfingstler.) Doch wenn der neue Pfingstler in einer konservativen Glaubensgemeinschaft sozialisiert wird, dann wird er oder sie höchstwahrscheinlich deren Position teilen.4 3 McDonnell, Kilian: Catholic Pentecostalism: Problems in Evaluation. In: Dialog 9, Nr. 1 (1970), S. 35 – 54, hier S. 51. 4 Quebedeaux, Richard: The New Charismatics II. San Francisco: Harper & Row, 1983, S. 166 – 167. In derselben Sozialisationslogik postuliert Quebedeaux folgende Faktoren der sozialen Konditionierung, um die Unterschiede zwischen den gesellschaftspolitischen Ansichten von Katholiken, Pfingstlern und protestantischen Neo-Pfingstlern zu erklären: „Angesichts der Tatsache, dass sich die katholische Pfingstbewegung in der liberalen akademischen Gemeinschaft

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 299

Was McDonnell und Quebedeaux herausstellen, ist im Ergebnis entscheidend für die Frage, ob gesellschaftspolitisches Bewusstsein in den pfingstlichen und charismatischen Traditionen gefördert oder erstickt wird. Keine menschliche Erfahrung, einschließlich der Geisttaufe, interpretiert sich selbst. Menschen werden die Bedeutung ihrer Taufe im Geist – einschließlich der sozialethischen Bedeutung – entweder in dem theologischen Bezugsrahmen interpretieren, den sie zur pfingstlichen Erfahrung mitgebracht haben, oder in einem theologischen System, das sie danach übernehmen. Daher gehört es zu den Aufgaben einer pfingstlichen theologischen Ethik im Dienst der Kirche, ein interpretatives Bezugssystem für die pfingstliche Erfahrung bereitzustellen, das die unentbehrliche Verbundenheit zwischen dem Getauftsein im Geist und einer tiefen Loyalität zur Förderung sozialer Gerechtigkeit aufweist. Wenn die der Geisttaufe einwohnende moralische Logik, wie im Buch der Apostelgeschichte dargestellt, darin besteht, das Kommen des Geistes mit dem Abbruch der in sozialen, klassenbezogenen, geschlechtlichen und religiösen Unterschieden wurzelnden wertbeladenen Barrieren zu verbinden, dann muss der pfingstliche Gläubige darin bestärkt werden, diesen der Geisttaufe einwohnenden moralischen Impetus zu erkennen.5 Dieser Aufsatz soll einen kleinen Schritt weiter in diese Richtung führen, indem er meinen früheren Versuch wieder aufnimmt, der aufzeigen sollte, dass Glossolalie als Konsequenz der Geisttaufe (Apg 4,4; 10,46; 19,6) oder als besondere Manifestation des Geistes (1Kor 12,10.28; 13,1.8; 14,1 – 40) einen Weg bietet, die individual- und sozialethische Bedeutung der Geisttaufe bzw. Geistbegabung aufzuzeichnen.6 Wenn die Zungenrede in dem unten entfalentwickelte, und innerhalb einer Kirche, die, verglichen mit ihren evangelikalen oder fundamentalistischen protestantischen Gegenübern, weder ihrer Abstammung nach zur „Mittelklasse“ gehört, noch mit dem sozialen oder politischen Status quo verbunden ist, sollte es nicht überraschen, dass katholische Pfingstler ein größeres soziales Bewusstsein haben, als die meisten protestantischen Neo-Pfingstler.“ Ebd., S. 167. 5 Dempster, Murray W.: The Church’s Moral Witness: A Study of Glossolalia in Luke’s Theology of Acts. In: Paraclete 23, Nr. 1 (1989), S. 1 – 7. 6 Glossolalie wird in diesem Aufsatz in der folgenden dreifachen Weise verwendet. Etymologisch definiert, ist Glossolalie eine Ableitung des Ausdrucks „in Zungen reden“ (glossais lalein). Das Wort glossa (Zunge), ein Bestandteil von Glossolalie, wird auf drei verschiedene Weisen gebraucht: (1) für das physiologische Organ des Geschmacks, oder noch genauer der Rede; (2) für das Sprechen selbst (eine Sprache) oder für eine Art des Sprechens; (3) für einen Ausdruck, der in Sprache oder Art seltsam oder obskur ist und der Erklärung bedarf. Glossa in diesem dritten Sinn wird von Paulus in 1Kor 12,12.28.30; 13,1.8; 14,1 – 27.39 mit einer christlichen Bedeutung versehen. Es wird auch in diesem dritten Sinn von Lukas in Apg 10,46 (im Haus des Kornelius) und Apg 19,6 (in Ephesus) verwendet. Doch in Apg 2,4 ist glossais mit allos (andere) verbunden, um die zweite Bedeutung der Rede in einer anderen Mundart anzuzeigen (vgl. Apg 2,7 – 8.11), Behm, Johannes: Tongues, Other Tongues. In: TDNT, Bd. I. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1964, S. 719 – 727; Selter, Frieden; Brown, Colin: Other. In: NIDNTT, Bd. II. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1986, S. 739 – 42; Haarbeck, Hermann: Tongues, Other Tongues. In: NIDNTT, Bd. III. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1986, S. 1078 – 1081. Obwohl genau genommen Apg 2,4 das für einen anderen Hörer verständliche Sprechen einer Mundart meint, wird der Begriff Glossolalie un-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

300

Murray W. Dempster

teten besonderen theologischen Bezugssystem interpretiert wird, kann die moralische Bedeutung der Geisttaufe erkannt werden. Doch es ist das Phänomen der Glossolalie selbst – ihr linguistisches Wesen und ihre theologische Bedeutung im biblischen Bericht –, welches die Erkenntnis der moralischen Bedeutsamkeit des Werks des Geistes in der Taufe und der Gabenverleihung bewirkt. Diese Konzentration auf die Zungenrede mag bei Manchem die Alarmglocken schrillen lassen, denn sie scheint auf den ersten Blick eine unangebrachte Betonung des Zeichens anstelle der Substanz zu befördern, bzw. der physischen Begleiterscheinungen anstelle der pneumatischen Erfahrung oder der Konsequenz des Werks des Geistes anstelle der Person und Handlung des Geistes. Wenn – wie es angezeigt ist – eingeräumt wird, dass sowohl in der lukanischen als auch in der paulinischen Pneumatologie die Betonung ausdrücklich auf dem Wesen des Werks des Heiligen Geistes im Gläubigen und in der gläubigen Gemeinschaft liegt, dann sollte auch eingeräumt werden, dass in diesen Theologien Zungenrede ein greifbares, physisches Zeichen – nach Gottes eigener Erwählung – ist, welches die Bevollmächtigung und Begabung der Glaubensgemeinschaft durch den Geist begleitet. Das heißt, dass es im Bericht des Neuen Testaments eine inhärente Verbindung zwischen Zungenrede und dem Kommen des Geistes als dem Bevollmächtiger und Gabenspender für die charismatische Ordnung der Kirche gibt. Glossolalie selbst ist ein wesentlicher Teil der Erfahrung der Bevollmächtigung bzw. Begabung durch den Geist. Obwohl Glossolalie ein symbolisches Zeichen ist, das über sich hinaus auf die Realität des Werks des Geistes weist, ist die Zungenrede ein Symbol, das an der Realität teilhat, auf die es weist. Daher kann ein angeterschiedslos verwendet werden, um Apg 2,4 mit den anderen oben erwähnten lukanischen und paulinischen Textstellen zu verbinden. Das ist angemessen, weil für den Zweck dieses Aufsatzes die moralisch bedeutsamen charakteristischen Merkmale der Glossolalie in Apg 2,4 die Tatsachen sind, dass der Sprecher eine „Sprache“ spricht, von der er vorher keine Kenntnis hatte und dass die Bedeutung dieser Sprache dem Sprecher nicht bekannt ist. Beide dieser Merkmale der Glossolalie in Apg 2,4 sind die Merkmale der Glossolalie in den anderen erwähnten lukanischen und paulinischen Textstellen. Linguistisch definiert, ist die Glossolalie eine „vereinfachte Form improvisierter Pseudosprache“. Oder umfassender : „eine bedeutungslose, aber phonetisch strukturierte menschliche Äußerung, die vom Sprecher als wirkliche Sprache angesehen wird, aber die keine systematische Ähnlichkeit zu einer natürlichen Sprache, sei sie tot oder lebendig, besitzt.“ Samarin, William J.: Tongues of Men and Angels: The Religious Language of Pentecostalism. New York: Macmillan, 1972, S. 17, 235. Die beiden für diesen Aufsatz bedeutsamen Aspekte von Samarins linguistischer Definition sind die Tatsachen, dass sie „improvisiert“ ist (bzw. die schöpferische spontane Qualität der Glossolalie als Sprechakt) und dass sie „keine systematische Ähnlichkeit zu einer natürlichen Sprache“ hat (die imaginative Qualität der Glossolalie, die durch einen Sprechakt ohne strukturierte grammatikalische Muster ermöglicht wird). Theologisch definiert, ist die Glossolalie eine vom Geist gegebene Fähigkeit zur Äußerung, als Konsequenz der Geisttaufe oder als eine besondere Manifestation des Geistes zur Verwendung als Gebetssprache bzw. zur gemeinschaftlichen Auferbauung, wenn sie interpretiert wird. Diese drei Ebenen sollten als mehrgliedrige Definition verbunden werden, um die Bedeutung von Glossolalie in diesem Aufsatz zu verstehen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 301

messenes Verständnis der individual- und sozialethischen Bedeutung der Geisttaufe und der Geistbegabung durch eine Untersuchung erzielt werden, die sich stärker auf die Glossolalie als solche konzentriert, wenn diese als ein ureigener Teil der Bevollmächtigung bzw. Begabung durch den Geist erfahren wird.7 Dieser Aufsatz soll daher nicht einfach die moralische Bedeutung der Glossolalie per se aufzeichnen, sondern diejenige der pfingstlichen Glossolalie; das heißt, einer Glossolalie, die an der Erfahrung der Geisttaufe Anteil hat bzw. einer Glossolalie, die eine Manifestation der Geistbegabung ist. Es ist dabei das Ziel, die moralische Bedeutung der Geisttaufe für die Entwicklung einer pfingstlichen Sozialethik „auszuloten“; und die Methode besteht darin, den Fokus – linguistisch, theologisch und ethisch – auf die pfingstliche Glossolalie zu richten, um die moralische Bedeutung der Erfahrung der Geisttaufe zu sondieren. In seinem Werk Era of the Spirit bot J. Rodman Williams einen wichtigen Schlüssel, um ein Ordnungssystem zur Untersuchung der Bedeutung der pfingstlichen Glossolalie in der Individual- und Sozialethik aufzustellen. Im Versuch, eine Theologie des Geistes zu formulieren, bemerkte Williams, dass sich „die dynamische Bewegung des Geistes nicht gut in die traditionellen theologischen Kategorien“ fügt. Williams widerstand der Versuchung, dem Werk des Geistes in Schöpfung, Inkarnation, Neuschöpfung, Verkündigung des Wortes, Feier der Sakramente und endgültiger Erlösung noch eine weitere Kategorie „hinzuzufügen“ und schlug stattdessen eine andere Richtung vor. „Die Wende, die wir meiner Überzeugung nach vollziehen müssen“, schrieb er, „ist hin zu einer Handlung des Heiligen Geistes, die in keine Kategorie passt 7 Die symbolische Bedeutung der Zungenrede wurde von Macchia, Frank D.: Tongues as a Sign: Towards a Sacramental Understanding of Pentecostal Experience. In: Pneuma 15, Nr. 1 (1993), S. 61 – 76 entwickelt und später auch von Yong, Amos: “Tongues of Fire” in the Pentecostal Imagination: The Truth of Glossolalia in Light of R C Neville’s Theory of Religious Symbolism. In: Journal of Pentecostal Theology Nr. 12 (1998), S. 39 – 65. S. a. Macchias Antwort auf Yong: Macchia, Frank D.: Discerning the Truth of Tongues Speech: A Response to Amos Yong. In: Journal of Pentecostal Theology Nr. 12 (1998), S. 67 – 71; sowie Yongs Replik: Yong, Amos: The Truth of Tongues Speech: A Rejoinder to Frank Macchia. In: Journal of Pentecostal Theology 13, Nr. 2 (1998), S. 107 – 115. Mit der Identifikation der Glossolalie als indigener Teil der Geisttaufe ist keine verschleierte Apologie für Zungen als notwendiger Erweis, Konsequenz oder Begleiterscheinung der Geisttaufe intendiert. Während die folgende moralische Analyse mit einer solchen theologischen Position vereinbar ist, ist diese Annahme für die Kohärenz der folgenden Ausführungen nicht erforderlich. Demgemäß ist das zentrale hier festzuhaltende Argument, dass wenn der Geist von Zungen begleitet wird (wie in Apg 2,4; 10,46; und 19,6), die glossolalische Äußerung ein konstituierender Teil der Geisttaufe und ihrer Bevollmächtigung ist. Dieses Argument versteht sich als eine Kritik an der Sichtweise, die manchmal explizit formuliert wird, aber öfter noch in einer Art pfingstlicher „Alltagstheologie“ implizit angedeutet wird, nämlich dass Glossolalie nur ein „Zeichen“ sei und somit irgendwie außerhalb des Ereignisses der Geisttaufe selbst existiere als eine „objektive“ Bestätigung der Taufe einer Person im Geist. Dagegen ist die hier vorgebrachte Sicht, dass wenn die Geisttaufe von Zungen begleitet wird, Glossolalie ein indigener Teil der Geisttaufe ist, und daher einen beobachtbaren linguistischen Sprechakt bietet, durch den wenigstens ein Teil der Bedeutung der Geisttaufe und ihrer Bevollmächtigung erschlossen wird.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

302

Murray W. Dempster

die aber doch vieles unserer traditionellen Theologie operativ macht.“8 So wie William vorschlug, die charismatische Bewegung des Geistes in Beziehung zu systematisch-theologischen Kategorien zu analysieren, so wird dieser Aufsatz die moralische Bedeutung der glossolalischen Gott-Mensch-Begegnung in Beziehung auf etablierte Kategorien analytischer ethischer Reflexion erkunden. In der folgenden christlich-ethischen Reflexion werden drei grundlegende Fragen adressiert, die es ermöglichen, die individual- und sozialethischen Auswirkungen der glossolalischen Erfahrung unter Verweis auf die analytischen Kategorien ethischer Reflexion zu untersuchen: 1. Verweist die Erfahrung der pfingstlichen Glossolalie auf einen besonderen Modus der theologischen Rechtfertigung ethischer Normen und sittlichen Handelns (metaethische Analyse)? 2. Lässt die Erfahrung der pfingstlichen Glossolalie irgendeinen besonderen Ansatz zur Reflexion der Prinzipien und Ziele sittlichen Handelns erkennen (normative ethische Reflexion)? 3. Befördert die Erfahrung der pfingstlichen Glossolalie einen bestimmten Stil der Partizipation an den Konkretheiten des alltäglichen sittlichen Lebens (Sittlichkeit)?

Geisttaufe und die Metaethik des theologischen Definismus Der Begründungsmodus ethischer Normen und sittlicher Handlungen, der durch die glossolalische Gott-Mensch-Begegnung in der Geisttaufe strukturiert ist, lässt sich am besten vor dem Hintergrund einer Definition der Metaethik und der kurzen Charakterisierung einer der dominanten theologischen Theorien ethischer Begründung identifizieren. Metaethik ist der Zweig der ethischen Reflexion, der sich auf das Verstehen der Bedeutung moralischer Begriffe konzentriert, wie sie in moralischen Diskursen verwandt werden, sowie auf die Identifikation der Begründungslogik, mit der normative ethischen Urteile autorisiert werden. In der zeitgenössischen theologischen Ethik hat sich die metaethische Diskussion vor allem darauf konzentriert, ob ein moralischer Anspruch eine logisch gültige theologische Rechtfertigung haben kann oder nicht. Die theologischen Ethiker, welche die Legitimität der Begründung einer moralischen Aussage in einem theologischen Wahrheitsanspruch zu bestätigen suchten, haben gewöhnlich auf irgendeine Art des metaphysischen Definismus als Theorie der Rechtfertigung zurückgegriffen.9 8 Williams, J. Rodman: The Era of the Spirit. Plainfield, NJ: Logos International, 1971, S. 41 (Hervorhebung R. W.). 9 S. z. B. Crossley, John P.: Theological Ethics and the Naturalistic Fallacy. In: Journal of Religious Ethics 6, Nr. 1 (1978), S. 121 – 134 und andere Studien, die in Fn. 10, 12 und 13 zitiert werden.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 303

Metaphysischer Definismus ist in seiner theologischen Form eine Theorie der Rechtfertigung, die postuliert, dass ethische Konzepte in den Begriffen theologischer Konzepte definiert werden können und dass ethische Sätze in theologische übersetzt werden können, welche metaphysische „Fakten“ ausdrücken. So mag ein Theologe zum Beispiel behaupten, dass „moralisch richtig“ „von Gott geboten“ bedeutet. Wenn demgemäß das ethische Urteil „X ist moralisch richtig“ gefällt wird, macht eine Person zugleich die theologische Aussage: „X ist von Gott geboten“. Und umgekehrt, wenn „X ist von Gott geboten“ behauptet wird, dann behauptet eine Person auch per definitionem: „X ist moralisch richtig.“ Ethische Urteile werden als Aussagen theologischer Wahrheit maskiert und umgekehrt.10 Im Anbieten von Definitionen und Übersetzungen ethischer Begriffe und Urteile zeigt der Theologe auch an, wie solche Urteile zu begründen sind. Indem er sagt, dass „moralisch richtig“ „von Gott geboten“ heißt, bekräftigt der Theologe, dass ethische Urteile durch die Methode gerechtfertigt werden, die für die Begründung der Wahrheitsansprüche einer theologischen Aussage angemessen ist.11 Gegner der definistischen Theorie argumentieren oft, dass christliche Theologen, die diese Begründungstheorie verwenden, den „naturalistischen Fehlschluss“ begehen, indem sie eine theologische Version des falschen Sein/Sollen-Schlusses [fact/ value-reasoning] vorbringen.12 Im Großen und Ganzen haben Theologen auf 10 Als eine der besser durchdachten und provokativeren Studien zur Ethik des göttlichen Gebots, s. Mouw, Richard J.: The God Who Commands. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 1990. Zur kritischen Diskussion der Theorie des göttlichen Gebots s. insbes. Graber, Glenn C.: In Defense of a Divine Command Theory of Ethics. In: Journal of the American Academy of Religion 43, Nr. 1 (1975), S. 62 – 69; Reeder, John P. Jr.: A Critique of Graber’s Divine Command Theory of Ethics. In: Journal of Religious Ethics 3, Nr. 1 (1975), S. 157 – 163; Adams, Robert M.: A Modified Divine Command Theory of Ethical Wrongness. In: Outka, Gene; Reeder, John P. Jr. (Hg.): Religion and Morality. Garden City, NY: Anchor, 1973, S. 318 – 347; Stout, Jeffrey L.: Metaethics and the Death of Meaning: Adam’s Tantalizing Closing. In: Journal of Religious Ethics 6, Nr. 1 (1978), S. 1 – 18; Adams, Robert M.: Divine Command Metaethics Modified Again. In: Journal of Religious Ethics 7, Nr. 1 (1979), S. 66 – 79. 11 Somit wird argumentiert, dass die axiomatische Verbindung zwischen einer theologischen Aussage und einem moralischen Urteil logisch gültig ist, und damit wird die Angelegenheit auf das epistemologische Problem verschoben, wie Theologen die Wahrheitsansprüche ihrer theologischen Aussagen wissen können, was wiederum üblicherweise mit einem Verweis auf die Formen dargelegt wird, in denen die Selbstoffenbarung Gottes stattfindet oder seine Eigenschaften bekannt werden, d. h. die Bibel, Jesus Christus, die kerygmatische Verkündigung der Kirche, die apostolische Tradition, die rationale Ordnung des geschaffenen Universums, und so weiter. 12 Moore, George E.: Principia ethica, übers. v. Burkhard Wisser. Stuttgart: Reclam, 1970 (Universal-Bibliothek 8375 – 78), S. 30 ff. prägte den Ausdruck „naturalistischer Fehlschluss“ um die irrige Beweisführung zu bezeichnen, die sich deduktiv oder induktiv von Tatsachenurteilen zu moralischen Urteilen bewegt. Wie die „Fehlschluss“-Metapher suggeriert, meinte Moore, dass es keine logisch gültige Verbindung zwischen Aussagen des „Seins“ und Aussagen des „Sollens“ gibt. Moore zog seine Kritik am Sein/Sollen-Schluss natürlich dazu heran, seine Behauptung zu unterstützen, dass Worte wie „gut“ und „sollen“ nicht in nicht-ethischen Begriffen definierbar sind. Daher konnte er schließen, dass die Eigenschaften, für die ethische Begriffe stehen, einfach und nicht analysierbar sind und dass sie über Intuition erkannt werden. Etwa 66 Jahre nach Moores Originalveröffentlichung, erklärte eine Anthologie, dass diese An-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

304

Murray W. Dempster

diesen Einwand geantwortet und somit die logische Gültigkeit der Theorie des theologischen Definismus mit seiner inhärenten Indikativ-Imperativ-Struktur aufrechterhalten.13 Theologischer Definismus wendet eine grundlegende Struktur ethischen Denkens an, welche die ethische Reflexion in einen theologischen Kontext rückt. Die Bestimmung des moralisch Guten bedarf der vorherigen theologischen Bestimmung in Bezug auf die Frage, wer Gott in seinem eigenen Wesen ist und wie Gott in seinem Verhalten agiert. Gott und das Gute sind auf der definitorischen Ebene untrennbar miteinander verbunden. Diese theozentrische Orientierung der ethischen Reflexion wurzelt im Leben des jüdischen Volks im Alten Testament. In seiner umfassenden Studie zu diesem Thema im Alten Testament schreibt Walter C. Kaiser: „Charakter, Wille, Wort und Werk Gottes geben das bestimmende Prinzip und die zentralen organisatorischen Grundsätze der alttestamentlichen Ethik vor.“14 Dieser fundamentale theozentrische Ansatz zur Ethik wurde durch Jesus, Paulus und andere in das Neue Testament getragen. Somit wurde eine Struktur von „theologischer Indikativ–moralischer Imperativ“ auch im christlichen ethischen Denken vorherrschend. Die Implikationen dieses theozentrischen Ansatzes der Ethik und seine Anwendung auf das alltägliche sittliche Leben laufen wie ein Silberfaden durch den biblischen Kanon: jede theologische Aussage, die Gottes Charakter und mächtige Taten beschreibt, ist zugleich auch ein moralischer Imperativ, der vorschreibt, wie Gottes Volk sein soll und was es tun soll. Wie Gott in seinem Charakter ist, so soll Gottes Volk in seinem Charakter sein; und wie Gott in seinem Verhalten ist und handelt, so soll Gottes Volk in seinem Verhalten sein und handeln. In seiner klassischen Studie zur biblischen Ethik behauptet T. B. Maston, dass dieses Prinzip der imitatio dei – die gelegenheit „das zentrale Problem“ sei, mit dem die Ethik zu kämpfen habe, s. Hudson, W. D.: The Is-Ought Question: A Collection of Papers on the Central Problems in Moral Philosophy. London: Macmillan, 1969. Im Kontext der theologischen Ethik, führt der naturalistische Fehlschluss zur Frage, ob es eine notwendige axiomatische Verbindung zwischen theologischen „Sein“-Aussagen über Gott und ethischen „Sollen“-Aussagen über das Gute, das Richtige und das verpflichtend Gebotene gibt. Ist es logisch gültig, ein moralisches Urteil mit dem Appell an eine theologische Wahrheitsbehauptung zu begründen oder basiert eine solche Rechtfertigung auf einer irrigen Beweisführung? 13 S. insbes. Crossley : Theological Ethics. Zur Basis eines theologischen definistischen Systems demonstrierte Crossley, in welcher Weise Theologen wie Barth, Brunner und Bonhoeffer der logischen Herausforderung des naturalistischen Fehlschlusses gerecht werden. S. a. die Antworten von Phillips, Dewi Z.: God and Ought. In: Ramsey, Ian T. (Hg.): Christian Ethics and Moral Philosophy. New York: Macmillan, 1966, S. 133 – 139; Ramsey, Ian T.: Moral Judgments and God’s Commands. In: Ders. (Hg.): Christian Ethics and Moral Philosophy. New York: Macmillan, 1966, S. 152 – 171; Stackhouse, Max L.: The Location of the Holy : An Essay on Justification in Ethics. In: Journal of Religious Ethics 4, Nr. 1 (1976), S. 63 – 104; Dyck, Arthur J.: Moral Requiredness: Bridging the Gap Between „Ought“ and „Is“: Part I. In: Journal of Religious Ethics 6, Nr. 2 (1978), S. 293 – 318; Dyck, Arthur J.: Moral Requiredness: Bridging the Gap Between “Ought” and “Is”: Part II. In: Journal of Religious Ethics 9, Nr. 1 (1981), S. 131 – 150; Gamwell, Franklin I.: Religion and the Justification of Moral Claims. In: Journal of Religious Ethics 11, Nr. 1 (1983), S. 35 – 61. 14 Kaiser, Walter C. Jr.: Toward Old Testament Ethics. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1983, S. 38.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 305

Nachahmung Gottes – das einer biblischen Ethik am nächsten kommende einheitliche Thema oder Motiv ist.15 Diese kurze Charakterisierung des theologischen Definismus bietet ein notwendiges Referenzsystem, innerhalb dessen die moralische Bedeutung der glossolalischen Gott-Mensch-Begegnung in der Geisttaufe analysiert werden kann. Wenn das Wesen der Verbindung zwischen theologischer und moralischer Realität definiert wird, begünstigt die Glossolalie eine besondere Art des theologischen Definismus, die in den existenziellen Realitäten des christlichen Lebens tief verwurzelt ist. Als ein begriffsloser linguistischer Akt führt die Glossolalie den Grund der persönlichen Frömmigkeit und des sittlichen Lebens zurück auf ihre gemeinsame Quelle in der erfahrungsbasierten Begegnung mit der göttlichen Realität. Das fundamental erfahrungsbasierte Wesen der Geisttaufe und Glossolalie bilden laut J. Rodman Williams den „radikalen“ Anspruch des pfingstlichen Zeugnisses. In der Erfahrung der Geisttaufe, so Williams, behauptet der Pfingstler eine Begegnung mit „der Wurzel (radix) einer bestimmten, so erfahrenen Realität.“16 Die radikale Natur dieser geistlichen Erfahrung wird jedoch nicht in vollem Maße erfasst, solange nicht die Erkenntnis heranreift, dass die göttliche Realität, die in, mit und durch den Heiligen Geist begegnet, in ihrer wesentlichen Verfassung eine moralische Realität ist. Gott, als die göttliche Realität, die einer Person in der Gott-Mensch-Begegnung gegenübersteht, hat ein Wesen, Qualität und Struktur, die im tiefsten und tiefgründigsten Sinne moralisch sind. Denn die mit Gott bezeichnete ontologische Realität selbst wird durch Wertorientierungen konstituiert, welche die heilige Gegenwart von der profanen Welt unterscheiden. Oder anders ausgedrückt: es gibt definitive moralische Qualitäten, welche die essenzielle ontologische Struktur der göttlichen Realität begründen. Die göttliche Gegenwart zu erfahren, heißt darum, eine Realität zu erfahren, die zugleich sowohl der persönliche Grund von allem ist, was ist (Sein), als auch von allem, was sein soll (Wert). Daher ist die Erfahrung der pfingstlichen Glossolalie als einer bestimmten Gestalt der Gott-Mensch-Begegnung (nämlich eine sprechende Person, die Worte spricht, wie sie der Geist gibt auszusprechen) sowohl eine geistliche Begegnung mit dem Gott, der ist, als auch eine moralische Konfrontation mit dem Gott, der wertschätzt. Glossolalie begründet somit eine Art religiöser Erfahrung, welche „die Einheitsmomente symbolisiert, an denen wir teilhaben, die wir – mit Polanyis Worten gesprochen – nicht durch Beobachtung, sondern durch Verweilen in ihnen kennen.“17 Aber es bleibt die Frage nach dem Wesen der moralischen Erfahrung, die der Gott-Mensch-Begegnung innewohnt. Was ist der moralische Charakter 15 Maston, T. B.: Biblical Ethics. Waco, TX: Word Books, 1976, S. 282. 16 Williams, J. Rodman: The Pentecostal Reality. Plainfield, NJ: Logos International, 1972, S. 17. 17 Bellah, Robert N.: Between Religion and Social Science. In: Ders.: Beyond Belief: Essays on Religion in a Post-Traditional World. New York: Harper & Row, 1970, S. 237 – 259, hier S. 255. Für seine Paraphrase zitiert Bellah Polanyi, Michael: Personal Knowledge: Towards a PostCritical Philosophy. New York: Harper & Row, 1964, S. xiv.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

306

Murray W. Dempster

der göttlichen Realität, die in der Glossolalie erfahren wird und die per definitionem zum realitätsbezogenen Fundament für die Grundlegung und nachfolgende Begründung von ethischen Normen und sittlichem Handeln wird? Aus dem Zeugnis des biblischen Berichts, aus der Erfahrung praktizierender Zungenredner und aus einer strukturellen Analyse der Zungenerfahrung, wie sie in sich selbst konstituiert ist, kommt das gemeinsame Zeugnis, dass Gott in der glossolalischen Begegnung der Geisttaufe als „schöpferische Kraft“ erfahren wird. Gläubige Christen, die Glossolalie in diesem Jahrhundert erfahren haben, sind ein Widerhall der Lehre der Schrift,18 dass die Geisttaufe eine „Bevollmächtigung“ zum Leben als Christ mit sich bringt. J. Rodman Williams – der den einzigartigen Beitrag der frühen Pfingstbewegung in dieser Verbindung von Geisttaufe und Glossolalie erkannte – identifizierte im folgenden Zitat den Empfang einer „dringend benötigten“ Bevollmächtigung mit einem „entscheidenden Durchbruch“, den die Pfingstbewegung verkörperte: Die pfingstliche Bewegung entstand nicht durch eine hochrangige Konferenz von Theologen, Bibelexperten oder eines ökumenischen Rats, sondern durch einfache Christen, die auf neue Weise eine lang vernachlässigte Frage stellten – eine Frage nicht zur Inkarnation und Sühne, nicht zu Sakramenten, nicht zu dienstlichen Ordnungen oder Ähnlichem, sondern zur Kraft, die sie im neutestamentlichen Zeugnis sahen. Sie spürten, dass diese Kraft in ihrem Leben und ihrer Erfahrung fehlte, oder aber ziemlich gering war. So wurde zur dringenden Frage: Was ist das Geheimnis der Wiederentdeckung jener Kraft? Und was sie im Grunde entdeckten, war der „heiße Draht“ des Neuen Testaments, nämlich das Kommen des Geistes durch Jesus Christus – zu denen, die wahrlich an ihn glaubten – das mit einer solchen Kraft geschieht, dass sie ihre Existenz durchdringt und durchflutet, um bislang unerkannte und unbekannte Kräfte zum Lobpreis Gottes, zum mächtigen Zeugnis mit begleitenden „Zeichen und Wundern“ und zur Errichtung einer pneumatischen Ordnung des ganzen Lebens der christlichen Gemeinschaft freizusetzen.19

Andere Forscher und Gelehrte – Beteiligte sowie sympathisierende Beobachter der Beteiligten – zeigen an, dass die Erfahrung schöpferischer Kraft, welche die frühe Pfingstbewegung charakterisierte, bei gegenwärtigen Zungenrednern ihre 18 Die Schrift lehrt, dass Glossolalie als Begleiterscheinung der Geisttaufe eine Erfahrung der „Kraft aus der Höhe“ war (Lk 24,49; vgl. Apg 1,8; 2,4.33), dass Glossolalie als Gebetssprache eine neue schöpferische Kraft mit sich brachte, um in Mysterien zu Gott im Geist zu sprechen und somit sich selbst zu erbauen (1Kor 14,2), und dass Glossolalie, wenn in der Gemeinde ausgelegt, eine schöpferische Kraft als ein Zeichen des Gerichts besaß, das einen Außenstehenden dazu bewegen konnte sein „Amen“ zu den dargebrachten Danksagungen zu sprechen und darin erbaut zu werden (1Kor 14,16.17.21 – 28). 19 Williams: The Pentecostal Reality, S. 50. Wenngleich Williams eine positive Einschätzung der frühen Pfingstbewegung hinsichtlich ihrer Entdeckung der Kraft für das christliche Leben abgibt, meldet er seinen Einspruch gegen die klassische pfingstliche Sicht der Zungenrede als dem „Anfangserweis“ der Geisttaufe an.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 307

Fortsetzung findet. Gerlach und Hine charakterisierten Glossolalie in ihren Forschungen zur amerikanischen Pfingstbewegung nicht nur als eine „hochgradig motivierende Erfahrung“, sondern auch als eine „krafterzeugende Handlung“, die „den Gläubigen in gewisser Weise vom größeren sozialen Kontext absetzt, ihn [oder sie] von vergangenen Verhaltensmustern und manchmal von früheren Verbindungen trennt, ihn [oder sie] mit anderen Teilnehmern der Bewegung identifiziert und eine hohe Motivation für Verhaltensänderung bietet.“20 In ähnlicher Weise beobachteten Stagg, Hinson und Oates: „In fast allen Fällen, haben die Empfänger der Gabe der Zungen von einem ,Gefühl‘ der Kraft gesprochen, das der Erfahrung vorausgeht.“21 Basierend auf seiner zehnjährigen Studie zur neopfingstlichen Glossolalie berichtete John Kildahl: „Eines der Charakteristika, das von den Zungenrednern ohne Unterschied erwähnt wurde, war ein größeres Gefühl der Kraft.“22 Margaret Poloma stimmt auf der Basis ihrer Forschungen zur Glossolalie mit dem Befund von H. Newton Maloney und A. Adams Lovekin überein, dass Zungenrede eine religiöse Erfahrung antreibt, welche die „Transzendenzdeprivation“ überwindet und „die sozialen Strukturen durchbricht“, was eine Ideologie der Opposition sowie die Beteiligung an informellen religiösen Organisationen legitimiert.23 Frank D. Macchia interpretiert Zungen als Teil der epiphanen Zeichen und Wunder von Gottes mächtiger und freier Selbstoffenbarung, die eine freie Antwort auf Gott signalisiert, welche die menschliche Würde aufrechterhält und zur liebenden Teilnahme an der Befreiung und Erlösung der Welt ermutigt.24 Eldin VillafaÇe sieht die pfingstliche Geisttaufe als eine Eingliederung der Gläubigen in das historische Projekt der Gottesherrschaft und als Bevollmächtigung der Kirche in ihrer Mission der Befreiung der Unterdrückten.25 Harvey Cox sieht die Zungenrede als Wiederentdeckung einer kraftvollen Spiritualität, die in einer ursprünglichen Sprache, ursprünglichen Frömmigkeit und ursprünglichen Hoffnung verwurzelt ist und die spirituelle Krise des 21. Jahrhunderts – nämlich dessen „Defizit an Ekstase“ – mit einer „Sprache des Herzens“ anspricht.26 Walter Hollenweger argumentiert, dass Glossolalie den Armen und Marginalisierten eine Stimme in einer Basis-

20 Gerlach, Luther P.; Hine, Virginia H.: Five Factors Crucial to the Growth and Spread of Modern Religious Movements. In: Journal for the Scientific Study of Religion 7, Nr. 1 (1968), S. 23 – 40, hier S. 32 – 33. [Einfügungen M. D.] 21 Stagg, Frank; Hinson, E. Glenn; Oates, Wayne E.: Glossolalia: Tongue Speaking in Biblical, Historial, and Psychological Processes. Nashville, TN: Abingdon Press, 1967, S. 15. 22 Kildahl, John P.: The Psychology of Speaking in Tongues. New York: Harper & Row, 1972, S. 83. 23 Poloma, Margaret: The Assemblies of God at the Crossroads: Charisma and Institutional Dilemmas. Knoxville, TN: University of Tennessee Press, 1989, S. 37. 24 Macchia, Frank D.: Sighs too Deep for Words: Towards a Theology of Glossolalia. In: Journal of Pentecostal Theology 1 (1992), S. 47 – 73. 25 Villafan˜e, Eldin: The Liberating Spirit: Toward an Hispanic American Pentecostal Social Ethic. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1993, S. 163 – 222. 26 Cox, Harvey : Fire from Heaven: The Rise of Pentecostal Spirituality and the Reshaping of Religion in the Twenty-First Century. London: Cassell, 1995, S. 81 – 122.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

308

Murray W. Dempster

bewegung der sozialen Transformation verleiht.27 Cheryl Bridges Johns legt dar, dass die Zungenrede zur postmodernen dekonstruktiven Agenda passt, indem sie Sprache als Macht demontiert.28 Neben dieser Bezeugung durch Forscher und Gelehrte, die dem Zeugnis des biblischen Berichts Bestätigung verleiht, zeigt die Struktur der glossolalischen Erfahrung selbst an, dass „schöpferische Kraft“ der Begriff für die Beschreibung der in der Zungenrede begegnenden göttlichen Realität ist, der ihr Wesen am besten erfasst. Erstens ist die Zungenrede eine „Kraft“, die aus der existenziellen Begegnung mit Gott hervorgeht. Der Heilige Geist gibt das Aussprechen, so dass die Kraft zur Zungenrede als Antwort auf die göttliche Realität durch den Geist erzeugt wird. Obwohl eine Person ihre eigene Zunge zum Aussprechen der Äußerung benutzt, sind die in der Glossolalie verwendeten Worte und Wendungen durch eine Kraft gegeben, die in der GottMensch-Begegnung als indigenes Moment auftritt. Zweitens ist die Zungenrede eine Erfahrung „schöpferischer“ Kraft, denn eine Person gebraucht Worte und Wendungen in Verbindung mit Sprachmustern, die auf schöpferische und imaginative Weise in der Begegnung mit der göttlichen Gegenwart auftreten. Der Heilige Geist bezwingt weder die Sprache einer Person noch zwingt er ein Individuum in ein göttliches Sprachmuster. Vielmehr erzeugt die Kraft, die auf den Geist einer Person einwirkt, eine dem Individuum ehedem unbekannte Sprache als konstitutiven Teil der Gott-Mensch-Begegnung. Somit definiert „schöpferische Kraft“ am genauesten die Wurzel der göttlichen Realität, die in Glossolalie erfahren wird. Wenn aber das Modell eines theologischen Definismus zur Grundlegung einer pfingstlichen Individual- und Sozialethik dienen soll, dann muss die Bedeutung von „schöpferischer Kraft“ bestimmt werden. Sobald das Fundament der Ethik auf die als schöpferische Kraft erfahrene Realität Gottes gegründet wird, muss das auf jener existenziellen Erfahrung basierende Konzept der schöpferischen Kraft geklärt werden. Die Definition der schöpferischen Kraft wird es ermöglichen, dass die in der glossolalischen Begegnung zwischen Gott und Mensch in der Geisttaufe erfahrene Realität der schöpferischen Kraft in den moralischen Diskursen über ethische Rechtfertigung mit konzeptueller Klarheit wirkt. Auf der Grundlage der glossolalischen Begegnung, würde „Kraft“ die Fähigkeit bedeuten, Absicht in Handeln zu übersetzen. Obgleich die Absichten der in der Zungenrede erfahrenen schöpferischen Kraft nicht in rationaler Gestalt konzipiert und daher auch nicht durch den Zungenredner in kognitiver Weise verstanden werden können, so bleibt doch die Überzeugung – die 27 Hollenweger, Walter J.: Pentecostalism: Origins and Developments Worldwide. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1997, S. 201 – 227. 28 Johns, Cheryl Bridges: Meeting God in the Margins: Ministry Among Modernity’s Refugees. In: Zyniewicz, Matthew (Hg.): The Papers of the Henry Luce III Fellows in Theology, Bd. 3. Atlanta, GA: Scholars Press, 1999, S. 71 – 31; zitiert nach: Glossolalia. In: Fahlbusch, Erwin u. a. (Hg.): The Encyclopedia of Christianity, Bd. 2. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2001, S. 416.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 309

sowohl von der eigenen Erfahrung als auch vom biblischen Zeugnis her geprägt ist –, dass Gott die in der Glossolalie artikulierten Mysterien versteht, und dass der Gläubige durch die Kraft des Geistes betet, wie er „soll“, im Einklang mit dem Willen Gottes (1Kor 14,2; Röm 8,26 – 27). Auf Basis der glossolalischen Begegnung zwischen Gott und Mensch, würde „schöpferisch“ die Fähigkeit bezeichnen, neue und vorher ungeahnte Möglichkeiten aus existierenden Realitäten hervorzubringen, so dass die neu erzeugte Gestalt der Dinge einen authentisch neuen Charakter verliehen bekommt. In genau diesem gerade definierten Sinne ist Glossolalie eine durch den Geist hervorgebrachte „schöpferische“ Sprache. Vor dem Hintergrund des „erlernten Verhaltens“ einer Muttersprache – und vielleicht in einigen Fällen der Kenntnis anderer Sprachen – mit ihren Alphabeten, Silben, Phonemen, Wendungen und anderen linguistischen Paraphernalien, formt der Heilige Geist auf schöpferische Weise eine neue und vorher nicht erdachte Sprache, die in keine der bekannten Strukturen semantischer Systeme auf systematische Weise passt.29 Zusammengefasst meint „schöpferische Kraft“ also die Fähigkeit in 29 Die Forschungen von William J. Samarin sind besonders hilfreich, um die besondere Weise zu ergründen, in der die Zungenrede ein erlerntes Verhalten ist. Anders als die Studien von Felicitas Goodman (Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia. Chicago, IL: University of Chicago Press, 1972), John Kildahl (Psychology) und E. Mansell Pattison (Behavioral Science Research on the Nature of Glossolalia. In: Journal of the American Scientific Affiliation 20 (1968), S. 73 – 86), die betonen, dass Glossolalie ein erlerntes Verhalten sei, insofern sie durch einen praktizierenden Zungenredner eintrainiert wird, bzw. ein linguistisches Modell in der charismatischen kulturellen Umgebung besitzt, das imitiert wird, stellt Samarin (Glossolalia as Learned Behavior. In: Canadian Journal of Theology 15, Nr. 1 (1969), S. 60 – 64) heraus, dass Glossolalie von einem linguistischen Standpunkt aus durch eine schöpferische Umgestaltung des einer Person eigenen Warenlagers gesprochener Klänge erlernt wird. (60) (Freilich kann die Wissenschaft der Linguistik die Quelle dieser schöpferischen Umgestaltung mit der eine neue Sprache erlernt wird – menschlich oder göttlich – nicht eruieren.) Samarins Forschungen spielen daher die Idee der zu imitierenden phonetischen Modelle herunter und verweisen auf „die geringe Bedeutsamkeit wenn nicht gar Irrelevanz von Anweisungen beim Erlernen der Glossolalie.“ (62) Obgleich er es als eine empirische Tatsache ansieht, dass die Praxis der Glossolalie durch den Kontakt mit der charismatischen Subkultur phonetisch beeinflusst werden kann, behauptet Samarin, dass eine Person nicht durch phonetisches Training oder Nachahmung „lernt, in Zungen zu reden.“ (64) In seiner späteren Studie, Tongues of Men verwendet Samarin den Begriff des erlernten Verhaltens um die Idee vorzubringen, dass Glossolalie als linguistisches Phänomen unabhängig von jedem emotionalen oder psychologischen Zustand des Zungenredners vorkommen kann. Kilian McDonnell bot in seiner eigenen Einschätzung und Zusammenfassung von Forschungen wie denen Samarins folgende ausgewogene Perspektive: „Zungen sind sehr wahrscheinlich erlerntes Verhalten. Das bedeutet nicht, dass ein Zungenredner notwendigerweise ein Muster glossolalischer Äußerungen von jemand anderem erlernt, wenngleich dies möglich ist und in einigen pfingstlich-charismatischen Gruppen passiert. Sie ist in einem viel generelleren Sinne erlerntes Verhalten, nämlich indem von Mustern geprägte Vokalisation ein erlerntes Verhalten ist und Klänge benutzt werden, die bereits im Sprachschatz vorhanden sind […] Dass Zungenrede erlerntes Verhalten ist, beeinträchtigt nicht ihre Verwendung als Gabe des Geistes. Eine übertriebene übernatürliche Sicht der Gaben sollte vermieden werden. Eine Gabe des Geistes ist nicht notwendigerweise eine völlig neue Begabung, eine neue Fähigkeit außerhalb der zum vollen Menschsein gehörigen. Eine Gabe

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

310

Murray W. Dempster

Übereinstimmung mit einer Absicht (die Gott bekannt ist) zu handeln (der Geist gibt das Aussprechen), indem neue und vorher ungeahnte Möglichkeiten (glossolalische Äußerungen) aus bereits existierenden Realitäten („erlerntes Verhalten“ einer Muttersprache) hervorgebracht werden, so dass die neu konstituierte Form der Dinge einen authentisch neuen Charakter verliehen bekommt (Geist-getaufte und Geist-begabte christliche Gemeinschaft, beauftragt, Gottes Werk in der Welt zu tun). Obwohl die besondere Aufgabe der metaethischen Reflexion darin besteht, das Wesen der Realität zu definieren, die zur Grundlegung und nachfolgenden Begründung ethischer Normen dient, impliziert die metaethische Reflexion über Gott als „schöpferische Kraft“ auch wenigstens zwei Merkmale einer pfingstlichen Ethik, die alles nachfolgende Denken über ethische Normen und sittliches Handeln prägen. Erstens impliziert die glossolalische Begegnung zwischen Gott und Mensch, dass die pfingstliche Ethik eine theozentrische Ethik ist.30 Sie ist eine Ethik, die zuallererst durch einen Lebensweg gekennzeichnet ist, der sich aus einer Beziehung mit Gott ergibt, da diese Beziehung von, durch und mit Jesus Christus und dem Heiligen Geist begründet wird. Glossolalie als eine Bevollmächtigung durch den Geist, geprägt durch existenzielle Teilhabe am Erlösungsereignis Jesu Christi, bewirkt eine radikale Orientierung des Gläubigen am lebendigen Gott. Als eine durch und durch theozentrische Ethik, bekräftigt die pfingstliche Ethik daher die fundamentale Überzeugung, dass Gott und nur Gott die endgültige, unfehlbare Autorität des sittlichen Lebens ist. Glossolalie repräsentiert daher in existenzieller Gestalt, was Paul Tillich das protestantische Prinzip nannte – die Erkenntnis, dass „der unendliche Abstand zwischen Gott und Mensch […] niemals überbrückt werden [kann], er ist identisch mit der Endlichkeit des Menschen“31 Das kann eine natürliche Fähigkeit sein, ausgeübt in der Kraft des Geistes und ausgerichtet auf den Dienst in Christi Reich […] Diese Sichtweise schmälert in keiner Weise den von vielen Pfingstlern und Charismatikern behaupteten übernatürlichen Charakter der Gabe der Zungen. Der Unterschied in der theologischen Erklärung liegt nicht darin, dass die eine Sicht von einer Gegenwart der Kraft Gottes ausgeht und die andere von deren Abwesenheit. Vielmehr liegt der theologische Unterschied zwischen beiden Sichten in der größeren Frage, wie man die Beziehung von Natur und Gnade versteht“, McDonnell, Kilian: Charismatic Renewal and the Churches. New York: Seabury Press, 1976, S. 154 – 156 [Auslassungen M. D.]. Die Ansichten McDonnells und Samarins liegen den in diesem Aufsatz vorgebrachten metaethischen Definitionen von schöpferischer Kraft zu Grunde. Glossolalie als ein linguistisches Phänomen bestimmt das metaethische Muster für theologische und ethische Normativität, in der Gottes Kraft handelt, um neue und vorher ungeahnte Möglichkeiten aus den konkreten Realitäten der menschlichen Natur, Kultur und Geschichte zu schaffen. 30 Diese Charakterisierung theozentrischer Ethik ist in großen Teilen H. Richard Niebuhrs Analyse der evangelischen Ethik entlehnt, die sich in folgendem Artikel findet: Niebuhr, H. Richard: Evangelical and Protestant Ethics. In: Arndt, Elmer J. F. (Hg.): The Heritage of the Reformation: Essays Commemorating the Centennial of Eden Theological Seminary. New York: Richard R. Smith, 1950, S. 211 – 229. 31 Tillich, Paul: Systematische Theologie, Bd. III: Das Leben und der Geist: Die Geschichte und das Reich Gottes. Stuttgart: Evangelisches Verlags-Werk, 1966, S. 275. Freilich hat Tillich selbst

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 311

„Gegenüber“ der nicht-empirischen Realität, das in der Glossolalie begegnet, markiert diese mit „einem definitiven Beiklang der Transzendenz“.32 Die Erfahrung der Glossolalie heftet ins Bewusstsein des Gläubigen, dass Menschen in der göttlichen Gegenwart eine „unbekannte Zunge“ sprechen. Menschliches Verständnis mit seinen rationalen Kategorien und systematisch-theologischen und ethischen Interpretationen wird transzendiert und in eine Sprache des Geistes transformiert, wenn der Gläubige in direkter Beziehung zum lebendigen Gott steht. „Um die buchstäbliche eindeutige Interpretation der Realität zu durchbrechen, die unsere pseudowissenschaftliche säkulare Kultur verspricht“, bemerkte Robert Bellah, „ist es notwendig, dass Religion eine ungewöhnliche Realität kommuniziert, die in die gewöhnliche Realität einbricht und deren Anmaßungen entlarvt.“33 Wenn sie von dieser Perspektive her betrachtet wird, führt Glossolalie den Geist der prophetischen Kritik in die christliche Gemeinschaft ein, und dies aufgrund des allgegenwärtigen götzendienerischen menschlichen Hangs, das Relative absolut zu setzen, indem die Autorität des menschlichen Verständnisses über Gott für Gott selbst eingesetzt wird. Geschult in einer metaethischen Analyse Gottes als „schöpferischer Kraft“ in der glossolalischen Begegnung zwischen Gott und Mensch, blickt die pfingstliche Ethik – mit ihrer radikalen Orientierung auf Gott – mit und durch die Traditionen und die Sakramente der Kirche auf den zugegeben, dass obwohl das protestantische Prinzip Teil eines theologischen Systems sein muss, das Prinzip allein nicht genügt, um eine angemessene Sicht auf die Kirche und ihre Verantwortung in der Welt zu entwickeln. Er schreibt: „Die Geistgemeinschaft macht Fanatismus unmöglich, denn wo Gott gegenwärtig ist, kann kein Mensch sich rühmen, Gott zu besitzen. […] In anderem Zusammenhang habe ich diese Wahrheit als das ,protestantische Prinzip‘ bezeichnet. […] Das ,protestantische Prinzip‘ ist Ausdruck für die Überwindung der Religion durch den göttlichen Geist und damit Ausdruck für den Sieg über die Zweideutigkeiten der Religion – ihre Profanisierung und Dämonisierung. […] Das protestantische Prinzip (das eine Manifestation des prophetischen Geistes ist) ist weder auf die Kirchen der Reformation beschränkt noch auf irgendeine andere Kirche. Als Ausdruck der Geistgemeinschaft transzendiert es jede einzelne Kirche. Es ist von jeder Kirche verleugnet worden, selbst von den Kirchen der Reformation; aber es ist in jeder Kirche wirksam – auch in der Kirche der Gegenreformation – als die Macht, die die völlige Profanisierung und Dämonisierung der christlichen Kirchen verhindert. Das protestantische Prinzip allein genügt jedoch nicht; die katholische Substanz, die konkrete Verkörperung der Gegenwart des göttlichen Geistes ist ebenso notwendig, aber sie ist dem Kriterium des protestantischen Prinzips zu unterwerfen. Im protestantischen Prinzip siegt der göttliche Geist über die Religion.“ (S. 281) Karl Barth trägt im Grunde dasselbe Argument vor, ohne dass er es zu einem Prinzip formalisiert, wenn er behauptet, dass die erste Kritik der Theologie Selbstkritik ist, denn Theologie ist menschliches Wort über Gott. Barth, Karl: Einführung in die evangelische Theologie. Zürich: EVZ-Verlag, 1962, S. 27. 32 In seinem Aufsatz „Transcendence in Contemporary Piety“ behauptete Robert Bellah, dass die Erfahrung einer von uns, unseren Gesellschaften oder unseren Kulturen unabhängigen „Realität gegenüber zu stehen“, das ist, was die Idee der Transzendenz in der Struktur gegenwärtigen religiösen Bewusstseins unterscheidet. S. Bellah, Robert N.: Transcendence in Contemporary Piety. In: Ders.: Beyond Belief: Essays on Religion in a Post-Traditional World. New York: Harper & Row, 1970, S. 196 – 208, hier v. a. S. 196 – 198. 33 Bellah: Between Religion, S. 245.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

312

Murray W. Dempster

Herrn der Kirche; sie blickt mit und durch die Bibel auf den Gott der Schrift; sie blickt mit und durch Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi auf den Gott, der sich selbst in diesem erlösenden Ereignis offenbart; sie schaut mit und durch die Gewissheit der pneumatischen Erfahrung auf den Gott, der in dieser spirituellen Begegnung offenbart wird; sie ist eine Ethik mit dem Zentrum ihrer Loyalität in Gott als dem Einen, der in seinem Charakter, Willen und Handeln die Normen des sittlichen Lebens definiert. Sicherlich kann Gottes moralischer Charakter als ein absoluter ethischer Standard gesetzt werden, gegen den alle menschlich ersonnenen moralischen Codes relativiert werden. Doch eine nützliche Umsetzung des theologischen Definismus muss auch die moralischen Tugenden in Gottes eigenem ethischen Charakter identifizieren, die Gottes mächtige Taten in der menschlichen Geschichte zur Vollendung seiner erlösenden Absicht prägen. Anders ausgedrückt, damit diese Analyse des theologischen Definismus, die sich auf Gottes „schöpferische Kraft“ konzentriert, zur Identifikation ethischer Normen und Führung des ethischen Lebens hilfreich sein kann, muss weiter herausgearbeitet werden, welche spezifischen moralischen Ziele Gott unter Verwendung seiner schöpferischen Kraft verwirklicht. Wenn wir die biblische Geschichte durch die Linse der Erlösung betrachten, bemerken wir, dass der Gott, der als schöpferische Kraft im Pfingstereignis handelt, mit jenem Ereignis im lukanischen Erzählschema das letzte Kapitel der Geschichte seiner mächtigen erlösenden Taten schrieb.34 Die Ankunft des Geistes stand im Zentrum der lukanischen Darstellung der Kirche als einer eschatologischen Gemeinschaft, einer Gemeinschaft, die bereits in ihrer koinonia ein sichtbares Zeugnis für die zukünftige Erlösungsordnung des Lebens gibt. Jenes sichtbare Zeugnis der Zukunft ereignete sich, als die „Geisttaufe […] die Kirche in ihrem körperschaftlichen Leben bevollmächtigte, Zeugnis von der moralischen Dynamik des Evangeliums abzulegen, das Menschen verwandelt, tief sitzende Vorurteile verändert und Beziehungen neu strukturiert, so dass die in die glaubende Gemeinschaft eingegliederten Teilnehmer in Christus gleichermaßen wertgeschätzt wurden.“35 Das Kommen des Heiligen Geistes und die Schöpfung einer eschatologischen Gemeinschaft 34 Diese eschatologische Interpretation, die das Pfingstereignis als Zeichen der „letzten Tage“ im Drama der Erlösungsgeschichte sieht, korrespondiert eng mit Donald Gelpis theologischer Deutung der pfingstlichen Erfahrung: „Die pfingstliche Erfahrung ist ein anhaltender historischer Moment innerhalb der kollektiven charismatischen Erfahrung der Menschheit. Sie kennzeichnet das letzte Zeitalter der Erlösung. Die apostolische Kirche erlebte das erste Pfingsten nicht als die erste Ausgießung des Geistes, sondern als die endgültige eschatologische Ausgießung, die vom Propheten Joel vorausgesagt und durch den Tod und die Verherrlichung des Sohnes Gottes vermittelt worden war. Daher schien die apostolische Kirche die pfingstliche Erfahrung als einen Moment in der Geschichte angesehen zu haben, der durch die charismatische Aktivität desselben Geistes Christi vorbereitetet worden war, der auch das Volk Israels in das Volk Gottes hatte umwandeln wollen.“ Gelpi, Donald: Pentecostalism: A Theological Viewpoint. New York: Paulist Press, 1971, S. 102 – 103. [Hervorhebung D. G.] 35 Dempster : Church’s Moral Witness, S. 6, Anm. 5.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 313

von Geist-erfüllten Gläubigen wurde später von Johannes dem Seher der Offenbarung mit der zukünftigen Vollendung aller Dinge in einem neuen Himmel und einer neuen Erde verbunden. (Offb 1,10; 4,2; 21,1 – 4.10; 22,1 – 5). Eine Analyse des Pfingstereignisses und der Ereignisse, in denen Gott in schöpferischer Kraft in Kontinuität mit Pfingsten handelte, bietet das notwendige interpretative Bezugssystem, in dem Gottes eigener Charakter und seine mächtigen Taten von einem moralischen Blickpunkt aus definiert werden können, und dient damit als Basis zur Identifizierung der ethischen Normen für die glaubende Gemeinschaft. Vier Epochen im biblischen Drama der Erlösungsgeschichte – der Exodus, das Aufkommen der prophetischen Bewegungen, die Ankunft Jesu Christi und das Pfingstfest – werden durch Ereignisse eingeleitet, in denen Gottes schöpferische Kraft im Hinblick auf spezifische, in Gottes eigenem Charakter und Handeln wurzelnde Erlösungsziele ausgeübt wird. Eine Identifikation der moralischen „Gestalten“ der in diesen Ereignissen zu findenden mächtigen Taten Gottes wird zugleich sowohl die theologische Darstellung von Gottes eigenem Charakter und Handeln genauer bestimmen als auch die ethischen Normen für menschliches Handeln, die mit Gottes Handeln in schöpferischer Kraft übereinstimmen; derselben schöpferischen Kraft, die in der glossolalischen Begegnung zwischen Gott und Mensch erfahren wird.36 In der Exoduserzählung wird Gottes schöpferische Kraft konkret in der moralischen „Gestalt“ der Befreiung der Unterdrückten von religiöser, politischer und wirtschaftlicher Unterdrückung bekundet.37 Das gemeinsame 36 Diese Methode zur Erkenntnis der normativen Ethik, die mit Gottes Handeln korrespondiert, indem sie die moralischen „Gestalten“ beobachtet, welche Gottes schöpferische Kraft in menschlicher Geschichte annehmen kann, borgt bewusst ein epistemologisches Verfahren von Karl Barth. Im Versuch, seine Dogmatik im Wort Gottes zu begründen, blickte Barth auf die „Gestalten“, in denen das Wort Gottes gehört wird. Indem er die „Gestalten“, in denen sich Gott offenbart, feststellt, versuchte Barth seine Theologie in der Realität dessen zu begründen, was Gott in jenen „Gestalten“ offenbarte. Barth identifizierte Jesus Christus als geoffenbarte „Gestalt“ des Wortes Gottes, die kerygmatische Predigt der Kirche als die verkündigte „Gestalt“ des Wortes Gottes und die Bibel als die geschriebene „Gestalt“ des Wortes Gottes. Diese dreifache Gestalt verwies auf den Ort, an dem das Wort Gottes gehört werden konnte, da sie die „Gestalten“ sind, in denen Gott sich selbst offenbart. Doch Barth betonte, dass es nicht drei verschiedene [sic] Worte Gottes gibt, sondern drei Gestalten des einen Wortes Gottes. Barth, Karl: Kirchliche Dogmatik, Bd. I/1: Die Lehre vom Wort Gottes; 1. §§ 1 – 7. Zürich: Theologischer Verlag, 1986, S. 89 – 128. [M. D. verwendet die Übersetzung G. T. Thomsons, 1936.] In analoger Weise schlage ich vor, in der Skizzierung einer normativen Ethik, die Gottes schöpferischer Kraft entspricht, die moralischen „Gestalten“ zu identifizieren, die Gottes mächtigem Handeln Form verleihen, wie es sich in der menschlichen Geschichte offenbart. Die moralischen „Gestalten“ von Gottes Handeln bilden eine Basis zur Erkenntnis der ethischen Normen, die mit Gottes schöpferischer Kraft korrespondieren – derselben schöpferischen Kraft, die in der glossolalischen Begegnung zwischen Gott und Mensch in der Geisttaufe erfahren wird. 37 S. insbes. Ex 2,23; 3,6 – 10.19 – 20; 4,2 – 9; 12,51 – 13,3; 20,2 für textliche Belege dieser moralischen Beschreibung. Eine Durchsicht durch den wachsenden Korpus der Literatur der Befreiungstheologie wird die Bedeutung des Exodusereignisses als grundlegendes theologisches Paradigma zum Verständnis der politischen Aktivität Gottes aufzeigen. Von besonderer Be-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

314

Murray W. Dempster

Zentrum der prophetischen Bewegungen – sowohl die früheren Propheten des 8. Jahrhunderts als auch die späteren Propheten – liegt in der Verkündigung einer sozialen Gerechtigkeit, die im Sozialleben, der politischer Ordnung und den wirtschaftlichen Verteilungsstrukturen Israels aufgerichtet werden soll. Obwohl sie zu verschiedenen Phasen des nationalen Dramas von drohender Gefangenschaft, Exil und des zukünftigen Tags des Herrn sprechen, teilen die Propheten die Überzeugung, dass Gottes schöpferische Kraft die moralische „Gestalt“ eines Eintretens für soziale Gerechtigkeit für die Armen, Bedürftigen und Ausgebeuteten annimmt, und sie glauben an die Errichtung des Schalom.38 In Gottes mächtigen Handeln in Jesus Christus wird seine schöpferische Kraft in der moralischen „Gestalt“ einer bedingungslosen Liebe, die den Bedürfnissen des Nächsten dient, konkret offenbar.39 Zu Pfingsten zeigt sich deutung aufgrund seiner ethischen Analyse des Konzepts der Befreiung ist Dussel, Enrique D.: Ethics and the Theology of Liberation. Maryknoll, NY: Orbis Books, 1978. Der theologische Ethiker Ogletree, Thomas L.: The Gospel as Power: Explorations in a Theology of Social Change. In: Marty, Martin E.; Peerman, Dean G. (Hg.): New Theology No. 8. New York: Macmillan, 1971, S. 173 – 209 hat die Sozialethik der Befreiung – wie vor allem in Jesu ReichGottes-Lehre zum Ausdruck gebracht – im konkreten Kontext der amerikanischen Studentenbewegung und der Black-Power-Bewegung der späten 1960er und frühen 1970er erörtert. Wenngleich die Themen schon ein wenig veraltet scheinen mögen, liegt die Bedeutung von Ogletrees Herangehensweise für diesen Aufsatz darin, dass Ogletree die moralischen Probleme der Macht in gegenwärtigen sozialen und politischen Prozessen unter der Voraussetzung untersucht, dass jene „schöpferische Kraft […] die primäre Kategorie für die Äußerung der göttlichen Realität“ ist. (175) 38 Diese moralische Charakterisierung soll nicht die erheblichen Differenzen in der prophetischen Beschreibung des Tags Jahwes überdecken. Obwohl Amos und Jesaja zum Beispiel verschiedene Vorstellungen zur Rolle der Heiden in der Welt des zukünftigen Tags des Herrn haben, sehen beide „jenen Tag“ als einen Tag des harmonischen Schalom, ganz gleich ob durch Ausschluss der Heiden (Amos) oder durch ihren Einschluss (Deuterojesaja). Vgl. Am 9,1 – 15, insbes. 13 – 15 und Jes 55,1 – 13; 56,1 – 8; 65, 17 – 25. Wenn auch Gottes Wille für soziale Gerechtigkeit für Amos am zentralsten ist (2,6 – 8; 4,1 – 3; 5,4 – 7.10 – 15.21 – 24; 8,4 – 10), scheinen die Propheten alle die Perspektive zu teilen, dass das Problem der sozialen Gerechtigkeit im Land ein Schlüssel für das Verständnis von Gottes Gerichtshandeln über der Nation ist (Mi 3,8 – 12; 6,6 – 8; Hos 4,1 – 3; 10,11 – 15; 12,5 – 9; Jes [von Jerusalem] 1,16 – 17.21 – 23; 4,8 – 15; 5,7.18 – 23; 9,1 – 7; 10,1 f.; 11,1 – 9; 16,1 – 5; 25,1 – 4; 26,7 – 10; 28,16 f.; 30,18; 32,15 – 18; 33,15; Jer 4,1 f.; 5,1.26 – 29; 7,1 – 7; 9,23 f.; 12,1 – 4; 21,11 f.; 22,1 – 5.11 – 17; 34,8 – 22; Klgl 3,31 – 36; Ez 16,44 – 50; 18,1 – 23; 22,1 – 12; 33,10 – 16; Dan 4,24 – 27.34 – 37; [Deutero-]Jes 41,17 – 20; 42,1 – 4; 56,1 f.; 58,6 – 10; 59,1 – 15; 61,1 – 9; Joel 3,1 – 8; Jona 3,4; Hab 1,1 – 4; 2,6 – 14; Zef 2,3; 3,5.17 – 20; Sach 7,9 – 14; 8,14 – 17; Mal 2,15 – 17; 3,4 – 12). Für eine ausgezeichnete aber knappe ethische Exposition zur prophetischen Literatur, s. White, R. E. O.: Biblical Ethics. Atlanta, GA: John Knox Press, 1979, S. 22 – 29. 39 Diese moralische Charakterisierung wurzelt in mehreren neutestamentlichen Quellen, welche die moralische Bedeutung des Christusereignisses analysieren. Die Evangeliumstradition präsentiert Bruderliebe (Joh 13,3 – 35), Nächstenliebe (Mt 22,34 – 40 = Mk 12,38 – 34 = Lk 10,25 – 37) und Feindesliebe (Mt 5,43 – 48) als die kennzeichnenden Merkmale der Jünger Jesu, die Jesu Proklamation von Gottes Königsherrschaft gefolgt waren. In ähnlicher Weise betont die paulinische Tradition Liebe als das moralische Prinzip, das mit dem Glauben an Christus korrespondiert. In Röm und 1Kor sieht Paulus die Nächstenliebe als die Erfüllung des Gesetzes und somit als das letztgültige moralische Prinzip, das jene regiert, die „in Christus“ sind (Röm 13,8 – 10; 14,1 – 5; vgl. 1Kor 8,1 – 13; 13). Im Philipperbrief sieht Paulus die Liebe „in Christus“ (2,1 f.)

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 315

Gottes schöpferische Kraft konkret in der moralischen „Gestalt“ der Initiierung einer neuen Menschheit, die durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Christi möglich wird.40 Im Licht dieser vier moralischen Formen von Gottes Handeln im biblischen Zeugnis ist es wichtig, die essenzielle Einheit von Gottes schöpferischer Kraft zu betonen, die in dieser vierfachen Gestalt offenkundig ist. Wenn auch aufgrund der besonderen Erfordernisse und Eventualitäten, welche die Gestalt jeder einzelnen Ära in der Heilsgeschichte bestimmen, Gottes schöpferische Kraft unter bestimmten Blickwinkeln offenbar wird, gibt es keine Handlung schöpferischer Kraft, die etwa in einer bestimmten Zeitspanne soziale Gerechtigkeit befördert und dann von einer anderen Handlung schöpferischer Kraft abgelöst wird, die in einer anderen Zeitspanne wiederum bedingungslose Nächstenliebe demonstriert und so weiter. Stattdessen ist der Gott, der in schöpferischer Kraft handelt, um eine in seiner Einstellung der Knechtschaft vorgeführt. Im Galaterbrief erkennt Paulus die Liebe als die moralische Gestalt, die mit der Freiheit der Existenz in Christus korrespondiert (Gal 5,1 – 6.13 f.). Im Brief an die Kolosser sieht er die Liebe als das „Band der Vollkommenheit“, einer Einheit „in Christus“, in der „nicht mehr Grieche oder Jude, Beschnittener oder Unbeschnittener, Nichtgrieche, Skythe, Sklave, Freier, sondern alles und in allen Christus“ ist (Kol 3,1 – 14). Jakobus nennt die Liebe das königliche Gesetz, das Gesetz der Freiheit (Jak 2,8 – 12) und Johannes argumentiert, dass Bruderliebe die sichtbare Form der Gottesliebe sei, die das Bekenntnis des Gläubigen zu Jesus als dem Christus bestätigt (1Joh 3,17 f.; 4,20 f.; 5,1). Für eine umfassende exegetische Studie der moralischen Bedeutsamkeit von Liebe im neuen Testament, s. Furnish, Victor P.: The Love Command in the New Testament. Nashville, TN: Abingdon Press, 1972. Für eine Studie von der Perspektive der theologischen Ethik, s. Outka, Gene H.: Agape: An Ethical Analysis. New Haven, CT: Yale University Press, 1972. 40 Diese moralische Beschreibung stützt sich auf die Annahme, dass die Apostelgeschichte die lukanische Apologetik für einen universalen Einfluss des Evangeliums von Jesus Christus durch den Heiligen Geist repräsentiert. Die Zungenrede als sichtbares Zeichen der Ankunft des Heiligen Geistes wird als Organisationsschema für die lukanische Apologetik der universalen Verherrlichung des Sohnes durch den Heiligen Geist verwendet. In Apg 2 sind die Zungen das Zeichen, dass der Heilige Geist über die beim Pfingstfest versammelten Juden ausgegossen wird; in Apg 10,46 zeigt die Zungenrede die Teilhabe der Heiden an der Ausgießung des Geistes an; in Apg 19,6 zeigt sogar die Zungenrede die Teilhabe der fremden Johannes-Jünger in der Ausgießung des Geistes an. Wie Frank Stagg vorgeschlagen hat, „könnte es bedeutsam sein, dass in den drei Kapiteln, in denen Zungen erwähnt werden, das Evangelium zu einer neuen Gruppe durchbricht: Juden, gottesfürchtige Heiden und Nachfolger des Johannes, die nicht Christus gefolgt waren. Dies ist in Übereinstimmung mit Lukas’ Anliegen, den Fortschritt des Evangeliums durch Barrieren der Nationalität und Rasse hindurch nachzuzeichnen, in dem Bemühen, ,ungehindert‘ gepredigt zu werden.“ Stagg, Frank: Glossolalia in the New Testament. In: Ders.; Hinson, E. Glenn; Oates, Wayne E.: Glossolalia: Tongue Speaking in Biblical, Historial, and Psychological Processes. Nashville, TN: Abingdon Press, 1967, S. 20 – 44, hier S. 34. Vgl. Stagg, Frank: The Book of Acts: The Early Struggle for an Unhindered Gospel. Nashville, TN: Broadman, 1955, S. 54 – 56, 120 – 177. In diesem interpretativen Bezugssystem stellt Pfingsten den Beginn der „neuen Menschheit“ dar, die durch Tod, Auferstehung und Verherrlichung Christi möglich gemacht wurde. Die Apostelgeschichte ist Lukas’ Verkündigung der „neuen Menschheit“, einer „neuen Menschheit“, die Paulus in Eph 2,11 – 3,13 auch als „das Geheimnis Christi“ bezeichnet. Die Betonung liegt bei Lukas darauf, dass der Heilige Geist die handelnde „Kraft“ ist, welche die Zwischenwände von Klasse, Sozialstatus, Rasse, Geschlecht und Religion in der „Schöpfung“ der neuen Menschheit in Christus niederreißt. S. Dempster : Church’s Moral Witness, Anm. 5.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

316

Murray W. Dempster

neue Menschheit zu begründen und zu bevollmächtigen, derselbe Gott schöpferischer Kraft, der in bedingungsloser Liebe handelt, der zu Gunsten sozialer Gerechtigkeit und des Schalom handelt, und der handelt, um die Unterdrückten zu befreien. Daher verweist die Ausgießung des Geistes zu Pfingsten innerhalb des Bezugssystems der „mächtigen Taten Gottes“ auf ein Handeln von Gottes schöpferischer Kraft, das die eschatologische Gemeinschaft der Gläubigen begründet und sie dazu bevollmächtigt, der Brückenkopf einer neuen Menschheit zu sein, die von Freiheit, Gerechtigkeit, Schalom und bedingungsloser Liebe gekennzeichnet ist – ein Thema, das wir im nächsten Abschnitt zur normativen Ethik aufgreifen werden. Neben ihrer grundlegenden theozentrischen Orientierung legt eine metaethische Analyse der pfingstlichen Glossolalie eine zweite Leitlinie nahe, welche die normative ethische Reflexion prägt. Denn die glossolalische Begegnung impliziert auch, dass sich die pfingstliche Ethik auf das Handeln Gottes konzentriert. In der Erfahrung der Zungenrede handelt der Geist Gottes am Gläubigen, indem er das Aussprechen gibt, und der Gläubige antwortet in einem Sprechakt der Glossolalie, der an Gott gerichtet ist. Demgemäß sollte die pfingstliche Ethik von einer vorrangigen Orientierung des Gläubigen und der gläubigen Gemeinschaft am Handeln Gottes gekennzeichnet sein. Der Gott, der als „schöpferische Kraft“ erlebt wird, ist der Gott, der handelt. Gott handelt, um eine neue Menschheit zu begründen, die in einem neuen Himmel und einer neuen Erde existiert, gekennzeichnet von Freiheit, Gerechtigkeit und bedingungsloser Liebe, und er sendet den Heiligen Geist, um sein Volk dazu zu bevollmächtigen, Mittler des sozialen Wandels in seiner Mission des sozialen Wandels zu werden. Zwei wichtige Merkmale zum Wesen der pfingstlichen Ethik können in dieser metaethischen Analyse der Glossolalie der Geisttaufe erkannt werden – ihr fundamentaler theozentrischer Charakter und ihre Handlungsorientierung. Es ist die Aufgabe einer normativen Ethik im Licht dieser Metaethik, die ethischen Prinzipien und Ziele menschlichen Handelns zu identifizieren, welche mit Gottes Realität als schöpferischer Kraft korrespondieren.

Geisttaufe und die normative Ethik der symbolischen Veranlassung Auf der normativen Ebene wirkt sich die in der Geisttaufe geschehende glossolalische Begegnung zwischen Gott und Mensch in zwei wesentlichen Arten auf das ethische Denken aus. Erstens bietet die pfingstliche Glossolalie – wenn sie in einem biblischen Bezugssystem und der ethischen Denkstruktur „theologischer Indikativ–moralischer Imperativ“ interpretiert wird – einen Anhaltspunkt zur Identifizierung ethischer Normen für ein menschliches Handeln, das Gottes schöpferischer Kraft in ihrer moralischen Gestaltwerdung in der Heilsgeschichte entspricht. Zweitens regt die Erfahrung der

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 317

Glossolalie eine besondere Denkweise und ein besonderes Verhalten bezüglich der normativen Prinzipien einer pfingstlichen Ethik an. Zur Identifikation der ersten Bedeutungsdimension der Zungenrede für die normative ethische Reflexion ist es notwendig, die wesentliche ekklesialeschatologische Funktion zu beachten, welche die Zungenrede nach der biblischen Lehre erfüllt. In der paulinischen Theologie des Geistes hat die Glossolalie – wenngleich sie eine dem einzelnen Gläubigen verliehene Manifestation des Geistes ist – keinen primär individualistischen Zweck oder Funktion.41 Obwohl die Glossolalie der Erbauung des einzelnen Zungenredners dienen kann (1Kor 14,4), wird dem Zungenredner die Gabe der Zungen als Glied des Leibes Christi gegeben (1Kor 12,4 – 13.27 – 31), um sie für das allgemeine Wohl einzusetzen. Wenn sie zur Erbauung der Kirche ausgelegt werden, erfüllen Zungen ihr größeres Werk (1Kor 14,4 f.; 12,13), im Einklang mit ihrem ekklesialen (1Kor 12,7; 14,26 – 28) und ihrem vorletzten eschatologischen Zweck (1Kor 13,8 – 10).42 Die lukanische Theologie argumentiert ähnlich hinsichtlich des ekklesialen/eschatologischen Zwecks und Funktion der Zungen. In der Pfingsterzählung stellt Lukas die Ankunft des Geistes mit dem begleitenden Zeichen der Zungenrede als Bevollmächtigung der eschatologischen Gemeinschaft dar (Apg 1,8; 2,4; 16,17). Die „Galiläer“ sprechen in wundersamer Weise durch die Kraft des Geistes – wie Lukas es darstellt – in anderen Mundarten und erzählen „von den großen Taten Gottes“ (Apg 2,4 – 11). Mehr noch, durch die Predigt des Petrus erkennt Lukas in den Pfingstereignissen ein Zeichen „der letzten Tage“ – der Erfüllung der Verheißung Joels (Apg 2,14 – 21). Wie in der metaethischen Analyse bemerkt, wird daher die vom Phänomen der Rede in anderen Zungen begleitete Ausgießung des 41 Für einen hilfreichen und lesenswerten Überblick zu den besonderen persönlichen und ekklesialen Zwecken der Glossolalie in 1Kor 12.13.14, MacDonald, William Colt: Glossolalia in the New Testament. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1964, S. 12, 13. Die Studie ist ein Wiederabdruck eines Aufsatzes, der ursprünglich auf der Jahrestagung der Evangelical Theological Society am 28. Dezember 1963 in Grand Rapids, Michigan vorgetragen wurde. 42 Wenngleich die vorletzte eschatologische Note in Bezug auf die Charismen in 1 Kor 13,8 – 10 explizit benannt wird, gibt es auch implizite eschatologische Beiklänge in der Vielfalt/EinheitThematik jeder charismatischen Funktion im Leib Christi. An anderen Stellen des Briefs identifiziert Paulus den „Einheits“-Aspekt der Vielfalt/Einheit-Thematik als ein eschatologisches Ereignis. An einer früheren Stelle des Briefs, in der sich Paulus mit den schismatischen Spaltungen in Korinth (Paulus–Apollos–Kephas–Christus) auseinandersetzt, benutzt er diese „Vielfalt“, um auf die Einheit aller Glieder des Leibes Christi in der eschatologischen Zusammenfassung aller Dinge in Gott zu verweisen (1Kor 3,21 – 23). Später im Brief, als Paulus sich mit der Unterscheidung zwischen den „Entschlafenen“ und den Lebenden beschäftigt, zeigt er, dass diese Unterscheidung in der Einheit überwunden werden wird, wenn alle Dinge eschatologisch in Gott zusammengefasst werden (1Kor 15,17 – 28). Gleichermaßen verhält es sich mit den Charismen: die Vielfalt der Gaben verweist auf die Zeit der eschatologischen Zusammenfassung aller Dinge, „wenn aber kommen wird das Vollkommene“ (1Kor 13,8 – 12). Es scheint, als ob Paulus im 1. Korintherbrief die „Geheimnisse Gottes“, deren Haushalter er ist, als das versteckte Schema ansieht, nach dem Gott die gegenwärtige Vielfalt in der eschatologischen Zusammenfassung aller Dinge vereinen wird (1Kor 3,21 – 4,5).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

318

Murray W. Dempster

Geistes als ein bestätigendes Zeichen „der letzten Tage“ von Gottes mächtigen Taten dargestellt, womit das Pfingstereignis explizit mit den vorhergehenden Ereignissen der Heilsgeschichte verbunden wird. Ganz gleich ob die Metaphern organismisch (Paulus) oder ereignisorientiert (Lukas) sind, wird Glossolalie in beiden Theologien als eine Gabe des Geistes für die gläubige Gemeinschaft gesehen, welche den eschatologischen Zweck und die moralische Mission der Kirche kennzeichnet. Im Lukanischen Narrativ fungiert die Glossolalie als Apologie, um anzuzeigen, dass der Heilige Geist im Begriff stand, die Unterteilung der alten Sozialordnung zu zerbrechen und damit eine inklusive neue Lebensordnung in Christus zu schaffen. Als der Geist in Apg 2; 10 und 19 begleitet von Zungen kam: legte Lukas im Detail dar, wie die apostolische Gemeinschaft bevollmächtigt wurde, die moralischen Vorlieben und sozialen Vorurteile zu überwinden, die in den Wertunterscheidungen der alten Sozialordnung zwischen Mann und Frau, reich und arm, Jude und Heide angelegt waren, ja sogar die mit Unterschieden im religiösen Hintergrund verbundenen Vorurteile in der christlichen Gemeinschaft selbst. Die Kraft des Geistes verwandelte die apostolische Gemeinschaft in eine inklusive Gemeinschaft von Männern, Frauen, Reichen, Armen, Juden, Heiden, Jüngern des Täufers und Jüngern, die Jesus persönlich gefolgt waren. Dass alle Glieder der gläubigen Gemeinschaft als mit gleichem Wert und Geltung ausgestattete gesehen wurden, schrieb Lukas der schöpferischen Kraft des Geistes zu.43

Von einer moralischen Warte aus betrachtet, ist die Gemeinschaft des Glaubens somit durch den Geist mit der schöpferischen Kraft zur Teilhabe am Drama der Heilsgeschichte begabt, indem sie die moralischen Formen der menschlichen Befreiung, sozialen Gerechtigkeit, bedingungslosen Liebe und der neuen Menschheit in ihrer eigenen koinonia als Zeichen dafür aufnimmt, wie die eschatologische Zukunft aussehen wird. Es ist der theologische Indikativ von Gottes gnädiger Gabe des Geistes, der die in Gottes eigenem Charakter wurzelnden ethischen Normen mit Vollmacht ausstattet, so dass sie in der Gemeinschaft verwirklicht werden können. Doch die Praxis menschlicher Befreiung, sozialer Gerechtigkeit, bedingungsloser Liebe und der Formung einer neuen Menschheit, die Gottes ethischen Charakter und mächtige Taten reflektiert, läuft der menschlichen Natur und den tief verschanzten Werten der alten Sozialordnung zuwider. In der Konsequenz werden diese ethischen Normen als ein „Sollen“ erfahren. Obgleich diese ethischen Normen Gottes Charakter und Handeln beschreiben, schreiben sie auch die Art vor, wie Gottes Volk in Charakter und Verhalten sein soll. Das „Sollen“ des gerecht Seins und Handelns oder des bedingungslos liebend Seins und Handelns und so weiter zu erfahren, heißt nicht, einfach eine moralische Pflicht zu erfahren. Stattdessen ist das „Sollen“ ein Indikator der Gabe des Geistes und des Aufrufs zu einer verwirklichten Jüngerschaft. Es ist eine durch den Geist bevoll43 Dempster : Church’s Moral Witness, S. 5, s. Anm. 5.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 319

mächtigte menschliche Handlung, welche die in Gottes Charakter und Taten reflektierten ethischen Normen in menschliches Handeln übersetzt, das Liebe, Gerechtigkeit, Befreiung und die neue Menschheit in der Welt sichtbar macht. Mehr noch, solche Handlungen und Praktiken bieten ein greifbares Zeugnis für die moralische Authentizität der Glaubensgemeinschaft und dafür, wie die zukünftige Vollendung von Gottes Herrschaft aussehen wird.44 Es gibt eine zweite Bedeutung normativer Ethik, die zur Erfahrung der Glossolalie zu gehören scheint. Doch es sollte bereits deutlich geworden sein, dass es nicht darum geht zu beanspruchen, dass die Erfahrung der Glossolalie eine einzigartige Quelle von Normen für eine pfingstliche Ethik bietet. Obwohl Glossolalie einen Anhaltspunkt zur Identifikation von Normen im biblischen Zeugnis bieten mag, die Gottes schöpferischer Kraft entsprechen, muss sich der pfingstliche Gläubige, wie andere Mitchristen auch, der christlichen Tradition und ihren Schriften als Quelle für eine normative Ethik zuwenden. Aber in der ihr eigenen Natur bietet Glossolalie einen klar umrissenen Ansatz für die Weise, in der ein Glaubender über die normative Struktur einer pfingstlichen Ethik nachdenken und sich zu ihr verhalten sollte, und dieser besondere Ansatz zum ethischen Denken begründet eine Schlüsselbedeutung der Glossolalie für normative Ethik. Durch das ihr eigene Wesen ist Glossolalie ein Vorbild für die Notwendigkeit, rationales Denken in imaginatives Denken zu verwandeln und empirische Sprache mit symbolischer Sprache zu transzendieren, wenn die ethische Welt von der fundamentalen Realität „schöpferischer Kraft“ aus in den Blick genommen wird.45 Weil die in der Glossolalie angetroffene göttliche 44 Für eine ausführlichere Behandlung dieser Themen, s. meine Bearbeitung in Social Concern in the Context of Jesus’ Kingdom, Mission and Ministry. In: Transformation. An International Dialogue on Mission and Ethics 16, Nr. 2 (1999), S. 43 – 53; Christian Social Concern in Pentecostal Perspective: Reformulating Pentecostal Eschatology. In: Journal of Pentecostal Theology 2 (1993), S. 51 – 64; Evangelism, Social Concern, and the Kingdom of God. In: Ders.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hg.): Called and Empowered. Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson, 1991, S. 22 – 43; Pentecostal Social Concern and the Biblical Mandate of Social Justice. In: Pneuma 9, Nr. 2 (1997), S. 129 – 153. 45 In diesem Zusammenhang ist Russell P. Spittlers Kommentar, dass Zungenrede „Sprache der rechten Hemisphäre“ sein könnte, in der Tat provokativ. Spittler bemerkte, dass es auf der Basis der Split-Brain-Forschungen des Nobelpreisträgers Roger Sperry nun „bekannt [ist], dass die dominante zerebrale Hemisphäre (bei 95 Prozent der Bevölkerung die linke Seite) scheinbar auf Denkprozesse spezialisiert ist, die analytisch, linear, logisch, sequentiell, verbal usw. sind. Die rechte Hemisphäre zeigt normalerweise eine Präferenz für Denken, das visuell-räumlich simultan, analog (im Unterschied zu digital) und emotional ist. Während man Sprache von kartierten Sektoren der linken Hemisphäre ausgehen sah, haben Forschungen angezeigt, dass die Kapazitäten zur Sprachformationen breiter über beide Hemisphären verteilt sind, als vorher angenommen.“ Spittler, Russell P.: Bat Mitzvah for Azusa Street: Features, Fractures, and Futures of a Renewal Movement Come of Age. In: Theology, News, and Notes (1983), S. 13 – 17, hier S. 15. Wenngleich der Vorschlag, dass Glossolalie „Sprache der rechten Hemisphäre“ sei, noch spekulativ ist, ist der in diesem Aufsatz entwickelte symbolische Zugang zu normativer Ethik deutlich von der „rechten Hirnhälfte“ dominiert, da er sich auf Denkprozesse der Bild-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

320

Murray W. Dempster

Realität kein Gegenstand der raumzeitlichen Welt ist, der mit rationalen Denkkategorien analysiert und mit empirischer Sprache beschrieben werden kann, ist die glossolalische Begegnung ein Vorbild für die Notwendigkeit imaginativen Denkens und symbolischer Sprache, um auf die transzendente Realität Gottes und die moralischen Formen seines Handelns zu verweisen.46 Symbolisches Denken, das die gleichzeitige Reflexion theologischer Grundlagen und ethischer Normen zusammenschließt, repräsentiert den Prozess, durch den die Normen der Befreiung, der sozialen Gerechtigkeit, der bedingungslosen Liebe und der neuen Menschheit in der moralischen Psychologie gläubiger Christen und der glaubenden Gemeinschaft wirksam werden. Stanley Hauerwas von der Duke University in North Carolina gehört zu den Initiatoren des neueren Interesses theologischen Ethiker an der Erkundung der primären Rolle von Geschichten in der Formung einer christlichen Moralpsychologie.47 Hauerwas brachte vor, dass biblische Geschichten als Symerzeugung, imaginativer Erkenntnis und symbolischer Partizipation an der biblischen Geschichte stützt. 46 Aufgrund seiner Ansicht, dass Gott kein Gegenstand der empirischen Welt sei, sondern die Quelle dessen, was „uns unbedingt angeht“, schlug Paul Tillich vor, dass „die Sprache des Glaubens […] die Sprache des Symbols“ sei. Symbolische Sprache, so Tillich, ist durch sechs Merkmale gekennzeichnet, die auch diesem Abschnitt des Aufsatzes zugrunde liegen: sie weist über sich selbst hinaus auf etwas anderes; sie partizipiert an dem, worauf sie hinweist; sie eröffnet Dimensionen der Wirklichkeit, die sonst verschlossen sind; sie eröffnet Dimensionen der verborgenen Tiefen der Seele, die den Dimensionen der durch das Symbol eröffneten Realität entsprechen; sie lässt sich nicht bewusst produzieren, sondern geht aus dem kollektiven Unbewussten der Gruppe hervor, in der sie wirkt; und sie lebt, wenn sie für die Gruppe funktioniert, aber stirbt wenn veränderte Situationen sie nicht länger funktionieren lassen. S. Tillich, Paul: Wesen und Wandel des Glaubens. Frankfurt am Main: Verlag Ullstein, 1961 (Weltperspektiven 8), S. 53 – 57. Unter Bezugnahme auf das Werk von R. C. Neville (der sich selbst auf Tillich stützt) denkt Amos Yong über die Rolle der Glossolalie unter den „gebrochenen“ oder endlichen Symbolen der Gemeinschaft nach, die dazu dienen, Gläubige zu heiligen, indem sie auf Gott verwiesen werden und ihnen geholfen wird, die Wahrheit Gottes für ihr Leben zu erkennen. S. a. Macchias Verwendung von Tillich in Macchia: Tongues as a Sign, S. 62. 47 Für Hauerwas’ Hauptwerke in der Ethik, s. Christian Existence Today: Essays on Church, World and Living In Between. Durham, NC: Labrynth Press, 1988; The Peaceable Kingdom: A Primer in Christian Ethics. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 1983 [Dt. Übers.: Selig sind die Friedfertigen. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1995 (Evangelium und Ethik 4)]; Vision and Virtue: Essays in Christian Ethical Reflection. Notre Dame, IN: Fides, 1974; Character and the Christian Life: A Study in Theological Essays. San Antonio, TX: Trinity University Press, 1975; Truthfulness and Tragedy: Further Investigations in Christian Ethics. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 1977; und A Community of Character: Toward a Constructive Christian Social Ethics. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 1981. S. außerdem The Self as Story : Religion and Morality From the Agent’s Perspective. In: Journal of Religious Ethics 1, Nr. 2 (1983), S. 73 – 85; Story and Theology. In: Religion in Life 45 (1976), S. 339 – 350; und Learning to See Red Wheelbarrows: On Vision and Relativism. In: Journal of the American Academy of Religion 45, Nr. 2 (1977), S. 643 – 655. Zur Kritik an Hauerwas’ narrativer Theologie des sittlichen Lebens, die deren philosophische Adäquatheit prüft, s. Robbins, J. Wesley : Narrative, Morality and Religion. In: Journal of Religious Ethics 8, Nr. 1 (1980), S. 161 – 176; und Outka, Gene H.: Character, Vision and Narrative. In: Religious Studies Review 6, Nr. 2 (1980),

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 321

bole fungieren, welche die der Glaubensgemeinschaft angemessenen normativen religiösen und moralischen Überzeugungen abbilden. Wenn man sich der „Wahrheit“ [“truthfulness”] dieser Geschichten verpflichtet fühlt, werden die in diesen Erzählungen dargestellten religiösen und moralischen Überzeugungen dazu ermächtigt, den sittlichen Charakter der christlichen Gemeinschaft zu formen. Dadurch, dass sie die basalen moralische Überzeugungen des christlichen Charakters und der christlichen Gemeinschaft formen, erzeugen die biblischen Geschichten einen Sinn für verantwortliches sittliches Handeln, der notwendig ist, um jene Überzeugungen zum Teil der eigenen Lebensführung zu machen.48 Als er die notwendige Verbindung zwischen Theologie und Ethik erläuterte, welche die symbolische ethische Funktion von Geschichten erzeugt, schrieb Hauerwas: eine Geschichte ist eine Methode, uns an den inhärent praktischen Charakter theologischer Überzeugungen zu erinnern. Denn christliche Überzeugungen sollen nicht die Welt abbilden. Sie bieten keine primitive Metaphysik über die Begründung der Welt. Stattdessen bietet dir […] eine Geschichte […] eine Art des In-der-Welt-Seins. Geschichten […] werden nicht erzählt, um so zu erklären, wie Theorie erklärt, sondern um den Handelnden an einer Lebensweise zu beteiligen. Eine Theorie soll dir helfen, die Welt zu kennen, ohne sie oder dich selbst zu verändern, eine Geschichte soll dir helfen, dich mit der Welt auseinanderzusetzen, indem du sie durch Selbstveränderung veränderst. Das ist der Grund dafür […], dass Ethik nicht von Theologie getrennt werden kann.49

Aus Hauerwas’ Perspektive dienen Geschichten dazu, sittlich Handelnde zu veranlassen, die Welt so zu verändern wie sie sein sollte, indem Handelnde sich selbst durch persönliche Identifizierung mit den in der Erzählung symbolisierten normativen Überzeugungen verändern.50 Als jemand, der aus dem S. 110 – 118. Für eine wohlwollendere Kritik, s. Ogletree, Thomas L.: Character and Narrative: Stanley Hauerwas’ Studies of the Christian Life. In: Religious Studies Review 6, Nr. 1 (1980), S. 25 – 30. Ein Artikel, der Hauerwas’ Antwort auf einige seiner Kritiker beeinhaltet, ist The Church in a Divided World. In: Journal of Religious Ethics 8, Nr. 1 (1980), S. 55 – 82. 48 Hauerwas: Church in a Divided World, S. 60 – 63. 49 Hauerwas: Story and Theology, S. 341. 50 R. B. Braithwaite war einer der ersten zeitgenössischen Moraltheoretiker, die darauf hingewiesen haben, dass ein christliches sittliches Verhalten sich vom sittlichen Benehmen anderer Handlungsträger unterscheidet, weil der propositionale Bestandteil des Verhaltens mit christlichen Geschichten verbunden ist. Christliche Geschichten (Jesu Sterben am Kreuz, der verlorene Sohn) machen die mit moralischen Regeln (du sollst deinen Nächsten bedingungslos lieben) verbundenen Verhaltensmuster lebendig und bieten somit den Handelnden eine kraftvolle motivierende Unterstützung, so dass sie entsprechend handeln. S. An Empiricist’s View of the Nature of Religious Belief. In: Ramsey, Ian T. (Hg.): Christian Ethics and Contemporary Philosophy. New York: Macmillan, 1966, S. 53 – 73, hier S. 68. Während Braithwaite behauptete, dass die moralische Funktion dieser Geschichten nicht von ihrem Wahrsein abhänge, geht es Hauerwas um „die Wahrheit“ der biblischen Geschichten. Die notwendige Beziehung zwischen Erzählung und Charakter bietet nach Hauerwas die Mittel, die Wahrheit von Geschichten zu testen. Für Hauerwas kann die Wahrhaftigkeit von Erzählungen durch den

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

322

Murray W. Dempster

Kontext der christlichen Geschichte heraus spricht, bemerkte Hauerwas, dass „unsere Geschichten und Metaphern den normativen Verpflichtungen Ausdruck verleihen, die wir eingehen müssen, wenn wir unser Leben in einer sittlich angemessenen Art und Weise leben wollen.“51 Daher bieten für Hauerwas die Geschichten von Israel und Jesus ein narratives Bezugssystem, in dem sittlich Handende und Handlungen moralisch bewertet werden können. Die moralische Integrität der eigenen Geschichte der christlichen Gemeinschaft – ihre Vision, ihr Charakter, ihr Handeln – kann durch ihre Treue zu den in den biblischen Geschichten über Israel und Jesus verkörperten normativen Verpflichtungen beurteilt werden.52 Kurz, biblische Geschichten funktionieren symbolisch, um etwas herbeizuführen, was Kenneth Burke eine „Konsubstanzialität“ zwischen einer „objektiv“ symbolisierten Realität und einer „subjektiv“ erfahrenen Realität genannt hat, die durch die symbolische Konstruktion erfahren wird.53 Durch Hauerwas’ narrative Theorie der normativen Ethik kann die Rolle der besonderen biblischen Geschichten bestimmt werden, die mit der glossolalischen Begegnung mit Gott als schöpferischer Kraft verbunden sind. Die „Anspruch, den sie auf unser Leben legt“ beurteilt werden, sowie durch „die Fülle des von ihnen generierten sittlichen Charakters und Handelns“. Basierend auf der „Wahrheit“ der in der Erzählung verkörperten moralischen Überzeugungen wirkt eine Geschichte, indem sie Tugend und Charakter als notwendige Bedingung für ein verantwortliches sittliches Handeln formt, das der christlichen Gemeinschaft angemessen ist. S. Church in a Divided World, S. 60 – 63. 51 Hauerwas: The Self as Story, S. 76. Diese narrative Theorie des sittlichen Lebens wird somit mit der traditionellen Sicht kontrastiert, dass ethische Prinzipien und sittliche Tugenden die bestimmenden Merkmale auf der normativen Ebene der Ethik seien. „Das sittliche Leben ist nicht einfach eine Entscheidungsfrage, die von öffentlich vertretbaren Prinzipien und Regeln beherrscht wird“; und Hauerwas betont: „Wir können nur in der Welt, die wir sehen, handeln, und das Sehen ist teilweise davon bestimmt, welche Art von Wesen wir durch die Geschichten geworden sind, die wir in unserem Leben gelernt und verkörpert haben“. (74) 52 Hauerwas ist der Meinung, dass Geschichten aufgrund der inhärent narrativen Qualität menschlicher Erfahrung eine derartige formende Rolle in der Moralpsychologie der Handelnden bilden. Da jeder Christ seine oder ihre eigene Geschichte hat und jede christliche Gemeinschaft ihre Geschichte hat, fungieren die biblischen Erzählungen als natürlichste Kopplung ihrer heiligen Geschichte – mit ihren normativen Verpflichtungen –, um die alltägliche Geschichte eines Christen und der Gemeinschaft zu prägen und zu formen. S. The Self as Story ; vgl. Crites, Stephen: The Narrative Quality of Experience. In: Journal of the American Academy of Religion 39, Nr. 3 (1971), S. 291 – 311. 53 Burke, Kenneth: A Rhetoric of Motives. Berkeley, CA: University of California Press, 1969, S. 21. Burke zeigt an, wie moralische Identität eine symbolische Konstruktion ist, die „Konsubstanzialität“ entlang der hier angezeigten Linien hervorbringt. Ausgehend von der Prämisse, dass der „Mensch ein symbolerzeugendes, symbolverwendendes Tier“ ist, beobachtete Burke, dass Symbole eine inhärente „rhetorische“ Funktion haben, die diese zum Motivationsmittel macht. Symbole veranlassen naturgemäß die angesprochene Zuhörerschaft dazu, sich mit der symbolisierten besonderen Sicht der Realität zu „identifizieren“. „Identifizierung“ einer Person oder einer Zuhörerschaft mit den Symbolen einer Gemeinschaft bildet eine Lebensweise heraus, in der es ein „zusammen-handeln“ gibt, „und im zusammen-handeln“, bemerkte Burke, „haben [Menschen] gemeinsame Empfindungen, Konzepte, Bilder, Ideen Einstellungen, die sie konsubstanziell macht“ (21, 43 – 46, Hervorhebung K. B.).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 323

biblischen Geschichten des Exodus, des Exils, der Ankunft Jesu Christi, und des Pfingstfests verkörpern die normativen moralischen Überzeugungen von Befreiung, sozialer Gerechtigkeit, bedingungsloser Liebe und neuer Menschheit. Diese moralischen Überzeugungen prägen die Formung der moralischen Identität der pfingstlichen Gemeinschaft, die sich mit der „Wahrheit“ dieser Geschichten identifiziert. Durch das Bekenntnis ihrer Treue zur „Wahrheit“ dieser Geschichten wird die pfingstliche Gemeinschaft dazu angeregt, ihre eigene Geschichte zu erzählen: vom Befreien der Unterdrückten, vom Eintreten für soziale Gerechtigkeit für die Armen und für Schalom für die Ausgestoßenen, vom Äußern der bedingungslosen Liebe für den Nächsten, und vom Ausweiten der Realität der neuen Menschheit. Das sind die normativen ethischen Implikationen der glossolalischen Begegnung mit Gott als „schöpferischer Kraft“, wenn die Erfahrung innerhalb ihres biblischen Interpretationsrahmens gestellt wird.54 Die besondere Aufgabe normativer ethischer Reflexion besteht darin, die normativen Prinzipien und Regeln zu identifizieren, welche die Verpflichtungen und Werte moralischer Verantwortlichkeit bestimmen. Die normative ethischen Reflexion über die „moralischen Formen“ des Handelns Gottes impliziert jedoch zumindest zwei Merkmale einer pfingstlichen Ethik, die alles nachfolgende Nachdenken über sittliches Handeln auf der Ebene konkreter sittlicher Existenz prägen sollten. Erstens impliziert die glossolalische Begegnung, in ihrem biblischen Referenzrahmen interpretiert, dass pfingstliche Ethik eine in der Anbetung [worship] verwurzelte Ethik sein sollte. Denn im Akt der glossolalischen Anbetung wird das Bewusstsein verändert und der 54 Katholische Charismatiker, klassische Pfingstler und protestantische Neo-Pfingstler scheinen die Bedeutung der symbolischen Funktion der Schrift für Theologie und Ethik intuitiv zu erfassen. Während alle Teile der Pfingstbewegung die wesentliche Bedeutung der exegetischen Wissenschaft in der Interpretation biblischer Texte betonen würden, wird die symbolische Verwendung der Bibel auch als wesentliche Funktion der Schrift anerkannt. S. das als Anhang angefügte Kapitel von Ranaghan, Kevin; Ranaghan, Dorothy : Toward a Theology of Pentecostalism. In: Dies.: Catholic Pentecostals. Perasmus, NJ: Deus Books, 1969, S. 259 – 262, in der sie ihren „uneingeschränkten kerygmatischen Zugang“ mit „fundamentalistischem Christentum“ kontrastieren. Gerald Sheppard hat gezeigt, dass die frühen klassischen Pfingstler in den Assemblies of God die Schrift vorrangig dazu benutzen, „eine theologische Interpretation religiöser Erfahrung bereitzustellen,“ s. Sheppard, Gerald T.: Word and Spirit: Scripture and the Pentecostal Tradition, Part One. In: Agora: A Magazin of Opinion within the Assemblies of God 1, Spring 1978 (1978), S. 4 – 5, 17 – 22; Word and Spirit: Scripture and the Pentecostal Tradition, Part Two. In: Agora: A Magazin of Opinion within the Assemblies of God 2, Summer 1978 (1978), S. 14 – 19. J. Rodman Williams sah die Bibel in Era of the Spirit, S. 16, von einem existenziellen Verständnis aus, in dem die Bibel symbolisch fungiert, um Gottes gegenwärtiges Wirken anzuzeigen. Williams eigene symbolische Verwendung der Schrift kann mit dem Abschnitt illustriert werden, in dem er die Kraft beschreibt, welche die Geisttaufe begleitet: „Es ist einmal mehr Apg 1 und 2! Es ist freilich eine andere Besetzung, eine andere Szene, ein anderes Millennium – und Menschen, die offensichtlich nicht in derselben Nähe zum ursprünglichen Ereignis von Christi Tod und Auferstehung leben noch die als originale Zeugen von Gottes mächtigen Taten berufen sind – doch ihnen erschien dieselbe Kraft, die in der frühen christlichen Gemeinschaft ausbrach.“ (S. 28)

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

324

Murray W. Dempster

pfingstliche Gläubige erfährt eine „Abkehr von der Ebene des Weltlichen, eine Abkehr, die oft einen Sinn für das Unheimliche weckt, für die Gegenwart des mysterium tremendum.“55 Eine solche Anbetung führt herbei, was Robert Bellah eine „symbolische Neuordnung von Erfahrung“ nannte.56 Diese symbolische Neuordnung von Erfahrung führt zu einer Neudefinition des Selbst sowie zu „einer Transformation der Motivation, der Verbindlichkeit und der Wertigkeit, die nicht nur Individuen, sondern die Gesamtheit der Anbetenden aufrüttelt.“57 Glossolalie als Akt der Anbetung ruft eine solche symbolische Neuordnung der Erfahrung hervor, indem sie im Gläubigen einen Sinn für die Erfahrungssolidarität oder „Konsubstanzialität“ mit jener ursprünglichen pfingstlichen Gemeinschaft hervorbringt, über die der Gott des Pfingstfests seinen Geist ausgegossen hat. Mit dem Zustrom der in der glossolalischen Begegnung erfahrenen schöpferischen Kraft kann das Individuum dazu angeregt werden, eine frische symbolische Identifizierung mit der eschatologischen Gemeinschaft der neuen Menschheit zu erfahren. Wenn ein solcher Solidaritätssinn entfacht wird, werden die weltlichen Formen der Selbstidentifizierung herausgefordert und es erfolgt eine neue symbolische Identifizierung mit dem Gott des Pfingstfests, der auch der in Jesus Christus offenbarte Gott ist, sowie der Gott des Exils und der zukünftigen Hoffnung, und der Gott des Exodus. Die nach der Anbetungserfahrung erfolgende persönliche Reflexion über die glossolalische Begegnung und die in den einschlägigen biblischen Geschichten verkörperten normativen Überzeugungen kann im Gläubigen eine Veränderung von Motivation, Hingabe und Werten bewirken, sowie ein neu belebtes Verständnis der eigenen moralischen Identität. In der auf die Anbetung folgenden imaginativen Rekonstruktion der glossolalischen Erfahrung – vor dem Hintergrund der Heilsgeschichte – kann der Gläubige zur Einsicht gelangen, dass das Reden in Zungen als Antwort auf Gottes schöpferische Kraft bedeutet, sich mit den sittlichen Formen von Gottes Handeln zu identifizieren. In der Dynamik der glossolalischen Anbetung kann der Anbetende zu dem grundlegenden Verständnis gelangen, dass die Symbolisierung der eigenen Identität als Pfingstler die Symbolisierung der ei55 Bellah, Robert N.: Dynamics of Worship. In: Ders.: Beyond Belief: Essays on Religion in a Post-Traditional World. New York: Harper & Row, 1970, S. 209 – 215, hier S. 210. S. auch Macchias Verwendung von Bellah, insbesondere in Bezug auf Glossolalie und „eschatologische Transzendenz“, Macchia: Sighs, S. 58 – 59. 56 Bellah: Dynamics of Worship, S. 210. 57 Ebd., S. 211. Vgl. Rossi, Philip J.: Narrative, Worship, and Ethics: Empowering Images für the Shape of Christian Moral Life. In: Journal of Religious Ethics 7, Nr. 2 (1979), S. 239 – 248. Pater Rossi hält fest, dass „die gemeinsame Vision“ der christlichen Gemeinschaft ihre konkreteste und lebendigste Form in der kirchlichen Tradition der narrativen Bildlichkeit menschlicher Existenz erhält. Wenn diese narrativen Metaphern in der Anbetung verwendet werden, wird der Gläubige dazu bevollmächtigt, seine oder ihre eigene sittliche Handlungsmacht als Antwort und Versprechen für Gott zu formen. Außerdem rufen diese narrativen Metaphern einen Sinn der Teilhabe an „der gemeinsamen Vision“ der Gemeinschaft hervor, der wiederum die moralische Sensibilität, Einstellung und Vorstellungskraft des Anbetenden formt.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 325

genen Solidarität mit der eschatologischen Gemeinschaft bedeuten sollte, deren moralische Identität durch die normativen moralischen Überzeugungen der Befreiung der Unterdrückten, der sozialen Gerechtigkeit für die Armen und Enteigneten, der bedingungslosen Liebe für den Nächsten und der Aufnahme aller Rassen, Klassen und Ethnien in der neuen Menschheit geprägt ist. Zusätzlich zur Orientierung der normativen pfingstlichen Ethik an der Anbetung, stellt die Analyse der glossolalischen Begegnung ein zweites Merkmal der normativen Ethik heraus, das einen Einfluss auf die nachfolgende Ebene sittlichen Handelns hat. Glossolalie, wenn sie in ihrem biblischen Kontext interpretiert wird, bedeutet auch, dass die pfingstliche Ethik eine Ethik des Strebens [aspiration] sein sollte. Eine Ethik des Strebens ist implizit durch den Akt der symbolischen Identifikation des Gläubigen mit jener ursprünglichen Pfingst-Gemeinschaft strukturiert, mit der er oder sie die moralische Vision einer neuen Menschheit teilt. Die Ausgießung des Geistes zu Pfingsten, welche die neue Menschheit begründet, war nach Lukas die „Erfüllung“ der biblischen Verheißung. Pfingstliche Ethik strebt daher nach der Erfüllung der moralischen Werte, die mit der neuen Menschheit verbunden sind. Glossolalie als ein wesentlicher Bestandteil jener „Erfüllung“ erzeugt also im Gläubigen keinen Sinn einer „moralischen Verpflichtung“, dass er oder sie den ethischen Prinzipien der Freiheit, Gerechtigkeit, Liebe und Vorurteilslosigkeit gehorchen „sollen“. Die Zungenrede, sowohl im Pfingstereignis als auch danach, ruft keinen Geist herbei, der eine geschlossene Gesellschaft mitsamt den notwendigen Verpflichtungen und Vorschriften legitimiert. Stattdessen symbolisiert Glossolalie die Teilhabe an der eschatologischen Gemeinschaft, einer Gesellschaft, die für die Zukunft offen ist.58 Eine Ethik des Strebens ist so strukturiert, dass sie den Gläubigen zur Teilhabe an der moralischen Vision der neuen Menschheit und die Glaubensgemeinschaft zur Verkörperung derselben in ihrem Leben inspiriert – einer Vision der neuen Menschheit, in der die Unterdrückten befreit werden, die Armen das gerechte Maß erhalten, und der Feind durch die Kraft der bedingungslosen Liebe in einen Nächsten verwandelt wird. Zusammengefasst wurde also die normative ethische Bedeutsamkeit der Glossolalie durch die Interpretation der Zungenrede im Kontext ihrer ekklesialen/ eschatologischen Funktion analysiert. Durch die Analyse der Glossolalie in ihrer gemeinschaftlichen Funktion wurde beobachtet, dass die Zungenrede den letzten Tag des mächtigen Handelns Gottes signalisiert und damit das Pfingstereignis explizit mit anderen Ereignissen im Drama der Heilsgeschichte verknüpft. In diesem biblischen Rahmen ließen sich die „moralischen Formen“ (Befreiung, 58 Diese Unterscheidung zwischen einer Ethik der moralischen Verpflichtung und einer Ethik des sittlichen Strebens leitet sich von Bergson, Henri: The Two Sources of Morality and Religion. Garden City, NY: Doubleday, 1935 her, der „moralische Verpflichtung“ und „statische Religion“ mit der Funktion einer geschlossenen Gesellschaft identifiziert, und „sittliches Streben“ und „dynamische Religion“ mit dem Traum einer offenen Gesellschaft, s. insbes. S. 266 – 315.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

326

Murray W. Dempster

soziale Gerechtigkeit, bedingungslose Liebe und die neue Menschheit) identifizieren, die Gottes Selbstoffenbarung in seinen mächtigen Taten der schöpferischen Kraft (Exodus, Exil, Ankunft Jesu Christi, Pfingstfest) entsprechen. In ihrem Wesen fördert Glossolalie einen symbolisch-imaginativen Zugang, um über diese ethischen Normen nachzudenken und sich zu ihnen in Beziehung zu setzen. Der symbolisch-imaginative Zugang betont die Formung des moralischen Charakters als Quelle sittlichen Handelns. Zwei wichtige Merkmale der pfingstlichen normativen Ethik wurden durch diese Analyse der Glossolalie erkannt – ihre motivierende und neu belebende Quelle in der Anbetungserfahrung einer symbolischen Neuordnung und ihre wesentliche Natur als eine Ethik des Strebens, die mit der moralischen Vision einer neuen Menschheit verbunden ist. Angesichts dieser normativen ethischen Analyse und der vorhergehenden metaethischen Analyse, besteht die verbleibende Aufgabe darin, die Natur der konkreten moralischen Existenz zu analysieren, die der theologischen Fundierung und normativen Ethik entspricht, welche in der glossolalischen Begegnung zwischen Gott und Mensch angelegt ist.

Geisttaufe und das sittliche Leben von Ambiguität und Kongruenz Im Gegenzug zur metaethischen Analyse, die darauf zielt, die Basis für die theologische Begründung ethischer Normen und des sittlichen Lebens in der Wirklichkeit herauszustellen, und im Gegenzug zur normativen ethischen Reflexion, die sich auf die Bestimmung der ethischen Prinzipien und moralischen Regeln konzentriert, welche für das in der theologischen Vision der Realität implizierte sittliche Leben notwendig sind, richten sich die Erwägungen auf der Ebene der Sittlichkeit auf das Wesen des verantwortlichen sittlichen Handelns. Gleich zu Beginn sollten zwei Faktoren identifiziert werden, die definieren, welcher Art der Erwägung diese Ebene des sittlichen Handelns entspricht. Erstens findet sittliches Handeln immer im Kontext des wirklichen Lebens statt, mitsamt seinen konkurrierenden Philosophien und Ideologien, seinen Zentren der politischen Macht und Partikularinteressen, seinem festgelegten Wirtschaftsmuster und seinen von Menschen erzeugten Institutionen. Auf dieser Ebene der Ethik richtet sich die Frage immer darauf, das sittliche Handeln zu identifizieren, das eine situationsbezogene Relevanz für die konkreten Wirklichkeiten historischer Existenz zu gegebener Zeit und Ort hat; das heißt, die Frage lautet: „Was soll ich in dieser Situation tun?“ Angesichts der kontextuellen Besonderheit menschlichen Handelns, erfordert eine verantwortliche sittliche Handlungskraft immer die Analyse der verschiedenen situationsbezogenen Variablen, welche „die Realität“ einer bestimmten Situation definieren, so dass die angemessene Form sittlichen Handelns bestimmt werden kann. Doch die Ebene der Sittlichkeit ist erst erreicht, wenn das erforderliche sittliche Handeln wirklich getan ist. Sitt-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 327

lichkeit besteht in der menschlichen Ausübung sittlicher Handlungen, welche die menschliche Situation auf irgendeine Weise verändern. Zweitens ist sittliches Handeln der greifbare Verhaltensausdruck der Loyalität des sittlich Handelnden im Hinblick auf die ethischen Normen und theologischen Überzeugungen, die seine oder ihre moralische Identität formen. Daher muss die Frage auf dieser Ebene der Ethik entsprechend erweitert werden: „was soll ich in dieser Situation tun als einer, der an den Gott glaubt, der sich in seinen mächtigen Taten in der Geschichte offenbart?“ Dietrich Bonhoeffer hat dieses notwendige Zusammenspiel von empirischen, ethischen und theologischen Faktoren bei der Wesensbestimmung des angemessenen sittlichen Handelns gut ausgedrückt als er schrieb: daß eben Gott kein allgemeines Prinzip ist, sondern der Lebendige, der mich in ein lebendiges Leben gestellt hat und in ihm meinen Dienst fordert. Wer Gott sagt, darf die gegebene Welt, in der er lebt, nicht einfach durchstreichen; er spräche sonst nicht von dem Gott, der in Jesus Christus in die Welt einging, sondern von irgendeinem metaphysischen Götzen.59

Wie Bonhoeffer genau wusste, liegt die Funktion der theologischen ethischen Reflexion darin, der christlichen Gemeinschaft und den sie konstituierenden Individuen zu helfen, die Form des angemessenen sittlichen Handelns für eine verantwortliche Teilhabe am menschlichen Leben zu bestimmen. Die Treue zu theologischen Überzeugungen und ethischen Normen sollte nie an die Stelle der sittlichen Verantwortung zum Handeln gestellt werden. Das Nachdenken über Gottes Gerechtigkeit oder darüber, dass Menschen gerecht handeln sollten, ist solange wertlos, bis diese Überzeugungen in gerechtes Handeln im Konkreten menschlicher Situationen übersetzt werden. Denn sittliches Handeln stellt die raison d’Þtre einer theologischen Ethik dar. Die Bedeutung aller Ebenen der ethischen Reflexion liegt in ihrer Kraft, die Christen und das Volk Gottes zu einem Handeln im Einklang mit dem Handeln Gottes und dem Handeln anderer Menschen, Gruppen und Institutionen zu bewegen. Glossolalie bezieht sich auf die Dimension des konkreten sittlichen Lebens, indem sie eine fundamentale Einsicht in ein grundlegendes Strukturmerkmal menschlicher Existenz gibt: das menschliche Leben vollzieht sich in der existenziellen Dialektik von Ambiguität und Kongruenz. Die glossolalische Erfahrung hat selbst Teil an dieser grundlegenden existenziellen Struktur menschlichen Daseins. Denn in der glossolalischen Begegnung erfährt der Glaubende die Ambiguität des Sprechens in einer Sprache, die keine korrespondierenden „Gedanken“ über Gott kommuniziert, einer Sprache, die etwas „bedeutet“, das der Sprecher jedoch nicht begrifflich versteht, einer Sprache, die ein authentisches Erkennen der göttlichen Präsenz ermöglicht, aber nur eine „stückweise Erkenntnis“ vermittelt. Doch zur selben Zeit und in dersel59 Bonhoeffer, Dietrich: Ethik, hg. v. Eberhard Bethge. München: Chr. Kaiser, 1949, S. 283 – 284.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

328

Murray W. Dempster

ben Erfahrung der Begegnung erfährt der Gläubige ein Gefühl von Ganzheit, ein Gefühl von Bezogenheit, ein Gefühl von Stimmigkeit, ein Gefühl von Erfüllung, ein Gefühl von Kongruenz. Somit wird die Glossolalie selbst konkret als ein Handeln in Antwort auf Gottes Handeln erfahren; sie regt die realistische theologische Einsicht an, dass man auf die sittlichen Formen von Gottes Handeln in den Ambiguitäten menschlicher Existenz antworten muss. Zugleich erzeugt die glossolalische Erfahrung auch die realistische theologische Einsicht, dass inmitten der existenziellen Ambiguitäten der menschlichen Erfahrung eine persönliche Wirklichkeit schöpferischer Kraft an „der Wurzel“ aller Dinge liegt, welche den endgültigen Kontext einer kohärenten Bedeutung menschlichen Lebens bildet.60 Vor diesem Hintergrund der von Ambiguität und Kongruenz gezeichneten existenziellen Natur menschlichen Lebens verweist die glossolalische Begegnung auf zwei wesentliche Merkmale, welche eine pfingstliche Ethik charakterisieren sollten, die ihre theologischen Überzeugungen und ethische Normen in konkrete sittliche Handlungen überführen will. Erstens sollte eine pfingstliche Ethik als eine Ethik der Verantwortlichkeit verstanden werden. Die Argumentationsstruktur, die in einer Ethik der Verantwortlichkeit – in einem christlichen Bezugsrahmen – inbegriffen ist, besteht in der Angleichung menschlichen sittlichen Handelns an das vorausgehende Handeln Gottes. Der moralische Imperativ, menschliches sittliches Handeln anzugleichen, setzt die Fähigkeit voraus, auf den theologischen Indikativ des vorausgehenden Handelns Gottes zu antworten. In der obigen metaethischen Analyse wurde bemerkt, dass eine pfingstliche Ethik auf das Handeln Gottes fokussieren sollte, um mit der Struktur der glossolalischen Begegnung im Einklang zu stehen. Denn in der glossolalischen Erfahrung ist es Gott, der durch den Heiligen Geist handelt, um zu taufen oder eine Gabe zu verleihen. Es ist auch zu bemerken, dass in der glossolalischen Begegnung eine Person Gott 60 Das mehrdeutige Wesen konkreter sittlicher Existenz erklärt wahrscheinlich zum Teil, warum Pfingstler in der westlichen Welt sich in Diskussionen über die sittliche Verantwortung der Kirche zum Handeln für eine gerechte und verantwortliche Weltgemeinschaft unwohl fühlen. Luther P. Gerlach und Virginia H. Hine haben auf der Basis ihrer empirischen Forschung zur Pfingstbewegung bemerkt, dass ein grundlegendes Merkmal pfingstlicher Ideologie in ihrer Intoleranz für den Bruch von Ideal und Wirklichkeit liegt. Indem sie von einem „geschlossenen kognitiven System“ aus operiert, wirbt die pfingstliche Ideologie mit einer konzeptuellen Gewissheit als Grundlage der Motivation ihrer Mitglieder zur Anwerbung kirchenferner Personen. Daher werden Ambivalenz und Ambiguität als Merkmale der Lebenserfahrung der Kirchenfernen verstanden. Wenn Pfingstler einer notwendigen Entwicklungsveränderung gegenüber stehen, wird Ambiguität („die Dinge sind unklar“) in ihrer Rhetorik dazu gebraucht, sich aktiver Teilhabe zu entziehen und somit indirekt den Status Quo zu unterstützen. Ironischerweise weisen Gerlach und Hine darauf hin, dass die pfingstliche Intoleranz des Bruchs zwischen Ideal und Wirklichkeit in nicht-westlichen Gesellschaften zur Identifikation von Formen sozialer „Heuchelei“ führt, und somit zu Handlungen, die soziale Veränderungen als eine „Manifestation von Engagement“ hervorbringen. S. Gerlach, Luther P.; Hine, Virginia H.: People, Power, Change: Movements of Social Transformation. Indianapolis, IN: Bobbs-Merrill, 1970, S. 159 – 171.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 329

im Sprechakt der Zungenrede antwortet, wodurch das Strukturmuster gesetzt ist, anhand dessen der pfingstliche Gläubige versuchen soll, mit seinem oder ihrem Handeln auf das Handeln Gottes zu antworten, sogar auf der Ebene des sittlichen Lebens. Diese Indikativ-Imperativ-Struktur zur Verbindung sittlicher Handlung mit theologischen und normativen ethischen Überzeugungen über Gottes Handeln wurde treffend von H. Richard Niebuhr ausgedrückt: „Gott handelt in allen Handlungen an dir, darum antworte auf alle Handlungen an dir, als ob du auf sein Handeln antwortest.“61 Aus der Perspektive der vorhergehenden normativen ethischen Reflexion, sollte Niebuhrs Aussage folgendermaßen angepasst werden: „Der Gott der schöpferischen Kraft handelt in allen Handlungen an dir, darum antworte auf alle Handlungen an dir so, als ob du auf Gottes Handlungen der Befreiung, der sozialen Gerechtigkeit, der bedingungslosen Liebe und der Aufrichtung der neuen Menschheit antwortest.“ Eine Ethik der Verantwortlichkeit ist besonders geeignet, um inmitten der Ambiguitäten historischer Existenz Kongruenz anzustreben. Denn eine Ethik der Verantwortlichkeit versucht die Ambiguitäten der verschiedenen Handlungen an Personen und der christlichen Gemeinschaft in die Zentriertheit des Handelns Gottes zu integrieren. Inmitten der Ambiguitäten moralischen Handelns, erzeugt durch die Bedingtheiten menschlicher Meinungen, durch den Pluralismus moralischer Auffassungen vom guten Leben und durch die Mannigfaltigkeit politischer und ökonomischer Experimente für eine gerechte Gesellschaft, sucht eine Ethik der Verantwortlichkeit ihre Integrität im Handeln des lebendigen Gottes. Wiederum formuliert es Niebuhr überzeugend: Wenn meine Welt in zwei Herrschaftsbereiche geteilt ist, den natürlichen und den übernatürlichen oder den physischen und den geistlichen oder den säkularen und den religiösen, in denen verschiedene Mächte am Werk gesehen werden und sich verschiedene Bedeutungen und Handlungsmuster zeigen, dann habe ich ein geteiltes Selbst [two selves]. Doch insofern ich im (Glauben) Vertrauen anerkenne, dass was auch immer an mir handelt, egal in welcher Seinsdimension, Teil oder Teilhaber an 61 Niebuhr, H. Richard: The Responsible Self. New York: Harper & Row, 1963, S. 126. Niebuhr formulierte seine Ethik der Verantwortlichkeit als eine Ethik, die inklusiver als die zwei ethischen Traditionen war, die das Verständnis des sittlichen Lebens in der westlichen Welt dominiert haben, namentlich die teleologische und deontologische Ethik. Teleologische Ethik, mit ihrer Norm „des Guten“, impliziert das gedankliche Bild vom „Mensch als Künstler“, d. h. Männer und Frauen, die ihre Leben im Einklang mit irgendeinem Ideal oder Ziel gestalten und formen. Deontologische Ethik, mit ihrer Norm „des Rechten“, impliziert das gedankliche Bild des „Menschen als Bürger“, d. h. Männer und Frauen, die ihr sittliches Leben als Personen konzipieren, die moralischen Prinzipien und Regeln gehorchen. Im Gegensatz zu diesen beiden Traditionen hat die Verantwortungsethik als Wurzel-Metapher den „Menschen als Antwortgeber“, d. h. Männer und Frauen, die sich am Dialog beteiligen, Personen, die in Reaktion auf Handlungen an ihnen handeln. Die Norm der Ethik der Verantwortlichkeit ist „das passende Handeln, welches zu einer gesamten Interaktion als Antwort und Erwartung weiterer Handlungen passt, als allein dem Guten dienlich und als allein richtig.“ (S. 47 – 61)

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

330

Murray W. Dempster

einer letztgültigen Handlung ist, bin ich schon eins. In allen Antworten auf endliche Handlungen auf die letztgültige Handlung zu reagieren, bedeutet, nach einer Selbstintegrität inmitten all der Integritäten wissenschaftlicher, politischer, ökonomischer, bildender und kultureller Aktivitäten zu streben; es bedeutet, ein antwortendes Selbst inmitten all der Antworten der gespielten Rollen zu sein, denn dem Selbst ist der eine Andere gegenwärtig, der alle endlichen System von Natur und Gesellschaft übersteigt.62

Wenngleich die vereinheitlichende Struktur von Niebuhrs Ethik der Verantwortlichkeit zur Analyse der glossolalischen Begegnung passt, sollte der Kontext eher Transformation als Anpassung bewirken, indem die eine Handlung inmitten aller anderer Handlungen als eine Handlung von Befreiung und Liebe, von Gerechtigkeit und Schalom, und von der Aufrichtung einer neuen Menschheit erkannt wird. Eine pfingstliche Ethik sollte nicht nur eine Ethik der Verantwortlichkeit sein, sondern auf Grundlage der Wirklichkeit der glossolalischen Erfahrung sollte sie auch eine Ethik der Imagination sein. In der vorangehenden Diskussion der ethischen Normen, die Gottes schöpferischer Kraft entsprechen, wurde darauf hingewiesen, dass die Zungenrede eine Art der Bezugnahme auf Normen ermöglichte, die symbolische Sprache und imaginatives Denken befördern. Auf der normativen ethischen Ebene liegt der Schwerpunkt vorrangig auf der symbolischen Sprache, insbesondere in der symbolischen Verwendung von Geschichten. Auf der moralischen Ebene, liegt der Schwerpunkt eher auf imaginativem Denken als eine Möglichkeit, die Geschichten über Gottes mächtige Taten auf menschliches sittliches Handeln zu beziehen. Die symbolische Repräsentation der Welt durch biblische Geschichten, die Gottes schöpferischer Kraft entsprechen, setzt die Vorstellungskraft der Kirche in einer neuen Dimension frei, so dass sie den gebrochenen, bruchstückhaften und geteilten Charakter der Welt erkennt [discern]. Diese Geschichten dienen als Paradigmen, welche die Vorstellungskraft zur Erkenntnis führen, dass die moralisch zwiespältige und geteilte Welt von heute noch immer von mächtigen Pharaonen und menschlicher Gebundenheit, von Basanskühen, von mit der Macht Roms zusammenarbeitenden religiösen Führern und von tiefen Rissen zwischen Juden und Heiden bestimmt wird. Im Schreien der Hungrigen und Unterdrückten der Zwei-Drittel-Welt, im Nachgang der ethnischen Säuberungen auf dem Balkan, in den Überfahrten haitianischer Flüchtlinge oder im institutionalisierten Opferstatus der erwerbslosen Arbeiter in den amerikanischen Innenstädten erkennt die Kirche die gegenwärtigen politischen und ökonomischen Formen „menschlicher Gebundenheit“. In der persönliche Gewinntreiberei von Slumlords, die von Ratten befallene menschliche Behausungen in den abgebrannten Teilen des urbanen Amerikas verwalten, oder in den Handlungen korrupter Beamter in 62 Ebd., S. 122 – 123.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 331

von Armut geplagten Ländern, die empfangene finanzielle Hilfen von den Unterprivilegierten und Unterernährten für die Interessen des status quo abzweigen, sieht die Kirche durch ihre symbolischen Paradigmen die „Basanskühe“ einer gegenwärtigen Welt ohne Gewissen. In der Notlage des Obdachlosen, der einen Einkaufswagen mit all seinen weltlichen Habseligkeiten vor sich herschiebt, oder in der verzweifelten Stille der hungernden Kinder in Indien und El Salvador erkennt die Kirche durch ihre symbolischen Paradigmen die Figur jenes „einen Menschen“ am Straßenrand, der den Nächsten in Not repräsentiert. In den Klassenunterschieden zwischen den Besitzenden und den Besitzlosen, in diskriminierenden Haltungen und Praktiken zwischen verschiedenen Rassen, in wert-beladenen Unterscheidungen zwischen Mann und Frau erkennt die Kirche die gegenwärtige „Zwischenwand der Umzäunung“, die Juden und Heiden trennt. Somit identifiziert die Symbolisierung der moralischen Welt durch biblische Geschichten nicht nur die moralischen Formen von Gottes schöpferischer Kraft, sondern richtet die Vorstellungskraft darauf, die tragischen und mehrdeutigen Elemente einer geteilten Welt zu erkennen, in der menschliches sittliches Handeln ausgeübt werden muss. Durch ihre symbolischen Bilder wird die eschatologische Gemeinschaft energisch darauf hingewiesen, dass „es die Aufgabe der Kirche ist, der Geschichte Gottes treu zu bleiben, die den geteilten Charakter der Welt fassbar macht.“63 Doch dieselben Erzählungen und Bilder, welche das mehrdeutige Wesen des sittlichen Lebens in einer geteilten Welt offenbaren, fungieren auch als Antrieb der Vorstellungskraft hin zu immer weiteren Horizonten der Inklusivität, bis sie die transzendente Realität erkennt, welche die ethische Norm in sich enthält. Daher bilden die biblischen Geschichten die menschliche Existenz zugleich als gebrochen, fehlerhaft und gespalten in einer Welt von menschengemachten Philosophien und machtorientierten Institutionen ab, und zugleich als eine befreite, gerechte, liebende und versöhnte Existenz, die auf Gottes „schöpferische Kraft“ antwortet. Am gegenwärtigen Ort der „menschlichen Gebundenheit“ regt die Exoduserzählung die Vorstellungskraft der Kirche hin zu einer Handlung als Antwort auf den Einen an, der den Befreiungsmarsch anführt. Wo die gegenwärtigen „Basanskühe“ die Schwachen und Armen ausbeuten, regt dieses Bild des Propheten Amos die Vorstellung der Gläubigen zu einem antwortenden Handeln auf den Gott an, der uneingeschränkt auf der Seite der Unterdrückten steht. Genau dort, wo die Hungrigen, die Durstigen und die Gefangenen Not leiden, bringt Jesu Geschichte die Vorstellungskraft dazu, zu sehen, dass ein Handeln als Antwort auf „die Geringsten unter ihnen“ eine versteckte Antwort auf den in Jesus Christus offenbarten Gott ist. Wo die gegenwärtigen Gräben zwischen Juden und Heiden institutionalisiert werden, provoziert das Pfingstfest die Vorstellungskraft der Kirche hin zu Handlungen als Antwort auf den Gott der 63 Hauerwas: Church in a Divided World, S. 58.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

332

Murray W. Dempster

neuen Menschheit, der die von Menschen errichteten Zwischenwände niederreißt. Die Kraft dieser Geschichten von Gottes mächtigen Taten liegt in der im Denken freigesetzten Energie, sich die Welt in ihrem geteilten Zustand lediglich als Präludium göttlichen Handelns vorzustellen. Anders als ein ethisches Prinzip oder eine moralische Regel, die lediglich zum Handeln verpflichten, haben die biblischen Geschichten eine interpretative Kraft, welche die Gebrochenheit der Welt in überwältigenden Bildern fassbar machen und zugleich die Vorstellungskraft dazu anregen, das herannahende Handeln Gottes am Horizont des menschlichen Lebens zu erkennen. Inmitten der in einer biblischen Geschichte enthaltenen imaginativen Gegenüberstellung steht die vermittelnde Kraft verantwortungsbewusster moralischer Handlungsmacht – ein Mose, ein Amos, ein Jesus, eine eschatologische Gemeinschaft – deren Handeln dem Handeln Gottes eine berührbare, sichtbare Präsenz inmitten der Mehrdeutigkeiten der menschlichen Situation verleiht. Die metaethische Analyse schöpferischer Kraft und die normative ethische Reflexion der biblischen Geschichten über Gottes schöpferische Kraft haben nur dann einen Nutzen für die Sittlichkeit, wenn „die imaginative Aussage über die Wahrheit der Totalität der menschlichen Erfahrung“,64 die aus jener ethischen Studie erwächst, die Kirche dazu ermächtigt, durch ihre Symbole die konkrete Natur und Form ihres moralischen Handelns als verantwortungsbewusste Teilhaberin am menschlichen Leben zu verstehen, zu verdeutlichen, zu erkennen und zu lenken. Was zur Förderung menschlichen Handelns in einer geteilten Welt am stärksten benötigt wird, ist Vorstellungskraft. Ohne eine Symbolisierung, die das Denken dazu anregt, sich die Möglichkeit einer anderen Welt vorzustellen, fehlt die treibende Kraft, um der Absicht eines moralischen Handlungsträgers zur moralischen Transformation einer geteilten Welt Antrieb zu verleihen. Doch durch ihre Symbolisierung der mächtigen Taten Gottes wird die Kirche zum Glauben daran bevollmächtigt, dass die Welt nicht notwendigerweise so sein muss, wie sie jetzt ist. Wenn einmal postuliert wird, dass die Welt radikal verändert werden kann, dann fungiert das durch biblische Geschichten an64 Bellah: Between Religion, S. 244. Bellah meint, dass letzte Symbole der Transzendenz als integrative Symbole fungieren, die ein Bild der Wirklichkeit als Ganzes abgeben. In der Besprechung der integrativen Kraft von Symbolen wie Gott, Sein, Nichts und Leben sagt Bellah, dass „diese Symbole aus individuellen, sozialen und geschichtlichen Erfahrungen erwachsen können, aber nicht mit diesen identisch sind. Sie sind keine Symbole für empirische Wirklichkeiten in einem wissenschaftlich verifizierbaren Sinne […] Doch diese großen Gesamtsymbole, welche auf die Totalität des Seins, auf die transzendente Dimension der Wirklichkeit und auf die differenzierten Terminologien, die um sie gewachsen sind, verweisen, können nicht als ,subjektiv‘ abgetan werden, nur weil sie nicht in einem einfachen Sinne ,objektiv‘ in ihrem Verweis sind. Sie sind weder objektiv noch subjektiv, weder kosmologisch noch psychologisch. Stattdessen sind sie relationale Symbole, die genau solche Dichotomien gewöhnlicher Konzeptualisierung überwinden sollen und die Kohärenz der ganzen Erfahrung zusammenbringen sollen.“ Bellah: Transcendence in Contemporary Piety, S. 202.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 333

geregte imaginative Denken in fast derselben Weise wie das symbolische Handeln des „Narrenfests“ im Mittelalter. Im Mittelalter blühte in Teilen Europas ein Feiertag auf, der als Narrenfest bekannt war. Zu diesem bunten Anlass, der meist am ersten Januar gefeiert wurde, trugen sogar gewöhnliche Priester und ernste Stadtbürger obszöne Masken, sangen abscheuliche Liedchen und hielten ganz allgemein die Welt mit ihrer Ausgelassenheit und Satire im Atem. Kleinere Geistliche bemalten ihre Gesichter, stolzierten in den Gewändern ihrer Übergeordneten herum und machten sich über die herrschaftlichen Rituale der Kirche und des Hofs lustig. Manchmal wurde ein „König Hofnarr“, ein Spottkönig oder ein Kinderbischof gewählt, der den Ereignissen vorstand. Mancherorts zelebrierte der Kinderbischof sogar eine Parodie der Messe. Während des Narrenfests waren kein Brauch und keine Sitte vor Verspottungen gefeit, und sogar die höchsten Persönlichkeiten des Reichs konnten damit rechnen, verhöhnt zu werden. […] Die Chronisten der westlichen Geschichte beklagen nur selten das Ableben des Narrenfests. […] Dennoch, sein Sterben war ein Verlust. Das Narrenfest hatte demonstriert, dass sich eine Kultur über ihre heiligsten königlichen und religiösen Praktiken amüsieren konnte. Sie konnte sich eine ganz andere Art der Welt vorstellen, wenigstens hin und wieder, eine Welt, in der die Letzten die Ersten waren, in der anerkannte Werte invertiert waren, in der Narren Könige wurden und Chorknaben Prälaten […] Das Narrenfest hatte damit eine implizit radikale Dimension. Es deckte das arbiträre Wesen sozialer Ränge auf und ermöglichte es den Menschen zu sehen, dass die Dinge nicht für immer so sein müssten, wie sie sind.65

Dieses Zitat von Harvey Cox’ Analyse des Narrenfests verweist in analoger Weise auf die Kraft der Imagination, welche in der symbolischen Repräsentation des sittlichen Lebens liegt, wie sie in biblischen Geschichten zu finden ist. Denn die sittliche Vorstellungskraft, die von diesen Geschichten erzeugt wird, erkennt den fiktionalen und arbiträren Charakter der gegenwärtigen Institutionen der sozialen Welt.66 Politische, ökonomische und kulturelle Ordnungen sind nicht in Stein gemeißelt, sondern der Veränderung durch die kreative Imagination unterworfen, welche die verantwortlichen sittlichen Akteure zum Handeln anregt. Das Narrenfest verweist auf ein weiteres wichtiges Merkmal einer Ethik der Imagination – ihre Fähigkeit, konkretes symbolisches Handeln anzuregen. Eine Ethik der Imagination erfordert, dass die in den biblischen Geschichten offenbarten moralischen Werte in einer sichtbaren Verkörperung symboli65 Cox, Harvey : The Feast of Fools: ATheological Essay on Festivity and Fantasy. New York: Harper & Row, 1969, S. 3 – 5. 66 Für die soziologische Begründung dieser Sicht, dass alle „Realität“ eine gesellschaftliche Konstruktion ist, die durch menschliche Symbolisierung ermöglicht wird, s. Berger, Peter L.; Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1969, S. 21 – 48.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

334

Murray W. Dempster

siert werden. Wie Hauerwas so pointiert bemerkte, „beginnt die christliche Sozialethik […] nicht mit Versuchen, Strategien zu entwickeln, um die Welt ,gerechter‘ zu machen, sondern in der Gründung einer Gesellschaft, die durch den wahren Charakter Gottes, den wir in den Geschichten von Israel und Jesus geoffenbart finden, geprägt und ihrer Schuld überführt ist.“67 Die Kirche muss jene Gesellschaft sein, die der neuen Menschheit von moralischer Imagination und theologischer Überzeugung eine sichtbare und greifbare Verkörperung verleiht. Denn die Kirche ist beauftragt, der sichtbare Wegweiser der neuen Menschheit zu sein, in der die Spaltungen von Rasse, Nationalität, ökonomischem Status und Geschlechterunterscheidung versöhnt sind, in der die Unterdrückten befreit sind, in der die Not leidenden Gerechtigkeit erfahren und in der die bedingungslose Liebe keine Feinde kennt. Folglich sollte sich die Kirche nicht einfach nur als ein freiwilliger Verein von Individuen verstehen, die atomistisch modellieren wollen, wie das Evangelium jeden von ihnen persönlich beeinflusst hat. Ein bedeutungsvolles Zeugnis der Kirche muss die Form der sozialen Demonstration einer neuen Gesellschaft annehmen, die im eigenen Leben der Kirche inmitten der Ambiguitäten der historischen Existenz Form annimmt. Als ein sichtbarer Ausdruck der neuen Menschheit muss sich die Kirche selbst als Beauftragte Gottes für soziale Veränderung verstehen, denn wie John Yoder sagte: „[d]ie primäre soziale Struktur, durch die das Evangelium die Änderung anderer Strukturen herbeiführt, [ist] die christliche Gemeinschaft.“68 Da es eine grundlegende sittliche Aufgaben der Kirche ist, die Sozialethik des biblischen Zeugnisses in ihrem eigenen Leben zu verkörpern, hat Paul Lehmann argumentiert, dass die Kirche die Charakteristika einer experimentellen Gemeinschaft annehmen müsste. Die empirische Kirche verletzt auf vielerlei Weise die ethische Wirklichkeit, die der eigentliche Anlaß für ihre Existenz ist und ohne die sie nicht Kirche sein kann. Trotzdem, trotz ihrer Zweideutigkeit weist die empirische Kirche auf die Tatsache hin, daß es in der Welt ein „Laboratorium des lebendigen Wortes“ gibt […] nämlich die christliche koinonia. In der koinonia vollzieht sich fortwährend ein Experiment mit der konkreten Wirklichkeit und Möglichkeit menschlicher Wechselbeziehung und der Offenheit für den Menschen.69

67 Hauerwas: Church in a Divided World, S. 58 [Auslassungen i. Orig.]. 68 Yoder, John H.: Die Politik Jesu: Der Weg des Kreuzes. Maxdorf: Agape, 1981, S. 141. Für eine ausgezeichnete Zusammenfassung der Kirche als Gegengesellschaft, s. Mott, Stephen: Biblical Ethics and Social Change. 2. Aufl. New York: Oxford University Press, 1982; Wallis, Jim: Agenda for Biblical People. New York: Harper & Row, 1976. 69 Lehmann, Paul L.: Ethik als Antwort. München: Chr. Kaiser, 1966, S. 123. Für eine ausgezeichnete Abhandlung zu Lehmanns kontextueller Ethik und ihren Einfluss auf eine Pfingstliche ˜ e, Eldin: The Politics of the Spirit: Reflections on Sozialethik sozialen Engagements, s. Villafan a Theology of Social Transformation for the Twenty-First Century. In: Pneuma 18, Nr. 2 (1996), S. 161 – 170.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Struktur einer durch pfingstliche Erfahrung geprägten christlichen Ethik 335

Weil die Verkörperung der sozialen Bezeugung des Handelns Gottes in den Gezeiten der historischen Existenz von experimenteller Natur ist, muss die moralische Imagination der Kirche von einer Ethik der Verantwortlichkeit geprägt sein; das heißt, von einer Ethik die innerhalb einer dialogischen Gemeinschaft des sittlichen Diskurses geformt wird.70 Denn in einer mehrdeutigen, sich ständig verändernden Welt ist die konkrete Gestalt des Handelns der christlichen Gemeinschaft in Antwort auf Gottes Handeln eine Frage des ernsthaften Dialogs. Daher, wie Hauerwas argumentiert hat, „erfordert schon das Wesen der Geschichten über Gott ein Volk, das auf jeden Fall bereit sein muss, sein eigenes Verständnis dieser Geschichte dadurch herausgefordert zu sehen, wie und was die anderen, in ihrem Versuch, treu zu jenen Traditionen zu leben, als das von ihnen Geforderte entdeckt haben.“71 Zusammenfassend zeigt die Glossolalie als Teil der ureigenen Erfahrung der Geisttaufe und der Geistbegabung auf der Ebene der Sittlichkeit an, dass Mehrdeutigkeit ein Wesensmerkmal menschlicher Existenz ist. Das Streben nach Kongruenz und Integrität im sittlichen Leben muss innerhalb der Mehrdeutigkeiten einer geteilten Welt erfolgen. Zwei Merkmale einer pfingstlichen Ethik auf der Ebene des sittlichen Handelns helfen bei der Suche nach Kongruenz inmitten der existenziellen Ambiguität des menschlichen Lebens. Erstens sollte eine pfingstliche Ethik eine Ethik der Verantwortlichkeit sein. Im theologischen Zusammenhang mit Gottes schöpferischer Kraft und den Normen der zu ihr gehörenden besonderen biblischen Geschichten, stellt eine Ethik der Verantwortlichkeit moralische Handlungsträger konkret vor die Aufgabe, auf alles Handeln so zu antworten, als ob es das Handeln Gottes sei. Zweitens sollte eine pfingstliche Ethik eine Ethik der Imagination sein. In einem Netzwerk von wert-geladenen Beziehungen und Aktivitäten regt eine Ethik der Imagination moralische Handlungsträger in ihrer Antwort auf Gottes Handeln dazu an, die menschlichen Handlungen von Befreiung, Gerechtigkeit, Liebe und Versöhnung durch eine tiefe Identifikation mit den theologischen Überzeugungen und ethischen Normen der mit Gottes schöpferischer Kraft verbundenen biblischen Geschichten wieder in Kraft zu setzen. Eine Ethik der Imagination zielt nicht nur auf die Wiederaufführung ihrer Geschichten, sondern auch auf die Verkörperung ihrer Geschichten in der Errichtung der Kirche als neuer Gesellschaft.

70 Für eine anregende Diskussion der Themen: Kirche als Gestalterin christlicher sittlicher Identität, Kirche als Trägerin sittlicher Tradition und Kirche als Gemeinschaft sittlicher Erwägung, s. Birch, Bruce C.: Bible & Ethics in the Christian Life. Minneapolis, MN: Augsburg, 1976, S. 25 – 141. In der überarbeiteten Version fehlt diese Diskussion. 71 Hauerwas: Church in a Divided World, S. 58.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

336

Murray W. Dempster

Eine abschließende Bemerkung Dieser Aufsatz war kein Versuch, eine umfassende christliche Ethik aus der Erfahrung pfingstlicher Glossolalie heraus zu entwickeln. Ein solcher Versuch wäre vergeblich und fehlgeleitet. Denn eine christliche Ethik muss im Rahmen des gesamten Texts der Schrift, des theologischen Verständnisses der Glaubensgemeinschaft und der Geschichte des Nachdenkens der Kirche über persönliche und soziale Ethik entwickelt werden. Dieser Aufsatz war jedoch ein Versuch, die sittliche „Bedeutung“ der glossolalischen Begegnung mit Gott auszuloten. Doch selbst im Hinblick auf dieses begrenzte Ziel kann der Einwand erhoben werden, dass das Solo der Kantate einer zweiten Stimme zugewiesen wurde. Es ist richtig, dass vieles von dem, was hier als sittliche Bedeutung der Glossolalie entwickelt wurde, auch im Kontext einer Theologie der Geisttaufe hätte entwickelt werden können, und vielleicht hätte die Verwendung eines solchen Ansatzes den Anschein erweckt, dass die theologischen Überlegungen zur Ethik auf einer festeren Grundlage ruhen würden. Doch nicht alles, was in diesem Aufsatz über das sittliche Leben gesagt wurde, wäre ohne die Fokussierung auf die Glossolalie als indigenen Bestandteil der Geisttaufe und der Geistbegabung möglich gewesen. Denn es ist von der glossolalischen Begegnung mit Gott her, dass die sittlich bedeutsamen Themen der prophetischen Kritik, des symbolischen Antriebs und Neuordnung und des imaginativen Denkens als eine authentische Gabe des Geistes für die pfingstliche Gemeinschaft erkannt werden können. Diese Bestandteile fehlen allzu oft in einem pfingstlichen Verständnis des sittlichen Lebens. Und genau diese Bestandteile sind für das weitere Wachstum des pfingstlichen gesellschaftspolitischen Bewusstseins entscheidend, insbesondere im Licht der Einsichten von McDonnell und Quebedeaux, die am Anfang dieser Erörterung standen. Die pfingstliche sittliche Bildung muss weiter an einer symbolischen Repräsentation des sittlichen Lebens arbeiten, die eine freudige Antwort auf den Gott der Befreiung, den Gott der sozialen Gerechtigkeit und des Schalom, den Gott der bedingungslosen Liebe und den Gott der neuen Menschheit anregt. Damit wird gewährleistet, dass die pfingstlichen Menschen- und Engelszungen nicht wie tönend Erz oder eine schallende Zimbel klingen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pamela M.S. Holmes

Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen Ein Gespräch mit der Kritischen Theorie

*

Einleitung Die Beteiligung von Frauen am geistlichen Dienst in den frühen Jahren der USamerikanischen Pfingstbewegung und deren statistischer Rückgang in der darauf folgenden Zeit sind bereits mehrfach thematisiert und auf unterschiedliche Weise erklärt worden.1 Für Kanada ist die aktive Mitwirkung von Frauen hingegen weniger gut dokumentiert. Aus meinen eigenen Forschungen2 geht jedoch hervor, dass Frauen aktiv und in bedeutendem Maß an der Entstehung und Etablierung der Pfingstbewegung beteiligt waren. Ellen Hebden hat beispielsweise mit ihrer „Kanadischen Azusa Street“, der Hebden Mission in Toronto, einen sehr großen Einfluss ausgeübt bevor die männlich dominierten Pentecostal Assemblies of Canada (PAOC) gegründet wurde.3 Die erste offizielle Historikerin der PAOC war eine Frau, Gloria Kulbeck.4 Aimee * Originalveröffentlichung: Holmes, Pamela M. S.: The Spirit, Nature, and Canadian Pentecostal Women: A Conversation with Critical Theory. In: Alexander, Estrelda; Yong, Amos (Hg.): Philip’s Daughters. Women in Pentecostal-Charismatic Leadership. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2009 (Princeton Theological Monograph Series 104), S. 185 – 202. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Wipf&Stock-Verlags; alle Rechte vorbehalten. 1 Holmes, Pamela M. S.: The “Place” of Women in Pentecostal-Charismatic Ministry Since the Azusa Street Revival. In: Hunter, Harold D.; Robeck, Cecil M. Jr. (Hg.): The Azusa Street Revival and Its Legacy. Cleveland, TN: Pathway Press, 2006, S. 297 – 315. 2 Holmes, Pamela M. S.: Ministering Women in the PAOC: A Feminist Exploration. In: Wilkinson, Michael (Hg.): Canadian Pentecostalism: Transition and Transformation. Montreal, QC: McGill-Queen’s University Press, 2009 (McGill-Queen’s Studies in the History of Religion 49), S. 171 – 194. 3 S. Hebden, Ellen: How Pentecost Came to Toronto. In: The Promise 1 (1907), S. 1 – 3; Slager, Geroge C.: Letter to W. E. McAlister, 24 Mar 1954 (24. 03. 1954); Hebden, Ellen: This is the Power of the Holy Ghost. In: The Apostolic Faith 1, Nr. 6 (1907), S. 4, hier S. 4.4; Nelson, Roger: And Your Daughters Shall Prophesy : The Impact of Dominant Ideology of Canadian Society on the Role of Women in the PAOC, Independent Inquiry. Carleton University, Ottawa, ON: School of Social Work, 1994, S. 2, vgl. Miller, Thomas W.: Canadian Pentecostals: A History of the Pentecostal Assemblies of Canada. Mississauga, ON: Full Gospel Publishing House, 1994, S. 39 – 44. Hebdens Ehemann James war ein Unternehmer, der ebenfalls in diesem Dienst involviert war, meist als Unterstützer der Arbeit seiner Frau. 4 Kulbeck, Gloria G.: What God Hath Wrought: A History of the Pentecostal Assemblies of Canada, hg. v. Walter E. McAlister; und George R. Upton. überarb. Aufl. Toronto: Pentecostal Assemblies of Canada, 1958.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

338

Pamela M.S. Holmes

Sample McPherson, das kanadische Farm-Mädchen, das zu einer Evangelistin wurde, und Zelma Argue, Evangelistin und Schriftstellerin, waren sowohl in Kanada als auch in den USA aktiv im Dienst.5 Alice Wood leistete 1908 eine Pionierarbeit in Swift Current, Saskatchewan,6 1911 begann Alice Belle Garrigus die Bethesda Mission in St. Johns, Neufundland, was schließlich zur Bildung der Pentecostal Assemblies of Newfoundland führte,7 und 1923 gründeten die Schwestern Carro und Susan Davis Gemeinden in ganz New Brunswick, Nova Scotia und Prince Edward Island.8 Selbst nachdem sich die PAOC formiert hatten, war es nicht unüblich, dass die Anzahl von Frauen im aktiven Dienst diejenige der Männer übertraf. Der einzige nennenswerte Unterschied lag darin, dass Männer ausschließlich andere Männer und keine Frauen als „Geistliche“ ordinierten, also in ein Amt, das die vollen Privilegien mit sich brachte, einschließlich des Wahlrechts und des Rechts, die Bewegung zu leiten.9 Bis 1984 mussten sich kanadische Frauen mit niedrigeren Bezeichnungen innerhalb der von Männern gegründeten hierarchischen Organisation abfinden, weil sie als „lizensierte Predigerinnen“, „Diakonissen“, „Evangelistinnen“ und „Missionarinnen“ diesen untergeordnet waren.10 Selbst danach mussten sie sich noch bis 1998 gedulden, bis ihnen Zugang zu allen Leitungsämtern innerhalb der Organisation der PAOC gewährt wurde, einschließlich das des Generalvorstands [General Executive].11

5 Blumhofer, Edith L.: Aimee Semple McPherson: Everybody’s Sister. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1993 (Library of Religious Biography), S. 3. 6 Kydd, Ron: Canadian Pentecostalism and the Evangelical Impulse. In: Rawlyk, George A. (Hg.): Aspects of the Canadian Evangelical Experience. Montreal, QC: McGill-Queen’s University Press, 1997 (McGill-Queen’s Studies in the History of Religion 2), S. 289 – 300, hier S. 289. 7 Janes, Burton K.: The Lady Who Stayed: The Biography of Alice Belle Garrigus, Newfoundland’s First Pentecostal Pioneer, Volume Two (1908 – 1949). St. John’s, Newfoundland: Good Tidings, 1983. 8 Parlee, Fred H.: Carro and Susie Davis. In: The Pentecostal Testimony (1987), S. 16 – 17. 9 Frauen mit der Ordination „Ministerial License for Women“ hatten bis 1950 in der PAOC kein Stimmrecht, S. Holm, Randall: A Paradigmatic Analysis of Authority Within Pentecostalism. Qu¦bec, Universit¦ Laval, Facult¦ de Theologie, PhD Dissertation, 1995, Kap. 7, „Ordination of Women“, insbes. S. 276. 10 Vgl. Wortman, C. M. (General Secretary, PAOC): Letter to Rev. J. Roswell Flower, General Secretary, Assemblies of God (22. 06. 1949) und Report of the General Conference Committee, Re: Ordination. Mississauga, ON: Pentecostals Assemblies of Canada, 1978. Zur Nennung von „Evangelistinnen“ s. die unterschiedlich langen Beiträge und Notizen in Canadian Pentecostal Testimony Nr. 2/13 (01.1923), S. 3; Nr. 8 (09.1921), S. 4; Nr. 1 (12.1920), S. 1; Nr. 1 (03.1921), S. 1, 4. Für „Missionarinnen“ s. Canadian Pentecostal Testimony Nr. 11 (12.1921), S. 3; Nr. 8 (09.1921), S. 4; Nr. 5 (04.1921), S. 2; Nr. 2/12 (12.1922), S. 1; Nr. 2/6 (06.1922), S. 1; Nr. 2/13 (1923), S. 5; Nr. 6 (05.1921), S. 3 und Nr. 2/6 (1922), S. 4. 1984 stimmte die Organisation für die Zulassung von Frauen zur Ordination, s. Minutes of the 34th Biennial General Conference of the Pentecostal Assemblies of Canada, 1984. Mississauga, ON: Office of the Secretary, 1984, S. 10 – 20 und die auf Fotokopie beigefügte Bemerkung auf S. 20. S. a. Holm, Randall: Ordination of Women. In: The Pentecostal Testimony (1992), S. 2 – 4, hier S. 2. 11 Vgl. „36 Resolutions“, Anhang zu Minutes of the 41st Biennial General Conference of the

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen

339

Der vorliegende Aufsatz möchte das dialektische Phänomen von Befürwortung und Ablehnung einer aktiven Beteiligung von Frauen in der kanadischen Pfingstbewegung untersuchen, wie es am Beispiel der PAOC als der größten nationalen Pfingstkirche in Kanada deutlich wird, und versuchen, dieses zu analysieren, indem Aspekte der Erfahrungen von Pfingstlerinnen in einen selbstreflexiven, kritischen Dialog mit den dezidiert fachübergreifenden Erkenntnissen der kritischen Theoretiker Theodor Adorno und Max Horkheimer gebracht werden. Diese Kritik versteht sich als radikale Kritik, wie es sowohl der kritischen Theorie als auch der Pfingstbewegung entspricht,12 insofern sie versucht, zur Wurzel des Problems vorzudringen. Die damit verbundene Hoffnung ist es zu zeigen, dass das Problem des Patriarchats und der Beherrschung von Frauen innerhalb der Pfingstbewegung Teil eines viel tiefgründigeren, im westlichen Aufklärungsdenken verwurzelten Problems ist, das oft mit dem Willen und dem Wirken des Heiligen Geistes bei der Ermächtigung und Berufung pfingstlicher Frauen im Konflikt steht.

Die Kritische Theorie Die Kritische Theorie ist ein fachübergreifender Diskurs, der in seinem Versuch, eine sich mit gesellschaftlichen Kernproblemen auseinandersetzende umfassende Sozialtheorie zu konstruieren, sowohl die Bedeutung der Theorie als auch die Bedeutung empirischer Studien hervorhebt. Als solche umfasst die Kritische Theorie eine Kritik der traditionellen bzw. konventionellen Sozialtheorie, Philosophie, Wissenschaft und Technologie sowie einer Reihe von Ideologien, samt ihrer religiösen Formen.13 Der vorliegende Aufsatz konzentriert sich schwerpunktmäßig auf die Arbeiten von Max Horkheimer und Theodor Adorno, zwei der früheren Vertreter der Kritischen Theorie. Deren Interesse an der Rolle der Aufklärungsrationalität bei der Befreiung und Beherrschung der Menschheit im Zuge ihres Bestrebens, die Menschheit von der Kontingenz der Natur zu unterscheiden und zu befreien, kann Pfingstlern helfen, die ihnen begegnende Herausforderung zu verstehen, wenn sie der Führung des Geistes bei der Befreiung von Frauen in ihrer Mitte folgen. Die Kritische Theorie speist sich aus marxistischem Gedankengut, das im 19. Jahrhundert eine starke Kritik an den durch die Industrialisierung verPentecostal Assemblies of Canada, 1998. Mississauga, ON: Office of the Secretary, 1998, S. 3 – 5 vgl. auch 5, 7, 16 – 17. 12 Ich habe an anderer Stelle in einem unveröffentlichten Aufsatz dargelegt, dass die Pfingstbewegung eine radikale Reformbewegung war, s. Holmes, Pamela M. S.: A Crisis/A Call: An Exegesis and Contextualization of Jeremiah 2:1 – 13. 13 Ein Überblick zur Geschichte und den Anliegen der Kritischen Theorie findet sich bei Wiggershaus, Rolf: Die Frankfurter Schule: Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung. München: Hanser, 1986.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

340

Pamela M.S. Holmes

ursachten Ungleichheiten geübt und diese herausgefordert hat. Karl Marx und Friedrich Engels zufolge erforderte der Drang nach ständigem Wachstum in einem kapitalistischen, patriarchalen Wirtschaftssystem, dass die Natur und die Menschen als Ressourcen begriffen werden, die beherrscht werden müssen.14 Die Menschheit und die Natur waren laut Marx zwar grundsätzlich voneinander abhängig, die Natur stand allerdings im Dienst der Menschheit, insofern sie die „erste[…] Quelle aller Arbeitsmittel und -gegenstände“ darstellte.15 Jedenfalls lag der Wert der Natur, obwohl er geschichtlich gesehen allen menschlichen Gesellschaften vorausgeht, in seiner potentiellen ökonomischen Realisierung durch die menschliche Arbeit.16 Indem sie es ablehnt, den Marxismus als „geschlossenes System von gültigen Wahrheiten“17 zu betrachten, revidiert die Kritische Theorie das marxistisches Denken in bedeutender Weise durch eine interdisziplinäre und kontextuelle Untersuchungsmethode. Mit dem Wandel der historischen Umstände verschieben sich auch die Ansätze und Akzente der Kritischen Theorie. Nach den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs, welche die vorrangig jüdischen Forscher der frühen Frankfurter Schule zur Auswanderung von Deutschland nach Amerika zwangen, erweiterten Max Horkheimer und Theodor Adorno ihren früheren Schwerpunkt, der auf den ökonomischen Fragestellungen lag, zu einer breiteren und umfassenderen Analyse des Verhältnisses von Menschheit und Natur innerhalb moderner westlicher Gesellschaften. In ihrem Buch Die Dialektik der Aufklärung betonten Adorno und Horkheimer, dass die als Rationalisierungsprozess verstandene Aufklärung Teil der Zivilisierung der Menschheit war. In ihrer Argumentation bezieht sich die Bezeichnung „Aufklärung“ eher auf eine bestimmte Form aufgeklärten Denkens als auf die Aufklärung im Sinne einer historischen Epoche. Aufklärung 14 Vgl. Salleh, Ariel: Ecofeminism as Politics: Nature, Marx, and the Postmodern. New York: St. Martin’s Press, 1997, S. 72 – 73; Parsons, Howard L.: Marx and Engels on Ecology. In: Merchant, Carolyn (Hg.): Ecology. Atlantic Highlands, NJ: Humanities Press, 1994 (Key Concepts in Critical Theory), S. 28 – 43. 15 Vgl. Schmidt, Alfred: Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx. Überarb., erg. und mit einem Postscriptum versehene Neuausg., 2., unveränd. Aufl. Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt, 1974 (Basis Studienausgaben), S. 8, s. a. 7 – 9, 19 f., der aus den Arbeiten von Karl Marx und Friedrich Engels zitiert, s. bspw. Marx, Karl und Friedrich Engels: „Die deutsche Ideologie: Kritik der neusten deutschen Philosophie in ihren Repräsentanten Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten“, Marx Engels Werke, Bd. 3, Berlin: Dietz 1962 (MEW), S. 9 – 530, hier S. 21; Marx, Karl: „Kritik des Gothaer Programms“, Marx Engels Werke, Bd. 19, Berlin: Dietz 1962 (MEW), S. 13 – 32, hier S. 15; Marx, Karl: „Das Kapital. Erster Band: Kritik der politischen Ökonomie“, Marx Engels Werke, Bd. 23, Berlin: Dietz 1968 (MEW), S. 11 – 802, hier S. 192; Marx, Karl: „Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844“, Marx Engels Werke, Erg.-Bd. 1, Berlin: Dietz 1968 (MEW), S. 465 – 588, hier S. 578. Eine Synopse der wichtigsten Zitate findet sich außerdem bei Parsons: Marx and Engels 16 Vgl. Schmidt: Begriff der Natur, S. 7 – 9, 19 f., 22 f., 26 f. 17 Vgl. Jay, Martin: Dialektische Phantasie: Die Geschichte der Frankfurter Schule und des Instituts für Sozialforschung 1923 – 1950. Frankfurt am Main: Fischer, 1976, S. 298.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen

341

und aufgeklärtes Denken werden gemeinhin als Befreiung von einer gewissen primitiven und früheren Existenzweise verstanden, in der Magie und Mythos zur Kontrolle von Bereichen des Lebens und der Natur herangezogen wurden, über die der Mensch scheinbar wenig Kontrolle besaß. Ein solches Verständnis ist jedoch den kritischen Theoretikern zufolge falsch. Magie und Mythos waren bereits aufgeklärtes Gedankengut, insofern sie zum ersten Schritt der Menschheit gehörten, sich von der Natur abzusondern. Als die Menschheit begann, sich vom Rest der natürlichen Welt als eine Spezies zu differenzieren, die bewusst im Modus von Ursache und Wirkung schlussfolgern und ihre eigene Existenz reflektieren konnte und sich so von den Unsicherheiten und Gefahren der Natur zu befreien versuchte, bediente sie sich bereits aufgeklärten Denkens. In ihrer Entwicklung über magische Rituale und Mythen hinaus kam die Menschheit schließlich dazu, die Natur als einen unpersönlichen Gegenstand wahrzunehmen, der ausgebeutet werden konnte. Folglich, und ironischerweise, stellen Horkheimer und Adorno fest, geschah es aus einer Binnenperspektive heraus, dass die Menschheit den Versuch startete, die Natur zu bewältigen, obgleich sogar heute noch aufgeklärtes Denken annimmt, den Mythos aus irgendeiner „Außen“-Position heraus zerstört zu haben.18 Das Ergebnis ist, dass obwohl die Denker der Aufklärung zwar glauben, Mythen durch das rationale Denken zerstört zu haben, sie bloß einen neuen Mythos übernommen haben, der besagt, dass die Aufklärung den Mythos destruiert habe und selbstverständlich streng rational sei.19 Darüberhinaus vertreten Horkheimer und Adorno die These, dass die Aufklärung, nicht anders als Mythen, letztgültige mythische Wahrheitsansprüche erhebt.20 Sie betonen, dass die Aufklärung jene rationalistische oder empiristische Denkweisen und Methoden der Verifikation legitimiert hat, die es der Menschheit ermöglicht haben, die Natur zu beherrschen. Systeme, wie etwa die wissenschaftliche Methode, die Mathematik, die Physik und die formale Logik genießen hohe Wertschätzung, während Ansätze wie Religion, Ästhetik und spekulative Philosophie verhöhnt und entwertet werden.21 Dennoch sind sowohl das Identitätsdenken (d. h. der Glaube, dass die eigenen Konzepte Gegenstände restlos erklären und identisch mit der Realität sind) als auch die mathematische Logik und Berechnung, Methoden der Kontrolle und Beherrschung, die vom Selbsterhaltungstrieb gesteuert werden. 18 Vgl. Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W.: „Dialektik der Aufklärung“: Philosophische Fragmente. In: Dies.: „Dialektik der Aufklärung“ und Schriften 1940 – 1950, hg. v. Schmid Noerr, Gunzelin. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1987 (Gesammelte Werke 5), S. 13 – 290, hier S. 32 – 35. 49 f., 64 f. 19 Wiggershaus: Die Frankfurter Schule: Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung, S. 368 f. 20 Vgl. Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung, S. 28 – 33, 47. 21 Vgl. ebd., S. 26 – 31, 47 – 49, 94 – 96, 280 f. Francis Bacon, der „Vater der experimentellen Philosophie“ wird hier dafür kritisiert, die Anliegen der Aufklärung negativ definiert zu haben.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

342

Pamela M.S. Holmes

Die Vernunft, so Horkheimer, ist eine „absolute“ und „letzte Wahrheit“ geworden, an der alles andere gemessen wird und sich als mangelhaft erweist.22 Abstraktion ist nach Horkheimers und Adornos Ansicht ein Mittel faschistoider Beherrschung geworden, und mit den neusten technologischen Fortschritten hat diese Vorherrschaft nur zugenommen.23 Die Rolle des christlichen religiösen Denkens bringen sie mit der Erwähnung Martin Luthers in die Diskussion ein, dem sogenannten Vater der protestantischen Reformation, der am Prozess der Beherrschung beteiligt war, und mit ihm die protestantische Kirche.24 Nach Horkheimers und Adornos Verständnis operiert die vermeintlich aufgeklärte menschliche Kultur aus einer säkularisierten religiösen Grundüberzeugung heraus. Diese Grundüberzeugung ermöglicht es dem Menschen, die Natur als das unterlegene, leblose, äußerliche und ausbeutbare „Andere“ zu betrachten. Die religiöse Grundüberzeugung besagt, dass Gott die Welt kontrolliert und beherrscht um „Seine“ eigenen Absichten zu erreichen. Die säkularisierte Variante besagt, dass der Mensch die Natur kontrolliert und beherrscht um „seine“ eigenen Absichten zu erreichen. Hinzu kommt, dass nicht nur die äußere Natur, sondern auch die innere Natur des Menschen beherrscht wurde. Zur weiteren Vertiefung ihrer Analyse greifen Horkheimer und Adorno darauf zurück, was sie als das klassische Werk der westlichen Kulturgeschichte betrachten: die Odyssee.25 An diesem homerischen Epos und den Abenteuern des Odysseus verdeutlichen sie, wie man(n) die Gefahren der natürlichen Welt und seiner eigenen Natur auf dem Weg zur Beherrschung seiner selbst, seines Hauses und seines Reichs bezwingt. Dies ist, so betonen sie, das fundamentale Prinzip aller menschlichen Kultur samt ihrer Aufklärungsrationalität: die Beherrschung der Natur – und zwar sowohl der inneren Natur des Menschen, d. h. jener Teile seiner selbst, die er mit seinen animalischen Instinkten assoziiert, als auch der äußerlichen natürlichen Umwelt. Beide werden als das „Andere“ im Gegenüber zum Mann und als Gefahr für den Mann verworfen und unterdrückt. Desweiteren tritt nicht jeder die Reise auf die gleiche Weise wie Odysseus an. Männliche Sklaven und Frauen stehen unter der Herrschaft des männlichen Befehlsherrn Odysseus, an Stelle der Gewährung des Rechts, die Kontrolle ihrer selbst und ihrer Umwelt direkt anzustreben. Bezeichnenderweise verknüpfen Adorno und Horkheimer in dieser Diskussion die Beherrschung der Natur mit der Beherrschung der Frauen, wenn sie feststellen: „Als Repräsentantin der Natur ist die Frau in der bürgerlichen Gesellschaft zum Rätselbild von Unwiderstehlichkeit und Ohnmacht gewor22 Vgl. Horkheimer, Max: Anfänge der bürgerlichen Geschichtsphilosophie. In: Ders.: Philosophische Frühschriften 1922 – 1932, hg. v. Schmid Noerr, Gunzelin. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1987 (Gesammelte Werke 2), S. 179 – 268 insbes. 253. 23 Vgl. Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung, S. 28 f., 33 – 35, 48 – 55. 24 Vgl. ebd., S. 25 – 28, 41 – 43. 25 Vgl. ebd., S. 67 – 103.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen

343

den. So spiegelt sie der Herrschaft die eitle Lüge wider, die anstelle der Versöhnung mit der Natur deren Überwindung setzt.“26 Am Beispiel der Interaktion des Odysseus mit den Sirenen und ihren Liedern, mit Kirke und ihrer Sexualität und ihrer Fähigkeit, Männer in Tiere zu verwandeln, und mit Penelope, seiner treuen Ehefrau und dem Rätsel des Ehebetts, das aus einen Ölbaum gezimmert war,27 zeigen Horkheimer und Adorno, dass Frauen mit den schwächeren, verführerischen, sexuellen und tierähnlichen Aspekten der Natur assoziiert werden. Es sind diese Aspekte in ihm selbst, die Odysseus beherrschen und kontrollieren muss, um wieder Anschluss an die zivilisierte Welt zu finden und seinen rechtmäßigen, herrschenden Platz in ihr einnehmen zu können. Horkheimer und Adorno erkennen auch die prekäre Position, in der sich Frauen oftmals wiederfinden, wenn sie bemerken: „Wo Beherrschung der Natur das wahre Ziel ist, bleibt biologische Unterlegenheit das Stigma schlechthin, die von Natur geprägte Schwäche zur Gewalttat herausforderndes Mal.“28 In ihrem Ansatz betrachten sie Patriarchat nicht als Familienkonstellation, sondern als eine soziale Form der Beherrschung, die sowohl die männliche Kultur als auch die Kirche gefördert haben und von der beide profitiert haben, indem sie die Arbeit und die Bemühungen von Frauen als ihre eigenen vereinnahmt haben.29 Obwohl die Kritik Adornos und Horkheimers an dieser Beherrschung der Frauen für Frauen beleidigend ist, wie an der Behauptung deutlich wird, dass „die letzten Spuren weiblichen Widerstands gegen den Geist einer männlich dominierten Gesellschaft in einem Sumpf von armseligen Schwindeleien, religiösen Sekten und Hobbies“30 feststecken, trifft ihr Argument zu. Indem Frauen mit der Natur identifiziert werden, sehen Kirche und Gesellschaft sie als das „Andere“ im Gegenüber zum Mann und daher von Natur aus, wesensgemäß dem Mann unterworfen. Die Kirche fügt dieser Beherrschung eine göttlich verordnete Legitimation hinzu, wenn sie im Rückgriff auf die „Schöpfungsordnung“ lehrt, dass „der Mann das Haupt der Frau“ und „die Frau dem Mann untergeordnet“ ist, und dass Gott dem Menschen die Erde untertan gemacht hat, unter Einschluss des Rechts, anderen Geschöpfen Namen zu verleihen.31 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach Horkheimers und Adornos Verständnis die gegenwärtige Kulturkrise tiefe Wurzeln hat, da die Aufklä26 27 28 29

Vgl. ebd., S. 94 – 96. Vgl. ebd., S. 55 – 60, 81 – 83, 93 – 99. Vgl. ebd., S. 280 f. Vgl. ebd., S. 43 f., 94 – 96, 132 – 135, 280 f. Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W.: Dialectic of Enlightenment, übers. v. John Cumming. New York: Continuum, 1998, S. 21, 71 – 72, 109 – 11, 248. 30 Vgl. Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung, S. 282 f., aber auch Hewitt, Marsha: Critical Theory of Religion: A Feminist Analysis. Minneapolis, MN: Fortress Press, 1995, als Beispiel einer feministischen Kritik ihrer Arbeiten. 31 Vgl. Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung, S. 279 – 286.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

344

Pamela M.S. Holmes

rungsrationalität bzw. das Aufklärungsdenken das Herrschaftsprinzip aus uralten Zeiten aufgenommen hat. Diese Beherrschung umfasst alle unterschiedlichen Formen der Natur und geschieht durch herrschende Männer wie Odysseus. Im Ergebnis hat ein solches herrschendes Aufklärungsdenken die Menschheit zu einem Desaster geführt, anstatt sie zu zivilisieren und von den Unberechenbarkeiten der Natur zu befreien. Die Menschheit ist nun sowohl im psychischen als auch im kulturellen Sinne32 beherrscht, und die Natur, die im Zuge der Unterdrückung und Ausbeutung ernsthaft beschädigt worden ist, antwortet deutlich auf eine für menschliche Leben oft desaströse Weise. Doch während die Mutter Natur ohne die Menschheit überleben könnte, kann die Menschheit nicht ohne ihre Mutter Erde überleben. Adorno und Horkheimer zufolge muss Aufklärung oder zumindest aufgeklärtes Denken nicht zwingend beherrschend sein.33 Obwohl das Ziel des aufgeklärten Denkens in der Selbsterhaltung des Menschen bestand, die leider im Versuch der Naturbeherrschung angestrebt wurde, findet sich im Aufklärungsdenken auch ein anderes, stärker befreiendes Ziel, das sich einer solchen Beherrschung und jeglichem Machtmissbrauch entgegenstellt. Daraus folgt, dass die Aufklärung zwar selbstzerstörerisch gewesen ist, wahrhaftig aufgeklärtes Denken jedoch eine Veränderung bringen könnte. Leider war, soweit es ihre Situation bis zum Ende der 1940er betraf, das allzu mächtige Leitbild der Aufklärungsrationalität das dominierende, welches das zweite, stärker befreiende Leitbild, daran gehindert hat, sich zu entfalten.34 Die Beherrschung hatte den Sieg davon getragen und das Ergebnis konnte nur ein Desaster sein, da die Menschen wahrscheinlich ihre Daseinsform in der Welt nicht ändern würden, bis es zu spät sein würde.

Gott, Natur und kanadische Pfingstlerinnen Eine Möglichkeit, die Diskussion darüber zu beginnen, ob sich das von Horkheimer und Adorno beschriebene vorherrschende Erbe der Aufklärung in der kanadischen Pfingstbewegung zeigt, besteht darin, die Arbeiten kanadischer Pfingstler zu untersuchen. Ein Vergleich verschiedener Schriften aus drei Perioden der Geschichte der kanadischen Pfingstbewegung deutet darauf hin, dass innerhalb der Bewegung sowohl das destruktive Aufklärungsdilemma als auch das Verständnis einer gegenseitigeren Bejahung von Gott/ 32 Vgl. ebd., S. 16 f., 25, 54 – 56. 33 Adorno und Horkheimer scheinen zwischen einem radikalem Bruch mit Aufklärungsrationalismus und der Verteidigung einer gewissen Art von kritischer Vernunft gegen bestimmte Formen von Irrationalismus ihrer Zeit zu oszillieren. 34 Vgl. Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung, S. 63.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen

345

Natur/Menschheit zu finden sind. Es scheint als habe die kanadische Pfingstbewegung ihre eigene „Dialektik der Aufklärung“. Das erste Textbeispiel stammt aus den frühen Jahren, als Frauen in großer Zahl im geistlichen Dienst standen, sie allerdings zu einem Status zweiter Klasse degradiert wurden, als sich die PAOC gründeten und den Frauen die Ordination und das Stimmrecht vorenthielten. Eine Predigt der Evangelistin Zelma Argue, die in ihrem Werk Contending for the Faith aufgenommen wurde, bietet ein bemerkenswertes Bild von Gott, der Natur und den menschlichen Anfängen. Die biblischen Bilder, die Argue heranzieht spiegeln eine gewisse gegenseitige und verwobene Beziehung zwischen Gott, der Schöpfung und der Menschheit wider. Sie schreibt: Vom Eden zum Paradies! Vom ersten Buch Mose bis zur Offenbarung! Von Ewigkeit zu Ewigkeit fließt der Strom Gottes immer weiter! Durch die gesamten Seiten des wunderbaren Wortes strömt ein Fluss, kristallklar. Adam schaute diesen Strom. Moses hatte Anteil daran […] Christus tauchte am Jordan in diesen Strom ein. Und dann sprach Er leidenschaftlich von dem Strom, der aus dem Inneren der Gläubigen fließen würde, wenn der Heilige Geist kommt […] Lebenspendender Fluss! Der Strom Gottes! Kristallklar! Reinigend! Erfrischend! Heilend! Oh, jedes Bedürfnis wird gestillt, für die, die in diesen Strom eintauchen […] Sünde kam und mit ihr Vertreibung aus dem Garten […] Jetzt schmeckten sie die Wasser. Das war der Strom von Mara. Aber jetzt waren diese Wasser bitter. Moses schrie zum Herrn und sprach: „Was sollen wir trinken?“ Gott zeigte ihm einen Baum, der – als er ihn in die Wasser geworfen hatte – die Wasser süß machte. Denn der Baum, das „alt’ rauhe Kreuz“ allein, konnte das versüßen, was die Sünde besudelt hatte […] Ah! Als der Fels geschlagen wurde strömten die Wasser hervor. Reichlich! Unentgeltlich! Ewig fließend! Sie mussten nur teilhaben. Und der geschlagene Fels war Christus. „Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser!“ […] Am Jordan bestand Christus darauf, dass Er durch Johannes in die Wasser untergetaucht würde, damit in ihm alle Gerechtigkeit erfüllt würde. Seliger Fluss, in den wir hinein steigen können, unsere Sünden und Sorgen zurücklassen können, in dem wir unsere alte Natur für immer zurücklassen können, und auferstehen, um in der Neuheit des Lebens mit Christus zu wandeln […] Süßes Geheimnis! Wenn wir kommen um erlöst zu werden, trinken wir von den lebendigen Wassern. Aber wenn wir am Geist Anteil haben, strömen die lebendigen Wasser aus den Tiefen unserer Seele hervor, und bringen Leben auf das dürre Land

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

346

Pamela M.S. Holmes

um uns herum. Wo immer ein Geist-erfülltes Kind Gottes hingeht, entsteht eine Oase. Neues Leben sprudelt hervor. Gieße es in Strömen aus, Herr, Auf das dürre Land Bis es reicht an Erdens Rand. In Gottes schönem Paradies strömt es immer weiter […] Seliger Fluss, lebenspendender Strom – fließe weiter!35

Das zweite Beispiel ist ein Auszug aus einem Lehrplan, der in den pfingstlichen Sonntagsschulen Kanadas von den 1970er Jahren bis in die späten 1980er Jahre in Gebrauch war, zu einer Zeit als innerhalb der PAOC heftig über die Frauenordination gestritten wurde.36 Im Begleitheft Lehrer für Erwachsene zum Thema „Die christliche Familie“, das für den Gebrauch im Sommer 1982 konzipiert worden war, heißt es: Als Gott die sechs Schöpfungstage vollendet hatte, wandte Er sich der Aufgabe der Spezialanfertigung des Mannes zu, den er als Verwalter seines Werkes bestimmen würde. Aus dem Staub der Erde formte Gott den Körper des Mannes – die höchste Form Seines schöpferischen Genies […] Adam, der von Gott erschaffene Mann, lebte eine Zeit lang im Garten Eden. Er pflegte den Garten und ordnete alle Geschöpfe ein, die darin lebten […] Gott hatte den Mann als ein soziales Geschöpf geschaffen und der musste jemanden haben, mit dem er sein Leben teilen konnte. Also erfüllte Gott Adams Bedürfnis nach Gemeinschaft, indem er Eva schuf […] Die Frau wurde gemacht, um der „Vervollständiger“ des Mannes zu sein. Sie war dazu bestimmt, eine Hilfe zu sein, die ihn vollständig machen würde. Da die Einsamkeit eine der Hauptnöte Adams war, wurde Eva dazu bestimmt, jemand zu sein, mit dem er offen und intim kommunizieren konnte. Diese Kommunikation sollte sowohl verbal als nonverbal sein. Sie umfasste die intellektuelle, geistliche, emotionale und körperliche Dimension der Kommunikation […]37

Das Schülerexemplar desselben Lehrplans, Einsichten für junge Erwachsene: Die christliche Familie, fährt fort, Gott mit dem Männlichen und die Schöpfung mit dem Weiblichen zu verbinden und somit die hierarchischen Rollen zwischen Mann und Frau in der Ehe zu verteidigen. Als Antwort auf die Frage: 35 Argue, Zelma: Contending for the Faith. Winnipeg, MN: Messenger of God, 1928, S. 100 – 102. 36 1974 führte die Generalversammlung der POAC ihre erste formale Abstimmung über einen Antrag zur Frauenordination durch; vgl. Minutes of the 29th Biennial General Conference of the Pentecostal Assemblies of Canada, 1974. Mississauga, ON: Office of the Secretary, 1974, S. 4 – 6. Dieser und die darauf folgenden Anträge konnten sich bis 1984 nicht durchsetzen und selbst dann wurde 1988 ein Antrag eingereicht, der die Entscheidung zu Gunsten der Frauenordination rückgängig zu machen versuchte. Vgl. Minutes of the 36th Biennial General Conference of the Pentecostal Assemblies of Canada, 1988. Mississauga, ON: Office of the Secretary, 1988, S. 42. 37 Vgl. Brock, Raymond T.; Head, Ronald G.: Study 1: Foundation for the Christian Family. In: Adult Teacher : The Christian Family. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1982, S. 6 – 12.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen

347

„In welcher Weise sind die Geschlechter grundlegend verschieden?“ antwortet Elisabeth Elliot Eigentlich kommen wir erst in Genesis 2 so richtig auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen […] Gott ließ Adam in einen tiefen Schlaf fallen, entnahm ihm eine Rippe aus seiner Seite und machte eine Frau […] Daraus entnehme ich vier Wahrheiten, die auf den Unterschied zwischen Männer und Frauen verweisen: Erstens wurde die Frau für den Mann geschaffen. Zweitens wurde sie wurde aus dem Mann geschaffen. Drittens wurde sie zum Mann gebracht und viertens erhielt sie ihren Namen vom Mann. Die Autorität, zu benennen, verwies auf die Übernahme der Verantwortung […]38

Analog zur Verwendung der „Symbole von Männlichkeit und Weiblichkeit“, wie etwa Ehemann und Ehefrau, Braut und Bräutigam, mit denen Gott sein Verhältnis zu Israel und im Neuen Testament das Verhältnis zwischen Christus und der Kirche beschrieben hat, betont Elliot, dass „Sexualität nicht lediglich eine biologische, sondern eine theologische Unterscheidung darstellt“. Daraufhin beantwortet sie die Frage: „Was ist das Wesen der Weiblichkeit?“ auf folgende Weise: „Eva wurde für Adam geschaffen. Geeignet, passend, anpassungsfähig. Die Tatsache, dass der weibliche Körper dafür gemacht ist, zu empfangen, zu tragen, zu gebären, zu ernähren, in den Tod hinabzusteigen, um einer anderen Person das Leben zu geben, verweist zusammengenommen auf ein reagierendes Wesen. C. S. Lewis sagte ,Gott ist so männlich, dass im Vergleich dazu alles in der Schöpfung weiblich ist’. Unsere Rolle besteht darin zu reagieren.“39 Ein drittes Beispiel wurde 1997 verfasst, dreizehn Jahre nach dem Beschluss der Frauenordination in den PAOC,40 jedoch noch ein Jahr vor dem Beschluss, der es Frauen ermöglichte, jedes leitende Amt in der Organisation zu übernehmen, einschließlich des national gewählten Generalvorstands.41 Cecily Gillespie verfasste einen Artikel in The Pentecostal Testimony, der den Titel trug „Vorurteile überwinden: Kann man gleichzeitig Umweltschützer und Christ sein?“. Darin versucht sie, pfingstliche Christen davon zu überzeugen, die „Stereotypen beiseite zu legen“, denen sie in ihrer eigenen Erfahrung begegnet ist, einschließlich des Folgenden: […] es ist eine weitverbreitete Überzeugung in der Umweltschützer-Szene, dass das Christentum die Schuld an der ökologischen Krise trägt […] Das Christentum förderte die Angst vor der Natur sowie ihre Beherrschung und lieferte damit die Be38 Vgl. Steinberg, Hardy W.: Insight for Young Adults: The Christian Family. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1982, S. 8 – 10. 39 Vgl. ebd. (Hervorhebung P. H.) 40 Vgl. Minutes, 1984, S. 10 – 20 und die als Fotokopie beigefügte Notiz vor S. 20. 41 Vgl. Minutes, 1998, S. 3 – 4, 5 – 7, 16 – 17 und „36 Resolutions“ als Anhang zu ebd., S. 4 – 5.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

348

Pamela M.S. Holmes

gründung dafür, dass die westliche Welt aufbrach, die Erde in allem, was sie hat, auszubeuten […] Obwohl es den Anschein hat, dass das Bewusstsein für Umweltfragen unter Christen zunimmt, bleiben immer noch etliche Vorurteile gegenüber Umweltschützern. Viele Christen denken, dass alle Umweltschützer die Erde anbeten. Sie seien alle New-AgeAnhänger, Gaianer und Pantheisten, die zur „Natur“ oder zur „Mutter Erde“ beten, anstatt zu dem Gott, der „sie“ geschaffen hat.42

Ungeachtet dessen, beharrt Gillespie auf der Grundlage ihrer eigenen Bibelauslegung: „wenn Gott diese Erde liebt, dann können wir es nicht rechtfertigen, sie für unsern eigenen Profit auszubeuten. Gott hat uns, ebenso wie Adam, berufen für die Erde zu sorgen“; sie geht sogar so weit festzustellen, dass der gegenwärtige Zustand der Erde, samt der Zerstörung des Waldes, des größer werdenden Ozonlochs, der Smogwarnungen und so weiter ein Spiegel dafür ist, wie weit wir von Gott entfernt sind. Wenn wir zum Herrn kommen, dann können wir anfangen, die Schönheit seiner Schöpfung zu sehen, die Wichtigkeit, diese zu beschützen, und unseren Platz darin. Somit mündet die Errettung der Seelen in die Errettung der Schöpfung.“43

Gillespie legt Pfingstlern nahe, ebenso wie David, die Propheten, Johannes der Täufer, Jesus, die keltischen Mönche und die Franziskaner „Zeit mit Gott in der Natur zu verbringen“, damit „Gott unsere Abhängigkeit von ihm prüfen kann, und um geistliches Wachstum und Erneuerung zu erfahren“; Christen müssten „lernen, wie man sich zu Gottes Schöpfung liebevoll verhält“.44 Während alle drei Beispiele die Tendenz haben, die verbreiteten Bräuche ihrer Zeit hinsichtlich der Begrenzungen und Freiheiten für Frauen widerzuspiegeln und vielleicht sogar zu legitimieren, gibt das letzte nur vor zehn Jahren geschriebene Textbeispiel nicht nur die Anliegen der oben genannten kritischen Theoretiker wieder, sondern veranschaulicht auch auf ziemlich deutliche Weise das dialektische Dilemma der kanadischen Pfingstbewegung. Obwohl Gillespie einräumt, dass es Stereotypen gibt, die Pfingstler wiedererkennen würden, etwa die teilweise auf christlicher Lehre gründende Überzeugung der westlichen Welt, dass die oftmals als „weiblich“ bezeichnete Natur zur Beherrschung und Ausbeutung da sei, plädiert sie auf der Grundlage ihrer Bibelauslegung dafür, dass Gott die Schöpfung liebt und dass Pfingstler davon profitieren könnten, sich als ein Teil der Natur zu betrachten. Das zweite Textbeispiel, der Sonntagsschullehrplan, speist sich meiner Auffassung nach unbewusst aus der von Horkheimer und Adorno so scharf 42 Vgl. Gillespie, Cecily : Getting Past Our Prejudices: Can You Be an Environmentalist and Christian Too? In: The Pentecostal Testimony 78, Nr. 4 (1997), S. 12 – 15, hier S. 13 – 15, insbes. 13 – 14. 43 Vgl. ebd., S. 14 – 15. 44 Vgl. ebd., S. 15.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen

349

kritisierten dominanten Aufklärungsrationalität der Herrschaft, sofern es den Versuch darstellt, den Regeln einer gesunden Lehre zu folgen, einschließlich der Berufung auf eine „objektive“ Grundlage und Autorität für diese Position. Im Vergleich dazu sieht sich das erste Textbeispiel, Argues Predigt, nicht an die Vorschriften und Beschränkungen einer akademischen und aufgeklärten Rationalität gebunden, die damit prahlt auf „Objektivität“ zu beharren und sich selbst als „objektiv“ versteht. Es gelingt ihr darum, durch ihre eigene christozentrische und pneumatologische Interpretation der leicht zugänglichen biblischen Bilder die dominante und dominierende Ideologie und Praxis weitgehend zu umgehen. Im Vergleich zum Lehrplantext, der in hierarchisch absteigender Gedankenführung mit Gott beginnt, dann über den Mann spricht und schließlich bei der Natur und der Frau endet, begann Argues Predigt in einer eher wechselseitigen Weise mit „Eden“, der Heiligen Schrift, der Ewigkeit und dem Strom Gottes, bevor sie dann zu den wichtigsten männlichen Figuren der Heiligen Schrift voranschreitet. Hier findet sich keine auf Gegensatz und Herrschaft beruhende Beziehung mehr. Obwohl Gottes Vorsehung in Christus als notwendig erachtet wird „[d]enn der Baum, das ,alt’ rauhe Kreuz‘ allein, konnte das versüßen, was die Sünde besudelt hatte“ wird sie allen angeboten, „alle, die Ihr durstig seid“, und sie wird im Überfluss und gratis angeboten. Obgleich sie deutlich eine patriarchale Weltanschauung widerspiegelt, insofern sie nur männliche Figuren aus der Schrift erwähnt und die vielen weiblichen Figuren unbeachtet lässt, ist das Verhältnis zwischen Gott, der Natur und der Menschheit in Argues Arbeit durch Relationalität und Verwobenheit gekennzeichnet. Bezeichnend für eine der großen frühen Evangelisten der Pfingstbewegung, war Argues Präsentation des Evangeliums nicht nur herrschaftsfrei, sondern auch wirksam. Sie führte viele Menschen zum pfingstlich-christlichen Glauben.45

Ein vorläufiger Ausblick Obwohl die Kritik von Horkheimer und Adorno die verschiedenen Religionen der Welt einschließt, enthält ihre Arbeit selbst eine unübersehbare religiöse Komponente: Eine wahrhaft menschliche Welt ist gänzlich anders als alles, was die Menschheit jemals gekannt hat. Ähnlich wie Marx,46 sind sie der Meinung, dass die Religionen, einschließlich des Christentums, einen Protest gegen Ungerechtigkeiten und den Status quo beinhalten, ebenso wie die Hoffnung und Sehnsucht nach einer menschlicheren Existenz, die sich oft45 Argues Name und ihre Artikel finden sich über sämtliche Ausgaben der frühen kanadischen Pentecostal Testimony hinweg verteilt. 46 Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie: Einleitung. In: Ders.; Engels, Friedrich: Werke, Bd. 1. Berlin: Dietz, 1976 (MEW), S. 378 – 391, hier S. 378 – 381.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

350

Pamela M.S. Holmes

mals in Form von Utopien in den Lehren vom Himmel und von einer jenseitigen Existenz niederschlagen.47 In Horkheimers und Adornos Ansatz spiegelt sich ihr jüdische Erbe, das eine Benennung Gottes oder des Heiligen verweigert,48 wenn sie betonen, dass der einzige Weg zu einer solchen menschlichen Welt in einer auf umfassender, radikaler und vielschichtiger Kritik beruhenden fortwährenden Negation besteht, einer Negation der von Menschen geschaffenen Welt, die eine Welt ist, die niemals dem namenlosen Anderen Gottes gleichkommt. Die von ihnen angewandte Methode der konsequenten Negativität leitet sich aus einer Revision der Hegelschen Dialektik her, wobei es niemals zu einer Synthese kommt, da eine solche Art von Synthese voreilig wäre.49 Eine wahrhaft menschliche Welt ist in dem Kontext, den die Menschheit für sich selbst geschaffen und erfahren hat, undenkbar. Sie ist gänzlich „anders“, was eine Beobachtung ist, die nur in der Religion zum Ausdruck kommt. Darum auch die Notwendigkeit einer konsequent negativen Dialektik, bei der jegliche vermeintliche Synthese oder jeglicher konstruktiver Vorschlag stets vorläufig und suspekt bleibt. Auf den „Himmel“ mag man zwar hoffen, doch er ist niemals in dieser Welt erreichbar.50 Horkheimer und Adorno haben die Kirchen auch dafür kritisiert, im Streben nach ihrer eigenen institutionellen Selbsterhaltung vor dem Status quo kapituliert und dabei oftmals ihre potentiell befreiende Botschaft zum Schweigen gebracht zu haben.51 Darin, so meine These, liegt die radikale Wurzel des Problems innerhalb der kanadischen Pfingstbewegung, das sich auf unterschiedliche Weise zeigt, auch – aber nicht nur – in der hierarchischen Beherrschung von Frauen innerhalb der Pfingstbewegung durch privilegierte weiße Männer. Vorherrschende aufgeklärte Rationalitäten und aufgeklärte und zivilisierte Formen von Sein in der Welt, die sich die Menschheit im Westen zu ihrem eigenen Nutzen erschaffen hat, wurden übernommen, wobei das Wirken des Heiligen Geistes einschließlich der Befähigung von Frauen zum Dienst und zur Leitung unterdrückt wurde. Trotz ihrer Ablehnung diesseitig-weltlicher Denkweisen wurde die Pfingstbewegung innerhalb des modernen Wertesystems inkulturiert und lernte, darin zu denken. Abgesehen von Gott ist das alles, was wir kennen. Daher ist es entscheidend zu erkennen, dass Beherrschung ein Teil der 47 Vgl. z. B. Horkheimer, Max: Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung, hg. v. Werner Brede. Frankfurt am Main: Fischer, 1974, S. 278 f. und Horkheimer, Max: Theismus – Atheismus (1963). In: Ders.: Vorträge und Aufzeichnungen 1949 – 1973: Philosophisches, Würdigungen, Gespräche, hg. v. Schmid Noerr, Gunzelin. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1985 (Gesammelte Werke 7), S. 173 – 186, insbes. 185 f. 48 Vgl. Ott, Michael R.: Max Horkheimer’s Critical Theory of Religion: The Meaning of Religion in the Struggle for Human Emancipation. Lanham, MD: University Press of America, 2001, S. 10. 49 Für eine ausführliche Diskussion dieses Ansatzes vgl. Adorno, Theodor W.: Gesammelte Werke, Bd. 6: Negative Dialektik. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1973. 50 Vgl. z. B. Horkheimer: Notizen, S. 61. 51 Vgl. Hewitt: Critical Theory of Religion, S. 207 ff.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen

351

Aufklärung und unserer eigenen Denkweise ist, weil unsere Inkulturation in der Aufklärung eine nachteilige Wirkung für die Frauen in unserer Mitte gehabt hat, die weiterhin widersprüchliche Botschaften darüber empfangen, wer sie sind und wie sie auf Gottes Ruf und Führungen antworten sollen. Obwohl dies ein wichtiger Aspekt des vorliegenden Projektes darstellt, weil damit starke Autoritätsansprüche verbunden sind, muss die Analyse der Ursachen und Folgen dieser nachteiligen Wirkung über eine einfache Berufung auf verschiedene Bibelstellen, die von verschiedenen Gelehrten unterschiedlich ausgelegt werden, hinausgehen. Sie muss auch über das Rekapitulieren und Kommunizieren der enormen und vielfältigen Beiträge, die Frauen zur Pfingstbewegung sowohl zu Hause als auch auf der ganzen Welt geleistet haben, hinausgehen. Noch einmal: Obwohl dies alles von großer Wichtigkeit ist, weil es die Frage nach der Beteiligung von Frauen in einem sozialhistorischen Rahmen verortet, anstatt sie in einer abstrakten ewigen Aussage zu fassen, reicht diese Art der Analyse nicht aus. Pfingstler müssen zum Anfang zurückkehren und ihre Lehren und Annahmen hinsichtlich der Beziehung zwischen Gott und Schöpfung, einschließlich der Menschheit, männlich und weiblich, überdenken, um das Konzept der Beherrschung in ihrer eigenen Mitte zu dekonstruieren. Solange keine umfassende Analyse dieses „Mythos vom Mann“ in Angriff genommen wird, die den Einfluss der Aufklärungsrationalität auf die Pfingstbewegung einschließt, wird es weder eine adäquate ökologiebewusste Theologie, noch eine Antwort auf die „Frauenfrage“ geben können. Es wird nicht einfach sein, dem Einfluss der Aufklärungsrationalität entgegenzutreten. Dennoch möchte ich behaupten, dass es für Pfingstler aus verschiedenen Gründen möglich ist, damit zu beginnen. Erstens würden viele Pfingstler dem negativen Urteil über die Geschichte der Menschheit und dieser Welt zustimmen. Nur der Himmel wird als wahrhaft menschlich und als gänzlich anders im Vergleich zur Welt verstanden, obwohl die Verheißung des Himmels im Hier und Jetzt beginnt, inmitten der Spannung des „schon und noch nicht“, in der Pfingstler leben. Zweitens ist die Natur in der Pfingstbewegung nie „entzaubert“ worden. Es gibt kein dualistisches Denken zwischen Geist und Materie. Vielmehr werden Geist und Materie als Teil eines größeren Ganzen verstanden. Die Aufklärung wird aufgrund ihrer empirischen und rationalen Weltanschauung als Katalysator für eine defizitäre und fragmentierte Sicht der Realität verstanden. Wie bereits von etlichen Pfingstlern dargelegt, kann „Wissen“ nicht auf den Bereich der Vernunft begrenzt werden,52 sondern es ist zutiefst erfahrungsbezogen und affektiv, wodurch falsche hierarchische Dichotomien wie etwa Objekt/Subjekt, Körper/Verstand, emotional/rational, Mensch/Natur, Mann/ 52 Vgl. z. B. Baker, Robert O.: Pentecostal Bible Reading: Toward a Model of Reading for the Formation of Christian Affections. In: Journal of Pentecostal Theology 3, Nr. 7 (1995), S. 34 – 48, hier insbes. S. 35.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

352

Pamela M.S. Holmes

Frau, wissenschaftlich/bekenntnishaft und so weiter gesprengt werden. So betrachtet, birgt die Pfingstbewegung die Möglichkeit in sich, ein holistisches, nicht-hierarchisches Verständnis des Verhältnisses zwischen Gott, Menschheit und Natur zu entwickeln. Drittens betont die Pfingstbewegung die Notwendigkeit, das fortwährende Handeln von Gottes Geist zu erkennen. Der Geist hat oft auf eine Weise gewirkt, die den verbreiteten Interaktionsmodi unserer aufgeklärten Kultur, mitsamt ihrer Grundannahme einer mehrschichtigen, hierarchischen und repressiven Beherrschung als Norm der zivilisierten Menschheit direkt entgegengesetzt war. Vielleicht ist es an der Zeit, dass Pfingstler, die sich als Menschen des Geistes verstehen, beginnen, ihre Aufmerksamkeit stärker darauf zu richten, was der Geist sagt und tut, als auf den kulturellen Status quo. Der Geist hat zu allen Zeiten Frauen ermächtigt und berufen. Viertens gibt es innerhalb der kanadischen Pfingstbewegung trotz der Koexistenz von hierarchischen und beherrschenden Auffassungen mit egalitären und wechselseitigen Grundannahmen bezüglich der Beziehung zwischen Gott, Natur, Männern und Frauen, auch Anzeichen dafür, dass einige nicht bei dieser dialektischen Denkweise stehen bleiben. Lange nachdem es schien, als sei Gras über das Thema der Rolle und des Dienstes von Frauen gewachsen, spricht Karen Reed in einem Artikel der Zeitschrift Pentecostal Testimony in eloquenter Weise von „einer Anzahl hilfreicher Einblicke für Evangelisation in dieser postmodernen Kultur“. Einige dieser Einblicke lesen sich wie folgt: Die keltische Bewegung betonte die Gottebenbildlichkeit der gesamten Menschheit. Obgleich die Sünde diese Ebenbildlichkeit verzerrt und trübt, erachteten die Kelten die edlen Bemühungen aller menschlichen Gemeinschaften als eine Möglichkeit, Gottes Ebenbild in der menschlichen Natur zu bejahen. Anstatt sich auf die menschliche Unzulänglichkeit zu konzentrieren, beförderten sie die Ehrung von Individuen, die in der Wissenschaft und Kultur Fortschritte erreichten, auch wenn diese keine Christen waren. Die keltischen Gläubigen betonten auch Gottes immanentes und dynamisches Handeln und suchten nach Möglichkeiten für die Menschen, Gottes Gegenwart und Macht zu erfahren. Die Geschichte zeigt, dass sie sich auch sehr gut an die jeweilige Kultur anpassten, ohne sich selbst von ihr zu isolieren, sondern indem sie auf die Menschheit wirkungsvoll eingingen und ihr dienten […] Sie luden „Außenstehende“ dazu ein, zu ihrer Glaubensgemeinschaft zu gehören, bevor diese glaubten. Desgleichen wurden alle Menschen geschätzt und dazu freigesetzt, ihre Gaben und Fähigkeiten unabhängig von Ethnie und Geschlecht zu gebrauchen. Frauen hatten die gleichen Möglichkeiten zur Kirchenleitung wie Männer. Eine Atmosphäre der Inklusivität, der Wärme und der tiefen Gemeinschaft prägte die Bewegung […]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist, Natur und kanadische Pfingstlerinnen

353

Die letzte aus den Kelten folgende Einsicht besteht in ihrem Aufruf, der Verwandtschaft zwischen der Menschheit und der Natur Aufmerksamkeit zu schenken, wodurch sowohl die Schöpfung als auch die Erde geehrt wird […]53

Reed fordert uns also auf, die „Verwandtschaft zwischen Menschheit und Natur“ zu ehren, Gottes Ebenbild in der menschlichen Natur zu erkennen, alle Menschen, einschließlich Frauen, wertzuschätzen und Gott in unserer Mitte zu erfahren. Vielleicht lagen Horkheimer und Adorno doch falsch. Vielleicht hat die Aufklärungsrationalität der Beherrschung doch nicht das letzte Wort gehabt und die stärker egalitäre und bejahende Form der Aufklärungsrationalität nicht vollständig unterdrückt und überwältigt. Komm Heiliger Geist, wir brauchen Dich …

53 Vgl. Reed, Karen: The Old Story in a New Era. In: The Pentecostal Testimony 88, Nr. 1 (2007), S. 18.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Joel J. Shuman

Pfingsten und das Ende des Patriotismus Ein Aufruf zur Wiederherstellung des Pazifismus * unter pfingstlichen Christen Die Kriegskirche ist eine Hurenkirche1

Dieser Aufsatz soll prophetischer Natur sein. Damit meine ich nicht, dass er geschrieben wurde, um zukünftige Ereignisse vorherzusagen oder um den besonderen Charismata des Autors Ausdruck zu verleihen, sondern dass er stattdessen dazu bestimmt ist, „eine Vision vom geschichtlichen Ort der glaubenden Gemeinschaft wieder [zu] bekräftigen, nämlich eine Vision, die moralisches Denken verortet.“2 Das hier vorzubringende Argument ist wenig komplex; einfach ausgedrückt behaupte ich im Folgenden, dass die Entscheidung der Assemblies of God von 1967, ihre historische Position als eine pazifistische Kirche aufzugeben, eine schmerzliche Fehlentscheidung war ; dass sie, wie Murray Dempster es ausgedrückt hat, „eine Beerdigungsfeier für die Idee der damit verbundenen Kirche“ war.3 Indem sie den Übergang von einer pazifistischen zu einer nicht-pazifistischen Kirche offiziell vollzogen haben, bestehen die Assemblies of God – wie ich im Folgenden darlegen werde – nicht mehr in einer Weise, die mit der radikalen eschatologischen Vision übereinstimmt, welche sie von Anfang an angetrieben hat. * Originalveröffentlichung: Shuman, Joel J.: Pentecost and the End of Patriotism: A Call for the Restoration of Pacifism Among Pentecostal Christians. In: Journal of Pentecostal Theology 9 (1996), S. 70 – 96. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Brill-Verlags; alle Rechte vorbehalten. 1 Aus Frank Bartlemans Traktat (ca. 1922) mit dem Titel „Krieg und der Christ“, s. 4. Zitiert nach: Dempster, Murray W.: Reassessing the Moral Rhetoric of Early American Pentecostal Pacifism. In: Crux 26, Nr. 1 (1990), S. 23 – 36, hier S. 30. 2 Yoder, John H.: The Hermeneutics of Peoplehood. In: Ders.: The Priestly Kingdom. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 1984, S. 15 – 36, hier S. 29. Yoder bemerkt: „Prophetie wird sowohl als ein Charisma beschrieben, das deutlich von einzelnen Personen getragen wird, als auch als eine Art Diskurs, an dem auch andere manchmal teilhaben können.“ Ich verstehe meine Niederschrift als einen Ausdruck des zweiten und nicht des ersten Verständnisses. Dieses Verständnis von Prophetie, sagt Yoder „ist eine Angelegenheit des einfachen Vertrauens darin, dass Gott selbst, als Geist, am Wirken ist, um die ihm Eigenen zu motivieren und zu beaufsichtigen; in, mit und unter diesem unverwechselbaren, erkennbaren und in besonderer Weise disziplinierten Diskurs.“ Yoder suggeriert, dass Personen, die sich an diesem Diskurs beteiligen, auch „Beauftragte der Richtungsweisung“ genannt werden können; in beiden Fällen ist die Intention, darauf hinzudeuten, dass die Gemeinschaft eine Neuorientierung ihrer moralischen Vision nötig habe. 3 Dempster : Reassessing, S. 33. Meine Argumentation beschäftigt sich hier mit den Assemblies of God, da dies die Gemeinschaft ist, in der ich Mitglied bin und mit der ich am meisten vertraut bin. Insoweit die Assemblies of God als Paradigma für große Teile der gegenwärtigen amerikanischen Pfingstbewegung angesehen werden können, gelten die hier vorgestellten Argumente jedoch auch für diese weitere Gemeinschaft.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

355

Das ist womöglich eine ungewöhnliche, wenngleich auch keine singuläre Behauptung über den Niedergang des pfingstlichen Pazifismus. In seinem 1990 erschienenen Artikel “Reassessing the Moral Rhetoric of Early American Pentecostalism” stellte Dempster richtigerweise einen wachsenden Militarismus unter den zeitgenössischen amerikanischen Pfingstlern fest; eine Gesinnung, die ein besonders deutliches Zeichen dafür ist, dass diese Gemeinschaften sich von ihrem Erbe abgekehrt haben und stark akkommodierte Versionen davon geworden sind, was der Yale Professor Harold Bloom in seinem gleichnamigen Buch The American Religion nennt. In Blooms interessanter Untersuchung des amerikanischen Christentums wird Jesus, der eine Gemeinschaft von Frauen und Männern versammelt hat, um ihm auf dem Weg zum Kreuz zu folgen, durch eine völlig andere Figur ersetzt, „einem sehr individualisierten und persönlichen amerikanischen Jesus, der eher der auferstandene Jesus als der gekreuzigte Jesus ist, beziehungsweise der zum Vater wieder aufgefahrene Jesus“4 Diese andere Figur ist scheinbar das Konzept von Jesus, das unter nordamerikanischen Pfingstlern gebräuchlicher geworden ist. Dempsters Artikel, der mit seinen Worten „darauf zielt, die moralische Rhetorik der frühen pfingstlichen Pazifisten zu analysieren, um festzustellen, wie sie theologisch über die moralischen Aufgaben der Kirche in der weiteren Gesellschaft dachten“5, dient hier als wichtiger Gesprächspartner. Doch während Dempster bestreitet, dass sein Hauptziel darin bestehe, „eine Basis bereitzustellen, von der aus die normative Bedeutung des Pazifismus für heute zu beurteilen ist“6, werde ich die Bereitstellung einer solchen Basis zu meinem vorrangigen Ziel erheben. Mit anderen Worten: ich möchte eine theologische Begründung für meine Behauptung aufstellen, dass der allmähliche und schließlich vollständige Verlust des Pazifismus das überzeugendste Anzeichen dafür ist, dass die Assemblies of God – wenigstens in der Praxis – ihr Selbstverständnis als eine Gemeinschaft des radikalen christlichen Zeugnisses aufgegeben haben. Denn in dieser Hinsicht stimme ich mit Stanley Hauerwas überein, der gesagt hat, dass die Betonung der Gewaltlosigkeit „ein Kennzeichen des christlichen Lebens ist [… und] nicht nur eine Möglichkeit für einige ist, sondern allen Christen obliegt, die versuchen, treu in der Gottesherrschaft zu leben, die durch das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi möglich geworden ist.“7 Ich beginne damit aufzuzeigen, dass das gegenwärtige pfingstliche Selbstverständnis seine Ursprünge in der christlichen Restaurationsbewegung im 19. Jahrhundert hat. Das Charakteristische an dieser Bewegung war meiner 4 Bloom, Harold: The American Religion. New York: Simon & Schuster, 1992, S. 32. Blooms Darstellung der amerikanischen Pfingstbewegung ist zwar nicht durchgehend korrekt, aber insgesamt doch ziemlich überzeugend. 5 Dempster : Reassessing, S. 23. 6 Ebd. 7 Hauerwas, Stanley : Selig sind die Friedfertigen. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1995 (Evangelium und Ethik 4), S. 28.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

356

Joel J. Shuman

Ansicht nach, die Schrift in einer Art zu lesen und die Gegenwart Gottes in der christlichen Gemeinschaft in einer Weise zu konzipieren, die eine Rückkehr zu den kirchlichen Formen und Praktiken des Neuen Testaments hervorhoben, insbesondere zu den in der Apostelgeschichte dargestellten. Von dieser besonderen Hermeneutik ausgehend entwickelten sich sowohl die besonderen Lehren als auch der untypische soziale Ethos der frühen Pfingstbewegung. Zweitens werde ich versuchen, den Verlust des Pazifismus in den Assemblies of God als Konsequenz des allmählichen Identitätsverlusts dieser Gemeinschaft als einer eschatologisch angetriebenen Kirche auszuweisen, sowie ihre schlussendliche Gefangenschaft im amerikanischen Nationalismus und in den konzeptuellen Kategorien des demokratischen Liberalismus. Dieses Akkommodieren, so mein Argument, war zu einem bedeutenden Teil die Konsequenz aus zwei eng verbundenen Faktoren. Der erste Faktor ist die perfide Anwesenheit eines falschen Verständnisses im amerikanischen Christentum, nach dem die USA aufgrund der demokratischen Organisation ihres Gemeinwesens eine Nation sei, die nach christlichen Prinzipien strukturiert ist und darum bei Gott in besonderer Gunst steht. Der zweite, mit dem ersten eng verwobene Faktor ist die letztendlich vollständige Aufnahme der Pfingstbewegung in den stark nationalistischen evangelikalen Mainstream. Schließlich werde ich argumentieren, dass das Selbstverständnis der frühen Pfingstler, das den Pazifismus ermöglicht hatte, nicht vollständig verschwunden ist. Ein Spielraum, wenngleich ein sehr kleiner, existiert immer noch in den Glaubensüberzeugungen und Praktiken der Assemblies of God, von dem aus eine Rückkehr zum pazifistischen Erbe dieser Gemeinschaft beginnen könnte. Während Dempster die Auffassung vertritt, dass eine historische Trennung zwischen pfingstlicher Frömmigkeit und Sozialethik die Pfingstler daran gehindert habe, ihre einst radikale Sozialethik erneut zu verkörpern, vertrete ich die Position, dass dies nur zum Teil richtig ist und dass die Trennung, von der er spricht, aufhebbar ist.8 Als Antwort auf seinen Aufruf zur Formulierung einer Sozialethik, die auf dem „unverkennbaren Zeugnis“ der Assemblies of God gegründet ist, werde ich versuchen zu zeigen, dass dieses Zeugnis ein wesentlich eschatologisches ist und dass die moralischen Konsequenzen der Lehre von der Geisttaufe eschatologisch verstanden werden müssen (wie es am Anfang auch der Fall war), um eine Wiederherstellung des pfingstlichen Pazifismus zu untermauern. In seiner hervorragenden Genealogie der christlichen Gewaltlosigkeit Christian Attitudes to War, Peace, and Revolution zählt John Howard Yoder die gegenwärtige Pfingstbewegung zu den vielen Erben des Restaurationismus des 19. Jahrhunderts. Yoder bemerkt, dass viele der restaurationistischen Gemeinschaften von ihren Anfängen her pazifistisch waren. Er zeigt eine generelle Tendenz zur Vermeidung unnötiger Bindungen an die Welt auf, sowie einen „wörtlichen Gehorsam zum Wort der Schrift, ohne sie zu rationalisie8 Dempster : Reassessing, S. 32.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

357

ren“.9 Als zwei bedeutsame Charakteristika der Bewegung notiert er darüber hinaus, dass sich in diesen Gemeinschaften die Abwesenheit einer kulturellen Verpflichtung zu sozialer Verantwortung findet. Wie es in einem gewissen Grad bei der Zeltversammlungsbewegung war, so wird es mehr noch bei der Pfingstbewegung der Fall sein, nämlich, dass die Abwesenheit einer Verpflichtung zu sozialer Verantwortung mit einer Zugehörigkeit zu den niederen Klassen zusammenhängt, die weder Geld noch Freizeit und sowieso nicht das Training haben, soziale Anführer in der Art der traditionellen Elite zu sein.10

Doch wie Yoder in seiner Monographie deutlich macht, war es nicht deren sozioökonomische Position per se, welche die Pfingstler zu Pazifisten machte. „Der einfachste Grund [für ihren Pazifismus]“, sagt er, „ist, dass sie die ganze Bibel unvermittelt aufnehmen.“11 Mit anderen Worten: Es war eine besondere Art, die Bibel zu lesen, aufgrund derer die aufkommenden Pfingstler behaupteten, dass es falsch für einen Menschen sei, einem anderen das Leben zu nehmen. Diese besondere Hermeneutik spielt offensichtlich eine Rolle bei der Bestimmung der vier Eigenschaften des Restaurationismus, welche die Historikerin Edith Blumhofer als diejenigen mit „besonderer Bedeutung für die Pfingstbewegung“ bestimmt.12 Die erste Eigenschaft, sagt sie, war der restaurationistische Aufruf zur christlichen Vervollkommnung, der dazu „tendierte, sich für die Läuterung religiöser Formen sowie für die Prüfung von Praktiken und Glaubensüberzeugungen am Standard des Neuen Testaments einzusetzen.“13 Die zweite, so bemerkt sie, war die restaurationistische Tendenz, die wahre Kirche als vereinte Kirche anzusehen; über „den Tumult und die Heterodoxie“ hinwegzusehen, „welche die christlichen Anfänge gekennzeichnet hatten. Eine Betonung der gemeinsamen Ursprünge beförderte die Hoffnung auf eine erneuerte ,Familien‘-Harmonie.“14 Die dritte Eigenschaft war die restaurationistische Tendenz, sich selbst als Kirche auf der Schwelle zum Eschaton zu sehen; dieser Aspekt des Restaurationismus resultierte, wie auch schon die anderen beiden, vor allem aus der Lesart des Neuen Testaments, in der diese Gemeinschaften ausgebildet waren. Schließlich unterstützten Restaurationisten die Flucht vor dem konfessionellen Christentum, das sie als von der Welt irreparabel verdorben ansahen. 9 Yoder, John H.: Christian Attitudes to War, Peace, and Revolution: A Companion to Bainton. Elkhart, IN: Co-Op Bookstore, 1983, S. 307 f. Der „wörtliche Gehorsam“, auf den Yoder hier verweist, ist meines Erachtens als Kompliment gemeint. 10 Ebd., S. 307 – 308. 11 Ebd., S. 308. 12 Blumhofer, Edith L.: The Assemblies of God: A Chapter in the Story of American Pentecostalism, Bd. 1: To 1941. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1989, S. 18. 13 Ebd., S. 19. 14 Ebd.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

358

Joel J. Shuman

Aus diesem Blickwinkel bildeten restaurationistische Ansichten die Subkultur, in der die Pfingstbewegung florierte; ihre Beteiligten hatten sich bereits vom Mainstream abgesondert. Ihre Einstellungen zur Welt waren von ihrer Überzeugung geprägt, dass kulturelle Werte notwendigerweise im Widerspruch zum wahren Glauben stünden; sie interpretierten Verfolgung als ein Maß geistlicher Stärke. Sie lehnten einen Großteil ihrer Kultur mit großen Gesten ab, und ihre Anhänger wurden von dem Gefühl angezogen, dass sie eine praktikable, zufriedenstellende Alternative zur Diesseitigkeit boten.15

Was alle diese Eigenschaften gemeinsam haben, ist die Tendenz der sie Verkörpernden, sich selbst als Teil einer Tradition zu verstehen, die eine sehr direkte Verbindungen zur apostolischen Kirche hat, wie sie in den ersten Kapiteln des neutestamentlichen Buchs der Apostelgeschichte dargestellt wird. Diese Assoziation wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts unter leitenden Christen aus einer großen Bandbreite an Traditionen zunehmend offenkundig, denen die Intensität der Nachfolge unter zeitgenössischen Christen nicht genügte. Leiter von liberalen sowie konservativen protestantischen Gruppen forderten eine erneuerte Heiligung unter ihren Gliedern, und man berief sich oft auf die Geschichte des kommenden Pfingstgeists als Quelle dieser Erneuerung.16 Dempster hat Recht, wenn er feststellt, dass man die „pfingstliche moralische Verpflichtung zum Pazifismus auf der Grundlage dieses restaurationistischen Verständnisses von Kirchengeschichte würdigen muss.“17 Die Pfingstler des frühen 20. Jahrhunderts sahen sich als die zeitgenössische Erneuerung der neutestamentlichen Kirche, einer Gemeinschaft, die in der Zeit zwischen dem Pfingsten des ersten und dem des 20. Jahrhunderts zunehmend untreu geworden war. Ein zentraler Faktor für den Sündenfall der Kirche in dieser Zwischenzeit war ihr Eintritt in die Unterstützung des politischen Establishments: „Aus pfingstlicher Perspektive trat der Militarismus in das Kirchenleben, als sie abfiel und eine politische Allianz mit dem römischen Staat schmiedete.“18 Eine allgemeine Ablehnung des sozialen und politischen Establishments wurde daher als ein wesentlicher Teil der pfingstlichen Erneuerung gesehen.

15 Ebd. 16 Ebd., S. 39 – 41. Blumhofer bemerkt, dass Walter Rauschenbusch, der Sprecher der SocialGospel-Bewegung, zu denen gehörten, die nach einer solchen Erneuerung riefen. Auf S. 40 – 41 sagt sie: „In Begriffen, die von Konservativen geborgt sein könnten, behauptete Rauschenbusch zum Beispiel, dass durch die Geschichte hindurch die Kirche immer wieder ,von einer neuen Taufe im Geist verjüngt worden ist‘.“ Das eingeschlossene Zitat stammt aus Rauschenbusch, Walter: The New Evangelism. In: Hutchison, William R. (Hg.): American Protestant Thought: The Liberal Era. New York: Harper & Row, 1968, S. 108 – 116, hier S. 115 – 116. 17 Dempster : Reassessing, S. 27. 18 Ebd. Ich werde dieses Phänomen von „konstantinischer“ vs. „anti-konstantinischer“ Christenheit in einiger Ausführlichkeit weiter unten diskutieren.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

359

Die Ablehnung des Establishments wurde durch die anfängliche Abweisung der Pfingstler im evangelikalen Mainstream noch hervorgehoben. Diese Abweisung verstärkte die pfingstliche Tendenz, sich nicht als Bürger einer irdischen Nation sondern des Gottesreichs zu verstehen.19 Inspiriert durch Hebr 11 sahen sie sich als „Gäste und Fremdlinge auf Erden“, sagt Blumhofer.20 Teilnahme am Krieg wurde als inkompatibel mit einer solchen Bürgerschaft gesehen, und zwar nicht einfach nur, weil die dem Krieg einwohnende Gewalt falsch sei, sondern auch, weil die vom Krieg verlangten Loyalitäten gegenüber der von Gott verlangten Loyalität nichtig wurden. „Pfingstler sahen sich in einen anderen Konflikt verwickelt“, bemerkt Blumhofer, „der unendlich wichtiger war als jeder irdische Kampf“,21 und darum wurde Nationalismus von vielen Pfingstlern als eine Sünde von nicht geringer Bedeutung angesehen: „Stolz auf Nation und Rasse war eine Abscheulichkeit.“22 Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs und die Entwicklung strikter Richtlinien der US-Regierung im Hinblick auf religiöse Kriegsdienstverweigerer zwangen die Assemblies of God zur Entwicklung einer offiziellen Position hinsichtlich ihrer Teilnahme am Krieg.23 Auch wenn Blumhofer bemerkt, dass die anfängliche Reaktion der Generalversammlung der Assemblies of God ebenso in ihrem politischen Pragmatismus begründet war, wie sie ein Versuch der Entwicklung einer theologischen Position zum Krieg darstellt, so ist doch die erste Erklärung der Generalversammlung in Sprache und Logik ausdrücklich theologisch.24 Mit dem Anspruch, auf der Grundlage „der etablierten Prinzipien oder Glaubensüberzeugungen aller Zweige der Pfingstbewegung“ zu sprechen, verfassten mehrere Mitglieder der Leitung der Assemblies of God eine offizielle Resolution im April 1917.25 Die Erklärung, welche zur offiziellen Richtlinie der Gemeinschaft wurde, lautet wie folgt: Obgleich wir die göttliche Einsetzung der menschlichen Regierung anerkennen und unsere unerschütterliche Loyalität gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten 19 Blumhofer: Assemblies of God, To 1941, Bd. 1: To 1941, S. 179 – 180; Dempster, Murray W.: The Church’s Moral Witness: A Study of Glossolalia in Luke’s Theology of Acts. In: Paraclete 23, Nr. 1 (1989), S. 1 – 7, hier S. 28. 20 Blumhofer: Assemblies of God, To 1941, Bd. 1: To 1941, S. 343. 21 Ebd., S. 345. 22 Ebd., S. 350 – 351. Blumhofer bietet hier eine ausgezeichnete Darstellung der von Pfingstlern zu Beginn des Ersten Weltkriegs verwendeten anti-nationalistischen Rhetorik. Dempsters Artikel beschäftigt sich auch eingehend mit diesen Fragen. 23 Von hier an werde ich mich an der zugegebenermaßen etwas fragwürdigen Praxis beteiligen, meine eigene Gemeinschaft, die Assemblies of God, als repräsentativ für Pfingstler zu sehen. Obwohl ich die fragwürdige Natur dieses Schritts eingestehe, möchte ich auch bemerken, dass die nordamerikanische Pfingstbewegung anderen Strömungen der christlichen Tradition hinsichtlich ihrer Homogenität in nichts nachsteht, was einen solchen Schritt möglich macht. 24 Blumhofer: Assemblies of God, To 1941, Bd. 1: To 1941, S. 352. 25 Zitiert aus The Pentecostal Movement and the Conscription Law. In: The Weekly Evangel Nr. 201 (1917), S. 6 – 7, hier S. 6; vgl. Blumhofer: Assemblies of God, To 1941, Bd. 1: To 1941, S. 352 – 353.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

360

Joel J. Shuman

bekräftigen, sind wir doch gezwungen unsere Position hinsichtlich des Tötens menschlichen Lebens [taking of human life] zu definieren. IN ERWÄGUNG DESSEN, DASS wir in unserem Satzungsbeschluss, verabschiedet von der Generalversammlung in Hot Springs, 1.–10. April 1914, deutlich die Heiligen Inspirierten Schriften zur hinreichenden Vorschrift für Glauben und Praxis erklären, und DASS sich die Schriften deutlich mit den Pflichten und Beziehungen der Menschheit befassen, indem sie die Prinzipien von „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ (Lk 2,14) darlegen; und DASS wir als Nachfolger des Herrn Jesus Christus, des Friedefürsts, an den vorbehaltlosen Gehorsam gegen die göttlichen Anordnungen und Gebote glauben, die uns lehren „dem Frieden gegen jedermann nachzujagen“ (Hebr 12,14); „du sollst nicht töten“ (Ex 20,13); „ihr sollt nicht widerstreben dem Übel“ (Mt 5,39); „Liebet eure Feinde“ (Mt 5,44 usw.) und DASS diese und andere Schriften immer von unseren Kirchen akzeptiert und dahingehend interpretiert worden sind, dass es Christen verboten ist, Blut zu vergießen oder menschliches Leben zu nehmen; sind wir DAHER als ein Leib von Christen, obwohl wir alle Pflichten einer loyalen Bürgerschaft erfüllen wollen, dennoch gezwungen zu erklären, dass wir uns nicht gewissenhaft an Krieg und bewaffneter Abwehr beteiligen können, die ein tatsächliches Vernichten menschlichen Lebens beinhalten, da dies gegen unsere Sicht von den deutlichen Lehren des inspirierten Wortes Gottes steht, das die alleinige Basis unseres Glaubens ist.26

Das an dieser Erklärung neben ihrem ausdrücklichen theologischen Grundton Bemerkenswerte ist, wie sie das oben vermerkte restaurationistische Selbstverständnis der Pfingstbewegung deutlich ausführt. Obwohl im ersten Absatz des Dokuments implizit anerkannt wird, dass die bevorstehende amerikanische Teilnahme am Krieg Anstoß für die Formulierung der Erklärung war, findet sich die starke Behauptung in den Absätzen drei, vier und fünf, dass die Schriften, gemäß pfingstlicher Lektüre, sich mit der Frage der christlichen Teilhabe am Krieg „deutlich befassen“. Da die pfingstlichen Christen ihre erste Bürgerschaft im Reich Gottes sahen und ihre erste Pflicht im Gehorsam zu Gottes Willen, suggeriert die Erklärung zudem eher unzweideutig, dass es eine Frage des Ungehorsams und sogar eine Art Hochverrat für einen Pfingstler wäre, menschliches Leben im Namen Amerikas oder irgend einer anderen Nation zu beenden. Ungeachtet der Frage, ob die neu entwickelte Richtlinie vorrangig theologischen oder pragmatischen Charakters war, erreichte sie ihr Ziel, indem sie 26 Blumhofer: Assemblies of God, To 1941, Bd. 1: To 1941, S. 352 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

361

den Mitgliedern der Kirchen der Assemblies of God die Befreiung vom Kriegsdienst für die Vereinigten Staaten im Ersten Weltkrieg erbrachte. Letztendlich wurde ihnen die Befreiung unter dem 13. von mehreren „Ansprüchen auf Entlassung“ zugebilligt, die ein Dokument des Kriegsministeriums vom 14. Juli 1917 auflistete. Dieses Dokument merkte an, dass zu denen, die nicht am Gefecht teilnehmen mussten, unter anderen gehörte: […] ein Mitglied jeder gut organisierten religiösen Sekte oder Organisation, die zum 18. Mai 1917 organisiert war und existierte, und deren damals bestehende Glaubensbekenntnisse oder Prinzipien es ihren Mitgliedern verboten, an jedweder Form von Krieg teilzunehmen, und deren religiöse Überzeugungen gegen Krieg oder einer Beteiligung daran stehen, im Einklang mit den Glaubensbekenntnissen oder Grundsätzen besagter religiöser Organisation.27

Ungeachtet der Tatsache, dass die Erklärung den Erfordernissen des Kriegsministeriums entsprach, indem sie die Assemblies of God als unmissverständlich pazifistische Gemeinschaft mit diesbezüglich bedeutsamen theologischen Überzeugungen präsentierte, gab es von Anfang an zwei eng verwandte Denkrichtungen, die diese Darstellung abschwächten. Diese Denkweisen können als Basis für die schlussendlichen Preisgabe des Pazifismus unter Pfingstlern identifiziert werden. Als erstes ist hier das Vorhandensein einer gewissen Widerspruchs-Rhetorik unter einigen Gliedern der Assemblies of God zu nennen. Der größte Widerspruch kam in Form von Bedenken, dass die Erklärung derart formuliert worden sei, dass sie Pfingstler zu unverhohlenen Bekundungen der Illoyalität gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten führe. Zur selben Generalversammlung von 1917, welche die Erklärung des offiziellen Pazifismus verabschiedete, bemerkt das Protokoll, dass Bedenken geäußert wurden: Bruder E. L. Banta sprach über die Bedeutsamkeit unserer Loyalität gegenüber der Obrigkeit, da sie von Gott eingesetzt ist; und berichtete von einigen sogenannten pfingstlichen Predigern, die dachten, dass sie Gott ehrten, indem sie die Flagge beleidigten, und von der Demütigung, die darauf folgte. Brd. A. P. Collins folgte darauf und sagte, dass wir uns auf biblischem Boden befänden, wenn wir die Regierung ehrten, und dass die Flagge nicht nur für bürgerliche Freiheit, sondern auch für Religionsfreiheit stünde, und dass man im Texas District Council beabsichtige, die Anerkennung von Predigern zurückzunehmen, die gegen die Regierung redeten. Diese Körperschaft [die Generalversammlung] beschloss ebenso, dass solche Radikalen nicht diese Generalversammlung repräsentieren.28 27 Ebd., S. 352 – 352. [Hervorhebungen J. S.] 28 Minutes of the General Council of the Assemblies of God in the United States of America, Canada, and Foreign Lands held at Bethel Chapel, St. Louis, Missouri, Sept. 9th to 14th, 1917. St. Louis, MO: General Secretary’s Office, S. 17 – 18. [Einfügung J. S.] Es ist erwähnenswert, dass das Protokoll der Generalversammlung des folgenden Jahres (1918) zeigt, dass die hier ausgedrückten Empfindungen bereits die offizielle Richtlinie geworden waren, wie auf der folgenden

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

362

Joel J. Shuman

Die zweite Denkrichtung, die das gewaltfreie Zeugnis der Denomination abschwächte, wurde bereits gebilligt noch bevor die Kriegsabteilung die pazifistische Erklärung schlussendlich anerkannte. In der offiziellen Publikation der Assemblies, The Weekly Evangel, erschien ein Artikel in der Ausgabe vom 19. Mai, der die kürzlich abgefasste Erklärung erläutern sollte. Er legte dar, dass es zwar das Ziel der Erklärung gewesen sei, „so deutlich wie möglich zu interpretieren, was die Schriften zum Thema sagen“, dass ihre Befolgung jedoch freiwillig und nicht obligatorisch sei. Bezüglich der Beachtung der in der Erklärung geäußerten Position auf Seiten der Kirchenmitglieder bemerkte der Artikel: Sie ist nicht dazu gedacht, irgendjemanden daran zu hindern, die Waffen aufzunehmen, dem dies unbenommen bleibt, doch wir hoffen, für all diejenigen, die echte Kriegsdienstverweigerer und mit der Generalversammlung assoziiert sind, das Privileg der Befreiung von solchen Wehrdiensten zu sichern, die das Töten menschlichen Lebens [taking of human life] erfordern.29

Das wirklich Bemerkenswerte an diesen beiden Sichtweisen ist, dass sie eine subtile Repräsentation genau derselben Art des Establishment-treuen Christentums sind, das von der Pfingstbewegung aufgrund ihres restaurationistischen Erbes abgelehnt wurde. Anstatt den Staat, wie die Restaurationisten, als eine Handlungsmacht der Welt zu sehen, dessen Ziele letztendlich mit denen des Gottesreichs im Konflikt stehen, tendierte dieses stärker am Establishment orientierte Denken dazu, den Staat als eine Handlungsmacht zu sehen, deren Kraft zum Dienst im Reich Gottes eingesetzt werden könnte. Beide Sichtweisen legen nahe, dass der Staat wenigstens der notwendige Begründer und Beschützer einer Anzahl von persönlichen und institutionellen Freiheiten ist, die für das Wohl der Kirche erforderlich sind. Die Versuchung zur Akkommodation hat es im überwiegenden Teil der Christentumsgeschichte sogar in den radikalsten Anti-Establishment-Kirchen gegeben. Zum Teil ist dies die Konsequenz aus der Evolution der Ethik zu einem eigenständigen Diskurs mit wenig Verbindungen zu spezifischen theologischen Überzeugungen; es war lange Zeit eine weit verbreitete Annahme, dass Frauen und Männer zwar über die Botschaft des Evangeliums informiert werden müssen, aber als Funktion ihrer menschlichen Existenz einfach zwischen richtig und falsch zu unterscheiden „wissen“.30 „Der Bereich auf S. 9 zu findenden Erklärung formuliert ist:Beschlossen ist, dass die Generalversammlung hiermit ihre unerschütterliche Loyalität gegenüber unserer Regierung und ihrer höchsten Exekutive, Präsident Wilson, erklärt, und dass wir hiermit unser feststehendes Ziel erneut festhalten, in jedweder moralisch möglichen und mit unserem Glauben im Einklang stehenden Art daran mitzuhelfen, den gegenwärtigen „Weltkrieg“ zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. 29 An Explanation. In: The Weekly Evangel Nr. 190 (1917), S. 8. 30 Yoder, John H.: The Authority of Tradition. In: Ders.: The Priestly Kingdom. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 1984, S. 63 – 79, hier S. 72 – 73.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

363

des Sozialen“, bemerkt Yoder, „ist demgemäß derjenige, in dem die Dynamik der Akkommodation und die Tendenzen eines Ausverkaufs am stärksten sind, da die Kirche an der Schnittstelle mit der Welt des Unglaubens samt derer Mächte und deren Drängens lebt.“31 Obwohl Yoder andeutet, dass die historischen Wurzeln dieser Akkommodation unter anderem in der allmählichen Abweichung der Kirche von ihren jüdischen Wurzeln im Zuge der Begegnung mit dem Hellenismus Kleinasiens und Südeuropas liegen, hält er daran fest, dass der bedeutendste Ort dieser Tendenz in der kirchlichen Legitimation des Kriegs zu finden ist. In dieser Legitimation, behauptet Yoder „wurde die Sicht der Christen auf die Sittlichkeit von Gewalt in der Öffentlichkeit umgekehrt.“32 Diese Akzeptanz von Gewalt kann nicht auf eine theologische Position unter den ersten Christen zurückgeführt werden, sondern stellt eine bedeutende Abweichung von den normativen Praktiken der Urkirche dar : Die neue Einstellung verwirft die privilegierte Stellung des Feindes, nämlich als Test, ob jemand seinen Nachbarn liebt. Sie verwirft die Norm des Kreuzes und des Lebens Christi als des Wegs der Konfliktbewältigung. Sie weist der staatlichen Regierung – nicht nur dem Cäsar als ökumenische Heilsgestalt, sondern sogar späteren fragmentierten lokalen Herrschaften – eine Rolle in der Ausführung von Gottes Willen zu, die ziemlich inkompatibel mit der Frucht der progressiven Relativierung des Königtums ist, von Samuel bis Jeremia, bis hin zu Jesus und Jochanan ben Zakkai.33

Obwohl eine Anzahl besonderer sozialpolitischer Faktoren als mögliche Gründe für die kirchliche Akzeptanz staatlicher Gewalt herangezogen werden können, ist der wahrscheinlichste von ihnen beinahe gewiss mit der Tatsache verbunden, dass die Kirche zur Zeit dieser Akzeptanz bereits allmählich in den Genuss einer privilegierten Stellung im Römischen Reich gekommen war. Yoder bemerkt, dass die konstantinische Wende und die nachfolgende Etablierung des Christentums als römische Staatsreligion eine adäquate symbolische Repräsentation dieses Übergangs bilden. Denn wenn der Führer einer Regierung Christ wird, bemerkt er : wird tendenziell angenommen, dass er, um weiterhin ein Souverän zu bleiben, weiterhin so handeln muss, wie ein (nicht christlicher) Souverän „natürlicherweise“ handelt, wodurch eine Spannung zu dem erzeugt wird, was die späteren Propheten und Jesus über Herrschaft, Reichtum und Gewalt lehrten.34

Was Yoder hier vorbringt, ist, mit anderen Worten, dass der Ursprung dieser konstantinischen Akkommodation nicht in neu entwickelten theologischen 31 32 33 34

Ebd., S. 73. Ebd., S. 73 f. Ebd., S. 75. Yoder, John H.: The Kingdom as Social Ethic. In: Ders.: The Priestly Kingdom. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 1984, S. 80 – 101, hier S. 82.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

364

Joel J. Shuman

Positionen, sondern in der wahrgenommenen Notwendigkeit, einen Raum für die Kirche zu schaffen, so dass sie eine Position der relativen Macht und der gegenseitigen Bestätigung in Bezug auf staatliche Autoritäten einnimmt. Diese Preisgabe der besonderen ethischen Überzeugungen des christlichen Glaubens hatte aber eine bedeutende Auswirkung auf die Art und Weise, wie die Kirche ihre Theologie artikulierte. Yoder bemerkt eine Anzahl von solchen Auswirkungen; zwei von ihnen sind besonders relevant für die sich verändernde Einstellung zur Frage der Teilnahme von Mitgliedern der Versammlungen der Assemblies of God an staatlicher Gewalt und sie sind es darum wert, hier diskutiert zu werden. Yoder erklärt, dass die erste bedeutsame theologische Verschiebung in der konstantinischen Kirche die Verschiebung hin zu einer neuen Ekklesiologie und einer neuen Eschatologie war. Die christliche Gemeinschaft in der neutestamentlichen Kirche war, bevor jene zur Staatsreligion Roms wurde, ein empirisches Gebilde, eine sichtbare, bekennende Versammlung, deren Mitglieder einer aktiven Gegnerschaft des Staats ausgesetzt waren. Mit der obrigkeitlichen Etablierung des Christentums kehrte sich die Situation jedoch um. Es gab auf einmal eine ganze Vielfalt an Gründen, Mitglied der Kirche zu sein, und es wurde nötig, die Existenz einer „unsichtbaren“ Kirche zu postulieren, die innerhalb der Grenzen der sichtbaren arbeitete; und zu dieser unsichtbaren Gemeinschaft, so glaubte man, gehörten diejenigen mit aufrichtigem christlichen Glauben. In der vorkonstantinischen Kirche sah man Jesus nicht nur als auferstandenen Heiland, sondern auch als erhöhten Herrn des Universums. Von den weltlichen Mächten, einschließlich der staatlichen Autoritäten, glaubte man, dass sie unter der Kontrolle Christi standen und trotz ihrer rebellischen Natur von ihm dazu benutzt wurden, die Ziele des Gottesreichs zu erfüllen. Mit der obrigkeitlichen Etablierung des Christentums veränderte sich diese Situation ebenso. Der Erweis von Gottes Herrschaft über die Geschichte war nicht mehr eine Sache des Glaubens, sondern wurde stattdessen einfach in der Anwesenheit des Kaisers sichtbar, der jetzt wenigstens nominell Christ war. „Vor Konstantin“, sagt Yoder wusste man aufgrund der täglichen Erfahrung, dass es eine gläubige christliche Gemeinschaft gab, aber man musste „im Glauben annehmen“, dass Gott die Geschichte regierte. Nach Konstantin, musste man glauben ohne zu sehen, dass es eine Gemeinschaft der Gläubigen innerhalb der größeren nominell christlichen Masse gab, aber man wusste ganz gewiss, dass Gott die Geschichte kontrollierte. Die Ethik musste sich verändern, denn man musste sein Verhalten auf die Stärkung des Regimes ausrichten und der Regent selbst brauchte bald eine Art Billigung und vielleicht sogar Beratung, als er Dinge tat, welche die frühere Kirche missbilligt hätte.35 35 Yoder, John H.: The Constantinian Sources of Western Social Ethics. In: Ders.: The Priestly Kingdom. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 1984, S. 135 – 147, hier S. 136 – 137.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

365

Der zweite dieser theologischen bzw. philosophischen Übergänge kam in Form einer veränderten Sicht auf die Geschichte und auf die Art, wie Veränderungen in der Geschichte betrachtet wurden. Die etablierten Mächte der Staatsregierung und nicht die „durchschnittliche Person oder die schwache Person“ wurden nun als die „Hauptmotoren des geschichtlichen Verlaufs“ gesehen.36 Eine Kirche, die eine bevorzugte Stellung bei einer Regierung genießt, tendiert dazu, die „lobende“ Sicht jener Regierung auf die Geschichte zu übernehmen, womit auch vorausgesetzt wird, dass „die einzige Perspektive, aus der die nationale und politische Geschichte zu lesen ist, die Perspektive der Gewinner ist.“37 Wenn die relative Macht des Regimes zunimmt, wird dies von der etablierten Kirche als ein Zeichen von Gottes Segen gesehen. Die letzten Maßstäbe von richtig und falsch verändern sich somit: „Eine moralische Aussage“, meint Yoder, „wird zuerst daran geprüft, ob ein Machthaber solchen Maßstäben genügen kann.“38 Man kann zu Recht fragen, ob dies die Situation der pfingstlichen Christen in den USA am Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt angemessen wiedergibt. Mit Yoder wäre die Antwort auf eine solche Frage affirmativ : „Der womöglich stärkste Beweis der großen Umkehrung“, bemerkt er, „ist die Tatsache, dass diese sogar überdauert, wenn die Umstände, die sie hervorgebracht haben, nicht länger gelten.“39 Wenn überhaupt, dann erweist sich die Form des konstantinischen Christentums in den modernen Demokratien sogar als eine noch stärker erodierende Kraft bezüglich der Treue der Kirche: Wenn man die Trennung von Kirche und Staat als theologisch wünschenswert ansieht, dann ist eine Gesellschaft, in der diese Trennung erreicht wird, keine heidnische Gesellschaft, sondern eine nach dem Willen Gottes strukturierte. Amerikanischer Patriotismus ist weiterhin stark religiös. In der Tat war der amerikanische öffentliche Diskurs fast zwei Jahrhunderte lang nicht nur religiös, nicht nur christlich, sondern ausdrücklich protestantisch. Die moralische Identifikation von Kirche mit Nation bleibt trotz der institutionellen Trennung übrig. […] Dieses soziale Arrangement wollen wir „neo-neo-konstantinisch“ nennen. Das soziale Arrangement wurde tiefgreifend und formell verändert, aber bleibt in informeller Hinsicht mächtig.40

Jene Stimmen in den Assemblies of God, welche die Bedeutung der Gewissensfreiheit des Einzelnen artikuliert haben sowie die Notwendigkeit, dass der 36 Ebd., S. 36. 37 Yoder: Kingdom, S. 95. 38 Yoder: Kingdom. Offensichtlich würde Yoder auch einer Ergänzung des Satzes mit „und dabei immer noch an der Macht bleiben kann“ zustimmen. In Christian Attitudes, S. 259 – 261 führt er das Beispiel der friedlichen Herrschaft der Quäker im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert in Pennsylvania an und bemerkt, dass das Überlassen der Macht an andere mit ihren Überzeugungen im Einklang stand (zu denen auch die Ablehnung der Anwendung von Zwangsmaßnahmen zum Machterhalt zählte) und nicht auf einem Unwillen zu herrschen zurückging. 39 Yoder: Constantinian Sources, S. 141. 40 Ebd., S. 142.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

366

Joel J. Shuman

Staat diese Freiheit garantiert und erhält, stellen eindeutig ein Beispiel von Yoders „neo-neo-konstantinischer“ Disposition dar.41 Diese Stimmen, die offensichtlich von Anfang an zumindest in einem embryonalen Status vorhanden waren, wurden schließlich zur dominanten Kraft in der Gemeinschaft. Diese Dominanz kann aufgrund zweier miteinander verschränkten Faktoren erklärt werden, von denen beide weiterhin in verschiedenen Ausprägungen im amerikanischen Christentum präsent sind. Von Anfang an verstand sich die Pfingstbewegung des 20. Jahrhunderts als in besonderer Weise mit der Bürde betraut, das Evangelium einer verlorenen Welt zu bringen, die sehr bald Christi Wiederkehr erfahren würde.42 Der Artikel im Weekly Evangel, der zur Erläuterung der verabschiedeten Erklärung des Pazifismus geschrieben worden war, begann nicht mit einer Erklärung über die Übel des Krieges, sondern mit der folgenden Behauptung zum Auftrag der Gemeinschaft: Gleich von ihrem Anfang an ist die Pfingstbewegung eine Bewegung gewesen, die von Evangelisation gekennzeichnet ist und geflissentlich jegliche Grundsätze oder Handlungen vermeidet, welche diesem großen Zweck entgegenwirken. Alle Flügel der Bewegung, die aus der in den südwestlichen Staaten und der Pazifikküste entstandenen Arbeit hervorgegangen sind, bilden in dieser Hinsicht eine Einheit.43

Wie in anderen Zweigen der Pfingstbewegung wurde die evangelistische Leidenschaft in den Assemblies of God zur treibenden Kraft. Es war wohl die Sorge um höchstmögliche Effektivität in dieser Hinsicht, welche die Gemeinschaft dazu brachte, eine Reihe kleiner Abweichungen vom Ethos der damals weniger als zehn Jahre zurückliegenden restaurationistischen Anfänge vorzunehmen. Blumhofer bemerkt: Spätestens seit 1916 zeigten die Assemblies of God Tendenzen, die sie von anderen pfingstlichen Denominationen unterschieden. […] Nachdem sie 1916 die Oneness-Befürworter verstoßen hatten, wählten die Leiter der Assemblies of God Wege, welche die Denomination in bedeutender Weise davon wegführten, was andere als die Essenz der Pfingstbewegung ansahen: Die Assemblies 41 Ich danke meinem Kollegen Bill Cavanaugh für den Hinweis hierauf, als ich einen kurzen unveröffentlichten Aufsatz zu den philosophischen Grundlagen der 1967 erfolgten Zurücknahme des Pazifismus durch die Assemblies of God schrieb. 42 Blumhofer: Assemblies of God, To 1941, Bd. 1: To 1941, Bd. 1, S. 13 bringt dies in guter Weise vor, wenn sie Bennett Lawrences Apostolic Faith Restored (ein Kompilat einiger für den Weekly Evangel 1916 geschriebener Artikel) zitiert, das eine der frühesten Darstellungen des zeitgenössischen pfingstlichen Christentums vom Umfang eines Buches war: Diese Bewegung Gottes resultierte in der Erlösung von hunderttausenden Sündern, sowohl in den sogenannten christlichen Ländern als auch in den heidnisch genannten […;] hunderte haben den missionarischen Eifer der ersten Evangelisten verspürt und sind in die äußersten Teile der Erde gezogen in einer der spontansten und am weitesten verbreiteten missionarischen Anstrengung, die die Welt seit den Tagen des Pfingstfests gesehen hat. 43 Pentecostal Movement, S. 6.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

367

of God wurden mehr und mehr organisiert; sie entwickelten bald Bildungsinstitutionen zur Ausbildung der Geistlichen, ermutigten die angeschlossenen Kirchen, verschiedene Methoden für christliche Ausbildung einzusetzen, entwickelten ein aggressives Missionsprogramm, stellten Programme auf und entwickelten statistische Messinstrumente für Erfolg.44

Das evangelistische Wachstum kam und die Assemblies of God wuchsen schnell zur größten Denomination der Pfingstbewegung heran.45 John Howard Yoder meint, dass das Wesen dieses Wachstums wenigstens zum Teil für die Preisgabe des Pazifismus durch die Gemeinschaft verantwortlich war : Ihr schneller Erfolg hinsichtlich des numerischen Wachstums spülte alle Arten von weiteren Menschen in die Bewegung, die mit Ausnahme der Gabe der Zungen ihre Ansichten an keiner Stelle neu sortiert hatten. Die Besonderheit der Bewegung lagen in anderen Punkten, die sich weder auf eine Kritik Konstantins bezogen, noch auf Kirche als besonderer Gemeinschaft. So wurde der ursprüngliche Pazifismus der Pfingstbewegung rasch verwässert. Schon im Ersten Weltkrieg, als sie gerade einmal eine zehn- oder fünfzehnjährige Bewegung war, wurde der Pazifismus aufgeweicht, um Menschen zur Evangelisation der Armeetruppen zu entsenden. Eine Sichtweise begann sich zu formieren, die wir heute „Gemeindewachstumstheorie“ nennen, nämlich, dass man mit einer neuen Botschaft zu den Leuten gehen soll, die mobil, in Sorge und weg von zu Hause sind, nicht in ihrem eigenen kulturellen Kontext.46

Die neuen Mitglieder, die in dieser Zeit die Ränge in den Assemblies of God (sowie in den anderen Teilen der Pfingstbewegung) füllten, waren Frauen und Männer, die wenigstens zu einem gewissen Maß von der neo-neo-konstantinischen Ethik einer noch immer nominell christlichen amerikanischen Kultur geprägt worden waren. Sie waren in der hoch religiösen Rhetorik des Patriotismus im späten 19. Jahrhundert geschult und zur Ansicht gelangt, dass ihre Nation ein besonderer Ort göttlicher Aktivität sei.47 Die Social-GospelBewegung des 20. Jahrhunderts entstand zu einem gewissen Maß als Abkömmling dieses Glaubens; ihr Sprecher, Walter Rauschenbusch, ging zwar nicht so weit zu sagen, dass Amerika eine einmalig christliche Nation sei, aber er rief zu einer Buße auf, die ohne die aktive Beteiligung der Regierung der USA nicht erreicht werden konnte.48 44 Blumhofer, Edith L.: The Assemblies of God: A Chapter in the Story of American Pentecostalism, Bd. 2: Since 1941. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1989, S. 14 f. 45 Ebd., S. 15. 46 Yoder: Christian Attitudes, S. 309. 47 S. Anm. 40. 48 Die folgenden Beobachtungen zu Rauschenbusch basieren nicht auf einer irgendwie wahrgenommenen Verbindung zwischen dieser Darstellung des Christentums und derjenigen der frühen Pfingstbewegung, sondern auf einer Darstellung seiner Rhetorik, die den Aufruf zur Buße frei mit der Auffassung vermischte, dass eine solche Buße nur in Amerika möglich sei. Ich

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

368

Joel J. Shuman

Rauschenbuschs Behauptungen wurzelten zuallererst in seiner Neigung, im Christentum tiefe philosophische Affinitäten mit Demokratie zu erkennen. Er beteuerte, dass das Judentum der frühen Propheten, für das er ungemeine Bewunderung ausdrückte und das seiner Ansicht nach sowohl in Jesus als auch in Johannes dem Täufer einen treuen Ausdruck fand, im Wesentlichen demokratisch war.49 Die USA waren daher vor Gott so ideal positioniert wie keine andere Nation: Mit einer solchen Abwesenheit sozialer Kasten und einer solch fairen Verteilung der Produktionsmittel ähnelten die frühen Zeiten Israels den frühen Zeiten unseres eigenen Landes. Auch Amerika begann mit einer Abwesenheit erblicher Aristokratie und mit einer fairen Verteilung von Land unter der bäuerlichen Bevölkerung. Sowohl das jüdische als auch das amerikanische Volk waren daher mit einer Art tief verwurzelter, konstitutioneller Vorliebe für Demokratie ausgestattet, die schwerlich abstirbt.50

Die Demokratie, behauptete Rauschenbusch, war die wesentliche Idee hinter der Gründung sowohl Israels als auch der USA. Solchermaßen, so behauptete er, war es auch das fundamentale Prinzip des Christentums: „Ungefähre Gleichheit ist der einzige beständige Grund für politische Demokratie. Der Sinn für Gleichheit ist die einzige Basis für christliche Moral.“51 Das Problem war, so glaubte er, dass Amerika wie schon zuvor Israel, sich von den demokratischen Idealen entfernt habe, auf denen es gegründet worden war.52 Eine Rückkehr zu diesen jüdischen bzw. christlichen demokratischen Idealen könne nur durch die vereinte Anstrengung der Kirche und des mutmaßlich demokratischen Staats geschehen: Wenn der Staat die Moral mit legalen Beschränkungen stützt, kooperiert er mit der freiwilligen moralischen Kraft der Kirche […]. Wenn die Kirche die religiösen Impulse für Gerechtigkeit einpflanzt und die moralischen Überzeugungen der Menschen trainiert, kooperiert sie mit dem Staat in der Schaffung der empfindlichsten und wertvollsten Elemente der sozialen Wohlfahrt und des Fortschritts […] Kirche und Staat sind ähnliche, aber partielle Organisationen der Menschheit für besondere Zwecke. Zusammen dienen sie dem, was größer ist als beide: der Menschheit. Ihr gemeinsames Ziel ist die Umwandlung der Menschheit in das Reich Gottes.53

49

50 51 52 53

danke Gary Smith vom Grove City College, der meine frühere Behauptung korrigierte, dass Rauschenbusch der Gründer der Social-Gospel-Bewegung sei und nicht ihr Sprecher. Rauschenbusch, Walter : Christianity and the Social Crisis. Louisville, KY: Westminster, John Knox Press, 1991, S. 13, 52 f. Ich danke Stanley Hauerwas, der mich gelehrt hat, Rauschenbusch so zu verstehen, und mich insbesondere auf den unverkennbaren Einfluss Ernst Troeltschs in Rauschenbuschs Arbeit aufmerksam gemacht hat. Ebd., S. 15. Ebd., S. 247. Ebd., S. 15. Ebd., S. 380.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

369

Der Zweck dieser, zugegebenermaßen weitläufigen, Abschweifung ist es, die besondere Form des amerikanischen Neo-Neo-Konstantinismus zu der Zeit umfassend aufzuzeigen, als die Pfingstbewegung aufkam und ihre Identität begründete. Das Wachstum und die nachfolgende Institutionalisierung der Pfingstbewegung waren so schnell, wie der oben angeführte Verweis von Yoder anzeigt, dass sich die Gemeinschaft nicht in einer mit ihrer restaurationistischen Herkunft konsistenten Weise definieren konnte. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass viele von denen, die in die Gemeinschaft eintraten, wenigstens stillschweigend ähnliche Empfindungen hatten, wie sie Rauschenbusch ausdrückte. Die Abkehr der Assemblies of God vom Restaurationismus erreichte in den frühen 1940ern eine kritische Masse, als die Bewegung ihre bedeutendsten Schritte hin zu einer am Establishment orientierten Ekklesiologie tat. Im Protokoll der Generalversammlung von 1941 versicherte Artikel XVI der Satzung der Assemblies of God immer noch, dass die Assemblies eine pazifistische Denomination seien. Bis zu dieser Zeit war die offizielle Position nur gering abgeschwächt worden, nämlich durch eine Kombination der pazifistische Resolution von 1917 mit einer Version der Loyalitätserklärung von 1918.54 Doch das fortschreitende Wachstum und Gedeihen der Bewegung machte es zunehmend schwieriger, diese Sicht aufrechtzuerhalten; die Assemblies of God standen kurz vor ihrem Eingang in den evangelikalen Mainstream. Von 1940 an kamen eine Anzahl lose miteinander verbundener Bewegungen unter fundamentalistischen Christen auf, welche die Bildung einer Organisation einforderten, die dem öffentlichen Einfluss des etablierten protestantischen Federal Council of the Churches of Christ entgegenwirken könne.55 Das vorrangige Anliegen dieser Fundamentalisten war die Sorge, dass der liberale Protestantismus eine ernste Gefahr für ihre eigenen Freiheiten werden könne; sie waren überzeugt, bemerkt Blumhofer, dass der Federal Council „nichts weniger als eine Fassade all derjenigen geworden war, die sich zur Untergrabung der zivilen und religiösen Freiheiten der Fundamentalisten miteinander verschworen haben.“56 Ihre Bemühungen gipfelten in einem Treffen in St. Louis, Missiouri im April 1942, wo die Assemblies of God mit einer dreiköpfigen Delegation vertreten waren; die dort gegründete Organi-

54 Was ich hier eine „geringe“ Veränderung nenne, ist eine bedeutsame. Zur ursprünglichen pazifistischen Erklärung wurde folgende Aussage hinzugefügt: „Zugleich erklärt die Generalversammlung ihre unerschütterliche Loyalität zu unserer Regierung und ihrer höchsten Exekutive, und wir beabsichtigen, die Regierung in Zeiten des Krieges in jedweder moralisch möglichen Art zu unterstützen.“ Weiter unten behandele ich die Frage der christlichen Loyalität zur Regierung eingehend. 55 Blumhofer: Assemblies of God, Since 1941, Bd. 2: Since 1941, S. 20 – 21. 56 Ebd., S. 21.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

370

Joel J. Shuman

sation wurde als die National Association of Evangelicals [NAE] bekannt, und die Assemblies of God wurden zu ihren Mitgliedern gezählt.57 Die NAE jener Tage waren von einem, wie Blumhofer es richtig nennt, „ehrfürchtigem Patriotismus“ gekennzeichnet, der vom damaligen Präsidenten Harold John Ockengas „großer Vision für die amerikanische Kultur“ angefacht war. Ockengas Vision zielte auf ein christliches Amerika und seine Rhetorik, die sowohl hoch patriotisch als auch stark anti-katholisch war, war ein Produkt seiner konservativen reformierten Herkunft.58 Es lohnt sich, einen Auszug seiner Ansprache an die erste verfassunggebende Versammlung des NAE ausführlich zu zitieren: Ich glaube, dass den USA eine Vorsehung [destiny] gegeben ist, die mit der des alten Israels vergleichbar ist, das von Gott begünstigt, erhalten, beschenkt, geführt und gebraucht wurde. Geschichtlich hat Gott diese Nation vorbereitet: mit einem riesigen und vereintem Land, mit einer Bevölkerung, die sich aus unzählbaren Blutstämmen speist, mit einem unerreichten Reichtum, mit einer ideologischen Stärke, die sich aus den Traditionen der klassischen und radikalen Philosophie speist, aber mit einer Regierung, die sich vor dem Gesetz verantworten muss, wie keine Regierung, mit Ausnahme Israels, dies je tun musste, und mit einer Aufgeklärtheit in den Gedanken des durchschnittlichen Bürgers, die der Gipfel der sozialen Entwicklung ist.59

Besonders bemerkenswert an dieser Rhetorik ist die Genauigkeit, mit der sie sowohl Rauschenbuschs Einstellung zu Israel und den USA als auch Yoders Darstellung des neo-neo-konstantinischen Christentums wiedergibt. Sowohl Rauschenbusch als auch Ockenga bringen die stillschweigende Annahme zum Ausdruck, dass es eine Art philosophisches Prinzip gebe, das sowohl dem Christentum als auch der Verfassung der Vereinigten Staaten zugrunde liegt, und dass dieses Prinzip in einem gewissen Sinne bedeutsamer als das Evangelium ist, was lediglich eine historische Manifestation des Prinzips darstellt. Angesichts dieser Perspektive ist es ziemlich leicht zu verstehen, wie man bestimmte Arten militärischen Handelns rechtfertigen kann, um das Prinzip zu bewahren. „Es ist kaum ein Zufall“, bemerkt Blumhofer, „dass die Sicht der Assemblies of God auf Krieg und Vaterland sich etwa zur selben Zeit deutlich veränderten, als die Denomination sich der NAE anschloss.“60 Der tiefgreifendste Ausdruck dieser Veränderung, die Blumhofer erwähnt, kam auf den Generalversammlungen von 1965 und 1967. Bis 1965 waren eine erhebliche Anzahl an Fragen bezüglich der bis dato gültigen offiziellen Position aufgekommen. Es wurde eine Erklärung präsentiert, die eine besondere, 57 Ebd., S. 23 – 25. Blumhofer bemerkt (S. 211 f., Anm. 45), dass die Assemblies of God schon bald die größte Mitglieds-Denomination des NAE wurden. 58 Ebd., S. 27, 29 f. 59 Zitiert nach ebd., S. 30. Blumhofer entnahm dieses Zitat S. 10 von Ben Hardins Brief in “United We Stand: NAE Constitutional Convention Report”, aus den Herbert J. Taylor Papieren im Archiv des Billy Graham Zentrums. Vgl. Ebd., S. 210, Anm. 35; S. 212, Anm. 53. 60 Ebd., S. 212.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

371

vom Exekutiv-Presbyterium eingesetzte Kommission zum vertieften Studium der Frage einforderte.61 Zur Versammlung von 1967 brachte die Kommission folgenden Veränderungsvorschlag zu den mittlerweile zu Artikel XXII der Satzung der Denomination gewordenen Aussagen ein: IN ERWÄGUNG DESSEN, DASS die sich in der Sitzungsperiode befindliche 31. Generalversammlung die Einsetzung einer Kommissionzum Studium der Angemessenheit unserer Aussage zum Wehrdienst in Artikel XXII der Satzung erbeten hat; und DASS die nachfolgend gebührlich eingesetzte Kommission den benannten Artikel XXII sorgfältig studiert hat, in Verbindung mit den Meinungsäußerungen von Kaplanen, Pastoren, Evangelisten und der Korrespondenz von jungen Männern, die gegenwärtig von der Mobilisierung betroffen sind; sei darum BESCHLOSSEN, dass wir Artikel XXII behalten, wie er jetzt in der Satzung steht; und sei weiterhin BESCHLOSSEN, dass der folgende Absatz jenem hinzugefügt werde: Wir drücken hierbei unseren Wunsch aus, weiterhin denjenigen Gemeinschaft und sakramentale Dienste anzubieten, die nicht den nicht-kämpferischen Dienst wählen.62

Angesichts der Zunahme nationalistischer Empfindungen unter amerikanischen Evangelikalen seit den 1940ern ist die in diesem Nachtrag ausgedrückte Position überraschend moderat. Indem beschlossen wird, „dass wir Artikel XXII behalten, wie er jetzt in der Satzung steht“, wird ein großer Respekt vor dem pazifistischen Erbe der amerikanischen Pfingstbewegung ausgedrückt. Die Hinzufügung des Absatzes zum kirchlichen Status derjenigen, die sich entschieden, am Krieg teilzunehmen, war keine besonders neue Forderung; sie machte nur explizit, was von Anfang an implizit gewesen war. Es ist in jedem Fall deutlich, dass die Mitglieder der Kommission soviel wie möglich vom traditionellen Pazifismus der Denomination angesichts der sich ändernden Meinung beibehalten wollten. Diese Nachtrags-Resolution wurde jedoch nicht angenommen. Das Protokoll erklärt, dass ihrer Verlesung eine „beträchtliche Diskussion […] bezüglich der Position der Assemblies of God zum Wehrdienst“ folgte. Während dieser Diskussion wurde entschieden, dass die Resolution zurück an die Kommission verwiesen werden sollte, und dass die Kommission noch durch die Hinzufügung von drei Mitglieder ergänzt werden solle, die „repräsentativ für den Querschnitt der Gemeinschaft“ sein sollten.63 Drei Tage später er61 Minutes of the 32nd Session of the General Council of the Assemblies of God, Convened at Long Beach, California August 24 – 29, 1967, with Revised Constitution and Bylaws. Springfield, MO: General Secretary’s Office, 1967, S. 14. 62 Ebd. 63 Ebd., S. 15.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

372

Joel J. Shuman

stattete die erweiterte Kommission erneut der Versammlung Bericht und schlug eine Veränderung vor, die weitaus bedeutsamer war als ursprünglich vorgeschlagen: IN ERWÄGUNG DESSEN, DASS der ideale Zustand der Welt einer des Friedens ist, sollten wir christlichen Bürger unseren Einfluss zur Beförderung friedlicher Lösungen weltlicher Problemen einsetzen; und DASS wir in einer Welt leben, in der internationale Notlagen eintreten können, die unsere Nation zum Rückgriff auf bewaffnete Gewalt in der Verteidigung ihrer Ideale, Freiheit und nationaler Existenz führen werden; und DASS unsere erste Loyalität Gott gehört, erkennen wir dennoch, dass die menschliche Regierung von Gott bestimmt ist und dass es Pflichten der Bürgerschaft gibt, die für uns als Christen verpflichtend sind; und DASS wir das Prinzip der individuellen Gewissensfreiheit bezüglich des Wehrdiensts anerkennen; sei darum BESCHLOSSEN, dass Artikel XXII der Satzung der Generalversammlung gelöscht wird und durch folgendem Artikel ersetzt wird: Artikel XXII. Wehrdienst Als eine Bewegung bekräftigen wir unsere Loyalität zur Regierung der Vereinigten Staaten in Krieg oder Frieden. Wir werden weiterhin, wie wir das auch in der Vergangenheit getan haben, auf dem Recht jedes Mitglieds bestehen, seine Position als Kombattant oder Nichtkombattant oder als Kriegsdienstverweigerer zu erklären.64

Das Bemerkenswerteste an dieser konkreten Revision von Artikel XXII (die nach Angabe des Protokolls verabschiedet wurde und zur offiziellen Richtlinie der Assemblies of God wurde65) war die im Unterschied zur ursprünglichen Resolution von 1917 deutlich anders gelagerte Rationalität. Jener Artikel machte zwar Zugeständnisse bezüglich der Rolle der staatlichen Regierung, aber es ging ihm deutlich stärker um eine Bekräftigung der christlichen Position zur Gewalt, die im Neuen Testament beschrieben und durch die zeitgenössische Pfingstbewegung interpretiert wird. Dies waren Fragen, so die ursprüngliche Resolution, die im Neuen Testament ziemlich klar dargelegt wurden und die durch eine treue Gemeinschaft vorbildhaft ausgearbeitet werden mussten. Das „inspirierte Wort Gottes“, behauptete die Resolution, „[…] ist die einzige Basis für unseren Glauben.“66 64 Ebd., S. 35. 65 Ebd., S. 65. 66 Pentecostal Movement, S. 6.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

373

Die Resolution von 1967 lässt eine solche Argumentation nicht erkennen. Im Kontrast zur ursprünglichen Aussage, die für ihre Garantien fast ausschließlich in die Schrift schaute, vermeidet dieser Artikel solche Verweise. Er erkennt die Friedfertigkeit einer „idealen Welt“ an, aber besteht darauf, dass eine solche Welt weit davon entfernt sei, eine gegenwärtige Wirklichkeit zu werden. Er deutet an, dass die wirkliche Welt eine gewalttätige ist, und dass in einer gewalttätigen Welt Gewalt manchmal nötig sei, um das Gute zu verteidigen. Dieses Gute wird hier vielseitig beschrieben – als die „Ideale, Freiheit und nationale Existenz […] unserer Nation“, oder „das Prinzip der individuellen Gewissensfreiheit“ – aber es ist immer ein Gut, das im Bereich der Prinzipien und Ideen existiert, nicht in der Geschichte, und immer ein Gut, dessen Erhalt die Unterstützung des Staates benötigt. Daraus folgt deutlich, dass die Existenz des Gottesreichs nicht von Gottes Handeln für und in einer treuen christlichen Gemeinschaft abhängt, sondern von einem Schwert tragenden amerikanischen Staat, der auf militärische Weise die Prinzipien verteidigen kann, welche die Existenz jeder christlichen Gemeinschaft ermöglichen. Ein solches Denken ist in historischer und philosophischer sowie in theologischer Hinsicht offenkundig abwegig. Als eine Minderheitengemeinschaft hat die Kirche im Konflikt mit dem Staat existiert, statt in Partnerschaft mit ihm, und kann dies weiterhin tun. Zudem war Amerikas Gründung auf keinen Fall ein ausdrücklich christliches Ereignis. Wie Mark Noll, Nathan Hatch und George Marsden in ihrem Buch The Search for Christian America kurz und bündig dargelegt haben: „Das frühe Amerika verdient es nicht, einzigartig, vornehmlich oder sogar mehrheitlich christlich genannt zu werden, wenn wir mit dem Wort ,christlich‘ den Zustand einer Gesellschaft meinen, welche die in der Schrift präsentierten Ideale reflektiert.“ Wenn überhaupt, so sagen sie, „muss Evangelikalen selbst die Schuld an der Ausbreitung des Säkularismus im gegenwärtigen amerikanischen Leben gegeben werden.“67 Der historische Beleg zeigt mit anderen Worten an, dass der Konstantinismus der amerikanischen Kirche eher zum Nachteil des Anliegens des Evangeliums gewirkt hat. Wann immer die Kirche ihre Allianzen mit der Regierung vertiefte und verkomplizierte, hat diese Vertiefung stets ein zunehmendes sich Verlassen auf Prinzipien und Ideale bedeutet, was mit einer Preisgabe der biblischen Darstellungen von Jesus und der Kirche korrespondierte. Das Ergebnis, laut John Howard Yoder, war, gelinde gesagt, problematisch: Wenn die Kenosis die Form von Gottes eigener Selbstaussendung ist, dann ist jede Strategie der Herrschaft, wie die der Könige dieser Welt, nicht nur ein sich wahrscheinlich als Bumerang erweisender strategischer Fehler, sondern eine Leugnung der Substanz des Evangeliums, eine Leugnung, die scheiterte, selbst wo sie erfolgreich war. Was die Kirchen im konstantinischen Wandel akzeptierten, hatte Jesus 67 Noll, Mark A.; Marsden, George M.; Hatch, Nathan O.: The Search for Christian America. Erw. Aufl. Colorado Springs, CO: Helmers & Howard, 1989, S. 17.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

374

Joel J. Shuman

zurückgewiesen, nämlich Gottebenbildlichkeit zu ergreifen, in hoc signo von Golgatha zum Schlachtfeld zu marschieren. Wenn diese Diagnose stimmt, dann besteht das Heilmittel nicht in einer punktuellen Korrektur des Fehlers des 4. Jahrhunderts, indem ein weiteres „Neo-“ hinzugefügt wird, sondern darin, sich von dem ganzen „hier spielt nun einmal die Musik“-Stil in Buße abzuwenden und mit der Kenosis von vorne zu beginnen.68

Ich behauptete zu Beginn, dass die Möglichkeit einer Rückkehr zum Pazifismus in der amerikanischen Pfingstbewegung immer noch besteht, aufgrund der eschatologischen Natur ihrer Anfänge und des Vorrangs, den sie der Apostelgeschichte unter den neutestamentlichen Büchern gibt. Man könnte sagen, dass die Art und Weise wie die Pfingstler durch ihr restaurationistisches Erbe in ihrer Bibellektüre geprägt waren, ihnen das Gefühl vermittelte, die gegenwärtige Manifestation der in der Apostelgeschichte begründeten „endzeitlichen“ Gemeinschaft zu sein. Auch wenn dieser unmittelbar eschatologische Sinn durch den Ablauf der Zeit und die relative Institutionalisierung pfingstlicher Gemeinschaften abgeschwächt wurde, bleibt die Privilegierung der Apostelgeschichte ein gegenwärtiges Merkmal der Pfingstbewegung. Von hier aus will ich daher mit der Entwicklung eines wiederhergestellten theologischen Arguments für pfingstlichen Pazifismus beginnen. Die pfingstliche Ankunft des Heiligen Geistes in der Apostelgeschichte wurde von den ersten Christen offensichtlich als ein eschatologisches Ereignis verstanden. Jesu Verheißung der bevorstehenden und machtvollen Ankunft des Heiligen Geistes erfolgte im Kontext der Fragen seiner Jünger nach der endgültigen Wiederherstellung Israels (Apg 1,6 – 8), einer Verheißung die von der Versicherung der Engel versiegelt wurde: er „wird so kommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ (Apg 1,11). Die Verkündigung des Petrus an diejenigen, die das Kommen des Geistes miterlebten, profilierte zudem das Pfingstereignis im Kontext der eschatologischen Prophetie des alttestamentlichen Buchs Joel, wo Gott verhieß: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; […] Und soll geschehen: wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden. (Apg 2,17.21)

Wie oben bereits erwähnt, war dieser eschatologische Aspekt der pfingstlichen Erfahrung ein wichtiger Teil des Selbstverständnisses der Pfingstler des frühen 20. Jahrhunderts, das bis heute noch zum Teil seinen Ausdruck findet.69 Von besonderer Bedeutung ist dabei das Bewusstsein dafür, dass die pfingstliche Ankunft des Heiligen Geistes eine Bevollmächtigung ist, aufgrund derer die christ68 Yoder: Constantinian Sources, S. 145. 69 Edith Blumhofer bietet eine Darstellung der eschatologischen Erwartung der Restaurationisten in Assemblies of God, To 1941, Bd. 1: To 1941, S. 2 – 26.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

375

liche Gemeinschaft zu einer radikalen Zeugnis-Gemeinschaft von Leben, Tod und Auferstehung Jesu wird.70 Dieses Bewusstsein war meiner Ansicht nach die implizite Basis für die pfingstliche Sozialethik, die eine starke Verpflichtung zum Pazifismus beinhaltete; zugleich diente es aber auch als Basis zur Verleugnung der Bedeutsamkeit der Sozialethik angesichts eines bevorstehenden Eschatons.71 Dempster hat daher Recht mit seiner Behauptung, dass das Versagen der Pfingstbewegung, ihr „unverkennbares Zeugnis“ mit ihrem frühen Pazifismus zu verbinden, „eine fast tödliche Auswirkung auf die Aufgabe, eine pfingstlichen Sozialethik zu konstruieren, gehabt hat und weiterhin hat.“72 Diese Verbindung erscheint aber weiterhin möglich, wenn die moralische Bedeutung der Pfingstgeschichte zurückgewonnen werden kann. Es gibt zwei besondere Gründe dafür, die Geschichte von Pfingsten zentral für eine Wiedergewinnung einer gewaltfreien christlichen Sozialethik anzusetzen. Der erste Grund ist ein literarischer. Stanley Hauerwas hat argumentiert, dass das christliche Leben einen besonders narrativen Charakter hat und dass dieser „narrative Modus für den christlichen Glauben weder nebensächlich noch zufällig ist. Es gibt keine grundsätzlichere Art, von Gott zu reden“, behauptet er, „als in einer Erzählung.“73 Geschichten sind theologisch fundamental, weil Gottes Selbstoffenbarung einen besonders narrativen Charakter hat; Gott hat sich, in anderen Worten, als Gott „in der Geschichte Israels und im Leben Jesu“ offenbart.74 Christen sind „gerechtfertigt“ und „geheiligt“ durch ihre Teilhabe an dieser Geschichte; die Verwendung dieser Sprache erfordert es allerdings, dass wir uns dessen gewahr sind, dass diese Begriffe „keinen Status beschreiben“ sollen. In der Tat liegt ein Teil der Probleme mit diesen Begriffen darin, daß sie Abstraktionen sind. Wenn sie von Leben und Tod Jesu getrennt werden, verzerren sie das christliche Leben. „Heiligung“ ist nur eine Weise, uns an die Art des Weges zu erinnern, auf den wir uns begeben müssen, um die Geschichte Jesu zu unserer Geschichte zu machen. „Rechtfertigung“ ist nur eine Erinnerung an den Charakter dieser Geschichte – nämlich was Gott für uns getan hat, indem er uns einen Weg anbietet, dem wir folgen können.75 70 In der Verfassungserklärung der Assemblies of God von 1993 heißt es beispielsweise: „Der wesentliche Existenzgrund für die Assemblies of God ist es, eine Agentur Gottes für die Weltevangelisation zu sein. [… Sie] existiert ausdrücklich dazu, diesen Existenzgrund im neutestamentlichen apostolischen Muster fortwährend zu betonen, indem Gläubige gelehrt und dazu ermutigt werden, im Geist getauft zu werden, was sie befähigt in der Kraft des Geistes mit nachfolgenden übernatürlichen Zeichen zu evangelisieren.“ Minutes of the 45th Session of the General Council of the Assemblies of God, Convened at Minneapolis, Minnesota August 10 – 14, 1993. Springfield, MO: General Secretary’s Office, 1993, S. 125. 71 Blumhofer: Assemblies of God, To 1941, Bd. 1: To 1941, S. 24 f. 72 Dempster : Reassessing, S. 32. 73 Hauerwas: Selig sind die Friedfertigen, S. 71. 74 Ebd., S. 75. 75 Ebd., S. 152.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

376

Joel J. Shuman

Die Teilhabe an den Geschichten Israels und Jesu stellt die Annahme mit Recht in Frage, dass Christen Wege berechnen müssen, wie sie sich selbst schützen und ihre Existenz kontrollieren können; sie entlarvt den Lügencharakter der Annahme, dass die menschliche Existenz in einer Welt voller Gewalt notwendigerweise die Lebensweise relativiere, die Jesu Leben, Tod und Auferstehung aufzeigen.76 Solche trügerischen Illusionen sind die Wurzel christlicher Teilnahme an menschlicher Gewalt, da sie die Idee perpetuieren, „daß wir Schöpfer unserer selbst sind – und daß nur wir unserem Leben Bedeutung geben könnten, da es ja keinen anderen gibt, der dies tut.“77 In konstruktiver Hinsicht bietet unsere Teilhabe an der christlichen Geschichte eine gänzlich andere Möglichkeit der Existenz; eine Möglichkeit, die in der Behauptung gründet, dass wenn wir die Geschichte von Jesu Leben, Tod und Auferstehung zu unserer eigenen machen, wir in die Unmittelbarkeit von Gottes Reich hinein genommen werden. Die Gegenwart seines Reichs begründet eine substanzielle Realität, und wir sind dazu berufen, in ihr leben zu lernen.78 Wir sind daher in der Lage, die Welt aus einer unverkennbar eschatologischen Perspektive sehen.79 Wenn wir zum Teil eines Volks gemacht werden, das in dieser Perspektive leben lernt, werden wir nicht nur darüber belehrt, dass Gott herrscht, sondern auch „wie Gott herrscht und über die Einsetzung dieser Herrschaft durch das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu.“80 Es geschieht in unserer Teilnahme an der Welt, die durch diese Herrschaft begründet wird, dass wir „lernen, Geschöpfe zu sein, einen Gottes Herrschaft angemessenen Charakter zu haben, erlöst zu sein.“81 Unter Christen sind Pfingstler einzigartig dafür positioniert, zu verstehen, dass Friedfertigkeit von zentraler Bedeutung für solches Leben ist, das wahrhaftig Zeugnis von diesem Reich ablegt. Denn Pfingstler verstehen kraft ihrer Privilegierung der in der Apostelgeschichte erzählten Geschichte, dass 76 Ebd., S. 209. 77 Ebd., S. 153. 78 Die Arbeiten George Lindbecks sind hier besonders hilfreich. In seinem wichtigen Buch Christliche Lehre als Grammatik des Glaubens bemerkt er in einer Diskussion der Idee der Intratextualität, dass klassische Texte (von der die christlichen Schriften angeblich ein Beispiel sind), „die Vorstellungs- und Wahrnehmungswelt des aufmerksamen Lesers derart [prägen], daß er oder sie die Welt bis zu einem gewissen Grade nur noch durch diese mitgelieferten Brillengläser betrachtet. […] Die gleichen Erwägungen treffen noch viel stärker auf die in höchstem Maße autoritativen Texte zu, welche die kanonischen Schriften religiöser Gemeinschaften darstellen. Für diejenigen, die ganz in sie eingetaucht sind, ist keine Welt realer, als die, die sie schaffen. […] So beschreibt eine intratextuelle Theologie die gesamte Realität innerhalb eines biblischen Grundgerüsts neu, anstatt die Schrift in außerbiblische Kategorien zu übersetzen. Der Text absorbiert sozusagen die Welt und nicht die Welt den Text.“ Lindbeck, George A.: Christliche Lehre als Grammatik des Glaubens. Gütersloh: Chr. Kaiser, 1994 (Systematische Theologie; Theologische Bücherei 90), S. 169 – 170, 172. [Hervorhebung J. S.] 79 Ich denke hier an Paulus’ Sicht auf diese Frage in 2Kor 5,16: „Darum kennen wir von nun an niemand mehr nach fleischlicher Weise […]“. 80 Hauerwas: Selig sind die Friedfertigen, S. 140. (Hervorhebung S. H.) 81 Ebd., S. 124.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

377

Gott durch die Taufe der Jünger Jesu im Heiligen Geist definitiv eine neue Welt erschaffen wollte, und ein neues Volk, das in dieser Welt leben kann. Daher rühren die bemerkenswerten Änderungen im Verhalten der Jünger nach Pfingsten; sie waren ein Volk, um einen Ausdruck des Paulus zu gebrauchen, das sich im Leben einer „neuen Kreatur“ wiederfand, in der „alles neu geworden“ ist.82 Die zentrale Bedeutung der Friedfertigkeit für diejenigen, die als Zeugen für diese neue Kreation leben wollen, wird deutlich, wenn die Geschichte von Pfingsten als Teil der ganzen Geschichte des Lebens Gottes mit Gottes Volk verstanden wird. Denn zu Pfingsten, bemerkt Stanley Hauerwas, sehen wir die Restauration dessen, was zu Babel zerstört wurde.83 Diese Zerstörung, die in der Zerstreuung der Menschheit in „getrennte Völker, isoliert in Häusern, Ländern und Geschichten, und nicht länger fähig, zu kooperieren“84 bestand, war Gottes Gericht über ein Volk, das glaubte, sie könnten ohne die Anerkennung ihrer eigenen Geschöpflichkeit und somit ohne Gott leben.85 Das Ergebnis der in Babel geschaffenen Trennungen war die Geburt des Krieges, „als die Furcht des anderen die maßgebliche Leidenschaft wurde, die jede Gruppe dazu brachte, andere in ihre Geschichte zu zwingen oder der Vernichtung entgegenzutreten.“86 Die Gegenwart von Unterschieden wurde nicht mehr tolerierbar, als jede Gruppe sich selbst zum absoluten Standard für die menschliche Existenz machen wollte: Menschen fühlten sich verpflichtet, den anderen zu zerstören, sogar wenn es ihren eigenen Tod bedeutete. Besser sterben, als den anderen existieren zu lassen. Bis heute finden wir uns dazu verdammt, in Stämmen zu leben, jeder auf die Zerstörung der anderen Stämme erpicht, so dass wir die Grenzen unseres Stamms verleugnen können. Unsere Geschichten werden zur Geschichte des Krieges, während wir unsere Tage nach den Kriegen der Vergangenheit zählen.87

Die Geschichte Babels ist aber nicht die Geschichte des letzten Schicksals der Menschheit. Denn nach der Tragödie von Babel kommt der erlösende Ruf an Abraham, durch den Gott „ein Bundesvolk [im Zeichen] des Regenbogens schafft, so dass die Welt wissen möge, dass Gott uns trotz unserer Sündhaftigkeit nicht aufgegeben hat.“88 Die Geschichte Israels wird so geboren, und durch Israel kommt Jesus, dessen Leben Zeugnis gibt von der Existenz „einer 82 2Kor 5,17. Ich danke Richard Hays und Steve Long, die mir beide zu der Erkenntnis verholfen haben, dass die zufriedenstellendste Übersetzung dieses Verses den Ausdruck „neue Kreatur“ als Verweis auf die Welt selbst sieht und nicht auf den einzelnen Gläubigen. 83 Hauerwas, Stanley : The Church as God’s New Language. In: Ders.: Christian Existence Today. Grand Rapids, MI: Baker Books, 1995, S. 47 – 65, hier S. 48. 84 Ebd., S. 49. 85 Ebd., S. 48. 86 Ebd., S. 49. 87 Ebd. 88 Ebd.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

378

Joel J. Shuman

neuen Möglichkeit menschlicher, sozialer und daher politischer Beziehungen.“89 Solche Beziehungen sind in der Gemeinschaft verwirklicht, welche durch Jesu Verkündigung über die Herrschaft Gottes ins Leben gerufen ist; eine Gemeinschaft, die nach John Howard Yoder „eine sichtbare sozio-politische, ökonomische Neuordnung der Beziehungen im Volke Gottes“ sein soll, „und das durch sein Eingreifen in der Person Jesu als des Gesalbten und mit dem Geist Begabten.“90 Pfingsten repräsentiert somit einen Höhepunkt der Geschichte, die mit dem Ruf Abrahams begonnen hat, einer Geschichte von Gottes gnädiger Antwort auf die Tragödie von Babel. Jene Juden, die in Jerusalem zum Fest versammelt waren, kamen aus der ganzen Welt und sprachen eine Vielzahl verschiedener Sprachen. Die vom Geist gewirkte Zungenrede wurde von jedem von ihnen in seiner oder ihrer eigenen Sprache gehört, ein Zeichen, dass Gott zu Pfingsten die endgültige Arbeit der Versammlung der zerstreuten Völker der Welt in ein neues Volk begonnen hatte.91 Das bemerkenswerte Leben der neu geschaffenen Gemeinschaft, inklusive der von den Aposteln vollbrachten Zeichen und Wunder und des freien Teilens der Ressourcen, war ein Zeichen, dass Jesu Verheißung einer Kraft, die zum treuen Zeugnisgeben befähigen würde, erfüllt war.92 Die Feindschaften, die aus den in Babel etablierten Trennungen erwachsen, waren bezwungen. Die Zungenrede zu Pfingsten repräsentiert die Schöpfung einer neuen Sprache durch den Geist, einer Sprache, die nicht auf die Artikulation menschlicher Worte beschränkt ist. „Stattdessen ist es eine Gemeinschaft, deren Erinnerung an ihren Erlöser das Wunder eines Volks hervorbringt, in dem selbst die Unterschiede zur Einheit beitragen.“93 Diese Gemeinschaft heißt Kirche,94 eine Gemeinschaft die sich auf die Zeit freut, in der Gott sein Werk der Versammlung beenden wird – der Versammlung „einer großen Schar, welche niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen, vor dem Thron stehend und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und Palmen in ihren Händen.“95 Die Existenz eines solchen Volkes ist mit Sicherheit ein Zeichen, dass wir wirklich eine Alternative zu Babel haben, zur Furcht voreinander, und schließlich zum Krieg. Noch erfreulicher, es bedeutet, dass wir – insoweit wir Kirche sind – nicht bloß eine Alternative haben, sondern die Alternative sind. Wir haben keine Geschichte zu erzählen, sondern im Erzählen sind wir die erzählte Geschichte.96 89 90 91 92 93 94 95 96

Yoder, John H.: Die Politik Jesu: Der Weg des Kreuzes. Maxdorf: Agape, 1981, S. 58. Ebd., S. 37. Hauerwas: Church, S. 50. S. Apg 2,42 – 47. Hauerwas: Church, S. 53. Ebd. Offb 7,9. Hauerwas: Church, S. 54.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Pfingsten und das Ende des Patriotismus

379

Pfingstler sollten, mehr noch als andere, die treue Verkörperung dieser Geschichte sein. Denn es ist unser „unverkennbares Zeugnis“, dass Gott zu Pfingsten die Existenz eines Volkes ermöglicht hat, dessen Bereitschaft, „im Geist erfüllt“ zu leben, der Welt die Realität des Gottesreichs gegenwärtig macht. Das ist eine Realität die auf eine derart friedliche Vision zentriert ist, dass sie jedes Maß der Teilnahme am Töten ausschließt. Mögen wir durch die Wiederentdeckung dieser Vision verändert werden.97

97 Ich danke den Mitarbeitern des Archivs der Assemblies of God in Springfield, Missouri, für ihre Unterstützung beim Zusammentragen der Materialien, die zur Abfassung dieses Aufsatzes verwendet wurden, und Grant Wacker, der mich auf das Werk Murray Dempsters aufmerksam gemacht hat.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Ekklesiologie und Ökumene

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Terry L. Cross

Sind Pfingstler evangelikale Christen? Eine Betrachtung der theologischen Unterschiede und * Gemeinsamkeiten Katholizismus wie orthodoxer Protestantismus, so tief sie voneinander verschieden sein mögen, haben doch das eine gemeinsam, daß sie besonderes Gewicht auf die Werte legen, welche im Christenglauben gegeben werden und unaufgebbar sind. Für den Katholizismus ist das vor allem die Struktur der Kirche, für den Protestantismus seine ihm aufgetragene Botschaft. Beide haben jedoch in ihren besten Zeiten gewußt, daß sie damit die Einzigartigkeit, die Zulänglichkeit, die volle Gültigkeit und den Sinn von Gottes erlösender Tat in Christo zu wahren bestrebt waren […] Nun ist es aber unerläßlich, sich der Erkenntnis nicht zu verschließen, daß es eine dritte Strömung christlicher Erkenntnis gibt, welcher sich zwar in vielen Punkten mit den erwähnten eng berührt, dennoch seine besondere Art hat. […] Es sei kurz und vorläufig gesagt, was diese dritte Bewegung kennzeichnet. Es ist dies die Überzeugung, daß christliches Leben darin wurzelt, daß die Gegenwart und Macht des Heiligen Geistes heute erfahren wird […] Wenn wir die Frage beantworten sollen: „Wo ist die Kirche?“ müssen wir zuvor fragen, wo ist der Heilige Geist als mit Macht gegenwärtig erkennbar? […] Als Beispiel für jenes sei verwiesen auf den Nachdruck, mit dem das Leben aus dem Geiste als erfahrene und erlebte Wirklichkeit bezeichnet wird, welche geradezu eine seinsmäßige Verwandlung im Gläubigen einschließt. Da ich Besseres nicht zur Hand habe, schlage ich vor, diesen Typus christlichen Glaubens und Lebens als „pfingstlich“ zu bezeichnen.1

* Dieser Text ist die Übersetzung des Vortrags mit dem Titel Are Pentecostals Evangelicals? Reviewing Theological Differences and Common Themes, der auf dem Symposium „100 Jahre Berliner Erklärung“, veranstaltet vom Verein für Freikirchenforschung und dem Interdisziplinären Arbeitskreis Pfingstbewegung, am 28. Februar 2009 gehalten wurde. Die deutsche Übersetzung erschien im Dokumentationsband der Tagung, s. Cross, Terry L.: Sind Pfingstler Evangelikale? Eine Betrachtung der Theologischen Differenzen und Gemeinsamkeiten. In: Freikirchenforschung 19 (2010), S. 114 – 138 und wird hier in leicht überarbeiteter Fassung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Vereins für Freikirchenforschung erneut abgedruckt. 1 Newbigin, Lesslie: Von der Spaltung zur Einheit: Ökumenische Schau der Kirche, übers. v. Arthur Graf; und Wolfgang Metzger. Stuttgart: Evangelischer Missionsverlag, 1956, S. 116 f. [Originalveröffentlichung: Newbigin, Lesslie: The Household of God: Lectures on the Nature of the Church. London: SCM Press, 1953.] Newbigin wurde 1936 von der Church of Scotland zum Pastor ordiniert und ging dann als Missionar nach Indien. 1947 wurde er in Madurai zum Bischof ernannt. Durchweg galt sein Interesse der ökumenischen Bewegung als weltweitem Trend.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

384

Terry L. Cross

Einleitung Während diese Worte des Missionars Lesslie Newbigin, mit denen er im Jahr 1953 die Pfingstbewegung als dritte Hauptströmung kirchlichen Lebens und Zeugnisses beschrieb, nicht allzu wohlwollend aufgenommen wurden, standen sie in fast prophetischer Weise als Vorbote des Kommenden.2 Der Pfingstbewegung fehlte es an kirchlicher Struktur und sie mied ökumenische Bemühungen. Manche Christen bezeichneten die Bewegung als „dämonisch“. Andere wiederum sahen sie als einen emotionalen Auswuchs afroamerikanischer Spiritualität, der unter den Armen und Unterdrückten Anklang fand, vor allem in der ländlichen und oftmals zurückgebliebenen Region der Appalachen in den Vereinigten Staaten. Beinahe fünfzig Jahre nach dem Beginn der weltweiten Bewegung forderte es immer noch großen Mut von Pfingstlern, ehrlich auf die Frage „Und wo gehen Sie denn zur Kirche?“ zu antworten. Mit anderen Worten: der Geist der Berliner Erklärung von 1909 lebte und gedieh auch 1953 immer noch überall auf der Welt. Und dennoch: Der pfingstliche Strom nahm zu. Es ist erstaunlich, dass die Worte von Bischof Newbigin so vorausschauend waren – zumal sie vor 1960 fielen, also dem Jahr, in das die meisten Forscher den Beginn der charismatischen Bewegung datieren. Heute ist die pfingstlichcharismatische Bewegung mit weltweit über 500 Millionen Anhängern die drittgrößte Strömung des Christentums. Die Worte Newbigins waren jedoch nicht nur eine soziologische Prognose – sie gründeten auf einer theologischen Beobachtung zum Wesen der pfingstlichen Erfahrung und pfingstlichen Kirchen. Zum Großteil argumentiert Newbigin in seinem Buch zu Gunsten der biblischen und theologischen Position der Pfingstler! Beständig arbeitet er ein wiederkehrendes Thema aus der Schrift und der theologischen Reflexion heraus: Es gibt eine „unlösbare Verbindung zwischen dem heiligen Geist und der Kirche“.3 Er stellt sogar folgende (für einen schottischen Presbyterianer im Jahre 1953!) kühne These auf: „Heutzutage fürchten Theologen das Wort ,Erfahrung…‘, doch die Schreiber des neuen Testaments sind ,frei von dieser Furcht.‘“4 Dennoch haben nur wenige Pfingstler den Namen Lesslie Newbigin oder dessen Worte von 1953 gehört. Anders als Newbigin es von ihnen erwartet hatte, haben sie keinen Platz am ökumenischen Tisch eingenommen. Sie haben ihre 2 Im Jahre 1958 schlug Henry P. van Dusen vom Union Theological Seminar (New York) vor, dass die Pfingstbewegung der beste Ausdruck der Tradition der Believers’ Church sei. In einem ähnlichen Ton wie Newbigin, beschreibt er sie als eine dritte Kraft, die auf gleicher Ebene mit dem Protestantismus und der Römisch-Katholischen Kirche steht. „[Sie ist ein] dritter starker Zweig des Christentums.“ Dusen, Henry P. van: Third Force in Christendom. In: Life 50 (1958), S. 113 – 124. 3 Newbigin: Von der Spaltung, S. 119 f. 4 Ebd., S. 120 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

385

eigene Erfahrung des Geistes nicht in ihren intellektuellen Reflexionsprozess mit einfließen lassen. Stattdessen haben sie sich mit einer Familie von Christen verbündet, die sich weigert, an der ökumenischen Diskussion teilzunehmen (namentlich die Fundamentalisten), und haben die theologische Reflexion einer anderen Familie von Christen überlassen, indem sie deren theologischen Methoden und Lehren gebrauchen (namentlich Evangelikale). Dieser Aufsatz soll die Frage beantworten, ob Pfingstler als Evangelikale angesehen werden sollten (oder können). Auf diese Frage gibt es eine einfache Antwort: Ja und nein. Allerdings verlangt der Untertitel dieses Aufsatzes weitere Ausführungen, nämlich eine Betrachtung der theologischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Die Antwort auf diese Fragen und Themen soll dabei entlang folgender Linien entwickelt werden: 1) Eine historische Untersuchung: Waren/sind Pfingstler tatsächlich Fundamentalisten? 2) Eine Untersuchung der theologischen Methode: Gibt es/oder sollte es einen Unterschied zwischen der pfingstlichen und evangelikalen theologischen Methode geben? 3) Eine Fallstudie in pfingstlicher Theologie: Wie könnte eine pfingstliche Ekklesiologie in einer nicht-evangelikalen Tonart aussehen? Die breitere Fragestellung (Sind Pfingstler evangelikale Christen?) soll somit in der Ausführung und Beantwortung dieser drei Punkte beantwortet werden. Selbstverständlich kann ich nur von Pfingstbewegung und Evangelikalismus in Nordamerika sprechen. Während es einige Berührungspunkte mit der kirchlichen Situation in Europa geben mag, ist mir bewusst, dass dieser Aufsatz eindeutig die Situation in den USA diskutiert.

Eine historische Untersuchung: Waren/sind Pfingstler Fundamentalisten? Waren/sind Pfingstler Fundamentalisten? Es ist offensichtlich, dass die Bewegung, die in den USA als evangelikal bezeichnet wird, sich aus der früheren Form des Fundamentalismus entwickelt hat. War die Pfingstbewegung auch Teil dieser Geschichte? Diesen Punkt wollen wir einer sorgfältigen Betrachtung unterziehen. Der Fundamentalismus-Begriff ist gegenwärtig meist negativ konnotiert. Fundamentalistische Muslime könnten Terroristen sein; fundamentalistische Christen könnten Bücherverbrenner in Schulgremien sein; fundamentalistische Juden könnten solche sein, die dem Buchstaben des Gesetzes folgen.5 5 Zwei interessante Bücher haben dieses Thema im Hinblick auf das Judentum, das Christentum und den Islam erneut aufgegriffen, s. Armstrong, Karen: The Battle for God: A History of Fundamentalism. New York: Alfred A. Knopf, 2000; Ruthven, Malise: Fundamentalism: The Search for Meaning. Oxford: Oxford University Press, 2004. Obwohl Armstrong und Ruthven sich den Fragen und Geschichtserzählungen unterschiedlich nähern, kommen sie zur gleichen

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

386

Terry L. Cross

Einige Christentumsgeschichtler haben jedoch versucht, dem Fundamentalismus in Nordamerika ein menschlicheres Antlitz zu geben.6 Denn die Karikaturen „simplistisch“ oder „engstirnig“ treffen jedenfalls nicht sonderlich auf die Komplexität dieser Bewegung zu.7 Dennoch scheinen sich einige Eigenschaften zu bestätigen, vor allem das Schwarz-Weiß-Denken als Schutz gegen die Unsicherheiten der Moderne.8 Nachdem sich der Fundamentalismus in den 1920er Jahren gegen die Evolutionslehre, und in den 1930er Jahren gegen die historisch-kritische Exegese positioniert hatte, begann er in den 1940er Jahren zu zersplittern. Ein Hauptvertreter jedoch – Carl McIntire – nutzte das Radio und Printmedien, um mittels seiner Veröffentlichungen und streng exklusiven Verbänden den Fundamentalismus wiederzubeleben.9 Er bekämpfte die Bildung der National Association of Evangelicals (NAE) in den 1940er Jahren und die gesamte „neo-evangelikale Bewegung“, die seiner Ansicht nach liberalen Ansichten gegenüber zu offen eingestellt war. Während McIntire keine Pfingstler in seine Verbände eintreten ließ, wurden sie von der NAE zugelassen. Dennoch konnte McIntire durch seine fundamentalistische Rhetorik gegen die ökumenische Bewegung und seinen strengen Fokus auf die Schrift anscheinend eine große Anzahl Pfingstler auf seine Seite ziehen (obwohl sie in seinen Augen nicht würdig waren seiner Gruppe anzugehören!). Somit erschienen Pfingstler zunehmend wie Fundamentalisten, die in Zungen sprachen, und begannen entsprechend zu denken – obgleich sie in den meisten fundamentalistischen Kirchen nicht willkommen waren. Waren Pfingstler Fundamentalisten? Nach Ansicht Donald Daytons waren

6

7

8

9

Schlussfolgerung: In einer komplexen „modernen“ Welt, die immer mehr mit Unsicherheit gefüllt ist, gewährt Fundamentalismus Klarheit, Stabilität, Sicherheit, und Sinn. Marsden, George M.: Fundamentalism and American Culture: The Shaping of Twentieth Century Evangelicalism, 1870 – 1925. New York: Oxford University Press, 1980; und Carpenter, Joel A.: Revive Us Again: The Reawakening of American Fundamentalism. New York: Oxford University Press, 1997, S. 242 f. Stransky, Thomas F.: Fundamentalists. In: Lossky, Nicolas (Hg.): Dictionary of the Ecumenical Movement. 2. Aufl. Genf: WCC Publications, 2002, S. 483 – 486. Dies ist ein außergewöhnlich einsichtsvoller Artikel, der verschiedene Facetten betrachtet. Einen anderen „Blickwinkel“ hat Bawer, Bruce: Stealing Jesus: How Fundamentalism Betrays Christianity. New York: Crown Publishers, 1997. Bawer ist weniger historisch als narrativ in seinem Ansatz; die wesentlichen Aspekte fundamentalistischen Lebens und Denkens können durch diese eher negative Sichtweise des Fundamentalismus jedoch leicht erfasst werden. Der Fundamentalismus bekam seinen Namen von den fünf „Fundamentals“ des Glaubens, die in einer Traktatreihe zwischen 1910 und 1920 festgelegt wurden. Diese fünf Fundamentalüberzeugungen sind: (1) Unfehlbarkeit der Schrift; (2) Die Gottheit Jesu Christi; (3) Jesus Christus ist Erlöser ; (4) die leibliche Auferstehung Christi; und (5) das zweite Kommen Christi. Ich werde später feststellen, dass die meisten Pfingstler diese – und noch einige weitere – Fundamentalüberzeugungen bestätigen würden. Meine These ist allerdings, dass die Bestätigung aus anderen Gründen erfolgt als es bei nicht-pfingstlichen Fundamentalisten der Fall ist – dies stellt einen signifikanten Unterschied dar. Carpenter: Revive Us Again, S. 204 f. McIntire gründete den American Council of Christian Churches, ebenso wie den International Council.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

387

sie keine, weil sie eine andere Reaktion auf die Moderne befürworteten.10 George Marsden und Joel Carpenter wiederum tendieren dazu, die Pfingstler im Lager der Fundamentalisten zu verorten.11 Die Arbeiten von Grant Wacker und Douglas Jacobsen erhellen diese Debatte, indem sie die Frage umformulieren. Grant Wacker scheint die Frage nach dem Fundamentalismus zu umgehen, obwohl seine Untersuchung den Zeitraum von 1900 bis 1925 umfasst. Statt die Pfingstler als Fundamentalisten zu kategorisieren und sie dadurch anderen Gruppen aus derselben Geschichtsepoche ähnlich zu stellen, erlaubt er es ihnen, für sich selbst zu sprechen. Er führt einige Charakterzüge der Pfingstler an, die oberflächlich betrachtet Ähnlichkeiten mit den Fundamentalisten aufweisen mögen, denen aber letztlich eine andere raison d’Þtre zugrundeliegt.12 So liest sich zum Beispiel sein Kapitel über „Autorität“ wie die Geschichte einer fundamentalistischen Baptistengruppe aus den 1920er Jahre, doch unterscheidet sie sich von dieser im Grundgedanken. Die Fluidität der Bewegung des Geistes und die Betonung des Restaurationismus markieren hier den Unterschied.13 In diesem Sinne ist der Grund dafür, dass die Bibel in einigen frühen pfingstlichen Schulen das einzige Lehrbuch war, nicht in „intellektueller Engstirnigkeit“ oder „kulturellem Parochialismus“ zu suchen (was den meisten Fundamentalisten vorgeworfen werden könnte), sondern vielmehr darin, dass „sie sich schlicht sicher waren, dass es keine weitere Quelle bedeutsamer Informationen gab.“14 Das ist gewiss nicht die Logik eines Fundamentalisten. Ein weiteres Beispiel lässt sich in der Unfehlbarkeit der Schrift finden. Hätten die Pfingstler es für notwendig erachtet, auf den Angriff der Moderne auf die Bibel zu reagieren, dann hätten sie dies höchstwahrscheinlich auch getan. Doch für sie galt die Schrift als Geist-inspiriert und wurde daher schlichtweg in ihrer primären Bedeutung akzeptiert (eine Lesart des „evidenten Sinns“). Während also Fundamentalisten wie auch Pfingstler ähnliche Aussagen über die Schrift artikuliert haben mögen, war die grundlegende Logik ihrer Aussagen ziemlich verschieden.15 Douglas (Jake) Jacobsen hat uns in dieser Angelegenheit zu zusätzlicher Klarheit verholfen. Seine These ist, dass Historiker ebenso wie Theologen die Pfingstbewegung innerhalb eines „Zwei-Parteien-Spektrums“ des nordame10 Dayton, Donald W.: “The Search for the Historical Evangelicalism”, George Marsden’s History of Fuller Seminary as a Case Study. In: Christian Scholar’s Review 23, Nr. 1 (1993), S. 12 – 33. Dieselbe Ausgabe enthält Repliken von Marsden und Carpenter auf Dayton. 11 Carpenter: Revive Us Again, S. 237. 12 Wacker, Grant: Heaven Below: Early Pentecostals and American Culture. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2001. Dies ist meine eigene Zusammenfassung der Vorgehensweise Wackers, sie wurde jedoch in Gesprächen mit Wacker bestätigt. 13 Ebd., S. 71 – 73. 14 Ebd., S. 71. 15 Es ist diese Art der Diskussion, die ich im kürzlich erschienenem Buch von R. G. Robins (ein Schüler Grant Wackers) interessant finde, s. Robins, Roger G.: A. J. Tomlinson: Plainfolk Modernist. Oxford: Oxford University Press, 2004 (Religion in America Series).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

388

Terry L. Cross

rikanischen Protestantismus verorten wollen.16 Die eine Partei stellt das fundamentalistische/konservative Paradigma dar, während die andere das modernistische/liberale Paradigma darstellt. Zu Recht bemerkt Jacobsen, dass die Pfingstler – sollten dies die einzigen Zuordnungsmöglichkeiten sein – selbstverständlich den Fundamentalisten näher stehen als den anderen. Eine derartige Repräsentation der Bewegung, so fährt er fort, verkenne jedoch „sowohl das Genie als auch die Genese der Pfingstbewegung.“17 Er trägt im Weiteren vor, dass es durchaus einige Gründe dafür gibt, Fundamentalismus mit Pfingstbewegung zu verknüpfen – vor allem in Bereichen, in denen die „Modernisten“ die übernatürlichen Aspekte der Schrift angezweifelt haben. Doch die meisten Fundamentalisten haben sich keineswegs mit dem Glauben an das Wundersame angefreundet, wie es die Pfingstler getan hatten; sie schrieben Gottes Anwesenheit und Kraft der Vergangenheit zu.18 Daher sahen viele Fundamentalisten in Pfingstlern Fanatiker, weil letztere Gott in seiner Person zwar als beständig und widerspruchsfrei verstanden, gleichzeitig aber sein Interagieren mit der Welt als für Veränderungen offen betrachteten (die vor allem durch beharrliches Gebet beeinflusst werden können). Pfingstler waren gegenüber dem Hereinbrechen des Geistes in ihren Alltag radikal offen. Die Fundamentalisten wiederum sahen die Welt als ein geschlossenes System und hatten nur wenig Hoffnung, dass dieses von Gott unterbrochen würde. Fundamentalisten glaubten, dass Gott „die Wahrheit“ in der Bibel gegeben hatte und dass man diese Wahrheit deshalb lediglich vor materialistischen und humanistischen Angriffen der Moderne verteidigen müsse.19 Doch ein fundamentalistischer Geist hat die Pfingstbewegung überkommen und droht die Freiheit, die sie im Geist haben, zu ersticken. Es gibt immer noch Spuren einer fundamentalistischen DNS, die pfingstlichen Leitern und ihren Anhängern anhaften. Und obwohl sich diese DNS für einige natürlich anfühlt, ist sie tatsächlich dem fremd, was es bedeutet Pfingstler zu sein. Es ist dieses „Überbleibsel“, das zum Versuch führt, Schwestern und Brüder in Christus zu „bekehren“, die sich von uns unterscheiden, die katholisch, presbyterianisch, baptistisch oder etwas anderes sind. Es ist dieses Überbleibsel, das jeglichen Dialog missbilligt und behauptet, dass man Probleme ja nicht mit den Gliedern des Leibes Christi diskutieren müsse, um zu einem gemeinsamen Verständnis der Wahrheit zu gelangen, sondern dass es vielmehr genüge, kodifizierte Listen von Lehrwahrheiten auswendig zu lernen und sicherzustellen, dass sich jeder daran hält. Der Fundamentalismus raubt unseren pfingstlichen Frauen die Verheißung, dass Gott seinen Geist über sie ausgießen und sie gebrauchen wird; der 16 Jacobsen, Douglas G.: Thinking in the Spirit: Theologies of the Early Pentecostal Movement. Bloomington, IN: Indiana University Press, 2003, S. 205, 402 f. Anm. 1. 17 Ebd., S. 203. 18 S. z. B. Warfield, Benjamin B.: Counterfeit Miracles. Carlisle, PA: Banner of Truth, 1976. 19 Jacobsen: Thinking in the Spirit, S. 357.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

389

Fundamentalismus gründet auf einer engen Sichtweise von Rationalität und „Wort“ und schließt damit das freie Wehen des Geistes aus; der Fundamentalismus sanktioniert unsere traditionelle nordamerikanische Kultur, anstatt wie ein geisterfüllter Prophet gegen sie zu sprechen; der Fundamentalismus stiehlt den Pfingstlern die Freude des geistgeleiteten Dialogs mit anderen Gläubigen. Leiter und Laien sollten die fundamentalistischen Tendenzen innerhalb der Pfingstbewegung als das ansehen, was sie tatsächlich sind – fremde Elemente, die unsere eigene Bewegung einnehmen und diese schließlich töten werden, indem sie ihren pulsierenden Lebenshauch mit der Decke der Intoleranz und enger Rationalität ersticken.20 Im Wesentlichen stülpt der Fundamentalismus den Pfingstlern etwas grundsätzlich Fremdes über und ich meine es ist an der Zeit diesen Tumor zu entfernen. Was also hat das mit unserer heutigen Frage zu tun? Ich möchte behaupten, dass obgleich Pfingstler anfangs wie Fundamentalisten gesehen wurden und sich einigen ihrer Attacken auf das liberale Christentum und der Moderne angeschlossen haben, sie dennoch keine Fundamentalisten waren. Dies ist für unsere Frage insofern wichtig, als die historische Genese der evangelikalen Bewegung unmittelbar im Fundamentalismus liegt. Während die Pfingstler also 1944 der NAE als Gründungsmitglieder beigetreten sind, kamen sie dennoch nicht als ein Teil jener fundamentalistischen Familie an den Tisch, der die meisten anderen Denominationen entstammten. Tatsächlich bestand in der Denomination, der ich angehöre (Gemeinde Gottes, Cleveland, TN), auf Grund ihrer pfingstlichen Anfänge eine dermaßen starke Aversion gegen Glaubensbekenntnisse, dass sie zunächst erst ein Glaubensbekenntnis verfassen musste, um der evangelikalen Bewegung beitreten zu dürfen.21

20 Obwohl ich nicht in katholischen Kreisen zu Hause bin, möchte ich doch hinzufügen, dass ich auch dort einige fundamentalistische Tendenzen beobachtet habe. Die Reaktion auf den Modernismus durch das Erste Vatikanische Konzil (1868 – 70), Papst Pius IX (1846 – 1878), und Papst Pius X (1903 – 1914), bringen einen fundamentalistischen Griff nach Sicherheit angesichts der Moderne zum Vorschein. Dies hält bis in die heutige Zeit an, und das nicht nur unter den Nachfolgern des Schweizer Erzbischofs Marcel Lefebvre. Manche Katholiken leben so, als hätte es das Zweite Vatikanische Konzil nie gegeben – und vielleicht tun dies auch Teile der Hierarchie! 21 1948 wurde schließlich ein „Glaubensbekenntnis“ angenommen. Es bleibt jedoch eine historische Tatsache, dass dieses Glaubensbekenntnis nur deshalb verabschiedet wurde, weil man sich ohne Glaubensbekenntnis der NAE nicht hätte anschließen dürfen. An diesem Beispiel wird deutlich, wie fremd die fundamentalistische DNS großen Teilen der Pfingstbewegung eigentlich war.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

390

Terry L. Cross

Eine Untersuchung der theologischen Methode: Gibt es einen Unterschied zwischen einer pfingstlichen und einer evangelikalen Methodik? Während Pfingstler den Fundamentalisten vielleicht ähnlich sahen, aber keine waren, kann dies nicht in Bezug auf ihr Verhältnis zum Evangelikalismus gesagt werden. Pfingstler schlossen sich der NAE an; sie wollten Teil dieser konservativen Bewegung in Nordamerika sein. Sie waren es leid, Gegenstand von Verfolgung und religiösen Witzen zu sein. Sie hatten einen numerischen Zuwachs in den USA und sehnten sich nach der Anerkennung, die mit sozialem Aufstieg einhergeht. Also schlossen sie sich dem evangelikalen Lager an. Daraufhin wurden einige Veränderungen unter den Pfingstlern sichtbar : Die Anzahl der Frauen im Dienst sank in einem drastischen Ausmaß, und sie ist sehr niedrig geblieben; die Bibelschulen fingen an, ihre Pastoren anhand evangelikaler Lehrbücher auszubilden, während das Material zum Geist im Unterricht mündlich hinzugefügt wurde; und der Klerus wurde professionalisiert, wobei sowohl Klerus wie auch Laien weniger Betonung auf die Geistesgaben als Ausrüstung zum Dienst legten.22 Dieser Abschnitt des Aufsatzes soll erörtern, ob es einen Unterschied zwischen der theologischen Methode der Pfingstler und der Evangelikalen gibt. Zuvor müssen wir jedoch die Frage stellen, ob der Evangelikalismus überhaupt eine Zukunft hat! Was meine ich damit? In kürzlich veröffentlichten Artikeln und Internetblogs häufen sich die Fragen zur Angemessenheit des Evangelikalismus für die Zukunft der Kirche in Nordamerika.23 Als eine 22 Während die Veränderungen in Bezug auf Frauen vielleicht auch ein Resultat ihrer veränderten gesellschaftlichen Rolle in den 1950er Jahren waren, so glaube ich doch nicht, dass dies den enormen Rückgang hinreichend zu erklären vermag. Denn wäre dies lediglich einem sozialen Faktor zuzuschreiben, müsste man angesichts der sich verändernden Frauenrolle in der heutigen Gesellschaft einen Aufwärtstrend in der Frauenbeteiligung erwarten können, der so jedoch nicht eingetreten ist. 23 So etwa ein vor kurzem verfasster Artikel des Schriftstellers und Redners Michael Spencer aus Oneida, Kentucky, s. Spencer, Michael: The Coming Evangelical Collapse. In: Christian Science Monitor (10. 03. 2009), http://www.csmonitor.com/Commentary/Opinion/2009/0310/p09 s01coop.html [abgerufen am 10. 03. 2009] Spencer bezeichnete sich selbst als „postevangelikaler Reformations-Christ auf der Suche nach einer Jesus-förmigen Spiritualität“, s. ebd. Der Essay, der die Beiträge einer Reihe seines Blogs InternetMonk.com zusammenfasst, beginnt mit folgendem Kommentar : „Wir befinden uns auf der Schwelle eines – binnen 10 Jahren eintreffenden – Zusammenbruchs des evangelikalen Christentums. Dieser Zusammenbruch wird dem Niedergang der etablierten protestantischen Welt folgen und er wird das religiöse und kulturelle Milieu im Westen verändern. Binnen zwei Generationen wird der Evangelikalismus ein von der Hälfte seiner Bewohner verlassenes Haus sein. (Zwischen 25 und 35 Prozent der Amerikaner sind heutzutage evangelikale Christen.) Im ,protestantischen‘ 20. Jahrhundert florierten die evangelikalen Christen. Aber sie werden sehr bald in einem säkularen und feindlich gesinnten 21. Jahrhundert leben. Dieser Zusammenbruch wird die Ankunft eines antichristlichen Kapitels des post-christlichen Westens ankündigen. Intoleranz gegenüber dem Christentum wird auf ein

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

391

lose verbundene Gemeinschaft relativ konservativer Gemeinden ist die evangelikale Bewegung in den USA immer mehr zerstreut worden und hat an Relevanz verloren. Jüngste Skandale um einige NAE-Leiter, die Schlagzeilen gemacht haben, ebenso wie die Tatsache, dass sich viele Evangelikale den Stars der konservativen politischen Rechten angeschlossen haben, haben die einst vereinte Kraft in Splitterparteien aufgeteilt. Wenn die alte Metapher für die evangelikale Bewegung diese als eine hübsche Ansiedlung vieler kleiner Zelte unter einem großen Zeltdach beschrieb, dann kommt der momentane Zustand eher der Unordnung vieler kleiner Zelte unter einem großen zerrissenen und zwecklos gewordenen Überdach gleich. Möchte man die Metapher weiterführen, dann steht das evangelikale Überdach außerhalb der Stadt auf einem großen Feld, weitab der Realität des täglichen Lebens der gegenwärtigen spätmodernen, postmodernen und postchristlichen Ära. Der Evangelikalismus befindet in einer Krise, das steht außer Zweifel.24 Sind die Pfingstler nun Teil dieser Bewegung? Ja. Sind Pfingstler mit Evangelikalen identisch? Nein! Meine eigene Universität (Lee University) wirbt für sich als eine „evangelikale, pfingstliche“ Ausbildungsstätte. Wir haben viele interessante Diskussionen darüber, was das nun bedeutet. Nur wenige Meter von Lee entfernt behaupten die Leute des Theologischen Seminars der Gemeinde Gottes, dass Pfingstler keineswegs Evangelikale sind. In der Tat nötigen sie uns, einen neuen theologischen Ansatz vorzulegen, der eher im Einklang mit unserer pfingstlichen Erfahrung und unserem pfingstAusmaß ansteigen, das viele von uns in unserer Lebenszeit unvorstellbar gehalten hätten, und die öffentliche Politik wird gegenüber dem evangelikalem Christentum feindlich sein, da sie das Christentum als Gegenspieler des Allgemeinwohls betrachten wird.“ 24 Wer sind denn heute die Evangelikalen genau betrachtet? Vor vierzig Jahren hätte solch eine Frage nur einer einfachen Antwort bedurft, aber nun ist das anders. Während sich die Evangelikalen den Grundlehren der christlichen Orthodoxie verschrieben haben, so sind sie auch (angeblich) offen, die Welt in einen Dialog mit einzubeziehen. Die meisten Evangelikalen betonen eine persönliche Beziehung zu Christus, die sich in pietistischer Anbetung und einem pietistischen Lebensstil ausdrückt. Jedoch hat der Ausdruck „evangelikal“, wie Donald Dayton feststellte, schon seit über 15 Jahren eigentlich ausgedient. Dieser Ausdruck garantiert keinerlei akademische Präzision. Die Fülle der parakirchlichen Einrichtungen, die durch die evangelikale Bewegung entstanden sind, hilft ebenfalls nicht bei der Identifizierung der zentralen Merkmale der Bewegung. Dayton sagt: „Ich sehe mich nicht in der Lage anhand einer allgemeinen Sammelbezeichnung ,evangelikal‘ das Spektrum der Bewegungen zu beschreiben, die in diesem Band abgedeckt sind. Darum werde ich dieses Wort so weit wie möglich vermeiden.“ S. Dayton, Donald W.: Some Doubts About the Usefulness of the Category “Evangelical”. In: Ders.: Variety of American Evangelicalism. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1993, S. 245 – 251, hier S. 251. Der andere Herausgeber dieses Bandes, Robert K. Johnston, stimmt nicht mit Dayton überein und meint, dieser Ausdruck sei nach wie vor sinnvoll. Ich tendiere dazu, den Ausdruck dort als brauchbar anzusehen, wo er eine Form konservativen, pietistischen Christentums Nordamerikas beschreibt, aber ich meine nicht, dass es eine klare theologische Kategorie ist, die das gesamte kirchliche Spektrum miteinbezieht. Weiterhin behaupte ich, dass das evangelikale Überdach tatsächlich zerrissen ist und es scheint, als könne es nicht mehr repariert werden, da der Wille unter den übrig gebliebenen Mitgliedern fehlt, diese schwere und kostspielige Aufgabe in die Hand zu nehmen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

392

Terry L. Cross

lichen Leben steht.25 In meinen eigenen Publikationen habe ich mit Vehemenz die These vertreten, dass eine pfingstliche Theologie notwendig ist, die aber wiederum nicht so evangelikal sein kann, dass sie sich kaum von dem unterscheidet, was Carl Henry oder Millard Erickson schreiben würden! Pfingstlich zu sein sollte einen Unterschied in der Weise bewirken, wie wir über Gott und die Dinge Gottes schreiben. Doch bedeutet dies, dass „wir“ nicht mehr evangelikal sind? Impliziert dies ein Entweder-oder? Ein Sowohlals-auch? Oder keines von beiden? Die gemeinsamen theologischen Themen zwischen Evangelikalen und Pfingstlern sollten offensichtlich sein: Beide halten an der Form des christlichen Glaubens fest, die dem Protestantismus entspringt. Viele Pfingstler führen ihre Wurzeln auf die radikalen Reformatoren zurück, vor allem die Täufer und Pietisten, aber sie kommen auch aus dem Herzen der Reformation – von Luther und Calvin und sogar von Zwingli und Bullinger her. Unser Verständnis von Soteriologie – obgleich dies bei Evangelikalen sehr auseinander geht – stammt aus dem protestantischen Verständnis der Rechtfertigung allein aus Gnade. Unser Schriftverständnis – obgleich unterschiedlich schattiert – geht ebenfalls auf die Reformationszeit zurück. Demnach müsste die Frage „Sind Pfingstler evangelikale Christen?“ wohl mit „ja“ beantwortet werden. Aber sind Pfingstler dasselbe wie Evangelikale? Gehen Pfingstler die Aufgabe der Theologie auf die gleiche Weise an wie Evangelikale? Darauf würde ich dezidiertes „nein“ zur Antwort geben – vor allem wenn jemand Evangelikale im Sinne des reformierten cessationistischen Lagers definiert. Wenn ich die Sachlage anhand des deutschen Kontexts und der deutschen Sprache erhellen darf, möchte ich sagen, dass theologisch betrachtet die Pfingstler in den USA eher evangelisch als evangelikal sind! Im Folgenden soll dies etwas genauer betrachtet werden, indem das Wesen der theologischen Methode in der systematischen Theologie untersucht wird. Grundsätzlich ist Theologie eine Reflexion zweiter Ordnung über die pri25 Thomas, John C.: Pentecostal Theology in the Twenty-First Century : Presidential Address to the Society for Pentecostal Studies. In: Pneuma 20, Nr. 1 (1998), S. 3 – 19, hier S. 18. Thomas schlägt vor, eine pfingstliche systematische Theologie um das fünffältige (oder vierfältige) Evangelium zu entfalten: Jesus der Erlöser, der Heiliger, der Geisttäufer, der Heiler und der bald wiederkehrende König. Er fährt dann mit der folgenden eher kühnen Aussage fort: „Ich bin davon überzeugt, dass eine pfingstliche Theologie, wenn sie von Grund auf geschrieben wird, um diese Kernsätze pfingstlichen Glaubens und pfingstlicher Lehre herum strukturiert sein wird.“ (Ebd.) Sicherlich sind Vorschläge, die aus benachbarten theologischen Disziplinen an die Systematische Theologie als Fach herangetragen werden, wie es hier bei dem Neutestamentler Thomas der Fall ist, in Betracht zu nehmen. Das Potenzial des fünffältigen Evangeliums ist meines Erachtens jedoch hinsichtlich einer pfingstlich-theologischen Methode der Zukunft begrenzt. Denn obgleich eine solche Methode aus der Binnenperspektive unserer Bewegung entwickelt werden muss, glaube ich nicht, dass es genug Einstimmigkeit in diesen Punkten gibt, um sie als zentralen Ausgangspunkt zu nehmen. Sie mögen unter Umständen einen Katechismus bieten, nicht aber einen gesamten systematisch-theologischen Entwurf. Aus meiner Sicht ist ein breiterer und dynamischer Rahmen zu bevorzugen, nämlich die Trinität.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

393

märe Sprache Gottes in der Offenbarung.26 Die Erzählung der Schrift bietet uns eine Originalquelle über die wir nachsinnen, wenn wir unsere Dogmen entwickeln. Doch Theologie ist keine bloße Wiedergabe der biblischen Erzählung. Theologie ist auch keine Wiedergabe einer Sammlung von propositionalen Wahrheiten in einer Sprache, die ihrer jeweiligen Zeit angemessener ist. Theologie ist eine kritische Befragung und Reflexion der „primären Wahrheit der Erzählung“, die nicht mit der Schrift gleichgesetzt wird, aber von der Sprache der Schrift geformt ist.27 „Die Theologie existiert, um der Erzählung zu dienen, und nicht umgekehrt.“28 Die Aufgabe der Theologie in der Interpretation der Erzählung liegt darin, in der Gemeinschaft der Zuhörer eine Antwort auf die Geschichte Gottes zu bewirken. Theologie findet nicht in einem Vakuum statt, sondern vielmehr in einer lebensempfangenden und lebensspendenden Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern im Reich Gottes. Um eine zusammenhängende Betrachtung der Erzählung zu ermöglichen und der Welt eine angemessene Antwort bieten zu können, bezieht die Theologie ihre Sprache, Konzeptionen und Tiefengrammatik aus der Erzählung des Gott-mit-uns-Ereignisses und aus den kirchengeschichtlichen Traditionen. Die Erzählung wiederzugeben, ohne ihre Bedeutung für den gegenwärtigen Kontext herauszustellen, ähnelt dem in manchen Kirchen vorherrschenden Glauben, dass es für eine Predigt schon genüge, ständig auswendig gelernte Schriftpassagen zu zitieren. Tatsächlich haben Predigt und Theologie hierin etwas gemein: sie sind beide ein Nachsinnen, das an die Lektüre der primären Erzählung der Schrift gebunden ist. An dieser Stelle ist hinzuzufügen, dass Theologie über den Gott nachdenkt, den wir in der Begegnung mit dem Heiligen Geist erfahren. Der Heilige Geist re-präsentiert das ursprüngliche Ereignis der Offenbarung Jesu Christi, indem er die Gute Nachricht in unseren Herzen lebendig macht und uns die Möglichkeit vergegenwärtigt, uns für oder gegen die daraus für die Ewigkeit resultierenden Implikationen zu entscheiden. Wenn wir die Botschaft des Evangeliums hören – die Wahrheit, dass Jesus für mich gelebt hat, gestorben ist, begraben wurde und von den Toten wieder auferstanden ist – dann begegnet uns der Heilige Geist in einer Re-präsentation [sprich: erneuten Vergegenwärtigung] dieses ursprünglichen Ereignisses der Offenbarung. Diese persönliche Begegnung mit Gott macht die Geschichte des Evangeliums lebendig und belebt gewiss unsere Seelen, und durch diese Begegnung mit dem Geist erfahren wir eine Transformation. Theologie entspringt demnach dem Lesen der Sprache und Offenbarung der Schrift, denkt aber auch über den Gott nach, den wir in der Gegenwart 26 Grenz, Stanley J.: Revisioning Evangelical Theology : A Fresh Agenda for the 21st Century. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1993, S. 78. Vgl. Pinnock, Clark H.: Tracking the Maze: Finding Our Way Through Modern Theology from an Evangelical Perspective. San Francisco: Harper & Row, 1990, S. 182. 27 Pinnock: Tracking the Maze, S. 182. 28 Ebd.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

394

Terry L. Cross

erfahren. Dies heißt (anders als bei J. Rodman Williams) nicht, dass wir die Theologie an unsere Erfahrungen anpassen sollten.29 Es geht vielmehr darum zu erkennen, dass Gott zwar der Gegenstand unserer theologischen Konstrukte ist, aber – und das ist wichtiger – dass dieser Gott ein Gott ist, der uns begegnet, uns transformiert und uns erneuert. Daher wird das, was wir über Gott zu sagen haben, von dem Gott, den wir erfahren, geprägt sein. Wenn wir lediglich eine Theologie unserer Erfahrungen schreiben, tappen wir in die Falle Schleiermachers und Feuerbachs und treiben anthropozentrische Theologie. Eine Theologie über den Gott zu schreiben, der uns begegnet, ignoriert zwar nicht die menschliche Teilnahme am Göttlichen, setzt aber ihren Fokus qua Gegenstand unserer Betrachtungen auf das Göttliche (eine deutlicher theozentrische Theologie). Ein bloßes Schreiben über Erfahrungen, die jeglichen Inhalts entbehren, verfehlt das, worum es in der Offenbarung Gottes in Jesus Christus geht.30 Vergangene Entwicklungen in der Methodik der systematischen Theologie mögen sicher Anlass zu geringschätzigen Urteilen geben. Vor allem für Evangelikale bedeutete systematische Theologie oftmals eine Theologie „von oben“, verstanden im Sinne einer Theologie, die das präzise Wesen der Lehrwahrheiten für die Kirche aus propositionalen Aussagen der Schrift deduktiv ableitet. So aufgefasst stellt Theologie eine Taxierung der Offenbarung mittels Wahrheiten dar, die aus der Höhe herabgereicht wurden. Somit wird systematische Theologie zu einem Arrangieren von Lehrsätzen in ein System, das die Lehre aus der Höhe am besten reflektiert. Das Ziel dieser Theologie bestand darin, zu dem perfekten, umfassenden System zu gelangen. Die auf die Reformatoren folgenden protestantischen Scholastiker schienen vor allem daran interessiert zu sein, ein rationales Theologiesystem zu konstruieren. Diese Gruppe hatte den größten Einfluss auf die evangelikale Theologie. Das klassische Beispiel einer solchen Systembildung findet sich in den Schriften von FranÅois Turrettini, dessen Institutio theologiae elencticae (1679 – 1685) die Matrix für scholastisches Denken im 17. und 18. Jahrhundert darstellte und darüber hinaus sogar bis in die Princeton Schule des 19. Jahrhunderts und die daraus resultierende Theologie der Evangelikalen im 20. Jahrhundert hinein wirkte.31 Das System Turretinis beherrschte einen Großteil der amerikanischen theologischen Ausbildung souverän. Sein System wurde das „Konkordanzmodell“ der systematischen Theologie genannt, welches von einem „Verlangen, eine theologische Orthodoxie, ein System der ,rechten 29 Williams, J. Rodman: The Era of the Spirit. Plainfield, NJ: Logos International, 1971, S. 55. 30 Diese Frage habe ich kürzlich an anderer Stelle behandelt, s. Cross, Terry L.: The Divine-Human Encounter Towards a Pentecostal Theology of Experience. In: Pneuma 31, Nr. 1 (2009), S. 3 – 34. 31 Der Einfluss Turretinis wurde vielerorts bestätigt, s. Klauber, Martin I.: Francis Turretin on Biblical Accommodation: Loyal Calvinist or Reformed Scholastic? In: Westminster Theological Journal 55, Nr. 1 (1993), S. 73 – 86, hier S. 74 – 75; Warfield, Benjamin B.: The Idea of Systematic Theology. In: Davis, John Jefferson (Hg.): The Necessity of Systematic Theology. 2. Aufl. Grand Rapids, MI: Baker Book House, 1978, S. 127 – 167, hier S. 127 – 167.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

395

Lehre‘, zu etablieren“ angetrieben wurde.32 Von B. B. Warfield bis hin zu Millard Erickson ist die systematische Theologie dieser Vorgabe gefolgt, indem sie propositionale Wahrheiten postuliert hat, die in der Schrift als Lehren aus der Höhe (und von oben herab) geoffenbart sein sollen und ein quasi geschlossenes System darstellen, das nur sehr wenig Raum für das Geheimnis lässt. Der stärkste Verfechter dieses Systems war Carl F. H. Henry, dessen Propositionalismus ein beispielloses Niveau unter den evangelikalen Systematikern erreichte. Unter seiner Feder wurde die Glaubenslehre zu einer rationalen Darlegung des Glaubens aus den propositionalen Sätzen der Schrift selbst. Die Wahrheit war in der Bibel unmissverständlich aufspürbar und wurde daher ohne weiteres in ein Schema übertragen, das die gesamten biblischen Aussagen systematisierte. Laut Henry ist die Offenbarung Gottes restlos in der Schrift zum Ausdruck gebracht.33 Er erklärt: Offenbarung ist in der Bibel grundsätzlich ein kognitives Konzept: Gottes Enthüllung ist vernünftige und intelligible Kommunikation. Dem Denken und Willen Gottes entspringend, adressiert die Offenbarung Gottes das Denken und den Willen des Menschen. Als solche umfasst sie hauptsächlich eine Bewusstseinsaktivität, welche die Gedanken erhellt und sich auf die Überzeugungen und Handlungen der Empfänger auswirkt.34

Es scheint, als sei für Henry die zum Empfang der Offenbarung einzig nötige Voraussetzung die kognitive Erkenntnis, die dann wiederum den Willen verändern würde. Dies ist eine Sichtweise, die das Ereignis der Schrift jeglicher Personalität und Subjekthaftigkeit entledigt. Sie ist steril und rationalistisch. Das Ergebnis ist, dass Theologien, die sich aus dieser Sichtweise heraus entwickeln, ebenso steril wirken.35 32 Die „Konkordanz“-Bezeichnung stammt aus Grenz: Revisioning Evangelical Theology, S. 70. Das Zitat ist von Muller, Richard A.: Scholasticism Protestant and Catholic: Francis Turretin on the Object and Principles of Theology. In: Church History 55, Nr. 2 (1986), S. 193 – 205: Muller sieht in Turretinis Arbeit den Versuch die unsystematisierten Themen der Reformation (vor allem Calvins) zu „retten“, indem sie in einer „vollkommen systematisierten und gelehrten Form“ neu formuliert werden (ebd., S. 205). 33 S. z. B. Henrys mehrbändige Abhandlung, die zwar kein systematischer Entwurf ist, aber dennoch Aufschluss darüber gibt, welche Art von Theologie für ihn notwendig gewesen wäre, um einen systematischen Entwurf zu schreiben, namentlich eine Theologie der Offenbarung, s. Henry, Carl F. H.: God, Revelation and Authority : God Who Speaks and Shows, Bd. 1. Waco, TX: Word Books, 1976. 34 Henry, Carl F. H.: God, Revelation and Authority: God Who Speaks and Shows: Fifteen Theses, Part Two, Bd. 3. Waco, TX: Word Books, 1979, S. 248. 35 Vgl. die grundlegende Arbeit von. Lints, Richard: The Fabric of Theology: A Prolegomenon to Evangelical Theology. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1993. Lints bietet einige exzellente „Entwicklungslinien“ für die Zukunft der evangelikalen Theologie an und beachtet dabei auch sehr sorgfältig die tiefgehende schwierige methodische Aufgabe der Theologie, am Ende läuft er aber gegen die gleiche Wand wie Henry : Offenbarung ist das integrative Element der systematischen Theologie und sie existiert nicht in der Form einer Person, sondern nur im „Gedruckten“ der Schriftaussagen. Pfingstler begrenzen den Fokus der Offenbarung und der Theologie nicht bloß

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

396

Terry L. Cross

Im Gegensatz zu dieser Sterilität versucht die Pfingstbewegung eine systematische Theologie zu entwickeln, die sich an die Offenbarung Gottes in der Person Jesu Christi ebenso wie an die Schrift gebunden weiß. In Anbetracht des Rufs der Kirche nach einer Theologie, die stärker aus dem Herzen als aus dem Kopf kommt und mehr mit Leben und Dienst in der Kirche verbunden ist, weist Alister McGrath die pfingstliche theologische Methode in eine sehr gute Richtung: Diesen beiden Anliegen könnte nachgekommen werden, indem die Annahmen bezüglich des Wesens und der Aufgabe der systematischen Theologie hinterfragt werden. Es lässt sich argumentieren, dass hinter diesem Anliegen ein falsches und fehlerhaftes Verständnis vom Wesen der Theologie liegt, dem man gerecht werden kann, wenn neu entdeckt wird, worum es in der Theologie geht, anstatt sie vom Bereich der Spiritualität auszuschließen.36

auf den „gedruckten Text“ der Schrift, weil der Geist die Bedeutung, die hinter dem Text steht, offenbart und uns in einer göttlich-menschlichen Begegnung als „Person“ trifft. Hierzu finde ich die Arbeit von James K. A. Smith außerordentlich hilfreich. Unter Gebrauch des Bilds „das Volk des Buches“, betont er, dass die frühen Christen nicht wie Sklaven an den Text gefesselt waren, sondern an die Botschaft des Textes, die ihnen durch den Geist gegeben wurde. Daher lautet seine These, dass die Pfingstler nach diesem christlichen Modell als Volk des Buches beschrieben werden könnten, nicht aber nach dem jüdischen Modell, s. Smith, James K. A.: The Closing of the Book: Pentecostals, Evangelicals, and the Sacred Writings. In: Journal of Pentecostal Theology 5, Nr. 11 (1997), S. 49 – 71. Zudem haben etliche Theologen, im Hinblick auf die evangelikale systematische Theologie, in den letzten Jahren begonnen, das Wort „systematisch“ als Bezeichnung für einen etwas weiter gefassten Zugang zu verwenden, als man es zuvor tat. Von Clark Pinnock stammt der Vorschlag, dass theologische Reflexion, sei es nun systematische Theologie oder eine andere Disziplin, von der Erzählung der Offenbarung ausgehen sollte, s. Pinnock: Tracking the Maze, S. 186. Daniel Migliore hat die systematische Theologie als eine „lehrbildende oder konstruktive Theologie“ beschrieben, damit spricht er dem Aspekt des übergreifenden Systems die Eigenschaft ab, Hauptbestandteil der systematischen Theologie zu sein, und legt stattdessen die Betonung auf das Konstruktive, s. Migliore, Daniel L.: Faith Seeking Understanding: An Introduction to Christian Theology. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1991, S. 9. Robert King hat vorgeschlagen, die systematische Theologie als eine „gezielte Anordnung von Ideen” zu verstehen, s. King, Robert H.: The Task of Systematic Theology. In: Ders.: Christian Theology. Philadelphia, PA: Fortress Press, 1982, S. 1 – 34, hier S. 1. Von einer relativ neuen Zeitschrift für systematische Theologie heißt es, ihr Anliegen sei „das konstruktive Artikulieren der Bedeutung, der Kohärenz und der Implikationen der christlichen Ansprüche.“ (Diese Beschreibung stammt von Blackwell Publishers in Bezug auf das International Journal of Systematic Theology. Seit ihrer Ersterscheinung in 1999 ist diese Zeitschrift dieser Beschreibung treu geblieben). Alle diese Trends zeigen offenbar die Richtung an, welche die systematische Theologie in Zukunft einschlagen wird und dies passt sehr gut zu den Pfingstlern. Diese neueren Beschreibungen scheinen die Anliegen der Postmoderne aufzunehmen, und zugleich den Rationalismus der protestantischen Scholastik zu vermeiden. Bereits aus diesen Gründen, scheint ein solcher Zugang der Disziplin zum Vorteil zu gereichen, zumal damit sämtliche Altlasten bei einer Richtungsänderung getilgt würden. 36 McGrath, Alister E.: Evangelical Theological Method: The State of the Art. In: Ders.: Evangelical Futures. Grand Rapids, MI: Baker Books, 2000, S. 15 – 37, hier S. 22.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

397

Allerdings gibt es immer noch treue Anhänger der alten Art des Evangelikalismus, der stärker seine fundamentalistische DNS als seinen zukünftigen Kurs reflektiert. Millard Erickson prangert beispielsweise an den Versuchen einiger postkonservativer Evangelikalen an, dass sie über das geschriebene Wort hinaus gehen oder dieses bei ihrer theologischen Reflexion hinter sich lassen würden. In der Übernahme des sog. Wesleyanischen Quadrilaterals (Schrift, Tradition, Erfahrung und Vernunft) in der Theologie sieht Erickson eine Verwässerung der Hauptnorm der Theologie, nämlich der Schrift.37 Im theologischen Diskurs dürfe einzig und allein die Bibel als richtungsweisend und normativ gelten. Erickson bezeichnet Theologen, die das Gebiet der Propositionen verlassen, als „evangelikale Linke“ und fragt sich, ob sie überhaupt evangelikal genannt werden dürfen.38 Diese Form des Evangelikalismus, wie sie Erickson vertritt, hat Clark Pinnock wiederholt als „paläo-reformierten“ Evangelikalismus bezeichnet. Seine Befürworter scheinen im 17. Jahrhundert stecken geblieben zu sein. Meist handelt es sich um Cessationisten, die nicht an das authentische Wirken des Heiligen Geistes und dessen Gaben in der heutigen Gemeinde glauben. Leider war dies der Ansatz, welcher die theologische Seite des Evangelikalismus dominiert hat. Die Tatsache, dass die Bewegung so dezentralisiert und so divers werden konnte, führt zur Frage, ob es in zwanzig Jahren überhaupt noch eine Bewegung geben wird, die man als evangelikal bezeichnen kann. Doch es gibt viele Evangelikale, die nicht Cessationisten sind (einige Wesleyaner und Anhänger der sogenannten „Dritten Welle“). Es gibt auch viele evangelikale Theologen, die das Anliegen der Postmoderne vorantreiben und die apologetische Plattform betreten, um sich den von Ungläubigen vorgebrachten Fragen zu stellen. Diese „linke“ oder „postkonservative“ Evangelikale (etwa Clark Pinnock, Stanley Grenz, Miroslav Volf, um nur einige zu nennen) „versuchen, evangelikale Positionen im Lichte der postmodernen Kritik am Aufklärungsfundamentalismus und -objektivismus zu überdenken“. In diesem evangelikalen Lager werden Pfingstler angenehme und stimulierende Weggefährten auf dem Weg der Theologie finden. Tatsächlich ist dieses Lager der einzige Ort, an dem Evangelikale überhaupt etwas produzieren, das erfrischend und provokativ genug ist, um mit Theologen außerhalb der eigenen kleinen Zirkel ins Gespräch zu kommen. Jene Evangelikale, „die in der Synthese des 17. Jahrhunderts erstarrt sind“, werden zunehmend erkennen, dass sie das gleiche Schicksal der Fundamentalisten teilen, aus denen sie

37 Erickson, Millard J.: The Evangelical Left: Encountering Postconservative Evangelical Theology. Grand Rapids, MI: Baker Books, 1994, S. 47 f. 38 Erickson, Millard J: Where Is Theology Going? Issues and Perspectives on the Future of Theology. Grand Rapids, MI: Baker Books, 1994, S. 96 f.; Dorrien, Gary J.: The Remaking of Evangelical Theology. Louisville, KY: Westminster, John Knox Press, 1998, S. 194. Es ist bemerkenswert, dass die lange Liste der „progressiven Evangelikalen“, die Dorrien aufstellt, u. a. einen Pfingsttheologen einschließt: Steven Land!

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

398

Terry L. Cross

einst hervorgegangen sind. Mit der folgenden Aussage formuliert Daniel Alvarez eine sehr treffende Kritik zu Mark Noll und David Wells: Leider scheinen sich die Autoren schon entschieden zu haben, dass der protestantisch scholastische Konsens des 17. Jahrhunderts, der dann auch die Theologen festlegt, mit denen die Autoren sympathisieren, auch für andere Christen normativ ist und dass alles, was von diesem Konsens abweicht, a priori falsch oder irrelevant für christliche Reflexion ist.39

Das Ergebnis der theologischen Aufgabe ist in einem solchen Ansatz bereits festgelegt. Pfingstliche Theologie kann ihre Ressourcen aber nicht aus dieser Art des theologischen Arbeitens schöpfen. Eine Theologie, die vom Geist erfrischt wird, würde sich niemals in eine Kellerbibliothek des 17. Jahrhunderts einsperren lassen. Deshalb ist es außerordentlich befremdlich festzustellen, dass die theologische Ausbildung vieler Pfingstler gewöhnlich im Kontext eines evangelikalen Lehrbuches stattgefunden hat, an das der Lehrende mündliche Kommentare zum Geist dann irgendwo „anheftete“. Es ist Zeit, eine eigenständige pfingstliche systematische Theologie zu entwickeln, die aus dem Wind des Geistes und aus unserer Erfahrung Gottes ebenso wie aus dem geschriebenen Wort geboren ist; eine Theologie, die Glauben und Vernunft, Herz und Kopf integriert. Eine pfingstliche systematische Theologie kann keine evangelikale Theologie sein, welche die Geistesgaben irgendwo am Ende anfügt. Während Pfingstler viele theologische Grundsätze mit anderen Christen teilen mögen, so haben wir Gott dennoch in einer Art und Weise erfahren, die andere so nicht bekennen. Anstatt also Theologie als eine Beschreibung unserer Unterschiede zu sehen, müssen wir begreifen, was für einen allumfassenden Unterschied unsere Erfahrung Gottes in allen Bereichen unseres Lebens – und besonders den theologischen – ausmacht. Für Pfingstler wird der Anfang und das Ende der theologischen Reflexion von der Erfahrung Gottes durch seinen Geist bestimmt. Das kann (und, wie ich glaube, muss) unsere loci communes (gemeinsame Positionen) und unsere theologische Methode radikal verändern. Wir mögen vielleicht evangelikal sein, weil wir an Wahrheiten, die uns über Generationen hinweg übertragen wurden, festhalten, aber wir sind nicht einfach bloß Evangelikale, die in Zungen sprechen! Wir sind Menschen, die vom Geist überströmt worden sind, wir wurden wie Saulus von unseren Pferden geworfen (Apg 9); deshalb können wir weder denken noch leben – und auch nicht so schreiben – als ob diese Erfahrung mit dem lebendigen Gott nur peripher wäre.40 39 In der Tat ist auch die folgende Einschätzung von Daniel Alvarez korrekt: diese offiziellen Positionen der Evangelikalen scheinen gut durchdacht zu sein, schaut man jedoch genauer hin weisen diese Positionen eine „viel größere Nähe zur fundamentalistischen Agenda [auf], als sie selbst zuzugeben bereit wären“, s. Alvarez, Daniel R.: On the Possibility of an Evangelical Theology. In: Theology Today 55, Nr. 2 (1998), S. 175 – 194, hier S. 185. 40 Cross, Terry L.: The Rich Feast of Theology : Can Pentecostals Bring the Main Course or Only

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

399

Wie könnte also eine theologische Methode in einer solchen Art systematischer Theologie für Pfingstler aussehen? Ich möchte zunächst eine kleine Skizze eines solchen Vorhabens ausbreiten, bevor ich im letzten Abschnitt die Fundamente einer pfingstlichen Ekklesiologie lege. Zunächst ist einer pfingstlichen systematischen Theologie am besten gedient, wenn eine robuste trinitarische Theologie das integrale Prinzip unserer Reflexionen darstellt. Warum ist dieser Ansatz vorzuziehen? Wenn Pfingstler beginnen, ihre eigene Theologie von „Grund auf“ zu schreiben und ihre ausgeliehenen evangelikalen Lehrbücher hinter sich lassen, dann müssen sie, so glaube ich, mit der essentiellen Erfahrung der direkten Begegnung mit dem Geist in unseren Leben beginnen. Warum ist dann aber „trinitarisch“ gegenüber „pneumatologisch“ vorzuziehen? Pfingstler behalten diese Begegnung mit dem Geist nicht nur denjenigen vor, die „geistgetauft sind“, da eine direkte Begegnung mit dem Geist aus ihrer Sicht bereits für die Erlösung notwendig ist. Demnach besteht diese wesentliche allgemeine Erfahrung eines jeden Gläubigen darin, dass wir dem Gott der Schrift begegnet sind und nun vor der Entscheidung stehen, ob wir ihm folgen oder nicht. Wenn wir uns zur Nachfolge Jesu entschließen, werden wir unmittelbar in ein besseres Gottesverständnis geführt. Der Gott der irdischen Erfahrung Jesu war wesenhaft dreieinig. Jesus spricht mit dem Vater und tut nichts, was er nicht den Vater tun sieht (Joh 5). Jesus wird einen Tröster senden – den Geist, der sein Platz unter uns einnehmen wird (Joh 14 – 16). Man kann Jesus nicht alleine antreffen – weder in der Schrift noch in der Erfahrung der Gegenwart. Der Geist ist gegenwärtig als der, der uns für Christus umwirbt und unserer Sünden überführt. Der Vater ist gegenwärtig als Fokus der Herrlichkeit und Aufmerksamkeit Jesu, ebenso wie der unseren. Jesus betet darum, dass wir eins seien, so wie er und der Vater eins sind. Wie können wir das lesen, ohne eine komplexe, nuancierte Beziehung zwischen Vater, Sohn und Geist zu erkennen? In der Tat ist dies nicht nur was wir lesen, sondern es ist auch das, was wir in unserer direkten Begegnung mit dem dreieinigen Gott erfahren. Deshalb bildet der trinitarische Ansatz einen perfekten Rahmen für unsere theologische Reflexion. Alle Aspekte des Lebens im Geist – die Erlösung, Heiligung, Geisttaufe, Heilung, die Erfahrung des kommenden Zeitalters in diesem gegenwärtigen Zeitalter – das alles kann durch das Prisma des trinitarischen Gottes „gelesen“ werden. Das Wesen Gottes (trinitarisch, gemeinschaftlich, relational) wird zum Paradigma für die theologische Reflexion the Relish? In: Journal of Pentecostal Theology 8, Nr. 16 (2000), S. 27 – 47, hier S. 33 f., vgl. Cross, Terry L.: A Proposal To Break the Ice: What Can Pentecostal Theology Offer Evangelical Theology? In: Journal of Pentecostal Theology 10, Nr. 2 (2002), S. 44 – 73. Während ich dort herausgearbeitet habe, dass eine Theologie des „dritten Artikels“ unseres Bekenntnisses vielleicht einen hilfreichen Ausgangspunkt darstellen könnte, liegt mein Schwerpunkt in den letzten Jahren auf einer gesamttrinitarischen Theologie, die mir die adäquateste Methode für Pfingstler zu sein scheint – freilich schließt solch eine trinitarische Theologie für Pfingstler eine robuste Pneumatologie mit ein! Diese Methode führe ich abrissartig in dieser Ausarbeitung vor.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

400

Terry L. Cross

jedes Lehrsatzes. Warum? Weil Pfingstler glauben, dass der Geist, der ihnen direkt begegnet ist und sie (gemäß unseres pietistischen Erbes) transformiert hat, zu Christus führt, welcher wiederum zum Vater führt. Das Wesen des dreieinigen Gottes bildet den Rahmen für die Diskussion über Gott und die Dinge Gottes (das heißt die Theologie selbst). Darum ist dieser Ansatz * umfassender und grundlegender als die fünffältige/vierfältige Lehre . Die Propria der Pfingstler (z. B. Geisttaufe, Zungenrede, Geistesgaben) können in der detaillierten Ausarbeitung dieses Plans deutlich gemacht werden, aber es ist (zumindest mir) wichtiger, dass diese Gaben und Manifestationen nicht der Fokus des theologischen Rahmens werden. Diese Methode ist theozentrisch, sowohl dem Rahmen als auch dem Inhalt nach. Da ein Großteil der pfingstlich-charismatischen theologischen Reflexion (in gewisser Hinsicht sogar die Predigt) die Betonung auf die menschliche Erfahrung Gottes legt, dient eine trinitarische Theologie als Korrektiv dieser anthropozentrischen Theologie. Damit soll das fünffältige Evangelium nicht aufs Abstellgleis gestellt, sondern zum Herzstück der Christologie werden. Das integrative Motiv ist allerdings weiter gefasst und im Hinblick auf das Ganze des biblischen Zeugnisses umfassender. Wenden wir uns nun einem Testfall für diesen Vorschlag einer pfingstlichen Theologie zu – der Entwicklung einer pfingstlichen Ekklesiologie.

Eine Fallstudie in pfingstlicher Theologie: Wie könnte eine pfingstliche Ekklesiologie aussehen? Es sollte ausreichen, ein Beispiel innerhalb dieses theologischen Rahmens zu skizzieren. Pfingstler (und vor allem Evangelikale) sind dafür bekannt, dass ihnen eine Lehre der Kirche fehlt. Warum ist das so? Möglicherweise ist die wichtigste Lehre der Evangelikalen das Bekehrungsereignis, bei dem ein Mensch durch den Geist in Gott wiedergeboren wird. Pfingstler betonen dieses Ereignis in ebenso starker Weise. Eine individuelle (persönliche) Begegnung mit Gott findet statt; man kommt zu einer Entscheidung in Bezug auf Christus. Im Kontext der modernen nordamerikanischen Gesellschaft wird durch eine solche persönliche Entscheidung für Jesus Christus eine starke Betonung auf das individuelle Heil gelegt. Immer wenn eine Gruppe von Christen eine solche individuelle Bekehrung zum Zentrum ihrer Soteriologie macht, besteht die resultierende Schwierigkeit zumeist darin, eine Begründung zu finden, warum man sich als Gemeinde versammeln sollte! In dieser Hinsicht haben Pfingstler * Vgl. Anm. 25. Der Unterschied zwischen dem fünffältigen und vierfältigem Evangelium besteht im Aspekt der Heiligung, der von einigen Pfingstlern mit dem Aspekt der Geisttaufe gleichgesetzt oder aber faktisch subsumiert wird, während andere an ihr als eigenständige Erfahrung auf dem christlichen Heilsweg festhalten.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

401

eine große Gemeinsamkeit mit ihrem evangelikalen Gegenüber und besitzen darum ebenso wie jene auch keine repräsentative Ekklesiologie für eine solche Soteriologie. Die Kirche ist demzufolge kaum mehr als eine Ansammlung von Individuen, die ähnliche geistliche Erfahrungen gemacht haben.41 Dies bedeutet in der Regel, dass die Betonung stärker auf der unsichtbaren oder geistlichen Kirche liegt als auf der sichtbaren oder institutionellen Kirche. Doch wenn sie die Methode der trinitarischen Theologie anwenden, so stellen Pfingstler die Frage: „Wenn wir vom Geist von neuem geboren werden, fügt uns dann nicht auch der gleiche Geist in den Leib Christi ein?“ Das heißt, unsere Erfahrung des Heiligen Geistes ist nicht nur ein individualistisches, mystisches Ereignis; sie ist ein persönliches, geistliches Ereignis das uns transformiert, indem es uns in die unsichtbare Gemeinschaft mit den Gläubigen einführt; und sie ist ein gemeinschaftliches, geistliches Ereignis, das uns vernetzt, indem es uns an die sichtbare Gemeinschaft der irdischen Lokalgemeinden bindet. Ohne das individuelle Erlebnis der Erlösung zu verleugnen, erweitern Pfingstler das Wirken des Geistes über die Wiedergeburt hinaus auf den Auftrag der Einheit der Kinder Gottes. Deshalb beginnt eine pfingstliche Ekklesiologie mit der Kirche als dem Volk der unmittelbaren Gegenwart und Kraft Gottes.42 Sie fragt zunächst nach dem Wesen der Kirche und dann erst nach der Mission der Kirche – obgleich ihr bewusst ist, dass diese beiden Momente nicht getrennt werden können, da wir – ebenso wie der dreieinige Gott – Missionare sind. „Was ist die Kirche? Diese Frage ist das ungelöste Problem des Protestantismus. Seit den Tagen der Reformation bis auf unsere Zeit hat nie Klarheit darüber bestanden, wie sich die Kirche im Glaubenssinn, die Gemeinde Jesu Christi, zu der oder den Institutionen verhalte, die Kirchen heißen.“43 Nach fünfzig Jahren ist Brunners Pointe immer noch gültig. Wie können wir Jesus, den Christus, und die Bewegung, die er begann, mit dem in Beziehung setzen, was zu einer hoch institutionalisierten Form von „Kirche“ geworden ist? Pfingstler, die für ihre Aversion gegen Formen und Riten bekannt sind, haben diese Frage anscheinend 41 In einem Kapitel über evangelikale Sichtweisen zur Kirche umreißt Bruce Hindmarsch die Schwierigkeiten einer evangelikalen Ekklesiologie, s. Hindmarsh, D. Bruce: Is Evangelical Ecclesiology an Oxymoron? In: Regent College Theology Conference, Stackhouse, John G (Hg.): Evangelical Ecclesiology: Reality or Illusion? Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2003, S. 15 – 37. Im selben Sammelband liefert Michael Jinkins einen herausfordernden Artikel, der im „Voluntarismus“ der evangelikalen Bewegung die Ursache für eine schwache Ekklesiologie sieht, s. Jinkins, Michael: The Gift of the Church: Ecclesia Crucis, Peccatrix Maxima, and the Missio Dei. In: Stackhouse, John G. (Hg.): Evangelical Ecclesiology: Reality or Illusion? Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2003, S. 179 – 209. 42 Cross, Terry L.: A Response to Clark Pinnock’s “Church in the Power of the Holy Spirit”. In: Journal of Pentecostal Theology 14, Nr. 2 (2006), S. 175 – 182, hier S. 24. In derselben Ausgabe geht Pinnocks Artikel diesem Beitrag unmittelbar voraus, s. Pinnock, Clark H.: Church in the Power of the Holy Spirit: The Promise of Pentecostal Ecclesiology. In: Journal of Pentecostal Theology 14, Nr. 2 (2006), S. 147 – 165. 43 Brunner, Emil: Das Missverständnis der Kirche. Zu¨ rich: Zwingli Verlag, 1951, S. 7.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

402

Terry L. Cross

vollends ignoriert. Viele Pfingstler betrachten die Kirche als Versammlungsort für unsere Treffen, in denen der Geist auftaucht. Würden die Pfingstler jedoch, wie Clark Pinnock vorschlägt, ihre Kirchenerfahrung theologisch reflektieren, so könnten sie mithelfen „das Problem des Protestantismus“ zu lösen, das in der Reformation selbst nicht gelöst wurde. Was bedeutet Kirche für Pfingstler? Ich meine, die Trinität gibt uns wichtige Erkenntnisse, um eine pfingstliche Ekklesiologie zu konstruieren. Obwohl der Geist eine wichtige Rolle in dieser trinitarischen Ekklesiologie aus pfingstlichen Perspektive einnimmt, ist es meines Erachtens im Hinblick auf die gesamte Kirche der Gegenwart inadäquat, mit dem Geist zu beginnen und mit dem Geist zu enden (was eine eher pneumatologische als trinitarische Ekklesiologie wäre). Pfingstler haben der kirchlichen Welt weit mehr zu bieten als lediglich ein paar „angeheftete“ Ideen über die Geistesgaben. Die Weise, wie die Trinität in unserer Mitte wirkt und wie der dreieinige Gott in unsere Lebenserfahrung eintritt, informiert unseren Glauben bezüglich dessen, was Kirche ist und was sie sein sollte. Wie würde solch eine Ekklesiologie genau aussehen? Hier sind einige Merkmale, die meiner Meinung nach wesentlich für eine trinitarische Ekklesiologie aus pfingstlicher Sicht sind. Zum ersten würde bei der Beantwortung der Frage, „Was ist die Kirche?“ die Betonung auf dem Konzept der Kirche als dem Volk der unmittelbaren Gegenwart und Kraft Gottes liegen.44 Dem Attribut „unmittelbar“ kommt hierbei vielleicht eine Schlüsselfunktion zu. Denn hinsichtlich einer pfingstlichen „Lösung“ des protestantischen Ekklesiologieproblems erscheint es mir bedeutend, dass Pfingstler, im Gegensatz zu fast jeder anderen Gemeinschaft, glauben, dass Gott unmittelbar zu uns kommen kann – das heißt ohne die Vermittlung der Kirche (bzw. darüber hinaus). Fast jede Ekklesiologie, die ich finden konnte, sah die Kirche in einer Schlüsselrolle bei der Vermittlung der Gnade Gottes an die Menschheit. Freilich gehe ich sehr wohl davon aus, dass der Kirche eine sekundäre Rolle in unserer Erlösungserfahrung zukommt – schließlich brauchen wir die Gemeinde, um das Reich Gottes in unserer Welt zu bezeugen, um die Botschaft der transformierenden Kraft des Evangeliums Jesu Christi anzubieten und um schriftliche Formen der Bibel anzufertigen und zu verteilen, damit Ungläubige das Evangelium hören und glauben können. Die Kirche spielt eine bedeutende Rolle in unseren 44 Seit über 15 Jahren schreibe ich an einer pfingstlichen Ekklesiologie. Ich begann gleich nach meiner Promotion, als ich in den pastoralen Dienst katapultiert wurde. Meine Ausbildung und mein Hintergrundwissen zum Thema Ekklesiologie waren sehr bescheiden, aber ich habe festgestellt, wie relevant und zutiefst theologisch dieses Thema sein kann (ich hatte zuvor angenommen, dass die Ekklesiologie zu „praxisorientiert“ sei, musste dieses Vorurteil einer Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis jedoch überwinden). Das Manuskript wird voraussichtlich innerhalb dieses Jahres vollendet sein und bald erscheinen. Darin bearbeite ich diese Themen mit größerer Sorgfalt und im Detail, s. Cross, Terry L.: The Church: A People of God Presence and Power, im Erscheinen, vgl. Volf, Miroslav : After Our Likeness: The Church as the Image of the Trinity. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1998 (Sacra Doctrina), Kap. 1.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

403

Leben; sie jedoch als die Vermittlerin des Geistes an die Menschen zu bezeichnen, oder zu meinen, es gäbe keinen anderen Weg für Menschen, Gott zu erfahren, setzt – aus meiner Sicht als Pfingstler – den falschen Schwerpunkt. Selbst wenn ich in der Kirche bin und das Wort Gottes gepredigt oder verlesen höre, ist es nicht letztlich der Geist des lebendigen Gottes, der mich umwirbt und mich zu Gottes Herz zieht? Gibt es nicht eine Form des direkten und unmittelbaren Kontakts mit Gottes Geist, den die Gemeinde selbst nicht bieten kann, weil ihr Zweck eher im Instrumentalen als im Unmittelbaren besteht?45 Gott begegnet uns in einer direkten Konfrontation und verwandelt uns in unserem inwendigen Sein. Was ist die Kirche? Die Kirche ist das Volk Gottes, das durch den Geist direkt von Gott verwandelt und berührt wurde. Eine zweite Antwort auf diese Frage Brunners lautet folgendermaßen: Als das transformierte Volk Gottes reflektieren wir das Wesen Gottes. Gott ist dreieinig. Das Wesen Gottes besteht darin, in Gemeinschaft zu leben. Weil wir von Gott berührt wurden, können wir das Wesen Gottes in unseren Beziehungen mit anderen Gläubigen (und auch anderen Menschen) widerspiegeln. Pfingstler haben kein Problem damit, von Wundern zu sprechen, wenn es um gesundheitliche oder finanzielle Probleme geht, die durch Gottes Kraft gelöst wurden. Ich möchte aber auch die transformative Botschaft der frühen Pfingstler ins Gedächtnis rufen, die den Schwerpunkt auf veränderte Leben und auf die Kraft Gottes setzte, die Menschen von der Gefangenschaft der Sünde befreit, um wie Jesus ein Leben der Heiligkeit zu leben und in der Kraft des Geistes zu wandeln. Grundsätzlich sollten Pfingstler die Kraft Gottes in ihrem Leben wirken sehen, nicht um die Dinge zu erhalten, die sie wollen – sondern damit ihr Charakter dem Charakter Gottes ähnlicher werde und unser Leben hin zu einer tieferen Relationalität miteinander verändert wird. So wie sich das Wirken des dreieinigen Gottes in Einheit (ein Gott) und Differenz (Vater, Sohn, Geist) ereignet, sind auch wir Menschen in seinem Ebenbild geschaffen (Gen 1,26 f.). Menschen reflektieren (zum Teil) Gottes Bild einerseits darin, dass sie qua Menschheit (Gott schuf Menschen) eine Einheit sind, und andererseits darin, dass sie qua Mann und Frau (Gott schuf sie, Mann und Frau) verschieden sind. Welche Folgen hätte es, wenn die Gemeinde die wahre Natur Gottes in diesem entscheidenden Profil seines Wesens reflektieren würde? Es würde bedeuten, dass niemand mehr um „Macht“ in unseren Kirchen konkurrieren würde – alle würden vielmehr verstehen, dass ein Unterschied in der Funktion, die in der Gemeinschaft ausgeübt wird, keine niedrigere oder höhere Wertebene in Gottes Augen darstellt. Wir würden Unterschiede in unserer Mitte zulassen, ohne nach einer erstickenden Uniformität in Aussehen oder Denken zu rufen (was heute unter Pfingstlern/Charismatikern leider alles andere als üblich ist). 45 Diese Ideen entwickle ich weiter und erläutere sie anhand mehrerer Beispiele unterschiedlicher Denominationen und ihrem Verständnis zur Kirche als primärer Vermittlerin Gottes an die Menschen der Gegenwart, s. Cross: The Church, Kap. 1.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

404

Terry L. Cross

Ein abschließendes Argument zur Frage „Was ist die Kirche?“ scheint hier angebracht zu sein. Normalerweise verbringen wir sehr viel Zeit damit, über bestimmte Projekte, über Programme und sonstigem Drumherum nachzudenken, die das Hamsterrad unserer Kirche rund laufen lassen. Solange wir beschäftigt sind, meinen wir, doch wenigstens einiges richtig zu machen. Doch anstatt so viel Aufmerksamkeit darauf zu richten, was wir tun, sollten wir zunächst verstehen wer wir sind. Die Mission der Gemeinde sollte vom Wesen Gottes, und nicht von einer übergeordneten Kirchenbehörde oder von den Erwartungen der Gesellschaft bestimmt werden. Ich möchte auf Folgendes hinaus: Es ist das Wesen Gottes, nach außen zu drängen, über die mannigfaltige Gemeinschaft der Trinität hinaus in die Welt selbst – ja, hin zu den Fremden und Ausgestoßenen.46 Gott ist derjenige, dessen Gemeinschaft zwischen Vater, Sohn und Geist zu jener Mission überfließt, die Welten erschafft und die Welt erlöst. Gott ist ein Missionar. Daniel Migliore bringt es wie folgt vor: „Die primäre Mission der Gemeinde ist es, Anteil zu haben an der missionarischen Aktivität des dreieinigen Gottes in der Welt.“47 Das heißt, dass das Wesen und die Mission der Kirche im Wesen und der Mission Gottes verankert sind. Was wir als Gemeinde tun, sollte aus unserem Sein hervorgehen. Was also ist die Mission der Kirche für eine pfingstliche Ekklesiologie? Clark Pinnocks klare Aussage ist hier bestechend: Die Mission der Kirche besteht darin, in die Regionen dieser Welt hineinzugehen, die andere aufgegeben haben, und Gottes Gnade auf physische und geistliche Weise weiterzugeben; sie besteht darin, in ein anderes Land auszugehen, um jemanden aus den Schweineställen des Lebens zurückzugewinnen; sie besteht darin, in der Kraft des Geistes Gottes zu wandeln, so dass Dämonen fliehen und das Evangelium gepredigt wird und das Reich Gottes bis an die äußersten dunklen Grenzen dieser Welt vorangetrieben wird. Es ist eine Ekklesiologie der Kraft [power ecclesiology] wie Pinnock sie bezeichnet hat. Sie nimmt die Erkenntnis ernst, dass selbst Menschen mit den besten Absichten keinen anderen Menschen verändern können – nur eine direkte „Berührung“ des Geistes Gottes kann das tun. Daher predigen wir das Evangelium in der Kraft des Geistes, vielmehr aber leben wir das Evangelium in den Gräben und Seitengassen des Lebens, damit diejenigen, die am Rande stehen, die Armen und die Unterdrückten dieser Welt, von der Hoffnung der Erlösung in Jesus Christus hören.48 Somit präsentiert die Gemeinde einen Gott, der nicht länger ein 46 Clark Pinnock hat dies meines Erachtens am besten beschrieben in Pinnock, Clark H.: Flame of Love: ATheology of the Holy Spirit. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1996. S. insbesondere das erste Kapitel, „Der Geist und die Trinität“, demzufolge die Rolle des Geistes darin bestehe, dass er den dreieinigen Gott nach außen treibt und die göttliche Liebe den Ungeliebten vermittelt. 47 Migliore, Daniel L.: The Missionary God and the Missionary Church. In: Princeton Seminary Bulletin 19, Nr. 1 (1998), S. 14 – 25, hier S. 17. 48 Ich denke Pinnock hat Recht, wenn er behauptet, dass sich die Zeiten in Bezug auf das Konzept,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

405

„ferner Gott“ ist, sondern der den Menschen direkt und unmittelbar begegnet und ihr Leben für immer transformiert. Zwei weitere von Pinnock thematisierte Sachverhalte, sollten uns weiterführen: Gemeindestrukturen und Individualismus. Die Kommentare Pinnocks über die Sorgfalt bezüglich unserer Strukturen in den Pfingstkirchen, zeugen von seiner eigenen langjährigen Kirchenarbeit. Als Pfingstler haben wir oftmals mit nicht wenig Stolz auf „die Abwesenheit einer Struktur“ in unseren Gottesdiensten verwiesen (obwohl die meisten sehr wohl die „Gottesdienstabfolgen“ in unseren Gemeindebriefen oder die ungeschriebenen „Strukturen“ unserer Anbetungszeiten durchschauen). In der Tat haben wir eine Vielzahl von Leitungsstrukturen in der Pfingstbewegung übernommen. Hier sind die Worte Pinnocks ziemlich hilfreich: „Viele verschiedene Strukturen können in effektiver Weise funktionieren. Die Hauptsache ist, darauf zu achten, dass die Formen mit denen wir arbeiten adäquat sind, […] das Wirken Gottes zu fördern.“49 Es mag noch etwas dauern, bis sich Pfingstler daran gewöhnen, dass Strukturen und Ämter „vom Geist gegeben“ sein können. Zugegebenermaßen, habe ich erst letztes Jahr begonnen meine eigene Haltung diesbezüglich zu überdenken, als ein römisch-katholischer Priester mich herausforderte zu erklären, warum ich der Ansicht sei, dass Geistesgaben nur spontane Aktivitäten sind und nicht in einem Amt (z. B. dem Bischof) verortet sein könnten. Meine erste Reaktion war typisch pfingstlich: Ich habe Bischöfe beobachtet, die allzu menschlich waren und anstatt durch ihr Amt Gott und dem Volk Gottes zu dienen, sich selbst oder der Erhaltung „ihrer“ Kirche gedient haben. Wie kann das „geistgegeben“ sein? Ich bin allerdings dabei, mein Denken diesbezüglich zu ändern, und die Worte Pinnocks haben mich auf diesem Weg weiter getrieben. Sicher besteht der wichtigste Punkt darin, dem Geist gegenüber offen zu bleiben; doch warum soll der Geist nicht auch in bestimmten Strukturen und Ämtern wirken, die den Strom der Absichten Gottes in unserer Welt befördern helfen? Warum sollen die „institutionellen Elemente nicht funktional und flexibel sein“? Ich glaube, dass sie es sein könnten, aber Pfingstler sollten der Welt zeigen, wie dies getan werden kann. Wenn wir behaupten, die Gaben Gottes in kraftvoller Weise unter uns zu haben, wie kommt es dann, dass sie im Bereich der Leiterschaft und der Ämter zu fehlen scheinen? Ich möchte damit niemandem zu nahe treten; es hat lediglich den Anschein als hätten wir ein System von Strukturen übernommen, ohne uns über deren geistliches oder ungeistliches Wesen sonderlich Gedanken zu machen. Was wäre, wenn die Struktur der dass Sündenvergebung die primäre Sorge der Ungläubigen sei, geändert haben. Demnach fällt die Lehre der Rechtfertigung in die Zeit der Reformation des 16. Jahrhunderts. Heute hingegen ist das Wesentliche die Kraft, die uns verändern kann. Die Frage, die sich heute die meisten Ungläubigen stellen ist nicht: „Kannst du mir helfen, mit meiner Schuld vor Gott zu Recht zu kommen?“, sondern: „Kannst du mir helfen aus diesem Loch zu kommen, in dem ich stecke?“ Es ist eine Frage der Befreiung, der wahren Bekehrung und Heiligung. 49 Pinnock: Church, S. 13.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

406

Terry L. Cross

Kirche den Gott der Kirche widerspiegeln würde? Was wäre, wenn die Art und Weise wie wir Kirche praktizieren tatsächlich die Weise reflektieren würde, wie wir die Kirche in der Welt sind? Ein Punkt der meines Erachtens hierbei wichtig ist, liegt in dem, was Pinnock „Klerikalismus” genannt hat. Die Idee, dass es unter dem Volk Gottes zwei verschiedene Kasten geben soll (Klerus und Laien) ist nicht nur lächerlich, sondern gottlos. Der Begriff „Klerus“, wie wir ihn heute gebrauchen, kommt im Neuen Testament nicht vor. Das ganze Volk Gottes soll auf der Ebene des „Dieners“ fungieren. Gilt das nicht besonders für ein Volk, das vom Geist Gottes berührt wurde und dem die Gaben des Geistes mitgeteilt wurden, damit sie in dessen Mitte wirken? Was uns in pfingstlich-charismatischen Kreisen eingeholt hat, ist ein noch stärker ausgeprägter Klerikalismus, wobei manche Leiter in den Kirchen Titel und Ehrungen fordern, die aus der Sicht Gottes für den Menschen nirgends vorgesehen sind. Das Ergebnis ist unübersehbar – die „Laien“ bleiben passiv und ohne Engagement im Gottesdienst oder bei Gemeindeaktivitäten, während der „Klerus“ den Dienst abarbeitet. Wenn ich Eph 4, 11 – 14 lese, entspricht dieses Ergebnis dem genauen Gegenteil dessen, was Gott beabsichtigt. Das „Volk Gottes“ soll den Dienst tun, ausgerüstet und ausgereift im Leib Christi durch das Leitungsteam. Wenn Pfingstler ihren Anspruch auf die Geistesgaben wirklich durchdenken, wie können sie dann eine Ekklesiologie entwickeln (egal ob in Praxis oder Theorie), die alle Begabung und Aufmerksamkeit auf einen Pastor bzw. Leiter fokussiert, anstatt die verschiedenen Mitglieder des Leibes Christi ernst zu nehmen, auf die Gottes Geist nach seinem Gutdünken seine Gaben austeilt? Sollte die Gemeinde nicht Anteil am „Dienst des Leibes“ haben, bei dem jedes Mitglied mit der Bereitschaft kommt, das zu teilen und beizutragen, was Gott ihm oder ihr gegeben hat? Anstelle dieses Verständnisses unserer Versammlungen in der Kirche vermitteln wir den Laien, dass jede Woche das Gleiche geschieht; wir scheinen sie aufzufordern, in einem Lehrsaal zu sitzen und passiv einer Person beim Reden zuzuhören; wir ziehen den Teppich der Erwartungen unter ihren Füßen weg – der Teppich, der sie erahnen lässt, was Gott tatsächlich tun könnte, wenn wir ihm nur erlaubten, frei unter uns zu wirken. Pinnock hat Recht, wenn er uns daran erinnert, dass Tradition schwer und zäh an unseren Kirchen haftet wie eine eingebrannte Ölkruste an einem kaputten Motor. Wenn wir versuchen, Strukturen zu verändern, dann sollten wir geduldig sein und „bereit, uns einigem Widerstand zu stellen“. Die frühen Pfingstler fürchteten den Widerstand nicht, denn sie meinten vom Geist gehört zu haben, und sahen das Gehörte durch das Wort Gottes gestützt. Wir sollten uns nicht fürchten, die klare signalhafte Stimme des Geistes zu hören, die uns drängt, unsere schädlichen Kirchenstrukturen erneut zu überdenken, damit wir beginnen können, sie aus den Motoren unserer Kirchen zu entfernen. Nur auf diesem Wege wird der Geist von neuem fließen können und unsere Gemeinden werden so funktionieren, wie Gott es will.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sind Pfingstler evangelikale Christen?

407

Schließlich sollte eine trinitarische Theologie als methodischer Rahmen gewährleisten, dass unsere menschlichen Beziehungen in der Kirche die innertrinitarischen Beziehungen reflektieren. Das Wesen Gottes sollte sich im Wesen des Volkes Gottes widerspiegeln. Unser irdisches Leben wird zu einer Partizipation an der göttlichen trinitarischen Gemeinschaft emporgehoben. Die Wahrheit ist, dass wir keinem deus solus, sondern einem deus communitatis dienen. Dies prägt jeden Lehrsatz, der von Pfingstlern erörtert wird. Die Mannigfaltigkeit des dreieinigen Lebens wird zum integrierenden, systematischen Prinzip einer pfingstlichen Theologie. Catherine Mowry LaCugna stellt hierzu eine kühne Aussage in den Raum: Die Lehre der Trinität ist letztlich nicht eine Lehre über Gott, sondern eine Lehre über das Leben Gottes mit uns und über unser Leben miteinander. Es ist das Leben der Gemeinschaft und der Einwohnung, Gott in uns, wir in Gott, und wir alle ineinander. Das ist die „Perichorese“, die gegenseitige Interdependenz, von der Jesus im Johannesevangelium spricht […] (Joh 17, 20 – 21).50

Die Gemeinschaft des Geistes ist nicht nur eine Ansammlung von Individuen, sondern ein gemeinschaftliches Leben, in dem wir in der Gnade Gottes wachsen und uns gegenseitig zu guten Werken anspornen. Das Leben im Geist ist kein Leben in Isolation und einsamer Wanderschaft. Es ist ein Leben der reichen Gemeinschaft mit Gott und anderen Menschen, denn in dieser Gemeinschaft Gottes entdecken wir unsere Gaben und unsere Berufungen; wir üben unseren Glauben und unsere Verantwortung aus; wir geben unser Leben als Salz und Licht für die Welt. Weil wir eine Gemeinschaft der Liebe sind, werden die, die Gott nicht kennen, durch unsere Handlungen der Obhut und Pflege sowie durch unseren respektvollen Umgang mit allem Leben angezogen. Die vom Geist geboren sind, tragen in ihren Herzen auch ein Verlangen nach Gemeinschaft mit Schwestern und Brüdern im Herrn. Ist Gottes Wesen durch seinen Geist in uns eingepflanzt, dann sehnen auch wir uns nach Gemeinschaft mit anderen gleicher Gesinnung im Glauben und verspüren zugleich die Sehnsucht, uns zu den Fremden und den Ausgestoßenen der Gesellschaft auszustrecken. Hinsichtlich der Plage des Individualismus weist uns Stanley Grenz einen ausgezeichneten Weg: „Wir wurden von der Sünde errettet, damit wir an der Gemeinschaft der erlösten Menschheit partizipieren, die in einer erlösten Welt lebt und die Gegenwart des Erlösergottes genießt […] Wir wurden weder in die Isolation gerettet, noch um eine exklusive Beziehung mit dem dreieinigen Gott zu genießen.“51

50 La Cugna, Catherine Mowry : God for Us: The Trinity and Christian Life. New York: Harper, 1991, S. 228. 51 Grenz, Stanley J: Theology for the Community of God. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2000, S. 438 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Simon Chan

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre*

Im vorliegenden Artikel soll die Rolle der Kirche** in der Entwicklung der Lehre untersucht werden. Dies mag wie eine selbstverständliche Aussage wirken: Sind Glaubensbekenntnisse und Lehren nicht das Ergebnis von Kirchenkonzilien und Konferenzen, auf denen Lehrentscheidungen getroffen werden? So formuliert verwechselt die Frage jedoch das soziologische Phänomen der Bildung der Lehre mit der theologischen Realität, die mit der Bildung und Entwicklung der Lehre verbunden ist. Spezifischer ausgedrückt: Ich möchte hier die These vertreten, dass die Entwicklung der Lehre eine bestimmte Lehre von der Kirche nach sich zieht. Doch warum diese Sorge um die Entwicklung der Lehre? Die Frage ist wichtig, weil sie ein entscheidendes Problem berührt, nämlich die Wirksamkeit des Dogmas. Es ist eine Tatsache, dass moderne Kirchen ihre Lehrautorität verloren haben. Wir beanspruchen den Besitz schriftgemäßer, universal gültiger Normen, in der Praxis aber sind wir nicht so sicher, was diese Normen sind. Kirchen geben lehramtliche Verlautbarungen heraus, sowohl in Bezug auf öffentliche Politik als auch auf persönliche Ethik, doch ihre Mitglieder (von den Nicht-Mitgliedern ganz zu schweigen) beachten diese kaum. Lehren sollen die kirchliche Praxis regulieren, doch tun sie das nicht, weil ihr allgemein verbindlicher Status infrage steht. Stattdessen ist unser Leben in der Kirche häufiger von Pragmatismus bestimmt als von der Wahrheit, unter der wir angeblich leben. Die Entwicklung der Lehre anzuerkennen, bedeutet, das wirkliche Wesen der Kirche anzuerkennen und das wiederzugewinnen, was die Kirchenväter Glaubensregel nannten. Nur durch eine solche Wiedergewinnung wird die Kirche auf angemessene Weise durch Lehrnormen regiert werden, und nur dann wird die Kirche wahrhaft Kirche sein. Bevor ich dies jedoch weiter ausführe, ist es nötig, kurz auf die vorige Frage einzugehen, ob es überhaupt angemessen ist, von einer Entwicklung der Lehre zu sprechen. Grundsätzlich haben Protestanten mit beträchtlicher Zurückhaltung auf die Möglichkeit der Entwicklung der Lehre geblickt. Sie haben * Originalveröffentlichung: Chan, Simon: The Church and the Development of Doctrine. In: Journal of Pentecostal Theology 13, Nr. 1 (2004), S. 57 – 77. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Brill-Verlags; alle Rechte vorbehalten. ** Chan schreibt „Church“ fast immer groß, was mit seinem normativen Kirchenbegriff zusammenhängt.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

409

Dogmen tendenziell als depositum von Lehrsätzen über Gott verstanden, und Tradition als unveränderte Weitergabe dieses fixierten Korpus von Wahrheiten an die nächste Generation. Tradition sei wie ein Erbstück, das es zu erhalten und weiterzureichen gilt. Das Konzept einer Entwicklung der Lehre wirft daher alle Arten von Schwierigkeiten auf. Erstens wird man daran erinnert, wie diese Idee von der römisch-katholischen Kirche dazu benutzt worden ist, um eine Anzahl fraglicher Zusätze zum Glauben zu rechtfertigen, etwa die Lehre der unbefleckten Empfängnis und der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel. Zweitens, wenn sich Dogmen entwickeln, bedeutet das dann nicht, dass sie irgendwie unvollkommen sind? Diese Sorge wird manchmal durch die Begegnung mit Menschen verstärkt, deren Verständnis von Entwicklung der Lehre weit über die Grenzen der Orthodoxie hinausgegangen ist.1 Drittens, wenn Dogmen sich entwickeln, wie können wir feststellen wann es sich, mit John Henry Newmans gesprochen, um „treue Entwicklungen“ und wann um „Korruption“ handelt?2 Und, eng mit der letzten Frage verbunden, wer bestimmt, was eine treue Entwicklung ist? Impliziert dieses Konzept nicht selbst eine regulative Rolle der Kirche? Kurz gesagt: Sobald wir einmal zugegeben haben, dass sich Dogmen entwickeln, kommen wir nicht umhin, die folgerichtige Frage nach dem Wesen der Kirche zu stellen, in der die Lehrentwicklung stattfindet. Und schließlich, widerspricht das Konzept einer Entwicklung nicht selbst dem Prinzip des sola scriptura? Für den traditionellen Protestantismus steht viel auf dem Spiel, falls das Konzept einer Entwicklung der Lehre akzeptiert wird. In den letzten Jahren haben etliche Protestanten jedoch begonnen, die Wichtigkeit dieser Thematik zu erkennen. Einige von ihnen sind bereit, der Alten Kirche eine besondere regulative Rolle zuzugestehen, etwa in Bezug auf die ersten vier Jahrhunderte. Thomas Oden hat beispielsweise zu einer Bewegung aufgerufen, die über die Moderne hinausgeht, hin zu einer „postkritischen Orthodoxie“, die eine erneute und nachhaltige Gemeinschaft mit den christlichen Lehrern der Antike zelebriert. Die patristischen Steine, die die modernen Bauleute verworfen haben, müssen nun die Hauptsteine sein, um wieder auf dem Grundeckstein, dem Gottmenschen Jesus Christus aufzubauen. Eben jene apostolischen Lehrer und klassischen Exegeten, die der moderne Mensch lange Zeit als in Verruf geraten betrachtet hat, sind unentbehrliche postmoderne, postkritische Mentoren geworden.3

In ähnlicher Weise hat der baptistische Theologe D. H. Williams „misstrauische Protestanten“ dazu aufgerufen, die Große Tradition der Kirche ernst1 Hierbei denke ich an Wiles, Maurice F.: The Remaking of Christian Doctrine. London: SCM Press, 1975 (Hulsean Lectures 1973), s. die folgenden Abschnitte. 2 Newman, John Henry : An Essay on the Development of Christian Doctrine. 6. Aufl. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 1989 (Notre Dame Series in the Great Books), S. 170. 3 Oden, Thomas C.: After Modernity… What? Agenda for Theology. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1992, S. 106.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

410

Simon Chan

zunehmen. Er hinterfragt die typisch protestantische (genauer gesagt, freikirchliche) Lesart der Kirchengeschichte, die dem Verfallsparadigma folgt; sprich die Lesart, in der die Zeit von Kaiser Konstantin bis zur Reformation im 16. Jahrhundert im Wesentlichen als eine Zeit betrachtet wird, in der die Kirche, mit Ausnahme eines kleinen Rests, in die Apostasie gefallen sei. Williams Schlussfolgerung mag für einige protestantische Ohren seltsam klingen: Was beinahe oder gänzlich von diesem [Verfalls-]Paradigma ignoriert wird, ist die Vitalität und Kontinuität der Gottesdienst feiernden und bekennenden Kirche durch die patristische Epoche hindurch – einschließlich der Periode nach Konstantin. Der in den frühen Gemeinden bekundete und praktizierte Glaube war nicht von den politischen Machenschaften und bischöflichen Hierarchien abhängig.4

„Ich behaupte“, so fährt er fort, dass „die spätpatristische Periode als eine Art dogmatischer Kanon fungierte, an dem alle darauf folgenden theologischen Entwicklungen gemessen wurden, bis einschließlich heute“.5 Odens und Williams Sicht auf die Entwicklung der Lehre ist jedoch eingeschränkt, weil sie der patristischen Kirche eine privilegierte Rolle zuschreiben. Obwohl die Bedeutung der Kirchenväter nicht unterschätzt werden sollte (sie sind es, die uns die ökumenischen Glaubensbekenntnisse gaben und den biblischen Kanon formten), sollte sie nicht so verstanden werden, als ob weitere Lehrentwicklungen überflüssig seien. An Stelle des sola scriptura sind es nunmehr die Schrift und die Kirchenväter, die als eine Art erweiterter, doch nach wie vor geschlossener Kanon fungieren.6 Aus einer anderen Richtung hat die entstehende pfingsttheologische Forschung dazu beigetragen, das Thema Lehrentwicklung jenseits der Grenzen dessen voranzutreiben, was evangelikale Protestanten mitzutragen bereit sind. Dies war vielleicht unvermeidbar, angesichts der tiefen Wertschätzung, die Pfingstler dem fortwährenden Wirken des Geistes entgegenbringen, und der zunehmenden Gelehrsamkeit, mit der sie ihren pulsierenden Glauben an den Geist artikulieren. So hat sich erstens die Pneumatologie zu einer wichtigen theologischen Methode entwickelt, und das hat zu einer generell offeneren und dynamischeren Sichtweise auf Gott und die Schrift geführt.7 Zweitens ist diese dynamische Sichtweise auf Dogmen im Allgemeinen übertragen worden. Dies lässt sich exemplarisch an einem kürzlich erfolgten 4 Williams, Daniel H.: Retrieving the Tradition and Renewing Evangelicalism: A Primer for Suspicious Protestants. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1999, S. 130. 5 Ebd., S. 139. 6 Dies trifft vielleicht stärker auf Oden zu. Vgl. Ebd., S. 33. 7 Um nur zwei Beispiele zu nennen: Yong, Amos: Spirit–Word–Community : Theological Hermeneutics in Trinitarian Perspective. Aldershot: Ashgate, 2002 (Ashgate New Critical Thinking in Religion, Theology and Biblical Studies) und Cross, Terry L.: A Proposal To Break the Ice: What Can Pentecostal Theology Offer Evangelical Theology? In: Journal of Pentecostal Theology 10, Nr. 2 (2002), S. 44 – 73.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

411

Austausch zwischen den pfingstlichen Theologen Amos Yong, Dale Irvin, Frank Macchia und Ralph Del Colle zeigen.8 Diese Theologen teilen allesamt die Ansicht, dass Schrift und Tradition für den Geist offen und folglich offen für zusätzliche Erklärung und Entwicklung sind. Doch trotz aller Offenheit für das Konzept einer Lehrentwicklung wollen die protestantischen Pfingstler in diesem Dialog dem Dogma nur eine sehr bescheidene Rolle zugestehen. Hinter diesem schwachen Verständnis vom Dogma liegt ein schwaches Verständnis von der Kirche und ihrer Beziehung zum Geist. Sie verbinden Geist und Kirche nur so lange, wie die Kirche vage definiert bleibt und nicht mit einer sichtbaren Struktur identifiziert wird.9 Der einzige katholische Diskussionspartner in diesem Austausch, Ralph Del Colle, wies die anderen zu Recht darauf hin, dass „ecclesia keine prägende Dimension in euren Erörterungen gewesen ist.“10 Doch wenn die verheißungsvollen Arbeiten dieser Pfingstler (die bereits über die statischen Lehren des scholastischen Evangelikalismus hinausgegangen sind) zum weiteren Fortschritt der Lehre beitragen wollen, damit die Kirche eines Tages zur „Einheit des Glaubens“ gelangt, kann die ekklesiologische Frage nicht übergangen werden. Allerdings wird dies eine Ekklesiologie erfordern, die sehr eng mit der Pneumatologie verbunden ist. Je schwächer die Verbindung zwischen Geist und Kirche ist, desto schwächer wird im Ergebnis die Auffassung des Dogmas sein.11 Auf welche Weise diese Beziehung zu verstehen ist, ist eine Frage, auf die später eingegangen werden soll. Jeder, der etwas von Kirchengeschichte versteht, wird die Tatsache der Lehrentwicklung nicht ignorieren können. Auf welche Weise diese Entwicklung stattfindet, ist eine ganz andere Angelegenheit, die wir aufgrund der uns vorliegenden Aufgabe nicht behandeln werden – es sei lediglich gesagt, dass es heutzutage weitaus schwieriger ist, die Frage nach dem „Wie“ zu beantworten, als dies 1845 der Fall war, als sie von Newmann in seiner klassischen Untersuchung zum Thema gestellt wurde.12 Der Patristiker Rowan Williams hat beispielsweise gezeigt, dass die Entwicklung der orthodoxen Lehre von der Trinität weitaus mehr Verflechtungen zwischen Orthodoxie und Heterodoxie umfasste, als die bloße Entwicklung einer einzigen Idee.13 Die Kirche brauchte knapp 400 Jahre, bis die Trinitätslehre die Form erreichte, die uns im Nicäno8 Macchia, Frank D. u. a.: Christ and Spirit: Dogma, Discernment, and Dialogical Theology in a Religiously Plural World. In: Journal of Pentecostal Theology 12, Nr. 1 (2003), S. 15 – 83. 9 Ebd., S. 79, 81. 10 Ebd., S. 77. 11 Der Unterschied zwischen Yong und Del Colle in Bezug auf den Status des Dogmas könnte in diesem Austausch nicht eklatanter sein. Yong tendiert dazu, die außerkirchlichen Operationen des Geistes im Interesse eines besseren interreligiösen Dialogs zu betonen (ebd., S. 17 – 18, 50 – 54) und warnt durchweg vor einer ideologischen Kontamination des Dogmas (z. B. S. 21, 32 f., 54), wohingegen Del Colle an einer hohen Auffassung vom Dogma (S. 23 – 28) und an die enge Verbindung zwischen Geist und Kirche festhält (S. 77 – 79). 12 Newman: Essay. 13 Williams, Rowan: Arius: Heresy and Tradition. überarb. Aufl. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2001, S. 23.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

412

Simon Chan

Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis vorliegt (381 n. Chr.). Doch was ist die zugrundeliegende Realität, die es uns ermöglicht festzustellen, dass die Trinität, wie sie im Glaubensbekenntnis zu finden ist – ungeachtet der komplexen Beziehung zwischen Orthodoxie und Heterodoxie – das grundlegende, wesentliche Dogma der Kirche ist? Die Antwort lautet: die Kirche selbst. Das heißt, wenn wir bekennen, dass die Trinitätslehre wahr ist, dann bekennen wir im Endeffekt auch die Autorität der Interpretationsgemeinschaft, die dieser Lehre Gestalt gibt. Es gibt einen Überlieferungsprozess innerhalb der Kirche, dessen Ergebnis das Dogma ist, das über eine Zeit hinweg die Form angenommen hat, die es besitzt. Die Realität der Lehrentwicklung anzuerkennen bedeutet gleichzeitig, die regulative Rolle der christlichen Tradition anzuerkennen, und dies wirft unvermeidbar die Frage nach dem essenziellen Wesen bzw. nach der Ontologie der Kirche auf.

Die Ontologie der Kirche Die Kirche wird oft in einer rein historischen Perspektive konzeptualisiert, und zwar im Sinne des Motivs von Schöpfung-Fall-Erlösung. Innerhalb dieser Struktur wird die Kirche als ein Mittel zur Erfüllung von Gottes ursprünglicher Bestimmung der Schöpfung betrachtet. Die Kirche ist nur ein Unterbegriff der Schöpfung. Viele moderne Ekklesiologien operieren auf der Grundlage dieser Prämisse.14 Wir können dies beispielsweise in Daniel Hardys Konzept der Gemeinschaft beobachten. Während Hardy als Christ das Gegebensein bzw. den göttlichen Ursprung von „sozialen Transzendentalien“ anerkennt, lehnt er es ab, die Gaben Gottes als primär ekklesial zu betrachten, und spricht sich dafür aus, eine „allgemeine Sozialität“ bzw. eine geschöpfliche Sozialität in der conditio humana zu erblicken.15 Dies impliziert, dass die Kirche ihre grundlegende Identität aus der Schöpfung ableitet. Die christliche Erfahrung wird damit lediglich zur Spezifizierung eines größeren menschlichen religiösen Bewusstseins. Auf einem solchen Verständnis baut ein Theologe wie Maurice Wiles mit seinem Vorschlag einer „Neugestaltung der christlichen Lehre“ auf.16 Dogmen werden „neugestaltet“, damit sie in der Lage sind, eine allgemeine Art religiöser Erfahrung in einem Modus zu kommunizieren, den moderne Menschen verstehen können. Die Lehre von der Schöpfung stellt beispielsweise eine Möglichkeit dar, die menschliche Erfahrung von Sinnhaftigkeit in der Welt zu erklären und so 14 Das klassische Beispiel ist Niebuhr, H. Richard: Christ and Culture. New York: Harper, 1951, S. 80 – 83. 15 Hardy, Daniel W.: Created and Redeemed Sociality. In: Gunton, Colin E.; Ders. (Hg.): On Being the Church: Essays on the Christian Community. Edinburgh: T&T Clark, 1989, S. 31 – 35, 40. 16 Wiles: Remaking.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

413

weiter.17 Jaroslav Pelikan hat in einem Kommentar zu einem ähnlichen Ansatz von Dewart völlig zu Recht angemerkt, dass damit „die dogmatische Kontinuität der Relevanz geopfert“ wird.18 Es gibt jedoch eine andere Möglichkeit, die Kirche im Verhältnis zur Schöpfung zu betrachten, und diese besteht darin, sie nicht als eine weitere Einheit innerhalb der größeren Schöpfung, sondern als der Schöpfung vorausgehend zu betrachten. Die Kirche geht der Schöpfung insofern voraus, als sie das darstellt, was Gott von Ewigkeit an im Sinn hat, wohingegen die Schöpfung das Mittel ist, durch das Gott diese ewige Absicht in der Zeit erfüllt. Die Schöpfung existiert für die Kirche und nicht umgekehrt. Die Schrift selbst bezeugt einen logischen Vorrang der Kirche gegenüber der Schöpfung, indem sie von der Kirche als die in Christus vor der Erschaffung der Welt Erwählte (Eph 1,4) bzw. als die von Christus, dem geschlachteten Lamm, vor Grundlegung der Welt Auserwählte (Offb 13,8) spricht.19 Die Welt ist, mit Robert Jenson gesprochen, das „Rohmaterial“ aus dem Gott die Kirche zur Vollkommenheit in Christus bildet.20 Der Vorrang der Kirche gegenüber der Welt zeigt sich an der Tatsache, dass ihre Existenz nicht rein geschöpflich ist. Sergei Bulgakov zufolge ist sie eine „göttliche Menschheit“, weil sie organisch mit ihrem Haupt Christus verbunden ist. Diese organische Verbindung zwischen Christus, dem Haupt, und seinem Leib, der Kirche, wird gewöhnlich mit dem Begriff totus Christus (der ganze Christus) bezeichnet. Die Kirche ist der Schöpfung vorrangig, gerade weil sie der Leib Christi – die zweite Person der Trinität – ist, und weil ihre historische Existenz durch das Handeln des Heiligen Geistes herbeigeführt ist. Die Gegenwart des Geistes in der Kirche ist im Sein der Kirche als göttliche Menschheit begründet.21 Diese Art von Gegenwart unterscheidet sich von der Gegenwart des Geistes in der Welt, die rein geschöpflich ist (es sei denn die Schöpfung wird pantheistisch verstanden). Die theologische Basis dieses

17 Ebd., S. 33 – 39. 18 Pelikan, Jaroslav : Development of Christian Doctrine: Some Historical Prolegomena. New Haven, CT: Yale University Press, 1969, S. 31. 19 Dieses Verständnis von Kirche verhält sich parallel zur Weise, in der von Jesus Christus als dem fleischgewordenen Sohn Gottes, der von Ewigkeit an mit dem Vater präexistent ist, gesprochen werden kann. Jenson zufolge stellt die „Bewegung zur Inkarnation an sich ein Muster von Gottes dreieinigem Wesen“ dar, vgl. Jenson, Robert W.: Systematic Theology: The Works of God, Bd. 2. New York: Oxford University Press, 1999, S. 141. Eine solche Auffassung gründet auf der Vorstellung, dass „Gott der Akt seines Entschlusses ist“, ebd., S. 140. „Die Inkarnation ereignet sich in der Ewigkeit, als Grundlage dessen, was sich in der Zeit ereignet; in der Ewigkeit als Entschlussakt, der Gott ist, und in der Zeit als Ausführung dessen was Gott beschließt“, ebd. 20 Jenson, Robert W.: The Church’s Responsibility for the World. In: Braaten, Carl E.; Ders. (Hg.): The Two Cities of God: The Church’s Responsibility for the Earthly City. Eerdmans, 1997, S. 1 – 10, hier S. 4. 21 S. Bulgakov, Sergei Nikolaevich: The Bride of the Lamb. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2002, S. 253 – 255.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

414

Simon Chan

Kirchenverständnisses kann nicht prägnanter zusammengefasst werden als mit Robert Jensons Worten: Christus in Person [personally] ist die zweite Identität Gottes, und der totus Christus ist Christus mit der Kirche; folglich ist die Kirche kein opus ad extra wie es die Schöpfung ist, selbst wenn sie in Gott vollkommen ist.22

Wenn die Existenz der Kirche nicht rein geschöpflich, sondern eine „göttliche Menschheit“ ist, dann müssen wir dieses Verbindungsglied zum trinitarischen Gott genauer spezifizieren, damit ihre Rolle bei der Bildung des Dogmas für uns verständlich werden kann. Die Rolle bzw. Funktion der Kirche erwächst aus ihrem ontologischen Status als eine göttliche Menschheit. Das Unvermögen, diese Tatsache zu verstehen, hat zum Ergebnis geführt, dass die Rolle der Kirche weitgehend auf eine soziologische reduziert worden ist. Das Werk der Kirche ist ein geistliches Werk mit geistlichen Auswirkungen. Es ist geistlich, nicht etwa in dem Sinn, dass es ahistorisch oder immateriell ist, weil die gesamte Schöpfung im Handeln des trinitarischen Gottes inbegriffen ist, sondern in dem Sinn, dass es durch das Werk des Geistes Gottes herbeigeführt wird. Lehren sind nicht das Ergebnis eines Werks der Kirche, die ihre eigene religiöse Erfahrung reflektiert. Wenn dies der Fall wäre, könnte Theologie auf Anthropologie und die Kirche lediglich auf eine weitere soziale Organisation reduziert werden. Es gibt ein „Gegebensein“ ihrer Erfahrung Gottes. Oder, in der vertrauteren Begrifflichkeit Barths formuliert: Die Erfahrung der Kirche entspringt dem Gegebensein der Offenbarung. Wenn wir glauben, dass das kirchliche Dogma das Ergebnis einer göttlichen Tat ist, in diesem Fall der göttlichen Offenbarung, ist es dann so viel schwerer zu glauben, dass die Kirche selbst das Ergebnis einer göttlichen Tat ist, einer Tat, die das Leben Gottes ad intra einschließt?23 Zugleich ist es überraschend zu bemerken, dass heutzutage viele evangelikale Protestanten, die dogmatischen Reduktionismus rigoros ablehnen würden, allzu schnell bereit sind, einen ekklesiologischen Reduktionismus anzunehmen, d. h. die Kirche als nichts weiteres als ein soziologisches Phänomen zu betrachten. Es ist diese Wende hin zu einer naturalisierten Konzeption von Kirche im Protestantismus, die dessen theologische Integrität unterwandert und allen Formen von Säkularisierungstendenzen die Tür öffnet, sowohl innerhalb des protestantischen Liberalismus als auch des modernen Evangelikalismus. Den Evangelikalismus als säkularisiert zu beschreiben, mag einige überraschen, doch eine Anzahl prophetischer Stimmen innerhalb des Evangelikalismus haben überzeugende Beweise dafür geliefert. Ich denke an Arbeiten wie The Scandal of the Evan-

22 Jenson: Systematic Theology: Works, Bd. 2, S. 167. 23 Das Leben Gottes ad intra schließt die Erwählung der Kirche in Christus vor der Schöpfung ein, wird aber durch die Schöpfung realisiert.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

415

gelical Mind von Mark Noll24 und God in the Wasteland sowie No Place for Truth von David Wells.25 Doch trotz all dieser kritischen und erkenntnisreichen Analysen besteht im Evangelikalismus ein Unvermögen zu erkennen, dass die wirkliche Antwort auf das Problem der theologischen Leere und des säkularisierten Christentums mit der Ekklesiologie zu tun hat. Ungeachtet all ihrer Differenzen haben der Evangelikalismus und der liberale Protestantismus eine Gemeinsamkeit: beide spiegeln ein Versagen in der Ekklesiologie wider. Davis Wells’ Arbeiten können dafür als Beispiel angeführt werden. Wells liefert eine erkenntnisreiche Analyse der Probleme, die den Evangelikalismus plagen: seine Kapitulation vor der Moderne, die ihn ohne solide theologische Verankerungen zurücklässt. Abgesehen von Wells’ Antwort auf das Problem, nämlich einer Rückkehr zur protestantischen Orthodoxie,26 die in gewisser Hinsicht zu eng erscheint, besteht ein viel ernsthafterer Defekt darin, dass er keine wirkliche Lehre von der Kirche kennt. Wenn Wells von der Notwendigkeit spricht, dass die „evangelische [evangelical] Kirche, Kirche sein“ und die Kirche „eine Alternative zur postmodernen Kultur“27 darstellen solle, dann findet sich keine Erklärung dafür, was die Kirche theologisch betrachtet ist. Wells scheint anzunehmen, dass die Kirche zu verändern, einfach nur bedeutet, die Menschen und insbesondere die Leiter zu verändern, die zusammen jene Gemeinschaft ausmachen, die Kirche heißt. Noch einmal: Wells erkennt zwar, dass Theologie nur innerhalb der Kirche genährt werden kann, „dem Ort an dem biblisches Wissen gelernt werden, entwickelt und angewandt werden muss.“28 Die Kirche müsse den Mut besitzen die Wahrheit zu sagen und sich nicht all jenen subjektiven „Wahrheiten“ ergeben, die für die Postmoderne charakteristisch sind.29 Aber wie lernt es die Kirche, „ihre eigene Sprache zu sprechen“? Wie wird sie zu einer „Gegenkultur“? Wir können diese Fragen nicht beantworten, ohne ein klares Verständnis davon zu haben, was die Kirche ist. Wenn Wells von der Kirche spricht, scheint er nicht mehr als eine Gruppe Gläubigen zu meinen, die sich für bestimmte gottgegebene Aufgaben und Anliegen zusammentun. Letztendlich werde die Kirche durch die Aktion derer, die den Namen Christi bekunden, geschaffen. Die Kirche sei wesentlich eine Kollektivität. Am ehesten noch spricht er von Kirche in einem theologischen Sinne am Ende seines Buchs God in the Wasteland. Der individuelle Christ müsse 24 Noll, Mark A.: The Scandal of the Evangelical Mind. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1994. 25 Wells, David F.: God in the Wasteland: The Reality of Truth in a World of Fading Dreams. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1994; Wells, David F.: No Place for Truth, or, Whatever Happened to Evangelical Theology? Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1993. 26 Wells: No Place for Truth, S. 12. Vgl. Williams Einschätzung von Wells’ Lösungsvorschlag (Williams: Retrieving, S. 25). 27 Wells: God in the Wasteland, S. 214. 28 Wells: No Place for Truth, S. 292. 29 Wells: God in the Wasteland, S. 223.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

416

Simon Chan

in einer Struktur eingegliedert sein, die der eigenen privaten Spiritualität gemeinschaftlichen Ausdruck verleiht, in welcher der Einzelstrang in einem Gefüge verwoben ist. In diesem Sinne schafft die Ortsgemeinde ihre eigene christliche Kultur, ihr eigenes Wertesystem und ihre eigenen Weisen, die Welt zu betrachten; ihre eigenen Hoffnungen und Träume, welche, da sie gemeinschaftlich aufrechterhalten und praktiziert werden, normativ werden.30

Dies hat Ähnlichkeit mit dem, was MacIntyre über „gemeinschaftliche Praktiken“ sagt. Doch solch ein Rahmenkonzept von Kirche ist immer noch wesentlich soziologisch. Wir brauchen eine Theologie der Kirche (zum Beispiel indem die „Kennzeichen der Kirche“ identifiziert werden), die eine gesunde Basis bietet, um das Indiviuum in die ekklesiale Struktur einzugliedern. Andernfalls wird die Kirche nur noch eine weitere soziale Organisation sein.

Lex orandi lex credendi Es gibt etliche Möglichkeiten, das Wesen der Kirche und ihr Verhältnis zur Entwicklung der Lehre zu erkunden. Ich möchte als Einstiegspunkt in die Diskussion den berühmten Satz wählen, der mit einem Mönch aus dem 5. Jahrhundert assoziiert wird, Prosper von Aquitanien: Lex orandi lex credendi. Soziologisch betrachtet, könnte dieser Satz einfach nur beschreiben, wie die sozialen Erfahrungen einer Gemeinschaft dazu gekommen sind, eine bestimmte fixierte Form (Glaubensüberzeugungen) anzunehmen, die ihrerseits wiederum diese Erfahrungen produzieren und bestätigen. Doch für die Kirche ist lex orandi mehr als das. Sie ist eine Antwort auf Gott, der sich in Jesus Christus durch den Geist offenbart. Dies ist das Verständnis, das in der folgenden Erörterung vorausgesetzt wird. Lex orandi lex credendi kann als Ausdruck einer dialektischen Beziehung verstanden werden. Das Gesetz des Betens ist das Gesetz des Glaubens und das Gesetz des Glaubens ist das Gesetz des Betens. Für Protestanten klingt letzteres bekannter und bequemer : Die Glaubenslehren sollten unser Handeln und unseren Gottesdienst bzw. Anbetung beeinflussen. Doch warum findet man Zurückhaltung, wenn es darum geht, dass das liturgische Leben die Glaubenslehren prägt? Liegt es an der Befürchtung, dass dies jeder Art von subjektiver Erfahrung das Tor öffnen könnte, die Lehre zu prägen? Diese Befürchtung offenbart ein grundsätzliches Missverständnis in Bezug auf das Wesen der Erfahrung und letztendlich ein Unvermögen, das Wesen der Kirche zu verstehen. Weil die Freikirchentradition keine adäquate Ekklesiologie hat, kennt sie auch keine Lehre der ekklesialen Erfahrung. Da Ekklesiologie in soziologischen Begriffen verstanden wird, stellt die ekklesiale Erfahrung weitgehend eine soziale Erfahrung dar, das heißt die soziale Dynamik einer 30 Ebd., S. 226.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

417

kollektiven Größe. Wenn die Kirche aber mehr sein soll, als die Gesamtsumme der Individuen, dann stellt die ekklesiale Erfahrung mehr dar, als die Gesamtsumme der individuellen Erfahrungen mit Gott und untereinander. Was ist dieses „mehr als“ der ekklesialen Erfahrung? Es ist die Erfahrung, der Leib Christi zu sein, der Tempel des Geistes, die göttliche Menschheit oder um eine frühere Formulierung zu gebrauchen: die Kirche als totus Christus. Mit anderen Worten, weil die Kirche der Leib Christi ist, ist sie als Kirche, die sich in ihrem Gottesdienst durch Jesus Christus im Geist an Gott wendet, der Ort, an dem Wahrheit dynamisch existiert. Die ekklesiale Erfahrung bezieht sich auf die Auseinandersetzung der Kirche mit der Erzählung des Evangeliums, welche die wesentlichen Identitäten des dreieinigen Gottes offenbart.31

Die lebendige Tradition Die ekklesiale Erfahrung ist in einer Tradition bzw. Geschichte verkörpert. Weil sie jedoch die Tradition der göttlichen Menschheit ist, ist sie nicht bloß historisch, sondern schließt durch das andauernde Werk des Geistes die vertikale Dimension ein, also das, was Zizioulas als „pfingstlich-charismatische“ Ereignisse bezeichnet.32 Die Gegenwart des Geistes macht aus der ekklesialen Erfahrung eine wahrhaft lebendige Tradition. Die lebendige Tradition der Kirche kann als die Übermittlung und Entwicklung des Evangeliums Jesu Christi in den andauernden Praktiken der Kirche durch die Kraft des Geistes bezeichnet werden. Diese Definition enthält drei Komponenten: 1. Das Evangelium bzw. die Glaubensregel als Inhalt der lebendigen Tradition. 2. Ihre Erhaltung in den Kernpraktiken der Kirche, besonders der Gottesdiensthandlung. 3. Ihre fortwährende Entwicklung in der Kraft des Geistes. Der übrige Teil des Artikels wird sich darauf konzentrieren, das Wesen der lebendigen Tradition zu erforschen, indem diese drei Komponenten ausgearbeitet werden – denn die Kirche versteht ihre eigene wesentliche Rolle in der Entwicklung der Lehre als lebendige Tradition.

31 Jenson, Robert W.: Systematic Theology : The Triune God, Bd. 1. New York: Oxford University Press, 1997, S. 63 – 66. 32 Zizioulas, Jean D.: Being as Communion: Studies in Personhood and the Church. Crestwood, NY: St. Vladimir’s Seminary Press, 1985, S. 115 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

418

Simon Chan

Das Evangelium als Inhalt der lebendigen Tradition Die Glaubensregel ist kein formalisiertes Glaubensbekenntnis, sondern ein dogmatischer Korpus, der in treuer Weise die apostolische Verkündigung über Jesus Christus erhält. Die Regel verkörpert den autoritativen Inhalt des Evangeliums Jesu Christi. Das ist es, was ihr Autorität verleiht. Das Evangelium bewohnt die Tradition und befähigt die Tradition, das Evangelium richtig zu interpretieren. Die Autorität der Regel liegt in der Tatsache, dass sie in historischer Kontinuität zu den Aposteln steht. Es gibt eine direkte Weitergabe von den Aposteln an die apostolischen Väter, dann an die Jünger der Aposteljünger und so weiter. Die historische Kontinuität wird in der Kirche aufrechterhalten, in der Gemeinschaft, die treu die apostolischen Lehren übermittelt. Es war eben jene Grundlage der historischen Kontinuität der Kirche zu den Aposteln, auf der Irenäus die Wahrheit der Orthodoxie gegenüber den Gnostikern zu begründen suchte. Er bemerkte, dass Gnostiker die Heilige Schrift zitieren konnten, doch nicht in der Lage waren, die Kontinuität mit der Kirche aufrecht zu erhalten, die ihre historischen Verbindungen mit den Aposteln besitzt: Die wahre Gnosis ist die Lehre der Apostel und das alte Lehrgebäude [s}stela] der Kirche für die ganze Welt. Den Leib Christi erkennt man an der Nachfolge der Bischöfe, denen die Apostel die gesamte Kirche übergeben haben. Hier sind die Schriften in treuer Überlieferung bewahrt; nichts ist hinzugetan, nichts ist weggenommen. Hier werden sie [als Wort Gottes] unverfälscht verlesen und gesetzmäßig, sorgfältig, gefahrlos und gottesfürchtig erklärt. Hier ist vor allem das Geschenk der Liebe, das kostbarer ist als die Erkenntnis, ruhmvoller als die Prophetengabe, vortrefflicher als alle übrigen Charismen [Gottes].33

Irenäus’ Argumentationsgang zeigt nicht nur die Wichtigkeit der Schrift per se, sondern die ihres Ortes in der Kirche, welche durch die lebendige Tradition ihre ungebrochene Verbindung mit den Aposteln aufrechterhält. Angenommen, so fährt er fort, die Apostel hätten uns keine Schriften hinterlassen, müsste man dann nicht „eben der Ordnung der Tradition folgen, die sie den Vorstehern der Kirchen übergeben haben“?34 Die Gnostiker beanspruchten dagegen eine „geistliche“ Verbindung zur Wahrheit, ohne irgendein greifbares Verbindungsglied durch die Kirche. Doch wenn das Verbindungsglied ausschließlich „geistlich“ ist, dann gibt es keine Garantie dafür, dass die Ansprüche wahr sind. Das ist auch Tertullians Argument gegen die Häretiker. 33 Iren•us: Gegen die Häresien, IV.33.8. [Die Übersetzer zitieren aus Iren•us: Adversus haereses/ Gegen die Häresien: Griechisch, latein, deutsch, hg. v. Norbert Brox. Freiburg: Herder, (Fontes Christiani 8), [Einfügungen S. C.] 34 Iren•us: Adversus haereses, III.4.1.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

419

Bevor wir uns auf die Schrift berufen, müssen wir zuerst über die folgenden Fragen entscheiden: Wer der rechtmäßige Besitzer des Glaubens sei, wem das Eigentum auf die Schrift zustehe, von wem, durch wen, wann und wem die Lehre übergeben worden sei, wodurch man zum Christen wird. Denn da, wo sich offenkundig herausstellt, dass sich die echte Lehre und der echte christliche Glaube befindet, da werden auch die echte Hl. Schrift, die richtige Erklärung derselben und sämtliche echt christlichen Überlieferungen sein.35

Wir können keine Aussage über die wahre Lehre der Schrift treffen, wenn nicht gezeigt werden kann, dass jene Lehre von den Aposteln an die Kirche und an die folgenden Generationen historisch übermittelt worden ist, kurz gesagt: nicht ohne die Tradition. Allzu oft wenden Evangelikale ihr sola scriptura Prinzip an, indem sie direkt in die Schrift springen, ohne ihre Verbindung zur christlichen Tradition in Betracht zu ziehen. Wells zum Beispiel hätte gerne, dass Evangelikale die dogmatische Kontinuität ohne historische Sukzession aufrecht erhielten: „Gläubige stehen in der Sukzession der Aposteln, wenn sie annehmen, was die Apostel lehrten. Dies ist keine Sukzession der ekklesiastischen Macht, wie sie die römische Kirche lehrt, sondern eine Sukzession der Lehre.“36 Doch der Fall ist nicht so einfach wie Wells ihn darstellt. Wir müssen die gleiche Frage stellen, die Irenäus stellte: Woran können wir feststellen, dass das, was wir glauben, das ist, was die Apostel lehrten? Schließlich erheben viele Gruppen, einschließlich der Vereinigungskirche und der Zeugen Jehovas, den Anspruch, dass ihre Lehren geradewegs aus der Bibel entnommen sind. Evangelikale akzeptieren eine Theorie der Interpretation, die größere Ähnlichkeit mit den Häretikern aufweist als zum orthodoxen Christentum, doch sie werden vor Heterodoxie einzig durch eine de facto (obgleich implizite) Anerkennung der apostolischen Sukzession bewahrt, indem sie sich zum Beispiel auf die Tatsache berufen, dass eine Lehre Teil des historischen christlichen Glaubens ist!

Die Erhaltung des Evangeliums in den kirchlichen Kernpraktiken Es gibt bestimmte konstitutive Kennzeichen, die die Kirche zur Kirche machen. Reinhard Hütter nennt diese Kennzeichen „Kernpraktiken“. Diese Praktiken sind nicht einfach nur das, was wir tun, sondern stellen die „konkreten Wirkweisen des Geistes dar, durch die er seine eigene heiligende 35 Tertullian: De praescriptione haereticorum / Vom prinzipiellen Einspruch gegen die Häretiker: lateinisch / deutsch, übers. v. Dietrich Schleyer. Turnhout: Brepols, 2002 (Fontes Christiani 42), Kap. 19 [Hervorhebung S. C.]. 36 Wells: No Place for Truth, S. 103.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

420

Simon Chan

Mission innerhalb der trinitarischen Heilsökonomie vollbringt“.37 Die gemäßigten Reformatoren bezeichneten die einzelnen Kennzeichen der Kirche auf unterschiedliche Weise. Calvin identifiziert sie als Wort und Sakrament, während es für Luther sechs konstitutive Kennzeichen der Kirche gibt: das „Evangelium, gepredigt, bekannt und getan“, die Taufe, das Abendmahl, das Schlüsselamt, die Berufung in kirchliche Ämter, das Gebet und die Kreuzesnachfolge.38 Doch in welcher Beziehung stehen diese Kernpraktiken zum Evangelium und zum christlichen Dogma? Die Kernpraktiken sind die vielfältigen Wege, auf denen das Evangelium im Leben der Kirche verkündigt und konkretisiert wird, während Dogmen die Verkündigung des Evangeliums, im Sinne der vom Evangelium selbst gesetzten Normen, regeln.39 Diese Kernpraktiken finden in der Kirche fortwährend statt, besonders wenn die Kirche dem dreieinigen Gott ihren Gottesdienst feiert. Mit Gordon Lathrop gesprochen, ist der Gottesdienst der Ort, an dem die Kirche „primäre Theologie“ treibt, da dies der Ort ist, an dem die Glaubensüberzeugungen der Kirche erneut nachvollzogen, bewusst zum Ausdruck gebracht und assimiliert werden.40 Im Gottesdienst findet eine erneute Aneignung dieser Lehren durch die Kirche statt, sie lässt diese in ihren Riten zum Leben erwachen und bewahrt sie vor der Versteinerung. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes steht die eucharistische Feier, die Kommunion des Leibes und Blutes Christi. Dies ist der Ort, an dem die Kirche durch die Anrufung des Geistes (Epiklese) erneut als der lebendige Leib Christi konstituiert wird.41 Der Geist aktualisiert, was der Geist getan hat und eint den Leib mit dessen Haupt.42

Die Theologen und die Interpretationsgemeinschaft Die tatsächliche Ausarbeitung von Dogmen in der Kirche erfolgt traditionsgemäß durch bischöfliche Theologen im Konzil.43 Daher besteht ein Teil unserer Aufgabe bezüglich des Verständnisses der Rolle der Kirche in der Entwicklung des Dogmas darin, herauszufinden, welche Rolle Theologen dabei spielen. In der Alten Kirche war ein gesondertes Amt des Theologen (und noch weniger eines akademischen Theologen) nicht bekannt. Sie kannte nur den 37 Hìtter, Reinhard: The Church. In: Buckley, James J.; Yeago, David S. (Hg.): Knowing the Triune God: The Work of the Spirit in the Practices of the Church. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2001, S. 23 – 54, hier S. 34. 38 Ebd., S. 33 – 35. 39 Ebd., S. 36. 40 Lathrop, Gordon: Holy Things: A Liturgical Theology. Minneapolis, MN: Fortress Press, 1993. 41 Jenson: Systematic Theology: Works, Bd. 2, S. 212. 42 Ebd., S. 198. 43 Hütter unterscheidet zwischen Dogmen, die normativ für die Kirche sind, und Theologien einzelner Theologen, die zur Bildung normativer Dogmen durch das Handeln von Kirchenkonzilien beitragen können, s. Hìtter: The Church, S. 37 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

421

bischöflichen Theologen. Theologisieren war hauptsächlich die Aufgabe des Bischofs, der in einer Linie mit den Aposteln steht und dessen Lehre die Übermittlung der apostolischen Lehre ist. Es gibt drei mögliche Positionen, die Theologen in Bezug auf die Kirche einnehmen können. Erstens, Theologen könnten ihre Rolle als die des Ausleger für die eigene Gemeinschaft betrachten. Sie sagen der Kirche, was sie zu glauben hat. Hier nehmen Theologen eine regulative Rolle ein. Die gröbste Form davon begegnet uns exemplarisch im Schwärmer oder Teleevangelisten, der seine lehramtliche Äußerung mit der Behauptung „Ich habe eine Vision von Gott …“ einleitet. Zweitens könnten Theologen ihre Rolle darin sehen, die Gemeinschaft zu interpretieren. Sie artikulieren die unartikulierten Glaubensüberzeugungen des Volkes Gottes. Dies kommt der Art und Weise näher, in der Lehren geformt werden. Doch auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Theologen könnten so immer noch Personen sein, die außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft stehen, und eher als Fachberater der Gemeinschaft tätig sind. Dies ist gewöhnlich das stillschweigend angenommene Modell, das man in der modernen evangelikalen Theologie findet, und das auch ein Grund für deren Schwäche ist. Theologie wird als persönliche Bemühung seitens der Theologen für die Kirche verstanden. Das Ergebnis ist, dass die Theologie ein Unterfangen ist, das abseits der Mitwirkung der Theologen an den Kernpraktiken der Kirche stattfindet. Theologen mögen zwar Gottesdienstbesucher sein, die Kirche nimmt jedoch keine entscheidende Rolle in ihrer theologischen Reflexion ein. Die dritte Position ist die, dass Theologen ihre Interpretationsaufgabe als Mitglieder der Interpretationsgemeinschaft wahrnehmen. Dies stellt meines Erachtens die richtige Position der Theologen dar. Sie müssen selbst in das Leben der Gemeinschaft eintauchen. Sie müssen eins mit dem Leib Christi sein. Sie artikulieren, was sie als Mitglieder der Gemeinschaft wahrhaft sehen und erfahren. Sie sind Gottesdienstteilnehmer zusammen mit anderen Gottesdienstteilnehmern. Kurz gesagt : Theologen sollten der Kirche Rechenschaft geben müssen. Aus der vollen Partizipation am Leben und Gottesdienst des Volkes Gottes heraus erläutern sie die lebendige Wahrheit in der Gemeinschaft des Glaubens. Das erklärt, warum bei der Bildung ökumenischer Glaubensbekenntnisse die Aufgabe der Lehrformulierung weitgehend von bischöflichen Theologen verrichtet wurde, die an lehrmäßige von der Kirche gesetzte Normen gebunden waren. Letztendlich sind es nicht Theologen als solche, die die Lehre begründen, sondern es ist die Kirche. Ohne das Lehramt der Kirche gibt es kein Dogma. Allerdings ist dieses Lehramt keine unabhängige Autorität, sondern vielmehr eine, die aus der Kirche erwächst, die aus Bischöfen und Kirchenvolk besteht. Mit „Kirche“ meine ich die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die protestantische, römisch-katholische und orthodoxe Christen in ihrem gemeinsamen Glaubensbekenntnis bekennen. Diese Kirche ist es, die ihrem

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

422

Simon Chan

Dogma Autorität und Wirksamkeit verleiht.44 Diese Kirche ist allerdings noch keine gegenwärtige, sondern eine eschatologische Realität. Darum ist die ökumenische Aufgabe für die Kirche die wichtigste Aufgabe. Wenn die Kirche mit Autorität sprechen soll, müssen ihre Risse und Spaltungen geheilt werden. Diese Risse sind überall, im Protestantismus vielleicht stärker als im Katholizismus und in der Orthodoxie, doch sie sind in den letzteren ebenso zu finden.45 Unser Glaube an die eine Kirche liegt in der Hoffnung, dass diese Risse eines Tages geheilt werden, weil wir – wenn wir uns tiefgründiger damit auseinandersetzen – die Säulen der zwölf Apostel finden, die auf Christus dem beständigen Fels stehen. Wenn Theologie außerhalb des Kontextes der Kirche getrieben wird, werden wir in einem akademischen Studium der Dogmatik enden, anstatt in den regulativen Lehren der Kirche. Wenn Dogmatik ohne Bezug auf die Kirche diskutiert wird, wird sie zur bloßen Meinung des Theologen. Sie trägt keine Autorität für die Kirche mehr. In Hütters Worten: Wahre Erkenntnis können wir nur „pathisch“ erlangen, indem wir „Gottes soteriologisches Handeln erleiden“.46 Damit ist gemeint, dass wahre Theologen eine rezeptive (pathische) Rolle spielen. Ihre Rolle besteht darin, für das wahrhaft schöpferische Werk des Geistes in der Kirche ansprechbar zu sein. Sie müssen offen dafür sein, was der Geist der Kirche sagen möchte. Theologen, die sozusagen von außerhalb der Kirche für die Kirche theologisieren, setzen voraus, dass sie zur bzw. für die Kirche sprechen könnten, ohne ihr Rechenschaft geben zu müssen oder aber ihre Autorität anzuerkennen. Eine solche Haltung setzt auch voraus, dass der Geist außerhalb der Kirche als alternative Öffentlichkeit wirkt, was zur Entstehung einer fehlerhaften Lehre vom creator spiritus führt. Von solchen Theologien kann nicht behauptet werden, dass sie eine wirkliche Entwicklung der Lehre begründen. Fassen wir zusammen: Das bis zu diesem Punkt dargelegte Verständnis der lebendigen Tradition könnte als ein Prozess verstanden werden, in dem die Gottesdienst feiernde Kirche das Evangelium praktiziert und ihre Lehren am Leben erhält und in dem Theologen, als Mitglieder der Gottesdienst feiernden Gemeinschaft, über diese Praktiken im Einklang mit dogmatischen Normen nachdenken und in neuen Situationen ihre erneute Aneignung ermöglichen.

44 Braaten, Carl: The Role of Dogma in Church and Theology. In: Ders.: Task of Theology Today, 1999, S. 23 – 54, hier S. 50 – 54. 45 Darum kann die eine, heilige katholische und apostolische Kirche nicht auf unqualifizierte Weise mit der römisch-katholischen Kirche identifiziert werden. Dies war möglicherweise der Fehler, den Newman bei seiner folgenschweren Wende hin zu Rom beging. 46 Hìtter: The Church, S. 46.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

423

Die Entwicklung der Lehre in der Kraft des Geistes Wir müssen nun die dritte und unentbehrlichste Komponente der lebendigen Tradition betrachten, nämlich die Rolle des Geistes in der Entwicklung der Lehre. Wenn es sich bei der lebendigen Tradition lediglich um historische Kontinuität und um Erhaltung des Evangeliums in der christlichen Tradition handelt, dann ist es nach wie vor möglich, Tradition als treue Übermittlung eines festen Wahrheitenschatzes zu konzipieren, wie es von vielen innerhalb des Protestantismus angenommen wird. Doch es geht um mehr als das. Letztendlich findet sich die theologische Grundlage für die Entwicklung der Lehre in der Tatsache, dass die Geschichte des Handelns des dreieinigen Gottes nicht mit Jesu Himmelfahrt endete, sondern dass sie sich mit der Sendung des Heiligen Geistes auf die Kirche am Pfingsttag fortsetzt, die er dadurch zum Leib Christi und zum Tempel des Geistes macht. Die Kirche ist der Ort, an dem die Tat des dreieinigen Gottes andauert; der Ort, an dem Christus eucharistisch gegenwärtig ist, bis er in der Parousia persönlich wiederkommt. Das bedeutet, dass die Kirche keine bloße Vermittlerin des Evangeliums ist, sondern Teil der Evangeliumsgeschichte selbst. Wenn das der Fall ist, dann ist das Leben der Kirche auf der Erde, während sie sich auf das Eschaton hin bewegt, selbst die Fortsetzung der Evangeliumsgeschichte. Wenn die Kirche nun aber Teil des Evangeliums selbst ist, dann können Dogmen (welche die weitergereichten regulativen Lehren bezüglich des Evangeliums darstellen) ebenso wenig statisch sein. Es muss eine Art Entwicklung der Lehre geben, da die Kirche die fortwährende Tat des Geistes ist. Wie können wir aber sicher sein, dass diese Entwicklung nicht auf eine Weise stattfindet, die den vorherigen Teilen widerspricht? Die Antwort findet sich im Geist selbst. Der Geist ist nicht lediglich derjenige, der die Kirche leitet und folglich gewährleistet, dass sie in der Wahrheit bewahrt wird. Er ist ebenso der Geist des Eschatons, derjenige, der das Ende antizipiert, der uns etwas über das Ende offenbart und gewährleistet, dass die Kirche die ihr eigene Bestimmung erreicht. Daher muss die Entwicklung der Evangeliumsgeschichte einer gewissen Spur folgen, die der Geist bestimmt, der seinerseits wiederum die „Macht der Zukunft“ ist, die dem Leib Christi innewohnt. Weil wir nur stückhafte Erkenntnis davon haben, wie die Geschichte enden wird, streben wir danach, der Entfaltung der Geschichte gemäß der Offenbarung des Geistes zu folgen – des Geistes, der die Lehre Christi bezeugt und uns an sie erinnert (Joh 14,26) und der uns das „Zukünftige“ (Joh 16,13) verkündet. Der Geist verbindet die vergangenen Evangeliumsereignisse und die noch kommenden Evangeliumsereignisse mit dem Evangeliumsereignis der Gegenwart, das die Kirche ist. Die Entwicklung der Lehre könnte als das dramatische Fortschreiten einer Handlung verstanden werden, der fortwährenden Geschichte von Gottes Handeln in der Welt, und die Geschichte der Kirche ist ein Teil dieser Ent-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

424

Simon Chan

wicklung. Was aber ist die Geschichte der Kirche? Es ist die Geschichte, die um die dritte Person der Trinität kreist: die Sendung des Geistes. Das Kommen des Geistes konstituiert, wie bereits angemerkt, die Kirche, indem er den Leib mit dem Haupt eint. In eben diesem Akt, „befreit der Geist“, mit Jenson gesprochen, „eine tatsächliche menschliche Gemeinschaft von lediglich historischen Determinierungen, damit sie in der Lage ist, mit dem Sohn vereint zu werden, und somit das Tor für die Überführung [translation] der Schöpfung in Gott hinein zu sein.“47 Demnach könnte man sagen, dass die Geschichte der Kirche die Geschichte des Geistes in der Kirche ist. In diesem Sinne könnte die Kirche als die „Öffentlichkeit des Geistes“48 bezeichnet werden. Das ist der Grund, weshalb Pfingsten so unentbehrlich für die fortlaufende Entwicklung der christlichen Geschichte ist. Wenn wir nicht die Geschichte der Kirche erzählen, die die Geschichte des Geistes in der Kirche ist, haben wir ein unvollständiges Evangelium. Hierin liegt die Hauptschwäche der protestantischen und evangelikalen Theologie: Sie bricht die Evangeliumsgeschichte mit der Auferstehung und Himmelfahrt ab, so dass die Kirche ausschließlich als Vertreterin betrachtet wird, welche die Aufgabe hat, eine Geschichte, die mit Christi Auferstehung endete, erneut zu erzählen oder wieder zu behaupten. Der Protestantismus hat keinen Sinn für die Fortsetzung des Evangeliums in der Ekklesiologie und Pneumatologie. Wenn es darum geht, die Kirche zu verstehen, übernimmt die Soziologie das Sagen. Was den Geist betrifft, so wird er im Wesentlichen als jemand betrachtet, der der Kirche hilft irgendeine ad extra (extrinsische) Aufgabe auszuführen, selbst wenn diese als göttliche Aufgabe aufgefasst wird, wie zum Beispiel die Evangelisation. Wenn der Geist überhaupt auf irgendeine Art mit der Kirche verbunden wird, dann mit der unsichtbaren Kirche, etwa wenn er die individuellen Gläubigen zur geistlichen Geburt führt. Die sichtbare Kirche wird weitgehend soziologisch definiert, während die „wahre“ Kirche unmöglich mit etwas Sichtbarem identifiziert werden könne. Der Protestantismus leidet an eine doketischen Ekklesiologie. Gegenüber solch einer Auffassung müssen wir daran festhalten, dass die Ekklesiologie ein intrinsischer Teil des Dogmas des Evangeliums Jesu Christi ist, und kein administratives Arrangement, um praktische Resultate zu sichern. Die Geschichte der Kirche ist, was sie ist, weil sie die Geschichte des Geistes ist, der sie konstituiert. Ekklesiologie und Pneumatologie können daher nicht voneinander getrennt werden, wie an der Art der Verbindung von Geist und Kirche im dritten Artikel des Nicäno-Konstantinopolitanischem Bekenntnis ersichtlich ist.49 Ihre enge Beziehung kann auch erkannt werden, 47 Jenson: Systematic Theology: Works, Bd. 2, S. 179. 48 Vgl. Hütters Argument, demzufolge die Kirche die „Öffentlichkeit“ des Heiligen Geistes darstellt, s. Hìtter: The Church, S. 39. 49 Vgl. Gemeinsam den einen Glauben bekennen: Eine ökumenische Auslegung des apostolischen Glaubens, wie er im Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (381) bekannt wird. Frankfurt am Main: Lembeck, 1991, Abs. 194; 216. Bobrinskoy, Boris: The Church and the

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

425

wenn wir die Aussage über die Kirche untersuchen: „Wir glauben an […] die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.“ Die eine Kirche ist deshalb eins, weil sie mit Christus, dem Haupt, vereint ist durch den Geist, der ihr innewohnt und sie zu dem einen Tempel des Geistes und dem einen Leib Christi macht. Die Kirche ist deshalb heilig, weil sie der Tempel ist, in dem der Heiligen Geist wohnt. Die Kirche ist deshalb apostolisch, weil der Geist sie in alle Wahrheit leitet und sie vor Irrtum bewahrt, indem er sie auf diachrone Weise in einer ungebrochenen Sukzession an die Apostel bindet. Das Verhältnis des Geistes zur Kirche lenkt keineswegs von seiner Identität als der dritten Person der Trinität ab; vielmehr ist es genau in seiner Beziehung zur Kirche, dass seine Identität als die dritte Person am deutlichsten offenbar wird. Denn es ist die Kirche, auf die der Heilige Geist vom Vater in Jesu Namen gesandt ist. Das Kommen des Geistes auf die Kirche markiert den Anbruch der letzten Tage; und es ist in Bezug auf das Ende, dass die Einzigartigkeit des Geistes als dritte Person begründet wird.50 Das Verhältnis des Geistes zur Kirche ist es, was die einzigartige Rolle des Geistes in der trinitarischen Heilsökonomie bezeichnet. Ekklesiologie und Pneumatologie müssen darum immer zusammen betrachtet werden. Ohne Pneumatologie kann es keine Ekklesiologie geben und ohne Ekklesiologie kann es keine angemessene Pneumatologie geben. Wir können sogar sagen, dass sich Pneumatologie und Ekklesiologie gegenseitig bedingen. So wie es bei der Inkarnation um die zweite Person des dreieinigen Gottes geht, der menschliche Gestalt annimmt und darin als zweite Person offenbar wird, geht es bei Pfingsten um die dritte Person des dreieinigen Gottes, der kirchliche Gestalt annimmt und darin als dritte Person offenbar wird. Die Beziehung zwischen Pneumatologie und Ekklesiologie könnte als pneumatologische Ekklesiologie beschrieben werden (wenn die Kirche als Geist-erfüllte Kirche betrachtet wird), und als ekklesiologische Pneumatologie (wenn der Geist als derjenige betrachtet wird, der eine kirchliche Form und Funktion annimmt). Ihre Gegenseitigkeit (nicht aber Gleichheit) überwindet zwei stets vorhandene Gefahren der gegenwärtigen Diskussion zur Pneumatologie. Die eine Gefahr stellt das Konzept eines creator spiritus dar, verstanden als ein Wirken des Geistes in der Schöpfung getrennt von der Erfüllung der Schöpfung in der Kirche.51 Dieses Konzept wird Holy Spirit in 20th Century Russia. In: Ecumenical Review 52, Nr. 3 (2000), S. 326 – 342 bemerkt, dass selbst das Nicäno-Konstantinopolitanische Bekenntnis den Geist und die Kirche nicht eng genug beieinander hält, wohingegen das Bekenntnis zum Heiligen Geist in einigen früheren Glaubensbekenntnissen Bobrinskoy zufolge lautete: „Ich glaube an den Heiligen Geist in der Heiligen Katholischen Kirche“ [„I believe in the Holy Spirit in the Holy Catholic Church“], s. ebd., S. 328. 50 Jenson: Systematic Theology: Triune, Bd. 1, S. 156 – 158. 51 Dies ist, so meine Befürchtung, das Problem mit Amos Yongs pneumatologischen Kriterien der Unterscheidung der Geister. Wenn der Geist aus seiner ekklesialen Verortung herausgenommen wird, beginnt man die Unterscheidung anhand solcher Kriterien, wie etwa „allgemeine Menschheit“ vorzunehmen (Macchia u. a.: Christ and Spirit, S. 54). Der nächste Schritt ist

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

426

Simon Chan

oftmals für eine fremde Ideologie vereinnahmt, wie es zum Beispiel bei Matthew Fox’ Schöpfungsspiritualität zu beobachten ist.52 Das Wirken des Geistes in der Schöpfung ist natürlich eine biblische Idee. Der Geist ist außerhalb der Kirche am Werk – wie könnte er sonst alle Menschen zu Christus ziehen, wenn er nicht in der Welt gegenwärtig wäre? Die Frage ist allerdings: Wie wirkt der Geist in der Welt? Jene, die vom Wirken des Geistes in der Schöpfung sprechen (wie unter liberalen Protestanten im ÖRK in Canberra beobachtbar)53, setzen gewöhnlich einen weiteren öffentlichen Raum voraus, in dem die Kirche ihre Rolle zusammen mit anderen Öffentlichkeiten einnimmt. Die Schöpfung wird als weitere Bühne betrachtet, auf der die Kirche und die anderen menschlichen Gemeinschaften ihre Rolle spielen. Die Kirche wird zu einer jener Einheiten reduziert, deren Aufgabe darin besteht, mit anderen Einheiten zu kooperieren, um Gottes Ziele in der Schöpfung voranzutreiben. Wenn aber die Kirche der Schöpfung gegenüber vorrangig ist, und die Schöpfung der Kirche dient, dann muss der creator spiritus unter dem Geist der Kirche subsumiert werden. Die andere Gefahr besteht darin, den Geist als jemanden zu betrachten, der privat in den Individuen wirkt. Hier wird die kirchliche Dimension des Wirkens des Geistes übergangen und der Geist verkommt zum bloßen Vermittler individuellen Heils. Das Bekenntnis zu Christus als meinem persönlichen Heiland bedeutet dann nur noch, dass Christus mich als Individuum getrennt von der Kirche erlöst. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Zwillingslehren Ekklesiologie und Pneumatologie zur Aufrechterhaltung der lebendigen Tradition notwendig sind. Innerhalb der geisterfüllten Kirche wird die Wahrheit durch den Geist der Wahrheit am Leben erhalten. Die Tradition ist dynamisch und wird durch den Geist, der ihre Antizipation ist, zu dem für sie bestimmten Ziel geführt. Gleichzeitig verläuft die Entwicklung der Lehre, da die Kirche der Leib Christi ist – die Erweiterung Christi, der die Wahrheit ist – in einer besonderen Spur, die durch das Evangelium Jesu Christi bestimmt ist. Die Kirche wird in Gottesdienst, Kernpraktiken und Reflexion weiterhin in der Gnade und Erkenntnis ihres Herren und Heilands wachsen. Die Artikulation dieser Erkenntnis konstituiert die Entwicklung der Lehre.

dann, bestimmte kontextuelle Probleme (etwa Fragen um das Thema Gender) als ein Anliegen der allgemeinen Menschheit zu identifizieren, wobei es sich genau besehen auch nur um ein westliches oder nordamerikanisches Problem handeln könnte (vgl. ebd., S. 71). 52 Fox, Matthew: Original Blessing. Santa Fe, NM: Bear, 1983. 53 Kyung, Chung Hyun: Come, Holy Spirit—Renew the Whole Creation. In: Kinnamon, Michael (Hg.): Signs of the Spirit: Official Report of the Seventh Assembly of the WCC, Canberra. Genf: WCC Publications, 1991, S. 37 – 47.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

427

Ein Ausblick (anstelle eines Schlusses) Anstelle eines Schlusses möchte ich einen Ausblick bieten. Zwei Fragen kommen in den Sinn: Wie sieht die Zukunft der Entwicklung der Lehre im Allgemeinen aus und wie sieht die Zukunft der Zwillingslehren vom Geist und der Kirche im Besonderen aus? Die erste Frage ist entscheidend, denn wenn es keine Zukunft für die Lehrentwicklung gibt, kann es auch keine Zukunft für die Kirche geben. Damit meine ich nicht, dass die Kirche als eine soziale Einheit aufhören wird zu existieren. Was auf dem Spiel steht, ist die Grundidentität der Kirche und ihre Lehrautorität. Ohne katholische bzw. universal regulative Lehren (die das Ziel der Entwicklung der Lehre sind) wird es die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche nicht geben, und solange die Kirche nicht eins ist, wird es keine katholischen Lehren geben. Wie können wir angesichts der gegenwärtigen Fülle an konfligierenden theologischen Reflexionen in den Kirchen feststellen, ob diese Reflexionen (oder wenigstens einige davon) eine genuine Entwicklung der Lehre darstellen? Dogmatische Entwicklungen sind komplexe Angelegenheiten und wir können wahrscheinlich erst viele Jahre später sagen, was eine genuine Entwicklung darstellt. Es brauchte nach Nicäa etwa 50 Jahre, bis das Glaubensbekenntnis weitverbreitete Zustimmung erlangte. Doch das ist nicht die einzige Schwierigkeit. Die wirkliche Schwierigkeit besteht darin, dass wir eine fragmentierte Kirche haben und es demzufolge keine ökumenische Konzilien gibt, auf denen das Kirchendogma ratifiziert werden könnte – und aktuelle ökumenische Bemühungen sehen auch nicht vielversprechend aus. Die ökumenische Arbeit des liberalen Protestantismus wird nicht viel erreichen, solange die evangelikalen und protestantisch-orthodoxen Dimensionen nicht ernst genommen werden. Ich befürchte, der moderne Evangelikalismus hat noch einen langen Weg vor sich. Hier begegnen wir einer Unmenge an Exzentrizitäten (etwa Territorialgeister und Hauskirchenbewegung) oder Privatoffenbarungen (wie die jüngste Lehre zum Gebet des Jabez). Sie sind größtenteils von einer Sorge um Bedeutsamkeit motiviert und tendieren dazu, vorübergehende Modeerscheinungen zu sein, die nicht lange genug andauern, um regulative Lehren zu konstituieren. Es ist kein Wunder, dass der moderne Kirchgänger keine Bedeutung in Dogmen sieht. Doch selbst dort, wo es ernsthafte theologische Reflexionen gibt, hat das Unvermögen, die organische Einheit der Kirche zu verstehen, Theologen wie David Wells dazu geführt, nicht mehr zu tun, als evangelikale Christen zu einer Rückkehr zur „protestantischen Orthodoxie“ aufzurufen. Die protestantische Orthodoxie ist ein wichtiger Marker, um die Spur des Evangeliums der Kirche auf seinem Weg in die Zukunft zu regulieren. Doch die protestantische Orthodoxie allein kann nicht die Lösung für die Krankheiten sein, die den Evangelikalismus plagen, wenn er nicht für weitere Entwicklung offen ist. Wenn Orthodoxie auf einen bestimmten Punkt der Geschichte fixiert wird, dann hört sie auf, zur lebendigen Tradition beizu-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

428

Simon Chan

tragen. Die Aussicht ist düster! Doch selbst wenn wir keine dogmatische Entwicklung erkennen, können wir annehmen, dass sie fortwährend stattfindet. Wie können wir dies nicht annehmen, wenn wir glauben, dass die Kirche eines Tages zur „Einheit des Glaubens“ gelangen wird, wenn sie die volle Reife in Christus erlangt haben wird (Eph 4,13)? Ohne diese Annahme wird die ökumenische Aufgabe lediglich ein hoffnungsloses politisches Spiel. Doch was sollen wir in der Zwischenzeit tun? Carl Braaten hat als „Interimstrategie“ vorgeschlagen, „uns selbst die Lizenz zu erteilen, Theologie für die Kirche zu treiben, als ob sie bereits eins wäre, und dies auf eine Weise zu tun, die evangelisch, katholisch und orthodox“ ist.54 Wir müssen weiterhin an der Entwicklung universaler Lehren arbeiten, indem wir auf dem aufbauen, was bereits innerhalb der jeweiligen „Glaubensbekenntnisse“ erreicht worden ist. Dies bringt uns zur zweiten Frage: Welche Aussichten bestehen für ein ökumenisches Dogma von der Kirche? Die Zwillingslehren vom Geist und der Kirche sind in den ökumenischen Bekenntnissen unbearbeitet geblieben, anders als dies beim trinitarischen und dem christologischen Dogma der Fall ist. Luthers „Kennzeichen der Kirche“ besitzen das Potential, sich zu einer wahrhaft katholischen Ekklesiologie zu entwickeln. In der Geschichte der lutherischen Kirche wurden sie allerdings weitgehend untergraben, vom Pietismus einerseits und von der Staatskirche andererseits.55 An diesem Punkt haben Pfingstler meiner Ansicht nach einen wichtigen Beitrag zu leisten. Wenn die Kirche – wie ich in diesem Artikel zu zeigen versucht habe – als der durch den Geist angetriebene Leib Christi Teil der fortwährenden Evangeliumsgeschichte ist, dann muss die nächste Etappe in der Entwicklung des Dogmas die Zwillingslehren vom Geist und der Kirche (oder besser noch: vom Geist in der Kirche) sein. Pfingstliche Bekenntnisse des Glaubens könnten noch eine unentbehrliche Rolle in der zukünftigen Entwicklung der Ekklesiologie und Pneumatologie spielen.56 Damit Pfingstler ihre Rolle gut ausfüllen können, ist es allerdings erforderlich zu wissen, was es bedeutet ein „katholischer Pfingstler“ zu sein: Jemand, der an die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ glaubt und Theologie auf eine Weise treibt, die mit Braaten gesprochen „evangelisch, katholisch und orthodox“ ist. Die ökumenischen Instinkte der frühen Pfingstbewegung sind wohlbekannt, doch sie können nur durch eine kohärente ekklesiologische Pneumatologie aufrechterhalten werden.

54 Braaten: Role of Dogma, S. 53. 55 Yeago, David S.: The Church as Polity? The Lutheran Context of Robert W. Jenson’s Ecclesiology. In: Gunton, Colin E.; Jenson, Robert W. (Hg.): Trinity, Time, and Church: A Response to the Theology of Robert W. Jenson. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2000, S. 201 – 237. 56 Das habe ich in meinem Buch versucht, s. Chan, Simon: Pentecostal Theology and the Christian Spiritual Tradition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 21).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Kirche und die Entwicklung der Lehre

429

Ich habe hier einen Grundriss der Lehre von der Kirche als lebendiger Tradition vorgestellt, von dem ich hoffe, dass er eine treue Ausarbeitung unseres Bekenntnisses zur „einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche“ darstellt. Gerade eine solche Lehre der Kirche ermöglicht weitere dogmatische Entwicklungen und lässt sie hoffentlich schließlich Wirklichkeit werden.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Veli-Matti Kärkkäinen

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität Ein Essay zur ökumenischen Ekklesiologie* Einleitung: Der Disput über die Ekklesialität der Kirche Eine der Ironien der Kirchengeschichte besteht darin, dass sich die erste Kirche** der modernen Pfingstbewegung Apostolische Glaubensmission [Apostolic Faith Mission] (Azusa Street, Los Angeles, CA) nannte. Die Ironie dieser Bezeichnung liegt freilich darin, dass wenn es je irgendeinen Anspruch seitens der Pfingstbewegung – oder anderer Freikirchen – gegeben hat, den die traditionellen Kirchen vehement abgestritten haben, dies sicherlich der Anspruch auf Apostolizität ist. Per definitionem stellen freikirchliche Ekklesiologien, besonders aus der Sicht römisch-katholischer und östlich-orthodoxer Theologien, die Quintessenz dessen dar, was nicht apostolisch ist. In Bezug auf die Bedingungen für Ekklesialität unterscheiden sich episkopale1 und freikirchliche Traditionen (einschließlich der Pfingstbewegung) in drei Hauptpunkten voneinander : (1) Für die katholische und orthodoxe Tradition fehlt der freikirchlichen Ekklesiologie ein Bischof, um die Gegenwart Christi zu gewährleisten, während für die freikirchliche Tradition ein solcher Bischof nicht erlaubt ist. (2) Im episkopalen Modell ist die Gegenwart Christi sakramental vermittelt. Im Gegensatz dazu sprechen Freikirchen von Christi unvermittelter „direkter“ Gegenwart innerhalb der gesamten lokalen (Abendmahls-)Gemeinschaft. (3) Für die episkopale Tradition wird die Kirche durch die Ausführung objektiver Handlungen konstituiert, und die konstitutive Gegenwart Christi ist nicht an die subjektive Disposition gebunden, wenngleich letztere * Originalveröffentlichung: K•rkk•inen, Veli-Matti: Pentecostalism and the Claim for Apostolicity : An Essay in Ecumenical Ecclesiology. In: Evangelical Review of Theology 25, Nr. 4 (2001), S. 323 – 336. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Zeitschrift Evangelical Review of Theology. ** Kärkkäinen verwendet hier und auch sonst das englische Wort „church“, das als Übersetzung von „1jjkgs¸a“ sowohl „Versammlung“, als auch „Gemeinde“, aber auch „Kirche“ bedeuten kann und somit im deutschen Sprachgebrauch gerade bei der vorliegenden Thematik eine brisante Ambivalenz besitzt, s. die entsprechenden Nachschlagewerke. 1 Der Begriff „episkopal“ bezeichnet im allgemeinen theologischen Sinn alle Kirchen, die den Bischof als eine notwendige Bedingung für die Ekklesialität der Kirche betrachten.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität

431

nicht unwichtig ist. Die Freikirchen dagegen sind zu einer Betonung subjektiver Bedingungen gelangt, nämlich Glaube und Gehorsam. Das kann bis zu dem Punkt gehen, dass dort, wo diese fehlen, ein ernsthafter Zweifel in Bezug auf die Ekklesialität aufkommt, selbst dann, wenn die objektive Seite besteht.2 Weil die Apostolizität mit den anderen traditionellen „notae“ der Kirche in Beziehung steht – Heiligkeit, Einheit und Katholizität3 –, steht nichts weniger als die Grundlage der freikirchlichen Ekklesiologie auf dem Spiel. Die Apostolizität der Freikirchen ist unkatholisch, weil ihr die Anbindung an die Gesamtkirche in ihrer Geschichte fehlt, die – so die Behauptung der episkopalen Kirchen – durch die successio apostolica gewährleistet ist.4 Pfingstler und andere Freikirchen haben auf der Heiligkeit, Einheit, Apostolizität und Katholizität ihrer eigenen Kirchen bestanden, obwohl sie selten entlang klassischer Maßstäbe argumentiert haben. Freikirchen verstehen die Heiligkeit ihrer Kirche hauptsächlich im Sinne der Heiligkeit ihrer Mitglieder,5 die Einheit der Kirche im Sinne der „geistlichen Einheit“ aller wiedergeborenen Christen,6 die Apostolizität im Sinne der Treue zur apostolischen Lehre und des apostolischen Lebens,7 und die Katholizität als daraus folgende selbstevidente Tatsache.8

2 Volf, Miroslav : After Our Likeness: The Church as the Image of the Trinity. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1998 (Sacra Doctrina), S. 133 – 135 [überarbeitete aber nicht identische Fassung von Volf, Miroslav : Trinität und Gemeinschaft: Eine ökumenische Ekklesiologie. Mainz: Matthias Grünewald, 1996]. 3 So Congar, Yves M. J.: Die Wesenseigenschaften der Kirche. In: Feiner, Johannes; Lçhrer, Magnus (Hg.): Mysterium salutis: Grundriss heilsgeschichtlicher Dogmatik, Bd. 4/1: Das Heilsgeschehen in der Gemeinde. Einsiedeln: Benziger, 1972, S. 357 – 594, hier S. 362ff; Pannenberg, Wolfhart: Systematische Theologie, Bd. 3. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1993, S. 441; Oden, Thomas C.: Systematic Theology, Bd. 3: Life in the Spirit. San Francisco: Harper Collins, 1992, S. 349: „Die Apostolizität ist mit den anderen Kennzeichen der Kirche auf intrinsische Weise verwoben: Nur eine Kirche, die eins ist, kann katholisch sein. Nur eine Kirche, die in der einen Mission des einen Herrn geeint ist, kann apostolisch sein. Wenn die Heiligkeit fehlt, die dem Gehorsam des Glaubens angemessen ist, dann findet man weder Apostolizität noch Katholizität. Nur die Kirche, die durch die apostolische Erinnerung geformt ist kann in dem einem Leib mit dem Herrn geeint sein.“ S. a. Lossky, Vladimir: Concerning the Third Mark of the Churh: Catholicity. In: Erickson, John H.; Bird, Thomas E. (Hg.): In the Image and Likeness of God. Crestwood, NY: St. Vladimir’s Seminary Press, 1985, S. 169 – 182, hier S. 171. 4 S. Volf: After Our Likeness, S. 259 – 260. 5 S. z. B. Volfs kritische Diskussion zur freikirchlichen Ekklesiologie, dargestellt am ersten Baptisten John Smyth im kritischen Dialog mit katholischen (Joseph Kardinal Ratzinger) und östlich-orthodoxen (John Zizioulas) Ekklesiologien, Volf: After Our Likeness. 6 Zum pfingstlichen Verständnis der Einheit, s. z. B. K•rkk•inen, Veli-Matti: Spiritus Ubi Vult Spirat: Pneumatology in Roman Catholic-Pentecostal Dialogue (1972 – 1989). Helsinki: LutherAgricola-Society, 1998 (Schriften der Luther-Agricola-Gesellschaft 42), S. 314 – 323. 7 Zum pfingstlichen Verständnis s. z. B. ebd., S. 355. 8 S. z. B. Smyth, John: The Works of John Smyth, hg. v. William T. Whitley. Cambridge: Cambridge University Press, 1915, S. 745 und Flew, R. Newton; Davies, Rupert E. (Hg.): The Ca-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

432

Veli-Matti Kärkkäinen

Auf der anderen Seite haben Freikirchen wiederum den traditionellen Kirchen einen Mangel an Ekklesialität vorgeworfen. Ihre Heiligkeit sei durch die Gegenwart gemischter Mitgliedschaft beeinträchtigt, ihr Anspruch auf Apostolizität auf der Grundlage der apostolischen Sukzession sei biblisch unbegründet und so weiter. Zugleich haben Freikirchen die traditionellen Kirchen auch gefragt, wie hoch der Preis wäre, um in den Augen der älteren Kirchen eine entsprechende „Akkreditierung zu erwerben“. Würde dies aber nicht den totalen Verlust der eigenen Identität bedeuten?9 Um beispielsweise apostolisch zu werden, müssten sie Bischöfe in ihre Amtsstrukturen eingliedern. Doch würde dies nicht zu einem Widerspruch in sich führen?10 Es ist das Anliegen des vorliegenden Essays, einen kritischen Blick auf die Möglichkeiten und theologischen Bedingungen der Apostolizität in pfingstlichen Ekklesiologien zu werfen. Zuerst werde ich einen knappen Überblick zur aktuellen Debattenlage in der ökumenischen Theologie in Bezug auf Apostolizität geben (ein ziemlich kompliziertes Thema, das sowohl mit praktischen, als auch theoretischen Disputen belastet ist). Zweitens werde ich danach fragen, welche „apostolischen Wurzeln“ und Neigungen sich in der pfingstlichen Ekklesiologie finden lassen, wenn diese mit einer traditionellen römisch-katholischen Perspektive verglichen wird. Seit 1972 stehen Pfingstler auf internationaler Ebene im theologischen Dialog mit römisch-katholischen Gesprächspartnern, in dem eines der behandelten Topoi die Apostolizität samt der daran angrenzenden Themen ist. Wir können somit auf einiges ökumenisches Material zurückgreifen. Drittens möchte ich sieben Thesen über ein ökumenisches Verständnis des Apostolizitätsbegriffs vorstellen, die eine Auffassung umreißen, der sich alle christliche Kirchen meines Erachtens anschließen können, und werde danach fragen, welche möglichen Implikationen aus diesen Aussagen folgen. Zum Abschluss dieses Essays werde ich den Schwerpunkt auf die am umstrittenste Frage von allen legen, namentlich auf die Frage nach der apostolischen Sukzession, und alternative Lösungen zu diesem Problem in den Blick nehmen.

tholicity of Protestantism, Being a Report Presented to His Grace the Archbishop of Canterbury by a Group of Free Churchmen. London: Lutterworth, 1950. 9 Zum Thema Freikichenidentität s. K•rkk•inen, Veli-Matti: On Free Churches, Identity in Ecumenical Context: Pentecostalism as a Case Study. In: MID-STREAM: The Ecumenical Movement Today (im Erscheinen). 10 Vgl. Volf: After Our Likeness, S. 260, man beachte im Hinblick auf die Katholizität: „Eine katholische Freikirche ist eine contradictio in adjecto; sie versteht sich als frei gerade von den Bezügen, die sie in das Ganze einbinden und so erst katholisch machen würde.“

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität

433

Die Apostolizität im aktuellen ökumenischen Kontext11 Apostolizität ist ein komplexes Konzept. Selbst im Neuen Testament findet sich nicht die eine Auffassung davon, was einen Apostel ausmacht, wohl aber unterschiedliche Andeutungen.12 James D. G. Dunn hat die These vertreten, dass es bereits im Neuen Testament ein „Auseinanderlaufen“ zwischen den verschiedenen Orientierungen gab, etwa zwischen denen, die für eine enthusiastische charismatische Spiritualität plädierten, und denen, die hingegen auf das Amt setzten.13 In Bezug auf die Apostolizität scheint Paulus die Gründung neuer Ortskirchen als das Wesen der Apostolizität zu betrachten (1Kor 9,1 f.) und kann folglich von jeder Ortskirche sagen, dass sie ihre (eigenen) Apostel hat (1Kor 12,27 f.). In der Apostelgeschichte wurde dagegen das, was als Apostolizität gilt, exklusiv auf der Grundlage eines Auftrags vom auferstandenen Christus in der begrenzten Zeit seiner Auferstehungserscheinungen bestimmt (Apg 1,21ff, vgl. 1Kor 5,8).14 In zeitgenössischen Diskussionen der Idee der apostolischen Sukzession hat sich die Einsicht etabliert, dass das Hauptproblem die Sukzession in der Lehre und im Glauben der Apostel darstellt, und es sich nur sekundär um eine Frage der Amtssukzession handelt.15 Laut der gemeinsamen lutherisch/römisch11 Ein aktueller Überblick zur Apostolizität, wie sie in vielen internationalen ökumenischen Dokumenten ausgeführt wird, findet sich in O’Gara, Margaret: Apostolicity in Ecumenical Dialogue. In: Mid-Stream 37, Nr. 2 (1998), S. 175 – 212. 12 S. weiterführend Schnackenburg, Rudolf: Apostolizität: Stand der Forschung. Theologische Studien einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und dem Ökumenischen Rat der Kirchen. In: Groscurth, Reinhard (Hg.): Katholizität und Apostolizität. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1971 (Kerygma und Dogma: Beihefte 2), S. 51 – 73 und Garijo-Guembe, Miguel Mar†a: Communion of the Saints: Foundation, Nature, and Structure of the Church. Collegeville, MN: Liturgical Press, 1994, S. 29 ff. 13 S. weiterführend Dunn, James D. G.: Unity and Diversity in the New Testament: An Inquiry into the Character of Earliest Christianity. SCM Press, 1991, insbes. Kap. 9 und Dunn, James D. G.: The Parting of the Ways: Between Christianity and Judaism and Their Significance for the Character of Christianity. London: SCM Press, 1991, S. 260 – 280. 14 Dunn: The Partings of the Ways, S. 273. 15 Bericht der Evangelisch-lutherisch/Römisch-katholischen Studienkommission „Das Evangelium und die Kirche“, 1972 („Malta-Bericht“). In: Meyer, Harding u. a. (Hg.): Dokumente wachsender Übereinstimmung: Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene, Bd. 1: 1931 – 1982. 2. neubarb. Aufl. Paderborn: Bonifatius, 1983, S. 248 – 271, hier Abs. 60 – 61; Pannenberg: Systematische Theologie, Bd. 3, S. 439 f. und Taufe, Eucharistie und Amt: Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen, 1982 („Lima-Dokument“). In: Meyer, Harding u. a. (Hg.): Dokumente wachsender Übereinstimmung: Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene, Bd. 1: 1931– 1982. 2. neubarb. Aufl. Paderborn: Bonifatius, 1983, S. 545 – 585, hier Abschn. „Amt“, III, Abs. 34 – 36. S. a. Congar: Die Wesenseigenschaften der Kirche, S. 557ff und Schlink, Edmund: Ökumenische Dogmatik: Grundzüge. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1983, S. 614 – 622 und Congar, Yves: I Believe in the Holy Spirit, Bd. 2. New York: Crossroad, 1997 (Milestones in Catholic Theology), S. 39. Pannenberg bemerkt, dass die

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

434

Veli-Matti Kärkkäinen

katholischen Studienkommission ist die Kirche insofern apostolisch, als sie im apostolischen Glauben bleibt; das Kriterium ist das apostolische Zeugnis, d. h. die apostolische Lehre des Evangeliums.16 Aus pfingstlicher Perspektive ist es interessant festzustellen, dass sich laut diesem Papier der Auftrag der Kirche, der auf die Apostel zurückgeht, „durch eine Vielfalt von Charismen“ vollzieht.17 Zusätzlich definiert das Papier die stark umstrittene Frage der apostolischen Sukzession in konziliaren Begriffen: „Die Grundintention der Lehre von der apostolischen Sukzession ist es, daß die Kirche in allem geschichtlichen Wandel ihrer Verkündigung und ihrer Strukturen zu jeder Zeit an ihren apostolischen Ursprung verwiesen ist.“18 Das ökumenische Konsenspapier „Taufe, Eucharistie und Amt“ bietet uns die detaillierteste konziliare Skizze von Apostolizität. Laut diesem Dokument bedeutet apostolische Tradition (der Begriff, den das Papier bevorzugt): […] Kontinuität in den bleibenden Merkmalen der Kirche der Apostel:19 Bezeugung des apostolischen Glaubens, Verkündigung und neue Interpretation des Evangeliums, Feier der Taufe und der Eucharistie, Weitergabe der Amtsverantwortung, Gemeinschaft in Gebet, Liebe, Freude und Leiden, Dienst an den Kranken und Bedürftigen, Einheit unter den Ortskirchen und gemeinsame Teilhabe an den Gaben, die der Herr jeder von ihnen geschenkt hat.20

Diese Definition ist hilfreich, da ihr Schwerpunkt auf der Spiritualität und dem Dienst [ministry]* liegt, statt auf quasi-juristischen Auffassungen der Amtsbzw. Ämtersukzession. Sie schließt das gesamte Volk Gottes ein und beinhaltet darüber hinaus sogar eine diakonische Dimension. Im Neuen Testament findet sich ein wesentlicher Aspekt der Apostolizität, der sowohl in der Geschichte als auch in modernen Zeiten zu oft vernachlässigt worden ist, nämlich die pneumatologische und charismatische Qualität

16 17 18 19

20 *

Amtssukzession, die durch die von Trägern eines höheren kirchenleitendes Amts vollzogene Ordination erfolgt, ein Zeichen darstellt, das die Einheit der gesamten Kirche im apostolischen Glauben zum Ausdruck bringt, weil ordinierte Amtsträger die gesamte Kirche Christi repräsentieren, samt ihrer Befähigung, den Auftrag, den die Apostel von Jesus Christus selbst empfangen haben, weiterzugeben (Pannenberg: Systematische Theologie, Bd. 3, S. 439 f.). Aufgrund einer anderen Ordinationstheologie verbinden Freikirchen Ordination und Apostolizität nicht auf diese Weise. Bericht der Evangelisch-lutherisch/Römisch-katholischen Studienkommission, Abs. 52. Ebd., Abs. 53. Ebd., Abs. 57 [Hervorhebung V.-M. K]. Vgl. die Definition, die der katholische Theologe Christopher O’Donnell gibt (Ecclesia: A Theological Encyclopedia of the Church. Collegeville, MN: Liturgical Press, 1996, S. 19): „Eine weite Beschreibung von Apostolizität lautet, in Harmonie und (Abendmahls-)Gemeinschaft mit der apostolischen Kirche von Anfang an zu sein.“ Taufe, Eucharistie und Amt, S. Abschn. „Amt“, III, Abs. 34. Zum englischen Begriff “ministry” ist anzumerken, dass dieser sowohl mit „Dienst“ als auch mit „Amt“ übersetzt werden kann. Wo dies weniger eindeutig als hier ist, haben sich die Übersetzer tendenziell für die wörtlichere Übersetzung „Dienst“ entschieden, da diese mit Kärkkäinens freikirchlichem Hintergrund kongruiert.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität

435

der Apostolizität. Eigentlich ist das Apostolizitätskonzept des Neuen Testaments stärker pneumatologisch und charismatisch geladen, als es für uns aus den meisten historischen oder gar moderneren Betrachtungen ersichtlich wird. Die Geburt der christlichen Kirche geht auf die Ausgießung des Geistes zurück. Die ersten Apostel dienten in der Kraft des Geistes und der Schwerpunkt der Gottesdienste der frühen Kirche war die Vermittlung des Geistes und einer Geist-erfüllten Erfahrung. Der katholische Theologe F. A. Sullivan ist einer der Vertreter der traditionellen Kirchen, der enthusiastisch für ein pneumatologisches Apostolizitätskonzept plädiert hat.21 Der orthodoxe Theologe Vladimir Lossky schließt sich dem an, wenn er sagt, dass die Apostolizität „der Kraft des […] Geistes innewohnt, der den Aposteln durch den Atem Christi eingeflößt ist und an ihre Nachfolger übermittelt wurde“ (Apg 20,28).22 Der Lutheraner Edmund Schlink wählt Paulus’ Lehre von den Charismen als Ausgangspunkt dafür, was er zur Beziehung zwischen Charismen und apostolischem Dienst zu sagen hat. Er behandelt den apostolischen Dienst bevor er zur Diskussion der Charismen kommt.23 Er betont, dass nach 1Kor 12,28 dieser Dienst selbst ein Charisma ist, und hält es für keinen Zufall, dass gerade dieses Charisma zuerst genannt wird. Die Apostel waren kirchengründende Charismatiker.24 Eine Weise, auf der sie ihren charismatischen Dienst ausübten, war die Krankenheilung, wie sie beispielsweise in Mk 6,12 – 13 erklärt wird.25 Es ist das Vermächtnis der pfingstlichen und charismatischen Bewegungen, die weltweite Kirche an diesen entscheidenden Teil der neutestamentlichen Apostolizität zu erinnern.26 Daneben gibt es auch eine ausdrückliche missionarische Orientierung im Neuen Testament und in neueren Ansätzen zur Apostolizität. Die Kirche ist „apostolisch, weil sie im Wesentlichen in Kontinuität zum ursprünglichen Zeugnis der Apostel des 1. Jahrhunderts steht.“27 Das, was das ursprünglich Apostolische darstellt, ist die Sendung zum Zeugnis von der universalen und definitiven Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus.28 Die Apos-

21 Sullivan, Francis A.: The Church We Believe in: One, Holy, Catholic and Apostolic. Dublin: Gill & Macmillan, 1988, S. 185 – 197. 22 Lossky : Concerning, S. 172. 23 Schlink: Ökumenische Dogmatik, S. 591 ff. 24 Ebd., S. 598. 25 S. weiterführend Pannenberg: Systematische Theologie, Bd. 3, S. 300 f. und Belege. 26 S. weiterführend Dunn: Unity and Diversity, Kap. 9. 27 Fahey, Michael A.: Church. In: Fiorenza, Francis S.; Galvin, John P. (Hg.): Systematic Theology : Roman Catholic Perspectives, Bd. 2. Minneapolis, MN: Fortress Press, 1991, S. 1 – 74, hier S. 43. 28 Repräsentativ für den jüngsten ökumenischen Dialog, s. z. B. Bericht der Anglikanisch/Lutherischen Konsultation über Episkop¦, 1987 („Niagara-Bericht“). In: Meyer, Harding u. a. (Hg.): Dokumente wachsender Übereinstimmung: Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene, Bd. 2: 1982 – 1990. Paderborn: Bonifatius, 1992, S. 62 – 91. Ich verdanke diesen Hinweis O’Gara: Apostolicity in Ecumenical Dialogue, S. 195.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

436

Veli-Matti Kärkkäinen

tolizität der Kirche ist letztendlich in Gottes Weltmission begründet.29 Darum bedeutet die Apostolizität der Kirche in erster Linie, dass die Aussendung der Apostel zur gesamten Menschheit durch die Kirche fortgesetzt wird. Die Aufgabe der Mission ist nicht mit dem apostolischen Zeitalter zu Ende gegangen.30 Zur Fortsetzung der apostolischen Mission gehört die Treue zu den apostolischen Anfängen, besonders zum apostolischen Evangelium.31 Darum ist in den jüngsten Diskussionen die Betonung auf die Lehre und weniger auf das Amt gelegt worden. Apostolizität ist jedoch ein zweiseitiges Konzept. Auf der einen Seite muss es Treue zur Tradition geben, da wir sonst jegliches Kriterium der Unterscheidung zwischen wahr und falsch verlieren. Auf der anderen Seite ist die Kirche im „authentischen Sinne apostolisch […], wenn sie als missionarische Kirche die Bereitschaft zur Veränderung hergebrachter Denk- und Lebensformen bewahrt und sich immer wieder von ihrem Ursprung her erneuert“.32 Daher ist Apostolizität eine dynamische Realität.33 Im Endeffekt ist die Apostolizität, ebenso wie die übrigen notae ecclesiae, neben allem anderen auch Gegenstand des Glaubens. Laut Gerhard Ebeling, dem Pannenberg zustimmend folgt, „muss die Apostolizität so betont hervorgehoben werden, weil man allzu sehr spürt, wie die Kirche von ihrem apostolischem Ursprung fortgerissen wird und in eine unbestimmte Zukunft hineintreibt.“34 Zuallererst ist die Behauptung, dass die Kirche apostolisch sei, 29 Wainwright, Geoffrey : Doxology : The Praise of God in Worship, Doctrine, and Life: A Systematic Theology. New York: Oxford University Press, 1980, S. 135. 30 Diese missionarische Ausrichtung der Apostolizität wurde z. B. im Clemensbrief hervorgehoben, der auf 96 n. Chr. datiert wird. 31 Pannenberg, Wolfhart: Die Bedeutung der Eschatologie für das Verständnis der Apostolizität und der Katholizität der Kirche. In: Ders.: Ethik und Ekklesiologie: Gesammelte Aufsätze. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1977, S. 219 – 240, hier S. 222ff und Pannenberg: Systematische Theologie, Bd. 3, S. 442 f. In den Anfängen der Kirche bewahrte die Autorität der Apostel die Kirchen in ihrem Glauben. Nach deren Tod war die Kirche im Hinblick auf die Wahrheit der Verkündigung auf die apostolischen Lehren angewiesen; s. weiterführend Roloff, Jürgen: Apostel/Apostolat/Apostolizität: I. Neues Testament. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 3: Anselm von Laon – Aristoteles/Aristotelismus. Berlin: de Gruyter, 1995, S. 430 – 445. Zur historischen Entwicklung, s. Pannenberg: Systematische Theologie, Bd. 3, S. 412 ff. 32 Pannenberg: Systematische Theologie, Bd. 3, S. 443. Zur missionarischen Dimension der Apostolizität, s. weiterführend Garijo-Guembe: Communion of the Saints, S. 31 – 36. 33 Dies wurde im Dialog zwischen der Weltallianz der Reformierten Kirchen und der römischkatholischen Kirche festgehalten, s. Reformiert/Römisch-katholischer Dialog: Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis der Kirche: Internationaler reformiert/katholischer Dialog, Zweite Phase 1984 – 1990. In: Meyer, Harding u. a. (Hg.): Dokumente wachsender Übereinstimmung: Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene, Bd. 2: 1982 – 1990. Paderborn: Bonifatius, 1992, S. 623 – 673, hier Abs. 116, demzufolge, Apostolizität eine „lebendige Realität ist, die die Kirche zugleich in Gemeinschaft mit ihrer lebendigen Quelle erhält und es ihr ermöglicht ihre Jugend beständig zu erneuern, um so das Reich zu erreichen“. Ich verdanke diesen Hinweis O’Gara: Apostolicity in Ecumenical Dialogue, S. 202. 34 Pannenberg: Systematische Theologie, Bd. 3, S. 445, der hier Ebeling, Gerhard: Dogmatik des

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität

437

eschatologisch zu verstehen.35 Folglich ist die Apostolizität Teil eines Gebets, das sich danach sehnt und darauf hofft, dass die Kirche tatsächlich das werde, wozu sie kraft ihrer erhabenen Berufung erwählt ist.36 Die Apostolizität der Kirche in den Begriffen der apostolischen Mission zu verstehen, weist über jede historische Gegenwart hinaus auf die eschatologische Vollendung der Welt.37 Die apostolische Mission der Kirche zielt auf eine Erneuerung der gesamten Menschheit im Reich Gottes, eine Erneuerung, die mit der Ankunft und dem Kreuz Jesu von Nazareth bereits begonnen hat.38 Wie auch immer das Apostolizitätsverständnis in einer gegebenen Zeit aussehen mag, es sollte unmissverständlich klar sein, dass Apostolizität ursprünglich, mehr als jedes der anderen Kennzeichen der Kirche (Einheit, Katholizität und Heiligkeit), nicht zur polemischen oder apologetischen Nutzung intendiert ist, also nicht um die Überlegenheit einer Kirche gegenüber einer anderen zu beweisen, oder daraus abzuleiten, dass eine bestimmte Kirche mehr Einheit, Heiligkeit und Katholizität besitzt.39

35

36 37 38 39

christlichen Glaubens, Bd. 3: Der Glaube an Gott den Vollender der Welt. Tübingen: Mohr, 1979, S. 369 – 375, hier 369 f. zitiert. Zu einer östlich-orthodoxen Perspektive, s. Zizioulas, Jean D.: Being as Communion: Studies in Personhood and the Church. Crestwood, NY: St. Vladimir’s Seminary Press, 1985, Kap. 5. Hier wird zwischen „historischen“ und „eschatologischen“ Ansätzen zur Apostolizität unterschieden und eine Synthese versucht. Fahey : Church, S. 42 – 43, genauso auch O’Donnell: Ecclesia, S. 19. Die integrale Beziehung zwischen Mission und Eschatologie im Apostolizitätsverständnis ist deutlich dargestellt in Pannenberg, Wolfhart: Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie. In: Theologische Literaturzeitung 94, Nr. 2 (1969), S. 97 – 111. Pannenberg: Systematische Theologie, Bd. 3, S. 443 f. Dies bringt die Porvooer gemeinsame Feststellung treffend zum Ausdruck, wenn darin festgestellt wird, dass die Kirche als ganze apostolisch ist und „die primäre Manifestation apostolischer Sukzession in der apostolischen Tradition der Kirche als Ganzes zu finden“ ist, s. Die Porvooer gemeinsame Feststellung, 1992: Britische und Irische Anglikanische Kirchen und Nordische und Baltische Lutherische Kirchen. In: Meyer, Harding u. a. (Hg.): Dokumente wachsender Übereinstimmung: Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene, Bd. 3: 1990 – 2001. Paderborn: Bonifatius, 2002, S. 749 – 777, hier S. 37, insbes. Abs. 39. In diesem Sinne ist Karl Rahners Argumentation in Bezug auf die Apostolizität (Rahner, Karl: Grundkurs des Glaubens: Studien zum Begriff des Christentums, hg. v. Nikolaus Schwerdtfeger ; und Albert Raffelt. Zürich: Benziger, 1999 (Sämtliche Werke 26), S. 363 – 365), derzufolge die römisch-katholische Kirche eine größere Kontinuität zur Urkirche als jede andere christliche Gemeinschaft aufweist, ökumenisch fruchtlos; s. a. Pottmeyer, Hermann J.: Die Frage nach der wahren Kirche. In: Kern, Walter ; Pottmeyer, Hermann J.; Seckler, Max (Hg.): Handbuch der Fundamentaltheologie, Bd. 3: Traktat Kirche. Freiburg: Herder, 1986, S. 212 – 241.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

438

Veli-Matti Kärkkäinen

Die Frage der Apostolizität im römisch-katholisch/pfingstlichen Dialog Seit 1972 führen die beiden zur Zeit größten christlichen Familien (römischkatholische und pfingstliche Christen) auf internationaler Ebene gemeinsame Gespräche miteinander.40 Dieser Dialog, der eine Übung an den Außenposten der Ökumene darstellt, widmete sich während des ersten Quinquenniums (1972 – 1978) dem Thema der Apostolizität. Dies war das erste Mal in der Geschichte der modernen ökumenischen Bewegung, dass eine Freikirche zum Thema Apostolizität in einen ernsthaften Dialog mit einer etablierten Kirche getreten ist, für welche die Apostolizität eine entscheidende ekklesiologische Affirmation ist. Es ist bedeutsam, dass der Dialog sich „auf die Frage [konzentriert], wie das Amt in der Kirche das Amt der Apostel fortführt.“41 Unabhängig davon, welche Differenzen es zwischen katholischen und pfingstlichen Ekklesiologien geben mag, besteht auf beiden Seiten eine fundamentale Verpflichtung zur Vorstellung der „einen heiligen katholischen apostolischen Kirche“, die aus allen Gläubigen besteht (vgl. Eph 4,4 – 6).42 Bevor wir uns einige Details dieser gemeinsamen Gesprächsrunden ansehen, ist es wichtig anzumerken, dass das Thema Apostolizität der Pfingstbewegung nicht unbedingt fremd ist. Es mag für fachunkundige Beobachter der

40 Zu Hintergrund und Themen, s. K•rkk•inen: Spiritus Ubi Vult Spirat: Pneumatology in Roman Catholic-Pentecostal Dialogue (1972 – 1989), Kap. 2 und K•rkk•inen, Veli-Matti: Ad Ultimum Terrae: Evangelization, Proselytism and Common Witness in the Roman Catholic Pentecostal Dialogue (1990 – 1997). Frankfurt am Main: Lang, 1999 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 117), Kap. 2. Eine Zusammenfassung findet sich in K•rkk•inen, Veli-Matti: “An Exercise on the Frontiers of Ecumenism”: Almost Thirty Years of Roman Catholic-Pentecostal Dialogue. In: Exchange 29, Nr. 2 (2000), S. 156 – 171. Zu neueren Einschätzungen, s. McDonnell, Kilian: Improbable Conversations: The International Classical Pentecostal/Roman Catholic Dialogue. In: Pneuma 17, Nr. 2 (1995), S. 163 – 174; McDonnell, Kilian: Five Defining Issues: The International Classical Pentecostal/Roman Catholic Dialogue. In: Pneuma 17, Nr. 2 (1995), S. 175 – 188 und Hollenweger, Walter J.: Roman Catholics and Pentecostals in Dialogue. In: Ecumenical Review 51, Nr. 2 (1999), S. 147 – 159. 41 Schlussbericht des Dialogs zwischen dem Sekretariat für die Einheit der Christen der RömischKatholischen Kirche und einigen klassischen Pfingstlern, 1977 – 1982. In: Baumert, Norbert; Bially, Gerhard (Hg.): Pfingstler und Katholiken im Dialog: Die vier Abschlussberichte einer internationalen Kommission aus 25 Jahren. Düsseldorf: Charisma-Verlag, 1999, S. 17 – 35, hier Abs. 77. 42 Perspektiven der Koinonia: Bericht von der dritten Fünf-Jahres-Reihe des Dialogs zwischen dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen der Römisch-Katholischen Kirche und einigen klassischen Pfingstkirchen und deren Leitern, 1985 – 1989. In: Baumert, Norbert; Bially, Gerhard (Hg.): Pfingstler und Katholiken im Dialog: Die vier Abschlussberichte einer internationalen Kommission aus 25 Jahren. Düsseldorf: Charisma-Verlag, 1999, S. 35 – 58, hier Abs. 34.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität

439

Pfingstbewegung überraschend sein, dass die Vorstellung von Apostolizität regelrecht in den Wurzeln der Pfingstbewegung verankert ist.43 Die folgenden Worte bilden die Präambel zum pfingstlichen Selbstverständnis der eigenen Theologie und Mission. Sie stammen aus dem Jahr 1906 – der Geburtsstunde der weltweiten Bewegung: DIE APOSTOLISCHE GLAUBENSBEWEGUNG [THE APOSTOLIC FAITHMOVEMENT] steht für die Wiederherstellung des ein für allemal den Heiligen überlieferten Glaubens – der Wiederherstellung der althergebrachten Religion [old-time religion], Zeltversammlungen, Erweckungen, Missionen, Straßen- und Gefängnisarbeit und der christlichen Einheit [Christian Unity] an jedem Ort.44

Es gibt etliche Elemente in dieser Präambel, die einen genaueren Blick erfordern. Zunächst bezieht sich der Name der Bewegung selbst „Die Apostolische Glaubensbewegung“ [The Apostolic Faith Movement] deutlich auf den Wunsch, „zu Pfingsten zurückzukehren“45, und zwar zu dem Pfingsten aus der Zeit der Apostel, wie es in Apg 2 aufgezeichnet ist. Sie verweist auch auf den Vorrang, den der ursprünglichen Religion [primitive religion] zugebilligt wird.46 Diese anfängliche Benennung brachte zahlreiche andere Titel von 43 Die detaillierteste Erörterung der pfingstlichen Apostolizität stellt der Vortrag des pfingstlichen Ko-Vorsitzenden des römisch-katholisch/pfingstlichen Dialogs Cecil M. Robeck dar : Robeck, Cecil M. Jr.: A Pentecostal Perspective on Apostolicity. Vortrag: Faith and Order, National Council of Churches, Consultation on American Born Churches, Tulsa, OK, März 1992. 44 The Apostolic Faith 1/1 (09.1906), S. 2.1. Für eine hilfreiche Abhandlung des Themas Apostolizität und daran angrenzende Themen, s. Sheppard, Gerald T.: The Nicean Creed, Filioque, and Pentecostal Movements in the United States. In: Greek Orthodox Theological Review 31, Nr. 3 – 4 (1986), S. 401 – 416. [Die Präambel findet sich zu Beginn der zweiten Seite sämtlicher Ausgaben der Apostolic Faith: „THE APOSTOLIC FAITH MOVEMENT Stands for the restoration of faith once delivered unto the saints, the old time religion, camp meetings, revivals, missions, street and prison work and Christian Unity everywhere“. Der Text ist durchweg mit biblischen Phrasierungen gebildet, die aus der King James Version und dem sich daraus speisenden Predigt- und Liedgut der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts stammen, z. B. Jud 3 und Jak 1,26 f. u. a.] 45 Vgl. Macchia, Frank D.: The Church as an End-Time Missionary Fellowship of the Spirit: A Pentecostal Perspective on the Significance of Pneumatology for Ecclesiology. Vortrag: Pentecostal/National Council of Churches Dialogue, Oakland, CA, 12. März 1997, S. 20 – 21, der feststellt, dass Bewegungen wie die Pfingstbewegung versuchten, einen „direkten Zugang zur Kirche der Apostel durch die Mediation des Heiligen Geistes zu entdecken“. Dies impliziert freilich, dass eine „Mediation“ durch etwaige andere Vermittler neben dem Heiligen Geist (z. B. Sakramente) nicht als „apostolisch“ betrachtet wurde. Newbigin, Lesslie: Von der Spaltung zur Einheit: Ökumenische Schau der Kirche, übers. v. Arthur Graf; und Wolfgang Metzger. Stuttgart: Evangelischer Missionsverlag, 1956, Kap. 4 stimmt darin zu, wenn er die These vertritt, dass das pfingstliche Kirchenverständnis weder durch Wort, noch durch Sakrament, sondern durch die direkte Erfahrung des Heiligen Geistes, vermittelt ist. Darin glaubte man den frühen Jünger und Nachfolger Jesu zu folgen, die eben diese Erfahrung teilten, s. a. Hocken, Peter: Church, Theology of the. In: Burgess, Stanley M.; McGee, Gary B. (Hg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1998, S. 211 – 218, hier S. 217. 46 Robeck: Pentecostal Perspective, S. 1 – 2.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

440

Veli-Matti Kärkkäinen

Kirchen, Bewegungen und Veröffentlichungen hervor, die sich genauso nannten.47 Es ist ebenfalls bemerkenswert, dass selbst heute etliche pfingstliche Bewegungen auf der ganzen Welt unter dem Namen „apostolisch“ bekannt sind, etwa in Afrika und Osteuropa.48 Das Beharren auf dem apostolischen Wesen der Kirche implizierte eine restaurationistische Vision, „[…] leblose Formen und Glaubensbekenntnisse und wilden Fanatismus [existierender Kirchen] durch lebendiges praktisches Christentum abzulösen“.49 Der Satz „Steht für die Wiederherstellung des ein für allemal den Heiligen überlieferten Glauben“ (aus Jud 3) suggeriert deutlich, dass hierbei an den apostolischen Glauben gedacht wurde und man von einem gewissen Wissenskanon ausging, der diesen apostolischen Glauben konstituierte. Dies könnte anhand von Erklärungen zur (1) Rechtfertigung, (2) Heiligung, (3) Geisttaufe und (4) Heilung zusammengefasst werden.50 Darüber hinaus (und das ist ökumenisch betrachtet von höchster Bedeutung), enthält diese Erklärung die Essenz des Bekenntnisses zur „einen heiligen katholischen apostolischen Kirche“,51 obwohl Pfingstler die Sprache der Glaubensbekenntnisse älterer Kirche nicht allzu oft gebrauchen.52 Robeck fasst die Hauptelemente dieser Verpflichtung zum apostolischen Glaubensbekenntnis auf der Grundlage der zitierten Präambel wie folgt zusammen: Die explizite Verpflichtung zur „Einheit der Christen“ und ihr aufrichtiges Anerkennen der eigenen Rolle als Restaurationsbewegung innerhalb der Kirche deutet auf ihre Bejahung der Einheit der Kirche. Die Identifikation mit ihren Wurzeln in der Wesleyanischen Heiligungsbewegung, die in den Bezügen zur althergebrachten Religion und zu den „Zeltversammlungen“ samt deren tiefer Hingabe zu einer persönlichen Heiligung zur Sprache kommt, unterstreicht ihren Glauben an die Heiligkeit der Kirche und ihre Auswirkung auf das persönliche Leben jedes individuellen Christen. Ihre Erkenntnis, dass die Kirche, deren Teil die „Apostolische Glaubensbewegung“ [Apostolic Faith Movement] war, „an jedem Ort“ zu finden war, ist eine 47 Z. B. The Apostolic Herald; The Apostolic Messenger; The Apostolic Witness. 48 S. mehrere Einträge unter dem Begriff „Apostolic“ bei Burgess, Stanley M.; McGee, Gary B.: Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1993. 49 The Apostolic Faith 1/1 (09.1906), S. 2.1. 50 The Apostolic Faith 1/1 (09.1906), S. 2.1., unter der Überschrift „The Apostolic Faith Movement“. Diese Erklärungen waren stets von einer kurzen apologetischen Anmerkung begleitet, die dazu dienen sollte, jeglichen Vorwurf des Sektierertums zu entschärfen, der gegen die Bewegung erhoben würde. 51 Perspectives on Koinonia: The Report from the Third Quinquennium of the Dialogue Between the Pontificial Council for Promoting Christian Unity and Some Classical Pentecostal Churches and Leaders 1985 – 1989. In: Information Service 75, Nr. 4 (1990), S. 179 – 191, hier Abs. 34. 52 Robeck: Pentecostal Perspective, S. 2 – 3 stellt fest, dass wenngleich Pfingstler Glaubensbekenntnissen im Allgemeinen ablehnend gegenüber standen, dadurch nicht die Wahrheiten, die das Glaubensbekenntnis hochhalten und bewahren sollte, abgelehnt wurden, sondern die Vorstellung dass das Glaubensbekenntnis für diese Aufgabe hinreichend war. Wichtiger als das Glaubensbekenntnis war die Schrift und – in manchen Fällen – die mit der Schrift in Einklang stehende Erfahrung.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität

441

explizite Bejahung der Katholizität der Kirche. Und die Selbstbezeichnung als die „Apostolische Glaubensbewegung“ [Apostolic Faith Movement] ist ausreichend, um eine gewisse Art der Verpflichtung an das apostolische Wesen der Kirche zu demonstrieren, sowie das ernsthafte Anliegen, zu einem wiederhergestellten oder verbessertem apostolischen Charakter der Kirche beizutragen.53

Die Formulierung des pfingstlichen Verständnisses von Apostolizität ist auch insofern wichtig, weil es über Glaubensfragen im Sinne von Lehre, Bekenntnis und Theologie hinausgreift und Fragen der Wirkmacht und der Praxis umfasst. Das ist der Kern einer „lebendigen, christlichen Praxis“;54 das, was im Endeffekt als höchstes Kriterium galt, waren somit nicht irgendwelche Formulierungen des Glaubens, sondern die Lebenspraxis des apostolischen Evangeliums. Diese knappe Betrachtung zur Apostolizität aus einer pfingstlichen Perspektive lässt erkennen, dass die Essenz der Apostolizität darin besteht, zum Glauben und zur Erfahrung der apostolischen Zeiten zurückzukehren und dies auf eine Weise zu leben, die konsistent mit der Kirche des Neuen Testaments ist. Darin liegt auch eine starke missionarische Orientierung. Obwohl sich diese Formulierung der Pfingstbewegung erheblich von der römischkatholischen unterscheidet, lässt sich ein gemeinsamer Nenner beobachten: Das höchste Kriterium ist die „Kontinuität bzw. Konsistenz“ mit den Anfängen der Kirche, d. h. mit der apostolischen Zeit. Ohne auf künstliche Weise den Unterschied in der Bestimmungsmethode dieses Kriteriums herunterspielen zu wollen, könnte man vielleicht behaupten, dass beiden Traditionen eine gemeinsame Intention zugrunde liegt, die demselben Zweck dient. Beide, sowohl die römisch-katholische als auch die pfingstliche Seite, glauben, dass die Kirche in Kontinuität zu den neutestamentlichen Aposteln und ihrer Verkündigung sowie zur apostolischen Kirche lebt. Dies zeigt sich primär in der Treue zur apostolischen Lehre.55 Es gibt jedoch einen subtilen Unterschied desbezüglich, wie diese beiden Traditionen die Kirchengeschichte betrachten. Während Pfingstler unter dem Einfluss von restaurationistischen Perspektiven die Kontinuität zur Kirche im Neuen Testament dadurch beansprucht haben, dass sie eine Diskontinuität zu großen Teilen der historischen Kirche vertreten, tendierte die katholische Seite dazu, die Sukzession im Einklang mit den Linien der Kirchengeschichte zu betonen, die mit dem Neuen Testament beginnt.56 „Durch die Übernahme dieser beiden Positionen – die eine der Kontinuität, die andere der Diskontinuität – hat jede der beiden Traditionen versucht, ihre jeweilige Treue zum apostolischen Glauben, ,der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist‘ (Jud 3), zu beweisen.“57 Weder 53 54 55 56 57

Ebd., S. 2. [Hervorhebung V.-M. K.] Ebd., S. 14. Schlussbericht, Abs. 88. Perspektiven der Koinonia, Abs. 107 f. Ebd., Abs. 108. Der Text fährt fort: „Die Bedeutung dieser Frage für das Wohlergehen der ganzen

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

442

Veli-Matti Kärkkäinen

Pfingstler noch römisch-katholische Christen erheben den Anspruch, dass „Kontinuität in der Geschichte an sich eine Garantie für geistliche Reife oder lehrmäßige Reinheit ist.“58 Der Hauptunterschied besteht in der Weise, wie die Treue zur Apostolizität gewährleistet wird. Für römisch-katholische Christen ist die Sukzession der Bischöfe in einer ordnungsgemäßen Übergabe des Dienstes durch die Geschichte hindurch sowohl Gewährleistung als auch Kundgebung dieser Treue.59 Pfingstler halten die gegenwärtige Dynamik des Geistes für eine Bestätigung des apostolischen Glaubens und Dienstes, die gültiger ist, als eine ungebrochene Linie episkopaler Sukzession. Für eine Authentifizierung des apostolischen Dienstes würden Pfingstler auf das apostolische Leben und die Kraft der Verkündigung, die zu Bekehrungen zu Jesus Christus führt, blicken.60 Der Pfingstler H. D. Edwards beleuchtet, inwiefern die Frage der episkopalen Sukzession, an der von römisch-katholischer Seite beharrlich festgehalten wird, für Pfingstler schwer zu entscheiden ist. „Pfingstler würden ohne zu zögern bekräftigen, sowohl apostolisch zu sein, als auch in Sukzession zu stehen. Doch die zusammengesetzte Bezeichnung [apostolische Sukzesssion] würde auf den starken Widerstand der Pfingstler treffen, wenn sie als Bestätigung des Episkopats als einziger Methode der Gewährleistung von Authentizität und gänzlich unverfälschter christlicher Kontinuität verstanden wird.“61 Dies ist verständlich, da für Pfingstler das Einräumen der Notwendigkeit apostolischer Sukzession als das Kriterium bedeuten würde, die gesamte Validität ihrer eigenen geistlichen Erfahrung und Begegnung mit Gott infrage

58 59

60

61

Kirche legt uns die Notwendigkeit eines weiteren gemeinsamen theologischen Nachdenkens über die Geschichte der Kirche auf.“ Ebd., Abs. 107. Schlussbericht, Abs. 89, s. a. Abs. 79 und Walsh, Liam G.: Ministry in the Church. In: Sandidge, Jerry L. (Hg.): Roman Catholic/Pentecostal Dialogue (1977 – 1982): A Study in Developing Ecumenism, Bd. 2. Frankfurt am Main: Lang, 1987 (Studies in the Intercultural History of Christianity 44), S. 368 – 400, hier S. 381 – 386. Edwards, H. David: A Pentecostal Perspective of the Church and Its Ministry. In: Sandidge, Jerry L. (Hg.): Roman Catholic/Pentecostal Dialogue (1977 – 1982): A Study in Developing Ecumenism, Bd. 2. Frankfurt am Main: Lang, 1987 (Studies in the Intercultural History of Christianity 44), S. 401 – 432, hier S. 404 – 409, 419 – 421 bietet eine pfingstliche Perspektive zur Rolle der Apostel und der Apostolizität der Kirche. Er veranschaulicht das pfingstliche Insistieren auf die Rolle des Geistes mit den folgenden Worten: „Für Pfingstler, veranschaulichten – oder gar bestimmten – Mose und Josua, Saul und David, Elia und Elisa das Prinzip der Sukzession, d. h. dass es eine ,geistliche‘ Angelegenheit ist, die manchmal, aber nicht immer, durch eine strukturelle Komponente – Handauflegung – begleitet wird. Tatsächlich würden sie wahrscheinlich sagen, dass ein ständiges Beharren auf die Handauflegung bedeuten würde, ,den Geist zu beschränken‘, und qua Analogie und Illustration würden sie auf die Erfahrung der Apostel in der Apostelgeschichte, Bezug nehmen. Wohingegen in Samarien und Ephesus die Apostel den Christen die Hände auflegten, damit diese den Heiligen Geist empfingen, fiel der Geist im Hause des Kornelius auf sie, während Petrus sprach – ohne dessen Handauflegung.“ (Ebd., S. 408 – 409. [Hervorhebung V.-M. K.]). Edwards: Pentecostal Perspective, S. 419.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität

443

zu stellen, zumal diese außerhalb des Rahmens und der vermeintlichen Sicherheit stattgefunden hat, die durch die apostolische Sukzession gewährleistet wird. Pfingstler würden gerne sehen, dass von römisch-katholischer Seite eine stärkere Betonung auf die Erfordernisse des apostolischen Lebens gelegt würde, als auf die episkopale Sukzession. Römisch-katholische Christen sind davon überzeugt – ohne damit in irgendeiner Weise die Erfordernisse des apostolischen Lebens zu ignorieren –, dass die Souveränität Gottes in der Weitergabe des Wortes und der Verwaltung des Sakraments durch die Untreue des Amtsträgers nicht zunichte gemacht wird.62 Trotz dieses Unterschieds in der Betonung teilen sie die gemeinsame Sorge um die Notwendigkeit der Heiligung des Lebens als Qualifikationskriterium und Kennzeichen der Apostolizität. Es wird allerdings eingeräumt, dass die Macht und Souveränität Gottes nicht durch den einen schwachen und sündigen Amtsträger beschränkt wird, obwohl die Kirche ihrerseits von allen notwendigen Mitteln Gebrauch machen soll, um ernsthaft für die Heiligkeit der Amtsträger zu sorgen.63

Auf dem Weg zu einem konziliaren Verständnis von Apostolizität Charles A. Conniry, ein freikirchlicher Theologe (Baptist), hat unlängst eine Synthese aus vier Hauptansichten von Apostolizität vorgetragen:64 (1) „Ekklesiale Apostolizität“ betont Apostolizität als ein Mittel zur Etablierung der institutionellen Autorität der Kirche. (2) „Biblische Apostolizität“ blickt auf den apostolischen Charakter der Kirche, um eine Norm zu identifizieren, nach der die Legitimität der nachfolgenden Lehrzuwächse bestimmt werden kann. (3) „Pneumatische Apostolizität“ beruft sich auf ein Charisma des Geistes, der ebenso ein Teil der heutigen Kirche ist, wie dies im 1. Jahrhundert der Fall war. (4) Eine damit verwandte, aber doch unterschiedene Betonung der „kerygmatischen Apostolizität“ sieht den apostolischen Charakter der Kirche in der treuen Ausführung ihrer Mission.

62 Schlussbericht, Abs. 90. 63 Ebd., Abs. 91. 64 Conniry, Charles J.: Identifying Apostolic Christianity : A Synthesis of Viewpoints. In: Journal of the Evangelical Theological Society 37, Nr. 3 (1994), S. 247 – 261, mit ausgiebiger Bibliographie zu sämtlichen theologischen Traditionen und Denominationen.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

444

Veli-Matti Kärkkäinen

Anstatt irgendeine dieser legitimen Interpretationen als endgültig oder exklusiv zu betrachten, plädiert Conniry dafür, diese vielmehr als komplementär anzusehen. Aufbauend auf dieser Analyse und der zuvor geführten Diskussion, möchte ich zwei aufeinander bezogene Fragen stellen: Was sind die essenziellen Aspekte der Apostolizität, die alle christlichen Kirchen mehr oder weniger bereit wären zu bejahen? Welche Aspekte könnten zwischen den traditionellen, meist episkopalen Kirchen, den Freikirchen und anderen nicht-traditionellen christlichen Gruppen Brücken bauen? Das sind zwei ökumenisch bedeutungsträchtige und kritische Fragen, die die zukünftige Diskussion zum Thema bestimmen werden. Es gibt mindestens sieben Aspekte von Apostolizität, die – meiner Ansicht nach – jede christliche Gemeinschaft anerkennen kann. Diese Aspekte könnten als „Minimum“ für die weitere Arbeit zu dieser heftig umstritten Frage dienen. Alle Kirchen erkennen an, dass – erstens – Apostolizität eine Art Kontinuität65 zum Leben und Glauben der Apostel in der apostolischen Kirche des Neuen Testaments bedingt. Per implicationem könnte man daher schlussfolgern, dass – zweitens – auch alle Kirchen anerkennen, dass ein charismatisches Leben und ein charismatischer Gottesdienst ein essenzieller Teil der Apostolizität sind. Kein ernstzunehmender Exeget des Neuen Testaments stellt die charismatische Natur der neutestamentlichen Kirche(n) in Frage. Drittens, man könnte sagen, dass Mission (Evangeliumsverkündigung) noch ein weiterer unverkennbarer Aspekt der Apostolizität ist. Der auferstandene Herr befahl seinen Jüngern (Aposteln) das von ihm begonnene Missionswerk fortzusetzen. Viertens glauben alle Kirchen, dass die Schriften des Neuen Testaments selbst apostolisch sind und die Norm der Apostolizität darstellen. Fünftens ist Apostolizität ein dynamisches Konzept. Es geht dabei nicht um eine juristische Frage, sondern um eine Frage des Lebens und der Vitalität – und somit des Gehorsams, des Dienstes und der alltäglichen Jüngerschaft.66 Sechstens betrifft Apostolizität das gesamte Volk Gottes, nicht nur den Klerus oder die Leitungsgewalt. Dafür hat zum Beispiel Hans Küng plädiert. Er vertritt ein Verständnis von apostolischer Sukzession, die das gesamte Volk Gottes einschließt, und das in jeder Generation direkt und stets aufs Neue vom Geist inspiriert ist, wenn sich die Kirche im Zeugnis der Apostel erneuert.67 Siebtens ist Apostolizität ein stark pneumatologisches Konzept. Allein der Heilige Geist ist „derjenige, der die Kirche apostolisch macht“.68 65 Ich bevorzuge den Terminus „Kontinuität“, statt „Sukzession“, da letzterer so stark mit einer spezifischen Art von Sukzession aufgeladen ist, z. B. im Sinne einer episkopalen Sukzession, die eine kontinuierlichen Kette von Bischöfen vorsieht. 66 S. weiterführend, Congar : I Believe, Bd. 2, S. 45. 67 Kìng, Hans: The Church. New York: Sheed and Ward, 1968, S. 355 – 356. S. a. von lutherischer Seite Bittlinger, Arnold: Im Kraftfeld des heiligen Geistes: Gnadengaben eine Auslegung von I Korinther 12 – 14. Marburg: Oekumenischer Verlag Edel, 1966 (Edel Taschenbücher 10), S. 129. 68 Congar : I Believe, Bd. 2, S. 39 – 44, insbes. 44 und Zizioulas, Jean D.: La continuit¦ avec les

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität

445

Der römisch-katholisch/pfingstliche Dialog zur Ekklesiologie zeigt, dass es in der Tat komplementäre Wege gibt, die Apostolizität, und folglich Ekklesialität, anderer Kirchen zu bejahen, solange keine Definition als endgültig oder exklusiv gegenüber anderen aufgefasst wird. Wenn die oben skizzierten sieben Aspekte überall in den christlichen Kirchen akzeptiert werden, so werden ökumenisch fruchtbare und hoffnungsvolle Konsequenzen folgen. Anstatt eines fruchtlosen Streits um die Güte der eigenen Apostolizität, hat die Kommunikation zwischen den verschiedenen Kirchen das Potential, ein wahrhaft ökumenischer Gabenaustausch zu werden. Traditionelle Kirchen können beispielsweise lernen, auf die dynamischen Elementen der Apostolizität aufmerksam zu werden, während jüngere Kirchen lernen, Tradition wertzuschätzen. Diejenigen Kirchen, deren Stärke Gemeinschaft und Lehre sind, könnten die notwendig missionarische Natur der Kirche wertschätzen lernen. Die Kirchen, deren Stärke biblische Grundlagen sind, könnten eine andere Sicht auf die Charismen und die Rolle des Geistes wagen und so weiter. Der katholische Ökumeniker Avery Dulles geht in vorbildlicher Weise damit um. Dulles ist bereit zuzugestehen, dass andere Kriterien als episkopale Sukzession als Kriterium für wahre Apostolizität dienen könnten. Hier schlägt er einen Ton an, den die Protestanten im Allgemeinen und Freikirchen im Besonderen leidenschaftlich in den Vordergrund gestellt haben: Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität sind dynamische Realitäten, die vom fundamentalen Werk Christi und von seiner fortgesetzten Gegenwart und Aktivität durch den Heiligen Geist abhängig sind. Evangelische Gemeinschaften, die sich durch Liebe für Jesus Christus und Gehorsam gegenüber dem Heiligen Geist auszeichnen, mögen eine größere Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität an den Tag legen, als Kirchen, die äußerst sakramental und hierarchisch organisiert sind und in denen Glauben und Barmherzigkeit erkaltet sind.69

Dies ist ein Beispiel dafür, wie neue Perspektiven, die aus ökumenischen Reflexionen zum Begriff der Apostolizität entstanden sind, in ökumenischen Beziehungen Verwendung finden können. Dulles bietet auch ein weiteres aktuelles Beispiel für die Fruchtbarkeit des oben vorgeschlagenen Ansatzes. Wenn an Stelle der Konzentration auf einen Aspekt, der von vielen anderen Kirchen bestritten wird, Apostolizität als umfassendes, facettenreiches Konzept verstanden wird, ist man verpflichtet, nach Kriterien Ausschau zu halten, die für alle annehmbar sind. Ein solches Kriterium ist der Aspekt Nummer vier aus obiger Liste: das Kriterium des Wortes Gottes. Laut Dulles bedeutet „das Beharren auf der alleinigen Herrschaft Christi, wie sie aus den Schriften bekannt ist, bereits die Annahme eines origines apostoliques dans la conscience th¦ologique des Êglises orthodoxes. In: Istina 19, Nr. 1 (1974), S. 65 – 94. 69 Dulles, Avery R.: The Church as “One Holy, Catholic, and Apostolic”. In: Evangelical Review of Theology 23, Nr. 1 (1999), S. 14 – 28, hier S. 27.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

446

Veli-Matti Kärkkäinen

beträchtlichen Maßes an Apostolizität“.70 Alle Kirchen bejahen die absolute Normativität der Schrift und daher ihres Herrn. Dieses allgemein hochgehaltene Kriterium kann als die Norm der Apostolizität gelten. Zwar gibt es auch dann Meinungsverschiedenheiten, diese können aber aus der Perspektive einer begrenzten Konvergenz diskutiert werden. Die Bedeutung von Dulles’ Ideen nimmt noch zu, wenn wir den Kontext in Betracht ziehen, in dem sie vorgestellt wurden: in einer protestantischen Zeitschrift und in einem Dialog über Ekklesiologie zwischen römisch-katholischen Exponenten und Evangelikalen.

Gibt es überhaupt Hoffnung im Hinblick auf die Frage der apostolischen Sukzession? Wie allseits bekannt, ist die am heißesten debattierte Frage freilich die Frage der apostolischen Sukzession und folglich des Diensts bzw. der Ordination. Das Ergebnis einer potentiellen ökumenischen Konvergenz im Apostolizitätsverständnis ist in beträchtlichem Ausmaß davon abhängig, wie mit dieser Frage umgegangen wird. Die meisten traditionellen Kirchen sind nicht bereit, den Grundsätzen der Freikirchen oder denen Karl Barths zu folgen, die ihrerseits jegliche auf historischen oder juristischen Grundlagen basierende Auffassung von Apostolizität ablehnen und einer auf der Ordination basierenden apostolischen Sukzession vehement widersprechen, da dies den Heiligen Geist dazu prädisponieren würde, in seinem Handeln auf menschlichen Forderungen Rücksicht nehmen zu müssen.71 Allerdings sollten ältere Kirchen die Argumente anderer anhören. Tatsächlich haben – wie der baptistische Theologe J. L. Garrett gezeigt hat72 – diejenigen, die eine apostolische Sukzession (im episkopalen Sinne verstanden) ablehnen auch ein Argument. Erstens begründet die Rolle der Geistlichen [ministers] im Neuen Testament nicht notwendigerweise eine dreistufige Hierarchieordnung und kann unabhängig von der Theorie der apostolischen Sukzession erklärt werden. Zweitens wurde die Kirche Roms zur Zeit des Clemens von Rom allem Anschein nach von einen Presbyterium geleitet. Drittens können das Handeln von Petrus und Johannes in Samarien (Apg 8,14 – 25) und Paulus’ Lehrautorität in der Ge70 Ebd. 71 Zu Barths Auffassung s. Barth, Karl: Kirchliche Dogmatik, Bd. IV/1: Die Lehre von der Versöhnung; 23. §§ 61 – 63. Zürich: Theologischer Verlag, 1986, S. 795 – 809. Wenn ich Barth mit Freikirchen in einen Topf werfe, beabsichtige ich nicht irgendeine Verbindung zwischen diesen beiden zu suggerieren. Ich stelle lediglich fest, dass sie sich in ihrer Argumentation zufälligerweise sehr ähnlich sind. 72 Garrett, James L.: Systematic Theology : Biblical, Historical, and Evangelical, Bd. 2. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1995, S. 568 – 569.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Die Pfingstbewegung und der Anspruch auf Apostolizität

447

meinde von Korinth (1Kor 4,7.21; 11,16.34) unabhängig von jeder Theorie der episkopalen Sukzession gewürdigt und erklärt werden. Viertens kann das kanonische Neue Testament im Vergleich zu den Bischöfen eher als „der eigentliche Nachfolger“ der Apostel bezeichnet werden, und nicht die Bischöfe. Fünftens scheint der Dienst der nicht-apostolischen Kirchen seit dem Beginn der protestantischen Reformation gewissermaßen gegen die Notwendigkeit einer apostolischen Sukzession zu sprechen. Selbst wenn diese Art von Argumenten nicht in der Lage sein wird, Theologen traditioneller Kirchen von der Überlegenheit der nicht-episkopalen Argumentation zu überzeugen, sind sie gehaltvoll genug, um einen aufrichtigen ökumenischen Dialog zu fördern. Tatsache ist, dass das Konzept der Apostolizität so vielseitig und kompliziert ist, dass das Festhalten an einem einzigen exklusiven Aspekt weder dem neutestamentlichen Befund noch den späteren theologischen Entwicklungen gerecht zu werden scheint. Mit welcher Begründung, außer der historischen, erheben die älteren Kirchen den exklusiven Anspruch auf eine spezielle Definition, wenn diese Auffassung unter keinen Umständen unbestreitbare – manchen zufolge noch nicht einmal substanzielle – biblische Unterstützung finden kann? Die Ekklesialität einer jeglichen Kirche ist notwendigerweise an ihre Apostolizität gebunden. Es kann keine Kirche geben, ohne apostolische Kontinuität.73 Den Apostolizitätsanspruch anderer zu bestreiten ist nicht weniger schwerwiegend, als jener Kirche die Ekklesialität rund heraus abzusprechen. Der katholische Theologe Avery Dulles nennt noch eine weitere Motivation, die alle Kirchen bewegen sollte, ihr Verständnis von Apostolizität neu zu überdenken: Können wir die Kirche angesichts der radikalen Veränderungen, die sie über die Jahrhunderte hindurch erfahren hat, als apostolisch bezeichnen? Viele Strukturen, Lehren und Praktiken heutiger Christen würden die Apostel überraschen und verblüffen.74

Der Ansatz des Lima-Dokuments Taufe, Eucharistie und Amt ist insofern hilfreich, weil es zwischen der Apostolizität der ganzen Kirche und der apostolischen Sukzession im Amt differenziert und somit das Thema auf eine Weise behandelt, die letztere der ersten unterordnet, anstatt sie gleichzusetzen.75 In der Tat schließt Dulles selbst daraus (obwohl die offizielle katholische Stellungnahme auf das Lima-Dokument Vorbehalte zum Ausdruck bringt76), dass es auf der Grundlage des Lima-Dokuments möglich sein könnte, „ein 73 Tjçrhom, Ola: Apostolisk kontinuitet of apostolisk suksesjon i Porvoo-rapporten: En utfordring for de nordiske Lutherske kirkene. In: Nordiskt Ekumenisk Orietering (1995), S. 10. 74 Dulles: Church, S. 14. 75 S. weiterführend ebd., S. 26. 76 Eine Einschätzung von Seiten des Vatikans findet sich in Baptism, Eucharist and Ministry. In: Origins 17 (1987), S. 401 – 416.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

448

Veli-Matti Kärkkäinen

hohes Ausmaß an Apostolizität, ohne apostolische Amtssukzession“ einzuräumen.77 Während ich dieser ökumenischen Haltung mit Begeisterung zustimme, bin ich nicht sicher, ob wir den Begriff der Apostolizität so quantifizieren können, wie es Dulles tut. Das Folgeproblem würde dann nur lauten: „Wie viel“ Apostolizität wird benötigt, damit eine Kirche als Kirche gelten kann (d. h. um apostolisch „genug“ zu sein)? Wie auch immer Apostolizität theologisch definiert wird; sie ist notwendigerweise an die Gemeinde Gottes, die Kirche, die ganze Kirche Gottes auf Erden gebunden. Der römisch-katholische Theologe C. O’Donnell fasst diesen Sachverhalt mit den folgenden Worten treffend zusammen: „Auf ihrer tiefsten Bedeutungsebene bezeichnet Apostolizität jene Möglichkeit, jetzt dem Mysterium durch den Heiligen Geist in einer Gemeinschaft zu begegnen, die den göttlichen Plan durch die Geschichte hindurch vermittelt.“78

77 Dulles: Church, S. 27. 78 O’Donnell: Ecclesia, S. 20.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Mission, Eschatologie und interreligiöser Dialog

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Andy Lord

Missions-Eschatologie Ein Grundgerüst für Mission im Geist

*

Einleitung Mission ist das Lebenselixier der Kirche und der natürliche Ausdruck des Lebens im Geist. Das Wachstum der Kirchen weltweit und der Einfluss der Kirchen in der Gesellschaft bezeugen die mächtige Missionsbewegung des 20. Jahrhunderts. Doch zugleich hat jenes Jahrhundert große Debatten zur Definition und Praxis der Mission erlebt. Für Pfingstler diente dabei vor allem die Eschatologie als motivierende Kraft für schnelles Wachstum, und es ist in der Tat wichtig, dass unsere Eschatologie immer missionarisch orientiert ist, damit wir nicht statisch oder zu sesshaft werden. Ebenso ist es nötig, dass Mission aus einer eschatologischen Perspektive verstanden wird, die uns zu einer ganzheitlichen, von Hoffnung erfüllten Herangehensweise an die Mission befähigt. Darum brauchen wir etwas, das ich Missions-Eschatologie nennen möchte. Konzepte von Mission reichen von einer Gleichsetzung mit Evangelisation bis hin zu einer Behandlung von allem, was die Kirche in der Welt tut. Daher bedarf es eines Grundgerüsts der Mission, das die wichtigsten bereits bestehenden Gedanken umfasst und doch eine pointierte Herausforderung zum Handeln beibehält. Dieses Handeln muss mit dem Wirken des Heiligen Geistes und mit einer Vision des zukünftigen Gottesreichs klar verknüpft werden. Manche Schriften zum Thema Mission lassen eine angemessene Betonung des Wirkens des Heiligen Geistes vermissen, wie es beispielsweise bei der bahnbrechenden Arbeit von Bosch, Transforming Mission, der Fall ist.1 Es kann auch vorkommen, dass sie sich auf bestimmte missionarische Aktivitäten konzentrieren, ohne die Vision zu kommunizieren, innerhalb der selbige Aktivitäten verortet sind und zu der sie führen sollen. Wir müssen uns vor Augen zu halten, dass Mission Aktivitäten auf lokaler wie globaler Ebene umfasst, die – wie ich anderweitig dargelegt habe – das Wirken des Geistes in * Originalveröffentlichung: Lord, Andy : Mission Eschatology : A Framework for Mission in the Spirit. In: Journal of Pentecostal Theology Nr. 11 (1997), S. 111 – 123. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Brill-Verlags; alle Rechte vorbehalten. 1 Bosch, David Jacobus: Transforming Mission. New York: Orbis Books, 1991 (American Society of Missiology Series 16).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

452

Andy Lord

der Welt widerspiegeln.2 Insbesondere ist es wichtig, die globalen Aspekte der Mission zu reflektieren, und sich nicht lediglich auf deren lokale Anwendungsformen zu beschränken. Im Folgenden werde ich den Zusammenhang zwischen Mission und Eschatologie betrachten und untersuchen, wie eine eschatologische Sicht bereits bestehende Definitionen von Mission erweitern kann. Ich werde auch erörtern, wie die allgemeine Ausübung der Mission durch das Wirken des Geistes einen Vorgeschmack der Zukunft bringt. Mit diesen Gedanken als Grundgerüst einer Missions-Eschatologie, werde ich erörtern, wie sich einige allgemeine missionarische Aktivitäten in dieses Grundgerüst fügen und die globalen Aspekte dieser Aktivitäten in Betracht ziehen.

Mission und Eschatologie Aus einem sehr funktionalen Blickwinkel kann Mission als die Hauptaufgabe der Kirche zwischen dem ersten und zweiten Kommen Christi betrachtet werden. Sie ist mit Padilla gesprochen das Werk der Kirche „zwischen den Zeiten“.3 Aber diese Sichtweise kann dazu führen, dass die Aufgabe der Mission aus ihrem Zusammenhang mit dem kommenden Reich herausgelöst wird – wir sind in der Lage über die Rettung von Seelen nachzudenken, aber nicht darüber, wozu wir sie erretten; wir mögen uns mit evangelistischen Methoden beschäftigen, verfehlen aber den Blick für das Reich Gottes; wir denken vielleicht über den Inhalt des Evangeliums nach, verpassen aber die hereinbrechende Kraft des Gottesreichs. Gleichwohl ist Mission zunehmend mit dem Gottesreich verknüpft worden; wie Cullmann bemerkte: „Das missionarische Werk der Kirche ist der eschatologische Vorgeschmack des Reiches“.4 Mission kann als Mittel zu einem größeren Zweck verstanden werden, nämlich als ein Vorgeschmack auf das Ende in der Gegenwart. Dieses Konzept steht auch hinter Moltmanns unlängst veröffentlichten Reflexionen zur Mission: „Der schöpferische und lebensspendende Geist Gottes bringt ewiges Leben hier, jetzt, vor dem Tod – nicht nur nach dem Tod […] In diesem göttlichen Sinn verstanden, ist Mission nichts anderes als eine

2 Lord, Andy : Movements in Contemporary Mission. In: Skepsis, Anglikan Renewal Ministries 68 (1997), S. 1 – 6. 3 Padilla, C. Rene´ : Mission Between the Times. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1985. 4 Cullmann, Oscar: Mission in God’s Eschatology. In: Thomas, Norman E. (Hg.): Classic Texts in Mission and World Christianity. Maryknoll, NY: Orbis Books, 1995, S. 307 – 309, hier S. 307. [Die vollständige Erstveröffentlichung des Titels war: Cullmann, Oscar : Eschatology and Missions in the New Testament. In: Davies, William David; Daube, David (Hg.): The Background of the New Testament and Its Eschatology. Cambridge: Cambridge University Press, 1956, S. 409 – 421.]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Missions-Eschatologie

453

Bewegung des Lebens und der Heilung.“5 Das Verhältnis zwischen Mission und Reich Gottes ist auch auf der CWME/ÖRK-Weltkonferenz für Mission und Evangelisation von 1980 ausführlich erörtert worden, deren Thema „Dein Reich komme“ lautete. Wenn einerseits das Nachdenken über die Erfahrung der Mission Menschen dazu gebracht hat, sich mit dem Reich Gottes und mit der Eschatologie zu beschäftigen, dann haben andererseits Überlegungen zur Eschatologie wiederum die Motivation und Erwartung bezüglich der Mission gesteigert. Die Erwartung einer unmittelbaren Wiederkunft Christi war die Antriebskraft der pfingstlichen Mission. Zungenrede und Heilung wurden auch als „Zeichen des eschatologischen Hereinbrechens des Reiches Gottes […] einer in den letzten Tagen erfolgenden Wiederherstellung zur Verkündigung des Evangeliums des Gottesreichs auf der ganzen Erde“6 verstanden. So wurden Mission und Eschatologie miteinander verschränkt. Wenn ich nun diesen Zusammenhang in einem Grundgerüst der Missions-Eschatologie verdeutlichen werde, geht es mir darum, das Wesen des kommenden Reiches detailliert darzulegen und zu zeigen, wie dies heute durch Mission erfahren werden kann. In Wirklichkeit untersuche ich damit das Werk des Geistes. Wie Taylor meinte: „In der Missionsgeschichte der christlichen Kirchen kommt dem Heiligen Geist die wichtigste Rolle zu. Er ist der Leiter des ganzen Unternehmens. Die Mission befaßt sich mit Dingen, die nur er tun kann in dieser Welt.“7 Das Neue Testament nennt verschiedene Merkmale des kommenden Reiches. Es wird ein Ort ohne Leid und Tod sein (Offb 7,16 f.; 21,4), an dem Gott regiert (1Kor 15,24 – 28; Offb 11,15) und an dem alle Dinge in Christus vereint sein werden (Eph 1,10). Als das Volk Gottes werden wir Christus gleich sein (1Joh 3,2) und Anteil an seiner Herrlichkeit und seinem Reich haben (Röm 9,18; Offb 4,21). Wir werden mit Gott sein, ihn sehen, ihn von Angesicht zu Angesicht erkennen und ihn anbeten (Offb 21,3; Offb 22,4; 1Kor 13,2; Offb 22,3). Unser gemeinsames Leben wird wie ein Gastmahl oder eine Hochzeitsfeier sein (Lk 14,15.24; Mt 25,10) und ein Ort der Heilung (Offb 22,1 – 5).8 Travis charakterisiert das kommende Reich als eines, das unsere gewöhnlichen Annahmen und Strukturen umkehrt, das universal, das friedlich sein

5 Moltmann, Jürgen: Pentecostal Theology of Life. In: Journal of Pentecostal Theology 9 (1996), S. 3 – 15. [Auslassung A. L.] 6 Land, Steven J.: Pentecostal Spirituality : A Passion for the Kingdom. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 1), S. 95. [Auslassung A. L.] 7 Taylor, John Vernon: Der Heilige Geist und sein Wirken in der Welt. 1. Aufl. Düsseldorf: PatmosVerlag, 1977, S. 11. 8 Bauckham, Richard J.: Eschatology. In: Douglas, J. D. (Hg.): New Bible Dictionary. Leicester: InterVarsity Press, 1982, S. 345 – 346.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

454

Andy Lord

wird, ein Reich der Gerechtigkeit und der Liebe.9 Land weist darauf hin, dass das Gottesreich ein Ort sein wird, an dem Dankbarkeit (Danksagung, Lobpreis), Mitgefühl (Liebe, Sehnsucht) und Mut (Zuversicht, Hoffnung) offenbar sein werden.10 Moltmanns unlängst erschienener Artikel zur Theologie des Lebens weist darauf hin, dass das zukünftige Reich ein Reich ist, das durch die Gewissheit gekennzeichnet ist, dass Gott uns liebt und uns annimmt, sowie durch einen Sinn für Gleichheit im Volk Gottes, durch Gemeinschaft unter den Menschen und zwischen den Menschen und mit anderen Lebewesen, und durch eine Achtung vor der Heiligkeit der Erde.11 Um diese Einzelaspekte zu bündeln, schlage ich vor, die für die heutige Mission relevanten Hauptmerkmale des zukünftigen Reiches folgendermaßen zusammenzufassen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Menschen erkennen Jesus als Herrn an Heilung ohne Leid und Tod Vollkommene Gerechtigkeit und Frieden, wo Gott regiert Einheit in der Verschiedenheit der Menschen Eine befreite Schöpfung Lobpreis und Anbetung Liebe und Gemeinschaft

Mission bedeutet, diese Merkmale heute in der Welt in Erscheinung treten zu sehen, wodurch ein Vorgeschmack des endzeitlichen Reichs in die Gegenwart getragen wird. Wir müssen bedenken, wie dies geschieht. Darin kommen wir in die Gegenwart und in das Wirken des Heiligen Geistes hinein, denn „als Kraft des Reiches, gibt uns der Geist einen Vorgeschmack der neuen Schöpfung […] der Heilige Geist bringt die Eschatologie in die Geschichte.“12 Newbigin hat es folgendermaßen formuliert: „Der Anfang der Mission ist nicht ein Handeln, das von uns ausgeht, sondern die Gegenwart einer neuen Wirklichkeit, die Gegenwart von Gottes Geist in seiner Kraft.“13 Wir sollten uns immer daran erinnern, dass Mission missio dei bleibt, Gottes Mission. Wir können zwei grundsätzliche Weisen unterscheiden, durch die der Geist in der Mission auf der Welt wirkt, und analog dazu dürfen wir auch zwei grundlegende Zugänge zur Mission erwarten. Der Geist wirkt durch Wachstum und durch Hereinbrechen, d. h. zum einen, indem er den guten Dingen, die bereits auf dieser Welt geschehen, Wachstum schenkt, und zum anderen, indem er auf unerwartete Weise [in die Welt] hereinbricht, um den status quo herauszufordern und Neues zu beginnen. Die Spannung zwischen diesen 9 Travis, Stephen: I Believe in the Second Coming of Jesus. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1982, Kap. 7. 10 Land: Pentecostal Spirituality, S. 139, 175. 11 Moltmann: Pentecostal Theology of Life, S. 12 – 15. 12 K‘eshishean, Aram: Orthodox Perspectives on Mission. Oxford: Regnum Books, 1992, S. 48 – 49. [Auslassung A. L.] 13 Newbigin, Lesslie: The Gospel in a Pluralist Society. London: SPCK, 1992, S. 119.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Missions-Eschatologie

455

beiden Zugängen lässt sich an der Debatte zu Moltmanns Abhandlung über Geist und Leben zeigen. Macchia kontrastiert die von Moltmann gefeierte immanente Gegenwart des Geistes im Leben mit der pfingstlichen Betonung des Geistes „als omnipotentes und fremdes Mysterium, das auf wundersame Weise mit dem Rauschen eines gewaltigen Windes hereinbricht.“14 Die Spannung zeigt sich auch in der Debatte über die Mittel der Heiligung, die einerseits als ständiges Wachstum von Tugenden konzipiert werden kann und andererseits als eine „Dialektik von Krise und Entwicklung“, wie es Steven Land nannte.15 Ein pfingstlich/charismatisches Verständnis vom Werk des Geistes konzentriert sich auf das Hereinbrechen des Geistes. Im Zusammenhang mit Mission ist dies von Nazir-Ali kritisiert worden, der eine stärker an Wachstum orientierte Mission bevorzugt. Er bemerkte, dass wenn Charismatiker an Mission unter Menschen einer anderen Religion denken, dann „wird in Bezug auf eine religiöse Tradition eher deren Ersetzung durch das Christentum betont, anstatt das Evangelium als die Erfüllung ihrer Hoffnungen und Sehnsüchte zu verstehen.“16 Nazir-Ali zufolge umfasst die missio dei „die Erlösung, Wiederherstellung und sogar die Weiterentwicklung aller menschlichen Wesen und der gesamten Welt.“17 Obwohl er hier auf einen wichtigen Punkt aufmerksam macht, scheint dieser Ansatz die Mission zu beschränken, in welcher nämlich der Geist auch hereinbrechen und die Richtung der Mission ändern kann, wie es etwa bei der Sendung des Petrus zu Kornelius (Apg 10) oder bei der Sendung des Philippus zum Kämmerer aus Äthiopien (Apg 8) der Fall ist. Hier hat der Geist die vorhandenen Ideen und die Richtung der Mission in unverkennbarer Weise herausgefordert. Auf das Hereinbrechen des Geistes mag ein stetigeres Wachstum der heidenchristlichen und äthiopischen Kirche gefolgt sein, doch die Mission begann, als Gott hereinbrach und der Kirche durch sein Reden eine neue Richtung gab. Das Hereinbrechen des Geistes ist auch dann entscheidend, wenn es darum geht, Mission im Zusammenhang eines geistlichen Kampfes zu sehen. Ein Kampf mag stetig sein und wird dennoch nur in spezifischen Ereignissen erlebt, in denen Gut und Böse aufeinander prallen. Wenn es bei der Mission darum geht, dass die Merkmale des zukünftigen Reiches in der Gegenwart zur Welt kommen, dann wird sich Satan jedem Missionsunternehmen widersetzen. Die Lausanner Verpflichtung bekräftigte wie folgt: „Wir glauben, daß wir uns in einem ständigen geistlichen Kampf mit den Fürsten und Gewaltigen des 14 Macchia, Frank D.: The Spirit and Life: A Further Response to Jürgen Moltmann. In: Journal of Pentecostal Theology 5 (1994), S. 121 – 127, hier S. 122. 15 Land: Pentecostal Spirituality, S. 117. Dieser Ansatz findet sich auch in charismatischen Veröffentlichungen, z. B. bei Wimber, John; Springer, Kevin: The Dynamics of Spiritual Growth. London: Hodder & Stoughton, 1990, die von Wachstum durch „power-points“ sprechen. 16 Nazir-Ali, Michael: From Everywhere to Everywhere: A World View of Christian Witness. London: Collins, 1990, S. 91. 17 Ebd., S. 10.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

456

Andy Lord

Bösen befinden, die versuchen, die Gemeinde zu überwältigen und sie an ihrer Aufgabe der Evangelisation der Welt zu hindern.“18 Der Widerstand mag bisweilen subtil erscheinen, aber der geistliche Kampf beinhaltet dennoch direkte Konfrontation. In diesen Situationen benötigen wir ein deutliches Hereinbrechen des Heiligen Geistes, um Satan zu überwinden und die Mission weiter voranzutreiben. Ohne das Hereinbrechen des Heiligen Geistes würde unsere Mission eher zahm und weniger risikoreich sein. Doch ohne das wachsende Leben des Geistes stehen wir in der Versuchung, die fortwährende glaubenserfüllte Arbeit vieler Missionare abzuschreiben, die entschlossen sind zu lieben, egal welchen Frustrationen sie begegnen. Mission bedeutet also, durch die hereinbrechende Kraft und das wachsende Leben des Geistes einen Geschmack des kommenden Reiches in die Gegenwart zu tragen. Wir sind an dieser missio dei beteiligt, wenn wir dem Geist in Gebet und Handeln auf Schritt und Tritt folgen.

Mission verstehen Bisher habe ich ein Grundgerüst einer Missions-Eschatologie skizziert, das es ermöglichen soll zu sehen, wie sieben Merkmale des zukünftigen Reiches durch das hereinbrechende und Wachstum schaffende Wirken des Geistes zur Welt kommen. Dieses Grundgerüst mag Teile unseres bestehenden Missionsverständnisses herausfordern. Bis vor kurzem war es in evangelikalen Kreisen üblich, Mission mit Evangelisation gleichzusetzen. Lands Betonung der Notwendigkeit, „Zeugnis“ zu geben, suggeriert, dass dies möglicherweise immer noch eine verbreitete Gleichung für Pfingstler ist.19 Doch in unserem Grundgerüst stellt dies lediglich das erste Merkmal des zukünftigen und heute sichtbaren Reiches dar – Menschen erkennen Jesus als Herrn an. Können wir die Erfahrung der anderen sechs Merkmale als gültige Teilaspekte von Mission betrachten? Neuere Debatten unter Evangelikalen zum Verhältnis von Evangelisation und sozialem Handeln haben dazu geführt, dass beides unter dem Banner der „Mission“ zusammengeführt wurde.20 Stott stellt fest, dass in einem ganzheitlichen Missionsverständnis Evangelisation und soziales Handeln in einem 18 Lausanner Bewegung Deutschland: Die Lausanner Verpflichtung (1974), Abschn. 12, http:// www.lausannerbewegung.de/data/files/content.publikationen/55.pdf [abgerufen am 30. 07. 2013]. 19 Um Land gerecht zu werden, sei erwähnt, dass er in seiner spezifischen Erörterung von Mission mit einem weiten Missionsbegriff operiert, einer „eschatologischen trinitarischen Transformation“, Land: Pentecostal Spirituality, S. 206. 20 Für Details zum Wandel der evangelikalen Auffassungen von Mission s. Chester, Tim: Awakening to a World of Need: The Recovery of Evangelical Social Concern. Leicester: InterVarsity Press, 1993.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Missions-Eschatologie

457

partnerschaftlichen Verhältnis stehen.21 Sider ist der Auffassung, dass eine „genuin biblische Perspektive Evangelisation und soziale Verantwortung auf unzertrennliche Weise miteinander in Verhältnis setzt und ineinander verschränkt, ohne diese jedoch gleichzusetzen oder zu verwechseln.“22 Evangelisation und soziales Handeln decken die ersten drei Merkmale unseres Grundgerüsts einer Missions-Eschatologie ab. Viele würden dabei immer noch die Evangelisation als vorrangig sehen wollen. Andere würden lieber die Betonung auf das Befreiende in der Mission legen: Suche nach Gerechtigkeit als Weg zum Frieden, zur Heilung und zur Anerkennung Jesu durch die Menschen. Auf dem Weg dahin, dass Menschen Jesus anerkennen, können wir Mission als Anwesenheit, Identifikation und Dialog verstehen:23 als ein Zeugnis von Christus, indem man in einer Situation einfach da ist, indem man Wege findet, den eigenen Glauben auf eine Weise auszudrücken, die sich mit der uns umgebenden Kultur identifiziert, und indem man andere Sichtweisen versteht und sich mit ihnen auseinandersetzt, damit Christus in einer sinnstiftenden Weise vergegenwärtigt wird. Das Wesen der Heilung liegt sowohl in einem Aufruf zum sozialem Handeln als auch in der Ausübung der Geistesgaben. In der Mission benötigen wir das Zeugnis der Krankenhäuser ebenso wie die heilende Kraft des Geistes. Die pfingstlich/charismatische Erfahrung hat die Wirksamkeit der Geistesgaben gezeigt. In Ecuador war laut Wagner „göttliche Heilung einer der Schlüssel dazu, dass innerhalb von sechs Wochen 1.500 neue Christen getauft wurden und sieben neue Kirchengemeinden gegründet wurden.“24 Wimber hat ausgiebig für eine vollmächtige Evangelisation [Power Evangelism] plädiert, also für eine vom Geist inspirierte und ermächtigte Darbringung des Evangeliums. Er bemerkt, dass „ein genauerer Blick auf die Regionen, in denen das Christentum in Bewegung ist, zeigt, dass vollmächtige Evangelisation ein bedeutender Faktor für die meisten Beispiele von Wachstum ist.“25 Den Anstoß für eine bedeutende Entwicklung im Denken zum Thema Mission gab die ökumenische Bewegung, die von der Weltmissionskonferenz in Edinburgh von 1910 angestoßen wurde und vom Streben nach einer Einheit 21 Stott, John R. W.: Contemporary Christian. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1995, Kap. 20. 22 Sider, Ronald J.: Evangelism and Social Action: Uniting the Church to Heal a Lost and Broken World. London: Hodder & Stoughton, 1993, S. 16. 23 Nazir-Ali: From Everywhere to Everywhere, Kap. 8 – 10. Hollenweger behauptete, dass biblische Evangelisation dialogisch und situationsbezogen ist, womit er ähnliche Themen aufgreift, s. Hollenweger, Walter J.: Evangelism: A Non-Colonial Model. In: Journal of Pentecostal Theology 7 (1995), S. 107 – 128. 24 Wagner, C. Peter : Spiritual Power and Church Growth. Rev. print. June 1986 Aufl. London: Hodder & Stoughton, 1986, S. 116. 25 Wimber, John; Springer, Kevin: Power Evangelism. London: Hodder & Stoughton, 1992, S. 79. [Dieses Zitat entstammt der nicht ins Deutsche übersetzten 2. Auflage. Die deutsche Übersetzung der 1. Auflage ist: Wimber, John; Springer, Kevin: Vollmächtige Evangelisation: Zeichen u. Wunder heute. Hochheim: Projektion J Verlag, 1986.]

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

458

Andy Lord

gekennzeichnet ist, die sich eher auf eine gemeinsame Mission als auf einen Lehrkonsens stützt. Es ist unverkennbar, dass „die Glaubwürdigkeit des Evangeliums, das Christen predigen und leben, durch Zerrissenheit auf schädliche Weise beeinträchtigt wird.“26 Zudem gilt: „Wenn wir getrennt evangelisieren, widersprechen wir auch unserer Hoffnung, unserer Eschatologie.“27 Demnach kann ökumenisches Handeln zu einer größeren Resonanz unserer Mission führen und es ist ein besseres Zeugnis für das kommende Gottesreich. In Transforming Mission28 skizziert Bosch ein ökumenisches Paradigma für Mission, das auf vielen der ökumenischen Errungenschaften dieses Jahrhunderts aufbaut. Dieses deckt sich mit den ersten fünf Merkmalen unseres Grundgerüsts, aber es ist möglicherweise besonders vom vierten Merkmal angetrieben: dem Wunsch nach Einheit in der Verschiedenheit der Menschen. Wir müssen auf solchen Paradigmen aufbauen, indem wir nach Formen einer ökumenischen Mission suchen, die Menschen zu Christus zieht, wie es McDonnell kürzlich in seinem Ansatz eines gemeinsamen pfingstlichen und römischkatholischen Zeugnisses skizziert hat.29 Die Sorge um die Schöpfung berührt das Herz vieler Menschen heute, und es drängt geradezu danach, dieses Anliegen auf irgendeine Weise in Mission zu integrieren. Die Anglikanische Gemeinschaft hat die folgenden fünf Kennzeichen für Mission ins Gespräch gebracht: 1. 2. 3. 4. 5.

Die Frohe Botschaft des Gottesreichs zu verkünden Zu lehren, zu taufen und die neuen Gläubigen zu nähren Auf menschliche Not durch Dienste der Liebe zu antworten Nach der Veränderung ungerechter Strukturen zu streben Sich um den Schutz der Unversehrtheit der Schöpfung zu bemühen, und die Erde zu erhalten und zu erneuern.30

Die ersten vier Kennzeichen sind mit den ersten drei Merkmalen unseres Grundgerüsts verwandt. Das fünfte Kennzeichen, das von der Schöpfung handelt und mit unserem fünften Merkmal verwandt ist, hat in den Gruppen, mit denen ich diese Kennzeichen diskutieren konnte, für viele Debatten gesorgt. Für einige stellte es einen modischen Zusatz dar, der nicht ernstzunehmen ist. Andere wiederum freuen sich, dass die Sorge um die Schöpfung 26 Nazir-Ali: From Everywhere to Everywhere, S. 194. 27 Bechdolff, Paul: Evangelism and Eschatology. In: Hunter, Harold D.; Hocken, Peter (Hg.): All Together in One Place: Theological Papers from the Brighton Conference on World Evangelization. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993 (Journal of Pentecostal theology : Supplement series 4), S. 242 – 255, hier S. 254. 28 Bosch: Transforming Mission. 29 McDonnell, Kilian: Can Classical Pentecostals and Roman Catholics Engage in Common Witness? In: Journal of Pentecostal Theology 7 (1995), S. 97 – 106. 30 Die Einigung auf diese Ziele erfolgte auf der Lamberth-Konferenz von 1988. Sie werden in Board of Mission of the General Synod of the Church of England: A Growing Partnership: The Church of England and World Mission. London: Board of Mission, 1994, S. 8 zitiert.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Missions-Eschatologie

459

„offiziell“ anerkannt wird. Es ist unverkennbar, dass noch viel mehr Reflexion darüber erforderlich ist, wie die Schöpfung im Rahmen der Mission der Kirche befreit werden kann. Die letzten beiden Merkmale unseres Grundgerüsts – Lobpreis und Anbetung, sowie Liebe und Gemeinschaft – werden gewöhnlich nicht als Mission betrachtet. Und doch sind uns Zeugnisse von Menschen wohl bekannt, die durch die Erfahrung der Anbetung sowie durch die Liebe und Annahme vonseiten der Gläubigen dazu gekommen sind, Jesus als Herrn anzuerkennen. Lobpreis und Anbetung deuten auf die Notwendigkeit hin, dass eine authentische christliche Spiritualität all unseren Missionsversuchen zu Grunde liegen muss. In seinen Überlegungen zum missionarischen Wesen der Ortsgemeinde schreibt Warren: „Der Schlüsselfaktor für die Integration der entstehenden Missionsdynamik der Kirche ist die Spiritualität, die das gesamte Unterfangen beflügelt.“31 Ohne Spiritualität wird unsere Mission ausgetrocknet sein und der Gegenwart und Kraft des Heiligen Geistes ermangeln – wir mögen uns abmühen, aber wenig erreichen. Authentische Mission erfordert auch Ergebnisse, die in der liebenden Gemeinschaft der Ortsgemeinde deutlich werden. Das Ergebnis der Mission sollte ein Volk sein, das mehr und mehr den Charakter Christi reflektiert. Dies wird wiederum dazu führen, dass mehr Menschen zu Christus kommen. Mit Warren gesprochen: „Es ist dieser Ausdruck von Gemeinschaft, der möglicherweise das Schlüsselelement für die evangelistische Fruchtbarkeit solcher Kirchen ist.“32 Nach dieser Reflexion über die Merkmale der Mission, die in unserem Grundgerüst zur Geltung kommen, müssen wir einmal mehr anerkennen, dass diese nicht vom Geist getrennt werden können, der sie heute in unsere Welt kommen lässt. Der Heilige Geist ist „Christi Geist“ (Röm 8,9), der alle Dinge in Christus ineinander fügt (vgl. Eph 2,22). Folglich muss jedes Wirken des Geistes ein Hinweis auf Christus tragen und Menschen zu ihm führen. Jede Missionsaktivität muss mit dem ersten Merkmal unseres Grundgerüsts verflochten sein – Menschen müssen zu Christus hin gezogen werden, um ihn letztendlich als Herrn anzuerkennen.

Lokale und globale Mission Die bisherigen Überlegungen legen einen engen Zusammenhang zwischen den Merkmalen des zukünftigen Reiches und den mit Mission verbundenen Handlungen nahe. Dies kann folgendermaßen zusammengefasst werden: 31 Warren, Robert: Being Human, Being Church: Spirituality and Mission in the Local Church. London: Marshall Pickering, 1995, S. 88. 32 Ebd., S. 91.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

460

Andy Lord

Zukünftiges Reich

Missionarische Aktivitäten

Jesus ist Herr

Evangelisation

Heilung

Heilung, Geistesgaben

Gerechtigkeit und Frieden Soziales Handeln Einheit in Verschiedenheit Ökumenisches Handeln Befreite Schöpfung

Ökologisches Handeln

Lobpreis und Anbetung

Spiritualität

Liebe und Gemeinschaft

Christlicher Charakter

Jedes missionarische Handeln umfasst Momente, die sowohl das Wachstum spendende als auch das hereinbrechende Wirken des Geistes widerspiegeln. So heißt es beispielsweise in Bezug auf Evangelisation in einem einflussreichen Bericht von John Finney, dass das „zum Glauben Kommen“ ein Prozess ist – ein graduelles Wachstum vom Unglaube zum Glauben.33 Reid bemerkt, dass dieses „Konzept einer progressiven Bekehrung nunmehr zu einer weiteren allgemein anerkannten Weisheit aus der Dekade der Evangelisation geworden ist.“34 Dieser Prozessgedanke kann jedoch die Wichtigkeit von „Krisenmomenten“ herunterspielen, in denen der Geist hereinbricht und die Menschen zu Christus führt, eine Überzeugung, die in der Vergangenheit zum Herzstück der Rolle des Evangelisten gehörte. Daher rühren auch Reids Reflexionen zur Frage, ob wir heutzutage ein Verschwinden der Evangelisten erleben. Er schlussfolgert, dass „Krise und Prozess nicht inkompatibel sind“35, sieht aber weiterhin einen dringenden Bedarf an Evangelisten. Missionarische Handlungen werden oftmals aus der Perspektive der Ortsgemeinde gesehen. Aber wir können nicht das Leben der lokalen Gemeinde von dem der globalen Kirche trennen. Die globalen Aspekte der skizzierten missionarischen Aktivitäten müssen genauer betrachtet werden. Aus Platzgründen befassen wir uns hier mit den globalen Aspekten der folgenden drei missionarischen Aktivitäten: Evangelisation, Geistesgaben und soziales Handeln. Die Geschichte der modernen Missionsbewegung bezeugt Christi Auftrag, „hinzugehen und alle Völker zu Jüngern zu machen“ (Mt 28,19) und „hinzugehen und das Evangelium aller Kreatur zu predigen“ (Mk 16,15). Viele sind gegangen und sind somit dem Beispiel von Missionaren wie Hudson Taylor gefolgt, der die vielen Tausenden in China auf seinem Herzen hatte, die jeden 33 Finney, John: Finding Faith Today: How Does It Happen? Stonehill Green: British and Foreign Bible Society, 1999. 34 Reid, Gavin: The Decay of Evangelists? In: Anvil 13, Nr. 1 (1996), S. 45 – 56, hier S. 47. 35 Ebd., S. 55.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Missions-Eschatologie

461

Tag ohne Christus starben.36 Dort, wo viele Missionare oft jahrelange mühsame Arbeit verrichtet haben, entstehen jetzt neue Kirchen. In Zaire sind die Christen in den letzten 100 Jahren von einem Prozent auf über 90 Prozent der Bevölkerung angewachsen. In Nigeria hat die Anglikanische Kirche inzwischen mehr Mitglieder als die Church of England. Dieses Wachstum, in Verbindung mit dem Rückgang vieler westlicher Kirchen, hat Wandlungen im Nachdenken über Evangelisation nötig werden lassen. In England profitieren wir von den evangelistischen Erfahrungen von Menschen aus anderen Ländern, wie etwa von Rev. Francis Makambwe, der evangelistische Methoden im Rahmen einer Ortsgemeinde in London entwickelt. Wenn wir in andere Länder reisen, um das Evangelium weiterzugeben, müssen wir die Christen dort in Demut wahrnehmen, von deren Weisheit und evangelistischen Methoden wir gleichermaßen lernen wie auch zu ihnen beitragen können. Evangelisation erfordert heutzutage eine Multidimensionalität, „von überall nach überall.“37 Der Auftrag Christi bleibt derselbe, doch die jeweiligen Ansätze wandeln sich mit den Veränderungen der Welt. Dieser Wandel betont das globale Wesen der Gaben Gottes. Wenn für die lokale Gemeinde gilt, dass „einem jedem die Gabe gegeben ist, nach dem Maß der Gabe Christi“ (Eph 4,7), dann gilt dies auch für die globale Kirche. Gaben der Evangelisation, der Theologie, der Weisheit, der Einsicht in die sozialen Verhältnisse und so weiter sind über die gesamte Welt verteilt, und wir können beobachten, wie unterschiedliche Länder offenbar mit besonderen Erfahrungen und Einsichten im Hinblick auf das Evangelium beschenkt sind. Wir müssen unsere Gaben mit den anderen teilen und uns von anderen Gaben beschenken lassen. Dieses miteinander Teilen entspringt der koinonia (Gemeinschaft), an der wir alle in Christus Anteil haben. In dieser „Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ (2Kor 13,13) teilt der Geist so aus, wie er will. Land sieht unsere individuellen Gaben als Teil eines weiteren kosmischen Dramas: „Besondere Ereignisse – d. h. spezifische Manifestationen von Geistesgaben, die im Kontext der Anbetung oder auf dem Marktplatz der Überzeugungen wirken – diese besonderen Vorkommnisse werden als Teil eines größeren kosmischen Dramas verstanden, in dem man Teilnehmer und nicht Opfer ist.“38 Die Geschichte der pfingstlichen und charismatischen Bewegungen bezeugt das globale Wesen der Geistausgießung, die sich durch das miteinander Teilen der empfangenen Gaben von Stadt zu Stadt und von Land zu Land verbreitet.39 Der Geist wirkt in einem weltweiten Kontext, und um im Geist zu

36 37 38 39

Steer, Roger: J. Hudson Taylor : A Man in Christ. Singapore: OMF, 1990. Nazir-Ali: From Everywhere to Everywhere, Kap. 15. Land: Pentecostal Spirituality, S. 137. Robecks Skizze der pfingstlichen Anfänge und missionarischen Ausbreitung ist diesbezüglich sehr erhellend: Robeck, Cecil M. Jr.: Pentecostal Origins in Global Perspective. In: Hunter, Harold D.; Hocken, Peter (Hg.): All Together in One Place: Theological Papers from the Brighton Conference of World Evangelization. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993, S. 166 – 180.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

462

Andy Lord

wachsen, müssen wir uns von den Gaben anderer beschenken lassen und mit ihnen die Gaben teilen, mit denen uns der Geist begnadet hat. Die Gabe der Liebe ist allen Christen auf universale Weise durch den Geist gegeben: „Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Diese Liebe ist in der Gemütsbewegung der Barmherzigkeit des Gläubigen sichtbar.40 Barmherzigkeit wird zwar individuell verspürt, sie ist jedoch eine Bewegung nach außen, sprich auf andere zu, und folgt somit dem Weg Christi. Sie ist eine Bewegung, die den Wunsch hat, alles und alle in die Liebe Christi hineinzuführen, insbesondere die Schmerzerfüllten und Leidenden. Barmherzigkeit ist die Antriebskraft unseres sozialen Handelns. Sie lässt uns leiden, wenn wir die Welt leiden sehen, und sendet uns mit der Hoffnung aus, Dinge zu verändern. Täglich werden wir mit der leidenden Welt auf unseren Fernsehbildschirmen konfrontiert und durch Gottes Gabe der Liebe antworten wir in der Mission auf seine Sehnsucht nach Heilung, Gerechtigkeit und Frieden. Soziales Handeln folgt aus einer Begegnung mit der Liebe Gottes und dem Schmerz der Menschen. Sie wird sowohl in der Nähe als auch in der Ferne benötigt, damit alle erfahren mögen, dass „Gott so sehr die Welt geliebt hat […]“ (Joh 3,16). Aus dieser Reflexion der missionarischen Aktivitäten, die aus dem Grundgerüst dieser Missions-Eschatologie hervorgegangen sind, sollte klar geworden sein, dass es nur eine Mission in der Welt gibt. Überall liegt die Mission in der Verantwortung der lokalen Kirche im jeweiligen Kontext, sie kann jedoch nicht von der größeren Perspektive auf Mission getrennt werden. In der Tat hat jede lokale Kirche sowohl Gaben als auch Bedürfnisse, die eine größere Partnerschaft in der Mission, erfordern. Eine solche Partnerschaft ist heute die Grundlage vieler Missionswerke41, welche im Rahmen des dargelegten Grundgerüsts auf sinnvolle Weise gefasst werden kann.

Schluss Mission kann als das Werk des Geistes gesehen werden, das einen Vorgeschmack auf das zukünftige Reich in die heutige Welt bringt. Wir müssen uns der Teilhabe an diesem Werk des Geistes verpflichten, indem wir im Vertrauen erwarten, die hereinbrechende Kraft und das Wachstum spendende Leben des Geistes zu sehen. Das hier vorgeschlagene Verständnis einer MissionsEschatologie führt neuere Diskussionen zum Thema Mission zusammen und betont das Werk des Heiligen Geistes sowie die Notwendigkeit, in allen un40 Land: Pentecostal Spirituality, S. 143 – 144. 41 Insbes. Anglikanische Werke halten sich an die Prinzipien der Partnerschaft, die vom Anglican Consultative Council 1973 vereinbart wurden und in Board of Mission of the General Synod of the Church of England: A Growing Partnership, S. 7 zu finden sind.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Missions-Eschatologie

463

seren missionarischen Aktivitäten Menschen zu Christus zu ziehen. Die missionarischen Aktivitäten der Kirche werden als mit den Merkmalen des zukünftigen Reiches verbundene verstanden. Daher bietet dieses Grundgerüst eine kohärente Vision und Herausforderung für Mission. In der heutigen Welt, der es an Orientierung zu mangeln scheint, bedarf es einer solchen Vision für Mission. Wie Warren bemerkte: „Die heutige Kultur hat einen besonderen Bedarf, vom Ende her zu beginnen […] denn wir leben ohne Hoffnung, ohne Orientierung, ohne Ziel.“42 Eine Vision des zukünftigen Reiches, die mit der Herausforderung verbunden ist, im Hier und Jetzt einbezogen zu werden, hat viel zu bieten. Der „Erwartungshorizont“, wie Moltmann christliche Eschatologie beschreibt,43 dient dazu, uns zu einer Mission zu ermutigen, die von Hoffnung getragen ist. Die Wege zu diesem Horizont sind von der Kraft und dem Leben des Geistes erfüllt und führen durch Städte, Länder und Kontinente. Das endgültige Ergebnis der Mission wird ein riesiges Zusammenströmen von Menschen „aus allen Nationen, Stämmen, Völker und Sprachen“ (Offb 7,9) sein, die gemeinsam die Gnade Gottes feiern. Wir wollen uns mit freudiger und glaubensvoller Zuversicht dieser Vision anvertrauen.

42 Warren, Robert: Building Missionary Congregations: Towards a Post-Modern Way of Being Church. London: Board of Mission of the Church of England, 1995 (Occasional Paper 4), S. 18. [Auslassung A. L.] 43 Moltmann, Jürgen.; Herzog, Frederick (Hg.): The Future of Hope: Theology as Eschatology. New York: Herder and Herder, 1970, S. 36.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Amos Yong

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen Wege zu einer pneumatologischen Theologie der Religionen

*

Unlängst habe ich die Grundlagen eines pneumatologischen Zugangs zu einer Theologie der Religionen im Kontext der weltweiten Pfingstbewegung in ausführlicher Weise behandelt.1 Obgleich die Pfingstbewegung eine gewisse Nähe zum evangelikalen Christentum aufweist, gibt es gute Gründe für die Annahme, dass die Unterschiede zwischen beiden Bewegungen doch bei weitem größer sind. Ich hoffe, einen Teil dieser Differenzen zu überbrücken, indem ich eine pneumatologische Theologie der Religionen skizziere, die von evangelikalen Anliegen motiviert ist. Meine Argumentation bewegt sich von der biblischen Grundlegung zur theologischen Begründung, der Methodologie und den Aufgaben dieser Theologie und schließt mit einigen potentiellen Einwänden und deren Diskussion. Im Verlauf meiner Verteidigung einer pneumatologischen Theologie der Religionen soll deutlich werden, dass sich dieser Vorschlag als wichtiger Beitrag zur weiteren Renaissance der gegenwärtigen Trinitätstheologie versteht und dass er den praktischen Nutzen hat, eine dynamischere evangelikale Missiologie zu formulieren und uns zu einer aufrichtigeren und effektiveren Auseinandersetzung mit den post-christlichen und postmodernen Kulturen des 21. Jahrhunderts zu befähigen. Mein Hauptanspruch ist allerdings methodischer Natur : Eine pneumatologische Theologie der Religionen verpflichtet Christen nicht nur zu einer empirischen Auseinandersetzung mit den Weltreligionen bezüglich theologischer Anliegen und Fragen, sondern sie ermöglicht diese Auseinandersetzung auch. Eine klärende Bemerkung vorweg: Ich war versucht, diesem Essay den Untertitel „Evangelikaler Inklusivismus in einer pneumatologischen Perspektive“ zu geben. Dass ich mich dagegen entschieden habe, weist auf zwei Annahmen hin, die dem folgenden zu Grunde liegen. Erstens möchte ich als Pfingstler nicht den Anspruch erheben „evangelikales Christentum“ zu definieren. Dies würde den Rahmen des vorliegenden Aufsatz bei weitem spren* Originalveröffentlichung: Yong, Amos: Discerning the Spirit(s) in the World of Religions: Toward a Pneumatological Theology of Religions. In: Stackhouse, John G. (Hg.): No Other Gods Before Me? Evangelicals and the Challenge of World Religions. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2001, S. 37 – 61. Übersetzung und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Baker Academic Press; alle Rechte vorbehalten. 1 Vgl. meine Monographie Yong, Amos: Discerning the Spirit(s): A Pentecostal-Charismatic Contribution to Christian Theology of Religions. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 insbes. Kap. 4; 6; 7.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

465

gen. Ich gehe jedoch davon aus, dass die folgenden Ausführungen mit evangelikalen Positionen kompatibel sind und dass evangelikale Christen ein evangelikales Herz, Denken und Fühlen wiedererkennen, wenn es sich ihnen zeigt. Zweitens bin ich mir nicht sicher, ob die hier zu entwickelnde theologische Position mit dem Begriff „Inklusivismus“ angemessen kategorisiert wird. Mit Sicherheit bin ich kein Exklusivist, wenn dies die Bezeichnung für eine Person ist, die glaubt, dass das Heil nicht nur in einem ontologischen Sinn von der Person und dem Werk Christi abhängig ist, sondern dass jemand diese Abhängigkeit auch kognitiv erkennen muss. Ich bin aber auch kein Pluralist, der sowohl die letztgenannte epistemische Bedingung als auch die vorherige ontologische Vorannahme bestreiten würde. Vielleicht komme ich der inklusivistischen Position am nächsten, die an der entscheidenden Bedeutung des soteriologischen Werks Christi festhält, ohne jedoch darauf zu beharren, dass Menschen unbedingt das Evangelium hören müssen und ein verbales Bekenntnis zu Christus aussprechen müssen, um errettet zu werden.2 Doch diese Kategorien, Exklusivismus / Inklusvismus / Pluralismus, beschäftigen sich mehr mit der Frage nach der Errettung derer, die nichts vom Evangelium gehört haben, und nicht mit der Frage nach den religiös Anderen und den Religionen der Welt. Außerdem haben sie ihren Ausgangspunkt in der Christologie und sind daher untrennbar mit christologischen Vorannahmen verflochten. Was aber geschieht, wenn man mit der Pneumatologie anstelle der Christologie beginnt? Ich möchte die These vertreten, dass ein pneumatologisches Paradigma eben diese Kategorien transzendiert. Diejenigen, die darauf insistieren, dass es nur dann möglich ist, eine evangelikale Position zu vertreten, wenn man sich entweder als Exklusivist oder Inklusivist bezeichnet, mögen mit meinem Anspruch, eine evangelikale theologia religionum zu kozeptualisieren, nicht einverstanden sein. Für sie werde ich später eine inklusivistische Perspektive darlegen, die in Bezug auf die Religionen jedoch stärker methodisch und hermeneutisch als theologisch ist. In jedem Fall überlasse ich es meinen Lesern, die angemessenen evangelikalen Grenzen für die theologische Reflexion und den Diskurs zu bestimmen.

2 Diesbezüglich sehe ich mich in weitgehender Übereinstimmung mit den Giganten des Glaubens wie John Wesley, C. S. Lewis und mit Zeitgenossen wie Anderson, James N. D.: Christianity and World Religions: The Challenge of Pluralism. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1984; Pinnock, Clark H.: A Wideness in God’s Mercy : The Finality of Jesus Christ in a World of Religions. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1992; und Sanders, John: No Other Name: An Investigation into the Destiny of the Unevangelized. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1992 insbes. S. 217 – 24; 249 – 57.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

466

Amos Yong

Ein pneumatologischer Zugang zu den Religionen: Ein bibelkundlicher Überblick Evangelikale Theologie beginnt mit der Heiligen Schrift. Es ist daher bei der Entfaltung einer Theologie der Religionen geboten zu prüfen, was die Schrift zum Thema Religion im allgemeinen und Religionen im spezifischen Sinn aussagt. Trotz der im biblischen Kanon überschaubaren Anzahl an Belegen zu diesem Thema, kann man festhalten, dass Religion und Religionen sowohl als zur Vorsehung Gottes gehörend dargestellt werden als auch auf dämonische Inspiration zurückgeführt werden, um Menschen auf betrügerische Weise von der Wahrheit abbringen.3 Mein Ziel besteht jedoch darin, eine Theologie der Religionen zu entfalten, die von einem pneumatologischen Ansatzpunkt ausgeht. Die Hauptfragen, die sich dabei stellen, lauten folglich: Wer ist der Heilige Geist und was ist seine Funktion4 – d. h.: Was hat er getan, was tut er und was wird er tun?5 Ich schlage daher vor, die Vorstellung zu ergründen, dass der Heilige Geist der gegenwärtige und handelnde Gott ist: die Kraft Gottes in Schöpfung, Neuschöpfung und endgültiger Schöpfung. Wir wollen nun jede dieser Kategorien in Kürze betrachten.6

3 Für einen biblischen Überblick, der diese Schlussfolgerung stützt, vgl. Pinnock: Wideness, S. 85 – 110; Clendenin, Daniel B.: Many Gods, Many Lords: Christianity Encounters World Religions. Grand Rapids, MI: Baker Books, 1995, S. 117 – 140. 4 Dies scheint mir eine angemessene hermeneutische Vorgehensweise zu sein. Pinnock hat auf diese Weise beachtenswerte Ergebnisse erzielt. Sein Flame of Love: A Theology of the Holy Spirit. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1996 stellt eine robuste trinitarische Theologie und energische Pneumatologie dar, die das Fundament für eine Neubetrachtung sämtlicher theologischer Loci setzt – Christologie, Soteriologie, Ekklesiologie, Eschatologie – und es somit ermöglicht, unsere Diskussion zur Theologie der Religionen in einen bestehenden Zusammenhang einzugliedern. Mein Projekt verdankt Pinnocks theologischer Exegese und Vision wichtige Anregungen. Aber ich möchte mich auch bemühen, die Frage zu beantworten, die auf Pinnocks evangelikale Theologie der Religionen folgt: Und nun? 5 Gelpi, Donald L.: The Divine Mother, a Trinitarian Theology of the Holy Spirit. Lanham, MD: University Press of America, 1984, bietet verschiedene Argumente dafür, weshalb Theologen das feminine Personalpronomen, bei der Rede vom Heiligen Geist, der Ruach Gottes, verwenden sollten – ohne dabei zu verkennen, dass der Heilige Geist weder männlich noch weiblich ist. Im Folgenden werde ich dennoch das konventionelle maskuline Personalpronomen verwenden, da ich hier ohnehin schon ein kontroverses Thema behandle und diese anspruchsvolle Aufgabe nicht zusätzlich verkompliziert möchte. 6 Das Konzept des Geistes Gottes als Gegenwärtiger und aktiv Handelnder stammt vom Exegeten Fee, Gordon D.: God’s Empowering Presence: The Holy Spirit in the Letters of Paul. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1994, S. xxif. Die folgenden Überlegungen verdanken sich auch in großen Teilen Moltmann, Jürgen: Der Geist des Lebens: Eine ganzheitliche Pneumatologie. München: Chr. Kaiser, 1991; Welker, Michael: Gottes Geist: Theologie des Heiligen Geistes. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1992; Snook, Lee E.: What in the World Is God Doing? Re-Imagining Spirit and Power. Minneapolis, MN: Fortress Press, 1999. Die Kategorien Schöpfung, Neuschöpfung und endgültige Schöpfung stammen hingegen von mir.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

467

Der Geist Gottes in der Schöpfung Gottes Gegenwart und Handeln in der Schöpfung deuten auf die Universalität des Heiligen Geistes hin. In der Tat, ist es wichtig hervorzuheben, dass alle Dinge durch Gottes Wort und Gottes Geist geschaffen sind. Die Schöpfungsberichte porträtieren Gott deutlich als denjenigen, der die Welt ins Dasein spricht (Gen 1,3 ff.). Dabei wird jedoch manchmal übersehen, dass Sprechen (wie wir es kennen) einen Hauch erfordert und dass es der Hauch Gottes ist, der zuerst „über den Wassern schwebte“ (Gen 1,2). An anderer Stelle rühmt der Psalmist die schöpferische und erhaltende Kraft Gottes durch den Geist, sowohl bezüglich der Himmel („Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes.“ [Ps 33,6]) als auch der Erde („Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie [die Geschöpfe der Erde]; nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder Staub. Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu die Gestalt der Erde“ [Ps 104,29 f.]). Es ist derselbe Hauch Gottes, der auch jenen aus Lehm geschaffenen Geschöpfen Leben gewährt, wodurch A748 ein „lebendiges Wesen“ (Gen 2,7; vgl. Hi 33,4) wird. Aus dieser pneumatologischen Sicht von Schöpfung und Vorsehung folgt die Erkenntnis der Allgegenwart des Geistes. Gewiss gibt es keinen Ort, an dem man Gottes Geist entfliehen kann: Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte, und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. (Ps 139, 7 – 10)

Dies ist ein bemerkenswertes Bild der Allgegenwart des göttlichen Geistes. Noch auffälliger ist, dass der Psalmist im Kontext dieses Psalms die universale Gegenwart des Geistes behauptet, indem er Gottes erschöpfende Kenntnis des Psalmisten selbst deklariert – sowohl in Bezug auf die Tiefe seiner persönlichen Subjektivität (1 – 6), als auch in Bezug auf sein ganzes Leben, von der Zeugung bis zu den letzten Tagen (13 – 16). Mit anderen Worten: Die Universalität des Geistes ist mit Gottes Wissen über die Welt der menschlichen Lebewesen und seinem Handeln in derselben aufs engste verbunden – und dies durch den einen Geist. Das wird durch die Areopagrede des Paulus bestätigt: Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde [… lässt sich nicht von Menschenhänden dienen …], da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Menschen das ganze

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

468

Amos Yong

Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir ; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. (Apg 17,24a.25b–28, Hervorhebung A. Y.)

Daraus geht klar hervor, dass menschliches Leben – selbst das der heidnischen Dichter (oder Philosophen), die Paulus hier zitiert – qua Gegenwart und Handeln Gottes durch den göttlichen Geist belebt wird.

Der Geist Gottes in der Neuschöpfung Gerade die universale Gegenwart des Geistes und dessen Handeln ist der Grund dafür, dass Gott nicht nur Schöpfer, sondern auch Neuschöpfer, bzw. Erlöser und Retter ist.7 Am deutlichsten wird dies im Leben, im Wirken, im Sterben und in der Auferstehung Jesu Christi konkretisiert – dem ultimativen pneumatologischen Ereignis in der Geschichte. Man beachte die Zentralität des Geistes in den Schlüsselereignissen der lukanischen Version des Lebens Jesu: Empfängnis (1,35); Fetogenese (1,39 – 44), Darstellung im Tempel (2,25 – 35), Taufe (3,21 f.), Versuchung (4,1 – 14), Dienst (4,18 f.; vgl. Apg 10,38), Tod (23,46 vgl. Hebr 9,14). Obwohl die Zentralität der Geist-Christologie im Zusammenhang mit der behandelten Thematik meines Erachtens wichtig ist, kann aus Platzgründen an dieser Stelle keine weitere Ausführung hierzu erfolgen.8 Die Ereignisse des Lebens Jesu sind aber paradigmatisch für die Art und Weise, in der Gott die Menschheit als Ganzes und im individuellen Sinne erlöst und rettet. Es ist die Pneumatologie, die bei Lukas den roten Faden zwischen seinen beiden Büchern darstellt – wobei der erste Band das Leben Jesu und der zweite Band das Leben der Kirche behandelt, als derer, die errettet werden. Die Zentralität des Pfingsttags in der lukanischen Geschichte der frühen Kirche darf deshalb nicht übersehen werden. Zu Pfingsten, verwirklichte Gott den ersten Schritt des göttlichen Plans zur Erweiterung des Bereichs derer, die zum Volk Gottes gehören konnten, auf die Heiden. Die Anwesenheit von „Gottesfürchtigen aus allen Nationen unter dem Himmel“ (Apg 2,5.8 – 11) bot die Gelegenheit für die Ausgießung des Heiligen Geistes und die Neukonstituierung des „neuen“ Gottesvolks. Petrus, der diesen kairotischen Moment erkennt, verkündigt, dass dieses Ereignis den Anfang der Erfüllung der Ver7 Es wäre interessant zu erörtern, inwiefern die Neuschöpfung als pneumatologisches Motiv auch in der hebräischen Bibel im Wind (ruach) typologisch präfiguriert ist, den Gott über die Erde kommen lässt, um die Wasser der Flut sinken zu lassen (Gen 8,1). 8 Vgl. Del Colle, Ralph: Christ and the Spirit: Spirit-Christology in Trinitarian Perspective. New York: Oxford University Press, 1994.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

469

heißung konstituiert, die durch die Worte des Propheten Joel ausgesprochen wurde: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. Und ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf; die Sonne soll sich verkehren in Finsternis und der Mond in Blut, ehe denn der große Tag der Offenbarung des Herrn kommt. Und es soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden (Apg 2,17 – 21, Zitat aus Joel 2,28 – 32)

Zwei Punkte erfordern eine ausführlichere Erläuterung. Erstens weist diese Passage die Zentralität des Heiligen Geistes im neuen Werk Gottes auf und betont in klarer Weise den pneumatologischen Charakter des neuen Bundes. Hier geht es darum, die Größe des Werkes des Heiligen Geistes inmitten des neuen Gottesvolks zu unterstreichen. Auf den ersten Blick scheint der Text die „Auswirkungen“ des Werks des Heiligen Geistes auf Prophetie, Visionen und Träume zu beschränken. Die göttliche Absicht, die in der Predigt des Petrus zum Ausdruck kommt, besteht jedoch darin, den Weg für den Tag des Herrn zu bereiten; genauer gesagt: die vollständige Errettung eines jeden, der „den Namen des Herrn anrufen wird“ (Apg 2,21). Dieses Werk der Errettung ist – nicht anders als wir es im Leben Jesu gesehen haben – von Anfang bis Ende ein Werk des Heiligen Geistes. Der Geist ist – entgegen landläufiger Meinung – nicht derjenige, der lediglich für die Heiligung der Erretteten zuständig ist, sondern auch derjenige, der es de facto bewirkt, dass man von Neuem geboren wird (Joh 3,3 – 7, Tit 3,5). Mehr noch: Es ist der Geist, der in den Herzen und Leben der Individuen arbeitet, um sie auf dieses von Neuem geboren werden vorzubereiten (Joh 16,8 – 11). Ohne diese Gegenwart und dieses Handeln des Geistes Gottes würde niemand von seiner oder ihrer Sünde überführt werden oder das eigene Bedürfnis zur Buße und Umkehr zu Gott anerkennen. Auf einer Ebene sind die „pfingstliche“ Erfahrung und das „pfingstliche“ Ereignis somit ein ekklesiologisches Ereignis: Das Werk des Heiligen Geistes bestand darin Parther, Meder, Elamiter – [und später] die Heiden – in den Leib Christi zu gebären und sie zu nähren. Auf einer anderen Ebene hingegen antizipiert Pfingsten, wie Petrus deutlich verkündet, den Tag des Herrn (Apg 2,17 – 21). Dies sollte uns, zusammen mit dem Verweis auf die Anwe-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

470

Amos Yong

senheit der vielen Völker in Jerusalem, davor warnen, das „alle“ in Apg 2,17 in einem exklusiv ekklesiologischen Sinn zu lesen.9 Das Handeln des Geistes über die Dimensionen von Raum (die Ausgießung des Geistes auf alles Volk) und Zeit („in den letzten Tagen“, die sich von Pfingsten bis zum Kommen des Gottesreiches erstrecken) hinweg erfordert ein universales Verständnis, das die Kirche (oder zumindest ihre institutionellen Grenzen) transzendiert.10

Der Geist Gottes in der endgültigen Schöpfung Dies führt zu einem zweiten Punkt in Bezug auf die Pfingstereignisse, dem eschatologischen Charakter des Handelns des Heiligen Geistes. Das Werk des Geistes Gottes erstreckt sich nicht nur auf die ursprüngliche Schöpfung und Neuschöpfung (im Sinne von anfänglicher Errettung), sondern dehnt sich auch auf die endgültige Schöpfung aus – die neuen Himmel und die neue Erde. Die Verschiedenheit der Menschen, die sich am Pfingsttag in Jerusalem befanden, stellt nicht nur die Konfiguration des Leibes Christi dar, sondern antizipiert auch den Umfang des Reiches Gottes. Der Seher der Apokalypse bestätigt, dass die Heiligen diejenigen sind, die aus allen Stämmen, Sprachen, Völkern und Nationen stammen (Offb 5,9; 7,9; 21,24). Dies zeugt zusätzlich von der universalen Gegenwart und dem wirksamen Handeln des Geistes. Es ist deutlich, dass der Geist nicht nur die göttliche Einladung an den neuen Himmel und die neue Erde richtet (Offb 22,17), sondern dass er auch den Übergang für das Volk Gottes vollbringt (Offb 4,1 – 2; 21,10). Dies gilt nicht nur im symbolischen Sinn, sondern genauso im Hinblick auf die Tatsache, dass kein anderer als der Geist die Kraft der Auferstehung zum Leben ist (Ez 37,1 – 14; Röm 1,4). Gleichzeitig ist es aber wichtig zu bemerken, dass das eschatologische Werk des Geistes Gottes nicht nur das Volk Gottes, sondern auch die gesamte Schöpfung selbst miteinbezieht. Der Geist ist jene Kraft Gottes, die sowohl das Antlitz der Erde erneuert (Ps 104,30), als auch diese letztendlich neu erschafft. Ich beziehe mich hierbei nicht so sehr auf die Entstehung neuer Himmel und einer neuen Erde aus der Zerstörung der ursprünglich erschaffenen Ordnung mit Feuer (2Petr 2,12 f.), wenngleich der Geist in der Schrift durchweg mit dem reinigenden Feuer Gottes symbolisiert wird. Es geht mir hier vielmehr um den Geist, der in, mit und durch uns seufzt, um die Befreiung der Schöpfung selbst herbeizuführen (Röm 8,18 – 27). Diese letztendliche 9 Selbst der klassisch-pfingstliche und exklusivitische Exeget Stanley M. Horton sagt, dass das „alle“ in dieser Passage die „gesamte Menschheit“ meint, s. Hortons Kommentar zu Apg 2,17 in The Book of Acts. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1981, S. 38; vgl. Welker: Gottes Geist, S. 259 – 313, für eine wesentlich ausführlichere Argumentation für diese Deutung. 10 Diese Universalität wird in der Predigt des Petrus im Haus des Kornelius explizit bestätigt: „Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jeglichem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm“ (Apg 10,34b–35).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

471

Schöpfung wird die Schöpfung von ihrer „Knechtschaft des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“ befreien (Röm 8,21). Und der Geist ist freilich der Geist der Freiheit, und Leben im Geist bedeutet Errettung, Erlösung und Befreiung (Röm 8,17 – 21). Der Geist, der in erster Schöpfung, Neuschöpfung und endgültiger Schöpfung wirkt, erhellt daher den dynamischen Charakter des göttlichen Heilsplans. Dies erklärt auch die Spannungen, die in unserer Zeit bestehen, eine Zeit „zwischen den Zeiten“ – eine Zeit des schon und noch nicht, um es in eschatologischen Begriffen auszudrücken. Wir antizipieren nicht nur sehnsüchtig das Kommen des Gottesreiches, sondern zelebrieren zugleich auch seine Gegenwart in unserer Mitte (Lk 17,21), und zwar genau aufgrund der Gegenwart des Geistes und seines Handelns (Lk 11,20).11 Das Ziel des Handelns des Geistes ist allerdings nicht nur eine Manifestation davon, was einige charismata nennen, sondern die Errichtung von Recht, Frieden und Gerechtigkeit. Mit dem Propheten Jesaja gesprochen (32,15 – 17): so lange bis über uns ausgegossen wird der Geist aus der Höhe. Dann wird die Wüste zum fruchtbaren Lande und das fruchtbare Land wie Wald geachtet werden. Und das Recht wird in der Wüste wohnen und Gerechtigkeit im fruchtbaren Lande. Und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird ewige Stille und Sicherheit sein.

Damit ist der Geist die universale Gegenwart und das universale Handeln Gottes schlechthin. Er ist eine Universalität, die sowohl die äußerlichen Strukturen der natürlichen und menschlichen Welt als auch die internen Dimensionen des menschlichen Herzens durchdringt. Ebenso stellt er eine Universalität dar, die sich über das gesamte Werk Gottes ausdehnt, von der ursprünglichen Schöpfung, über die Neuschöpfung bis hin zur letzten eschatologischen Schöpfung. Nachdem wir nun also dieses pneumatologische Grundgerüst aufgestellt haben, ergibt sich folgende Frage: Wie kann dieser pneumatologische Blick ein theologisches Verständnis ermöglichen, das dem Phänomen gerecht wird, das wir gegenwärtig als Pluralität der Religionen bezeichnen?

11 Mehrere Bibelübersetzungen sprechen in Lk 11,20 vom „Finger Gottes“. Die meisten Gelehrten sind sich darüber einig, dass sich Jesu Anspielung auf den „Finger Gottes“ bei der Dämonenaustreibung auf den Heiligen Geist bezieht, und dies typisch matthäischer Sprachstil (Mt 12,28) ist; vgl. die Kommentare zu dieser Perikope von D. A. Carson (zu Matthäus) und Walter Liefeld (zu Lukas) in Gaebelein, Frank E u. a. (Hg.): Matthew – Mark – Luke, Bd. 8. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1984 (The Expositor’s Bible Commentary : With the New International Version of the Holy Bible) S. 289 und entsprechend S. 951.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

472

Amos Yong

Umrisse einer pneumatologischen theologia religionum In diesem Abschnitt sollen drei größere Ziele angestrebt werden. Nachdem wir das biblisch-theologische Fundament für einen pneumatologischen Ansatz gelegt haben, möchte ich zunächst die theologische Begründung dieses Projekts formulieren. Sodann sollen die Grundaxiome einer pneumatologischen theologia religionum beschrieben werden und ausblickhaft gezeigt werden, wohin sie uns theologisch führen. Schließlich sollen die Ziele, Aufgaben und die Methodik einer pneumatologischen Theologie der Religionen identifiziert werden. Gründe für einen pneumatologischen Zugang zu den Religionen Ein pneumatologischer Zugang zur Theologie der Religionen hat meines Erachtens mehrere Vorteile. Der wichtigste Vorzug besteht darin, dass ein solcher Ansatz von einer trinitarischen Theologie motiviert ist und diese zugleich belebt. Einfach ausgedrückt: nur eine genuin pneumatologische Theologie ist eine wirklich trinitarische Theologie. Dies liegt zum Teil daran, dass Christen nicht vom Heiligen Geist sprechen können, ohne zugleich von der ersten oder der zweiten Person des trinitarischen Gottes zu reden. Der Geist ist das Symbol der Vermittlung und Beziehung schlechthin. Augustinus verstand den Geist beispielsweise als die Liebe, die zwischen dem Liebenden (Vater) und Geliebtem (Sohn) besteht. Karl Barth zufolge offenbart uns der Geist (d. h. er ist das „Offenbarsein“ dessen), was der Offenbarer (Vater) offenbart hat (Sohn). Eine weitere trinitarische Analogie betrachtet den Geist als den Hauch, der die Vermittlung zwischen dem Sprecher (Vater) und dem gesprochenen Wort (Sohn) bewirkt (Gen 1,1 – 3). Andere theologische Schemata, die denselben Gedanken erklären, stellen den Geist als vermittelnd zwischen dem Geheimnis des transzendenten Vaters und der Enthüllung (Offenbarung) des immanenten Sohnes dar ; zwischen dem primordialen Alpha und dem eschatologischen Omega; zwischen der Schöpfung und der Erlösung; zwischen Welt und Kirche; zwischen Natur und dem Reich Gottes und so weiter. Freilich besteht in verschiedener Hinsicht die Gefahr, einer götzendienerischen Überhöhung des Geistes bei gleichzeitiger Vernachlässigung oder Subordination des Wortes, ebenso wie man andererseits einer götzendienerischen Anbetung Jesu ohne Vater und Geist unterliegen kann. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass eine ernsthafte theologische Reflexion in der heutigen Zeit den Schwerpunkt auf die relationalen und vermittelnden Potentiale der Pneumatologie legen sollten, anstatt das „stille Glied“ der Trinität zu vergessen, wie es vorausgehende Generationen getan haben. Ich schlage vor, dass ein Weg zu einem robusten Trinitarianismus darin besteht, die patristische Metapher von Wort und Geist als „die beiden Hände

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

473

des Vaters“ einer erneuten Betrachtung zu unterziehen.12 Im Kern geht es darum, dass das Wort Konkretheit darstellt – wie etwa in Jesus von Nazareth und dem Zeugnis der Schrift –, also historische Besonderheit und menschliche Erfahrung der Objektivität. Der Geist stellt die Dynamik des Gesalbten dar – wie etwa in Christus und im lebendigen, inspirierten und erleuchtenden Wort Gottes –, also kosmische Relationalität und die menschliche Erfahrung der Subjektivität. Diese Kategorien sollen nicht wörtlich, sondern in ihrer heuristischen und metaphorischen Funktion verstanden werden. Ihr Sinn besteht darin, uns zu vergegenwärtigen, dass Gott alles, was er tut, durch seine beiden göttlichen Hände tut: Gottes Handeln geschieht in und durch Wort und Geist.13 Wenn dies der Fall ist, dann verfehlt jede Beurteilung, die eines dieser beiden Aspekte im Handeln Gottes vernachlässigt, den Kern bzw. die Essenz jenes Werkes oder jener Realität. Diese Zusammengehörigkeit von Wort und Geist erlaubt es, die Vorteile eines pneumatologischen Theologieansatzes von mehreren Blickwinkeln aus beurteilen. Für die Theologie bedeutet dies, den biblischen Kontext und Horizont mit dem zeitgenössischen Kontext und Horizont im Denken zusammenzuführen. Für die Lehre heißt dies, dass die Glaubensartikel sowohl in Treue zu den Zeugnissen der Vergangenheit als auch in ihrer Relevanz für die Anforderungen der Gegenwart artikuliert werden sollten. Die wichtigsten Folgen ergeben sich jedoch hinsichtlich der Methodik: theologische Reflexion umfasst die Heilige Schrift, die Tradition, die Vernunft und die Erfahrung, die jeweils als Schnittstelle von Wort und Geist zu betrachten sind.14 So ist die Heilige Schrift beispielsweise das Wort Gottes, wenngleich sie Christus als den Logos bezeugt, gleichzeitig ist die Heilige Schrift aber auch als textliches 12 Die Anfänge dieser Metapher reichen auf Irenäus zurück, s. Iren•us: Adversus haereses/Gegen die Häresien: Griechisch, latein, deutsch, hg. v. Norbert Brox. Freiburg: Herder, (Fontes Christiani 8), Kap. IV. Vorrede, 4. Ich bevorzuge dieses trinitarische Modell gegenüber einem kommunitarischen Modell, wie es zur Zeit von Befürwortern eines sozialen Trinitätsansatzes verfochten wird, weil dieses m. E. besser geeignet ist, die Zentralität des Gemeinschaftsaspektes zu bewahren, der den kommunitarischen Modellen eigen ist, zugleich aber frei von deren tritheistischen Tendenzen ist. 13 Das bedeutet nicht, dass einige Dinge als Manifestation des Wortes und andere als Manifestation des Geistes zu verstehen sind, sondern dass Wort und Geist untrennbare Aspekte aller Dinge sind. Demnach besteht die Universalität des Wortes (der kosmische Christus) ebenso wie die Partikularität des Geistes (welche die differenzierte Ordnung der determinierten Dinge hervorhebt und wertschätzt) eben darin, dass beide Aspekte einander inhärent sind und einander informieren, wie es im patristischen Begriff der circumcessio und dem griechischen Begriff der perichoresis zum Tragen kommt. Zum Aspekt der Partikularität vgl. Gunton, Colin E.: The One, the Three, and the Many: God, Creation, and the Culture of Modernity. Cambridge: Cambridge University Press, 1993, S. 180 – 209. 14 Das verhält sich kongruent zu dem, was das Wesleyanisches Quadrilateral genannt worden ist. Ich verteidige die Tragfähigkeit des Wesleyanischen Quadrilaterals für die evangelikale theologische Methode im zweiten Teil meines Artikels The Demise of Foundationalism and the Retention of Truth: What Evangelicals Can Learn from C. S. Peirce. In: Christian Scholar’s Review 29 (2000), S. 563 – 588.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

474

Amos Yong

Produkt vom Geist inspiriert und erleuchtet. Die Tradition ist der Interpret des Wortes Gottes, wenngleich sie vom Geist im Interpretationsprozess geleitet ist (vgl. die Entstehung des neutestamentlichen Kanons). Die Vernunft ist beides, Logos (Joh 1) und Geist, als Sinn und Interpret Gottes (1Kor 2,10b f.). Erfahrung ist beides zugleich: konkret (als Erfahrung Christi) und dynamisch (als Erfahrung des Geistes), wenngleich sie letztendlich Erfahrung Gottes ist (Christus als Repräsentation des Vaters und der Geist als Gegenwart des Vaters). Die Pointe ist, dass der Dualismus zwischen Wort und Geist überbrückt wird und relationale Verbindungen in einem trinitarischen Zusammenhang gesehen und wieder stark gemacht werden. Um diese Aspekte eines pneumatologischen Ansatzes jedoch besser einschätzen zu können, müssen wir die sie bestimmenden Axiome untersuchen.

Grundaxiome einer pneumatologischen Theologie der Religionen Unser Zwischenfazit lautet: Eine pneumatologische Theologie der Religionen ist ein robuster trinitarischer Ansatz, der hohes Potential birgt, größtenteils jedoch unerforscht geblieben ist.15 Wenn wir also einräumen, dass alle Werke Gottes durch Wort und Geist geschehen, dann können die folgenden drei Thesen innerhalb eines trinitarischen Rahmens entfaltet werden. These 1: Gott ist durch den Geist universal gegenwärtig und handelnd wirksam. Die Artikulation dieser universalen Gegenwart und dieses universalen Handelns ist die Aufgabe einer Fundamentalpneumatologie, die sich der Erforschung der pneumatologischen Dimensionen der gesamten geschaffenen Ordnung zuwendet.16 Die Fragen, die in diesem Zusammenhang auftauchen, umfassen unter anderem die folgenden: Wie ist der Geist in der Schöpfung identifizierbar – im Kosmos, in der Natur, in der Geschichte der Menschheit und in der menschlichen Erfahrung? Wenn Politik und Ökonomie Elemente menschlicher Gesellschaften sind, wie verhält sich der Geist zu diesen Bereichen menschlichen Lebens? Wenn Kunst und Religion Elemente menschlicher Kulturen sind, was sind die Absichten des Geistes in diesen Bereichen menschlicher Erfahrung? Auf welche Weise erhält der Geist diese 15 Vgl. z. B. Vanhoozer, Kevin J.: Does the Trinity Belong in a Theology of Religions? On Angling the Rubicon in the “Identity” of God. In: Ders.: The Trinity in a Pluralistic Age. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1997, S. 41 – 71 und die drei Essays von Rowan Williams, Gavin D’Costa und Christoph Schwöbel zum Potential trinitarischer Theologie für die Theologie der Religionen in Teil 1 von D’Costa, Gavin (Hg.): Christian Uniqueness Reconsidered: The Myth of a Pluralistic Theology of Religions. Maryknoll, NY: Orbis Books, 1990 (Faith Meets Faith Series). Eine ältere, weniger umfangreiche, aber immer noch aufschlussreiche Arbeit ist Panikkar, Raimundo: The Trinity and the Religious Experience of Man: Icon-Person-Mystery. New York: Orbis Books, 1973. 16 Zur weiteren Erläuterung vgl. Yong, Amos: On Divine Presence and Agency : Toward a Foundational Pneumatology. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 3, Nr. 2 (2000), S. 137 – 188, hier S. 163 – 184.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

475

Dimensionen menschlichen Lebens und wie spiegeln diese die Gegenwart und das Handeln des dreieinigen Gottes?17 These 2: Gottes Geist ist der Lebenshauch der imago dei in allen menschlichen Wesen und die Bedingung aller menschlichen Beziehungen und Gemeinschaften. Dies bedeutet, dass jedem menschlichen Individuum eine pneumatologische Dimension zu Eigen ist, welche intersubjektive Kommunikation, interpersonale Beziehungen und intentionales, rationales, moralisches und geistliches Leben erhält.18 Alle menschliche Beschäftigung mit dem „Anderen“ – sei es nun, dass das Andere ein menschliches Gegenüber, die Welt oder das Göttliche ist – sind pneumatologisch vermittelt. Dies ist zunächst und vor allem eine ontologische und keine soteriologische Aussage (daher Gen 2,7 in Bezug auf den Lebenshauch und Apg 17,28 in Bezug auf unser gemeinsames Leben in Gott).19 Es ist aber auch die Behauptung, dass menschliche Wesen nichts anderes als Individuen-in-Gemeinschaften sind, dazu befähigt durch den Geist Gottes. Mit anderen Worten: Wir leben, denken, kommunizieren und verhalten uns als Geist-Wesen und unser Fragen nach letzter Realität entspringt unserem Sein in Gemeinschaften (jeder von uns gehört verschiedenen Gemeinschaften an, denen er oder sie graduell unterschiedlich verpflichtet ist). Ich werde später noch einmal darauf zurückkommen, wie wichtig es ist, den gemeinschaftlichen Kontext sämtlicher religiöser Fragen zu verstehen. An dieser Stelle ist es aber erforderlich, die fundamentale menschliche Gemeinsamkeit – als pneumatologisch situierte Individuen-inGemeinschaften – zu betonen, die menschliche Unterschiede in Geschlecht, Rasse, Ethnie, Klasse und freilich Religion transzendiert. Gleichzeitig deutet die Tatsache, dass der Mensch durch Wort und Geist konstituiert ist, auf die objektive und subjektive Natur des menschlichen in-der-Welt-Seins hin. Dies erfordert ein Anerkennen der menschlicher Fehlbarkeit und eine menschliche 17 Der trinitarische Charakter dieses pneumatologischen Vorschlags, der Geist nicht nur im Verhältnis zu Gott, sondern auch im Verhältnis zur Welt definiert, sollte nicht unterschätzt werden. Es ist der trinitarische Rahmen, der diese pneumatologische Theologie der Religionen als spezifisch christliche auszeichnet und sie von einer hinduistischen Theologie der Religionen unterscheidet, bei der alle Dinge Atman im Gegenüber zu Brahman sind, oder von einer buddhistischen Philosophie der Religionen, welche die Interdependenz aller Dinge hervorhebt, oder von einer neokonfuzianistischen Metaphysik der zehntausend Dinge, die vom „sehr großen Äußersten“ ausgehen. 18 So lautet die These von Smith, Steven G.: The Concept of the Spiritual: An Essay in First Philosophy. Philadelphia, PA: Temple University Press, 1988, der auf den Arbeiten von Martin Buber aufbaut, vgl. auch Dabney, D. Lyle: Otherwise Engaged in the Spirit: A First Theology for the Twenty-first Century. In: Moltmann, Jürgen u. a. (Hg.): The Future of Theology: Essays in Honor of Jürgen Moltmann. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1996, S. 154 – 163. 19 Schließt dies nicht auch an die johanneische Aussage an, dass der Logos „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9, Hervorhebung A. Y.) ist? Ich verstehe Textstellen, in denen beschrieben wird, wie der Geist Gottes bestimmte Individuen verlässt (z. B. 1Sam 16,14), als funktional im Sinne einer Beschreibung einer Beziehung zu Gott, nicht als ontologische Aussage über ihr Menschsein als solches.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

476

Amos Yong

Offenheit, einander in gegenseitiger Demut zu begegnen, als ob wir durch ein trübes Glas hindurch blickten (1Kor 13,12).20 Aus diesen Erwägungen folgt These 3: Die Religionen der Welt werden, ebenso wie alles andere, das existiert, von Gottes Geist im Rahmen der göttlichen Vorsehung und Absicht erhalten.21 Wenn ich auch später wesentliche Qualifizierungen dieser These vornehmen werde, ist es wichtig, sie hier ausdrücklich zu erwähnen. Wenn man nicht behaupten will, dass alle Formen und Ausdrucksweisen menschlicher Kultur widergöttlich sind, kann man nicht eine einzelne Dimension menschlicher Kultur willkürlich herauszunehmen – etwa den religiösen Aspekt – und diese, wie es frühere Generationen getan haben, als lediglich menschliche Anstrengung, Gott zu erreichen, oder gar als dämonisch bezeichnen. Vielmehr spiegeln alle menschlichen Unternehmungen entweder Gottes zulassenden oder aktiven Willen in Bezug auf die letzten göttlichen Absichten, die sich auf die vollständige Offenbarung Jesu Christi und des nahenden Gottesreichs konzentrieren. Dies sollte in Bezug auf die Religionen nicht anders sein. Es würde, wie Clark Pinnock beobachtet hat, „befremdlich erscheinen, wenn sich der Geist ausgerechnet aus der Sphäre der Kultur heraushalten würde, in der die Menschen Sinn suchen. Wenn Gott sich Sündern zuwendet, ist es schwer zu verstehen, warum er dies nicht auch im Bereich der Religion tun sollte.“22 Kurzum ein pneumatologischer Ansatz der Religionen ermöglicht eine inklusive Methodik und Hermeneutik anstelle einer monologischen, die apriorisch festlegt, dass alle Religionen jenseits der Grenze der göttlichen Gegenwart und des göttlichen Handelns liegen. Ich möchte behaupten, dass die vorhergehenden Beobachtungen die latente Sprengkraft einer pneumatologischen (lies: trinitarischen) Theologie herausstellen, traditionelle Sackgassen zu überwinden, die weiterführende Entwicklungen in der Religionstheologie verhindert haben. Drei Aspekte sollen hier besonders genannt werden. Erstens ist die Pneumatologie der Schlüssel, um den Dualismus zwischen christologischer Partikularität und dem kosmischen Christus aufzusprengen. Wenn man sich vor Augen führt, dass der historische Jesus durch nichts anderes als durch den Geist Gottes derjenige gewesen ist, der er war, und dass der auferstandene Christus durch die Kraft des Geistes Gottes auferweckt worden ist, dann löst sich das Entweder/Oder von Partikularität/Universalität auf. Vielmehr müssen alle Dinge – in konsistenter trinitarischer Manier – als 20 Vgl. Smith, James K. A.: The Fall of Interpretation: Philosophical Foundations for a Creational Hermeneutic. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2000, für den diese epistemische Trübung im Zusammenhang mit der Distanz zwischen Subjekt und Objekt steht. Sein wesentlicher Beitrag liegt jedoch in der Argumentation, dass diese Distanz der Schöpfung selbst inhärent ist – eine Schöpfung, die vom Schöpfer als gut erklärt worden ist – statt eine Folge des Sündenfalls zu sein. 21 So der Vorschlag von Di Noia, Joseph A.: The Diversity of Religions: A Christian Perspective. Washington, DC: Catholic University of America Press, 1992, S. 65 – 107. 22 Vgl. Pinnock: Flame of Love, S. 203.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

477

die Schnittstelle von Wort und Geist gesehen werden, was sowohl den historischen Jesus und den kommenden Christus als auch die dynamische Gegenwart und das dynamische Handeln Gottes in der Welt einschließt. In dieser Konzeption ist der Geist gewiss der Geist Jesu, wie auch Jesus derjenige ist, der durch den Geist Gottes gesalbt ist (Apg 10,38). Diese Wechselseitigkeit darf jedoch den weiteren trinitarischen Rahmen nicht verdunkeln, wonach der Geist gleichzeitig auch der Geist Gottes ist, ebenso wie Jesus der Sohn Gottes ist. Zweitens ist die Pneumatologie der Schlüssel dafür, die Spannung zwischen der – traditionell formuliert – spezifischen und natürlichen Offenbarung zu verstehen, d. h. zwischen dem Heiligen und dem Profanen oder zwischen der Kirche und der Welt. Diese Kategorien wurden vormals mit denen, die errettet sind, und denen, die verloren sind, in Verbindung gebracht: Die spezifische Offenbarung war für die Errettung notwendig, während die natürliche Offenbarung lediglich zur Verdammnis reichte. Ein pneumatologisches Verständnis der Errettung ist dagegen dynamisch und erfordert eine triadische Rekategorisierung im Sinne des „ich wurde errettet“, „ich werde errettet“ und „ich werde errettet sein“. (Die Frage nach der Errettung von Säuglingen, mental beeinträchtigten Personen usw. klammere ich hier aus.) In diesem Rahmen muss die Bekehrung selbst als ein mehrschichtiger Prozess verstanden werden, der kognitive, moralische, affektive, geistliche, gesellschaftspolitische, religiöse und andere Dimensionen der menschlichen Erfahrung mit einbezieht.23 Mein Argument ist, dass eine pneumatologische Perspektive, sowohl in Bezug auf die Offenbarung als auch in Bezug auf das Heil, den Fokus auf den dynamischen Prozess statt auf unlösbare Dualismen legt. Dies spricht einem Verständnis von „spezifischer“ und „natürlicher“ Offenbarung nicht seinen Wert ab, ebensowenig verwirft es die altehrwürdige Formel des extra ecclesiam nulla salus („keine Errettung außerhalb der Kirche“). Es relativiert allerdings die Bedeutung theologischer Kategorien angesichts der historischen Kontexte, in denen sie auftreten, und fordert eine Neubewertung ihrer Bedeutungen innerhalb der weiteren Zusammenhänge der Heiligen Schrift, der gesamten geschichtlichen und räumlichen Spannweite menschlichen Lebens und der menschlichen Erfahrung, sowie des eschatologischen Horizonts. 23 Hier stütze ich mich auf die Kategorien von Gelpi, Donald L.: The Turn to Experience in Contemporary Theology. New York: Paulist Press, 1994, S. 134 – 136, der sich wiederum die Konzepte Bernard Lonergans zu eigen macht, vgl. Lonergan, Bernard J. F.: Methode in der Theologie, übers. v. Johannes Bernard. Leipzig: St. Benno, 1991, S. 241 – 247. Man könnte behaupten, dass meine Verbindung von prozesshafter Soteriologie mit pneumatologischer theologia religionum schon durch Jonathan Edwards vorgezeichnet wurde. Gerald McDermott stellte heraus, dass die Lehre der ursprünglichen und prozesshaften Offenbarung (die prisca theologia), welche die Schöpfung als typologische oder semiotische Hinweise auf die Gottheit und die Errettung als dispositional auffasst, zentral für die Faszination waren, welche die nichtchristlichen Religionen auf die puritanischen Theologen des 18. Jahrhunderts ausübten. S. McDermott, Gerald R.: Jonathan Edwards Confronts the Gods: Christian Theology, Enlightenment Religion, and Non-Christian Faiths. New York: Oxford University Press, 2000.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

478

Amos Yong

Schließlich soll auf die oben erwähnte Sicht auf Religion eingegangen werden. Traditionellerweise wird evangelikales Christentum als das kognitive Bewusstsein eines Individuum von seiner lebendigen Beziehung mit Jesus bestimmt (sei diese sakramental oder anders vermittelt). Das impliziert, dass alle anderen Religionen falsch sind, d. h. sie stellen entweder erfolglose menschliche Bemühungen dar, Gott zu erreichen, oder aber sie sind durch den Teufel und seine Dämonen inspiriert. Damit wird jedoch sowohl die Universalität des Geistes als auch die dynamische Natur des göttlichen Handelns außer Acht gelassen. Hinsichtlich der Religionen bedeutet dies, dass religiöse Traditionen dynamisch sind, dass es Realitäten sind, die in ständiger Entwicklung sind, und dass es schwer ist, klare und feste Trennlinien zwischen Religion und Kultur, ebenso wie zwischen den einzelnen Religionen zu ziehen.24 Vor diesem Hintergrund ist es besser, die Religionen im Dienst göttlicher Absichten zu sehen, in größerem oder geringerem Maße, je nach Stadium ihrer Evolution. Die christliche Tradition ist, wie Barth bemerkt hat, von den Wechselfällen der Geschichte ebenso wenig ausgenommen wie von der Gegenwart und dem Handeln des Geistes Gottes. Es gibt ebenso viel Schwäche und dämonische Aktivität innerhalb des Christentums wie außerhalb. Darüber hinaus ist es schwer zu bestimmen, wo das „Judentum“ aufhört und das „Christentum“ beginnt – etwa wenn es um die beidseitige Verpflichtung zum Monotheismus oder ihre ethischen Codices geht. Die Pneumatologie ermöglicht es uns, diese Kategorien zu transzendieren, und dabei ihre kontextuelle statt absolute Gültigkeit anzuerkennen. Ich will damit sagen, dass ein pneumatologischer Zugang zu den Religionen Alternativen zu den traditionellen Sackgassen aufweist und neue, relationale Kategorien bietet, die eine weiterführende Untersuchung ermöglichen.25 Dies geschieht auf negative und positive Weise: In negativer Hinsicht wird es möglich, die statischen Dualismen aufzusprengen, die von traditionellen theologischen Rahmenbedingungen gesetzt werden, und in positiver Hinsicht wird ein robuster trinitarischer (lies: relationaler, holistischer) Rahmen für

24 Vgl. die faszinierende Geschichte der Bewegung einer New Age Gruppe hin zur östlichen Orthodoxie von den 1960er bis zu den 1980er Jahre, die Phillip Charles Lucas in The Odyssey of a New Religion the Holy Order of MANS from New Age to Orthodoxy. Bloomington, IN: Indiana University Press, 1999 vorgelegt hat. Auf einer empirischen Ebene kann die Heilige Ordnung der MANS als eine dynamische Konvergenz verschiedener kultureller und religiöser Einflüsse beschrieben werden, die zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Laufbahnen aufweisen. Freilich ist die Religionsgeschichte ebenso erfüllt von gegenseitigen Befruchtungen der verschiedenen religiösen Traditionen, wie vom Entstehen neuer Bewegungen aus älteren und dem Aussterben von Traditionen. 25 Das habe ich in The Turn to Pneumatology in Christian Theology of Religions: Conduit or Detour? In: Journal of Ecumenical Studies 35, Nr. 3/4 (1998), S. 437 – 454 ausführlich behandelt. Eine ergänzende aktuelle Diskussion zur Zentralität der Pneumatologie in einer trinitarischen Religionstheologie findet sich in D’Costa, Gavin: The Meeting of Religions and the Trinity. Maryknoll, NY: Orbis Books, 2000, S. 109 – 132.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

479

die theologische Reflexion neu belebt und angeregt. Geist ist zuallererst vermittelnd und relational.

Die Ziele, Aufgaben und Methodik einer pneumatologischen Theologie der Religionen Die vorhergehende theologische Argumentation eröffnet den notwendigen Raum, um einen pneumatologischen Zugang zu den Religionen zu konzipieren und anzuwenden. Die übergreifenden Reflexionskategorien leiten sich vom selben pneumatologischen Symbol ab. Wie bereits bemerkt, stellt der Heilige Geist das theologische Symbol für die Gegenwart und das Handeln Gottes in der Welt dar. Pneumatologie im weitesten Sinn, umfasst jedoch auch die Verschiedenheit menschlicher, sozialer und sogar dämonischer „Geister“. Dies erfordert eine dritte Kategorie, die flexibel genug ist, diese pluralistische Sphäre des Geistigen zu fassen. Daher möchte ich behaupten, dass eine pneumatologische Theologie der Religionen hinsichtlich der Kategorien „göttliche Gegenwart“ und „göttliches Handeln“ ebenfalls diese genannte Realität einer intensiveren oder schwächeren göttlichen Gegenwart bzw. Aktivität – oder anders gesagt: die Möglichkeit göttlicher Abwesenheit – in den Blick nehmen muss. Um mit größerer Genauigkeit zu definieren, was diese Kategorien – göttliche Gegenwart, göttliches Handeln, göttliche Abwesenheit – leisten oder nicht leisten können, möchte ich an dieser Stelle eine Warnung einfügen. Das Ziel einer pneumatologischen Theologie der Religionen kann keinesfalls darin bestehen, dogmatisch oder präzise Aussagen zu machen, wie „Genau hier ist der Geist Gottes!“ Die Fehlbarkeit und Endlichkeit, die alle menschlichen Beziehungen und alle menschliche Erkenntnis im Allgemeinen begleitet, verbietet das. Freilich können und sollen evangelikale Christen, die an die charismatische Gabe der Geisterunterscheidung glauben, von dieser Gabe Gebrauch machen. Doch obwohl Gott alles, was er tut, durch Wort und Geist vollbringt, ist es ebenso unbestreitbar, dass die volle Erscheinung von Wort und Geist in der Welt durch die Sünde verzerrt, verfremdet und sogar zerstört worden ist. Anders ausgedrückt: die Dinge in der Welt – einschließlich der zu religiösen Traditionen gehörenden Rituale, Dogmen, Mythen, Texte, Gemeinschaften, Praktiken, Moralvorstellungen und so weiter – spiegeln Wort und Geist nicht in einer reinen Form wider. Vielmehr reflektiert jedes Ding, und genauer gesagt jede religiöse Realität oder jedes religiöses Ereignis, nicht nur Wort und Geist in stärkerer oder schwächerer Intensität, sondern auch menschliche, vielleicht sogar dämonische Geister. Nicht nur im erkenntnistheoretischen und ontologischen Sinne, sondern auch phänomenologisch gesprochen, können Gottheit, Menschheit und das Dämonische nicht von-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

480

Amos Yong

einander getrennt verstanden werden; jede von ihnen bezieht ihre jeweilige Bedeutung und Realität nicht unwesentlich aus den anderen beiden. Geistliche Unterscheidung kann daher nicht dabei stehen bleiben, eine religiöse Realität einfach als göttlich, menschlich oder dämonisch zu klassifizieren, da die menschliche Geschichte weder die Gottheit, noch die Menschheit noch das Dämonische in ihrer reinen Form enthält.26 Eine klare Unterscheidung sollte hingegen nicht nur anzeigen können, wo Gott der Geist am Wirken ist und wo er es nicht ist, sondern auch wo andere Geister in der gleichen Sache am Wirken sind. Hier kann die Bedeutung der pneumatologischen Kategorien nun klar herausgestellt werden: Während die Kategorie der göttlichen Gegenwart, die die Realität Gottes charakterisierende Wahrheit, Güte, Schönheit und Heiligkeit bezeichnet, verweist göttliche Abwesenheit auf die falsche, böse, hässliche und profane Existenz der gefallenen Welt. Das Symbol der göttlichen Handlung ist daher dynamisch und vermittelnd, indem es die Aufmerksamkeit auf die Tatsache richtet, dass jedes Ding in ständiger Bewegung ist, entweder zu seinem göttlich gesetzten Seinsgrund hin oder von diesem weg. Aufgrund des Wesens der Religionen der Welt ist es selbstverständlich geboten, dass alle drei pneumatologische Kategorien zum Zuge kommen. Es ist überflüssig zu sagen, dass der Gegenstand der Unterscheidung der Geister darin besteht, die Gegenwart bzw. Abwesenheit des Göttlichen in ihrer unterschiedlichen Intensität in den jeweiligen religiösen Phänomene konkret und punktuell in Raum und Zeit zu identifizieren. Nicht weniger wichtig ist aber auch die Fähigkeit, den Verlauf der historischen Entwicklungsprozesse des jeweiligen Phänomens nachzuvollziehen, egal ob dies nun in moralischen, religiösen, geistlichen oder theologischen Begriffen geschieht. Ich bin davon überzeugt, dass eine unangemessene Unterscheidung der Dynamik und Komplexität des Geistes und der Geister die Achillesferse eines jeden pneumatologischen Ansatzes in der theologia religionum darstellt.27 Unterscheidung erfordert allerdings Kriterien. An dieser Stelle verschafft sich die christliche Norm von Jesus Christus erneut Geltung: „Niemand kann Jesus den Herrn heißen ohne durch den Heiligen Geist.“ (1Kor 12,3). Hier scheint es, als ob diejenigen von uns, die einen pneumatologischen Ansatz in der theologia religionum ausloten, erneut der Partikularität Jesu Christi gegenüberstehen. Einerseits könnte man zugeben, dass Pneumatologie letzt26 Diesen Aspekt entfalte ich in Yong, Amos: Spiritual Discernment: A Biblical-Theological Reconsideration. In: Ma, Wonsuk; Menzies, Robert P.; Spittler, Russell P. (Hg.): The Spirit and Spirituality : Essays in Honour of Russell P. Spittler, Bd. 24. London: T&T Clark, 2004 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series), S. 83 – 107. 27 Die These, dass dies der Schlüssel zu einer robusten evangelikalen theologia religionum ist, habe ich anderenorts bereits vertreten, vgl. Yong, Amos: Whither Theological Inclusivism? The Development and Critique of an Evangelical Theology of Religions. In: Evangelical Quarterly 71, Nr. 4 (1999), S. 327 – 348. Freilich ist der Inklusivismus, den ich jetzt verteidige, stärker methodisch und hermeneutisch als theologisch.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

481

endlich doch der Christologie untertan ist, zumindest insofern es darum geht, den Geist zu unterscheiden. Andererseits stellt sich aber die Frage, ob diese „Formel“ dazu dienen kann das komplexe Verhältnis zwischen Pneumatologie und Christologie endgültig zu lösen, indem sie erstere der letzteren unterordnet. Ist es nicht der Fall, dass – wie alle Formeln – auch diese nicht sakrosankt ist, schon gar nicht wenn sie auf legalistische und starre Weise verstanden wird? Nicht zuletzt hat Jesus ja selbst davor gewarnt, dass es solche geben wird, die ihn „Herr“ nennen werden, ihn aber offenbar nicht kennen, da ihr Leben nicht die entsprechende Frucht (des Geistes Gottes, sollte hier hinzugefügt werden, gemäß Gal 5,19 – 23; vgl. Mt 7,15 – 23) hervorbringt. Die zuvor genannte Norm Jesu Christi ist demnach nur in und durch die Macht des Heiligen Geistes anwendbar. Während also das Unterscheiden des Geistes auf engste mit Christus verbunden ist, darf dies nicht auf eine Weise verstanden werden, die den Geist Christus unterordnet – etwa in einem simplistischen Sinne von „Ah, hier wird Jesus Christus als Herr bekannt, ergo Gegenwart und Handlung des Geistes, Punkt!“ – oder in einer Weise, die den Geist dem Wort untertan macht. Vielmehr definieren sich Wort und Geist gegenseitig als die „zwei Hände des Vaters“.28 Dies sollte uns für das prozesshafte und ambivalente Wesen der Unterscheidung sensibilisieren. Die Unterscheidung des Geistes oder der Geister kann – um es kurz zu sagen – niemals vollständig sein. Das übergreifende Ziel einer pneumatologischen Theologie der Religionen ist demzufolge das fortwährende Unterscheiden des Heiligen Geistes und der Verschiedenheit der Geister in der Welt und in den Religionen. Dieses Ziel umfasst drei Aspekte, die nicht unbedingt in einer bestimmten Reihenfolge stehen müssen: die Religionen als menschliches Phänomen zu verstehen; die Beziehung zwischen dem göttlichen und diesem menschlichen Phänomen in all ihrer Vielfältigkeit zu verstehen; und, wo dies möglich ist, das Göttliche vom Dämonischen zu unterscheiden. Die Erfassung des Phänomens Religion ist daher zumindest teilweise eine empirische Aufgabe, die einen interdisziplinären Ansatz erfordert. Die theologische Interpretation des entsprechenden Datenmaterials stellt einen fortlaufenden komparativen Prozess dar. Diese Aspekte sollen in knappen Zügen ausgeführt werden. Die Unterscheidung des Geistes und der Geister in den Religionen der Welt muss mit der empirischen Realität dieser Traditionen beginnen und erfordert daher eine interdisziplinäre Methodologie. Theologen, die versuchen, das Phänomen der zu Religion verstehen, sind auf Historiker, Ethnologen, Soziologen, Psychologen und religiöse Akteure, angewiesen, die sie mit dem 28 An dieser Stelle bekenne ich meine Sympathien für die Kritik der östlichen Orthodoxie, derzufolge das filioque in der Westkirche zu einer Unterordnung des dritten Glaubensartikels unter den zweiten geführt hat. Freilich besteht auch die Gefahr einer umgekehrten Subordination, die wir ständig im Blick behalten müssen. Ein weiterführender Weg besteht m. E. darin, die Pneumatologie in eine robuste Trinität auszuweiten, vgl. meine Abhandlung in Yong, Amos: Spirit–Word–Community: Theological Hermeneutics in Trinitarian Perspective. Aldershot: Ashgate, 2002 (Ashgate New Critical Thinking in Religion, Theology and Biblical Studies).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

482

Amos Yong

Gegenstand ihrer Reflexion vertraut machen. Auf einer anderen Ebene sollten Theologen auf Akteure aus dem pastoralen und missionarischen Dienst hören, die in dem konkreten Umfeld arbeiten, in der die jeweiligen Traditionen gepflegt werden. Freilich schließt dies die eigene persönliche Beobachtung und Teilnahme nicht aus, zumal Theologen ihre eigenen persönlichen Erfahrungen mit einer bestimmten religiösen Tradition nicht ignorieren können. Aus diesem Grund sollten sie dem Zeugnis von Insidern und Outsidern bezüglich ihrer Erfahrung mit dieser Tradition Beachtung schenken. Anderenfalls findet die theologische Arbeit isoliert in einem Elfenbeinturm statt, der von der empirischen Realität der religiösen Traditionen abgeschieden ist. Die empirische Realität zu erfassen, ist eine komplexe und aufwändige Aufgabe, die die Fähigkeiten eines einzelnen Menschen übersteigt. Kurz gesagt, fordert das Bewusstsein für die unsere Zeit kennzeichnende religiös plurale Welt von einem Theologen, dass er von der Arbeit anderer Fachleute der Religion lernt. Eine relevante und wahre Theologie der Religionen baut auf einer empirischen Auseinandersetzung mit der Welt der Religionen auf und muss als solche von verschiedenen Perspektiven und Ansätzen her entwickelt werden. Was aber tut man, wenn man das entsprechende Datenmaterial sammelt? Es ist unvermeidlich, dass das Datenmaterial während des Erhebungsprozesses kategorisiert wird. Eine faire Kategorisierung erfordert jedoch, dass die Aufmerksamkeit auf die Kategorien gerichtet wird, die sich aus den religiösen Traditionen, mit denen man sich auseinandersetzt, selbst ergeben. Mit anderen Worten: Eine sachgetreue und wahre Interpretation des Buddhismus muss beispielsweise besondere Aufmerksamkeit darauf richten, wie Buddhisten einander, die Welt und das in ihren Augen ultimativ Reale verstehen, und wie sie miteinander interagieren. Die eigene Darstellung des Buddhismus sollte von aktiven Buddhisten als authentische Repräsentation ihrer Erfahrung und Tradition erkannt und angenommen werden können. Man sollte sich hüten, religiös anderen fremde Kategorien aufzuerlegen. Die pneumatologischen Kategorien selbst entstammen jedoch einer spezifisch christlichen Reflexion der Religionen der Welt. Wenn nun die pneumatologische Perspektive dazu führen soll, letzten Endes Gottes Gegenwart, Handeln und Abwesenheit zu beleuchten, wie kann dann noch der Graben zwischen den pneumatologischen Kategorien und denen des religiös anderen überbrückt werden? Das geschieht durch komparative Theologie. Meiner Überzeugung nach kann eine theologia religionum nur aus einem komparativen Unternehmen heraus erfolgen. Freilich ist eines der Ziele hier die Identifikation der entsprechenden Konvergenz- und Divergenzpunkte zwischen den religiösen Traditionen. Diesbezüglich ist es wichtig zu bemerken, dass die gegenwärtige Generation von Forschern, die mit komparativen Ansätze arbeitet, endlich über die frühen phänomenologisch vergleichenden Arbeiten vorheriger Denker, wie etwa Rudolph Otto und Mircea Eliade, hinausgeht und sich in viel tiefgründigerer und tragfähigerer Weise mit hermeneutischen, philosophischen und letztlich theologischen Vergleichen und

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

483

Kontrasten beschäftigt.29 Für christliche Theologen sind interkulturelle und interreligiöse Dialoge, Hermeneutik und Vergleiche jedoch noch bedeutungsvoller, da sie untrennbar mit unserer Fragestellung und dem entsprechenden Versuch einer Antwort verbunden sind, wenn es darum geht, inwiefern der Heilige Geist in den Religionen gegenwärtig ist und handelt. Selbst die Auseinandersetzung mit dieser Frage muss als ein vom Geist geleiteter Begegnungsprozess mit religiösen anderen verstanden werden, die den Geist Gottes – gemäß unseren zentralen Axiomen einer pneumatologischen Theologie der Religionen (siehe oben) – nicht gänzlich entbehren. Die Theologie der Religionen sollte daher eine komparative Theologie der Religionen sein, die aus mehrfachen Ausgangspunkten ihrer Gesprächspartner hervorgeht: dem der religiösen Akteure, dem der unterschiedlichen Forscher aus den verschiedenen Disziplinen und dem der unterschiedlichen Perspektiven der Theologen und Denker, die verschiedene Traditionen repräsentieren; sie alle reflektieren die Traditionen im Gespräch, sowohl von innen als auch von außen. Dies ist zugleich der Prozess, durch den der symbolische Gehalt des christlichen Glaubens in die verschiedenen religiösen (und kulturellen) Kontexte übersetzt wird. Kurzum: es ist das Medium durch das christliche Theologen auf vorläufige Weise die Gegenwart und das Handeln des Geistes im Leben, der Praxis und den Glaubensüberzeugungen der Religionen der Welt bestimmen.

29 Ein Beispiel dafür, was ich meine, wenn ich von einer aktuellen Bewegung über den früheren Komparativismus hinaus bzw. unter die Oberfläche eines äußerlichen Religionsvergleichs, spreche, ist Jackson, Roger R.; Makransky, John J. (Hg.): Buddhist Theology : Critical Reflections by Contemporary Buddhist Scholars. London: Routledge Curzon, 2000. Unter den vergangenen Generationen haben manche vorschnell behauptet, dass buddhistische Reflexion über die letztgültigen Dinge „theologisch“ sei, zumal die westliche Reflexion über die letztgültigen Dinge auf diese Weise bezeichnet wurde. Die Beiträge dieses Bandes stammen jedoch alle von Buddhisten, die nicht nur erkennen, dass viele Strömungen im Buddhismus nichttheistisch sind, sondern die auch in theistischen Traditionen ausgebildet sind. Was sie als „buddhistische Theologie“ bezeichnen, stellt folglich nicht das Zugeständnis dar, dass Buddhisten letztendlich bloß „anonyme Theisten“ seien, sondern es bringt die Erkenntnis zum Ausdruck, dass der Frage nachgegangen werden muss, ob und wie unterschiedliche buddhistische Traditionen mit den von theistischen Traditionen aufgeworfenen Fragen, Anliegen und Themen umgehen sollten. Für weiterführende Literatur zur Komplexität, zur Richtung und zum hohen Anspruchsniveau dieser aktuellen komparativen Untersuchungen vgl. z. B. Reynolds, Frank; Tracy, David (Hg.): Myth and Philosophy. Albany, NY: State University of New York Press, 1990 (SUNY Series, Toward a Comparative Philosophy of Religions). Mein eigenes komparativistisches Verständnis ist geprägt von Neville, Robert C.: Behind the Masks of God: An Essay Toward Comparative Theology. Albany, NY: State University of New York Press, 1991.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

484

Amos Yong

Einwände gegen eine pneumatologische Theologie der Religionen Bei jedem größeren Forschungsprogramm ist es wichtig, mögliche Einwände direkt in den Blick zu nehmen, besonders dann, wenn sie aus dem Publikum stammen, um dessen Unterstützung der Befürworter des Projekts wirbt. Ich möchte nun in knappen Zügen drei potentielle Einwände gegen eine pneumatologische Theologie der Religionen thematisieren und auf diese antworten. Der erste Einwand lautet, dass sie nicht christlich genug sei, in dem Sinne, dass sie Christus dem Geist unterordne; der zweite Einwand lautet, dass ihre evangelikale Qualifikation zweifelhaft sei; und der dritte Einwand lautet, dass sie den Beigeschmack einer subtilen Form des Imperialismus habe. Pneumatologische theologia religionum als sub-christlich In gewisser Hinsicht ist das Projekt, das auf diesen Seiten vorgestellt wurde, nicht neu. Ich denke insbesondere an das spiritualistische Verständnis von religiöser Verschiedenheit, das für den amerikanischen Transzendentalismus des späten 19. Jahrhunderts charakteristisch ist, oder an die neuere New Age Bewegung. Beeinflusst durch Traditionen westlicher Esoterik, wie beispielsweise der Philosophia perennis, der Rosenkreuzer und der Theosophie, ebenso wie durch östliche Traditionen, hat die Kategorie „Geist“ eine zentrale Rolle gespielt, wenn es darum geht, wie Spiritualisten früher und heute Religion konzeptualisieren. Für diese ist Christus sicherlich wichtig, allerdings nur als eine von vielen ausschlaggebenden religiösen Persönlichkeiten. Er mag ein Meisteravatar sein, ein tiefsinniger Lehrer oder sogar ein entscheidender Geist-Führer, im Ergebnis wird ihm jedoch eine zweitrangige Stellung im Gegensatz zur transzendentalen Einheit zugewiesen, die alle menschlichen Wesen auf Grund unseres geistigen Verbundenseins genießen. Kraft des schon immer gegenwärtigen und wirksamen göttlichen Geists, deuten alle authentischen religiösen Traditionen auf die Wahrheit hin und sind letztendlich heilbringend. Dies sollte uns und besonders auch mich davor warnen, einer euphorischen Täuschung zu unterliegen, die meint die Lösung auf die Sackgasse finden zu können, die durch die christologischen Ansätze in einer christlichen Theologie der Religionen bedingt ist. Freilich ist eine pneumatologische theologia religionum anfällig, im Laufe der Zeit die Zentralität Christi in der christlichen theologischen Reflexion herabzumindern – diese Tendenz sollte erkannt und zugegeben werden. Es ist aber ebenso klar, dass eine dezidierte pneumatologische Theologie der Religionen nichts anderes als eine volle trinitarische Theologie der Religionen sein kann. Es ist der energische trinitarische Charakter einer pneumatologischen Theologie der Religionen, der dieses Projekt von den Projekten spiritualistischer Denker unterscheidet, und darüber

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

485

hinaus eine gute Aussicht für die Zukunft birgt. Um es an dieser Stelle nochmals zu wiederholen: Eine christliche Theologie, die anerkennt, dass Gott all sein Wirken durch Wort und Geist vollbringt, ist in doppelter Hinsicht dafür gerüstet, den Religionen der Welt in einer reflektierten Weise zu begegnen. Wort und Geist stellen die beiden Pole dar, zwischen denen jede Orthodoxie hindurch muss. Wie sich diese beiden Pole zueinander verhalten und wie gewährleistet werden kann, dass keiner dieser beiden den anderen unterwirft, ist Teil der dialektischen Aufgabe, an der Religionspneumatologen ständig arbeiten müssen. Die Frage bleibt allerdings: Untergräbt ein pneumatologischer Zugang zu den Religionen letzten Endes nicht die christliche Überzeugung von der Zentralität Christi? Muss die Universalität des Geistes nicht im Kontext von Jesus Christus als Weg, Wahrheit und Leben verstanden werden (Joh 14,6) ohne den niemand Heil erlangen kann (Apg 4,12)? Ist christliches Heil nicht davon abhängig, dass man den Namen des Herrn anruft und Christi Herrschaft verbal bekennt (vgl. Röm 10,9 – 15)? Ich glaube, dass ein evangelikaler Christ an all diesen Wahrheiten innerhalb der Konturen eines pneumatologischen Zugangs zu den nicht-christlichen Glaubensüberzeugungen festhalten kann. Es ist wichtig anzumerken, dass die Theologie der Religionen die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Religionen und der göttlichen Vorsehung aufgreift. Religionstheologen sind nicht dazu aufgerufen, die Pässe an der Himmelspforte zu kontrollieren. Freilich wirft das Nachdenken über die Religionen mithilfe der vorgeschlagenen pneumatologischen Kategorien die Frage auf, inwiefern die Anhänger eines anderen Glaubens errettet werden können, oder es vielleicht sogar schon sind. Religionspneumatologen können allerdings daran festhalten, dass die Religionen einen Ort innerhalb der göttlichen Vorsehung haben, und zugleich die absolute Zentralität von Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi für das Heil bekräftigen. Bei der Aufgabe der Religionstheologie sollten meines Erachtens die Frage nach den Religionen und die nach den Nicht-Evangelisierten voneinander getrennt behandelt werden. Dies führt zu dem im engeren Sinne spezifisch „evangelikalen“ Einwand gegen einen pneumatologischen Ansatz von Theologie der Religionen, wie ich ihn hier skizziert habe. Pneumatologische theologia religionum als sub-evangelikal Ich habe zu Beginn dieses Kapitels angegeben, dass ich nicht versuchen werde „evangelikales Christentum“ zu definieren, und ich werde dieses Versprechen nicht brechen. Als Pfingstler geht es mir weniger um evangelikales Christentum per se, sondern vielmehr um die Frage nach dem Voranschreiten des Evangeliums, der Guten Nachricht von Jesus Christus. So ist die Frage nicht unberechtigt, wie ein pneumatologischer Zugang zu den Religionen, der die Bedeutung des Dialogs betont, dann noch das Unterfangen der Evangelisation

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

486

Amos Yong

aufrechterhalten kann. Führt eine Theologie, welche die Universalität der Gegenwart und des Handelns des Geistes betont, nicht zu einer Unterwanderung der Motivation für missionarische Verkündigung? Wenn der Geist in den anderen Religionen bereits am Wirken ist, warum sollte man sich dann überhaupt noch die Mühe machen, zu Nicht-Christen zu predigen? Was ist denn überhaupt das Ziel der Theologie der Religionen? Dies sind stichhaltige Fragen, die evangelikales Christentum betreffen. Meine Antwort besteht zunächst darin, zu behaupten, dass alle, die darauf bestehen, dass Theologie der Religionen zur evangelikalen Mission motivieren sollte, in erster Linie pragmatisch, nicht aber theologisch argumentieren. Obwohl ich mich einem Wahrheitsbegriff verpflichtet fühle, wonach alle Wahrheit pragmatisch ist, in dem Sinn, dass sie „funktioniert“, wenn es um ihre Übereinstimmung mit der Realität geht, ist es mir nicht weniger ein Anliegen, dass Pragmatismus nicht zum einzigen und auch nicht zum dominanten Kriterium für theologische Wahrheit wird. Anders ausgedrückt, scheint es mir ein sehr schwaches Argument zu sein, wenn man eine pneumatologische theologia religionum lediglich deshalb verwirft, weil man meint, dass die Betonung stärker auf der Predigt des Evangeliums und nicht auf dem Religionsdialog liegen sollte. Sodann ist es wichtig zu bedenken, dass Dialog und Verkündigung sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern wesentlich miteinander verbunden sind.30 Genuiner Dialog verkündigt Wahrheit, und wirksame Verkündigung begegnet dem anderen auf einer persönlichen, dialogischen Ebene. Missiologisch betrachtet stimmen evangelikale Christen bereits darin überein, dass dauerhafte Bekehrungen am besten dadurch erzielt werden, dass persönliche Beziehungen geschaffen werden. Diese Art von Beziehungen sind stärker durch den Dialog als durch die Verkündigung gekennzeichnet. Wichtiger noch ist, dass ein Merkmal dieser Beziehungen die gegenseitige Verletzbarkeit und nicht eine Haltung der Überlegenheit ist. Eine pneumatologischer Zugang zu den nicht-christlichen Glaubensüberzeugungen befördert eben diese Dynamiken und befähigt uns, solche Tugenden zu kultivieren. Er schließt Christen für all das auf, was wahr, gut, schön und heilig in der anderen Tradition ist, während er zugleich für ein Umfeld sorgt, in dem der Nicht-Christ die gleichen Eigenschaften innerhalb des christlichen Glaubens schätzen lernen kann. Was sollte dies sein, wenn nicht „Basis-Evangelisation“? Evangelikale Christen könnten aber immer noch die Sorge haben, dass wir damit zu weit gehen. Schließlich scheint „Dialog“ allzu passiv zu sein. Zudem würden einige einwenden, dass die Diskontinuitäten zwischen dem christlichen Glauben und den religiösen Traditionen der Welt viel größer sind als die Kontinuitäten. Für solche Menschen würde ein interreligiöser Dialog einen 30 Vgl. z. B. Moltmann, Jürgen: Dialogue or Mission: Christianty and the Religions in an Endangered World. In: Ders.: God for a Secular Society : The Public Relevance of Theology. Minneapolis, MN: Fortress Press, 1999, S. 223 – 244.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

487

Verrat ihrer eigenen Verpflichtung gegenüber den exklusiven Ansprüchen des Evangeliums darstellen. Viele evangelikale Christen halten nicht einmal den Dialog mit Katholiken, Orthodoxen oder nicht-evangelikalen Christen im Allgemeinen für besonders erstrebenswert, noch weniger einen Dialog mit Nichtchristen, oder – genauer gesagt – Juden, Muslimen, Hindus, Buddhisten, Konfuzianisten, Menschen die indigenen Traditionen folgen und so weiter. Diese Bedenken können allerdings auch von einer anderen Richtung her angesprochen werden, nämlich wie eine tiefgreifende Inkulturation des Evangeliums denn sonst stattfinden kann. Erfordert nicht der Übersetzungsprozess der Botschaft des Evangeliums eine ausgedehnte Beschäftigung und Kontakt mit der „fremden“ Kultur und ihrem religiösen Milieu? Sollten evangelikale Christen an Stelle der Furcht vor einer Verwässerung der Wahrheit des Evangeliums nicht eher zuversichtlich sein, dass das Voranschreiten des Evangeliums nicht so sehr in unseren Händen, sondern in seiner universalen Relevanz und Aussagekraft liegt? Freilich ist die Linie zwischen Synkretismus und Inkulturation (Indigenisierung, Kontextualisierung, Akkulturation usw.) immer sehr dünn. Doch das Bewusstsein um diese dünne Linie sollte nicht zum Rückzug führen. Vielmehr sollte es zu einer aufgeschlossenen Auseinandersetzung leiten, die der Heiligen Geist bewirkt, der zur Unterscheidung bevollmächtigt. Diese Art von Eifer wird aber auch zweifellos zum Vorwurf führen, dass der evangelikale „Dialog“ faktisch polemische, apologetische und expansionistische Absichten verfolgt, alles unter der Maske, den religiös Anderen ernstzunehmen und ihn oder sie in ihren eigenen Begriffen verstehen zu wollen. Dies ist meines Erachtens der ernsthafteste Einwand und er erfordert eine ernste Reflexion. Pneumatologische theologia religionum als verdeckt imperialistisch Die Welt, in der wir leben, ist eine postmoderne Welt. Was auch immer Postmoderne bedeuten mag, es bedeutet zumindest post-fundamentistisch, post-aufklärerisch, post-westlich, post-kolonial und vielleicht sogar postchristlich. Es bedeutet auch das Heraustreten und die Ermächtigung von lokalen Sprachen, lokalen Rationalitäten und lokalen Weisen der menschlichen Existenz. Die Sprache und die Konzepte, die eine pneumatologische Theologie der Religionen begründen – Fundamentalpneumatologie, göttliche Gegenwart und göttliches Handeln, Universalität und so weiter – mögen einigen postmodernen Kritikern zu Recht den Anschein vermitteln, als liege hier ein hegemonialer Impuls zu Grunde. Solche Kritiker werden darauf hinweisen, dass bereits der Gebrauch von pneumatologischen Kategorien den Praktiken und Glaubensüberzeugungen, die der religiös andere als heilig erachtet, christliche Begriffe aufzwingt. Wie kann also eine pneumatologische theologia religionum verfahren, ohne imperialistisch zu sein? Erstens kann theologische Reflexion heutzutage nur dann post-fundam-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

488

Amos Yong

entistisch sein, wenn damit ein kartesianischer erkenntnistheoretischer Fundamentismus gemeint ist.31 Die postmoderne Wende ist aus meiner Sicht größtenteils berechtigt. Es gibt keinen neutralen Ort, von dem aus eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit den Religionen der Welt stattfinden kann. Dies ist besonders in der Theologie der Fall, wo die besten Begriffe und Konzepte letztendlich nur Symbole sind, die uns eine wahrhaftigere und sinnvollere Beschäftigung mit dem Göttlichen und mit der Realität ermöglichen. Diejenigen, die eine pneumatologische Theologie der Religionen befürworten, sollten sich ihrer soziohistorischen Verortung als Deutende, ebenso wie der Ambiguität von Deutung, der Polyvalenz von Verweisen und der Subjektivität zwischenmenschlicher Begegnungen bewusst sein. Ich würde behaupten, dass ein solches Zugeständnis zumindest teilweise von der Ambiguität der zentralen pneumatologischen Symbole selbst abzuleiten ist – etwa Wind, Feuer oder Wasser, die einerseits sanft, reinigend und lebenspendend, andererseits aber auch allesamt zerstörerisch sein können.32 Doch ein pneumatologischer Zugang zu den Religionen ist dem Geist gegenüber aufgeschlossen und geht von der Überzeugung aus, dass es der Geist ist, der die Suche nach Wahrheit inmitten all derer leitet, die nach ihr suchen (Joh 14,17; 16,13; 1Joh 2,27). Im postmodernen Kontext legitimiert eine pneumatologische theologia religionum somit den interreligiösen Dialog als eine geeignete Arena für christliche Wahrheitssuche, anstatt ihn zu unterminieren. Dies bedeutet zweitens, dass eine pneumatologische Theologie der Religionen fallibilistisch ist, d. h. sie ist vorläufig und offen für Korrektur. In ihrer Gesamtkonzeption kann sie als theologische Makro-Hypothese verstanden werden, die es zu prüfen gilt. Die Prüfungen erfolgen in den langfristigen, multidisziplinären und multiperspektivischen Konversationen, an denen sich die Theologie beteiligt. Wahrheitskriterien (Korrespondenz, Kohärenz und pragmatischer Wert) dienen nicht nur dazu, eine Theorie in ihren Details und im Allgemeinen zu verändern, sondern unter Umständen auch dazu, die pauschale Plausibilität der Theorie im Verlauf des Dialogs zu unterminieren. Das ist es, was wahrer Fallibilismus auf der theologischen Ebene bedeuten sollte. Mein Argument ist, dass eine pneumatologische theologia religionum, ebenso wie jedes andere pneumatologische Unterfangen, stets in via ist. Sie ist ständig auf der Suche, offen für weitere Untersuchungen, indem sie fortlaufend die Grenzen ihrer Forschung erweitert und all diejenigen ins Gespräch mit aufnimmt, die am behandelten Gegenstand interessiert sind. Dies geht abermals aus den grundlegenden Überzeugungen hervor, die einer pneumatologisch informierten Weltanschauung zu Grunde liegen: Der Geist 31 Vgl. dazu Teil 1 meines Aufsatzes Yong: Demise und Shults, F. LeRon: The Postfoundationalist Task of Theology : Wolfhart Pannenberg and the New Theological Rationality. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1999. 32 Die theologischen Implikationen dieser Grundmetaphern für den Geist entfalte ich im Kapitel 2 meiner Abhandlung Yong: Spirit-Word-Community.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Geist(er)unterscheidung in der Welt der Religionen

489

Gottes ist universal gegenwärtig und aktiv handelnd. Es können daher keine Stimmen oder Perspektiven apriorisch aus dem Gespräch ausgeschlossen werden. Das Ergebnis ist freilich, dass eine pneumatologische Theologie der Religionen ein unumschränkt öffentliches Unterfangen ist.33 Freilich bin ich damit einverstanden, dass sie der Kirche dienen soll, wie jede brauchbare Theologie. Doch Dienst bedeutet weder Isolation noch Parochialisierung. Vielmehr besteht ein Teil des geleisteten Diensts in einer intensiven kulturellen und religiösen Auseinandersetzung, die überall dort stattfindet, wo der Geist weht (vgl. Joh 3,8). Christen, die von der Bedeutung und Wahrheit des christlichen Glaubens überzeugt sind, sollten nicht davor zurückschrecken, selbst die zentralsten ihrer Aussagen im Gegenüber mit denen anderer religiösen Traditionen zu prüfen. Diese Art von öffentlicher Theologie öffnet sich einem Pluralismus der Ideen, der Überzeugungen, der Dogmen, der Ansprüche und sogar der Kriterien – einschließlich der Konzeptionen von Interpretation und Weltanschauung, aus denen sich die Kriterien ableiten –, um diese Ansprüche zu prüfen.34 Sie ist Dialog in seinem umfassendsten Sinne, unter Einschluss von Zeugnisberichten, Debatten und sogar Apologetik.35 Sofern solche Dialoge ehrlich geführt werden, wovon auszugehen sein sollte, können solche Gespräche in Konversionen auf unterschiedlichen Ebenen münden – der ästhetischen, der ethisch-moralischen, der kognitiven, der existentiell-geistigen, der dogmatischen/theologischen und sogar der religiösen Ebene. Abseits der rationalen Pseudogewissheit, die vom kartesianischen erkenntnistheoretischen Fundamentismus stammt, besteht immer das Risiko, dass eine solche gegenseitige Transformation nicht nur für den Nicht-Christen, sondern auch für den Christen zu einer dieser verschiedenen Ebenen führt. Allerdings bezweifle ich, dass Teilnehmer im interreligiösen Dialog häufig die religiöse Tradition verlassen, in der sie beheimatet sind, obwohl dies auf einer theoretischen Ebene möglich ist. Es ist stattdessen vielmehr der Fall, dass ihre Überzeugungen zu einer neuen Tiefe gelangen, weil ihre zentralen Glaubensinhalte und Praktiken durch die Feuerprobe einer tiefgehenden zwischenmenschlichen Begegnung veredelt werden.36 Ist es aber zu viel vor dem 33 Hier folge ich David Tracys Vorschlag, dass Theologie fundamental ist, sofern sie sich mit der Welt auseinandersetzt, systematisch, sofern sie für die Kirche argumentiert, und pragmatisch, wenn sie das Leben der Christen in der Welt aufgreift, vgl. Tracy, David: The Analogical Imagination: Christian Theology and the Culture of Pluralism. New York: Crossroad, 1981. 34 Wie Gavin D’Costa hervorhebt, ist ein solcher authentischer Pluralismus nicht nur vertretbar, sondern faktisch auch das Produkt eines pneumatologischen Zugangs zu den Religionen, weil nur die Universalität der Pneumatologie es ermöglicht, das Augenmerk auf die Partikularität und Differenz der nicht-christlichen anderen zu legen. 35 Vgl. Griffiths, Paul J.: An Apology for Apologetics: A Study in the Logic of Interreligious Dialogue. Maryknoll, NY: Orbis Books, 1991 (Faith Meets Faith Series). 36 So lautet auch der Vorschlag William Plachers, der schreibt: „zu sagen dass andere Leute in Bezug auf Religion falsch liegen […] nicht bedeutet, dass sie verdammt sind [… Weiterhin] kann man – selbst dann wenn man die wesentliche Wahrheit seiner eigenen Position verteidigt –

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

490

Amos Yong

Hintergrund des Gesagten dennoch auf die „Konversion“ des nicht-christlichen Dialogpartners auf Grund der Gegenwart und des Handelns des Heiligen Geistes in der Konversation zu hoffen? Meine These ist, dass dies weitgehend auf Grund der pneumatologischen Vorannahmen möglich ist, die diese Art von Theologie der Religionen antreiben. Eine Geist-inspirierte evangelikale Vision ist evangelistisch und missiologisch, und zwar im besten – nämlich im relationalen – Sinn dieser Begriffe. Wichtiger noch, sie ist in ihrer Suche nach Wahrheit genuin demütig (wie sie es auch sein sollte), insbesondere da Christen zu den ersten gehören sollten, die ihre Endlichkeit und Sündhaftigkeit bekennen. Dieser Ansatz ist damit offen, redlich und ehrlich in seiner Auseinandersetzung mit dem religiös anderen, weil er die imago dei und den Lebenshauch in jeder Person erkennt und dadurch respektvolles Zuhören, fortlaufendes Lernen und geistliche Transformation ermöglicht. Christus wird in dieser Begegnung genau darum erhoben, weil es kein anderer als der Geist ist, der dies durch menschlichen Formen hindurch vollbringt, anstatt dass wir uns diese Aufgabe selbst zurechnen. Und genau das ist – so meine These – was evangelikales Christentum letzten Endes ist.

anerkennen, dass [weil das göttliche Geheimnis jenseits menschlichen Verstehens und sprachlicher Fassbarkeit ist] die Wahrheit, die man besitzt, nur stückwerkhaft ist, dass andere ebenso im Besitz realer Wahrheiten sein können und dass man von ihnen auf eine Weise lernen kann, die dazu führt, dass man die eigene Position korrigiert. … [Außerdem, etwa mit J. A. DiNoia gesprochen (s. Anmerkung 21)] könnten Christen sogar annehmen, dass einige NichtChristen der Vorsehung Gottes am besten dienen, indem sie in ihren jeweiligen nicht-christlichen Glaubensüberzeugungen leben [… Schließlich, ermöglicht uns der besondere Fall des Judentums] zu erkennen, dass Anhänger anderer Religionen u. U. sehr wohl errettet werden, sehr wohl im Besitz stückhafter Wahrheiten sind, wie auch unsere Wahrheiten stückhaft sind, und sehr wohl den Absichten der Vorsehung Gottes dienen, indem sie den Tiefen ihrer eigenen Glaubensüberzeugungen folgen.“, Placher, William C.: Narratives of a Vulnerable God: Christ, Theology, and Scripture. Louisville, KY: Westminste, John Knox Press, 1994, S. 123 – 125 [Einfügungen und Auslassungen A. Y.]. Ungeachtet dessen, was noch über Plachers spätere Aussagen gesagt werden kann – die übrigens eschatologische Aussagen schlechthin sind – werden alle, die im interreligiösen Dialog erfahren sind, mein Hauptanliegen bestätigen, dass solche Dialoge eine große Auswirkung auf sie als religiöse Personen gehabt haben. Vgl. auch die inzwischen klassische Arbeit von Cobb, John B. Jr.: Beyond Dialogue: Toward a Mutual Transformation of Christianity and Buddhism. Philadelphia, PA: Fortress Press, 1982.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

Diese Auswahl-Bibliographie bietet eine Übersicht über die in diesem Band genannten Titel, sofern sie als Beitrag zur akademischen pfingstlich/charismatischen Theologie verstanden werden können. Die Einträge sind den thematischen Überschriften des Bandes zugeordnet, so dass diese Bibliographie einen systematischen Einstieg in die Debatten der hier vorgestellten pfingstlich/charismatischen Theologie ermöglicht. Einzelne Titel wurden, wo dies inhaltlich angezeigt war, zwei bis drei Themengebieten zugeordnet. Exegese und Hermeneutik Archer, Kenneth J.: Pentecostal Hermeneutics: Retrospects and Prospects. In: Journal of Pentecostal Theology 8 (1996), S. 63 – 81. –: A Pentecostal Hermeneutic for the Twenty-First Century. Edinburgh: T&T Clark, 2004. Arrington, French L.: Hermeneutics, Historical Perspectives on Pentecostal and Charismatic. In: Burgess, Stanley M.; McGee, Gary B. (Hrsg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988, S. 376 – 389. –: The Acts of the Apostles: An Introduction and Commentary. Peabody, MA: Hendrickson, 1988. Atkinson, William: Pentecostal Responses to Dunn’s Baptism in the Holy Spirit: Luke–Acts. In: Journal of Pentecostal Theology 6 (1995), S. 87 – 131. –: Pentecostal Responses to Dunn’s Baptism in the Holy Spirit: Pauline Literature. In: Journal of Pentecostal Theology 7 (1995), S. 49 – 72. Baker, Robert O.: Pentecostal Bible Reading: Toward a Model of Reading for the Formation of Christian Affections. In: Journal of Pentecostal Theology 3, Nr. 7 (1995), S. 34 – 48. Bertone, John: The Experience of Glossolalia and the Spirit’s Empathy : Romans 8:26 Revisited. In: Pneuma: The Journal of the Society for Pentecostal Studies 25, Nr. 1 (2003), S. 54 – 65. Cargal, Timothy B.: Beyond the Fundamentalist-Modernist Controversy : Pentecostals and Hermeneutics in a Postmodern Age. In: Pneuma 15, Nr. 2 (1993), S. 163 – 187.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

492

Bibliographie

Cross, Terry L.: The Rich Feast of Theology : Can Pentecostals Bring the Main Course or Only the Relish? In: Journal of Pentecostal Theology 8, Nr. 16 (2000), S. 27 – 47. Elbert, Paul (Hrsg.): Essays on Apostolic Themes: Studies in Honor of Howard M. Ervin. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1985. Ervin, Howard M.: Hermeneutics: A Pentecostal Option. In: Pneuma 3, Nr. 2 (1981), S. 11 – 25. –: Conversion-Initiation and the Baptism in the Holy Spirit: A Critique of James D. G. Dunn, Baptism in the Holy Spirit. Peabody, MA: Hendrickson, 1984. –: Spirit-Baptism: A Biblical Investigation. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1987. Fee, Gordon D.: New Testament Exegesis: A Handbook for Students and Pastors. Philadelphia, PA: Westminster Press, 1983. –: The First Epistle to the Corinthians. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1987. –: Pauline Literature. In: Burgess, Stanley M.; McGee, Gary ; Alexander, Patrick H. (Hrsg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Regency Reference Library, 1988, S. 665 – 683. –: Gospel and Spirit: Issues in New Testament Hermeneutics. Peabody, MA: Hendrickson, 1991. –: Hermeneutics and Historical Precedent: A Major Issue in Pentecostal Hermeneutics. In: Ders.: Gospel and Spirit: Issues in New Testament Hermeneutics. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 83 – 104. –: Response to Roger Stronstad’s “The Biblical Precedent for Historical Precedent”. In: Paraclete: A Journal of Pentecostal Studies 27 (1993), S. 1 – 14. –: God’s Empowering Presence: The Holy Spirit in the Letters of Paul. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1994. –: Some Exegetical and Theological Reflections on Ephesians 4,30 and Pauline Pneumatology. In: Wilson, Mark W.; Williams, J. Rodman (Hrsg.): Spirit and Renewal: Essays in Honor of J. Rodman Williams. Sheffield: Academic Press, 1994 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series), S. 120 – 144. –: Paul’s Letter to the Philippians. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1995 (New International Commentary on the New Testament.). –: Toward a Pauline Theology of Glossolalia. In: Menzies, William W.; Ma, Wonsuk; Menzies, Robert P. (Hrsg.): Pentecostalism in Context: Essays in Honor of William W. Menzies. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1997, S. 24 – 34. –: Listening to the Spirit in the Text. [Nachdr.] Aufl. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2000. –: Der Geist Gottes und die Gemeinde: Eine Einladung, Paulus ganz neu zu lesen. Metzingen/Württ.: Franz, 2005. Fee, Gordon D.; Stuart, Douglas K.: How to Read the Bible for All Its Worth: A Guide to Understanding the Bible. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1982. Harrington, Hannah K.; Patten, Rebecca: Pentecostal Hermeneutics and Postmodern Literary Theory. In: Pneuma 16, Nr. 1 (1994), S. 109 – 114. Horton, Stanley M.: The Book of Acts. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1981.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

493

Hovenden, Gerald: Speaking in Tongues: The New Testament Evidence in Context. London: Sheffield Academic Press, 2002. Hurtado, Larry W.: Normal, but Not a Norm: Initial Evidence and the New Testament. In: McGee, Gary B. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 189 – 201. Israel, Richard D.; Albrecht, Daniel E.; McNally, Randall G.: Pentecostals and Hermeneutics: Texts, Rituals and Community. In: Pneuma 15, Nr. 2 (1993), S. 137 – 161. Johns, Donald A.: Some New Directions in the Hermeneutics of Classical Pentecostalism’s Doctrine of Initial Evidence. In: McGee, Gary B. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 145 – 167. K•rkk•inen, Veli-Matti: Pentecostal Hermeneutics in the Making: On the Way from Fundamentalism to Postmodernism. In: Journal of the European Pentecostal Theological Association 18 (1998), S. 76 – 115. MacQueen, Larry R.: Joel and the Spirit: The Cry of a Prophetic Hermeneutic. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1995 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 8). Martin, Lee Roy : The Unheard Voice of God: A Pentecostal Hearing in the Book of Judges. Dorset: Deo Publishing, 2008. McLean, Mark D.: Towards a Pentecostal Hermeneutic. In: Pneuma 6, Nr. 2 (1984), S. 35 – 56. Menzies, Robert P.: The Development of Early Christian Pneumatology with Special Reference to Luke-Acts. Sheffield: JSOT Press, 1991 (Journal for the Study of the New Testament Supplements 54). –: Spirit and Power in Luke-Acts: A Response to Max Turner. In: Journal for the Study of the New Testament 15, Nr. 49 (1993), S. 11 – 20. –: Empowered for Witness: The Spirit in Luke-Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1994 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 6). –: Jumping Off the Postmodern Bandwagon. In: Pneuma 16, Nr. 1 (1994), S. 115 – 120. –: Luke and the Spirit: A Reply to James Dunn. In: Journal of Pentecostal Theology 4 (1994), S. 115 – 138. –: The Spirit of Prophecy, Luke-Acts and Pentecostal Theology : A Response to Max Turner. In: Journal of Pentecostal Theology 15, Nr. 7 (1999), S. 49 – 74. Menzies, William W.: Synoptic Theology : An Essay on Pentecostal Hermeneutics. In: Paraclete 13, Nr. 1 (1979), S. 14 – 21. –: The Methodology of Pentecostal Theology : An Essay in Hermeneutics. In: Elbert, Paul (Hrsg.): Essays on Apostolic Themes: Studies in Honor of Howard M. Ervin. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1985, S. 1 – 14. –: Spirit and Power: Foundation of Pentecostal Experience: A Call to Evangelical Dialogue. Grand Rapids, MI: Zondervan, 2000.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

494

Bibliographie

Menzies, William W.; Menzies, Robert P.: Pfingsten und die Geistesgaben: eine Jahrhundertfrage im Horizont zeitgemäßer Auslegung. Metzingen/Württ.: Franz, 2001. Mittelstadt, Martin W.: The Spirit and Suffering in Luke-Acts: Implications for a Pentecostal Pneumatology. London: T&T Clark, 2004 (Journal of Pentecostal theology 26). –: Reading Luke-Acts in the Pentecostal Tradition. Cleveland, TN: CPT Press, 2010. Moore, Rickie D.: The Spirit of the Old Testament. Blandford Forum: Deo Publishing, 2011 (Journal of Pentecostal Studies Supplement Series 35). Ndubuisi, Luke: Paul’s Concept of Charisma in 1 Corinthians 12: With Emphasis on Nigerian Charismatic Movement. Frankfurt am Main: Lang, 2003. Noel, Bradley Truman: Pentecostal and Postmodern Hermeneutics: Comparisons and Contemporary Impact. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2010. Oliverio, L. William: Theological Hermeneutics in the Classical Pentecostal Tradition: A Typological Account. Leiden: Brill, 2012 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 12). Penney, John M.: The Missionary Emphasis of Lukan Pneumatology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1997 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 12). Shelton, James B.: Mighty in Word and Deed: The Role of the Holy Spirit in LukeActs. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991. –: A Reply to James D. G. Dunn’s “Baptism in the Spirit: A Response to Pentecostal Scholarship on Luke-Acts”. In: Journal of Pentecostal Theology 4 (1994), S. 139 – 143. Sheppard, Gerald T.: Biblical Interpretation After Gadamer. In: Pneuma 16, Nr. 1 (1994), S. 121 – 141. Smith, James K. A.: Scandalizing Theology : A Pentecostal Response to Noll’s Scandal. In: Pneuma 19, Nr. 2 (1997), S. 225 – 238. –: The Fall of Interpretation: Philosophical Foundations for a Creational Hermeneutic. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2000. –: A Principle of Incarnation in Derrida’s (Theologische?) Jugendschriften: Towards a Confessional Theology. In: Modern Theology 18, Nr. 2 (2002), S. 217 – 230. –: Speech and Theology : Language and the Logic of Incarnation. London: Routledge, 2002 (Radical Orthodoxy Series). –: Advice to Pentecostal Philosophers. In: Journal of Pentecostal Theology 11, Nr. 2 (2003), S. 235 – 247. –: Who’s Afraid of Postmodernism?: Taking Derrida, Lyotard, and Foucault to Church. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2006. Spittler, Russell P.: Scripture and the Theological Enterprise: View from a Big Canoe. In: Johnston, Robert K. (Hrsg.): The Use of the Bible in Theology : Evangelical Options. Atlanta, GA: John Knox Press, 1985, S. 56 – 77. Stephenson, Christopher A.: Types of Pentecostal Theology : Method, System, Spirit. New York: Oxford University Press, 2013.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

495

Stronstad, Roger : The Charismatic Theology of St. Luke. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1984. –: Trends in Pentecostal Hermeneutics. In: Paraclete 22, Nr. 3 (1988), S. 1 – 12. –: Pentecostalism, Experiential Presuppositions, and Hermeneutics. Vortrag: 20th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Continuity and Change in the Pentecostal and Charismatic Movements, Dallas, TX, 8. November 1990. –: Spirit, Scripture and Theology : A Pentecostal Perspective. Baguio City : Asia Pacific Theological Seminary Press, 1995. –: The Prophethood of All Believers a Study in Luke’s Charismatic Theology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 16). Thomas, John C.: Footwashing in John 13 and the Johannine Community. Sheffield: JSOT Press, 1991. –: The Spirit of the New Testament. Blandford Forum: Deo Publishing, 2005. Turner, Max: Spirit Endowment in Luke-Acts: Some Linguistic Considerations. In: Vox Evangelica Nr. 12 (1981), S. 45 – 63. –: The Spirit and the Power of Jesus’ Miracles in the Lukan Conception. In: Novum Testamentum 33, Nr. 2 (1991), S. 124 – 152. –: Empowerment for Mission? The Pneumatology of Luke-Acts: An Appreciation and Critique of James B. Shelton’s Mighty in Word and Deed. In: Vox Evangelica Nr. 24 (1994), S. 103 – 122. –: Power from on High: The Spirit in Israel’s Restoration and Witness in Luke-Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 9). –: The Holy Spirit and Spiritual Gifts: Then and Now. Paternoster Press, 1996. –: The Spirit in Luke-Acts: A Support or a Challenge to Classical Pentecostal Paradigms? In: Vox Evangelica Nr. 27 (1997), S. 75 – 101. –: Every Believer as a Witness in Acts? – In Dialogue with John Michael Penney. In: Ashland Theological Journal Nr. 30 (1998), S. 57 – 71. –: Receiving Christ and Receiving the Spirit: In Dialogue with David Pawson. In: Journal of Pentecostal Theology 15, Nr. 7 (1999), S. 3 – 31. –: Does Luke Believe Reception of the “Spirit of Prophecy” Makes All “Prophets”? Inviting Dialogue with Roger Stronstad. In: Journal of the European Pentecostal Theological Association (2000), S. 3 – 24. –: Interpreting the Samaritans of Acts 8: The Waterloo of Pentecostal Soteriology and Pneumatology? In: Pneuma 23, Nr. 2 (2001), S. 265 – 286. Waddell, Robby : The Spirit of the Book of Revelation. Blandford Forum: Deo Publishing, 2006. Wenk, Matthias: Community Forming Power: The Socio-Ethical Role of the Spirit in Luke Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 19). Wyckoff, John W.: Pneuma and Logos: The Role of the Spirit in Biblical Hermeneutics. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2010.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

496

Bibliographie

–: Trajectories in the Book of Acts: Essays in Honor of John Wesley Wyckoff. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2010. Yong, Amos: Spirit–Word–Community: Theological Hermeneutics in Trinitarian Perspective. Aldershot: Ashgate, 2002 (Ashgate New Critical Thinking in Religion, Theology and Biblical Studies).

Geschichte und Identität Alexander, Estrelda: The Women of Azusa Street. Cleveland, OH: Pilgrim Press, 2005. –: Limited Liberty : The Legacy of Four Pentecostal Women Pioneers. Cleveland, OH: Pilgrim Press, 2008. Alexander, Estrelda; Yong, Amos (Hrsg.): Philip’s Daughters: Women in Pentecostal-Charismatic Leadership. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2009 (Princeton Theological Monograph Series 104). Alexander, Kimberly E.: Pentecostal Healing: Models in Theology and Practice. Blandford Forum: Deo Publishing, 2006. Alexander, Paul: Peace to War: Shifting Allegiances in the Assemblies of God. Telford, PA.: Cascadia Publishing House, 2009 (The C. Henry Smith Series 9). Anderson, Allan H.: Moya: The Holy Spirit in an African Context. Pretoria: University of South Africa, 1991. –: Bazalwane: African Pentecostals in South Africa. Pretoria: University of South Africa Press, 1992. –: Dangerous Memories for South African Pentecostals. In: Ders.; Hollenweger, Walter J. (Hrsg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 15), S. 89 – 107. –: Zion and Pentecost: The Spirituality and Experience of Pentecostal and Zionist/ Apostolic Churches in South Africa. Pretoria: University of South Africa Press, 2000 (African Initiatives in Christian Mission 6). –: An Introduction to Pentecostalism. Cambridge: Cambridge University Press, 2004. –: Revising Pentecostal History in Global Perspective. In: Ders.; Tang, Edmond (Hrsg.): Asian and Pentecostal: The Charismatic Face of Christianity in Asia. London: Regnum Books, 2005 (Asian Journal of Pentecostal Studies Series 3), S. 147 – 173. –: Spreading Fires. The Missionary Nature of Early Pentecostalism. London: SCM Press, 2007. –: Varieties, Taxonomies, and Definitions. In: Ders. u. a. (Hrsg.): Studying Global Pentecostalism. Theories and Methods. Berkeley, CA: University of California Press, 2010, S. 13 – 29. –: To the Ends of the Earth: Pentecostalism and the Transformation of World Christianity. Oxford: Oxford University Press, 2013.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

497

Anderson, Allan H.; Hollenweger, Walter J. (Hrsg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999. Anderson, Allan H.; Otwang, Samuel: Tumelo: The faith of African Pentecostals in South Africa. Pretoria: University of South Africa Press, 1993. Anderson, Allan H.; Tang, Edmond (Hrsg.): Asian and Pentecostal: The Charismatic Face of Christianity in Asia. Oxford: Regnum Books, 2005. Asamoah-Gyadu, J. Kwabena: African Charismatics: Current Developments Within Independent Indigenous Pentecostalism in Ghana. Leiden: Brill, 2005 (Studies of religion in Africa 27). Barfoot, Chas H.: Aimee Semple McPherson and the Making of Modern Pentecostalism, 1890 – 1926. London: Equinox, 2011. Bays, Daniel: The Protestant Missionary Establishment and the Pentecostal Movement. In: Blumhofer, Edith L.; Spittler, Russell P.; Wacker, Grant A. (Hrsg.): Pentecostal Currents in American Protestantism. Urbana, IL: University of Illinois Press, 1999, S. 50 – 67. Beaman, Jay : Pentecostal Pacifism: The Origin, Development, and Rejection of Pacific Belief among the Penteostals. Hillsboro, KS: Center for Mennonite Brethren Studies, 1989. Bergunder, Michael: Die südindische Pfingstbewegung im 20. Jahrhundert: Eine historische und systematische Untersuchung. Frankfurt am Main: Lang, 1999 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 113). – (Hrsg.): Pfingstbewegung und Basisgemeinden in Lateinamerika: Die Rezeption befreiungstheologischer Konzepte durch die pfingstliche Theologie. Hamburg: Evangelisches Missionswerk in Deutschland, 2000 (Weltmission heute 39). –: Mission und Pfingstbewegung. In: Dahling-Sander, Christoph u. a. (Hrsg.): Leitfaden Ökumenische Missionstheologie. Gütersloh: Chr. Kaiser, 2003, S. 200 – 219. –: Pfingstbewegung, Globalisierung und Migration. In: Zeitschrift für Mission 35, Nr. 1 – 2 (2005), S. 79 – 91. –: Der “Cultural Turn” und die Erforschung der weltweiten Pfingstbewegung. In: Evangelische Theologie 69, Nr. 4 (2009), S. 245 – 269. Bergunder, Michael; Haustein, Jörg (Hrsg.): Migration und Identität: Pfingstlichcharismatische Migrationsgemeinden in Deutschland. Frankfurt am Main: Lembeck, 2006 (Beihefte der Zeitschrift für Mission 8). Blumhofer, Edith L.: The Assemblies of God: A Chapter in the Story of American Pentecostalism, Bd. 1: To 1941. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1989. –: The Assemblies of God: A Chapter in the Story of American Pentecostalism, Bd. 2: Since 1941. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1989. –: Aimee Semple McPherson: Everybody’s Sister. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1993 (Library of Religious Biography). –: Restoring the Faith. The Assemblies of God, Pentecostalism, and American Culture. Urbana, IL: University of Illinois Press, 1993.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

498

Bibliographie

Bueno, Ronald N.: Listening to the Margins: Re-Historicizing Pentecostal Experiences and Identities. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hrsg.): The Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999, S. 268 – 288. Butler, Anthea D.: Women in the Church of God in Christ: Making a Sanctified World. Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2007. Cerillo, Augustus: The Beginnings of American Pentecostalism: A Historiographical Overview. In: Blumhofer, Edith L.; Spittler, Russell P.; Wacker, Grant (Hrsg.): Pentecostal Currents in American Protestantism. Urbana, IL: University of Illinois Press, 1999, S. 229 – 259. Clemmons, Ithiel C.: Bishop C. H. Mason and the Roots of the Church of God in Christ. Centennial ed. Aufl. Bakersfield, CA: Pneuma Life, 1996. Clifton, Shane; Grey, Jacqueline (Hrsg.): Raising Women Leaders: Perspectives on Liberating Women in Pentecostal and Charismatic Contexts. Chester Hill, NSW: Australasian Pentecostal Studies, 2009. Conn, Charles W.: Like a Mighty Army: A History of the Church of God, 1886 – 1976. Cleveland, TN: Pathway Press, 1977. Cox, Harvey : Fire from Heaven: The Rise of Pentecostal Spirituality and the Reshaping of Religion in the Twenty-First Century. London: Cassell, 1995. Creech, Joe: Visions of Glory : The Place of the Azusa Street Revival in Pentecostal History. In: Church History 65 (1996), S. 405 – 424. Cross, Terry L.: The Rich Feast of Theology : Can Pentecostals Bring the Main Course or Only the Relish? In: Journal of Pentecostal Theology 8, Nr. 16 (2000), S. 27 – 47. –: A Proposal To Break the Ice: What Can Pentecostal Theology Offer Evangelical Theology? In: Journal of Pentecostal Theology 10, Nr. 2 (2002), S. 44 – 73. Dayton, Donald W.: The Doctrine of the Baptism of the Holy Spirit: Its Emergence and Significance. In: Wesleyan Theological Journal 13, Nr. 1 (1978), S. 114 – 126. –: The Historical Background of Pneumatological Issues in the Holiness Movement. In: Shelton, R. Larry ; Deasley, Alex R. G (Hrsg.): The Spirit and the New Age: An Inquiry into the Holy Spirit and Last Things from a Biblical Theological Perspective. Anderson, IN: Warner, 1986 (Wesleyan Theological Perspectives 5). –: Theological Roots of Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Francis Asbury, 1987. –: The Limits of Evangelicalism: The Pentecostal Tradition. In: Ders.; Johnston, Robert K. (Hrsg.): The Variety of American Evangelicalism. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1991, S. 35 – 56. Eisenlçffel, Ludwig David: Freikirchliche Pfingstbewegung in Deutschland. Innenansichten 1945 – 1985. Göttingen: V&R unipress, 2006 (Kirche – Konfession – Religion 50). Goff, James R.: Initial Tongues in the Theology of Charles Fox Parham. In: McGee, Gary B. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 55 – 71.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

499

Hampel, Dieter ; Krìger, Richard; Oertel, Gerhard: Der Auftrag bleibt: Der Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Erzhausen: Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, 2009. Haustein, Jörg: Die Pfingstbewegung als Alternative zur Säkularisierung? Zur Wahrnehmung einer globalen religiösen Bewegung des 20. Jahrhunderts. In: Archiv für Sozialgeschichte 51 (2011), S. 533 – 552. –: Writing Religious History. The Historiography of Ethiopian Pentecostalism. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011 (Studies in the History of Christianity in the NonWestern World 17). –: Theorizing Pentecostal Historiography : Persecution and Historical Memory in Ethiopia. In: PentecoStudies 11, Nr. 2 (2012), S. 171 – 191. Hocken, Peter : The Significance and Potential of Pentecostalism. In: Tugwell, Simon u. a. (Hrsg.): New Heaven? New Earth?: An Encounter with Pentecostalism. Springfield, IL: Templegate, 1977, S. 15 – 67. Hollenweger, Walter J.: Enthusiastisches Christentum: Die Pfingstbewegung in Geschichte und Gegenwart. Wuppertal: Brockhaus, 1969. –: Charismatisch-pfingstliches Christentum: Herkunft, Situation, Ökumenische Chancen. (The Pentecostals ). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1997. –: Pentecostalism: Origins and Developments Worldwide. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1997. –: The Black Roots of Pentecostalism. In: Anderson, Allan H.; Ders. (Hrsg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999, S. 36 – 43. Holmes, Pamela M. S.: Ministering Women in the PAOC: A Feminist Exploration. In: Wilkinson, Michael (Hrsg.): Canadian Pentecostalism: Transition and Transformation. Montreal, QC: McGill-Queen’s University Press, 2009 (McGill-Queen’s Studies in the History of Religion 49), S. 171 – 194. –: The Spirit, Nature, and Canadian Pentecostal Women: A Conversation with Critical Theory. In: Alexander, Estrelda; Yong, Amos (Hrsg.): Philip’s Daughters. Women in Pentecostal-Charismatic Leadership. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2009 (Princeton Theological Monograph Series 104), S. 185 – 202. Jacobsen, Douglas G.: Thinking in the Spirit: Theologies of the Early Pentecostal Movement. Bloomington, IN: Indiana University Press, 2003. Kalu, Ogbu U.: African Pentecostalism in Diaspora. In: PentecoStudies 9, Nr. 1 (2010), S. 9 – 34. Kalu, Wilhelmina; Wariboko, Nimi; Falola, Toyin (Hrsg.): African Pentecostalism: Global Discourses, Migrations, Exchanges, and Connections. Asmara: Africa World Press, 2010 (The Collected Essays of Ogbu Uke Kalu 1). K•rkk•inen, Veli-Matti (Hrsg.): The Spirit in the World: Emerging Pentecostal Theologies in Global Contexts. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2009. Kay, William K.: Karl Popper and Pentecostal Historiography. In: Pneuma 32, Nr. 1 (2010), S. 5 – 15. Kay, William K.; Dyer, Anne E.: European Pentecostalism. Leiden: Brill, 2011 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 7).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

500

Bibliographie

Klaus, Byron D.; Triplett, Loren O.: National Leadership in Pentecostal Missions. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hrsg.): Called and Empowered: Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 225 – 241. Kydd, Ron: Canadian Pentecostalism and the Evangelical Impulse. In: Rawlyk, George A. (Hrsg.): Aspects of the Canadian Evangelical Experience. Montreal, QC: McGill-Queen’s University Press, 1997 (McGill-Queen’s Studies in the History of Religion 2), S. 289 – 300. Lapoorta, Japie J.: Unity or Division? The Unity Struggles of the Black Churches Within the Apostolic Faith Mission of South Africa. Kuils Rover : J. J. Lapoorta, 1996. MacRobert, Iain: The Black Roots and White Racism of Early Pentecostalism in the USA. Basingstoke: Macmillan, 1988. McClung, Grant Jr.: “Try to Get People Saved”: Revisiting the Paradigm of an Urgent Pentecostal Missiology. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hrsg.): The Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999, S. 30 – 51. Miller, Thomas W.: Canadian Pentecostals: A History of the Pentecostal Assemblies of Canada. Mississauga, ON: Full Gospel Publishing House, 1994. Noble, E. Myron: And They yet Speak: Historical Survey of African American Pentecostal-Holiness Churches in the Nation’s Capital, Washington, D. C., 1900 – 2006. Washington, DC: Middle Atlantic Regional Press, 2007. Owens, Robert R.: Speak to the Rock: The Azusa Street Revival: Its Roots and Its Message. Lanham, MD: University Press of America, 2001. Petersen, Douglas: The Formation of Popular, National, Autonomous Pentecostal Churches in Central America. In: Pneuma 16, Nr. 1 (1994), S. 23 – 48. Poloma, Margaret: The Assemblies of God at the Crossroads: Charisma and Institutional Dilemmas. Knoxville, TN: University of Tennessee Press, 1989. Reasoner, Victor P.: The American Holiness Movement’s Paradigm Shift Concerning Pentecost. In: Wesleyan Theological Journal 31, Nr. 2 (1996), S. 132 – 146. Robeck, Cecil M. Jr.: William J. Seymour and “The Bible Evidence”. In: McGee, Gary B. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 72 – 95. –: Pentecostal Origins in Global Perspective. In: Hunter, Harold D.; Hocken, Peter (Hrsg.): All Together in One Place: Theological Papers from the Brighton Conference of World Evangelization. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993, S. 166 – 180. –: The Azusa Street Mission and Revival: The Birth of the Global Pentecostal Movement. Nashville, TN: Nelson Reference & Electronic, 2006. Ruelas, Abraham A.: Women and the Landscape of American Higher Education: Wesleyan Holiness and Pentecostal Founders. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010. Satyavrata, Ivan M.:Contextual Perspectives on Pentecostalism as a Global Culture. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hrsg.): The

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

501

Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999, S. 203 – 221. Sepffllveda, Juan: Indigenous Pentecostalism and the Chilean Experience. In: Anderson, Allan H.; Hollenweger, Walter J. (Hrsg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999, S. 111 – 134. Shuman, Joel J.: Pentecost and the End of Patriotism: A Call for the Restoration of Pacifism Among Pentecostal Christians. In: Journal of Pentecostal Theology 9 (1996), S. 70 – 96. Smith, James K. A.: The Closing of the Book: Pentecostals, Evangelicals, and the Sacred Writings. In: Journal of Pentecostal Theology 5, Nr. 11 (1997), S. 49 – 71. Solivan, Samuel: The Spirit, Pathos and Liberation: Toward an Hispanic Pentecostal Theology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1998. Spittler, Russell P. (Hrsg.): Perspectives on the New Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Baker, 1976. Stephenson, Lisa P.: Dismantling the Dualisms for American Pentecostal Women in Ministry : A Feminist-Pneumatological Approach. Leiden: Brill, 2012 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 9). Suarsana, Yan: Pandita Ramabai und die Erfindung der Pfingstbewegung postkoloniale Religionsgeschichtsschreibung am Beispiel des „Mukti Revival“. Wiesbaden: Harrassowitz, 2013 (Studien zur außereuropa¨ ischen Christentumsgeschichte (Asien, Afrika, Lateinamerika) 23). Sutton, Matthew Avery : Aimee Semple McPherson and the Resurrection of Christian America. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2007. Synan, Vinson: The Holiness-Pentecostal Tradition: Charismatic Movements in the Twentieth Century. 2. Aufl. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1997. Wacker, Grant: Are the Golden Oldies Still Worth Playing? Reflections on History Writing among Early Pentecostals. In: Pneuma 8, Nr. 2 (1986), S. 81 – 100. –: Early Pentecostals and the Almost Chosen People. In: Pneuma 19, Nr. 2 (1997), S. 141 – 166. –: Heaven Below: Early Pentecostals and American Culture. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2001. Warner, Wayne E.: The Woman Evangelist: The Life and Times of Charismatic Evangelist Maria B. Woodworth-Etter. Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1986 (Studies in Evangelicalism 8). Wessels, Roland: The Spirit Baptism, Nineteenth Century Roots. In: Pneuma 14, Nr. 1 (1992), S. 127 – 157. Wilkinson, Michael: Canadian Pentecostalism: Transition and Transformation. Montreal, QC: McGill-Queen’s University Press, 2009 (McGill Queen’s Studies in the History of Religion 2,49). Wilson, Everett A.: Strategy of the Spirit: J. Philip Hogan and the Growth of the Assemblies of God Worldwide 1960 – 1990. Carlisle, PA: Regnum Books, 1997. –: They Crossed the Red Sea, Didn’t They? Critical History and Pentecostal Beginnungs. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hrsg.):

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

502

Bibliographie

The Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999, S. 85 – 115. Yong, Amos: The Demise of Foundationalism and the Retention of Truth: What Evangelicals Can Learn from C. S. Peirce. In: Christian Scholar’s Review 29 (2000), S. 563 – 588. Yong, Amos; Alexander, Estrelda: Afro-Pentecostalism: Black Pentecostal and Charismatic Christianity in History and Culture. New York, NY: New York University Press, 2011. Yong, Amos; Attanasi, Katy (Hrsg.): Pentecostalism and Prosperity: The SocioEconomics of the Global Charismatic Movement. 1st ed Aufl. New York: Palgrave Macmillan, 2012 (Christianities of the World). Yoo Boo-Woong: Korean Pentecostalism: Its History and Theology. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1988 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 52). Ziefle, Joshua R.: David Du Plessis and the Assemblies of God: The Struggle for the Soul of a Movement. Leiden: Brill, 2012 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 13).

Pneumatologie und Soteriologie Alexander, Kimberly E.: Pentecostal Healing: Models in Theology and Practice. Blandford Forum: Deo Publishing, 2006. Althouse, Peter : Spirit of the Last Days: Pentecostal Eschatology in Conversation with Jürgen Moltmann. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2003 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 25). Arrington, French L.: Christian Doctrine: A Pentecostal Perspective, Bd. 1 – 3. Cleveland, TN: Pathway Press, 1992_1994. Bundy, David: The Genre of Systematic Theology in Pentecostalism. In: Pneuma 1, Nr. 15 (1993), S. 89 – 107. Chan, Simon: Spiritual Theology : A Systematic Study of the Christian Life. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1998. –: Pentecostal Theology and the Christian Spiritual Tradition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 21). Del Colle, Ralph: Christ and the Spirit: Spirit-Christology in Trinitarian Perspective. New York: Oxford University Press, 1994. Cross, Terry L.: The Rich Feast of Theology : Can Pentecostals Bring the Main Course or Only the Relish? In: Journal of Pentecostal Theology 8, Nr. 16 (2000), S. 27 – 47. –: “Can There Be a Pentecostal Systematic Theology?”: An Essay on Theological Method in a Postmodern World. Vortrag: 30th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Teaching to Make Disciples: Education for Pentecostal-Charismatic Spirituality and Life, Tulsa, OK, 2001. –: The Divine-Human Encounter Towards a Pentecostal Theology of Experience. In: Pneuma 31, Nr. 1 (2009), S. 3 – 34.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

503

Dabney, D. Lyle: Jürgen Moltmann and John Wesley’s Third Article Theology. In: Wesleyan Theological Journal Nr. 29 (1994). –: Otherwise Engaged in the Spirit: A First Theology for the Twenty-first Century. In: Moltmann, Jürgen u. a. (Hrsg.): The Future of Theology : Essays in Honor of Jürgen Moltmann. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1996, S. 154 – 163. –: Die Kenosis des Geistes: Kontinuität zwischen Schöpfung und Erlösung im Werk des Heiligen Geistes, Bd. 18. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1997. –: Pneumatologia Crucis: Reclaiming Theologia Crucis for a Theology of the Spirit Today. In: Scottish Journal of Theology 4, Nr. 53 (2000), S. 511 – 524. –: “Justified by the Spirit”: Soteriological Reflections on the Resurrection. In: International Journal of Systematic Theology 1, Nr. 3 (2001), S. 46 – 68. –: He Will Baptize You with the Holy Spirit: Retrieving a Metaphor for a Pneumatological Soteriology. Vortrag: 30th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Teaching to Make Disciples: Education for Pentecostal-Charismatic Spirituality and Life, Tulsa, OK, März 2001. –: The Nature of the Spirit: Creation as a Premonition of God. In: Welker, Michael (Hrsg.): The Work of the Spirit: Pneumatology and Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2006, S. 71 – 86. Dayton, Donald W.: Pneumatological Issues in the Holiness Movement. In: Heim, S. Mark; Stylianopoulos, Theodore G. (Hrsg.): Spirit of Truth: Ecumenical Perspectives on the Holy Spirit. Brookline, MA: Holy Cross Orthodox, 1986, S. 131 – 157. Fee, Gordon D.: Gospel and Spirit: Issues in New Testament Hermeneutics. Peabody, MA: Hendrickson, 1991. Gelpi, Donald: Pentecostalism: A Theological Viewpoint. New York: Paulist Press, 1971. Gelpi, Donald L.: The Divine Mother, a Trinitarian Theology of the Holy Spirit. Lanham, MD: University Press of America, 1984. –: The Turn to Experience in Contemporary Theology. New York: Paulist Press, 1994. Harris, Antipas L.: Holy Spirit, Holy Living: Toward a Practical Theology of Holiness for Twenty-First Century Churches. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2013. Higgins, John R.; Dusing, Michael L.; Tallman, Frank D.: An Introduction to Theology : A Classical Pentecostal Perspective. Dubuque, IA: Kendall, 1994. Hollenweger, Walter J.: Geist und Materie. München: Chr. Kaiser, 1988 (Interkulturelle Theologie 3). Horton, Stanley M.: Systematic Theology : A Pentecostal Perspective. überarb. Aufl. Springfield, MO: Logion Press, 1994. Jenney, Timothy P.: The Holy Spirit and Sanctification. In: Horton, Stanley M. (Hrsg.): Systematic Theology : A Pentecostal Perspective. überarb. Aufl. Springfield, MO: Logion Press, 1994. K•rkk•inen, Veli-Matti: Deification and a Pneumatological Concept of Grace: Unprecedented Convergences between Orthodox, Lutheran, and Pentecostal–Holiness Soteriologies. Vortrag: 28th Annual Meeting of the Society for

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

504

Bibliographie

Pentecostal Studies: Toward Healing Our Divisions: Reflecting on Pentecostal Diversity and Common Witness, Springfield, MO, März 1999. –: Pneumatology : The Holy Spirit in Ecumenical, International, and Contextual Perspective. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2002. –: One with God: Salvation as Deification and Justification. Collegeville, MN: Liturgical Press, 2004. –: Theology of the Cross: A Stumbling Block to Pentecostal/Charismatic Spirituality? In: The Spirit and Spirituality: Essays in Honour of Russell P. Spittler. London: T&T Clark, 2004, S. 150 – 163. – (Hrsg.): The Spirit in the World: Emerging Pentecostal Theologies in Global Contexts. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2009. –: Christ and Reconciliation. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2013 (A Constructive Theology for the Pluralistic World 1). K•rkk•inen, Veli-Matti; Yong, Amos: Toward a Pneumatological Theology : Pentecostal and Ecumenical Perspectives on Ecclesiology, Soteriology, and Theology of Mission. Lanham, MD: University Press of America, 2002. Land, Steven J.: Pentecostal Spirituality: A Passion for the Kingdom. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 1). Macchia, Frank D.: Spirituality and Social Liberation: The Message of the Blumharts in the Light of Wuerttemberg Pietism. Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1993 (Pietist and Wesleyan studies 4). –: The Spirit and Life: A Further Response to Jürgen Moltmann. In: Journal of Pentecostal Theology 5 (1994), S. 121 – 127. –: Justification and the Spirit: A Pentecostal Reflection on the Doctrine by which the Church Stands or Falls. In: Pneuma 1, Nr. 22 (2000), S. 3 – 21. –: Christ and Spirit: Dogma, Discernment, and Dialogical Theology in a Religiously Plural World. In: Journal of Pentecostal Theology 12, Nr. 1 (2003), S. 15 – 83. –: Baptized in the Spirit: A Global Pentecostal Theology. Grand Rapids, MI: Zondervan, 2006. –: Justified in the Spirit: Creation, Redemption, and the Triune God. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2010. Menzies, Robert P.: Empowered for Witness: The Spirit in Luke-Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1994 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 6). Mittelstadt, Martin W.: The Spirit and Suffering in Luke-Acts: Implications for a Pentecostal Pneumatology. London: T&T Clark, 2004 (Journal of Pentecostal theology 26). Mittelstadt, Martin W.; Sutton, Geoffrey W. (Hrsg.): Forgiveness, Reconciliation, and Restoration: Multidisciplinary Studies from a Pentecostal Perspective. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010 (Pentecostals, Peacemaking, and Social Justice Series). Moore, Rickie D.: The Spirit of the Old Testament. Blandford Forum: Deo Publishing, 2011 (Journal of Pentecostal Studies Supplement Series 35).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

505

Nichols, David R.: The Search for a Pentecostal Structure in Systematic Theology. In: Pneuma 6, Nr. 2 (1984), S. 57 – 76. Oliverio, L. William: Theological Hermeneutics in the Classical Pentecostal Tradition: A Typological Account. Leiden: Brill, 2012 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 12). Palma, Anthony D.: The Holy Spirit: A Pentecostal Perspective. Springfield, MO: Logion Press, 2001. Palmer, Michael D.; Horton, Stanley M. (Hrsg.): Elements of a Christian Worldview. Springfield, MO: Logion Press, 1998. Pecota, Daniel B.: The Saving Work of Christ. In: Horton, Stanley M. (Hrsg.): Systematic Theology. überarb. Aufl. Springfield, MO: Logion Press, 1995, S. 325 – 373. Pinnock, Clark H.: Tracking the Maze: Finding Our Way Through Modern Theology from an Evangelical Perspective. San Francisco: Harper & Row, 1990. –: Flame of Love: A Theology of the Holy Spirit. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1996. Robeck, Cecil M. Jr.: Canon, Regulae Fidei, and Continuing Revelation in the Early Church. In: Bradley, James E.; Muller, Richard A. (Hrsg.): Church, Word, and Spirit: Historical and Theological Essays in Honor of Geoffrey W. Bromiley. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1987, S. 65 – 91. Sheppard, Gerald T.: The Nicean Creed, Filioque, and Pentecostal Movements in the United States. In: Greek Orthodox Theological Review 31, Nr. 3 – 4 (1986), S. 401 – 416. Shuman, Joel J.: Toward a Cultural-Linguistic Account of the Pentecostal Doctrine of the Baptism of the Holy Spirit. In: Pneuma 19, Nr. 1 (1997), S. 207 – 223. Smith, James K. A.: The Fall of Interpretation: Philosophical Foundations for a Creational Hermeneutic. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2000. –: What Hath Cambridge to Do with Azusa Street? Radical Orthodoxy and Pentecostal Theology in Conversation. In: Pneuma 25, Nr. 1 (2003), S. 97 – 114. Smith, James K. A.; Yong, Amos (Hrsg.): Science and the Spirit a Pentecostal Engagement with the Sciences. Bloomington, IN: Indiana University Press, 2010. Solivan, Samuel: The Spirit, Pathos and Liberation: Toward an Hispanic Pentecostal Theology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1998. Stephenson, Christopher A.: Types of Pentecostal Theology : Method, System, Spirit. New York: Oxford University Press, 2013. Studebaker, Steven M.: Pentecostal Soteriology and Pneumatology. In: Journal of Pentecostal Theology 11, Nr. 2 (2003), S. 248 – 270. –: From Pentecost to the Triune God: A Pentecostal Trinitarian Theology. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2012 (Pentecostal Manifestos). Thomas, John C.: Pentecostal Theology in the Twenty-First Century : Presidential Address to the Society for Pentecostal Studies. In: Pneuma 20, Nr. 1 (1998), S. 3 – 19. –: The Spirit of the New Testament. Blandford Forum: Deo Publishing, 2005.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

506

Bibliographie

Turner, Max: The Spirit and the Power of Jesus’ Miracles in the Lukan Conception. In: Novum Testamentum 33, Nr. 2 (1991), S. 124 – 152. –: Empowerment for Mission? The Pneumatology of Luke-Acts: An Appreciation and Critique of James B. Shelton’s Mighty in Word and Deed. In: Vox Evangelica Nr. 24 (1994), S. 103 – 122. –: Power from on High: The Spirit in Israel’s Restoration and Witness in Luke-Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 9). –: The Holy Spirit and Spiritual Gifts: Then and Now. Paternoster Press, 1996. –: Receiving Christ and Receiving the Spirit: In Dialogue with David Pawson. In: Journal of Pentecostal Theology 15, Nr. 7 (1999), S. 3 – 31. –: Interpreting the Samaritans of Acts 8: The Waterloo of Pentecostal Soteriology and Pneumatology? In: Pneuma 23, Nr. 2 (2001), S. 265 – 286. Volf, Miroslav : Materiality of Salvation: An Investigation in the Soteriologies of Liberation and Pentecostal Theologies. In: Journal of Ecumenical Studies 26, Nr. 3 (1989), S. 447 – 467. –: Work in the Spirit: Toward a Theology of Work. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2001. Vondey, Wolfgang: Between This and That: Reality and Sacramentality in the Pentecostal Worldview. In: Journal of Pentecostal Theology 19, Nr. 2 (2010), S. 243 – 264. –: Beyond Pentecostalism: The Crisis of Global Christianity and the Renewal of the Theological Agenda. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2010. Waddell, Robby : The Spirit of the Book of Revelation. Blandford Forum: Deo Publishing, 2006. Warrington, Keith: Pentecostal Theology : A Theology of Encounter. London: T&T Clark, 2008. Welker, Michael (Hrsg.): The Work of the Spirit: Pneumatology and Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2006. Williams, J. Rodman: Renewal Theology : Systematic Theology from a Charismatic Perspective. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988 ff. –: The Era of the Spirit. Plainfield, NJ: Logos International, 1971. –: The Pentecostal Reality. Plainfield, NJ: Logos International, 1972. –: Pentecostal/Charismatic Theology. In: Dockery, David S. (Hrsg.): New Dimensions in Evangelical Thought: Essays in Honor of Millard J. Erickson. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1998, S. 184 – 196. Yong, Amos: Whither Systematic Theology? A Systematician Chimes in on a Scandalous Conversation. In: Pneuma 1, Nr. 20 (1998), S. 85 – 93. –: Discerning the Spirit(s): A Pentecostal-Charismatic Contribution to Christian Theology of Religions. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000. –: On Divine Presence and Agency : Toward a Foundational Pneumatology. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 3, Nr. 2 (2000), S. 137 – 188. –: The Demise of Foundationalism and the Retention of Truth: What Evangelicals Can Learn from C. S. Peirce. In: Christian Scholar’s Review 29 (2000), S. 563 – 588.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

507

–: Spirit–Word–Community : Theological Hermeneutics in Trinitarian Perspective. Aldershot: Ashgate, 2002 (Ashgate New Critical Thinking in Religion, Theology and Biblical Studies). –: Spiritual Discernment: A Biblical-Theological Reconsideration. In: Ma, Wonsuk; Menzies, Robert P.; Spittler, Russell P. (Hrsg.): The Spirit and Spirituality: Essays in Honour of Russell P. Spittler, Bd. 24. London: T&T Clark, 2004 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series), S. 83 – 107. – (Hrsg.): The Spirit Renews the Face of the Earth: Pentecostal Forays in Science and Theology of Creation. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2009. –: Disability and the Gifts of the Spirit: Pentecost and the Renewal of the Church. In: Journal of Pentecostal Theology 19, Nr. 1 (2010), S. 76 – 93. –: Pneumatology and the Christian-Buddhist Dialogue: Does the Spirit Blow Through the Middle Way? Leiden: Brill, 2012 (Studies in Systematic Theology). –: Spirit of Love: ATrinitarian Theology of Grace. Waco, TX: Baylor University Press, 2012. –: The Cosmic Breath: Spirit and Nature in the Christianity-Buddhism-Science Trialogue. Leiden: Brill, 2012 (Philosophical Studies in Science and Religion 4). Zahl, Simeon: Pneumatology and Theology of the Cross in the Preaching of Christoph Friedrich Blumhardt: The Holy Spirit Between Wittenberg and Azusa Street. London: T&T Clark, 2010 (T&T Clark Studies in Systematic Theology).

Geisterfahrung und Glossolalie Albrecht, Daniel E.: Rites in the Spirit: A Ritual Approach to Pentecostal/Charismatic Spirituality. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series). Atkinson, William: Pentecostal Responses to Dunn’s Baptism in the Holy Spirit: Luke–Acts. In: Journal of Pentecostal Theology 6 (1995), S. 87 – 131. –: Pentecostal Responses to Dunn’s Baptism in the Holy Spirit: Pauline Literature. In: Journal of Pentecostal Theology 7 (1995), S. 49 – 72. Baer, Richard: Quaker Silence, Catholic Liturgy, and Pentecostal Glossolalia: Some Functional Similarities. In: Spittler, Russell P. (Hrsg.): Perspectives on the New Pentecostalism. Grand Rapids, MI: Baker, 1976, S. 150 – 164. Bertone, John: The Experience of Glossolalia and the Spirit’s Empathy : Romans 8:26 Revisited. In: Pneuma: The Journal of the Society for Pentecostal Studies 25, Nr. 1 (2003), S. 54 – 65. Cartledge, Mark J.: Charismatic Glossolalia: An Empirical-Theological Study. Aldershot: Ashgate, 2002. –: Speaking in Tongues: Multi-Disciplinary Perspectives. Bletchley : Paternoster Press, 2006. Chan, Simon: Spiritual Theology : A Systematic Study of the Christian Life. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1998.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

508

Bibliographie

–: A Response to Max Turner. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 2, Nr. 2 (1999), S. 279 – 281. –: Evidential Glossolalia and the Doctrine of Subsequence. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 2 (1999), S. 195 – 211. –: Pentecostal Theology and the Christian Spiritual Tradition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 21). –: Liturgical Theology : The Church as Worshiping Community. Downers Grove, IL: IVP Academic, 2006. Charette, Blaine: Reflective Speech: Glossolalia and the Image of God. In: Pneuma 28, Nr. 2 (2006), S. 189 – 201. Clark, Mathew S.; Lederle, Henry I.: What Is Distinctive About Pentecostal Theology? Pretoria: University of South Africa, 1989 (Miscellanea Specialia 1). Cross, Terry L.: The Divine-Human Encounter Towards a Pentecostal Theology of Experience. In: Pneuma 31, Nr. 1 (2009), S. 3 – 34. Davis, Rex: Living Liturgically : The Charismatic Contribution. In: Martin, David; Mullen, Peter (Hrsg.): Strange Gifts? A Guide to Charismatic Renewal. Oxford: Basil Blackwell, 1984, S. 107 – 122. Dayton, Donald W.: The Doctrine of the Baptism of the Holy Spirit: Its Emergence and Significance. In: Wesleyan Theological Journal 13, Nr. 1 (1978), S. 114 – 126. Dempster, Murray W.: Soundings in the Moral Significance of Glossolalia. Vortrag: 13th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Pastoral Problems in the Pentecostal-Charismatic Movement, Cleveland, TN, 4. November 1983, S. 1 – 48. –: The Church’s Moral Witness: A Study of Glossolalia in Luke’s Theology of Acts. In: Paraclete 23, Nr. 1 (1989), S. 1 – 7. Dorries, David W.: Edward Irving and the “Standard Sign” of Spirit Baptism. In: McGee, Gary B. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 41 – 56. Dye, Colin: Are Pentecostals Pentecostal? A Revisit to the Doctrine of Pentecost. In: Journal of the European Pentecostal Theological Association Nr. 19 (1999), S. 55 – 80. Ervin, Howard M.: Conversion-Initiation and the Baptism in the Holy Spirit: A Critique of James D. G. Dunn, Baptism in the Holy Spirit. Peabody, MA: Hendrickson, 1984. Fee, Gordon D.: Some Exegetical and Theological Reflections on Ephesians 4,30 and Pauline Pneumatology. In: Wilson, Mark W.; Williams, J. Rodman (Hrsg.): Spirit and Renewal: Essays in Honor of J. Rodman Williams. Sheffield: Academic Press, 1994 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series), S. 120 – 144. –: Toward a Pauline Theology of Glossolalia. In: Crux 31, Nr. 1 (1995), S. 22 – 31. Ford, J. Massyngberde: Toward a Theology of Speaking in Tongues. In: Theological Studies 32, Nr. 1 (1971), S. 3 – 29. Gelpi, Donald L.: The Turn to Experience in Contemporary Theology. New York: Paulist Press, 1994.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

509

Hall, J. L.: A Oneness Pentecostal Looks at Initial Evidence. In: McGee, Gary B. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 168 – 188. Hoekema, Anthony A.: Holy Spirit Baptism. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1972. Hovenden, Gerald: Speaking in Tongues: The New Testament Evidence in Context. London: Sheffield Academic Press, 2002. Hunter, Harold D.: Spirit-Baptism: A Pentecostal Alternative. Lanham, MD: University Press of America, 1983. Hurtado, Larry W.: Normal, but Not a Norm: Initial Evidence and the New Testament. In: McGee, Gary B. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 189 – 201. Johns, Donald A.: Some New Directions in the Hermeneutics of Classical Pentecostalism’s Doctrine of Initial Evidence. In: McGee, Gary B. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 145 – 167. Kay, William K.: The “Initial Evidence”: Implications of an Empirical Perspective in a British Context. In: Journal of the European Pentecostal Theological Association 20 (2000), S. 25 – 31. Land, Steven J.: Pentecostal Spirituality: A Passion for the Kingdom. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 1). Lederle, Henry I.: Initial Evidence and the Charismatic Movement: An Ecumenical Appraisal. In: McGee, Gary B. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 131 – 141. Lim, David S.: Spiritual Gifts: A Fresh Look. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1991. –: A Reflection on the “Initial Evidence” Discussion from a Pentecostal Pastor’s Perspective. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 2 (1999), S. 223 – 232. Macchia, Frank D.: Sighs too Deep for Words: Towards a Theology of Glossolalia. In: Journal of Pentecostal Theology 1 (1992), S. 47 – 73. –: Tongues as a Sign: Towards a Sacramental Understanding of Pentecostal Experience. In: Pneuma 15, Nr. 1 (1993), S. 61 – 76. –: Groans Too Deep for Words: Towards a Theology of Tongues as Initial Evidence. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 1 (1998), S. 149 – 173. –: Justification and the Spirit: A Pentecostal Reflection on the Doctrine by which the Church Stands or Falls. In: Pneuma 1, Nr. 22 (2000), S. 3 – 21. –: Das Reich und die Kraft: Geistestaufe in pfingstlerischer und ökumenischer Perspektive. In: Evangelische Theologie 69, Nr. 4 (2009), S. 286 – 299. Maltese, Giovanni: Geisterfahrer zwischen Transzendenz und Immanenz: Die Erfahrungsbegriffe in den pfingstlich-charismatischen Theologien von Terry L. Cross

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

510

Bibliographie

und Amos Yong im Vergleich. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2013 (Kirche – Konfession – Religion 61). McGee, Gary B.: Early Pentecostal Hermeneutics: Tongues as Evidence in the Book of Acts. In: Ders. (Hrsg.): Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 96 – 118. –: Initial Evidence: Historical and Biblical Perspectives on the Pentecostal Doctrine of Spirit Baptism. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991. Menzies, Robert P.: Luke and the Spirit: A Reply to James Dunn. In: Journal of Pentecostal Theology 4 (1994), S. 115 – 138. –: Evidential Tongues: An Essay on Theological Method. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 1 (1998), S. 111 – 123. Menzies, William W.: Spirit and Power: Foundation of Pentecostal Experience: A Call to Evangelical Dialogue. Grand Rapids, MI: Zondervan, 2000. Neumann, Peter D.: Pentecostal Experience: An Ecumenical Encounter. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2012 (Princeton Theological Monograph Series 187). Parker, Stephen E.: Led by the Spirit: Toward a Practical Theology of Pentecostal Discernment and Decision Making. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996. Pinnock, Clark H.; Osborne, Grant R.: A Truce Proposal for the Tongues Controversy. In: Christianity Today Nr. 16 (1971), S. 6 – 9. Plìss, Jean-Daniel: Initial Evidence or Evident Initials? A European Point of View on a Pentecostal Distinctive. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 2 (1999), S. 213 – 222. Shelton, James B.: A Reply to James D. G. Dunn’s “Baptism in the Spirit: A Response to Pentecostal Scholarship on Luke-Acts”. In: Journal of Pentecostal Theology 4 (1994), S. 139 – 143. Smith, James K. A.: Glossolalia, Manual. In: Burgess, Stanley M.; van der Maas, Eduard M. (Hrsg.): The New International Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. erw. u. überarb. Aufl. Grand Rapids, MI: Zondervan, 2002, S. 677 – 678. –: Speech and Theology : Language and the Logic of Incarnation. London: Routledge, 2002 (Radical Orthodoxy Series). –: Tongues as ‘Resistance Discourse’: A Philosophical Perspective. In: Cartledge, Mark J. (Hrsg.): Speaking in Tongues: Multi-Disciplinary Perspectives. Bletchley : Paternoster Press, 2006 (Studies in Pentecostal and Charismatic Issues), S. 81 – 110. Special Issue: “Initial Evidence”. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 1, Nr. 2 (1998), S. 109 – 253. Tarr, Delbert H.; Hayford, Jack W.: The Foolishness of God: A Linguist Looks at the Mystery of Tongues. Springfield, MO: Access Group, 2010. Tugwell, Simon: The Speech-Giving Spirit, A Dialogue with “Tongues”. In: Ders. u. a. (Hrsg.): New Heaven? New Earth? An Encounter with Pentecostalism. Springfield, IL: Templegate, 1977, S. 119 – 159.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

511

Turner, Max: The Holy Spirit and Spiritual Gifts: Then and Now. Paternoster Press, 1996. –: Tongues: An Experience for all in the Pauline Churches? In: Asian Journal of Pentecostal Studies 1, Nr. 2 (1998), S. 231 – 253. –: A Response to the Responses of Menzies and Chan. In: Asian Journal of Pentecostal Studies 2, Nr. 2 (1999), S. 297 – 308. –: Does Luke Believe Reception of the “Spirit of Prophecy” Makes All “Prophets”? Inviting Dialogue with Roger Stronstad. In: Journal of the European Pentecostal Theological Association (2000), S. 3 – 24. –: Interpreting the Samaritans of Acts 8: The Waterloo of Pentecostal Soteriology and Pneumatology? In: Pneuma 23, Nr. 2 (2001), S. 265 – 286. Warrington, Keith: Pentecostal Theology : A Theology of Encounter. London: T&T Clark, 2008. Wedderburn, Alexander J. M.: Romans 8:26 – Towards a Theology of Glossolalia. In: Scottish Journal of Theology 28, Nr. 4 (1975), S. 369 – 377. Wessels, Roland: The Spirit Baptism, Nineteenth Century Roots. In: Pneuma 14, Nr. 1 (1992), S. 127 – 157. Williams, J. Rodman: Renewal Theology : Systematic Theology from a Charismatic Perspective. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1988 ff. Wyckoff, John W.: The Baptism in the Holy Spirit. In: Horton, Stanley M. (Hrsg.): Systematic Theology. überarb. Aufl. Springfield, MO: Logion Press, 1995, S. 423 – 455. Yong, Amos: “Tongues of Fire” in the Pentecostal Imagination: The Truth of Glossolalia in Light of R C Neville’s Theory of Religious Symbolism. In: Journal of Pentecostal Theology Nr. 12 (1998), S. 39 – 65.

Ethik und soziale Gerechtigkeit Alexander, Estrelda: When Liberation Becomes Survival. In: Pneuma 32, Nr. 3 (2010), S. 337 – 353. Alexander, Estrelda; Yong, Amos (Hrsg.): Philip’s Daughters: Women in Pentecostal-Charismatic Leadership. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2009 (Princeton Theological Monograph Series 104). Alexander, Paul: Peace to War: Shifting Allegiances in the Assemblies of God. Telford, PA.: Cascadia Publishing House, 2009 (The C. Henry Smith Series 9). Anderson, Allan H.: Dangerous Memories for South African Pentecostals. In: Ders.; Hollenweger, Walter J. (Hrsg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 15), S. 89 – 107. Beaman, Jay : Pentecostal Pacifism: The Origin, Development, and Rejection of Pacific Belief among the Penteostals. Hillsboro, KS: Center for Mennonite Brethren Studies, 1989.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

512

Bibliographie

Beckford, Robert: Dread and Pentecostal: A Political Theology for the Black Church in Britain. London: SPCK, 2000. Brenneman, B.; Brookman, William Robert; Muhovich, N. (Hrsg.): Java & Justice: Journeys in Pentecostal Missions Education. Minneapolis, MN: North Central University Press, 2006. Butler, Anthea D.: Women in the Church of God in Christ: Making a Sanctified World. Chapel Hill, NC: University of North Carolina Press, 2007. Cartledge, Mark J.: Speaking in Tongues: Multi-Disciplinary Perspectives. Bletchley : Paternoster Press, 2006. Castelo, Daniel: Revisioning Pentecostal Ethics: The Epicletic Community. Cleveland, TN: CPT Press, 2012. Clifton, Shane; Grey, Jacqueline (Hrsg.): Raising Women Leaders: Perspectives on Liberating Women in Pentecostal and Charismatic Contexts. Chester Hill, NSW: Australasian Pentecostal Studies, 2009. Daniels, David D.: Dialogue Between Black and Hispanic Pentecostal Scholars: A Report and Some Personal Reflections. In: Pneuma 17, Nr. 2 (1995), S. 219 – 228. Dempster, Murray W.: Soundings in the Moral Significance of Glossolalia. Vortrag: 13th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Pastoral Problems in the Pentecostal-Charismatic Movement, Cleveland, TN, 4. November 1983, S. 1 – 48. –: Reassessing the Moral Rhetoric of Early American Pentecostal Pacifism. In: Crux 26, Nr. 1 (1990), S. 23 – 36. –: Evangelism, Social Concern, and the Kingdom of God. In: Ders.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hrsg.): Called and Empowered. Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson, 1991, S. 22 – 43. –: Christian Social Concern in Pentecostal Perspective: Reformulating Pentecostal Eschatology. In: Journal of Pentecostal Theology 2 (1993), S. 51 – 64. –: Pentecostal Social Concern and the Biblical Mandate of Social Justice. In: Pneuma 9, Nr. 2 (1997), S. 129 – 153. –: Social Concern in the Context of Jesus’ Kingdom, Mission and Ministry. In: Transformation. An International Dialogue on Mission and Ethics 16, Nr. 2 (1999), S. 43 – 53. –: The Structure of a Christian Ethic Informed by Pentecostal Experience: Soundings in the Moral Significance of Glossolalia. In: Ma, Wonsuk (Hrsg.): Spirit and Spirituality. Essays in Honour of Russell P. Spittler. London: T&T Clark, 2004, S. 108 – 140. Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hrsg.): Called & Empowered: Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson, 1991. Holmes, Pamela M. S.: Ministering Women in the PAOC: A Feminist Exploration. In: Wilkinson, Michael (Hrsg.): Canadian Pentecostalism: Transition and Transformation. Montreal, QC: McGill-Queen’s University Press, 2009 (McGill-Queen’s Studies in the History of Religion 49), S. 171 – 194.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

513

–: The Spirit, Nature, and Canadian Pentecostal Women: A Conversation with Critical Theory. In: Alexander, Estrelda; Yong, Amos (Hrsg.): Philip’s Daughters. Women in Pentecostal-Charismatic Leadership. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2009 (Princeton Theological Monograph Series 104), S. 185 – 202. Horn, J. Nico: South African Pentecostals and Apartheid: A Short Case Study of the Apostolic Faith Mission. In: Jongeneel, Jan A. B. (Hrsg.): Pentecost, Mission and Ecumenism: Essays on Intercultural Theology. Festschrift of Professor Walter J. Hollenweger. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1992 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 75), S. 157 – 167. Johns, Cheryl Bridges: Pentecostal Formation: A Pedagogy Among the Oppressed. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 2). –: Meeting God in the Margins: Ministry Among Modernity’s Refugees. In: Zyniewicz, Matthew (Hrsg.): The Papers of the Henry Luce III Fellows in Theology, Bd. 3. Atlanta, GA: Scholars Press, 1999, S. 71 – 31. Lapoorta, Japie J.: Unity or Division? The Unity Struggles of the Black Churches Within the Apostolic Faith Mission of South Africa. Kuils Rover : J. J. Lapoorta, 1996. Macchia, Frank D.: Spirituality and Social Liberation: The Message of the Blumharts in the Light of Wuerttemberg Pietism. Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1993 (Pietist and Wesleyan studies 4). –: From Azusa to Memphis. In: Pneuma 17, Nr. 2 (1995), S. 203 – 218. MacRobert, Iain: The Black Roots and White Racism of Early Pentecostalism in the USA. Basingstoke: Macmillan, 1988. Mittelstadt, Martin W.; Sutton, Geoffrey W. (Hrsg.): Forgiveness, Reconciliation, and Restoration: Multidisciplinary Studies from a Pentecostal Perspective. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010 (Pentecostals, Peacemaking, and Social Justice Series). Newman, Joe: Race and the Assemblies of God Church: The Journey from Azusa Street to the “Miracle of Memphis”. Youngstown, NY: Cambria Press, 2007. Palmer, Michael: Orienting Our Lives: The Importance of a Liberal Education for Pentecostals in the 21st Century. Vortrag: 30th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Teaching to Make Disciples: Education for Pentecostal-Charismatic Spirituality and Life, Tulsa, OK, März 2001, S. 315 – 336. Petersen, Douglas: Not by Might, nor by Power: A Pentecostal Theology of Social Concern in Latin America. Oxford: Regnum Books, 1996. Quebedeaux, Richard: The New Charismatics II. San Francisco: Harper & Row, 1983. Robeck, Cecil M. Jr.: Pentecostalism and Social Ethics. In: Pneuma 9, Nr. 2 (1987), S. 103 – 107. Robins, Roger: A Chronology of Peace: Attitudes Toward War and Peace in the Assemblies of God, 1914 – 1918. In: Pneuma 6 (1984), S. 3 – 25. Roundtable: Racial Reconciliation. In: Pneuma 18, Nr. 1 (1996), S. 113 – 140. Rouse, Christopher D.: Scripture and the Disabled: Redeeming Mephibosheth’s Identity. In: Journal of Pentecostal Theology 17 (2008), S. 183 – 199.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

514

Bibliographie

Ruelas, Abraham A.: Women and the Landscape of American Higher Education: Wesleyan Holiness and Pentecostal Founders. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010. Shuman, Joel J.: Pentecost and the End of Patriotism: A Call for the Restoration of Pacifism Among Pentecostal Christians. In: Journal of Pentecostal Theology 9 (1996), S. 70 – 96. Smith, James K. A.: Tongues as ‘Resistance Discourse’: A Philosophical Perspective. In: Cartledge, Mark J. (Hrsg.): Speaking in Tongues: Multi-Disciplinary Perspectives. Bletchley : Paternoster Press, 2006 (Studies in Pentecostal and Charismatic Issues), S. 81 – 110. Solivan, Samuel: The Spirit, Pathos and Liberation: Toward an Hispanic Pentecostal Theology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1998. Stephenson, Lisa P.: Dismantling the Dualisms for American Pentecostal Women in Ministry : A Feminist-Pneumatological Approach. Leiden: Brill, 2012 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 9). Sutton, Matthew Avery : Aimee Semple McPherson and the Resurrection of Christian America. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2007. Villafan˜e, Eldin: The Liberating Spirit: Toward an Hispanic American Pentecostal Social Ethic. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1993. –: Seek the Peace of the City: Reflections on Urban Ministry. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1995. –: The Politics of the Spirit: Reflections on a Theology of Social Transformation for the Twenty-First Century. In: Pneuma 18, Nr. 2 (1996), S. 161 – 170. Volf, Miroslav : Materiality of Salvation: An Investigation in the Soteriologies of Liberation and Pentecostal Theologies. In: Journal of Ecumenical Studies 26, Nr. 3 (1989), S. 447 – 467. –: Work in the Spirit: Toward a Theology of Work. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2001. Wariboko, Nimi: The Pentecostal Principle: Ethical Methodology in New Spirit. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2012 (Pentecostal Manifestos). Warner, Wayne E.: The Woman Evangelist: The Life and Times of Charismatic Evangelist Maria B. Woodworth-Etter. Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1986 (Studies in Evangelicalism 8). –: Maria Woodworth-Etter : For Such a Time as This. Gainesville, FL: Bridge-Logos, 2004. Wenk, Matthias: Community Forming Power: The Socio-Ethical Role of the Spirit in Luke Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 19). –: Der Heilige Geist als Solidarität Gottes mit den Bedrängten und Ausgestoßenen. In: Forum Theologie & Gemeinde (Hrsg.): Das Evangelium den Armen. Die Pfingstbewegung im Spannungsfeld zwischen sozialer Verantwortung und klassischem Missionsverständnis. Erzhausen: Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, 2013, S. 95 – 124.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

515

Wilkinson, Michael; Studebaker, Steven M. (Hrsg.): A Liberating Spirit: Pentecostals and Social Action in North America. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010 (Pentecostals, Peacemaking, and Social Justice Series 2). Yong, Amos: Theology and Down Syndrome: Reimagining Disability in Late Modernity. Waco, TX: Baylor University Press, 2007. –: Many Tongues, Many Senses: Pentecost, the Body Politic, and the Redemption of Dis/Ability. In: Pneuma 31, Nr. 2 (2009), S. 167 – 188. –: In the Days of Caesar: Pentecostalism and Political Theology. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2010. –: Disability and the Gifts of the Spirit: Pentecost and the Renewal of the Church. In: Journal of Pentecostal Theology 19, Nr. 1 (2010), S. 76 – 93. –: The Bible, Disability, and the Church: A New Vision of the People of God. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2011. Yong, Amos; Attanasi, Katy (Hrsg.): Pentecostalism and Prosperity: The SocioEconomics of the Global Charismatic Movement. 1st ed Aufl. New York: Palgrave Macmillan, 2012 (Christianities of the World).

Ekklesiologie und Ökumene Albrecht, Daniel E.: Rites in the Spirit: A Ritual Approach to Pentecostal/Charismatic Spirituality. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series). Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (Hrsg.): Pfingstkirchen, Charismatische Bewegung und ACK-Kirchen im Gespräch: Was verbindet uns? Was trennt uns? Beiträge einer Konsultationstagung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) am 4.–5. September 2006 in Bonn. Frankfurt am Main: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, 2007 (Epd-Dokumentation 7). Bittlinger, Arnold: Papst und Pfingstler : Der Römisch Katholisch – Pfingstliche Dialog und seine ökumenische Relevanz. Frankfurt am Main: Lang, 1978. Chan, Simon: Mother Church: Toward a Pentecostal Ecclesiology. In: Pneuma 22 (2000), S. 177 – 208. –: The Church and the Development of Doctrine. In: Journal of Pentecostal Theology 13, Nr. 1 (2004), S. 57 – 77. –: Liturgical Theology : The Church as Worshiping Community. Downers Grove, IL: IVP Academic, 2006. –: Pentecostal Ecclesiology : An Essay on the Development of Doctrine. Blandford Forum: Deo Publishing, 2011. –: The Use of Prosper’s Rule in the Development of Pentecostal Ecclesiology. In: International Journal for the Study of the Christian Church 11, Nr. 4 (2011), S. 305 – 317.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

516

Bibliographie

Clifton, Shane: Pentecostal Churches in Transition: Analysing the Developing Ecclesiology of the Assemblies of God in Australia. Leiden: Brill, 2009 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 3). Cross, Terry L.: A Proposal To Break the Ice: What Can Pentecostal Theology Offer Evangelical Theology? In: Journal of Pentecostal Theology 10, Nr. 2 (2002), S. 44 – 73. –: A Response to Clark Pinnock’s “Church in the Power of the Holy Spirit”. In: Journal of Pentecostal Theology 14, Nr. 2 (2006), S. 175 – 182. –: Are Pentecostals Evangelicals? Reviewing Theological Differences and Common Themes. Vortrag: Interdisziplinärer Arbeitskreis Pfingstbewegung, Verein für Freikirchenforschung (Veranst.): 100 Jahre Berliner Erklärung, Erzhausen, 28. März 2009. Edwards, H. David: A Pentecostal Perspective of the Church and Its Ministry. In: Sandidge, Jerry L. (Hrsg.): Roman Catholic/Pentecostal Dialogue (1977 – 1982): A Study in Developing Ecumenism, Bd. 2. Frankfurt am Main: Lang, 1987 (Studies in the Intercultural History of Christianity 44), S. 401 – 432. Harris, Antipas L.: For Such a Time as This: Re-Imaging Practical Theology for Independent Pentecostal Churches. Lexington, KY: Emeth Press, 2010 (Asbury Theological Seminary Series in World Christian Revitalization Movements in Pentecostal/Charismatic Studies 1). Hocken, Peter : The Significance and Potential of Pentecostalism. In: Tugwell, Simon u. a. (Hrsg.): New Heaven? New Earth?: An Encounter with Pentecostalism. Springfield, IL: Templegate, 1977, S. 15 – 67. –: Church, Theology of the. In: Burgess, Stanley M.; McGee, Gary B. (Hrsg.): Dictionary of Pentecostal and Charismatic Movements. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1998, S. 211 – 218. Hodges, Melvin L.: A Theology of the Church and Its Mission: A Pentecostal Perspective. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1977. –: The Indigenous Church and the Missionary : A Sequel to the Indigenous Church. South Pasadena, CA: W. Carey Library, 1978. Hollenweger, Walter J.: Roman Catholics and Pentecostals in Dialogue. In: Ecumenical Review 51, Nr. 2 (1999), S. 147 – 159. Jongeneel, J. A. B. (Hrsg.): Pentecost, Mission, and Ecumenism: Essays on Intercultural Theology : Festschrift in Honour of Professor Walter J. Hollenweger. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1992 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 75). K•rkk•inen, Veli-Matti: Spiritus Ubi Vult Spirat: Pneumatology in Roman CatholicPentecostal Dialogue (1972 – 1989). Helsinki: Luther-Agricola-Society, 1998 (Schriften der Luther-Agricola-Gesellschaft 42). –: Ad Ultimum Terrae: Evangelization, Proselytism and Common Witness in the Roman Catholic Pentecostal Dialogue (1990 – 1997). Frankfurt am Main: Lang, 1999 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 117). –: Deification and a Pneumatological Concept of Grace: Unprecedented Convergences between Orthodox, Lutheran, and Pentecostal–Holiness Soteriologies.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

517

Vortrag: 28th Annual Meeting of the Society for Pentecostal Studies: Toward Healing Our Divisions: Reflecting on Pentecostal Diversity and Common Witness, Springfield, MO, März 1999. –: “An Exercise on the Frontiers of Ecumenism”: Almost Thirty Years of Roman Catholic-Pentecostal Dialogue. In: Exchange 29, Nr. 2 (2000), S. 156 – 171. –: Pentecostalism and the Claim for Apostolicity : An Essay in Ecumenical Ecclesiology. In: Evangelical Review of Theology 25, Nr. 4 (2001), S. 323 – 336. –: An Introduction to Ecclesiology. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2002. –: Pneumatology : The Holy Spirit in Ecumenical, International, and Contextual Perspective. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2002. K•rkk•inen, Veli-Matti; Yong, Amos: Toward a Pneumatological Theology : Pentecostal and Ecumenical Perspectives on Ecclesiology, Soteriology, and Theology of Mission. Lanham, MD: University Press of America, 2002. Lord, Andy : Network Church: A Pentecostal Ecclesiology Shaped by Mission. Leiden: Brill, 2012. Macchia, Frank D.: Tongues as a Sign: Towards a Sacramental Understanding of Pentecostal Experience. In: Pneuma 15, Nr. 1 (1993), S. 61 – 76. –: Is Footwashing the Neglected Sacrament? A Theological Response to John Christopher Thomas. In: Pneuma 19, Nr. 2 (1997), S. 239 – 250. –: The Church as an End-Time Missionary Fellowship of the Spirit: A Pentecostal Perspective on the Significance of Pneumatology for Ecclesiology. Vortrag: Pentecostal/National Council of Churches Dialogue, Oakland, CA, 12. März 1997. –: Das Reich und die Kraft: Geistestaufe in pfingstlerischer und ökumenischer Perspektive. In: Evangelische Theologie 69, Nr. 4 (2009), S. 286 – 299. –: Signs of Grace in a Graceless World. In: Synan, Vinson (Hrsg.): Spirit-Empowered Christianity in the 21st Century. Charisma Media, 2011, S. 141 – 158. Moore, S. David: The Shepherding Movement Controversy and Charismatic Ecclesiology. London: T&T Clark, 2003 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 27). Neumann, Peter D.: Pentecostal Experience: An Ecumenical Encounter. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2012 (Princeton Theological Monograph Series 187). Ormerod, Neil; Clifton, Shane: Globalization and the Mission of the Church: Ecclesiological Investigations. London: T&T Clark, 2009. Parker, Stephen E.: Led by the Spirit: Toward a Practical Theology of Pentecostal Discernment and Decision Making. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996. Peterson, Cheryl M.: Who Is the Church? An Ecclesiology for the Twenty-First Century. Minneapolis, MN: Fortress Press, 2013. Pinnock, Clark H.: Tracking the Maze: Finding Our Way Through Modern Theology from an Evangelical Perspective. San Francisco: Harper & Row, 1990. –: Flame of Love: A Theology of the Holy Spirit. Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1996. –: Church in the Power of the Holy Spirit: The Promise of Pentecostal Ecclesiology. In: Journal of Pentecostal Theology 14, Nr. 2 (2006), S. 147 – 165.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

518

Bibliographie

Robeck, Cecil M. Jr.: A Pentecostal Perspective on Apostolicity. Vortrag: Faith and Order, National Council of Churches, Consultation on American Born Churches, Tulsa, OK, März 1992. –: A Pentecostal Reflects on Canberra. In: Nicholls, Bruce J.; Ro, Bong Rin (Hrsg.): Beyond Canberra: Evangelical Responses to Contemporary Ecumenical Issues. Oxford: Regnum Books, 1993, S. 108 – 120. –: A Pentecostal Assessment of “Towards a Common Understanding and Vision” of the WCC. In: Mid-Stream 37, Nr. 1 (1998), S. 1 – 36. –: An Emerging Magisterium? The Case of the Assemblies of God. In: Pneuma 25, Nr. 2 (2003), S. 164 – 215. –: An Emerging Magisterium? The Case of the Assemblies of God. In: Ma, Wonsuk; Menzies, Robert P. (Hrsg.): The Spirit and Spirituality: Essays in Honour of Russell P. Spittler. London: T & T Clark, 2004 (Journal of Pentecostal Studies Supplement Series 24), S. 212 – 252. –: “On Becoming a Christian”: An Important Theme in the International Roman Catholic – Pentecostal Dialogue. In: PentecoStudies: An Interdisciplinary Journal for Research on the Pentecostal and Charismatic Movements 7, Nr. 2 (2009), S. 1 – 28. Rusch, William G.: The Theology of the Holy Spirit and the Pentecostal Churches in the Ecumenical Movement. In: Pneuma 9, Nr. 1 (1987), S. 17 – 30. Sandidge, Jerry L.: Roman Catholic Pentecostal Dialogue (1977 – 1982): A Study in Developing Ecumenism. Frankfurt am Main: Lang, 1987. Shane, Clifton: Pentecostal Ecclesiology : A Methodological Proposal for a Diverse Movement. In: Journal of Pentecostal Theology 15 (2007), S. 213 – 232. Sheppard, Gerald T.: The Nicean Creed, Filioque, and Pentecostal Movements in the United States. In: Greek Orthodox Theological Review 31, Nr. 3 – 4 (1986), S. 401 – 416. Smith, James K. A.: What Hath Cambridge to Do with Azusa Street? Radical Orthodoxy and Pentecostal Theology in Conversation. In: Pneuma 25, Nr. 1 (2003), S. 97 – 114. Thomas, John C.: Footwashing in John 13 and the Johannine Community. Sheffield: JSOT Press, 1991. Volf, Miroslav : Trinität und Gemeinschaft: Eine ökumenische Ekklesiologie. Mainz: Matthias Grünewald, 1996. –: After Our Likeness: The Church as the Image of the Trinity. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1998 (Sacra Doctrina). Vondey, Wolfgang: Between This and That: Reality and Sacramentality in the Pentecostal Worldview. In: Journal of Pentecostal Theology 19, Nr. 2 (2010), S. 243 – 264. –: Beyond Pentecostalism: The Crisis of Global Christianity and the Renewal of the Theological Agenda. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2010. –: Pentecostal Ecclesiology and Eucharistic Hospitality : Toward a Systematic and Ecumenical Account of the Church. In: Pneuma 32, Nr. 1 (2010), S. 41 – 55.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

519

Wenk, Matthias: Community Forming Power: The Socio-Ethical Role of the Spirit in Luke Acts. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 19). Yong, Amos: The Spirit Poured Out on All Flesh: Pentecostalism and the Possibility of Global Theology. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2005. –: Many Tongues, Many Senses: Pentecost, the Body Politic, and the Redemption of Dis/Ability. In: Pneuma 31, Nr. 2 (2009), S. 167 – 188. –: In the Days of Caesar: Pentecostalism and Political Theology. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2010. Ziefle, Joshua R.: David Du Plessis and the Assemblies of God: The Struggle for the Soul of a Movement. Leiden: Brill, 2012 (Global Pentecostal and Charismatic Studies 13).

Mission, Eschatologie und interreligiöser Dialog Althouse, Peter : Spirit of the Last Days: Pentecostal Eschatology in Conversation with Jürgen Moltmann. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2003 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 25). Althouse, Peter ; Waddell, Robby (Hrsg.): Perspectives in Pentecostal Eschatologies: World Without End. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010. Anderson, Allan H.: Signs and Blunders: Pentecostal Mission Issues at “Home and Abroad” in the Twentieth Century. In: Journal of Asian Mission 2, Nr. 2 (2000), S. 193 – 210. –: Spreading Fires. The Missionary Nature of Early Pentecostalism. London: SCM Press, 2007. Bergunder, Michael: Mission und Pfingstbewegung. In: Dahling-Sander, Christoph u. a. (Hrsg.): Leitfaden Ökumenische Missionstheologie. Gütersloh: Chr. Kaiser, 2003, S. 200 – 219. D’Costa, Gavin (Hrsg.): Christian Uniqueness Reconsidered: The Myth of a Pluralistic Theology of Religions. Maryknoll, NY: Orbis Books, 1990 (Faith Meets Faith Series). Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hrsg.): Called & Empowered: Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson, 1991. – (Hrsg.): The Globalization of Pentecostalism: A Religion Made to Travel. Oxford: Regnum Books, 1999. Faupel, David W.: The Everlasting Gospel: The Significance of Eschatology in the Development of Pentecostal Thought. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1996 (Journal of Pentecostal Studies Supplement Series 10). Hodges, Melvin L.: On the Mission Field: The Indigenous Church. Springfield, MO: The Gospel Publishing House, 1953. –: A Theology of the Church and Its Mission: A Pentecostal Perspective. Springfield, MO: Gospel Publishing House, 1977.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

520

Bibliographie

–: The Indigenous Church and the Missionary : A Sequel to the Indigenous Church. South Pasadena, CA: W. Carey Library, 1978. Hollenweger, Walter J.: Evangelism: A Non-Colonial Model. In: Journal of Pentecostal Theology 7 (1995), S. 107 – 128. Jongeneel, J. A. B. (Hrsg.): Pentecost, Mission, and Ecumenism: Essays on Intercultural Theology : Festschrift in Honour of Professor Walter J. Hollenweger. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1992 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 75). K•rkk•inen, Veli-Matti: Ad Ultimum Terrae: Evangelization, Proselytism and Common Witness in the Roman Catholic Pentecostal Dialogue (1990 – 1997). Frankfurt am Main: Lang, 1999 (Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums 117). K•rkk•inen, Veli-Matti; Yong, Amos: Toward a Pneumatological Theology : Pentecostal and Ecumenical Perspectives on Ecclesiology, Soteriology, and Theology of Mission. Lanham, MD: University Press of America, 2002. Kim, Kirsteen: The Holy Spirit in the World: A Global Conversation. London: SPCK, 2007. Klaus, Byron D.; Triplett, Loren O.: National Leadership in Pentecostal Missions. In: Dempster, Murray W.; Klaus, Byron D.; Petersen, Douglas (Hrsg.): Called and Empowered: Global Mission in Pentecostal Perspective. Peabody, MA: Hendrickson Publishers, 1991, S. 225 – 241. Lord, Andy : Mission Eschatology : A Framework for Mission in the Spirit. In: Journal of Pentecostal Theology Nr. 11 (1997), S. 111 – 123. –: Movements in Contemporary Mission. In: Skepsis, Anglikan Renewal Ministries 68 (1997), S. 1 – 6. –: Spirit-Shaped Mission: A Holistic Charismatic Missiology. Milton Keynes: Paternoster Press, 2005. –: Network Church: A Pentecostal Ecclesiology Shaped by Mission. Leiden: Brill, 2012. Lukose, Wessly : Contextual Missiology of the Spirit. Oxford: Regnum Books, 2013 (Regnum Studies in Mission). Macchia, Frank D.: The Church as an End-Time Missionary Fellowship of the Spirit: A Pentecostal Perspective on the Significance of Pneumatology for Ecclesiology. Vortrag: Pentecostal/National Council of Churches Dialogue, Oakland, CA, 12. März 1997. –: Baptized in the Spirit: A Global Pentecostal Theology. Grand Rapids, MI: Zondervan, 2006. –: Das Reich und die Kraft: Geistestaufe in pfingstlerischer und ökumenischer Perspektive. In: Evangelische Theologie 69, Nr. 4 (2009), S. 286 – 299. –: Jesus Is Victor : The Eschatology of the Blumhardts with Implications for Pentecostal Eschatologies. In: Althouse, Peter; Waddell, Robby (Hrsg.): Perspectives in Pentecostal Eschatologies. Eugene, OR: Pickwick Publications, 2010, S. 375 – 400. –: Justified in the Spirit: Creation, Redemption, and the Triune God. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2010.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibliographie

521

–: Signs of Grace in a Graceless World. In: Synan, Vinson (Hrsg.): Spirit-Empowered Christianity in the 21st Century. Charisma Media, 2011, S. 141 – 158. Ma, Julie C.; Ma, Wonsuk: Mission in the Spirit: Towards a Pentecostal/Charismatic Missiology. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2010. Ma, Wonsuk; Ma, Julie C. (Hrsg.): Asian Church and God’s Mission: Studies Presented in the International Symposium on Asian Mission in Manila, January 2002. Mandaluyong City : OMF Literature Inc., 2003. McGee, Gary B.: Pentecostal Missiology : Moving beyond Triumphalism to Face the Issues. In: Pneuma 16, Nr. 2 (1994), S. 275 – 281. McQueen, Larry R.: Toward a Pentecostal Eschatology : Discerning the Way Forward. Dorset: Deo Publishing, 2012. Ormerod, Neil; Clifton, Shane: Globalization and the Mission of the Church: Ecclesiological Investigations. London: T&T Clark, 2009. Penney, John M.: The Missionary Emphasis of Lukan Pneumatology. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1997 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 12). Pinnock, Clark H.: AWideness in God’s Mercy : The Finality of Jesus Christ in a World of Religions. Grand Rapids, MI: Zondervan, 1992. Pomerville, Paul A.: The Third Force in Missions: A Pentecostal Contribution to Contemporary Mission Theology. Peabody, MA: Hendrickson, 1985. Richie, Tony : Speaking by the Spirit: A Pentecostal Model for Interreligious Dialogue. Lexington, KY: Emeth Press, 2011 (Asbury Theological Seminary Series in World Christian Revitalization Movements in Pentecostal/Charismatic Studies 6). Sepffllveda, Juan: Indigenous Pentecostalism and the Chilean Experience. In: Anderson, Allan H.; Hollenweger, Walter J. (Hrsg.): Pentecostals After a Century : Global Perspectives on a Movement in Transition. Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999, S. 111 – 134. Thompson, Matthew K.: Kingdom Come: Revisioning Pentecostal Eschatology. Dorset: Deo Publishing, 2010. Wilkinson, Michael: Global Pentecostal Movements: Migration, Mission, and Public Religion, 2012 (International Studies in Religion and Society 14). Woolnough, Brian E.; Ma, Wonsuk (Hrsg.): Holistic Mission: God’s Plan for God’s People. Eugene, OR: Wipf & Stock, 2010 (Regnum Edinburgh 2010 Series). Yong, Amos: The Turn to Pneumatology in Christian Theology of Religions: Conduit or Detour? In: Journal of Ecumenical Studies 35, Nr. 3/4 (1998), S. 437 – 454. –: Whither Theological Inclusivism? The Development and Critique of an Evangelical Theology of Religions. In: Evangelical Quarterly 71, Nr. 4 (1999), S. 327 – 348. –: Discerning the Spirit(s): A Pentecostal-Charismatic Contribution to Christian Theology of Religions. Sheffield: Sheffield Academic Press, 2000. –: Discerning the Spirit(s) in the World of Religions: Toward a Pneumatological Theology of Religions. In: Stackhouse, John G. (Hrsg.): No Other Gods Before Me? Evangelicals and the Challenge of World Religions. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2001, S. 37 – 61.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

522

Bibliographie

–: Spiritual Discernment: A Biblical-Theological Reconsideration. In: Ma, Wonsuk; Menzies, Robert P.; Spittler, Russell P. (Hrsg.): The Spirit and Spirituality: Essays in Honour of Russell P. Spittler, Bd. 24. London: T&T Clark, 2004 (Journal of Pentecostal Theology Supplement Series), S. 83 – 107. –: The Spirit Poured Out on All Flesh: Pentecostalism and the Possibility of Global Theology. Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2005. –: Hospitality and the Other : Pentecost, Christian Practices, and the Neighbor. Maryknoll, NY: Orbis Books, 2008 (Faith Meets Faith Series). –: The Bible, Disability, and the Church: A New Vision of the People of God. Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2011. –: Pneumatology and the Christian-Buddhist Dialogue: Does the Spirit Blow Through the Middle Way? Leiden: Brill, 2012 (Studies in Systematic Theology). –: The Cosmic Breath: Spirit and Nature in the Christianity-Buddhism-Science Trialogue. Leiden: Brill, 2012 (Philosophical Studies in Science and Religion 4). York, John V.: Missions in the Age of the Spirit. Springfield, MO: Logion Press, 2000.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Autorenporträts

Allan H. Anderson ist Professor für Missionswissenschaft und Pfingstliche Studien an der University of Birmingham, wo er seit 1995 lehrt. Zuvor war er 23 Jahre als theologischer Ausbilder in Südafrika tätig. Anderson ist ein weltweit anerkannter Experte zur Pfingstbewegung, insbesondere zu ihrer frühen Globalgeschichte. Seine jüngsten Veröffentlichungen sind Spreading Fires: The Missionary Nature of Early Pentecostalism (2007), To the Ends of the Earth: Pentecostalism and the Transformation of World Christianity (2013) und die zweite Auflage seiner weit verbreiteten Einführung, Introduction to Pentecostalism (2014). Michael Bergunder ist Professor für Religionswissenschaft und interkulturelle Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Er war einer der ersten Religionswissenschaftler und Theologen in Deutschland, die sich dezidiert mit der weltweiten Pfingstbewegung befasst haben, und hat hierzu einen Forschungs- und Lehrschwerpunkt aufgebaut, inklusive interdisziplinärer und internationaler Netzwerke. Neben zahlreichen Veröffentlichungen zu südindischen Pfingstkirchen und zur frühen Geschichte der Pfingstbewegung, war er als Herausgeber und Autor an dem Grundlagenwerk Studying Global Pentecostalism: Theories and Methods (2010) beteiligt. Timothy B. Cargal wurde an der Vanderbilt University im Fach Neues Testament promoviert. Er war zwanzig Jahre im pastoralen Dienst, zuerst in den Assemblies of God und später in der Presbyterian Church (USA), und gleichzeitig Professor für Biblische Studien an verschiedenen Universitäten und theologischen Seminaren. Seit 2009 dient er als Coordinator for Preparation for Ministry im Büro des General Assembly der Presbyterian Church (USA). Cargal hat zahlreiche Bücher und Artikel für Laien, Pastoren und Akademiker im Bereich biblische Studien und Homiletik veröffentlicht. Simon Chan ist Earnest Lau Professor für Systematische Theologie am Trinity Theological College in Singapore. Er wurde an der University of Cambridge promoviert und gilt als wichtiger Theologe der Pfingstbewegung in Fragen der Ekklesiologie, Liturgie und Kirchengeschichte. Seine jüngsten Veröffentlichungen sind Pentecostal Theology and the Christian Spiritual Tradition (2000) und Liturgical Theology : The Church as Worshiping Community (2006).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

524

Autorenporträts

Terry L. Cross wurde am Princeton Theological Seminary mit einer Arbeit über Karl Barth promoviert und ist Professor für Systematische Theologie und Dekan der School of Religion an der Lee University, Cleveland, Tennessee. Er ist ordinierter Pastor der Church of God (TN, USA) und ehemaliger Präsident der Society for Pentecostal Studies. Gegenwärtig arbeitet er mit einem Team der Princeton University an einer Übersetzung von Karl Barths „Gesprächen“. Eine seiner wichtisten Publikationen ist Dialectic in Karl Barth’s Doctrine of God (2001). Lyle Dabney wurde an der Universität Tübingen im Fach Systematik/Ethik promoviert und lehrt als Associate Professor für Systematische Theologie an der Marquette University. Als Sohn eines Pastors der Assemblies of God und charismatischer Methodist hat er sich intensiv mit Fragen der Pneumatologie sowie mit pfingstlicher Theologie befasst. Seine wichtigsten Veröffentlichungen zu diesem Thema sind Die Kenosis des Geistes: Kontinuität zwischen Schöpfung und Erlösung in Werk des Heiligen Geistes (1997) und Advents of the Spirit: Introduction to the Current Study of Pneumatology (2001). Murray W. Dempster wurde in Religion und Sozialethik an der University of Southern California, Los Angeles promoviert und ist Distinguished Professor für Sozialethik an der Southeastern University in Lakeland, Florida. Er war Präsident der Society for Pentecostal Studies und war acht Jahre lang Herausgeber ihrer Zeitschrift Pneuma. Als Autor und Herausgeber zahlreicher Artikel und Bücher, die sich vor allem mit Fragen der Sozialethik und der Missionswissenschaft beschäftigen, hat er den pfingsttheologischen Diskurs hierzu maßgeblich geprägt. Gordon D. Fee ist Professor Emeritus für Neues Testament am Regent College in Vancouver. Er gilt als ein führender Experte zur Pneumatologie und Textkritik des Neuen Testaments und ist ein langjähriges Mitglied des Übersetzungskomitees der weit verbreiteten NIV-Bibelübersetzung. Als ordinierter Pastor der Assemblies of God hat er sich in vielen seiner Veröffentlichungen mit Themen pfingstlicher Theologie befasst, sowie etliche neutestamentliche Kommentare verfasst. Wichtige Werke in dieser Hinsicht sind The First Epistle to the Corinthians (1987), Gospel and Spirit: Issues in New Testament Hermeneutics (1991), God’s Empowering Presence: The Holy Spirit in the Letters of Paul (1994) und Listening to the Spirit in the Text (2000). Pamela M. S. Holmes wurde an der Toronto School of Theology promoviert und ist Assistant Professor an der School of Religion der Queen’s University, Kingston, Kanada. Sie lehrt Theologie, Ethik und Praktische Theologie, leitet das Field Education Program und koordiniert das Flora Jane Baker Clergy Sabbatical Fellowship. Ein Schwerpunkt ihrer Forschungen und Veröffentlichungen liegt in der Erkundung der Schnittmengen zwischen feministi-

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Autorenporträts

525

scher Kritischer Theorie und der Geschichte und Theologie der Pfingstbewegung. Veli-Matti Kärkkäinen wurde an der Universität Helsinki promoviert und habilitiert und ist Professor für Systematische Theologie am Fuller Theological Seminary in Pasadena, California und Dozent für Ökumene an der Universität Helsinki. Er war an zahlreichen ökumenischen, theologischen und missiologischen Konsultationen als Vertreter der Pfingstbewegung beteiligt und hat mehrere Veröffentlichungen zur Ökumene aus Sicht der pfingstlichen Theologie vorgelegt, zuletzt The Spirit in the World: Emerging Pentecostal Theologies in Global Contexts (2009) und Christ and Reconciliation (2013). Andy Lord wurde an der University of Birmingham promoviert und ist Anglikanischer Pfarrer in drei Gemeinden in Nottingham, Großbritannien. Er ist Autor der Bücher Mission-Shaped Church (2004) und Network Church (2012) und arbeitet zu Fragen der pfingstlichen Missiologie und Ekklesiologie. Frank D. Macchia ist Professor für Theologie an der Vanguard University, Costa Mesa, California. Er war Präsident der Society for Pentecostal Studies und zehn Jahre lang der Herausgeber der Zeitschrift Pneuma. Zudem war er in der Faith and Order Commission des National Council of Churches aktiv und an einigen bilateralen ökumenischen Dialogen beteiligt. Sein jüngstes Buch ist Justified in the Spirit: Creation, Redemption, and the Triune God (2010). Cecil M. Robeck, Jr., ist Professor für Kirchengeschichte und Ökumene und Direktor des David du Plessis Center for Christian Spirituality am Fuller Theological Seminary, Pasadena, California. Er ist ordinierter Geistlicher der Assemblies of God und war mehrere Jahre lang an theologischen Dialogen mit dem World Council of Churches, mit dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen und mit einer Reihe anderer christlicher Weltgemeinschaften beteiligt. Neben seiner langjährigen Tätigkeit als Herausgeber der Zeitschrift Pneuma hat er sich vor allem mit der frühen Geschichte der amerikanischen Pfingstbewegung befasst, zuletzt in The Azusa Street Mission and Revival: The Birth of the Global Pentecostal Movement (2006). Joel J. Shuman ist Professor für Theologie am King’s College in Pennsylvania. Als früherer Pastor der Assemblies of God und nunmehr Mitglied der United Methodist Church haben seine Beiträge zum frühen pazifistischen Ethos der Pfingstbewegung zahlreiche weitere Forschungen zu diesem Thema angeregt. Seine neueren Publikationen befassen sich vor allem mit dem Schnittfeld von Theologie und Medizin. Seine jüngste Veröffentlichung in diesem Bereich ist Reclaiming the Body : Christians and the Faithful Use of Modern Medicine (2006).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

526

Autorenporträts

James K.A. Smith ist Professor für Philosophie am Calvin College in Grand Rapids, Michigan. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Schnittpunkt von Philosophie, Naturwissenschaft/Wissenschaftstheorie und pfingstlicher Theologie, wozu er auch mehrere Bücher veröffentlicht hat, darunter Jacques Derrida: Live Theory (2005) und Thinking in Tongues: Pentecostal Contributions to Christian Philosophy (2010). Steven M. Studebaker wurde mit einer Arbeit über Jonathan Edwards’ Trinitätstheologie an der Marquette University promoviert und ist Associate Professor für Systematische und Historische Theologie am McMaster Divinity College in Hamilton, Kanada. Als ordinierter Pastor der Assemblies of God beschäftigt er sich in Lehre und Forschung vor allem mit konstruktiver pfingstlicher Theologie. Seine jüngste Publikation ist From Pentecost to the Triune God: A Pentecostal Trinitarian Theology (2012). Max Turner ist Emeritus Professor für Neues Testament an der London School of Theology. Als baptistischer Geistlicher mit Wurzeln in der charismatischen Bewegung hat er sich in der neutestamentlichen Exegese zentral mit Fragen der pfingstlichen Theologie befasst, insbesondere mit der Rolle des Heiligen Geistes im Lukanischen Doppelwerk. Seine wichtigsten Publikationen zu diesem Thema sind Power from on High: The Spirit in Israel’s Restoration and Witness in Luke-Acts (1996) und The Holy Spirit and Spiritual Gifts: Then and Now (1996). Amos Yong ist J. Rodman Williams Professor für Theology und Dekan der School of Divinity an der Regent University in Virginia Beach, Virginia. Er wurde an der Boston University mit einer Arbeit zur pluralistischen Theologie der Religionen aus pfingstlicher Perspektive promoviert. Yong ist ein ordinierter Pastor der Assemblies of God und einer der profiliertesten pfingstlichen Theologen der Gegenwart. Er hat über zwei Dutzend Bücher verfasst und herausgegeben, zuletzt Interdisciplinary and Religio-Cultural Discourses on a Spirit-Filled World: Loosing the Spirits (2013) und Spirit of Love: A Trinitarian Theology of Grace (2012).

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Personenregister

Abraham (atl.) 234 f., 237, 377 f. Abrams, Minnie 147 Adams, Robert M. 303 Adler, Nikolaus 69 Adorno, Theodor W. 48, 339 – 344, 348 – 350, 353 Agamben, Giorgio 45 Albrecht, Daniel E. 39, 118, 125, 196 Alexander, Estrelda 46 – 48, 337 Alexander, Kimberly 35 Alexander, Paul 49 Allen, Roland 59 Althouse, Peter 61 f. Alvarez, Daniel 398 Ames, William 215 Amos (atl.) 314, 331 f. Anderson, Allan H. 26, 28 f., 36, 43, 47, 58 – 60, 135, 138, 141, 144, 147, 150 f., 153, 156, 523 Anderson, Bernhard W. 233 Anderson, Gordon L. 222 Anderson, James N. D. 465 Anderson, Robert M. 136, 138, 292 Äneas 79 Apollos 86, 317 Apostolic Faith Mission 143, 151, 156, 430 Aquila 86 Aquin, Thomas von 233, 243, 285 Archer, Kenneth J. 23, 25, 196 Arendt, Hannah 45 Argue, David 193 Argue, Zelma 338, 345, 349 Armstrong, Karen 385 Arrington, French L. 19, 29, 44, 70, 72, 109, 118 – 129, 225 Arrington, William B. 70

Arulappan 147 Asamoah-Gyadu, J. Kwabena 141 Ashcroft, John 294 Atkinson,William 20 Atterberry, Thomas 181 Atzert, Thomas 293 Augustinus, Aurelius von Hippo 233, 285, 288, 472 Austin, John L. 43, 268, 283 – 285, 289 f. Babalola, Joseph 152 Badcock, Gary D. 217 Baer, Richard 262 Baker, Robert O. 351 Banta, E. L. 361 Barfoot, Chas H. 47 Barnabas (ntl.) 85 f. Barr, David 110, 121 f. Barratt, Thomas B. 258 Barrett, David B. 140, 163 Barth, Karl 32, 52, 57, 233, 304, 311, 313, 414, 446, 472, 478, 524 Bartleman, Frank 46, 136 f., 142, 354 Bauckham, Richard J. 453 Bauks, Michaela 234 Baumert, Norbert 54 Bawer, Bruce 386 Bays, Daniel H. 145 f., 148 Beaman, Jay 49 Beasley-Murray, George R. 70 Bechdolff, Paul 458 Beckford, Robert 44 Behm, Johannes 299 Bell, E. N. 172 – 174 Bellah, Robert 305, 311, 324, 332 Berg, Daniel 148 Berger, Peter L. 116, 333

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

528

Personenregister

Bergson, Henri 325 Bergunder, Michael 9, 13, 15, 27, 44, 141, 523 Berkhof, Hendrikus 220 Berkhof, Louis 223 Bernard, Johannes 477 Bernard, W. 174 Beruldsen, John C. 155 Beza, Theodor 215 Bhengu, Nicholas 151 Bially, Gerhard 54, 438 Biggs, Elisabeth 155 Biggs, Jessie 154 Birch, Bruce C. 335 Bird, Thomas E. 431 Bittlinger, Arnold 54 Bloch-Hoell, Nils 135, 137 f. Bloom, Harold 355 Blumhardt, Johann und Christoph 35, 44, 62 Blumhofer, Edith L 25, 47, 114, 136 f., 145 f., 207, 224, 338, 357 – 360, 366 f., 369 f., 374 f. Bobrinskoy, Boris 424 f. Boddy, J. T. 179 Boehm, Rudolf 271 Bolt, Peter G. 85 Bonaventura 285 Bonhoeffer, Dietrich 32, 304, 327 Bosch, David J. 451, 458 Bosworth, Fred F. 168, 175 – 181, 200 f. Braaten, Carl 422, 428 Braithwaite, Richard B. 321 Brock, Raymond T. 346 Brouwer, Steve 139 f. Brown, Colin 299 Brown, Paul E. 23 f. Brown, R. A. 179 Brown, Raymond E. 232 Brown, William P. 236 Brox, Norbert 418, 473 Bruner, Frederick Dale 18 f., 194, 196 Brunner, Emil 401, 403 Buber, Martin 475

Buckwalter, Douglas 81 Bueno, Ronald N. 142 Bulgakov, Sergei Nikolaevich 244, 413 Bullinger, Heinrich 392 Bultmann, Rudolf 232 f. Bundy, David 148, 211 Burgess, Stanley M. 26, 98, 109 f., 113, 137, 202, 278, 439 f. Burke, Kenneth 322 Burke, Peter 139, 158 Burton, William f. P. 157 f. Bush, George H. 276 Butler, Anthea D. 47 Byron, Klaus 45, 60, 142 – 144, 147, 149, 319 Calley, Malcolm 136 Calvin, Johannes 32, 70, 216 f., 220, 259, 392, 395, 420 Cannon, William R. 216, 220 Cargal, Timothy 24, 107, 130, 196, 523 Carothers, Warren F. 169 f., 172, 176 f., 181 Carpenter, Joel 386 f. Carson, Donald A. 471 Cartledge, Mark 42 f., 267 Castelo, Daniel 45 Cavanaugh, Bill 366 Cerillo, Augustus 137, 142 Champion, Richard 197 Chan, Simon 13, 21, 32 f., 39 – 41, 52 f., 196, 408, 428, 523 Chester, Tim 456 Chesterton, Gilbert K. 160, 200 Chi, Mok Lai 148 Childs, Brevard S. 234 Cho, Yonggi 145 Christenson, Larry 44 Chrysostomos, Johannes 70 Clark, Mathew S. 31, 211 Cleave, Nathaniel M., van 44 Clemens, von Rom 436, 446 Clemmons, Ithiel C. 46 Clendenin, Daniel B. 466

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Personenregister Clifford, Walter 154 Clifton, Shane 48, 52 Clinton, William J. 276 Cobb, John B. Jr. 490 Collins, A. P. 361 Collins, Kenneth J. 216 Comaroff, Jean 292 Congar, Yves 239, 263, 431 – 433, 444 Conn, Charles 137 Conniry, Charles A. 443 f. Conzelmann, Hans 22, 75 Cook, Glenn 181 Cox, Harvey 136, 143, 307, 333 Creech, Joe 137 Crites, Stephen 322 Cross, Terry L. 12, 16, 32, 36 – 39, 52 f., 56 f., 211, 383, 394, 394, 398 f., 401 – 403, 410, 524 Crossley, John P. 302, 304 Cullman, Oscar 452 Cunningham, Robert C. 186 Dabney, D. Lyle 34, 37 f., 211 f., 232, 475, 524 Dahling-Sander, Christoph 27, 55 f. Daube, David 452 David (atl.) 348, 442 Davies, Rupert E. 431 Davies, William David 452 Davis, Carro und Susan 338 Davis, John Jefferson 394 Davis, Mike 292 f. Davis, Rex 252 Dawn, Marva J. 291 Dayton, Donald W. 27, 136, 211, 220, 224 f., 386 f., 391 D’Costa, Gavin 474, 478, 489 Deasley, Alex R. G. 220 Del Colle, Ralph 411, 468 Deleuze, Gilles 269 Dempster, Murray W. 45 f., 49, 60, 142 – 144, 147, 149, 257, 297, 299, 312, 315, 318, 354 – 359, 375, 379, 524 Dennison, James T. 216

529

Derrida, Jacques 268, 271 – 274, 276, 279 Dewart, Joanne 413 Di Noia, Joseph A. 476, 490 Dieter, Melvin E. 224 Dockery, David S. 227 Doering, A. E. 155 Doran, George H. 217 Dorrien, Gary J. 397 Dorries, David W. 258 Dowie, John Alexander 176 Duffield, Guy P. 44 Dulles, Avery 445 – 448 Dunn, James D. G. 19 f, 23, 76, 83, 95, 196, 206, 230, 255, 433, 435 DuPlessis, David 54 f. Durham, William H. 148, 171, 178 Dusen, Henry P. van 384 Dusing, Michael L. 29 f., 44, 218, 220 f., 225 – 227 Dussel, Enrique D. 314 Dyck, Arthur J. 304 Dye, Colin 219 Ebeling, Gerhard 436 Edwards, H. David 442 Edwards, Jonathan 285, 477 Einstein, Albert 116 Eisenlöffel, Ludwig David 27 Elia (atl.) 442 Eliade, Mircea 482 Elisa (atl.) 442 Elkington, Grace 154 Elliot, Elisabeth 347 Engels, Friedrich 340, 349 Erickson, John H. 431 Erickson, Millard J. 221 – 223, 227, 392, 395, 397 Ervin, Howard M. 19, 21, 23, 70 f., 108, 116, 283 Eusden, John D. 222

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

530

Personenregister

Fahey, Michael A. 435, 437 Faupel, David William 61, 136, 143, 224 Fee, Gordon 16, 18, 21 f., 93, 95 – 97, 100, 104, 106 – 109, 119, 123, 127 – 129, 196, 466, 524 Feiner, Johannes 431 Ferguson, Sinclair B. 220 Feuerbach, Ludwig 340, 394 Finney, Charles G. 177 f. Finney, John 460 Fiorenza, Francis S. 435 Flender, Helmut 79 Fletcher, John 224 Flew, R. Newton 431 Flower, J. Roswell 181 – 187, 190 f., 197 f., 201 f., 205, 338 Ford, J. Massyngberde 94 Fowler, Robert M. 110, 116, 126 Fox, Matthew 426 Francescon, Luis 148 Franklin, Eric 75 Freud, Sigmund 41, 273, 293 Freudenberg, Matthias 216 Friedman, Richard E. 234 Frodsham, Stanley H. 136, 178, 181, 186 Furnish, Victor P. 315 Gadamer, Hans-Georg 24, 43, 125, 268, 279 f., 282 Gaebelein, Frank E. 471 Galvin, John P. 435 Gamwell, Franklin I. 304 Garijo-Guembe, Miguel Mar†a 433, 436 Garrard, David 147 Garrett, James L. 446 Garrigus, Alice Belle 338 Gaston, William T. 93, 175, 179, 181, 256 Gause, R. Hollis 219 – 221 Gee, Donald 147, 187 – 191, 197 – 199, 201, 205, 257

Gelpi, Donald 312, 466, 477 Gemeinhardt, Alexander F. 56 Gerhard Ebeling 436 Gerlach, Luther P. 307, 328 Gifford, Paul 139 f. Giger, George M. 216 Gillespie, Cecily 347 f. Gloege, Gerhard 235 Goff, James R. 225 f. Goodman, Felicitas 42, 309 Gordon, Adoniram J. 217 Graber, Glenn C. 303 Graf, Arthur 383, 439 Graves, Robert W. 94 Grenz, Stanley 56, 393, 395, 397, 407 Grider, J. Kenneth 223 Griffiths, Paul J. 489 Grondin, Jean 279 Groscurth, Reinhard 433 Grudem, Wayne A. 18 Grünewald, Matthias 431 Guattari, F¦lix 269 Gunkel, Hermann 23, 80, 255 Gunton, Colin E. 412, 428, 473 Haarbeck, Hermann 299 Haenchen, Ernst 22 Hall, J. L. 257, 259 Hampel, Dieter 55 Hardin, Ben 370 Hardt, Michael 43, 292 f. Hardy, Daniel 412 Harris, William Wade 148 Harvey, Van A. 112 Hatch, Nathan O. 373 Hauerwas, Stanley 320 – 322, 331, 334 f., 355, 368, 375 – 378 Haustein, Jörg 12, 15, 28 Hays, Richard 377 Head, Ronald G. 346 Hebden, Ellen 337 Hee, Jeong Chong 142, 145 Heidegger, Martin 43, 268, 279 – 281 Heim, S. Mark 220

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Personenregister Hendel, Ronald S. 234 Henry, Carl F. H. 392, 395 Hentschel, Rüdiger 271 Herbert, J. Taylor 370 Higgins, John R. 29, 221, 226 Hildebrandt, Wilf 18 Hindmarsch, Bruce 401 Hine, Virgina H. 307, 328 Hinson, E. Glenn 307 Hocken, Peter 142, 260, 439, 458, 461 Hodge, Charles 217, 222 Hodges, Melvin L. 50, 59 Hoekema, Anthony A. 127 Hollenweger, Walter J. 16, 26, 35, 43, 47, 53, 60, 107, 136, 138, 144, 147, 153, 211, 225 f., 249, 307 f., 438, 457 Holm, Randall 338 Holmes, Pamela 48, 337, 339, 524 f. Hoover, Willis C. 142, 147 Hörisch, Jochen 271 Horkheimer, Max 48, 339 – 344, 348 – 350, 353 Horn, J. Nico 47 Horton, Stanley M. 30, 40, 43 f., 102, 220, 225 f., 470 Houston, James M. 245 Hughes, Graham 271 Hunter, Harold D. 19, 40, 48, 70, 142, 337, 458, 461 Hurtado, Larry W. 225 Husserl, Edmund 43, 268, 270 – 279, 282, 284 f. Hütter, Reinhard 419 f., 422 Hyatt, Susan C. 48 Ijsseling, Samuel 271 Irenäus (v. Lyon) 64, 418 f., 473 Irvin, Dale 411 Irving, Edward 258 Isaak (atl.) 235, 237 Israel, Richard 118, 125 f. Jackson, Roger R. 483 Jacobsen, Douglas 387 f.

531

Jakob (atl.) 235, 237 Jakobus (ntl. Autor) 315 Jakobus (ntl., Herrenbruder) 76, 161 Janes, Burton K. 338 Jay, Martin 340 Jenner, Fanny 155 Jenney, Timothy P. 221 Jenny, Fanner E. 155 Jenson, Robert W. 413 f., 417, 420, 424 f. Jeremia (atl.) 363 Jesaja, (atl., siehe auch Bibelstellenregister) 74, 85, 314, 471 Jesus Christus (siehe Sachregister) Jinkins, Michael 401 Jochanan, ben Zakkai 363 Joel (atl., siehe auch Bibelstellenregister) 22, 71 f., 82, 312, 317, 374, 469, Johannes (ntl., Apostel) 69, 72, 76, 86, 239, 315, 446 Johannes (ntl. Autor, siehe auch Bibelstellenregister) 79, 81, 87 f., 130, 194, 232, 277, 407, 475 Johannes (ntl., Seher der Offenbarung) 313 Johannes der Täufer (ntl.) 74, 84, 90 f., 230, 315, 345, 348, 368 Johannes Markus (ntl.) 86 Johns, Cheryl Bridges 44, 308 Johns, Donald A. 256 Johnson, Todd 15, 26, 140 Johnston, Robert K. 109, 211, 391 Josua (atl.) 442 Judas (ntl., Barsabbas) 85 Judas (ntl., Ischariot) 85 Jung, Carl Gustav 41 Jüngel, Eberhard 242 f., 261 K‘eshishean, Aram 454 Kaiser, Walter C. Jr. 304 Kalu, Ogbu U. 60 f. Kalu, Wilhelmina 60 Kärkkäinen, Veli-Matti 31, 35, 37, 43, 50, 52, 54 – 58, 61, 212, 228, 430 – 432, 434, 438, 525

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

532

Personenregister

Käsemann, Ernst 99 Kasper, Walter 259 f. Kay, William 28 Kelsey, Morton T. 41, 250 Kenyon, Howard N. 43 Kern, Walter 437 Kerr, D. W. 178 – 180 Kierkegaard, Søren A. 285 Kildahl, John P. 307, 309 Kim, Kirsteen 63 f. King, Robert 396 Kirchhoff, Hans-Ulrich 220 Klauber, Martin I. 394 Klaus, Byron D. 45, 60, 142 – 144, 147, 149, 319 Knight, John A. 224 Knop, Andreas 271, 385 Kok, Arie 154, 157 Konstantin (röm. Kaiser) 364, 367, 410 Kornelius (ntl.) 71, 77, 84, 90, 299, 442, 455, 470 Kraft, Charles H. 59 Krüger, Richard 55 Kuhn, Thomas 108, 121, 269 f. Kulbeck, Gloria 337 Küng, Hans 444 Kydd, Ron 338 Kyung, Chung Hyun 426 LaCugna, Catherine Mowry 407 Lake, John G. 144, 151 Lalive d’Epinay, Christian 136, 138 Land, Steven J. 32, 61, 63, 211, 291, 397, 453 – 456, 461 f. Lapoorta, Japie J. 47 Larbi, Emmanuel Kingsley 141 Lathrop, Gordon 420 Lawrence, Bennett F. 162, 178, 366 Lederle, Henry I. 31, 211, 254, 256 f. Lee, Jae Bum 142, 145 Lee, Paul 54 Lee, Young Hoon 142, 145 Lefebvre, Marcel 389 Lehmann, Paul L. 334

Lekganyane, Engenas 151 Leonard, T. K. 179 Lessing, Gotthold E. 23 Levison, John R. 82 Lewis, Clive S. 347, 465 Liefeld, Walter 471 Lindbeck, George A. 376 Lindström, Harald G. A. 216 Lints, Richard 395 Lohff, Wenzel 212 Löhrer, Magnus 431 Lonergan, Bernard 477 Long, Steve 377 Lord, Andy 51, 62 f., 451 f., 525 Lossky, Vladimir 435 Lovekin, A. Adams 307 Lucas, Phillip Charles 478 Luckmann, Thomas 116, 333 Lukas (ntl. Autor, siehe auch Bibelstellenregister) 19 – 21, 69 – 92, 128 – 130, 254 – 256, 299, 300, 312, 315, 317 f., 325, 468, 471 Lukose, Wessley 63 Luther, Martin 37, 55, 161, 212, 216, 228, 233, 244, 342, 392, 420, 428 Ma, Julie C. 60, 63 Ma, Wonsuk 45, 60, 63, 93, 160, 218, 297, 480 Maas, Eduard M. van der 26, 278 Macchia, Frank D. 33 – 37, 39 – 44, 47, 51, 56 f., 62, 94, 196, 212, 227 – 229, 249, 257, 260, 263, 265, 271, 285, 301, 307, 320, 324, 411, 425, 439, 455, 525 MacDonald, William Colt 317 MacIntyre, Alasdair 416 Mackenzie, Ross 259 MacQueen, Larry R. 18 MacRobert, Iain 46, 138 Maddox, Randy L. 220, 222 f. Makambwe, Francis 461 Makransky, John J. 483 Maloney, H. Newton 307

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Personenregister Maltese, Giovanni 12, 16, 22, 27, 36, 38 f. Marcuse, Herbert 43, 292 – 294 Marsden, George M. 373, 386 f. Marshall, Ian H. 75, 81, 85 Martin, David L. 110, 116, 121 f., 126, 130, 132, 252 Martin, Ira 40 Martin, Lee Roy 18 Marty, Martin E. 314 Marx, Karl 292, 294, 340, 349 Marxsen, Willi 22 Maston, T. B. 304 Mastricht, Peter van 215 Matthäus (ntl. Autor, siehe auch Bibelstellenregister) 130, 471 McBride, S. Dean 236 f. McClung, Grant 60, 143 McDermott, Gerald R. 477 McDonnell, Kilian 298 f., 309 f., 336, 438, 458 McGavran, Donald A. 59 McGee, Gary B. 40, 58 f., 93, 98, 109 f., 135, 137, 143, 146 f., 149, 151, 153, 202, 226, 253 – 258, 439, 440 McGrath, Alister E. 396 McIntire, Carl 386 McIntyre, John 245 McKnight, Edgar V. 108, 110, 112 McLean, Mark D. 118 f. McNally, Randall G. 118, 125, 196 McPherson, Aimee Semple 22, 47, 338 McQueen, Larry 62 Melanchthon, Philipp 216 Menzies, Robert P. 19 – 22, 25, 71, 73 – 77, , 80, 82 f., 88 – 90, 93, 108, 129, 160, 196, 218, 480 Menzies, William W. 22, 30, 40, 93 f., 108, 114, 123, 127 – 129, 132, 218, 225 Michaels, J. Ramsey 257 Migliore, Daniel 396, 404 Miller, Thomas W. 337 Moltmann, Jürgen 37, 61 f., 211, 233, 452 – 455, 463, 466, 475, 486

533

Montague, George T. 243 Moore, George E. 303 Moore, Rickie D. 18 Moore, S. David 52 Moore, Stephen D. 111, 116 Mose (atl.) 332, 345, 442 Mouw, Richard J. 303 Muller, Richard A. 395 Nancy, Jean-Luc 45 Nazir-Ali, Michael 455, 457 f., 461 Ndubuisi, Luke 18 Negri, Antonio 43, 292 f. Nelson, Douglas J. 138 Nelson, Roger 337 Neumann, Peter D. 39 Neville, Robert C. 42, 301, 320, 483 Newbigin, Lesslie 383 f., 439, 454 Newman, John Henry 409, 411, 422 Nichols, David R. 31 Niebuhr, H. Richard 310, 329 f., 412 Nijhoff, Martinus 271 Nikodemus (ntl.) 232 f., 245 Noble, E. Myron 46 Noel, Bradley Truman 25 Noll, Mark A. 114, 211, 373, 398, 415 O’Donnell, Christopher 434 O’Gara, Margaret 433, 435 f. Oates, Wayne E. 307, 315 Ockenga, Harold John 370 Oden, Thomas C. 409 f. Oertel, Gerhard 55 Ogletree, Thomas L. 314, 321 Oliverio, William L. 25 Omulokoli, Watson A.O. 159 Ong, Walter 270 Orme, William 222 Osborne, Grant R. 127 Ott, Michael R. 350 Otto, Rudolph 482 Otwang, Samuel 141 Outka, Gene H. 303, 315, 320 Owen, John 222

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

534 Owens, Robert R.

Personenregister 25, 46

Padilla, C. Ren¦ 452 Palma, Anthony D. 30, 40 Palmer, Michael 43, 297 f. Palmer, Phoebe 224 Panikkar, Raimundo 474 Pannenberg, Wolfhart 431, 433 – 437, 488 Parham, Charles Fox 138, 168 – 172, 176, 225 f. Parlee, Fred H. 338 Parsons, Howard L. 340 Pate, Larry 140 Patte, Daniel 108, 110 – 112 Patten, Rebecca 24 Pattison, E. Mansell 42, 287, 309 Paulus (ntl., siehe auch Bibelstelleregister) 18 f., 21 f., 48, 70, 72, 78 f., 81, 84 – 88, 91, 93 – 106, 125, 128 f., 154, 161 f., 164, 167 f., 176 f., 205, 233, 243, 255, 277 f., 281 – 283, 299 f., 304, 314 – 318, 376 f., 433, 435, 446, 467 f. Pawson, David 78, 90 f., 219 Pearlman, Myer 30, 40, 118, 120, 218 – 221, 225 – 227 Pecota, Daniel B. 225, 227 Peirce, Charles S. 33, 270 f., 473 Pelikan, Jaroslav 413 Penney, John M. 21, 71, 83, 85 Petersen, Douglas 44 f., 60, 81, 85, 142, 144, 147 – 149, 319 Petrus (ntl., Apostel) 22, 69, 72, 76 f., 79, 83, 86, 90, 254, 317, 374, 442, 446, 455, 468 – 470 Philippus (ntl.) 69, 71, 73, 76 – 80, 83 – 86, 90, 455 Pinnock, Clark H. 30, 51, 127, 393, 396 f., 401 f., 404 – 406, 465 f., 476 Pius IX (Papst) 389 Pius X (Papst) 389 Placher, William C. 489 f. Platon 41, 285 Polanyi, Michael 305

Polhill, Cecil 156 f. Poloma, Margaret 107, 114, 131, 307 Pomerville, Paul A. 59, 144 f. Pope, W. H. 179 Pope-Levison, Priscilla 47 Popper, Karl 28 Pottmeyer, Hermann J. 437 Priszilla (ntl.) 86 Prosper, von Aquitanien 416 Pruitt, Raymond M. 221 Quaas, Anna D. 61 Quebedeaux, Richard 298 f., 336 Raffelt, Albert 437 Rahner, Karl 41, 250 f., 258, 261, 264 f., 437 Ramabai, Pandita 28, 146 f., 188 Ranaghan, Dorothy 323 Ranaghan, Kevin 323 Ratzinger, Joseph 431 Rauschenbusch, Walter 358, 367 – 370 Reasoner, Victor P. 224 Reed, David A. 168 Reed, Karen 352 f. Reeder, John 303 Reid, Gavin 460 Reynolds, Alice 202 Reynolds, Frank 483 Richie, Tony 64 Ricoeur, Paul 279 Riggs, B. 93, 102 Robbins, J. Wesley 320 Robeck, Cecil M. Jr. 25, 28 f., 43, 46, 48, 54 f., 113, 142 f., 160 – 164, 226, 337, 439 f., 461, 525 Robertson, William 195 Robins, Roger G. 49, 387 Rodr†guez, Dar†o Lop¦z 26 Roloff, Jürgen 436 Rorty, Richard 279 Rose, Susan 139 Roselli, J. 179 Rossi, Philip J. 324

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Personenregister Ruelas, Abraham A. 48 Runyon, Theodore 216 Rusch, William G. 218 Ruthven, Malise 385 Salleh, Ariel 340 Salter, James 152, 157 Samarin, William 42, 249, 300, 309 f. Sanders, James A. 164 Sanders, John 465 Sanders, Rufus G. W. 46 Sandidge, Jerry L. 54, 442 Saracco, Jos¦ Noberto 141 Satyavrata, Ivan M. 147, 149 Saul (atl.) 398, 442 Saussure, Ferdinand de 270 f. Sauter, Gerhard 259 f. Schillebeeckx, Edward 250 Schleiermacher, Friedrich D. E. 394 Schlink, Edmund 433, 435 Schmidt, Alfred 340 Schnackenburg, Rudolf 433 Schweizer, Eduard 82, 253 f., Schwerdtfeger, Nikolaus 437 Schwöbel, Christoph 474 Scullion, John J. 234 Searle, John R. 43, 268, 283 – 290 Seckler, Max 437 Seils, Martin 212 Selter, Frieden 299 Sepffllveda, Juan 141,147 f., Seymour, William J. 46, 138, 144, 225 f. Shamsundar M. Adhav 146 Shane, Clifton 48, 52 Sharpe, Jim 139, 150 Shelton, James B. 19 – 21, 71, 74 Shelton, R. Larry 220 Shenk, William R. 154 Sheppard, Gerald T. 24, 108, 114, 120, 323, 439 Shults, F. Le Ron 488 Shuman, Joel J. 49, 354 Sider, Ronald J. 457 Silas (ntl.) 85 f.

535

Simon, Magus (ntl.) 71, 76 f., 83 f. Skoog, Dorothy 186 f., 202 Slager, Geroge C. 337 Slocum, A. L. 154 Smid, Reinhold N. 271 Smith, Gary 368 Smith, Henry 49 Smith, Huston 122 Smith, James K. A. 38, 43, 211, 214, 267, 270 – 272, 278, 280 – 283, 285, 396, 476, 525 Smith, Steven G. 475 Smyth, John 431 Snook, Lee E. 466 Solivan, Samuel 44 Sommer, Carl E. 216 Spencer, Michael 390 Sperry, Roger 319 Spittler, Russell P. 31, 35, 45, 108 f., 120, 137, 146, 160, 193 – 196, 211, 225, 262, 297, 319, 480 Springer, Kevin 455, 457 Stackhouse, John G. 64, 401, 464 Stackhouse, Max L. 304 Stagg, Frank 307, 315 Steer, Roger 461 Steinberg, Hardy W. 347 Stephanus (ntl.) 85 f. Stephenson, Christopher 33 Stephenson, Lisa 48 Stott, John R. W. 127, 456 f. Stout, Jeffrey L. 303 Stransky, Thomas 386 Strobel, Wilhelm B. 216 Strongs, Augustus H. 221 Stronstad, Roger 19, 21, 23, 71, 73, 83, 85, 121, 123 – 125, 128 f., 196 Stuart, Douglas K. 21 Studebaker, Steven M. 34, 36 f., 39, 43, 211, 213, 526 Stylianopoulos, Theodore G. 220 Suarsana, Yan 28 Sullivan, Francis A. 435 Sutton, Matthew Avery 47

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

536

Personenregister

Synan, Vinson 25, 51, 137, 214, 225 f. Tallman, Frank D. 29 f., 44, 218, 220 f., 225 – 227 Tarr, Delbert H. 218 Taylor William D. 140 Taylor, Frances 152 Taylor, Herbert J. 370 Taylor, Hudson 460 f. Taylor, James B. 178 Taylor, John V. 370,453 Tengström, Sven 238 Tertullian, von Karthago 164, 418 f. Thomas, John C. 24, 57, 118, 392 Thomas, Minnie 157 Thomas, Norman E. 452 Thompson, Matthew K. 62 Tillich, Paul 41, 251, 258 f., 261, 264, 310, 320 Timotheus (ntl.) 86 Torrey, Reuben A. 217, 220, 224 f. Tracy, David 483, 489 Travis, Stephen 453 f. Trevitt, Frank 152 – 155 Triplett, Loren O. 149 Troeltsch, Ernst 368 Tugwell, Simon 40, 249, 260, 266 Tunmore, Joseph 179 Turner, Max 20 f., 41, 69, 73 f. 76, 79, 81 – 83, 85 f., 91, 526 Turrettini, FranÅois 215 – 217, 222, 394 Vanhoozer, Kevin J. 284, 287, 474 Ven, Johannes van der 42 VillafaÇe, Eldin 44, 307, 334 Vingren, Gunnar 148 Volf, Miroslav 16, 35, 37, 51, 397, 402, 431 f. Vondey, Wolfgang 31 f., 58 Wacker, Grant 44, 49, 136 – 139, 146, 292, 379, 387 Waddell, Robby 18, 24, 62 Wagner, C. Peter 26, 59, 110, 147 f., 457

Wainwright, Geoffrey 436 Waldrop, Richard E. 26 Walls, Andrew 140 Walsh, Liam G. 442 Warfield, Benjamin B. 388, 394, 395 Wariboko, Nimi 45, 50 Warner, Wayne 47, 197 f. Warren, Robert 459, 463 Warrington, Keith 32 Weber, Otto 216 Wedderburn, Alexander J. M. 99 Welker, Michael 17, 37, 232 f., 466, 470 Wells, David 398, 415, 419, 427 Wenk, Matthias 16, 21, 285 Wesley, John 35, 177 f., 210 f., 214, 216, 220 – 226, 320, 397, 440, 465, 473 Wesseling, Henk 139 Wessels, Roland 224 White, Hayden 129 White, James F. 259, 314 White, R. E. O. 314 Whitfield, George 178 Wiggershaus, Rolf 290, 339, 341 Wiles, Maurice 409, 412 Williams, Daniel H. 409 f., 415 Williams, Ernest S. 220, 226 Williams, J. Rodman 30, 44, 70, 104, 221, 226 f., 301 f., 305 f., 323, 394 Williams, Rowan 411, 474 Wilson, Everett A. 104, 141, 144, 149, 362 Wimber, John 455,457 Wirthensohn, Andreas 293 Wittgenstein, Ludwig 270, 284 Wolterstorff, Nicholas 242 Womersley, Harold 158 Wood, Alice 338 Woodworth-Etter, Maria B. 47 Wortman, C. M. 338 Wyckoff, John W. 24, 225 Yeago, David S. 420, 428 Yoder, John Howard 49, 291, 334, 354 – 357, 362 – 370, 373 f., 378

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Personenregister Yong, Amos 12, 16, 25, 33, 35 f., 38 f., 41 – 48, 51, 57 f., 64 f., 211, 285, 301, 320, 410 f., 425, 464, 474, 480 f., 488, 526 Yong, Jeong Jae 141 Yoo Boo-Woong 142 York, John V. 60 Yves, Congar 239, 263, 431, 433, 444

537

Zahl, Simeon 35 Ziefle, Joshua 54 f. Zimmerman, Thomas F. 191 f. Zimmermann, Jens 279 Zizioulas, Jean D. 417, 431, 437, 444 Zwingli, Huldrych 56, 250, 259, 392

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sachregister

Abendmahl 58, 171, 249, 252, 259, 261, 420, 430, 434 Absicht (Gottes) 37, 65, 83, 105, 312, 342, 405 f., 413, 469, 474, 476, 478, 490 Abwesenheit 34, 65, 83, 240, 272 – 274, 310, 479 f., 482 Abwesenheit, des Geistes (siehe Geist) Abwesenheit, Gottes (siehe Gott) Affekt, affektiv 32, 285, 351, 477 Agnostizismus 124 Akkommodation 282 Allgegenwart (siehe Omniräsenz) Ambiguität 326 – 329, 334 f. Amt (Lehramt) 12, 48, 57 f., 179, 338, 347, 405, 420, 434, 436, 438, 447 –, -ssukzession (siehe Apostolizität) –, -sträger 115, 434, 443 Anbetung und Lobpreis 81, 83, 94, 98, 105, 170, 173 f., 186 f., 190, 198, 249, 288, 306, 323 – 326, 365, 391, 405, 416, 453 f., 459 – 461, 472 Andersheit 239 f., 245, 330, 342 f., 349 – 351 anfängliches Zeichen (siehe Anfangserweis) Anfangserweis 21, 29 f., 40 f., 56, 93 f., 129, 166 f., 175, 177, 179 f., 184, 191, 193, 196 f., 199, 201 – 206, 221, 225 f., 251 – 268 306 Anglikaner, anglikanische Kirche 62, 435 Ankunft Christi (siehe Christus) Ankunft des Geistes (siehe Geist) Anthropologie 107, 285, 394, 400, 414 Anti-Intellektualismus 113 f. Apartheid 151

Apokalyptik, apokalyptisch 32, 61 f., 470 Apologetik 41, 102, 163, 301, 315, 318, 397, 437, 440, 487, 489 Apostasie 410 Apostel 49, 70, 72, 80, 81, 83, 85 f. 90 f., 161, 164 f. 167, 176, 194, 199, 205, 243, 277, 378, 418 f., 421 f., 425, 433 – 439, 441 f., 444, 447 Apostelgeschichte (siehe auch Bibelstellenregister) 18, 20, 41, 49, 73, 75 f., 78 f., 81, 83 f., 85, 87, 90, 92 f., 127 f., 162, 176, 188, 199, 230, 252 – 256, 260, 277, 299, 315, 356, 358, 374, 376, 433, 442 Apostolic Faith (Zeitschrift) 146 f., 168 – 173, 337, 439 f. Apostolic Faith Mission 143 f., 151, 156, 430 Apostolic Faith Movement 151, 169, 439 – 441 Apostolic Herald 440 Apostolic Messenger 440 Apostolic Witness 440 apostolisch –, -e Lehre 86, 409, 418, 421, 431, 434, 436, 441 –, -e Sukzession 57, 163, 419, 425, 431 – 434, 437, 442 – 448 –, -e Tradition 165 f., 303, 434, 437 Apostolizität 57, 58, 430 – 448 Arbeiter, indigene 139, 141, 148, 150, 155, 158 f. Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) 55 Armut 138, 154 f., 158, 249, 292 – 294,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sachregister 307, 314, 318, 323, 325, 331, 384, 404, 434 Assemblies of God 6, 49, 52, 54 f., 107, 110, 113 – 115, 120, 136, 140 f., 144, 148, 151, 153, 160 – 208, 218, 221, 294, 323, 354 – 379 Ästhetik 23, 116, 341, 489 Atem (siehe Hauch) Äthiopien 12, 77, 455 Atman 475 Auferstehung 36, 74, 433, 470 –, – Christi (siehe Christus) –, -serscheinungen 433 –, -stheologie (siehe Theologie) Aufklärung 48, 57, 103, 111 f., 115, 117, 280, 339 – 345, 349, 351, 397, 487 –, -srationalität (siehe Aufklärung) Ausgießung des Geistes (siehe Geist) Auslegung (siehe Interpretation) Auslegungsmethode 129, 131 f. Axiom, axiomatisch 58, 280, 289, 303 f., 472, 474, 483 Azusa-Street 25, 35, 46, 136, 138, 142 – 148, 170 – 173, 181, 203, 430 Baptisten 23, 30, 51, 187, 387 f., 409, 431, 443, 446 Barmherzigkeit 172, 445, 462 Befreiung (siehe auch Freiheit) 37, 44, 46, 49, 58, 74, 76, 77, 79, 87, 131, 162, 231, 260 f. 264 – 266, 307, 313 – 316, 318 – 320, 323, 325, 329 – 331, 334 – 336, 339, 341, 344, 350, 361 f., 403, 435, 424, 454, 457, 459, 460, 470 f. –, -stheologie (siehe Theologie) Begabung (siehe Geist) Beherrschung 341 – 344, 347 – 353 –, – von Frauen 339, 342 f., 350 Bekehrung 19 f., 40 f., 70, 77 f., 84, 89, 92 f., 96, 127, 148, 175, 180 f., 192, 225, 260, 400, 405, 442 Berliner Erklärung 55, 383 f. Berufung 164, 222, 234, 339, 407, 420, 437

539

Beten (siehe Gebet) Bevollmächtigung 40, 44, 73, 83 – 86, 89, 92, 106, 224, 227, 251, 255, 258, 260, 298, 300 f., 306 f., 310, 317, 374 Bewusstsein 249, 273 – 279, 311, 323, 395, 412, 478 Bibel (siehe Schrift) Biblisch-theologisch (siehe Theologie) Binitarismus 50 Bischof (siehe auch episkopal) 69, 163 – 165, 333, 383 f., 389, 405, 410, 418, 420 f., 430, 432, 435, 442, 444, 447 Blut 46, 130, 167, 207, 263, 360, 370, 420, 469 Böse, das 30, 153, 263, 455 f. Brahman 475 Brasilien 140, 144, 148 Bruderliebe (siehe Nächstenliebe) Buddhismus 64, 155, 199, 475, 482 f., 487, 490 Bund, neuer Bund 74 f., 167, 236, 259, 377, 469 Bürgerrechtsbewegung 46 Burkina Faso 153 Buße 69, 81, 84, 219, 222 f., 225, 236, 249, 367, 374, 469 Canterbury Cessationismus 105, 218, 268, 392, 397 Chaos 143, 236 – 238, 240 – 245, 252 Charisma 22, 30, 50, 54, 63, 70, 89, 93, 104, 123 – 125, 127, 144, 146, 151, 174, 176, 192, 226, 258, 268, 294, 300, 309, 317, 352, 354, 390, 397 f., 400, 402, 405 – 407, 418, 434 f., 443, 445, 457, 460 – 462 Charismatische Bewegung 11, 15, 23, 26, 30, 44, 56, 58, 62, 101 f., 109 f., 117, 124, 137, 145, 149, 192, 206, 302, 310, 323, 384, 403, 455, 461 Chile 26, 136, 141 f., 147 China 145 f. 153 – 157, 460 Christentum 11, 16, 31, 57, 103, 112, 140 f., 145 – 149, 154, 258, 294, 347,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

540

Sachregister

349, 355 – 357, 362 – 368, 370, 384 – 386, 389 – 391, 419, 440, 455, 464, 478, 485 f., 490 Christologie 30, 33, 35, 51, 81, 89, 165, 215 – 217, 219, 221, 229 – 231, 238, 254, 263, 400, 428, 465 f., 468, 476, 478, 481, 484 –, – und Pneumatologie 30, 35, 51, 215, 217, 219, 229 – 231, 238, 263, 465 f., 468, 476, 481 Christus 19, 30, 34 – 36, 53, 65, 69, 70 – 72, 74 – 91, 94, 96, 106, 130, 139, 154 f., 160 – 165, 167, 170, 172, 174, 182 f., 192 f., 213, 215, 218 – 221,228 – 230, 232 f., 239, 243, 254, 260 – 263, 277 f., 303 f., 306, 310, 312 – 315, 317 – 319, 321 – 327, 331 – 334, 345, 347 – 349, 355, 360, 363, 364, 368, 373 – 378, 386, 388, 390, 392 – 394, 396, 399 – 404, 407, 409, 413 f., 416 – 418, 422 – 426, 428, 433 – 435, 437, 439, 442, 445, 453 – 461, 463, 465, 468 – 474, 476 – 478, 480 f., 484 f. –, Ankunft Christi 74, 104, 313, 323, 326, 437 –, Auferstehung Christi 85, 95 f., 104, 228 – 233, 239, 243, 254, 263, 312, 315, 323, 355, 376, 385 f., 424, 468, 485 –, Leib Christi 146, 317, 388, 401, 406, 413, 417 f., 420 f., 423– 426, 428, 469 f. –, Tod Christi 75, 96, 130, 160 f., 170, 228 – 233, 239, 243, 263, 312, 315, 320 – 323, 333, 347, 355, 375 – 377, 393, 436, 452 – 454, 468, 485 –, totus 53, 413 f., 417 Church of England 42, 458, 461 – 463 Church of God (Cleveland, TN) 57, 110, 120, 137 f., 198, 219, 389 conditio humana 412 Conference for World Missions and Evangelization (CWME) 453 Dämon 77, 124, 149, 152, 154 f., 184, 258, 311, 384, 404, 466, 471, 476, 478 –481

–, Austreibung von 77, 149, 471 Definismus 302 – 305, 308, 312 Demut, demütig 159, 205, 289, 461, 476, 490 Denominationen 46, 52 – 55, 107, 110, 113, 135, 144, 147 f., 151, 162, 171, 200, 204, 207, 294, 362, 366 – 371, 389, 403, 443 Dialektik 48, 52, 327, 339, 340, 345, 348, 350, 352, 416, 455, 485 Dichotomie 33, 36 f., 57, 128, 130, 332, 351 Diskurs 17, 28, 36, 39, 43, 131, 232, 267 f., 282, 291, 293, 302, 308, 335, 339, 354, 362, 365, 397, 465 Dispensationalismus 61 f. Dogma 22, 53, 79, 165, 204, 393 f., 400, 407, 409 – 412, 414, 420 – 423, 427 f., 433, 479, 489 Dogmatik 29 – 31, 33 – 36, 44, 51, 53, 56, 64, 165, 168, 173, 177, 184, 206, 215, 223, 235, 313, 410, 413 f., 418 f., 422, 427 – 431, 436, 446, 479, 489 doketisch 118, 424 donum super additum 31, 89, 92 doxologisch 82, 235 dritte Welle (der Pfingstbewegung) 15, 26, 110, 298 f., 307, 323, 397 Dualismus, dualistisch 64, 118, 474, 476 – 478 Ecuador 457 Egalität 48, 50, 146, 156, 340, 352 f., 368, 425, 545, 481 Ekklesialita¨ t 317, 325, 412, 416 f., 419, 425, 430 – 432, 443, 447 Ekklesiologie (siehe auch Kirche) 17, 29 f., 33, 37, 48 – 54, 57, 58, 63, 204, 364, 369, 381, 385, 399, 400 – 402, 404, 406, 411 f., 415 f., 424 f., 428, 430 – 432, 438, 445 f., 466, 469 f. Ekstase 98, 101, 105, 138, 189, 262, 268, 277 f., 282, 287 f., 291, 307 Elfenbeinküste 148

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sachregister Emanation 240, 245 Emotionalismus (siehe auch Gefühl) 41, 266 Empirie 11, 42, 50, 52, 63, 117, 309, 311, 319 – 321, 327 f., 332, 334, 339, 341, 351, 364, 478, 481 f. Endlichkeit 32, 38, 280, 282, 310, 320, 330, 356, 479, 490 Enthusiasmus 206, 250, 255, 264, 287, 433, 435 Entmythologisierung 116 Ephesus 70, 72, 84, 91, 299, 442 episkopal (siehe auch Bischof) 430 f., 442 – 447 Episteme, epistemisch 111, 465, 476 Epistemologie 32, 38 f., 63, 110 – 112, 117 f., 123, 131, 268, 285, 303, 313, 479, 488 f. –, – des Geistes 118 Erbauung 98, 102 f., 105, 213 f., 277, 281, 283, 300, 306, 317 Erde, irdisch 38, 48, 63, 98, 101, 137, 143, 160, 234, 237 f., 241, 244, 313, 316, 343 f., 346, 348, 353, 359 f., 366, 448, 458, 467 – 469, 470 Erfahrung –, -analogie 254 –, -sbegriff 16, 27, 32, 38 f. –, -swelt 283 –, glossolalische 302, 308, 324, 327 f., 330 –, menschliche 30, 123, 299, 328, 332, 400, 412, 473 f., 477 –, persönliche 124, 161, 174, 190, 482 –, pfingstliche 19, 23, 32, 34, 38, 45 f., 58, 123, 125, 126, 142, 159, 169, 257, 297 – 299, 301, 303, 305, 307, 309, 311 – 313, 315, 317, 319, 321, 323, 325, 327, 329, 331, 333, 335, 374, 384, 391, 469 Erfüllung (siehe Geist) Erkenntnis 22, 24 f., 38, 39, 63, 96, 104, 125 f., 128, 148, 182, 197, 205, 211, 233, 245, 251, 282, 300, 305, 310, 313,

541

320, 327, 330, 339, 377, 383, 395, 402, 404, 415, 418, 422 f., 426, 440, 467, 479, 483, 488 f. –, -theorie (siehe Epistemologie) Erlösung (siehe auch Errettung, Heil) 30 f., 34 f., 37, 99, 105, 167, 169, 171, 173,183, 188, 193, 203, 212 – 215, 218 – 231, 237, 249, 263, 301, 307, 310, 312 f., 366, 377, 383, 399, 401 f., 404, 455, 471 f. Erlösungswerk 30, 228, 230 f., 383 Erneuerung 30, 53, 70, 81, 109, 117, 192, 216 f., 223, 227 f., 250, 264 f., 298, 348, 358, 437 Errettung (siehe auch Erlösung, Heil) 212, 348, 465, 469 – 471, 477 Erwählung 85, 167, 222, 234, 400, 413 f., 437 Erweckung (allgemein) 15, 25 f., 46, 59, 136, 138, 142 – 148, 156, 187, 214, 217, 224, 225, 439 –, -sbewegung 145, 187, 214, 225, 439 Erweckung, Azusa-Street- 15, 25, 46, 136, 138, 142 – 146 Erweis der Geisttaufe (siehe Anfangserweis) Erzählung 26 – 28, 49, 76, 78, 90, 107 – 109, 122, 124, 127 – 130, 150, 155, 181, 184 – 186, 189 f., 198 – 200, 204, 233 – 239, 243, 245, 253 – 255, 277, 312 f., 317, 321 – 323, 331, 375 – 378, 385, 393, 396, 417, 424 Eschatologie 17, 19, 21, 33, 37 f., 43, 45, 58, 61 – 63, 74 f., 89, 95 – 97, 104 f., 139 f., 143, 251, 260 f., 261, 264, 266, 291, 293 f., 317 f., 325, 356, 364, 376, 422, 437, 451 – 463, 470 – 472, 477, 490 –, eschatologische Ekklesiologie 51 –, eschatologische Erlösung/Seligkeit 33, 38, 74, 87 –, eschatologische Erwartung 95, 139, 374, 453, 463 –, eschatologische Gemeinschaft 49, 312, 316, 324 f., 331 f.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

542

Sachregister

Eschaton 35, 53, 61 f., 95, 357, 375, 423 Ethik –, deontologische 329 –, Friedens- 46, 49 f. –, Meta- 46, 302 f., 310 f., 316 f., 326, 328, 332 –, normative 302, 313, 316 f., 319, 322 f., 325 f., 329 f., 332 –, Sozial- 44, 297, 298, 301 f., 308, 314, 334, 356, 375 Ethnie, ethnisch 41, 58, 325, 330, 352, 475 Ethnologie, Ethnologe, ethnologisch 11, 42, 142, 481 Ethnozentrismus 29, 159 Eucharistie (siehe Abendmahl) Europa 11, 13, 15, 55, 61, 137, 139 f., 143, 149 – 152, 156, 271, 298, 333, 363, 385, 440 European Research Network on Global Pentecostalism (GloPent) 11 f., 15 evangelikal (allgemein) 22 f., 25 f., 31, 34, 41, 52 f., 61, 71, 91, 107 f., 112 – 114, 119 f., 123, 125, 127 f., 139, 145, 203, 206, 221 f., 204, 260, 29, 356, 359, 369, 371, 373, 383, 385 – 401, 403, 405, 407, 410 f., 414 f, 419, 421, 424, 427, 446, 456, 464 – 466, 473, 478 – 480, 484 – 487, 490 –, -e Theologie 23, 53, 119, 221, 385, 390, 394 – 401, 421, 424, 464 – 466, 473, 480, 485 –, Evangelikalisierung 112 f., 127, 206 –, Evangelikalismus 113, 120, 123, 385, 390 f., 397, 411, 414 f., 427 –, neo- 386 Evangelisation 22, 47, 50, 59 f., 86 f., 114 f., 130, 140, 143, 147 – 149, 151 – 153, 157 f., 169, 180, 182, 338, 345, 349, 352, 366 f., 371, 375, 421, 424, 451 – 453, 456 – 461, 485 f., 490 evangelisch 94, 97, 140, 196, 310, 392, 415, 428, 445 Evangelisch-lutherisch / Ro¨ misch-ka-

tholische Studienkommission 433 f. Evangelische Gemeinschaften 445 Evangelistin 47, 338, 345 Evangelium 18, 36, 63, 70, 74, 76 f., 81, 84 – 87, 95 f., 130, 137, 143, 148, 153 f., 165 f., 169, 185, 194, 207, 227, 232 f., 233, 239, 260, 277 f., 312, 314 f., 320, 334, 349, 362, 366, 370, 373, 392 f., 400, 402, 404, 407, 417 – 428, 434, 436, 441, 444, 452 f., 455, 457 f., 460 f., 465, 485 f., 487 –, vierfältiges / fünffältiges 219, 315, 392, 400 Evolutionslehre 386 Ewigkeit, ewig 263, 345, 349, 351, 393, 413 452, 471 Exegese (allgemein) 17 – 24, 40, 62, 67, 69, 71, 91, 96, 98 f., 105, 107 – 109, 112, 125, 119, 124 f., 129, 196, 199, 201 f., 204, 253, 315, 323, 386, 409, 444, 466, 470 –, evangelikale 108 –, fundamentalistische 112 –, historisch-kritische 21 – 23, 119, 124, 386 Exil 235, 293, 314, 323 f., 326 Existenz 36, 96, 104, 106, 233 f., 237, 241 – 243, 272, 280, 306, 315, 323 f., 326,–329, 331, 334 f. 341, 349 f. 362, 364, 372 f., 376 – 379, 413 f., 487 existenziell 23, 120, 125, 305, 308, 310, 323, 327 f., 335 Exklusivismus 64, 465 Exodus 74 f., 313, 323 f., 326, 331 Faktizität 38 Fallibilismus (siehe Fehlbarkeit) Familie 343, 346, 357, Fanatismus 169, 311, 388, 440 Fehlbarkeit 119 f., 310, 386 f., 475, 479 Feindesliebe 314 Feministen, feministisch 48, 131, 343

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sachregister Feuer 90, 155, 174 f., 189, 192, 256, 263, 272, 469 f., 488 f. filioque 439, 481 Fleisch 230, 374, 376, 469 Fleischwerdung (siehe Inkarnation) Flower Pentecostal Heritage Center 197 f. Frankfurter Schule 48, 339 – 341 Frau 20, 47 f., 75, 88, 91, 112, 126, 138, 146 f., 156, 164, 172, 182, 184, 197, 232, 239, 262, 284, 288, 318, 329, 331, 337 – 339, 342 – 353, 355, 362, 367, 388, 390, 403 Frauenordination (siehe Ordination) Freiheit (siehe auch Befreiung) 58, 106, 161, 173, 207, 252 – 261, 264, 315 f., 325, 348, 361 f., 365 f., 369, 372 f., 388, 471 Freikirche (siehe Kirche) Freude 20, 41, 48, 77 79, 81, 88, 96, 183, 198, 336, 389, 434, 463 Frieden (siehe auch Schalom) 46, 49 f., 86, 88, 182, 188, 360, 372, 454, 457, 460, 462, 471 –, -ethik 46, 49 f. frohe Botschaft (siehe Evangelium) Frucht des Geistes (siehe Geist) Fundamentalismus 24, 31, 107, 109, 111 – 115, 117, 119 f., 123, 125, 132, 139 f., 214, 299, 323, 369, 385 – 390, 397 f. –, Fundamentalismus-ModernismusStreit 107, 111 f., 120, 132 fundamentalpneumatologische Methode 33, 51, 474, 487 Fundamentaltheologie (siehe Theologie) Fundamentismus 268, 487 – 489 Fußwaschung 57, 163, 419, 425, 431 – 434, 437, 442 – 448 Gaben des Geistes, Gnadengaben (siehe Charima) Ganzheitlichkeit 20, 32, 34, 36 – 39,

543

62 f., 122, 144, 240, 257, 260, 328, 352, 451, 456, 466 Gebet 22, 70, 76, 78, 86, 93 f., 98 – 100, 102 – 106, 150, 152, 157, 167 f., 170, 172, 182 – 184, 189, 198, 235, 238, 257, 276, 278 f., 287 – 290, 300, 306, 324, 348, 371, 388, 416, 420, 427, 434, 437, 453, 456 Gefühl (siehe auch Emotionalismus) 24, 36, 41, 88, 107, 131, 143, 146, 153 – 156, 170, 173 f., 182 f., 188, 249, 254, 266, 307, 309, 319, 328, 346, 351, 358, 374, 384, 454, 465, 468 Gegenkultur (siehe Kultur) Gegenwart des Geistes (siehe Geist) Gegenwart Gottes (siehe Gott) Geheimnis (siehe Mysterium) Gehorsam 109, 160, 166, 236, 263, 325, 329, 356 f., 360, 431, 444 f. Geist –, Abwesenheit des 65, 83 –, Ankunft des 80, 312, 315, 317, 374 –, Ausgießung des 20, 59, 61, 80, 92, 145 – 147, 230, 276, 312, 315 – 317, 435, 461, 468, 470 –, böser (siehe Dämon) –, Dynamik des 41, 442, 473, 480 –, Erfüllung 71 f., 79, 104, 157, 184, 194, 203, 206 f., 313, 346, 379, 389, 425 f., 435, 463 –, Frucht des 30, 172, 177, 202 f. –, Gegenwart des 34, 41, 79, 95 f., 173 f., 184, 233, 239 – 241, 250, 255, 277 f., 311 f., 383, 413, 417, 445, 454 f., 459, 467 – 490 –, -begabung 20 – 22, 57 f., 70, 92, 169, 299 – 301, 309 f., 318, 335 f., 378, 406 –, -empfang, einstufig / zweistufig 20, 70 – 73, 89, 91 f. –, -erfahrung, Erfahrung des Geistes 12, 17 f., 34, 37 – 39, 42, 44, 52 f., 125 f., 254 f., 257, 259, 264, 385, 474 –, -erunterscheidung 63 – 65, 479 – 483, 487

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

544

Sachregister

–, -esgaben (siehe Charisma) –, -taufe 19 – 21, 27, 29 – 33, 39 f., 44, 48, 51, 54, 61 f., 69 – 72, 83 f., 89 – 95, 125, 127, 146, 153, 166 – 206, 212 – 214. 218 – 227, 230 f., 251 – 261, 266, 268, 297 – 302, 305 – 313, 316, 326, 328, 335 f., 356, 358, 375, 377, 392, 399 f., 440 –, Kenosis des 34 –, Kraft des (siehe auch Kraft) 22, 38, 71 f., 75, 82, 85, 88, 94 – 97, 105, 124, 149, 152, 159, 162, 173, 184, 195, 224, 229 f., 239, 241, 253, 255, 257, 268, 306 – 335, 378, 384, 401 – 405, 417, 423, 435, 451 – 463, 467 f., 470 –, Subordination des 31, 213 – 219, 222, 227, 229, 239 Gemeinde 11 f., 19, 53 f., 58 f., 76, 79, 80, 83, 85 – 89, 94, 99 – 103, 108, 110, 113 – 115, 125, 140, 151, 161, 164, 167, 187, 198, 281, 288, 306, 367, 391, 397, 400 – 406, 416, 430, 448, 456 f., 459 – 461 –, -arbeit 114 –, -struktur 405 Gemeinde Gottes, Cleveland, TN (siehe Church of God) Gemeinschaft –, christliche 164, 268, 306, 310 f., 318, 321 f., 327, 329, 334 f., 355 f., 364, 373, 444 –, kirchliche 39, 86, 205, 282, 286, 358, 367, 378, 421 –, menschliche 64, 282, 352, 424, 426 Gemeinschaftlichkeit 41, 56, 76 f., 86, 123, 187, 285, 300, 325, 399, 401, 407, 416, 475, Gender 46 – 49, 58, 138, 299, 315, 334, 347, 352, 475 General-Presbyterium 120, 166, 203, 206 Gerechtigkeit 43, 46 – 48, 65, 83, 216 – 218, 228 f., 269, 293 f., 297 – 299, 314 –

336, 345, 349, 368, 375, 454, 457, 458, 460, 471 –, Geschlechter- (siehe Gender) –, soziale 17, 43, 297, 298 f., 314 – 320, 323, 325 f., 329, 336 Geschichte, Geschichtsschreibung (siehe Historiographie) Geschöpf, Geschöpflichkeit (siehe auch Schöpfung) 64, 237, 240 – 245, 279, 285, 343, 346, 376 f., 412 – 414, 467 Gesellschaft 35, 43, 53, 107 f., 138, 292 f., 298 f., 311, 325, 328 – 330, 333 – 336, 339 f., 342 f., 355, 365, 373, 390, 400, 404, 407, 451, 474, 477 gesellschaftspolitisch (siehe auch soziale Gerechtigkeit) 298 f., 336, 363, 477 Gesetz 38, 167 f., 254 f., 257, 314 f., 370, 385, 416 Gewissen 298, 331, 360, 365, 372 f. Gewissheit 131, 184, 190, 217, 219, 312, 328, 454, 489 Glauben 54, 90, 163, 187, 222 f., 250, 341, 410, 419, 422, 431, 437 –, -sbekenntnis 95, 144, 163, 167, 235, 238, 361, 389, 408, 410, 412, 418, 421, 424 f., 427 f., 440 –, -slehre 163, 395, 416 –, -sregel 163 f., 408, 417 f. –, -süberzeugung 190, 268, 356 f., 359, 416, 420 f., 483, 485 – 487, 490 Gleichheit (siehe Egalität) Globalisierung 63, 293 Glossolalie (siehe Zungenrede) Gnade 37, 51, 56 f., 74, 80, 90 f., 161, 170 f., 190, 217 f., 221 – 225, 250, 255, 259, 264 – 266, 278, 310, 392, 402, 404, 407, 426 444, 462 f. –, -nmittel 56, 259, 265 f. –, -nwerk 170 f., 223 – 225 Gnosis 118, 282 f., 418 Gott –, Abwesenheit Gottes 34, 240, 310, 479 f., 482 –, Gegenwart Gottes 36, 38, 41, 53, 64,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sachregister 74 – 81, 87, 90 – 92, 96, 233, 239 – 241, 245, 249 – 251, 255 f., 259 – 263, 283, 305, 308 – 311, 352, 356, 388, 399, 401 f., 407, 467 – 490 –, Gott-Geist (siehe Geist) –, Gott-Sohn 20, 30, 33 f., 37, 62, 79, 81, 87, 167, 220 f., 239, 312, 315, 399, 403 f., 413, 424, 472, 477 –, Gott-Vater 20, 30, 33 f., 62, 78 – 81, 87, 167, 174, 192, 221, 229, 355, 399 f., 403 f., 413, 425, 472 – 474, 481 –, -esbegegnung 23, 39, 46, 53, 77, 81, 118, 123 – 125, 161, 250, 252, 255, 257, 260 – 266, 393, 396, 399 f., 442, 462 –, -esbegegnung, glossolalische 302, 305, 306, 308 – 330, 336 –, -esdienst 32, 39, 46, 94, 99, 138, 152, 154,163, 171, 183, 187 f., 249 f., 252 – 256, 260 – 266, 285, 288, 294, 405 f., 410, 416 f., 420 – 422, 426, 435, 444 –, -eslehre 33 f., 50 –, -esreich (siehe Reich Gottes) –, -esvolk (siehe Volk Gottes) Gottheit 477, 479 f. Großbritannien 136, 140, 147, 187 Hagiographie 135, 159 Handauflegung 46, 57, 69 f., 72, 78, 80, 84, 92, 164, 173, 183, 288, 442 Handlungsmacht 292, 324, 329, 332, 362 Hauch 65, 232, 238 – 242, 333, 389, 398, 435, 466 – 468, 472, 475, 488, 490 Heiden, Heidentum, heidnisch 76, 84 f, 90, 149 f. 154 f., 169, 195, 314 f., 318, 330, 468 f. Heil (siehe auch Erlösung, Errettung) 20, 30, 35 f., 51, 69 – 82, 87 – 89., 92, 212 f., 215 – 219, 222 f., 227, 230 f. –, -geschichte 26, 37, 212, 315 f., 318, 324 f. –, -sgeschehen 30, 34, 37, 431 –, -slehre 79, 81, 124, 182, 183, 265 – 267, 2,77, 278, 289, 345, 422, 457

545

–, -sökonomie (trinitarische) 420, 425 –, -sordnung 19 f., 30, 37, 44, 215, 222 – 227, 230 f., 260 –, -splan 471 Heiland 193, 364, 426 Heilige Schrift (siehe Schrift) Heiliger Geist (siehe Geist) Heiligkeit 403, 431 f., 437, 440, 443, 445, 454, 480 Heiligung 20, 30, 44, 168 – 171, 181, 182, 215 – 229, 358, 375, 399, 405, 440, 443, 455, 469 –, -sbewegung 27, 43, 44, 171, 203, 214, 221 – 224, 440 –, -slehre 37, 171, 182, 224 Heilung 20, 27, 34 f., 54, 61, 63 75, 77, 79, 81 f., 117, 124, 148 – 152, 180 – 183, 203, 252, 255, 260, 265 f., 277, 285, 288 f., 345, 392, 399, 435, 440, 453, 457, 460, 462 –, -sbewegung (siehe auch Heilung) 27, 44 Hermeneutik 17 f., 22 – 25, 31 f., 39 f., 43, 105, 107 – 109, 114, 116 – 119, 121 – 127, 129 f., 132, 166, 199, 203, 268, 270, 279 – 283, 356, 357, 465 f., 476, 480 – 483 –, hermeneutischer Zirkel 32, 123, 379 Herrlichkeit 95 f., 155, 222 f., 257, 312, 315, 399, 453, 471 Herz 70, 76, 81, 8 – 90, 153, 155, 157, 166 – 168, 180, 188, 190, 214, 254, 307, 393, 396, 398, 400, 403, 407, 458, 462. 465, 469, 471 Heterodoxie 357, 411 f., 419 Himmel, himmlisch (siehe auch Himmelfahrt) 85, 116, 137, 188, 233 – 244, 313, 315 f., 350 f., 374, 409, 467 – 470, 485 Himmelfahrt 75, 77, 82, 85, 228 – 231, 315, 423 f. Hinduismus 121, 154, 475, 487

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

546

Sachregister

Hingabe 54, 88, 91, 153, 192, 257, 324, 440 Historiographie 25 – 28, 28, 36, 63, 113, 122, 128 – 130, 135, 137 – 139, 141, 143, 145, 149 f., 158 f., 200, 202 Historismus 117, 129 Holismus, holistisch (siehe Ganzheitlichkeit) Hölle 155 Hong Kong 148 Humanismus 388 Identität (allgemein) 17, 19, 22, 25 – 28, 30, 51, 58, 82, 142, 145, 207, 239, 293, 324 f., 327, 335, 341, 356, 369, 412, 414, 417, 425, 427, 432 –, pfingstliche 25 – 28, 58, 142, 207, 324, 356, 369 Ideologie 254 f., 307, 326, 328, 339, 349, 370, 411, 426 Iglesia Methodista Pentecostal 147 Illumination (pneumatische) 23 f., 109, 117 – 120, 123, 125, 131 Imagination 51, 294, 330, 333 – 335 imago dei 51, 65, 242, 244, 252 f., 374, 403, 475, 490 Immanenz 37, 131 Imperialismus 29, 140, 143, 159, 484, 487 in-der-Welt-Sein 279 – 281, 321, 475 Indien 26, 28, 140 f., 143, 146 f., 154, 156 f., 188, 331, 383 Indigenisierung 149, 156 f., 487 Individualismus 43, 242, 317, 355, 401, 405, 407 initial evidence (siehe Anfangserweis) Initiation 16, 19, 21, 40, 54, 73, 84 f., 89, 93, 141, 163, 196, 203, 219, 222 – 228, 251, 253 – 259, 264, 315, 320 Inkarnation 119, 154, 230, 239, 262 f., 282, 285, 301, 306, 413, 425 Inklusivismus, inklusivistisch 331, 352, 364, 465, 480 Inkulturation 350 f., 487

Inspiration (allgemein) 73, 78, 85, 88 f., 98, 100, 101, 164, 194, 254, 444, 457, 466, 478, 490 Institutionalisierung 56, 60, 114, 250, 263, 330 f., 369, 374, 401 Intention 23, 120, 126 – 128, 201 f., 217, 255, 271, 273 – 275, 277, 287 f., 290, 354, 434, 441, 475 Interdependenz 407, 475 Interdisziplinärer Arbeitskreis Pfingstbewegung (IAKP) 15, 55 interkulturell 45, 483 Interpretation (allgemein) 20, 23 – 25., 30, 69, 74, 76, 80, 83, 91 – 93., 99, 108 – 112, 118, 123 – 131, 135, 138, 164, 166, 178 f., 181, 185 f., 189 f., 198, 201, 218, 230 – 238, 242, 253 – 256, 260 f., 269, 280 – 283, 299 f., 307, 311 – 316, 323, 325, 332, 348 f., 358, 360, 362, 372, 393, 412, 418 – 421, 444, 474, 476, 481 f., 489 –, -sprozess 474 –, -srahmen 23, 323 Intersubjektivität, intersubjektiv 27, 273 f., 475 Intoleranz (siehe Toleranz) Irrtum, Irrtumslosigkeit 28, 120, 162, 177, 179 f., 425 Islam 154, 292, 385, 487 Israel 74 – 76, 80, 89 f., 130, 232, 234 – 238, 312, 314, 322, 334, 347, 368, 370, 374 – 377 Jerusalem 70, 80, 83 – 87, 142 f., 314, 378, 470 Jesus, historischer 476 Johannesevangelium (siehe auch Bibelstellenregister) 79, 87, 130, 194, 232, 239, 277, 315, 407 Johannesapokalypse (siehe auch Bibelstellenregister, Offenbarung) 24, 62, 313 Juden, jüdisch 73 f., 76, 85, 89, 94, 195, 235, 245, 253 – 255, 304, 315, 318,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sachregister 330 f., 340, 350, 361, 363, 368, 378, 385, 396, 487 Judentum 79, 82, 89, 368, 385, 478, 490 Ju¨nger 19, 70 f., 73, 75 – 84, 87 f., 90, 96, 160, 197, 233, 250, 252, 258, 261, 238, 314 f., 318, 374, 377, 418, 439, 444, 460 Jüngerschaft 75, 81, 83, 298, 318, 444 Jungfrauengeburt 112 Kairos, kairotisch 251, 258, 468 Kämmerer 77, 455 Kampf, geistlicher 59, 455 f. Kanon, biblischer 130 164, 230, 304, 376, 410, 447, 466, 474 kartesianisch 285, 488 f. Katechismus 392 katholisch pfingstlich 298 f., 428 Katholizita¨ t 431 f., 436 f., 441, 445 Kenosis 34, 373 f. Kerygma (siehe Verkündigung) Kirche –, Frei- 50, 56, 262, 410, 416, 430 – 432, 434, 438, 443, 444 – 446 –, -nbegriff 50 f., 53, 408 –, -ngeschichte 162, 207, 358, 393, 410 f., 430, 441 –, -nkonzil 165, 166, 389, 409, 420 –, -nväter (siehe Patristik) –, -nverfassung 165 f., 433 –, -nverständnis 51, 53, 414, 439 –, Pfingst- 29, 47, 50, 54, 59, 61, 102, 140, 145, 214, 266, 339, 405, 438 –, Ur- 217, 363, 437 Klerus 262, 390, 406, 444 Kognition, kognitiv 36, 57, 308, 328, 395, 465, 477 f., 489 Koinonia 50 f., 312, 318, 334, 438, 461 Kolonialismus 139, 28, 36, 63, 139, 149, 293, 487 Kommission für die Reinheit der Lehre 166, 192 f., 207 Kommunikation 170, 273 – 279, 282, 346, 395, 445, 475

547

Kommunion (siehe Abendmahl) Kommunitarismus, kommunitär (siehe Gemeinschaftlichkeit) Komparativismus 483 Konfuzianismus, Konfuzianist, konfuzianistisch 475, 487 konservativ 22, 44, 111 f., 139, 298, 358, 370 388, 390 f., 397 konstantinisch, Konstantinismus 49, 358, 363 – 367, 369 f., 373 Konsubstanzialität 322, 324 Kontextualisierung, 60, 63, 487 Kontrolle 98 f, 101, 103, 105, 169, 204, 252, 341 – 343, 364, 376, 485 Kontrollosigkeit (siehe Kontrolle) Konversion (siehe Bekehrung) Korea 26, 140 142 f, 145, Korinth 18, 94, 96 – 106, 164, 177, 199, 277, 317, 444, 447 Kosmologie (siehe auch Kosmos) 38, 117, 332 Kosmos (siehe auch Kosmologie) 237, 241, 461, 473 f., 476 Kraft (siehe auch Geist, Kraft des) 38, 79, 82, 94 – 97, 155, 164, 187, 306 – 335, 388, 401 – 405, 442, 451 – 463 Krankheit (siehe auch Heilung) 35, 149, 153, 427, 434 f., 457 Kreatur (siehe Geschöpf) Kreuz 34 f. 81, 96 f., 106, 148, 159, 170, 182, 216, 220 f., 228, 230 f., 291, 321, 345, 349, 355, 363, 420, 437 Kreuzestheologie 34 f. Kriegsdienst 49, 359, 361 f., 371 f. –, -verweigerer 359, 362 Krise 52, 58, 170, 185, 307, 343, 347, 391, 455, 460 Kritische Theorie 43, 48, 268, 339 f. Kultur (allgemein) 25 f., 28, 41, 43, 45, 49, 5, 60, 107, 110, 115, 117, 121, 125 f., 130 – 132, 138 f., 143 f., 150, 152 – 154, 157, 267, 280, 293 f., 309 – 311, 330, 333, 342 – 344, 351 f., 357 f.,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

548

Sachregister

367, 370, 387, 389 f., 415 f., 457, 463 f., 478, 483, 487, 489 –, (afro-)amerikanische 126, 144, 367, 370, 389 –, Gegen- 49, 262, 293, 415 –, kulturelle Distanz 121, 125, 131 –, Sub- 309, 358 –, westliche 117, 130, 139, 154, 342 Kunst 281, 294, 329, 441, 474 Laie 94, 168, 262, 389 f., 406 Lateinamerika 13, 44, 59, 110, 137, 140, 146, 148 f., 158 f Lausanner Bewegung 455 f. Lehramt 163 – 166, 194, 205, 207, 421 Lehrautorität 12, 408, 427, 446 Lehrentwicklung 203, 409 – 412, 427 Lehrwahrheiten 388, 394 Leib (siehe auch Christus, Christi Leib) 35, 96, 104, 146, 167, 285, 317, 360, 386, 388, 401, 406, 413, 413, 417 f., 420 f., 423 – 426, 428, 431, 469 f. Leid 79, 96, 106, 331, 334, 422, 434, 453 f., 462 Leiterschaft 29, 84, 115, 145, 147, 150 – 152, 157 f., 164, 176 f., 188 f. 191, 199, 201, 203 f., 222, 352, 358, 366, 388 f., 391, 405 f., 415, 434, 438, 444, 453 letzten Tage, die 312, 317 f., 374, 425, 453, 467, 469 f. lex orandi lex credendi 33, 53, 415 Liebe (allgemein) 20, 40, 50, 81, 88, 95, 105 – 107, 153 – 155, 157, 172, 189, 192, 314 – 316, 318, 320, 323, 325 f., 329 – 331, 334 – 336, 348, 360, 404, 407, 418, 434, 445, 454, 456, 458 – 460, 462, 472 –, Feindes- 314 –, Nächsten- 314 f. linguistic turn 279 Lingustik, linguistisch (siehe Sprachwissenschaft) Literarkritik 23, 119, 130, 236 f., 375

Liturgie 32 f., 53, 250, 252, 262, 264 f., 416 Logos 473 – 475 Los Angeles 46, 138, 142, 145, 147, 171, 181, 430 Loyalität (Obrigkeit) 196, 200, 299, 312, 227, 359 – 362, 369, 372 lukanisch, Lukas (siehe auch Bibelstellenregister) 19 – 21, 69 – 92, 128 – 130, 254 – 256, 299, 300, 312, 315, 317 f., 325, 468, 471 Luther-Agricola-Gesellschaft 54, 228, 431 Lutheraner, lutherische Kirche 37, 55 – 57, 135, 246, 428, 433 – 435, 437, 444 Macht 53, 55, 71, 74, 76, 78 – 81, 84, 87 – 89, 94, 96, 101, 104, 106, 139, 152 f., 155, 158, 162, 200, 205, 229, 257, 60 267, 278, 291 – 293, 308, 311, 314, 326, 329 f., 344, 352, 363 – 365, 383, 403, 419, 423, 443, 481 magisterium ecclesiae (siehe Lehramt) manifest destiny 139 Marxismus 139, 292 – 294, 298, 339 f., 349 Materialismus, materialistisch 116, 388 Matthäusevangelium (siehe auch Bibelstellenregister) 130 Memphis Miracle 47 Menschheit (allgemein) 65, 167, 228 – 231, 241, 250, 290, 292, 312, 339 – 341, 344 f., 349 – 353, 360, 368, 377, 402 f., 407, 425 f., 436 f., 468, 470, 474, 479 f. –, göttliche 413 f., 417 –, menschliche Natur 30, 310, 352 f. –, neue 228, 315 – 320, 323 – 326, 329 f., 332, 334, 336 Menschlichkeit 259 Messias (siehe Salbung) Metapher, metaphorisch 41, 91, 122, 212, 274, 303, 318, 322, 324, 329, 391, 472 f., 488

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sachregister Metaphysik, metaphysisch 243, 261, 272, 303, 321, 475 Methode, Methodik, methodisch (siehe auch Methodologie) 15 f., 22 f., 31 – 33, 38, 42, 52 f., 107 f., 114, 121 f., 129 – 132, 182, 222, 253, 301, 303, 313, 321, 340 f., 350, 367, 385, 390, 392, 394 – 401, 407, 410, 441 f., 452, 461, 464 f., 473, 476 f.,479 – 481 Methodenkanon (siehe auch Methodologie) 16, 22 Methodismus 27, 37, 145, 147, 214, 216 Methodologie, methodologisch (siehe auch Methode) 16, 22, 44, 65, 129, 213 – 215, 268 f., 464, 481 Missbrauch 97, 119, 344 Mission –, -sbewegung 61, 451, 460 –, -sverständnis 21, 59, 456, 459 –, -swerk 444, 462 –, missio dei 401, 454 f. –, Missiologie, Missionstheologie 20, 50, 59 – 63, 73, 83, 88, 464, 490 –, Missionar 28 f., 139 f., 143 – 158, 169, 188, 383, 401, 456, 460 f. Missionary Rest Home 188 f. Mitgliedschaft 76, 432 Mittelalter 215, 220, 243, 333 Moderne (siehe auch Modernismus) 107, 111, 121, 122 f., 126, 293, 386 – 389, 409, 415 Modernismus 24, 107 – 116, 120 f., 132, 196, 388 f. Monotheismus 478 Moral, moralisch (siehe auch Ethik) 45, 64, 200, 228, 297 – 305, 308, 312 – 316, 318 – 335, 354 – 356, 358 f., 362, 365, 368 f., 375, 475, 477, 479 f., 489 –, -psychologie 320, 322 –, -theologie 45 –, -theorie 45, 297 f., 321 Multidisziplinarität 488 Muslim (siehe Islam) Mysterium 100, 103, 233, 239, 274, 277,

549

281 f., 306, 309, 315, 317, 324, 345, 395, 448, 455, 472, 490 Mystik 131 Mythen, mythisch 116, 137, 237 f., 341, 351, 479 Nächstenliebe 314 f. Nachzeitigkeit, nachzeitig 31, 69 f. 73 f., 83 f., 127, 169, 175, 180, 192, 194 f., 195 Naherwartung (siehe auch Parusie) 32, 59, 61, 453 National Association of Evangelicals (NAE) 191 f., 206, 370, 386 natürlich, Natur (siehe auch übernatürlich) 107, 131, 137, 184, 187, 272, 277, 289 f., 300, 310, 329, 341 f., 363, 451, 471, 477 Naturwissenschaft (siehe Wissenschaft) neo-pfingstlich (siehe dritte Welle) Neues Testament 18 – 21, 23, 97, 117, 120, 124 f., 128 f., 160, 162 f., 170, 233, 236, 239, 256, 269, 281, 288, 300, 304, 306, 314 f., 347, 356 – 358, 364, 372, 374 f., 384, 392, 406, 433 – 435, 441, 444, 446 f., 453, 474 Neugeburt, von neuem geboren (siehe Wiedergeburt) Neuschöpfung (siehe Schöpfung) Nigeria 140, 143, 152, 461 Nordamerika 13, 18, 26, 28, 43, 48, 61, 107, 136 – 144, 148 – 151. 214, 355, 359, 385 f., 389 – 391, 400, 426 Normativität 128, 310, 446 Norwegen 135, 144, 147 notae ecclesiae 532, 431, 436 Objektivierung 218, 252, 258 Objektivismus 126, 397 Objektivität 111, 264, 349, 473 Odem (siehe Hauch) Offenbarung 24, 33, 82, 89, 92, 124, 132, 146, 165,170, 282 f., 315, 331, 345, 393, 395 f., 414, 417, 469

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

550

Sachregister

–, – in Jesus Christus 278, 312 f., 324, 331, 334, 375, 394, 396, 435, 472, 476 –, Privatoffenbarungen 427 –, Selbstoffenbarung Gottes 51, 74, 76, 79, 81, 87 f., 91, 251, 258, 263, 303, 307, 312 f., 326, 375 –, spezifische und natürliche 477 –, – und Geist 87, 100, 119, 416, 423, 472 –, – und Schrift 118, 120, 124, 203, 333, 395 f. Ökologie 38, 45, 49, 347, 351, 460 Ökonomie 36, 63, 292 f., 329 f., 333 f., 340, 357, 378, 420, 425, 474 Ökumene 11, 15, 32, 50, 54 – 58, 264 f., 447 –, ökumenische Bemühungen 384, 427 –, ökumenische Ekklesiologie 57 f. –, o¨ kumenische Konsenspapiere 434 –, o¨ kumenische Konvergenz 16, 446 –, o¨ kumenische Theologie (siehe Theologie) –, o¨ kumenischer Dialog 11, 32, 50, 54 – 58, 264 f., 431 – 440, 447 –, Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK) 55, 426, 453 –, ökumenisches Glaubensbekenntnis 410, 421, 428 Omnipotenz 455 Omnipräsenz 79, 81, 239, 311, 467 Oneness-Pfingstler 55, 168, 259, 366 Ontologie 31, 38, 52, 122, 124 f., 243 f., 280, 285, 305, 329, 412, 414, 465, 475, 479 –, – der Kirche 52 f, 412 Ordination (siehe auch, Theologie, Ordinations-) 110, 113 – 115, 164, 206 f., 338, 345 – 347, 383, 434, 446 ordo salutis (siehe Heilsordnung) Orthodoxie 37, 55 f., 212, 270, 383, 391, 394, 409, 411 f., 415, 418 f. 421, 427, 485

Ortsgemeinde 53, 108, 125, 167, 416, 459, 460, 461 Ostkirche, orthodoxe 37, 55, 62, 165, 212, 422, 428, 430 f, 435, 437, 478, 481, 487 Pantheismus 348, 413 Papst 54, 389, 438 Parochialismus 387, 489 Parusie 59, 61, 75 139, 153, 162, 254, 263, 386, 423, 452 f. Pastor 16, 113 – 115, 140, 149, 151, 157 f., 164, 180. 185 f. 191, 195, 206, 222, 288, 297, 371, 390, 402, 406, 482 Paternalismus 150 f., 157 Patriarchat 339, 340, 343, 349 Patriotismus 49, 354, 365, 367, 370 Patristik 408 – 411, 472 f. Pazifismus 49, 355 – 362, 366 – 371, 374 f. Pentecostal Assemblies of Canada (PAOC) 337 – 339, 345 – 347 Pentecostal Evangel (ehemals Christian Evangel, Weekly Evangel) 173 f., 178, 181 f., 186 f., 189, 193, 197 f., 203 Pentecostal Missionary Union (PMU) 152, 154, 156 f. Pentecostals and Charismatics for Peace and Justice 49 Perichorese 33, 51, 407, 473 Pfingstbewegung, klassische 15, 26, 31, 37, 40, 56, 69, 109 f., 113, 136 f., 140, 144 f., 147, 149, 151, 159, 168, 212 – 214, 221, 226, 249, 253, 257, 266, 323, 438, 470 Pfingsten (allgemein) 19, 22, 33, 58, 61 f., 72 f., 80, 145 f., 162, 168, 170, 178 f. 198, 213 f., 227, 230, 253, 256, 263, 312 – 317, 325, 358, 375, 377 – 379, 423 – 425, 439, 468 – 470 –, Pfingstereignis 33, 71, 312 f., 317 f., 325, 374, 470 –, Pfingsttag 168, 170, 253, 263, 423, 468, 470

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

551

Sachregister –, Pfingstwunder 22, 188 Phänomenologie, phänomenologisch 16, 43, 64, 98, 117, 120 f., 124, 136, 177, 268 – 271, 278 – 280, 479, 482 Philippinen 12, 141, 142 Philosophie 33, 39, 41, 43, 45, 108 – 112, 115, 117, 122, 161, 243, 258, 267 – 271, 279 – 280, 283, 285, 290 f., 297, 320, 326, 331, 339 – 342, 349 f., 365 f., 368, 370, 373, 468, 475, 482, 484 –, Sprach- 43, 267 – 271, 279, 281, 283, 291 Pietismus 35, 109, 250, 391 f., 400, 428 Pluralismus 64, 121, 125, 244, 329, 465, 479, 489 pneumatisch 23 f., 27, 33, 52, 109, 117 – 119, 121, 123, 125, 131, 263, 300, 306, 312, 443 Pneumatologie (allgemein, siehe auch Geist) 12, 17, 19 – 21, 23 f., 27, 29 f., 32 – 40, 45, 49 – 57, 62, 64, 69 – 74, 78, 81 f., 89, 91 f., 109, 117 – 119, 121, 123, 125, 131, 211 – 213, 215, 217 – 221, 223 f., 226 – 233, 238, 242 f., 263, 300, 306, 312, 340, 399, 402, 410, 411, 424 – 426, 428, 434 f., 443 f., 464 – 490 –, Fundamental- 33, 474, 487 –, Religions- 485 Politik 36, 43 – 45, 54, 63, 126, 131, 139 f. 156, 199 f., 291, 293, 297 – 299, 313 f., 326, 329 f., 333, 336, 339 – 341, 358, 363, 365, 368, 378, 391, 408, 410, 428, 474, 477 Positivismus 111 f., 116 f., 121 – 123 Postkolonialismus, postkolonial 28, 36, 63, 487 Postmoderne 24 f., 107 – 117, 121 f., 124, 126, 129 – 132, 160, 308, 352, 391, 396 f., 409, 415, 464, 487 f. Poststrukturalismus 45, 131 Pragmatik 51, 59, 62, 109, 185, 202, 212, 270, 359 f., 408, 486, 488 f. Pragmatismus (siehe Pragmatik) Prämilleniarismus 27, 137, 143

Prediger 46, 97, 108, 113, 115, 119, 210, 147 – 149, 151, 181, 185, 187, 203, 217, 224, 338, 361 Predigt (siehe Verkündigung) Presbyterianer, presbyterianische Kirche 18, 120, 145, 384, 388 Presbyterium 120, 166, 175 – 177, 179, 181, 193, 203, 206 f., 225, 371, 446 Priestertum aller Gläubigen 51 Profanisierung, profan 305, 311, 477, 480 progressiv 22, 363, 397, 460 Prophet 22, 85, 98, 101, 167, 312, 314, 331, 340, 348, 363, 368, 389, 418, 469, 471 Prophetie 19, 22, 40, 70, 72 f., 82 f., 85, 87 – 90, 92 f., 98, 101 – 104, 146, 151, 167, 281 f., 311 – 314, 331, 336, 340, 348, 354, 363, 368, 374, 384, 389, 418, 469, 471 Proselytismus 50, 54 Protestantismus, protestantische Kirche 11, 13, 31, 37, 51, 56 f., 140, 145, 212 – 222, 228, 229, 251, 258 f., 261, 298 f., 310 f., 323, 342, 365, 369, 383 f., 390, 392, 394, 396, 401 f., 408, 411 f., 414 – 416, 421 – 424, 426 f., 445 – 447 Psychologie 42, 124, 138, 309, 320, 322, 332, 481 Quellenkritik

130

Rasse, Rassismus 29, 46 f., 131, 135, 138, 144, 151 – 153, 155 f., 159, 262, 315, 325, 331, 334, 359, 475 Rationalismus 60, 105, 131, 253, 285, 340 f., 344, 356, 395 f. Rationalität (siehe Vernunft) Realismus 51, 59, 294, 328, 340 Realita¨ t (siehe Wirklichkeit) Recht (siehe Gerechtigkeit) Rechtfertigung 20, 30, 34, 37, 55, 73 f., 81, 212 – 219, 222 – 224, 227 – 231, 277, 302 – 304, 308, 375, 405,440

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

552

Sachregister

–, -slehre 37, 55, 405 Redaktionsgeschichte 22, 363, 397, 460 Redaktionskritik 22, 108, 128, 130 Rede, inspirierte 73, 88 f., 98, 100, 101 Redeemed Christian Church of God (RCCG) 45 Reduktionismus 61, 283, 285, 414 Reformation 165, 213, 214 – 217, 220, 250, 222, 261, 310 f., 342, 390, 392, 394 f., 401 f., 405, 410, 420, 447 Reformierte Kirche 55 f., 107, 214, 216 – 218, 222 – 225, 250, 252, 258 f., 261, 265 f., 370, 392, 397, 436 regula fidei (siehe Glaubensregel) Reich Gottes 33, 49 – 52, 60 – 63, 74 – 77, 80 f., 87, 232 f., 253, 261, 263, 310, 314, 359 f., 362, 364, 368, 373, 376, 379, 393, 402, 404, 436 f., 451 – 455, 458, 462 f., 470 – 472, 476 Relationalität 37, 50 f., 332, 349, 399, 403, 472 – 474, 478 f., 490 Relativismus 25 Religion –, -sgeschichte 28, 478 –, -swissenschaft (siehe Wissenschaft) –, interreligöser Dialog 19, 45, 58, 64, 411, 449, 483, 486, 488 – 490 –, religiöse Tradition 280, 455, 478, 489 –, Religiosität 145 –, Weltreligionen 293, 464 Restaurationismus 356 – 358, 360, 362, 366, 369, 374, 387, 440 f. –, Restaurationsbewegung 49, 112, 355, 440 Revisionismus, historischer 29, 197, 199 f. Ritual 39, 118, 138, 152, 155, 196, 261, 264, 333, 341, 479 Ritus 84, 90, 130, 252, 401, 420 römisch-katholisch, Ro¨ misch-Katholische Kirche 50, 54, 56 – 58, 155, 165 f., 207, 228, 358, 363, 383 f., 405, 409, 419, 421 f., 430, 432 – 448, 458

Rosenkreuzer 484 Ruach (siehe Hauch) Sabbat 236 – 238, 241, 243 – 245 Sakrament 30, 41 f., 51, 56 – 58, 220, 249 – 252, 255 – 266, 288 f., 301, 306, 311, 371, 420, 430, 439, 443, 445, 478 –, -enlehre 30, 56 f. Säkularisierung, Säkularismus 15, 136, 199, 311, 329, 342, 373, 390, 414 f. Salbung, Gesalbter 74, 80, 87, 90, 96, 253 f., 378, 473, 477 Samarien, Samaritaner 20, 69, 71 – 86, 90 – 92, 446 Satan 153 – 155, 455 f., 478 Schalom (siehe auch Frieden) 314, 316, 323, 330, 336 Scholastik 31, 37, 213 – 219, 221 f., 227, 229, 243, 250, 394, 396, 398, 411 Schöpfung –, -sakt 244 f. –, -sbericht 37, 234 – 236, 467 –, -slehre 233, 238, 245 –, -sspiritualität 426 –, -stheologie 38, 118, 122 f., 131, 240, 257, 264, 271, 307, 311, 320, 331 f., 472 –, creatio continua 38, 244 f. –, endgültige / vollendete 62, 99, 104 f., 236, 301, 466, 470 f. –, neue 34, 228, 230 – 233, 239, 261, 264, 301, 466, 468, 470 f. Schrift –, -auslegung (siehe auch Interpretation) 25, 30, 83, 91 –, -verständnis 54, 392 –, Heilige 22 – 25, 54, 60, 94, 107 – 109., 112 f., 116 – 120, 122 – 125, 128 f., 131, 161 f., 165, 167, 174, 177, 185, 188 f., 192, 194 f., 201, 203, 221, 234, 263, 283, 306, 312 f., 319, 323, 336, 349, 356 f., 360, 362, 373, 384, 386 – 388, 392 – 397, 399, 402, 410 f., 413, 418 f., 444 – 446, 466, 470, 473, 477

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sachregister –, -inspiration 108, 118 – 120, 125, 127, 167, 174, 360, 372, 387, 473 f. Schwachheit 22, 94 – 97, 104 – 106, 160, 278, 331, 365, 421, 478 Schwärmerei, Schwärmer 56, 421 Schweden 140, 148 Seele 35 f., 170, 182, 188, 198, 216 f., 251, 260, 272, 274 – 276, 294, 320, 245, 348, 393, 452 Segen 86, 90, 98, 173 f., 220, 234 f., 237, 241, 365 Sein 62, 243, 303 – 305, 332, 350, 403 f., 413, 475 –, -sgrund 480 Sekte 167, 177, 319, 343, 361, 440 Selbstverständis 29, 103, 164, 355 f., 360, 374, 439 Semiotik, semiotisch 130, 270 f., 277 – 279, 283 – 285, 477 Sexismus 131 Sexualität 343, 347 Shepherding-Bewegung 52 Sittlichkeit (siehe auch Moral) 46, 298 302, 304 – 306, 310, 312, 320 – 336, 363 Social-Gospel-Bewegung 358, 367 f. Society for Pentecostal Studies 15, 55, 202, 206, 212 Sohn (siehe Gott, Gott-Sohn) sola scriptura 165, 203, 409 f., 419 Solidarität 21, 324 f. Soteriologie 17, 20, 29 – 31, 33 – 37, 40, 44, 51, 62 – 64, 71, 73 f., 78, 81, 83, 88 f., 92, 212 – 231, 233, 392, 400 f., 465 f., 475, 477 –, pneumatologische 34, 37 –, soteriologisches Paradigma 31, 211 – 223 Souveränität 32, 39, 56, 84, 167, 254, 259, 363, 394, 443 sozialpolitisch (siehe gesellschaftspolitisch) Sozialwissenschaft (siehe Wissenschaft) Soziologie 11, 42, 53, 107, 116, 130,

553

135 f., 292, 333, 384, 408, 414, 416, 424, 481 Spiritualismus 484 Spiritualität 16, 29, 31 f., 40, 61, 94, 143 f., 207, 259 f., 265 f., 307, 384, 390, 396, 416, 426, 428, 433 f., 459 f. Spontaneität 58, 143 – 145, 149, 252, 262, 264 f., 300, 366, 405 Sprache 42 f., 59, 98, 101, 117 f., 157, 161 f., 169 f., 172 f., 176 f., 186, 189, 213, 227, 234, 242 f., 251, 257, 262, 267 f., 270 – 282, 284 – 294, 299 f., 307 – 309, 311, 319 f., 327, 330, 359, 375, 378, 289, 392 f., 415, 440, 487, 490 Sprechakttheorie 43, 268, 270, 278, 283 – 291 status quo 44, 331, 454 Sterben (siehe Tod) Stückwerkhaftigkeit 33, 490 Studienkommission, katholische 433 f. Subjektivismus 56, 260, 266 Subjektivität 30 f., 34, 37, 126, 203, 215 – 225, 229 f., 242, 260, 322, 332, 415 f., 430 f., 467, 473, 475, 488 Subordination des Geistes (siehe Geist) Südafrika 47, 141, 143 f., 151, 156 Sukzession (siehe Apostolizität) Sünde 46, 73, 75, 87, 153, 161, 170, 182, 193, 216, 224, 228 f., 231, 245, 345, 349, 352, 358, 359, 366, 377, 399, 403, 405, 407, 443, 469, 476, 479, 490 Surrealismus 294 Symbol 42, 57, 154, 183 f., 249, 251, 255, 258 – 260, 264, 293, 300 f., 305, 316, 319 – 326, 330 – 333, 336, 347, 363, 470, 472, 479 f., 483, 488 Synkretismus 487 Tag des Herrn 74, 75 167 Taufe (siehe auch Geist, Geisttaufe) –, -Taufformel 168 –, Wasser- 19, 46, 69, 71 f., 76 f., 84,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

554

Sachregister

90 f., 151, 189, 219, 230, 249, 252, 261, 420, 433 f., 447,457, 468 Teilhabe 39, 46, 62, 244, 258 – 259, 262 – 263, 305, 310, 315, 318, 324 – 329, 332, 345, 354, 360, 375 – 376, 434, 462 Teleevangelist 421 Tempel 74, 86, 154 f., 417, 423, 425, 468 Territorialgeister 427 Teufel (siehe Satan) Theismus 483 Theodizee 35 Theologie –, Auferstehungs- 36 –, Befreiungs- 37, 44, 131 –, biblische 25, 42, 48, 62, 472 –, – der Hoffnung 37 –, – der Religionen 64, 464, 466, 472 – 490 –, – des dritten Artikels 212, 239 –, Fundamental- 33, 36, 43, 64 –, komparative 482 f. –, Kreuzes- 35 –, Missions- 57, 59 – 63 –, narrative 20, 38, 32 –, ökumenische 259, 432 –, Ordinations- 434 –, pfingstlich-charismatisch 12 f., 16 – 24, 27, 29 – 37, 39, 41, 43 f., 49, 51, 56, 60 f., 64, 69, 108, 128, 138, 196, 211, 218 – 220, 231, 256, 261, 263, 392, 396 – 398, 400, 410 –, Reich-Gottes-Theologie 60, 63 –, systematische 20, 25, 29, 30 – 52, 61 f., 211, 226 f., 302, 392 – 399, –, theologia experimentalis 38 –, -methode 31 – 33, 38, 52 f. –, trinitarische / Trinitätstheologie 399 – 402, 407, 464, 466, 472 – 484 Theophanie 56, 256, 263 Theosis 37, 55, 212 Theosophie 484 Tibet 152, 155

Tod (siehe auch Christus, Christi Tod) 35, 153, 158, 360, 362, 377, 379, 467 Toleranz 45, 154, 171, 173, 180 f., 207, 328, 389, 390 Tradition, Traditionen 17, 21, 23, 29, 32 f., 43, 52, 54, 56 – 58, 61, 91, 99, 139, 150 152, 160 – 208, 211, 216, 218 f. 222 – 224, 226. 234. 243, 245, 250, 252, 256, 258, 262, 265 f., 270, 279 f., 283, 285, 299, 303, 311, 314, 319, 324, 329, 335, 358 f., 370, 384, 393, 397, 406, 409 – 412, 417 – 419, 422 f., 426 – 430, 434, 436, 439 – 445, 473 f., 478 f., 481 – 484, 486 f., 489 Transjektivität 38, 242, 244 Transzendentalismus 139, 412, 484 Transzendenz 38, 118, 122 f., 131, 240, 257, 264, 271, 307, 311, 320, 331 f., 472 Trinität 20, 33 f., 36 f., 39, 50 f., 51, 53, 55 f., 64, 81, 154, 165, 168, 171, 193, 228 f., 231, 279, 392, 399 – 404, 407, 410 – 414, 417, 420, 423 – 425, 428, 431, 456, 464, 466, 468, 472 – 478, 481, 484 Tritheismus 473 Triumphalismus 35 f., 39, 59, 94, 97, 149 Tröster 399 Tugend 70, 298, 312, 322, 455, 486 Typologie 14, 91, 109, 128 f., 468 f., 477

Überlieferung (siehe Tradition) übernatürlich 42, 102, 107, 112, 131, 145, 282, 309 f.. 329, 375, 388 Umkehr (siehe Buße) Unendlichkeit (siehe auch Endlichkeit) 32, 38, 310, 359 Unfehlbarkeit 191 f., 310, 386 f. Unglaube 363, 460 Unterdrückung 74, 88, 101, 126, 204, 293 f., 307, 313, 316, 323, 325, 330 f., 334, 342, 344, 350, 353, 384, 404 Urkirche (siehe Kirche) USA 15, 26, 46 – 49, 52, 107, 110, 114,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Sachregister 137 – 142, 148, 159, 163, 168, 187, 198, 272, 294, 338, 356, 359, 361, 365 – 370, 372, 384 f., 390 – 392 Vatikanische Konzilien 165 f., 389, 447 Venezuela 147 Verbalinspiration (siehe Inspiration) Vereinigungskirche 419 Verheißung 71, 80, 82, 89 f., 95, 182, 186, 188, 230, 234, 236 f., 240, 243, 245, 317, 325, 351, 374, 378, 388, 411 Verherrlichung (siehe Herrlichkeit) Verkündigung 22, 35, 46, 49, 51, 60, 69 f., 74 f., 78 f., 84 – 86, 90, 96 f., 108, 113 – 115, 119 f., 127, 147 – 149, 151, 161 f., 164, 169, 180 f., 184 f., 187, 189, 203, 207, 216 f., 224, 227, 239, 254, 261, 301, 303, 313 – 315, 317, 323, 338, 345, 349, 361, 374, 378, 393, 400, 403 f., 418, 420, 423, 434, 436, 441 f., 444, 453, 458, 460, 468 – 470, 486 Vernunft 23 f., 48 f., 54, 56, 60, 105, 107,117, 121, 131, 250, 253, 264, 270, 285, 293 f, 303, 308, 311, 319 f., 339 – 344, 349 – 353, 356, 372, 389, 394 – 398, 473 – 475, 487, 489 Versöhnung 46, 61, 74 f., 81, 204, 212, 223, 225, 231, 331, 334 f., 343, 446 Verstand 24, 103, 105, 116, 285, 287, 351 Volk (allgemein) 179, 242, 470 –, – Gottes 53, 62, 73 f., 80, 130, 304, 312, 316, 318, 327, 377 – 379, 401 – 407, 421, 434, 444, 453 f., 468 – 470 –, Völker (siehe auch Heiden) 53, 179, 234, 237, 242, 304, 312, 335, 368, 376 – 379, 396, 406, 421460, 463, 468, 470 Vollendung 35, 62, 94, 104 f., 205, 236, 312 f., 319, 437 vorkritisch 108 f., 114 f., 122, 131 Vorletztlichkeit 41 f., 52, 277, 317 Vorsehung 28, 137, 144, 349, 370, 466 f., 476, 485, 490

555

Wachstum 15, 40, 59, 107, 140, 148, 151, 177, 191, 203 f., 223, 292, 294, 336, 340, 348, 367, 369, 451, 454 – 457, 460 – 462 Wahrheit (allgemein) 29, 33, 53, 112, 120, 122, 126, 143, 151, 162, 171, 183, 194, 200, 207, 236, 272, 280, 303, 311, 320 f., 332, 388, 393, 407, 415, 417 f., 421, 423, 425 f., 435 f., 466, 484 – 490 –, -sanspruch 302 f., 342 –, -sbegriff 42, 486 –, fundamentale 120, 168, 174, 179 f., 191 Waldenser 55 Wales 26, 145, 187 Wasser 19, 46, 90, 152, 187, 189, 219, 237 f., 240 – 245, 345, 367, 467 f., 487 f. Wehrdienst (siehe Kriegsdienst) Weisheit 73 f. 76, 82, 87, 89, 92, 86, 96, 106, 125, 460 Weltanschauung 23, 107, 111, 115 – 117, 122, 155, 283, 285, 349, 351, 488 f. Weltmission (siehe Mission) Wesleyanisches Quadrilateral 397, 473 Widerstand 43, 105, 154, 267, 269, 285, 291, 293 f., 406, 442, 456 Wiedergeburt, wiedergeboren 194, 216, 222, 225, 232, 400 f. Wiederkunft Christi (siehe Parusie) Wille –, Gottes 309, 314, 339, 36, 363, 365, 395, 476 –, menschlicher 76, 169, 223, 225, 304, 312, 365, 395 Wirklichkeit 11, 22, 25, 33, 39, 96, 107, 112, 116 f., 121 – 124, 182, 184, 198, 205, 233, 241, 243 f., 251, 258, 264, 278, 287, 294, 298, 300, 305 – 311, 313 f., 316, 319 f., 322 f., 326, 328, 330 – 334, 351, 373, 376, 379, 383, 391, 408, 412, 422, 429, 436, 445, 453 f., 473, 475, 478 – 482, 486, 488 Wissenschaft (allgemein) 15, 32, 41,

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

556

Sachregister

54, 58, 64, 108, 109, 115 f., 122, 199, 201 f., 204, 206 f., 234 f., 257, 269 – 271, 209, 311, 323, 330, 332, 339, 341, 352 –, -sgemeinschaft 107, 110, 199, 201 –, -stheorie 38 –, Bibel- 114 f. –, Human- 116, 118 –, Kultur- 41 –, Missions- 28, 136 –, Natur- 38 –, Religions- 11 f., 15, 27 –, Sozial- 15, 42, 52, 292 –, Sprach- 41 f., 119, 126, 202, 242, 278, 288, 294, 300 f., 305, 309 f. –, Verhaltens- 41 f. Wissenstheorie 25 Wohlstandsevangelium 36 Wort Gottes 113, 118 f., 127, 160, 165 f., 203, 217, 238, 240, 242, 244, 313, 360, 372, 403, 406, 418, 445, 467, 473 f. Wort-des-Glaubens-Bewegung 15 Wunder 27, 76, 82, 263 f., 266, 277, 307, 378, 469

Xenolalie 291

41 f., 59, 168, 268, 276 f., 287,

Zeichenbegriff 42, 272 Zeit (siehe auch Nachzeitigkeit) 33, 62, 104, 116, 162, 195, 243, 351, 374, 452, 470 f., 480 Zerrissenheit 31, 159, 458 Zeugen Jehovas 419 Zion Church (Christian Catholic Church in Zion) 151, 176 Zungen –, -auslegung 93, 98, 101 – 103, 277 f., 28 –, -gebet 94, 98 – 100, 103 – 106, 276, 278, 289, 309 –, -rede 17, 21 f., 29 f., 33, 40 – 46, 54, 56 – 58, 61, 63, 82, 90, 93 f., 97 – 106, 124, 127, 144, 146 – 148, 151, 166, 168 – 190, 192 f., 195, 197, 199, 201, 203, 205 f., 214, 221, 225 f., 249 – 272, 274, 276 – 278, 281 – 285, 287 – 291, 293 f., 297 – 302, 305 – 311 313, 315 – 320, 324 – 330, 335 f., 367, 378, 386, 398, 400, 453

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibelstellenregister

Genesis 1 117 1,1 236 f. 1,1 – 3 472 1,1 – 2,3 233 – 240, 243, 245 1,2 237 f., 283, 467 1,3 238, 467 1,9 245 1,11 244 f. 1,12 237 1,14 ff. 237 1,20 237, 244 1,24 237, 244 1,24 – 25 245 1,26 f. 403 1,26 – 31 237 1,27 f. 244 2 347 2,1 237 2,2 244 2,4 235 2,4 – 25 236 2,4 – 4,26 235, 236 2,7 467, 475 2 – 11 234 f., 237 3 236 4 236 5,1 – 6,8 235 6,9 – 9,29 235 8,1 468 10,1 – 11,9 235 11,10 – 26 235 11,27 – 25,11 235 12,1 – 3 235, 237 12 – 50 234 f., 237 25,12 – 18 235 25,19 – 35,29 235

36,1 – 37,1 235 37,2 – 50,26 235 Exodus 2,23 313 3,6 235 3,6 – 10.19 – 20 313 4,2 – 9 313 12,51 – 13.3 313 20,2 313 20,3 – 4 235 20,13 360 Deuteronomium 4,19 237 5,12 – 15 237 6,4 235 21,1 – 19 130 1. Samuel 16,14 475 Hiob 33,4 476 Psalmen 33,6 239, 467 74,12 – 13 237 104,25 ff. 237 104,29 f. 467, 470 139,1 – 16 467 Jesaja 1,16 – 17.21 – 23 314 4,8 – 15 314 5,7.18 – 23 314 9,1 – 7 314

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

558

Bibelstellenregister

10,1 f. 314 11,1 – 9 314 16,1 – 5 314 25,1 – 4 314 26,7 – 10 314 28,16 f. 314 30,18 314 32,15 89 32,15 – 18 314, 471 33,15 314 41,17 – 20 314 42,1 – 4 314 44,3 89 51,9 ff. 237 53,5 182 f. 55,1 – 13 314 56,1 f. 314 56,1 – 8 314 58,6 – 10 314 59,1 – 15 314 61 74 61,1 – 9 314 65,17 – 25 314 Jeremia 4,1 f. 314 5,1.26 – 29 314 7,1 – 7 314 9,23 f. 314 12,1 – 4 314 21,11 f. 314 22,1 – 5.11 – 17 314 34,8 – 22 314 Klagelieder 3,31 – 36 314 Ezechiel 16,44 – 50 18,1 – 23 22,1 – 12 33,10 – 16 37,1 – 14

314 314 314 314 470

Daniel 4,24 – 27.34 – 37

314

Hosea 4,1 – 3 314 10,11 – 15 314 12,5 – 9 314 Amos 2,6 – 8 314 4,1 – 3 314 5,4 – 7.10 – 15.21 – 24 8,4 – 10 314 9,1 – 15 314 9,11 ff. 76 Jona 3,4 314 Micha 3,8 – 12 314 6,6 – 8 314 Habakuk 1,1 – 4 314 2,6 – 14 314 Zefanja 1,5 237 2,3 314 3,5.17 – 20 314 Sacharja 7,9 – 14 314 8,14 – 17 314 Maleachi 2,15 – 17 314 3,4 – 12 314 Matthäus 1,18 230, 239 3,11 230 3,16 230

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

314

Bibelstellenregister 4,1 230 5,39.44 360 5,43 – 48 314 7,15 – 23 481 12,28 471 15,1 – 6 160 16,18 167 22,34 – 40 314 25,10 453 27,24 130 28,19 460

17 81 17,21 471 19,1 – 9 75 21,1 81 22,14 – 22 75 22,42 f. 81 23,46 468 24,49 89, 306, 175, 192

Markus 1,8 189, 230 1,10 230 1,12 230 6,12 – 13 435 11,24 188 12,38 314 16,9 – 20 99 16,15 460 16,17 170 16,20 192 Lukas 1 – 2 74 f. 1,35 72, 230, 239, 468 1,39 – 44 468 1,72 – 79 87 2,14 360 2,25 – 35 468 3,16 90, 230 3,21 f. 230, 468 4,1 230 4,1 – 14 468 4,18 f. 468 4,21 74 7,11 – 17 75 8,15 f. 72 10,25 – 37 314 11,13 182, 188 11,20 75, 471 14,15.24 453 15,11 – 32 75

Johannes 1 474 1,9 475 1,14 239 1,29 – 34 233 1,32 f. 230 2,11 277 3,2 277 3,2 – 8 232 3,3 – 7 469 3,8 489 3,16 462 4,54 277 5 399 6,2 – 30 277 7,31 277 7,37 – 39 192 9,3 277 9,16 277 10,41 277 11,47 277 12,18 277 13,3 – 35 314 14 – 16 399 14,16 485 14,17 488 14,26 423 16,8 – 11 469 16,13 423, 488 17 167 17,20 f. 407 20,22 70 f. 20,30 277

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

559

560

Bibelstellenregister

Apostelgeschichte 1 323 1,2 230 1,4 175, 192 1,5 71, 90, 182 1,6 – 8 374 1,8 85, 89, 175, 192, 306, 317 1,11 374 1,21 ff. 85, 433 2 70, 80, 162, 230, 252 f., 256, 276, 315, 318, 323, 439 2,1 – 4 169 2,1 – 13 254 2,4 71, 175, 177, 179 f., 252, 254, 299 – 301, 317 2,4 – 11 317 2,4.30.34 – 36 77 2,4.33 306 2,5.8 – 11 468 2,7 – 8.11 299 2,8 277 2,14 – 21 317 2,14 – 38 81 2,16 22 2,17 – 21 230, 374, 469 f. 2,17.18.33 71 2,19 263 2,21 79 2,26 254 2,38 f. 71, 84 2,42 192, 252 2,42 – 47 378 2,43 – 47 77 3,16 79 4 80 4,4 299 4,8 192 4,12 79, 485 4,17 f. 79 4,37 – 37 77 5 80 5,28.40 79 5,31 81 5,41 79

7,56 85 8 20, 69 – 92, 455 8,7 f. 77 8,12 – 14 71 8,12 76 f., 77, 79 8,12 – 16 83 8,12 – 17 192, 194 8,14 – 25 446 8,15 – 17 72 8,16 90 8,18 f. 71 8,23 83 8,25 86 8,39 77 9 398 9,4 f. 81 9,14 – 16 79 9,31 86 9,34 79, 81 10 77, 253, 318, 455 10,34b–35 470 10,38 468, 475 10,41 85 10,44 – 46 71 f.,175, 180, 192, 194, 253 10,46 195, 299, 301, 315 10,47 71 11,14 – 16 175, 180, 192, 194 11,15 71 11,16 72, 90 11,27 85 13,1 85 13,31 85 15 76 15,7 – 9 194 15,8 71 f. 15,8 f. 90, 175, 181, 192 15,21 85 16,17 317 17,24a.25b–28 468 17,28 241, 475 18,9 f. 81 19 253, 318 19,1 – 6 84 19,6 299, 301, 315

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibelstellenregister 20,28 21,9 21,10 21,13 22,7 22,15 22,16 22,20

435 85 85 79 81 85 79 85

Römer 1,4 470 4,25 228, 230 5,5 462 6,4 188 8,9 – 12 81, 228, 230, 459 8,17 – 27 96, 470 f. 8,23 38 8,26 f. 94, 98 f., 101 – 104, 170, 278, 288 f., 309 8,28 106 9,18 453 10,9 – 15 485 12,6 95 13,8 – 10 314 14,1 – 5 314 15,19 95 1. Korinther 1,18 – 25 97 2,3 – 5 95 f. 2,10b f. 474 3,21 – 4,5 317 4,7.21 447 5,8 433 8,1 – 13 314 9,1 f. 433 10,11 128 10,20 154 11 – 12 106 11,16.34 447 11,17 – 34 99 12 – 14 94 f., 97, 99, 171 f., 317 12 176 f. 12,1 – 3 163

561

12,1 – 31 175, 192 12,3 480 12,4 – 10.28 175, 181 12,4 – 13.27 – 31 317 12,7 – 11 98, 100, 317 12,10.28 299 12,12.28.30 299 12,13 317 12,22 – 24 104 12,27 f. 433, 435 12,30 176 13 314 13,1 101, 170, 177 13,1.8 299 13,2 453 13,8 – 13 104, 317 13,12 205, 476 14 252, 278, 283 14,1 – 40 98, 299 14,2 98, 100, 102 f., 170, 189, 277, 306, 309 14,2 – 13 282 14,4 98, 103, 317 14,5 102 14,10 – 12 101, 277 14,13 277, 279 14,14 – 19 98 f. 14,14 – 17 102 f. 14,15 100 14,16 98, 306 14,17 306 14,18 100, 103 14,21 – 28 306 14,22 270, 277 14,26 – 28 99, 102 f., 277, 283, 317 14,29 102 14,31 101 14,32 98 15,3 – 11 161, 164 15,17 – 28 317 15,24 – 28 453 15,28b 62

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

562 2. Korinther 5,16 f. 376 f. 12,9 94, 96 13,13 461 Galater 2,19 f. 81 3,2 – 5 95 5,1 – 6.13 f. 315 5,19 – 23 481 5,22 70 Epheser 1,4 413 1,10 453 2,11 – 3,13 315 2,20 167 2,22 459 3,16 – 20 95 4,1 – 16 167 4,4 – 6 438 4,7 461 4,11 – 14 406 4,13 428 4,30 104 Philipper 1,21 81 2,1 f. 314 3,9 – 13 96 3,10 81 Kolosser 1,9 – 11 96 1,24 96 2,8 161 3,1 – 14 315 1. Thessalonicher 1,5 – 6 96 5,19 – 22 95 2. Thessalonicher 2,1 – 2 162

Bibelstellenregister 2,15 162 3,6 162 2. Timotheus 3,16 167 Titus 3,5 469 Hebräer 3,6 – 13 167 6,4 260 9,14 468 10,36 – 37 182 11 359 12,14 360 12,28 192 Jakobus 1,26 439 2,8 – 12 315 1. Petrus 1,8 99 2. Petrus 2,12 f. 470 1. Johannes 1,3b 81 2,27 488 3,2 453 3,17 f. 315 4,20 f. 315 5,1 315 Judas 3 439 – 441 Offenbarung 1,10 313 4,1 f. 313, 470 4,21 453 5,9 470

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Bibelstellenregister 7,9 378, 463, 470 7,16 f. 453 11,15 453 13,8 413 21,1 – 4.10 313 21,3 f. 453

21,10 470 21,24 470 22,1 – 5 313, 453 22,17 470 22,18 167

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

563

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Critical Studies in Religion / Religionswissenschaft (CSRRW)

Band 4: Afe Adogame / Magnus Echtler / Oliver Freiberger (eds.) Alternative Voices A Plurality Approach for Religious Studies. Essays in Honor of Ulrich Berner 2013. 357 pages, hardcover ISBN 978-3-525-54017-6

Listening to alternative voices in religious contexts is not only interesting but methodologically essential for a better understanding of religion. When scholarship presents the histories, belief systems, and ritual patterns of specific religious groups, it often privileges victorious and élite fractions of those communities to the detriment and neglect of alternative, dissonant, and resurgent voices. The contributions in this volume, which include case studies on various religious and academic contexts, illustrate the importance of listening to those alternative voices for the study of religion.

www.v-r.de

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Critical Studies in Religion / Religionswissenschaft (CSRRW)

Band 1: Isabell Laack Religion und Musik in Glastonbury

Band 6: Katja Rakow Transformationen des tibetischen Buddhismus im 20. Jahrhundert

Eine Fallstudie zu gegenwärtigen Formen religiöser Identitätsdiskurse 2011. 712 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-54011-4

Chögyam Trungpa und die Entwicklung von Shambhala Training 2014. 409 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-54018-3

Welche Bedeutung kommt Musik bei kollektiver Identitätsbildung in der heutigen Religiosität zu? Ergebnisse einer Feldforschung in Glastonbury – erstmals umfassend aus religionswissenschaftlicher Sicht.

Das Buch bietet eine historische Mikrostudie zu Chögyam Trungpa und seiner Entwicklung und Präsentation von Shambhala Training. Dabei ermöglicht es die transkulturelle Orientierung der Arbeit, die von Trungpa etablierten Vorstellungen und Praktiken auch als ein aus einer kulturellen Hybridität hervorgegangenes neues Wissens- und Praxisfeld zu beschreiben.

www.v-r.de

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Träger des Henning-Schröer-Förderpreises für verständliche Theologie

Moritz Fischer Pfingstbewegung zwischen Fragilität und Empowerment Beobachtungen zur Pfingstkirche »Nzambe Malamu« mit ihren transnationalen Verflechtungen Kirche – Konfession – Religion, Band 57 2011. 349 Seiten, gebunden ISBN 978-3-89971-843-0 Erschienen bei V&R unipress

Dieser Studie geht es um die neuere Geschichte und Theologie der Pfingstbewegung in interkultureller und kulturwissenschaftlicher Sicht. Referenzpunkt ist die internationale, aus dem Kongo stammende Pfingstkirche »Nzambe-Malamu«. Multiperspektivität ist der Schlüssel, um einen Zugang zu ihr zu finden. Die Analyse erfolgt von interkulturell-theologischer, historisch-kirchengeschichtlicher sowie ekklesiologischer bzw. konfessionskundlich-ökumenischer Warte. Diese vier Perspektiven konvergieren in der Performanz dieser Kirche. Es gilt, Nzambe-Malamu in historisch-synchroner wie -diachroner Hinsicht wahrzunehmen: in ihrer weltweiten Verbreitung und als »Migrationskirche« in Europa. Mit ihrem darstellenden religiösen Handeln erfindet sie sich immer wieder neu zwischen Fragilität und Empowerment. Damit wird das diskursive Beziehungsgeschehen einer Pfingstkirche unter Konzentration auf ihre Selbstaussagen erkennbar.

www.v-r.de

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012

Zwei pfingsttheologische Entwürfe und ihre impliziten Erkenntnistheorien

Giovanni Maltese Geisterfahrer zwischen Transzendenz und Immanenz Die Erfahrungsbegriffe in den pfingstlich-charismatischen Theologien von Terry L. Cross und Amos Yong im Vergleich Kirche – Konfession – Religion, Band 61 2013. 247 Seiten, gebunden ISBN 978-3-8471-0151-2 Erschienen bei V&R unipress

In der pfingstlich-charismatischen Bewegung ist eine erfahrungsorientierte Praxis Markenzeichen und identifikatorisches Moment. Zugleich tut sich die Pfingsttheologie schwer, diese Praxis systematisch-theologisch zu reflektieren. Damit ist sie nicht allein: Die Rede von religiöser Erfahrung ist in der gesamten christlichen Theologie nach wie vor unterbestimmt. Diese Arbeit untersucht den Ansatz Terry Cross‘ und den Amos Yongs, die die pfingstlich-charismatische Erfahrung des Heiligen Geistes explizit an den Ausgangspunkt ihres Theologisierens setzen, und vergleicht deren implizite Erkenntnistheorien.

www.v-r.de

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525522011 — ISBN E-Book: 9783647522012